Delitzscher Internierte in sowjetischen Speziallagern

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Die Beschäftigung mit diesem Thema hat nicht zur Aufgabe, Schuld oder Unschuld der einzelnen Betroffenen festzustellen. Auch wenn hier und dort darüber geredet wurde, so war das Thema bis 1989 tabu: Es geht um die von 1945-1950 auf dem Territorium der SBZ (der späteren DDR) eingerichteten Speziallager des NKWD der Sowjetunion. Was zunächst als recht einleuchtend begann – entsprechend der Richtlinien der Antihitlerkoalition alle Funktionäre der NSDAP und ihrer Gliederungen sowie Kriegsverbrecher zu internieren und zu bestrafen – offenbarte später doch seinen Unrechtscharakter. Dieser Charakter liegt weniger in der Existenz der Lager begründet, als darin, dass in den Lagern ein Massensterben nicht verhindert werden konnte; dass nicht verurteilte Zivilisten mehr als fünf Jahre gefangen gehalten worden und dass tatsächlich unschuldig internierte Personen unter grauenhaften Verhältnissen dahinvegetierten und mehr als ein Drittel nie mehr nach Hause kamen! Als sich 1990 die Tore der russischen Archive öffneten, als die Unterlagen des ehemaligen KGB/NKWD freigegeben wurden und man öffentlich darüber sprechen konnte, da wurden auch immer mehr Vorgänge in diesen Lagern bekannt und weckten nicht nur allgemeines Interesse. Plötzlich tauchten in diesem Zusammenhang Namen auf, die man kannte, Angehörige von ehemals Internierten erfuhren erstmals etwas über deren Schicksal. Es erwuchs auch ein rein persönliches Interesse daraus, die ganze Wahrheit zu erfahren; denn nun waren es nicht nur einfach abstrakte unbekannte Personen, es waren Namen von Verwandten, von Freunden, von Bekannten. Allein im ehemaligen kleinen Kreis Delitzsch sind es mittlerweile weit über 300 Personen, die mit solchen Speziallagern in Verbindung gebracht wurden. Wie viele es in Wirklichkeit waren, kann noch nicht einmal vermutet werden. Auf diese Lager trifft ganz besonders ein Satz des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker aus dem Jahr 1985 zu:

"Es gab Unschuldige, die verfolgt wurden, und Schuldige, die entkamen."