Delitzscher Stadtchronik 1207-1990

Die Stadt Delitzsch verfügt über eine ausführliche Chronik der Geschichte der Stadt, die bereits in gedruckter Form für den Zeitraum von 1207 bis 1990 vorliegt. Diese Chronik besteht aus insgesamt zehn Bänden, die an dieser Stelle veröffentlicht werden. An der Weiterführung der Chronik wird ständig gearbeitet. Das Menü auf der rechten Seite soll den Zugang zu den verschiedenen Bänden erleichtern.

Die einzelnen Bände der Stadtchronik können im Stadtarchiv Delitzsch eingesehen werden.


Delitzscher Stadtchronik  1207-1450

(Quelle: Delitzscher Stadtchronik von Johann Gottlieb Lehmann, ausgewählt durch Hans-Jürgen Moltrecht; Teil I, 1207-1450; hrsg. vom Kreismuseum Delitzsch, 2. Auflage 1991.)

Vorwort

Aus Anlass der 110. Wiederkehr des Todestages von Johann Gottlieb Lehmann im Jahre 1962 wurde auf dem ehemaligen Marienfriedhof in Delitzsch seine Grabstätte neu gestaltet. Sie bewahrt die leibliche Hülle des ersten Historikers, der sich der Delitzscher Stadtgeschichte verschrieben hatte. Die Ergebnisse seiner Forschungen sind uns als Stadtchronik erhalten geblieben.

Bereits im Jahre 1852 erschien aus der Chronik ein zweiteiliger Auszug in einer kleinen Auflage von Hermann Schulze. Nur noch wenige Exemplare sind heute davon erhalten geblieben. Leider blieben dabei wichtige heimatgeschichtliche Ereignisse aus der Originalchronik unberücksichtigt. Das Kreismuseum in Delitzsch sieht seine Aufgabe darin, die Lehmann'sche Chronik der Bevölkerung wieder zugänglich zu machen. Sechs Hefte der Museumsveröffentlichung sind dafür vorgesehen. Im vorliegenden Heft konnten gegenüber dem Druck von 1852 entscheidende örtliche Daten aus der handschriftlichen Chronik aufgenommen werden. Geschehnisse, die unseren Kreis und seine Bewohner nicht betreffen, blieben dagegen unberücksich­tigt. Es handelt sich hierbei um ausführliche Erläuterungen zur landesherrlichen Territorial- und Familiengeschichte, die den Rahmen dieser Veröffentlichung spren­gen würden.

Mit dem Erschließen dieser für die Kenntnis der feudalistischen Verhältnisse wich­tigen Geschichtsquelle hoffen wir, das Interesse für die Heimatgeschichte bei vielen Menschen wecken zu können.

Johann Gottlieb Lehmann - der Chronist unserer Stadt

Am 4. Januar 1962 gedachten wir des Chronisten Johann Gottlieb Lehmann, der vor 110 Jahren kurz vor Vollendung seines 74. Lebensjahres völlig verarmt in den Mauern seiner Vaterstadt starb.

Er hinterließ uns nach aufopferungsvoller Arbeit eines ganzen Lebens die Chronik der Stadt Delitzsch. In drei sorgfältig geschriebenen Bänden fasste er sein Wissen über Delitzsch zusammen, nachdem er in langjährigem Studium Urkunden und Literatur in Archiven und Bibliotheken ausgewertet hatte.

Johann Gottlieb Lehmann wurde am 30. Januar 1778 als Sohn eines armen Tuchma­chers in der Milchgasse in Delitzsch geboren. Durch Unterstützung einiger Bürger erhielt er 1791 eine Ratsdiskantistenstelle in Leipzig und dadurch gleichzeitig eine Freistelle an der Thomasschule Er studierte nach beendeter Ausbildung an der Leipziger Universität Theologie und Philologie, wandte sich jedoch später dem Studium der Geschichte und Rechtswissenschaft zu. Im Jahre 1813 kehrte er nach Delitzsch zurück und führte als Gerichtsaktuar bei "unwürdiger Besoldung" bis zu seinem Tode ein dürftiges Dasein. Seine Mutter starb im Armenhaus. Bereits der 42jährige nennt sich in einem Bittschreiben an den Rat der Stadt "einen schuldlos Verarmten". Der preußische Staat war nicht in der Lage, diesem wissenschaftlich gebildeten Menschen eine angemessen Bezahlung zu gewähren. 

Leider wissen wir über seine Einstellung zu den geschichtlichen Höhepunkten zwischen 1789 und 1848 sehr wenig. Aufschluss werden seine noch unerforschten literarischen Arbeiten geben. Allein seine Verbindung zu Johann Gottfried Seume (1763-1810), der eine große Sympathie für die Französische Revolution hegte und sich nicht scheute, die deutsche Fürstendespotie scharf zu kritisieren, lässt ahnen, dass sich auch Lehmann mit diesen Problemen auseinandersetzt. Seume war es, der über die Zustände in Deutschland die bezeichnenden Worte schrieb: "...bei uns wird die Schätzung (eines Menschen - d. V.) genommen nach dem, was das Kirchenbuch spricht, der Geldsack des Vaters wiegt oder das Hofmarschallamt vorschreibt". - Es wundert uns heute nicht mehr, dass auch der Chronist Lehmann in seiner Vaterstadt so dahin vegetieren musste. Sein Grabstein stand auf dem Marienkirchhof. Behalten wir den Delitzscher Chronisten Johann Gottlieb Lehmann als einen der besten Bürger unserer Stadt in ehrendem Andenken!

Einführung

Von den acht Jahrhunderten Delitzscher Geschichte nimmt die Etappe des Feudalismus mit über 600 Jahren den größten Zeitraum ein. Dafür bietet uns das durch J. G. Lehmann erforschte und chronologisch geordnete Material von 1207-1701 eine lebendige Widerspiegelung der verschiedenen Seiten mittelalterlicher Stadtge­schichte.

Im Hoch- und Spätmittelalter waren das Entstehen und der Ausbau der Städte zwischen Elbe und Saale entscheidend. Sie bildeten mit ihrer städtischen Gesellschaftsordnung neue fortschrittliche Elemente im Feudalsystem. Dem gegenüber standen leibeigene Bauern, die dem Feudalherren Frondienste leisten mußten und selbst keinen Boden besaßen. Naturalabgaben, bäuerliche Kleinwirtschaft und niedriges technisches Niveau bestimmten den Charakter dieser Agrarverhältnisse. Mit fortschreitender wirtschaftlicher Entwicklung wurde die feudale Gesellschaftsform zu einem Hemmnis für das junge Bürgertum und zu einer drückenden Last für die abhängigen Bauern. Der Klassenkampf der Bürger und Bauern gegen den Adel wuchs zur frühbürgerlichen Revolution - zum Großen Deutschen Bauernkrieg.

Vom 13. bis 15. Jahrhundert können wir in Delitzsch die ständigen Auseinanderset­zungen zwischen dem Adel und der Bürgerschaft belegen. Einen großen Teil hiesigen Reichtums eigneten sich die geistlichen und weltlichen Feudalherren an, so daß die Gemeinde mehrmals vor dem finanziellen Ruin stand. Städtische Rechte wurden vom Adel eingeschränkt und übertreten. Ständig erhob der Landesherr neue und höhere Steuern und verpflichtete die Stadt zu Schuldverschreibungen. Mit Menschen, Geld und Material mußten die Kriegszüge der Fürsten ausgerüstet werden, Fehden zwi­schen den Adligen führten im Land zu einer feudalen Anarchie. Da der Adel auf die Erzeugnisse der Handwerker angewiesen war, gelang es dem Bürgertum, seine politische und wirtschaftliche Selbständigkeit trotz vieler Rückschläge lange Zeit zu behaupten. Auch zwischen den einzelnen Schichten der Bürger kam es zu ständigen Auseinandersetzungen. So ist uns aus dem Jahre 1402 ein Aufstand der Schuh- und Gerberknechte gegen die im Rat herrschenden Bürgergeschlechter überliefert. Sie hatten sich als erste handwerkliche Gruppe bereits 1397 zu einer Innung zusammengeschlossen, eigene Artikel aufgestellt und diese 1421 gegen den Willen der Ratsherren erweitert.

Über die Stadt Delitzsch selbst wissen wir, daß Sie im Jahre 1166 zum ersten Male urkundlich erwähnt wurde. Der Name Delitzsch stammt aus dem Slawischen delce und bedeutet Hügel. Sie erhielt diese Bezeichnung nach dem auf dem westlichen Schloßgelände liegenden Spitzberg, der im 17. Jahrhundert abgetragen wurde. Auf ihm befand sich die erste Burganlage. Im Vorgelände dieser Burg - in der Halleschen Straße, Ritterstraße und Badergasse - siedelten Kaufleute und Handwerker. Sie befreiten sich vom Landesherren durch den Kauf städtischer Rechte, ummauerten das Gelände der heutigen Altstadt zwischen den beiden Stadttürmen und errichteten ein Rathaus am Markt. Hier regierten einige bevorrechtete Adels- und Kaufmannsge­schlechter das städtischen Gemeinwesen. Später gelangten auch Handwerker in den Rat und wurden zu Viertelsherren bestimmt, so daß man nach und nach den Einfluß des Adels in der Stadt zurückdrängen konnte. Neben der Altstadt entstand die Neu­- und Vorstadt (vom Roßplatz - Eilenburger Straße bis zur Töpfergasse und Marien­straße), die von 1404 bis 1410 einen Graben und eine Hecke als Schutzanlage erhielt. In ihr wohnten die ärmeren Schichten der Bevölkerung.

Die Chronik bietet so reichhaltiges Material, daß beispielsweise über die ständigen Kriegszüge und vollzogenen Gerichtsurteile nachgelesen werden kann. Auch die Handwerksmeister sind alle namentlich erwähnt. Besonders gut lassen sich die verschiedenen Bauetappen der Stadt verfolgen.

Delitzsch wuchs nur an wenigen Stellen über die Grenzen seines Mauerringes hinaus. So wurden im 15. Jahrhundert die Scheunen aus der Altstadt an den Steinweg vor dem Halleschen Tor verlegt, gleichzeitig bestand eine Ziegelei - genannt Ziegelscheune - auf dem heutigen Gelände der Friedensschule und 1411 brachte man die alte Stadtmühle vom Pfortenplatz nach ihrem gegenwärtigen Standort. Im 16. Jahrhundert entstand eine Siedlung der Gerber - der Gerberplan. Die Bewohner der Grünstraße, des Rosentales und des Steinweges vor dem Halleschen Tor gehörten bis 1862 zum Amt Delitzsch. Sie unterstanden damit direkt dem Landesherren und nicht dem städtischen Rat. Im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts konnte sich die Stadt durch die dauernden Kriege räumlich nicht vergrößern. Erst die Industrialisierung brachte hierin einen Wandel.

Für die Geschichtsforscher ist es von besonderem Wert, daß Lehmanns chronistische Angaben nicht nur das Leben und die Geschichte bestimmter Bevölkerungsgruppen widerspiegeln, sondern daß er die ganze Skala der Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Schichten und Innungen der feudalistischen Gesellschaft in seinen Aufzeichnungen lebendig werden läßt und nur selten Gedankengänge höfischer Geschichtsschreiber einfließen.

 

1207
Im Juni des Jahres hielt Markgraf Konrad, Sohn des Dedu und Bruder des Dietrich, hier einen Gerichts- und Lehnstag ab.

1222
Landgraf Ludwig in Thüringen, Vormund des Markgrafen Heinrich und Administrator des Landes während dessen Minderjährigkeit, hielt am 6. Juni des Jahres ebenfalls hier einen allgemeinen Gerichtstag ab.

1291
Der Landgraf von Thüringen, Albert, nahm nach dem Tode des Markgrafen von Meißen zu Landsberg, Friedrich Tutta, dessen Lande als nächster Lehn­serbe in Anspruch und verkaufte Landsberg, Delitzsch und andere Städte und Ortschaften an die Markgrafen von Brandenburg, Otto mit dem Pfeile und Konrad, die das erkaufte Land als Markgrafschaft Landsberg in ihre Titel nahmen.

1325
Schenkte Anges (die Witwe des Markgrafen Heinrich von Brandenburg) dem St..- Klaren-Kloster bei Weißenfels, wo ihre Tochter Margarethe Äbtistin war, das hiesige Pfarrlehn.

1333
Ward der Herzog Magnus erblich mit der Mark Landesberg beliehen und schenkte der in diesem Jahre hier entstandenen Ka1ands - Gesel1schaft.am 3. Mai eine freie Hufe auf Wiedemark-Mark, die der hiesigen Stadtkirche noch zinst.

1334
Am 5. Mai erteilte der Offizial zu Halle erzbischöfliche Erlaubnis zum Gebrauch der Kirche für die Feierlichkeiten des Kalands.

1336
In der Pfingstwoche gab der Erzbischof Otto von Magdeburg die Erlaubnis zur Fundation des Kaland – Altars in einer der Kirchen zu Delitzsch. Es war der Altar Barbarä in der Stadt- oder wir es in der Urkunde heißt Peters -Kirche.

1344
Am 29. Juni schenkte der Herzog Magnus, Markgraf zu Landeberg, dem Kaland zu diesem Altare 2 Hufen, 2 Höfe und eine Wiese auf dem Felde in Kyhna, der Kirche noch heute zinsbar.

1347
Dem Herzog Magnus, welcher mit dem Erzbischofe zu Magdeburg, Otto, wegen einiger Städte und Schlösser der Mark Landsberg in Fehde geriet, verkaufte, als der Versuch, den Streit durch Schiedsrichter zu schlichten, erfolglos blieb, am 5. Juni die Mark Landsberg mit den Festen Landsberg, Delitzsch, Reideburg und den Altenhof für 8000 Schock Groschen an den Land- und Markgrafen Friedrich den Ernsten und dessen Sohn. So kam dieser Landesteil wieder an Meißen.

1348
In diesem Jahre brach die Pest aus, die schrecklichste der neueren Geschichte, welche drei Jahre anhielt und Deutschland über die Hälfte seiner Bewohner entrissen haben soll. In dieser Verzweiflung glaubte man, daß die Juden die Brunnen vergifteten, sie wurden daher auf fürstliche Befehle ausge­trieben, ihrer Güter beraubt und verließen auch hiesige Stadt, wo sie bisher in der nach ihnen genannten Jüdengasse, jetzt Holzgasse, gewohnt hatten. Auch suchte man gegen diese fürchterliche Krankheit in den Betfahr­ten, und Flagellanten oder Geißler, die mit Kreuzen, geweihten Kerzen von Ort zu Ort zogen und durch Absingung eines Bußgesanges und zur Geißelung ihres entblößten Rückens das Erbarmen der Gottheit bewegen wollten, fanden großen Beifall, bis sie durch reichliche Unterstützungen ausarteten, Der Klerisei mißfällig wurden und mit der Abnahme der Krankheit sich verloren.

1363
In diesem Jahr ist die Glocke der Stadtkirche gegossen.

1364
War die Stadt mit denen von Gluch auf.Rubach über einen Weg auf Rubach streitig, der am 10. August von dem Unterhauptmanne zu Leipzig und Delitzsch, Hans Porczik, Günther von Bünau d. Ält. und Heynich von der Gossow gütlich dahin entschieden wurde, daß die von Gluch ein Ende ihres Holzes den Bürgern zu ihrem eigenen Wege gaben, die Bürger ihnen dafür gönnten, mit ihrem Vieh durch die Delitzscher Mark und Stadt zu treiben, vorbehältlich der Pfändung und Ersatzes bei Beschädigungen. Zeugen waren dabei Hans von Pak und Wyprecht von Schenkenberg.

1366
Bering von Lichtenhagen war Amtmann in Delitzsch.

1367
Am 11. Oktober war der Markgraf Wilhelm hier und ward unter anderem Elisabeth, des gestrengen Hans von Gluck eheliche Wirtin, mit dem dritten Teile des Sadelhofes Rubach zu rechtem Leibegedinge beliehen. Gegeben ward ihr darüber zu Vormund ihr Bruder Haynitz von Freiberg.

1376
Von diesem Jahre ist das älteste Gerichtshandelsbuch der Stadt. Der Rat, geteilt in drei wechselnde Räte, hatte die Gerichtsbarkeit für jährlich 12 Schock in Pacht und wechselte Allerheiligen. Bürgermeister war Hans Vormann. Dem Markgrafen wurden 100 Schock Bete ausgebracht, und liehen der Stadt hierzu Konrad von Ysleben und Konrad von Bitterfeld 30 Schock, aber auf Leibzins. Auch kaufte die Stadt von Tamme Pflug das Kaufhaus mit allen Zubehörungen, Stützungen, Rechten, Gewohnheiten (ein Teil des jetzigen Rathauses gegen Abend) und ward vom Land- und Markgrafen Wilhelm, für sich und seine Brüder Friedrich und Balthasar, am 25. April beliehen. Das Rathaus war das Eckhaus am Markte neben dem Brauhause, die Etage zu Sitzungen des Rates, der Keller zum öffentlichen Weinschanke in Gebrauch (Ratsweinkeller). Bürgerversammlungen hielt man wegen Mangels an Raume in der Kirche, zu welchen der Küster finit der großen Glocke ein Zeichen gab. Das im Gäßchen anstoßende, zu dem Rathausc gehörige Gebäude, Scharren, diente den Fleischhauern an Wochenmärkten gegen eine jährliche Abgabe zu ihrem Warenverkauf. Die pachtweise erhaltene Gerichtsbarkeit verlangte nun aber eine größere Räumlichkeit und diese fand sich in der erkauften Pflug'schen Besitzung, wohin denn auch sogleich der Fleischverkauf gewiesen, und der Scharren an den Bürger Brunge für 2 Schock verkauft, das Kaufhaus aber im Jahre 1400 und 1401 mit einem Aufwande von 37 Schock umgebaut, 1401 als neue s Rathaus bezogen ward. Das alte mit Ausschluß des Kellers und den von Brunge wieder gekauften Scharren vermietete man 1401 an Hermann Pharner für 3 Firdung ('/4 Schock) jährlichen Zinses, veräußerte aber beides mit Rückhalt des Weinkellers 1404 an Klaus Keller, vondessen Erben es 1413 an den Brunge und von diesem 1419 an den Zolleinneh­mer Nickel Apitz eigentümlich überging. Indessen nötigte die sich täglich er­weiternde Schenkwirtschaft schon im folgenden Jahre zum Rücklaufe, worauf denn die Etage 1 und 2 zu größerer Bequemlichkeit der Weingäste eingerichtet, der Scharren aber der Kirche zur Aufbewahrung der Baugerätschaften während ihres Neubaues unentgeldlich überlassen und 1464 für ein Schock 5 Groschen käuflich abgetreten ward.

1379
Hans Vormann war Bürgermeister und lieh der Rat von Meister Hennyngus von Bosch, Schulmeister zu Czernest, 21 Schock auf Leibzins.

1380
War Hans Cluys Bürgermeister und lieh der Rat von dem Pfarrer Nicolaus zu dem Hagin (Hain, Gräfenhainichen) 21 Schock.

1381
War Peter Gnys Bürgermeister und lieh der Rat vom Pfarrer Jacob zu Bitterfeld 15 Schock oder 2 Mark und von dem hiesigen Prediger Nicolaus von Dybin (Düben) 1 Mark.

1382
War Hans Vormann Bürgermeister und borgte der Rat von Albrecht Walwitz von Burg 4 Mark und von denen von Freiberg ein Kapital, jährlich zu 1 Mark Leibzins, für Bruder Eberhard von Freiberg. Eine Hufe in der Benndorfer Flur sollte der Stadt jährlich einen Firdung (den vierten Teil eines Schockes, 15 Groschen) zinsen. Durch den im vorigen Jahre erfolgten Tod Friedrich des Strengen ward die wirkliche Teilung der Länder Friedrich des Ernsten herbei­geführt und kam Delitzsch mit an den Land- und Markgrafen Wilhelm I.

1384
War Hans Cluys Bürgermeister und verlieh der Rat an den Claus von Acken 2 Schock Groschen auf einen Firdung jährlichen Zinses. Dagegen borgte die Stadt von dem hiesigen Prediger Nicolaus von Düben 8 Schock Meißnische Groschen auf Leibzins. Am 1. April schenkte der Markgraf Wilhelm zu Meißen zwei Gärten in einer Breite hinter dem Kirchhofe Unserer lieben Frauen gelegen, die früher der von Crostewitz und die von Trossin von Gebhard von Zcorbecke zu Lehen hatten, nach dem dieser die Lehen aufgegeben, an die Kirchen Unserer lieben Frauen und St. Peter zu einem ewigen Geleuchte. Am 13. November verordnete der Markgraf in einer hier ausgestellten Urkun­de, daß der Nachlaß der belehnten Geistlichen in der Stadt und Pflege Delitzsch dem Lehnfolger anfallen und weder von den Amtsleuten noch geistlichen Behörden, es sei Bischof, Archidiakon oder Lehnherr, in Anspruch genommen werden sollte und sollen dafür die belehnten Geistlichen zweimal des Jahres Vigilien und Seelenmessen in der Stadt Delitzsch singen und lesen, des Markgrafen Eltern und des Markgrafen Nachkommen Seelen zur Seligkeit und Troste. Unter den Zeugen ist: Er, Hans von Poczke, Schulmeister zu Naumburg, des Markgrafen Schreiber.

1385
Peter Gnyz, Bürgermeister, und Ratleute Jan Brant, Hensel Clus, Heinr. Tronicker, Peter Dideke, Joh. Kelb liehen dem von Ratmersdorf 8 Schock Groschen auf 1 Schock jährlichen Zinses und Hans und Erich Schillinge 16 Schock auf 2 Schock Zins zu Michaelis.

1386
Am 2. August belieh der Markgraf Wilhelm, welcher hier anwesend war, den hiesigen Kaland mit einem Hofe in der Badergasse, welchen der damalige Dechant des Kalandes, der Pfarrer zu Czchochow (Zwochau) für den Kaland gekauft hatte. Am 29. August zog der Bischof von Merseburg, Heinrich von Stalberg, mit seinen Mannen hier durch nach Eilenburg, überfiel daselbst des Nachts den Andreas von Duba, welcher diese Stadt inne hatte und das bischöfliche Gebiet durch öftere Einfälle verwüstete, gewann diese Stadt, plünderte und brannte sie nieder.

1387
Schenkte der hier gegenwärtige Markgraf Wilhelm dem hiesigen Hospitale eine Hufe auf Tupadel-Mark am 2. Juli mit 40 Groschen jährlichen Zinses, die aber 1575 vererbt worden ist.

1388
War Heinrich von Tronig Bürgermeister, Paul Welchow ein Ratsmitglied und wird in dem Gerichtsbuche bemerkt, daß Otto und Conrad Steyben 4 1/4 Schock in der Stadt schulde auf St Galli Jahrmarkt, wofür bürgen Hermann von Welchow und Ywan von Schenkenberg.

1389
Am 26. März war der Kaland-Altar durch den Erzbischof Albert zu Magdeburg von neuem bestätigt und denen, die ihn und durch ihn die Armen unterstützten, ein 40tägiger Ablaß und Fastenerlaß zugesagt.

1390
Hans Clus Bürgermeister, Ratsleute Tize Snider, Matth. Gruwel, Paul Snin, Dietr. Koppe, Paul Welchow, Hans Glewitz. Statt der bisher gangbaren Groschen von Silber, deren 60 auf eine Mark gingen, wurde auf Befehl des Markgrafen in Freiberg neue, 80 auf eine Mark, ausge­münzt. Am 11. März gab der Markgraf Wilhelm der Stadt den Gunstbrief über die B i e r m e i l e, daß eine Meile Weges um die Stadt kein Kretzschmar und Handwerksmann (Hufschmiede ausgenommen) wohnen soll, der nicht vorher dagewesen und zugleich Befehl an die Mannen, Ritter und Knechte in der Pflege Delitzsch, Kretzschmar und Handwerker, wo sie vor alters nicht gewesen, abzutun, an den Vogt aber, die Bürger gegen Eingriffe zu schützen.

1391
Schenkte er (der Markgraf) dem Hospitale eine Hofstätte zu Aufbauung und Stiftung des neuen Hospitals (das alte war am Gottesacker) mit 4 Hufen auf dem Sande, am B. Mai. Diese 4 Hufen vererbte man 1546.

1392
In diesem Jahre war im Rate Schindel Bürgermeister, Schoenebrot, Peter Dideke, Kirchhof, Stimer, Claus von Aken, Koppe Lelitz, und ward das neue Hospital (Zum heiligen Geiste) mit Kapelle (St. Fabian und Sebastian) meistens mit gesammelten Almosen notdürftig erbaut. Der Markgraf Wilhelm war hier im Monate März und eignete am 12. dieses Monats der Pfarrkirche zu Schenkenberg 1/2 Hufe Landes auf der Mark Groß-Kyhna zu einer Lampe, die in dieser Kirche ewig brennen soll.

1393
Zu dieser neuen Kapelle und dem Altar darinnen schenkte der Markgraf Wilhelm ferner am 22. Februar Zehnten und Zinsen von Landsberg und den Dörfern Gollme, Schwoitzsch, Reinsdorf, Sietzsch, Klitschmar, Doberstau, Kyna usw. und der Erzbischof Albert in Magdeburg bestätigte die Errichtung des Hospitals mit Kapelle, gab ihr als geistliche Stiftung kirchliche Freiheit, das Patronatsrecht dem Landesherren vorbehalten. Zu diesen Zinsen hatte jedoch auch Osse von Slywen, die von Freiberg und andere gegeben, und sollte davon jährlich ein Schock der Pfarrer zu Wiedererstattung im voraus nehmen, von den übrigen aber zwei Kaplane, geweihte Priester, die in der Stiftung wohnen und täglich in der Kapelle Messe halten sollten, besoldet werden. Nur mit des Fürsten Genehmigung und bei ehrhafter Not konnte der Aufenthalt außer der Stiftung gestattet werden. Die ersten Kaplane waren Urhard von Freyberg und Peter Sparnow, die letzten Hermann Hammer, Domherr in Wurzen, früher hier Pfarrer und Georg Lyssenius, Prediger zu St. Johannes in Leipzig, nach deren Tode durch Verordnung der Visitatoren die ganze Einnahme an die Stadtkirche kam. Am 14. Juli überließen Thime, Hermann und Hans, die Pake, ihren freien Hof, in der Holzgasse, den Brüdern (des) Prediger-Ordens von Leipzig - Do­minikaner, Paulaner - die ihn schon seit langer Zeit bewohnt hatten, und wurden ihnen von dem hier gegenwärtigen Markgrafen Wilhelm an genanntem Tage mit den Worten: daß ein Terminirer ihres Ordens in denselben Hofe frei und ledig ohne alles Stadtrecht wohnen und sitzen soll, der Lehnbrief ausgestellt. Am 30. September lieh der Rat an Otto und Hans von Gotwitz 20 Schock Freibergischer Münzen, zu 2 Mark jährlicher Verzinsung, die Zinsen von der Schuldner Vorwerk zu Gotewicz und bürgten dafür Herman Pake, Erich Kessil von Glesien, Hans von Dyskaw, gesessen zu Glesien und Otto von Dyskaw, gesessen zu Czernz, Sachwaltige.

1394
War Schindel Bürgermeister und findet sich in dem Gerichtsbuche die älteste, scheinbar aber nicht vollständige lateinische Rats- und Kämmerei-Rechnung. Der Rat erhob nach dieser den Zins von Wohnungen in der Stadt, Zinsen von ausgeliehenen Kapitalen, Zins von denen, die in und an dem Rathause feil hielten, Zins von den Kohlgärten über dem Lober, von den KohIgärten im Hain (von dem von Trossin erkauft), Zins von den Bewohnern der Neu- oder Vorstadt. Von den Ausgaben aber ist nur die vom Zoll da. Davon erhielt: 1 Schock der Pfarrer, ½ Schock Hans Pak, ½ Schock Kunen Pakes Witwe, 1 ½ Schock Heinrich und Hermann Pake, Brüder, und 10 Groschen Dietrich de Brode. Am 23. November schenkte der Markgraf Wilhelm dem Hospitale 2 ½ Hufe in der Flur zu Zörbig, die Peter Gast hatte und auf Lebzeiten behalten sollte, davon aber den Siechen i m Hospitale alle Sonntage, Dienstage und Donnerstage zu einem Essen Speck und Erbsen, montags, mittwochs, freitags und sonnabends aber Grütze und Butter geben mußte. Nach seinem Tode sollten die Spitalmeister die Hufe besorgen und das den Siechen Gesetzte geben, mit dem übrigen aber der armen Siechen Pfründe täglich bessern. Auch sollte alles, was Gast verließe, den Siechen folgen - zur Besserung. Dieses Feld lag auf Steter-Mark bei Zörbig und ward 1543 vererbt, gibt die ½ Hufe 20 Groschen jährlichen Zins. In diesem und zwei folgenden Jahren ward auch der Hallische Turm durch den Maurer Eberlin und Zimmerer Nicolaus dem Grunde aus neu erbaut.

1395
Am 13. November ritt der Bürgermeister mit den Seinen (Mitgliedern des Rates) und der Vogt mit einigen Vasallen nach Leipzig, einen Dieb daselbst hinrichten zu lassen.

1396
Am 23. Februar ritten die Ratsherren nach Eilenburg zu dem Markgrafen. Wert verschiedener Dinge: 1 Paar Winterschuhe 7 Groschen, 1 Paar gewöhnliche Schuhe 3 und 4 Groschen, 1 Elle Leinewand 1 Groschen, 1 Pferd 6 Schock, auch 8, 1 Elle geringes Tuch 7 Groschen, 1 Armbrust 40 Groschen, 1 Spaten 3 Groschen, 1 Schippe 3 Groschen. Schuhe erhielten übrigens vom Rate die beiden Diener und der Badeknecht. Der Rat kaufte am 5. April 2 Schock weniger 7 ½ Groschen Zins auf den Koh1gärten bei der Mühle zu Gertitz und vor der Stadt zu Delitzsch, vor dem Hallischen Tore an dem Damme von Hans Trossin, Vater und Sohn, für 21 Schock guter Groschen auf Wiederkauf; sie blieben aber der Stadt, da die Trossine von hier gingen und den Wiederkauf nicht bewirken konnten. Der Bau des neuen Hallischen Turmes wurde mit Aufsetzung der Spitze vollendet und erhielt der Maurer Eberlin 11, der Zimmermeister Nicolaus 5 Schock Arbeitslohn. Das Torhaus und Tor des Eilenburger (Breiten) Tores verbrannte und ward hergestellt, auch kam bei Friedrich Behr durch Unvorsichtigkeit Feuer aus, welcher 1 Schock Strafe erlegen mußte. Drei neue Hofstätte wurden in der Vorstadt ausgetan und der Kirchenseiger aus der Ratsgasse durch den Meister David aus Leipzig gebessert. Fünf wurden mit dem Strange hingerichtet und der Henker von Leipzig geholt. Das neue Gerichtsbuch, Verhandlungen von 1396 - 1486 enthaltend, von Pergament, besorgte der Diakon Nicolaus von Düben und kostete 1 Schock 14 Groschen. Auch kaufte man vier Büchsen von dem Büchsenmeister Veit in Grimma. Die Stadtwagen führte Fische nach Grimma, Fastenspeise nach Magdeburg für den Markgrafen. Der Rat verborgte 20 Schock an Georg von Welchow, 10 Schock an Ebel Goczlitz, 5 Schock an Grupczik und 5 Schock an Albert Profin.

1397
Der Markgraf kam und blieb 5 Tage hier. Die Stadt verehrte ihm Wein, einen Lachs im Werte von 1 Schock 20 Groschen und die Ratsherren begleiteten ihn zu Pferde nach Rochlitz. Während seines Hierseins ward ein Dieb von Zörbig ergriffen und von dem Henker aus Leipzig mit dem Strange hingerichtet. Auch im Januar ward ein Dieb auf diese Weise bestraft. In den Bänken hielten 24 Tuchmacher oder Gewandschneider, 8 Bäcker, 20 Schuhmacher und 11 Fleischer feil und gaben jährlich der Kommun einen Bankzins. Auch wurde wöchentlich von dem Frauenhause in der Holzgasse, dem eine Wirtin vorstand, 2 Groschen erhoben. Ein neues Bollwerk - Turm- und Torhaus, ward mit einem Aufwande von mehr als 40 Schocken angelegt. Auch der Hallische neue Turm mit einer Wendeltreppe und Stube versehen, die Ratsstube geändert. Die Schuh- und Gerberknechte erhielten ihren Innungsbrief -der älteste der Stadt. Bewaffnete Bürger ritten mit den Vögten in das Lager vor Luppene, hatten Pfeifer bei sich und verloren ein Zugpferd. Hierzu wurden drei Büchsen und die Armbrüste gebessert, Blei und Schwefel zu Pulver angekauft. Der Markgraf befahl ein neues gleichmäßiges Scheffelmaß einzuführen und kostete der von Meißen gebrachte Scheffel 6 Groschen. Die Bete dieses Jahres betrug 100 Schock, 40 Schock in der Leipziger Ostermesse und 60 Schock freitags nach Allerheiligen in Torgau zahlbar, wohin der alte und neue Bürgermeister, Richter und Diener ritten. Der Küster Michael Dessow, welcher die Kirchenuhr besorgte und mit der großen Glocke zu Beziehung der Wachen und Bürgerversammlungen ein Zeichen gab, erhielt dafür aus der Ratskasse Lohn. Der Schreiber Hermann (Stadtschreiber) ritt mit dem Bürgermeister nach Doebeln zu dem Markgrafen und behielt dieser den Schreiber, die Briefe der Stadt zu schreiben.

1398
Das Bollwerk in der (Vor- oder) Neustadt wurde vollendet und gedeckt, eine neue Treppe und Tür im Rathause gefertigt und eine neue Fischbank angelegt - die Hospitalbrücke gebessert und der Graben daselbst geräumt. Am 10. April war der Markgraf hier mit den jungen Herren, Söhnen Friedrich des Strengen und ihrem Hofstaate. Sie erhielten Lachs, Wein... und wurden Betten für die Bedienung ausgebracht. Bei Anwesenheit des Markgrafen am 25. Oktober schrieb der Protonotar die Bestätigungsurkunde des neuen (am 1. November eintretenden) Rates, welche ½ Schock kostete. Man hielt ein Turnier auf dem Markte und dieser ward am 26. April wieder in Ordnung gebracht. Am 29. April kaufte der Rat von Hans Trossin in Friedersdorf 2 Hufen und Zinsen auf Höfen und Gärten gelegen vor dem Hallischen Tore für 3 Schock Groschen. Am 28. August war ein bedeutendes Feuer in der Stadt. Der Stadtwagen fuhr den 9. September begleitet von 2 Schützen Geld für den Markgrafen von Freyberg, Aufwand 1 Schock 20 Groschen. Ein Dieb ward am 21. Dezember mit dem Strange hingerichtet. Die Hinrichtun­gen geschahen durch den Henker aus Leipzig und den Scharfrichter daselbst. Sie erhielten, außer dem, was bei einzelnen Hinrichtungen gegeben ward, einen jährlichen Lohn. Von dem Schützenmeister kaufte man für 40 Groschen eine neue Armbrust und von dem Gürtler Johannes eine Büchse 1 Schock 16 Groschen. Johann Glywicz und Berthold Smed waren Kirchenvorsteher (für die Marien- und St. Peterskir­che). Vom 27. November an trat Brathering an Smeds Stelle. Pfarrvikar war Dietrich, Nicolaus von Düben und Pezold Kaplane und bestand das Kirchenver­mögen in 39 Schock 24 Groschen, reines Silber zu einer Monstranz bestimmt und 3000 Steine zum Turmbau. Der Weihbischof (Magdeburger Diözös) ließ die Kirchenvorsteher fordern und beschwerte sich, daß sie Kelche, Kaseln, Alben von Weihbischöfen anderer Diözösen weihen ließen. (Man bediente sich nämlich der Kürze und Wohlfeilheit wegen der merseburgischen.) Die Orgel der Stadtkirche ward gebessert, auch das Dach mit Schindeln gedeckt und schenkte der Probst zu Brehna zu dieser Besserung 1 Schock Latten aus der Goitzsche. Die Stadtkirche erhielt ein neues Meßbuch, welches gegen 17 Schock kostete. Es bestand aus 40 Quinternen und brauchte man dazu 100 Häute Pergamentes, jede Haut zu vier Blättern. Dem Schreiber gab man vom Blatte 9 Pfennige und für Lasur zur Illumination besonders. Zu diesem Buche gab die Kirche 4 Schock 2 Groschen und 1 ½ Schock Johannes Stuhlschreiber, das übrige der Kaplan Nicolaus von Düben. Dieses als schön gerühmte Meßbuch ward auf Verord­nung des Erzbischofes Albert nach Halle gebracht, wo es geblieben ist. Nach den Rechnungen dieses Jahres und anderer hatte der Stadtschreiber ungefähr eine jährliche Einnahme von 4 Schocken, erhielt Opfergeld, das Papier vergütet und von jeder Rats- und Gerichtssitzung 1 Groschen, dabei war er Rektor Scholarum mit freier Wohnung und Kost.

1399
Der Rat kaufte von George von Welchow und seinen Brüdern Tilemann, Petrus und Johannes den Brauzins, welcher von jedem Brauberechtigten bei seinem ersten Brauen zu erlegen ist und 1 Schock oder 60 Groschen beträgt, und ward an diesem Tage vom Markgrafen, der hier war und die Urkunde hier ausstellte, damit beliehen. Die Abside der Kirche ward mit Ziegeln gedeckt. Der Markgraf war hier und verehrte man ihm unter anderem einen Malder Könnerische Käse. Weil man die Wiederweihung des Gottesackers der Frauenkirche vernachläs­sigt hatte, ward die Stadt mit Interdikt belegt.

1400
In der ersten Woche des Jahres war der Markgraf mit seinem Hofstaate hier und verehrte der Rat dem Fürsten einen Läger wällischen Weins, 5 Schock am Werte, dem Pfarrer und Geleitsmann den Ehrenwein. Am 17. Januar ward Sander Kort mit dem Strange hingerichtet. Der gewesene Ratsherr und Bürgermeister Peter Gniess vermachte dem Hospitale 1 und Hufe Feld, die im Jahre 1546 vererbt wurde. Man fuhr die Fastenspeise des Markgrafen nach Magdeburg. Am 5. Mai brachte man dem Markgrafen 100 Schock Bete zu Petri Pauli nach Freyberg. Hans von Freyberg schenkte dem Hospitale den a1ten Ziegelhof, eine Wiese zwischen den Dörfern Selben und Brodau, auch kam dazu ein Garten vor Delitzsch nach dem Hei1igen Brunnen, bei des Pfarrers Wiese gelegen, und ward das Hospital vom Markgrafen am 15. August damit beliehen. Der Ziegelhof lag hinter dem Hirtenhause, ward später mit 2 Scheunen bebaut und diese 1546 vererbt. Auf eine vorhabende Fehde ward viel verwendet und gingen die Bürger unter Anführung des hiesigen und Zörbiger Hauptmannes nach Bernburg.

Der neue Küster Johannes hielt seine erste Messe und erhielt vom Rate ein neues Schock Geschenk. Auch ward die Küsterwohnung hergestellt und statt des Strohdaches mit Schindeln gedeckt. Das im vorigen Jahre erwähnte Interdikt (vom Offiziale zu Magdeburg) wegen Unterlassung der Gottesackerweihe, die man für beschwerlich hielt, verursachte Reisen zu dem Erzbischofe und Markgrafen, und erhielt man zwar dessen Aufhebung, der Suffragan kam aber zur Einweihung hierher am 20. Juli, mit 4 Pferden, blieb eine Nacht, reiste aber wieder ab, und vollzog die Weihe erst am 30. August, wo er vier Nächte blieb. Diese Weihe kostete der Kirche gegen 10 Schock und erhielt er für sich 4 Schock, sein Kaplan 30 Groschen, der Diener 6 Groschen, die Seinen 2 Schock 58 Groschen. Der neue Hauptmann von Lynenaw kam am 30. November an. Die Kirche erhielt von des Ratsherren Quentin Seelgeräte, der in diesem Jahre starb, einen Rock von Barchent, am Werte 24 Groschen. Das Spielen ward hart bestraft und gingen in diesem Jahre 13 Schock 13 Groschen Strafgelder ein. Wie besucht aber der Jahrmarkt Petri Pauli war, sieht man an dem für den einzelnen gering und nach Pfennigen angesetzten Standgelde, welches dennoch 6 Schock betrug. Man vollendete in diesem Jahre eine neue Brücke und verwendete viel auf den Straßenbau.

1401
Der Markgraf erhielt in der Osterwoche 100 Schock Bete. Der Adel hätte auch in diesem Jahre ein Stechen in der Stadt. Es war ein nasser rauer Frühling und Sommer, der Roggen litt durch die Nässe und Maifröste, das Sommergetreide gab zwar langes, aber leeres Stroh, daher das Getreide zu einem hohen Preise stieg. Diese Teuerung veranlaßte eine Kreuz- oder Betfahrt nach Welmen, welche der Erzbischof anbefahl. Die Herren des Rates, Bürger und Schüler zogen dahin mit Kreuzen und zwei Kerzen, deren Fertigung 37 Groschen kostete. Der Markgraf zog in einer Heerfahrt gegen den Kaiser Wenzel nach Böhmen, an der auch hiesige Bürger teilnahmen, verursachte der Stadt an Waffen, Rüstung des Heerwagens und sonst einen Aufwand von 150 Schock 27 Groschen. Auch ward mit Hinsicht auf diesen Krieg beschlossen, die Vorstadt durch einen Graben zu sichern, und in diesem Jahre 69 Schock 53 ½ Groschen darauf verwendet. Der Grabenmeister hieß Rumpold.
Der Bürgermeister Conrad von Grebene gab 10 Schock zu der Frühmesse­ Stiftung.
Das neue Rathaus ward gebaut und darauf in diesem Jahre 37 Schock verwendet.

1402
Der Bau des neuen Grabens um die Vorstadt ward fortgesetzt, kostete 14 Schock, auch setzte man vor die Tore neue Schläge. Der Markgraf Wilhelm erhielt von der Stadt zur Vermählung 20 Schock und einen silbernen, hier verfertigten Becher, 20 Schock 12 Groschen am Werte zum Geschenke. Man dachte auch auf den Neubau der Stadtkirche und richtete die Marienkirche ein auf diesen Fall. Das Marienbild, welches vor dem Frauen­kirchhofe in einem Gehäuse stand, ward mit dem Gehäuse und Stocke erneuert, St. Peters-Bild dahingebracht, die Altartafel im Innern verschönert, ein neuer Taufstein mit Kessel und Deckel angeschafft, auch zu einer neuen Monstranz gebeten, wozu man 1 ½ Schock erhielt. In Heerfahrten nach Dohna und Aussig zogen von hier 6 Bürger und verursach­ten einen Aufwand von 22 Schocken. Der Rat kaufte von Heinrich und Hans von Ende den Sadelhof Bennendorf mit 16 halben Hufen, 10 Höfen, Zinsen und Wiesen und den Zehnten auf allen Hufen daselbst für 60 Schock guter Groschen, Freibergischer Münze am 17. September. Die Schuhmacher und Gerber erregten einen Aufstand und wurden mit einer Strafe von 6 Schocken belegt. Bei Lorenz Altbusser und Hans Günther kam Feueraus, ohne Schaden. Aber am 2. November brannte es im Schloß und dasiger Kapelle, welches durch die Tätigkeit der Ratsdiener Huth und Matthaeus gelöscht wurde, die deshalb vom Rate ein Geschenk von 11 Groschen erhielten. Man nahm einen des Anlegens verdächtigen Umschweifer fest, konnte aber nichts aus ihm bringen. Die Werlitzin wurde mit dem Strange hingerichtet. Auch zogen die Bürger auf das Geheiß des Hauptmannes nach Landsberg.

1403
Der neue Graben wurde weitergeführt, auch baute man an der Schule und an einem Turne der Vorstadt. Der Bürgermeister und 15 Bürger ritten am 15. März zu dem Markgrafen nach Grimma. Am 24. April kam der neue Hauptmann, Albert de Geusen, an. Mit diesem waren die Bürger in einem Halte bei Landsberg, dessen Veranlassung nicht angegeben wird. Der Markgraf war am 3. Oktober mit seinem Hofstaat hier und ging am 1. November durch nach Nordhausen. Die Kirchrechnung ward in Gegenwart des Pfarrers Conrad de Wolfhain und Kaplans Johann de Dessaw abgenommen. Man bat um Unterstützung zu dem Neubau der Kirche und kam in diesem Jahre zum Chore und der Kreuzkapelle 30 Schock 45 Groschen ein. Zu der Gerbekammer aber (dem Gewölbe über der Sakristei) gab der Diakon Nicolaus de Dubin 1 Schock.

1404
Der Grabenbau um die Vorstadt kostete 80 Schock. Ein Rechtshandel mit Heinrich Spiegel, der vor das geistliche Gericht gezogen wurde, verursachte eine Exkommunikation, und diese mehrere kostspielige Reisen. Als Notar diente der Stadt der Pfarrer in Sausedlitz, Porphyrius Hellekrug und ward dessen Appellationsschreiben in Aken zugestellt. Am 11. Juni ward die Wirtin des Frauenhauses, Ossemunde, mit dem Strange hingerichtet und wird bemerkt, daß deswegen 14 Tage lang aus dem Frauenhau­se nichts eingekommen sei. Der Rat kaufte von den Brüdern Friedrich, Reinhard und Balthasar von Maschwitz das wüste Dorf Gerltitz mit dem Kirchlehn (die Kirche stand noch) für 200 Schocke guter Freibergischer Groschen. Im Herbste und angehenden Winter starben viele an der Pest. Im November baute man die Hospitalbrücke, zu welchem Baue der Markgraf Holz von Reibitz schenkte. Auch ward das Hospital umzäunt, mit einem Hag oder Gehege umgeben und ein Wächter auf dem neuen Hallischen Turme auf einige Zeit angestellt, der Damm gebessert und eine neue Büchse angeschafft, wozu wahrscheinlich die Unruhen in Magdeburg Anlaß gaben. Der Kaplan und Prediger an der Frauenkirche, Nicolaus de Dybin, welcher in diesem Jahre starb, vermachte der Stadtkirche seine Bücher und legte dadurch den Grund zu der Kirchenbibliothek. Auch begann in diesem Jahr der Neubau der Stadtkirche. Man erhielt die Erlaubnis des Erzbischofes, den Chor zu brechen, und dessen Gunstbrief zum Bau. Der Maurer Martin besah sich zweimal den Chor, wahrscheinlich (den) der Dominikaner in Leipzig und baute danach. Der Chor, die Sakristei mit Gerbekammer (das Gewölbe über der Sakristei) ward gegründet und kostete das Gebäu bis dahin 312 Schock 10 Groschen 2 Pf. Der Maurer erhielt für Abbrechung des Eisentores 3 1/2 Schock, für Legung des Füllmundes zu dem neuen 14 Schocke, am Wochenlohn 26 Groschen und 30 - 50 Groschen seine Hilfsknechte. Die Bruchsteine nahm man von Landsberg, die Mauersteine brannte die Kirche auf ihre Kosten in des Rates Ziegelscheune und nahm das Holz teils von den Paken (Spröde), teils von dem Frauenkirchhofe und aus dem Hain.

1405
Die Bürger waren bewaffnet bei Landsberg, in Halle und die Türme der Stadt und Vorstadt mit 5 Wächtern besetzt. Man kaufte Armbrüste und Pfeile und der Bürgermeister erhielt 5 Schock an Lohn. Dem Markgrafen brachte man 100 Schock Böhmischer Groschen Bete und setzte man diese 253 Schock 20 Groschen Meißnischen gleich. Der Böhmische Groschen hielt also 2 8/15 Groschen Meißnisch. Das neue Rathaus wurde mit Schindeln gedeckt. Zu dem Steinwege der Stadt ließ man Steine graben in Brinnis und Benndorf. Am 19. November brachte der Bürgermeister die neue Willkür der Stadt aus Leipzig. Es starben auch in diesem Jahre mehrere an der Pest, die Einnahme vom Frauenhause blieb daher zurück, betrug nur 4 Groschen. Zwei, wahrscheinlich Meineidige, wurden mit Abhauung der Hand bestraft.

1406
Die Stadt kam abermals in den geistlichen Bann, welcher mehrere Reisen zu den Markgrafen veranlaßte. Der Erzbischof Günther zu Magdeburg und die Grafen von Anhalt gerieten in offene Fehde und beide Teile streiften in hiesiger Gegend. Daher wurde das Land gewarnt in der Fasten, und setzte man zur Sicherung der Stadt alles in den Stand, Graben, Dämme, Brücken, eine neue Zugbrücke bei dem Hallischen Turm. Die Schützen, welchen der Rat ein Mahl gab, begleiteten die Räte des Markgrafen auf den Petersberg, der Hauptmann mit den Schützen die Polen nach Halle. Sechs Schützen zogen in die Hut nach Landsberg, Zörbig und zwei Reitende gingen nach Salzfurt, als denen von Erfurt Schweine geraulit wurden, der Rat besichtigte mit dem Hauptmann die Landwehr, die Vasallen kamen in Düben zusammen und war es so unsicher, daß der anzufahrende Kalk von Bewaffneten begleitet werden mußte. Am 11. Oktober geschah ein Einfall nach Zörbig und wurde Rind- und Schafvieh geraubt, daher lag der Hauptmann mit den Schützen vier Wochen in Zörbig. Der Graf von Anhalt war in der Fasten hier, der Markgraf Jubilate und im Juni mit ganzem Hofstaate. Die Bedienten erhielten Geschenke und an Betten, die für sie ausgebracht werden mußten, ging manches verloren. Der Rat kaufte von Osse von Sliwin eine Wiese am heiligen Brunnen und der Sakristei) ward gegründet und derViehweide (Schießplatz) für 60 Schock Groschen und von Johann Keller einen Garten (wird auch Wiese genannt) für 26 Schocke. Es war ein Städtetag in Torgau, Otto Kalb und Friedrich Braucher, Mitglieder des Rates, gingen dahin: zu tun die Gelübde meines Herrn Städten von Sachsen - Worte des Stadtschreibers. Die Fleischer erhielten ihren Innungsbrief.  Die Pest wird noch erwähnt.

1407
Der Markgraf Wilhelm schenkte der Stadt Holz zur Befestigung, es ward eine neue Büchse in Grimma gekauft und am 10. Februar bis in den August lagen die Schützen mit allem Geschütz im Hain (Gräfenhainichen), wo Wagen geraubt worden waren. Am 6. Dezemberverfolgten die Schützen die Pferderäuber bis Dessau. Es ward viel an den Mauern und Befestigungen gebaut, der Aufwand an Kalk allein betrug 52 Schock, der Zimmermeister erhielt 27 Schock und der Maurer mit Handarbeitern 40. M. Peter de Oschatz ward Rektor und Stadtschreiber. Der Rat war am 10. Februar in Grimma und an diesem Tage starb der Markgraf Wilhelm. Der Rat, welcher bisher die Gerichte gepachtet hatte, suchte sie bei den neuen Fürsten Friedrich und Wilhelm käuflich und reiste deswegen nach Leipzig. Die Zimmerleute erhielten eine Tonne Bier, als sie die Gefängnisstöcke arbeiteten. Die Bürger der Neustadt hatten einen Rechtsstreit mit Lelitz, der viel Reisen und Geld kostete und 1412 entschieden ward. Ende Oktober waren zwei aus dem Rate in Meißen bei den Räten der Markgrafen wegen der Einkünfte der Stadt. Der alte Schu1meister - Rektor und Stadtschreiber Henricus Byseme und Margarethe sein eheliches Weib - borgten von der Stadt 10 Mark feines Silber Magdeburgischen Gewichts zu einer Mark jährlicher Verzinsung. Am 11. Dezember waren die Schützen in Dessau, als sie die verfolgten, welche dem Otto Kalb und Oswald (Büchsenmeister) die Pferde geraubt hatten.

1408
Ein harter Winter 1407/08 mit Verlust an der Winterfrucht. Hauptmann war Tile Schenk. Ein Riprecht (in Alsleben) schickte der Stadt einen Entsagebrief, mit dem der Stadtdiener zu Heinrich von Bünau ritt, ein anderer nach Leipzig in Landwar­nung, als das Vieh bei Hainichen (Gräfenhainichen) genommen ward. Die Schützen hielten mit dem Hauptmanne bei Sausedlitz, mit Otto von Crostewitz auf der Saale, in der Kreuzwoche zu Schafstädt, mehrere Tage zu Landsberg, Gollm, Zörbig, um Michaelis 23 Wochen in Trebin im Walde, auch machten die Bürger einen Ritt in den Harz, als man bei Frickleben Vieh geraubt hatte. Bewehrt waren sie mit Tartschen, Setztartschen, Handbüchsen und Armbrüsten. erweckte Gegenliebe und es kam zu völliger Aussöhnung, zu unaussprechlicher Freude des in jeder Beziehung aufs Äußerste gebrachten Volkes. Auch hiesige Stadt, wiewohl sie von feindlichen Anfällen verschont blieb, hatte ungemein Verluste durch Rüstung, Sicherungsanstalten, Heerfahrten, Notsteuern und Vorschüsse an den Fürsten. Die Einrichtung des Geschützes allein kostete gegen 60 Schock.

Im Septemberund Anfang Oktober, wo die haufenweise das Land durchziehen­den Böhmen die Umgegend bedrohten, und die Stadt von Leipzig aus Warnung erhielt, suchte man Rettung bei dem Kurfürsten in Meißen, Hilfe durch Mannschaft, weil ein großer Teil der Bürger abwesend im Heere war, in gleicher Absicht ging man nach Halle (wegen der Mordbrenner), wiewohl vergebens, doch fand man einige Unterstützung durch die Landbewohner und Bürger der kleineren offenen Städte, die sich mit ihrer besten Habe hierher flüchteten und an der Befestigung gegen Kost arbeiteten. Ein Baumeister aus Altenburg leitete den Bau und Maurer aus Leipzig förderten ihn. Man erhöhte die Mauern, den Damm am Hallischen Tore, versah den Schützengraben mit einem neuen festen Tore, bohlte den Graben um die Vorstadt aus und glättete ihn. Von Zwickau holte man Waffen und Pfeile und drei Tarrasbüchsen (Schirmbüchsen, Wallgeschütz) wurden in Leipzig gekauft. Den Zwinger richtete man nach dem Wittenberger ein, den man besichtigen ließ. Auf den Türmen und der Kirche, auch außerhalb der Stadt hielt man starke Wachen (wegen der Feuerschösse) und diese brachten zwei gefangene Thüringer ein. In die Heerfahrt zogen siebzig Trabanten am 15. Juni nach Thüringen, dreiund­dreißig am 29. desselben Monats nach Belzig mit einem Aufwande von 80 Schocke. Der Zug dieser Trabanten mit dem Kurfürsten von Wittenberg nach Leipzig und von da nach Thüringen kostete der Stadt 155 Schock, der von vierunddreißig Trabanten in der Mitte des Juli auf Gera 15'/2 Schock, und weit mehr noch die Heerfahrten am 16. Oktober nach Rochlitz und am 22. desselben Monats nach Pegau. Übrigens gab es auch mit dem Hauptmann Folgen nach Zörbig, und man brachte daher am 28. Oktober eine Notsteuer und Notgeschoß von 274 Schocken 16 Groschen aus. Dem Kurfürsten mußte man 1000 Gulden ausrichten und diese nach Anweisung der Kurfürstin und kurfürstlichen Räten in Altenburg abliefern. Sie wurden mit Mühe erborgt und wies zwar der Kurfürst am 23. Juni der Stadt 15 Schock von Zörbig, 11 Schock von Bitterfeld und 2 Schock von Brehna zur Verzinsung an, sie gingen aber, ungeachtet sich der Bürgermeister Erasmus von Zörbig und Conrad von Bitterfeld verbindlich erklärten, nicht richtig ein und Delitzsch trug die Last, für die es allein verbindlich war. Zörbig zahlte richtig, Brehna aber blieb aus und für Bitterfeld trat später Dommitzsch ein. Auch mußte der Rat für 3000 Gulden, welche der Kurfürst vom Bischof Johannes in Merseburg borgte, Bürgschaft leisten und die Schuldurkunde besiegeln.

Am 4. Mai war der Kurfürst mit seinem Hofstaate und im Juni der Bischof von Merseburg in hiesiger Stadt, auch erhielt Crunz von Kaufungen am 4. Oktober den Ehrenwein. Nicolaus Rochlitz, alter Prediger der Stadt, gab dem Rate 100 Schock alter Groschen, und dieser bestimmte sie nach dessen Willen der Lesemesse, und gab jährlich 7 Schock alter Groschen Zinsen dahin. Rochlitz starb in diesem Jahre. Die Reichen, welche an den Heereszügen nicht teilhehmen konnten, und die. die nicht 12 Wochen außen waren, mußten Geld geben, womit man die Vorstädter und armen Handwerksleute, die ihre Zeit aushielten, unterstützte. Der Rat hatte mehrere Reisen nach Leipzig zu dem Markgrafen wegen heimlicher Geschäfte. Der Bergfried in der Neustadt wurde neu gebaut. Eine Straße durch die Wegemeister gepflastert, denen der Rat ein Schock zu Hilfe gab. Am 10. Dezember ritten die Schützen, 18 Pferde stark, mit dem Hauptmann nach Landsberg.

1409
Der Rat suchte wieder um käufliche Überlassung der Gerichte bei dem Markgrafen nach. Am 11. März kaufte der Rat von den Brüdern Hans und Erhard von Gluch eine Hofstätte bei der neuen Badestube für 16 Schock neuer schildigter Groschen und den 6. Dezember 2 Hufen Lehngut vor dem Hallischen Tor und die Zinsen von den Kohlgärten von Hans Trossin für 29 Schock guter Freibergischer Groschen. In der ersten Hälfte des Jahres war Heinrich von Bünau, in der zweiten Nicolaus Draschwitz Hauptmann. Man rüstete sich stark zu einer Heerfahrt, baute viel an den Befestigungen und Gräben, wendete auf Brücken und Mauern 36 Schock, kaufte 3 neue Büchsen für 9 Schock und gab für Brot, Bier, Speck, Fleisch, Butter, Käse, Salz und sonstigen Vorrat gegen 10 Schock. Am 20. Mai lagen die Schützen in Trebin und am 3. November hielten die Bürger in Landsberg, wo aus den Dörfern Vieh geraubt worden war. Am 2. Mai ward Jacob, der Gürtler, mit dem Schwerte hingerichtet. Nicolaus Grimmer neuer Stadtschreiber. Der alte Hoppe gab zu dem steinernen Bilde der Kirche 1 Schock 5 Groschen, zum Bau der Kirche aber 2 Mark ½ Lot Silber, machte an Geld 4 Schock und galt die Mark 2 Schocke weniger 1 ½ Groschen. Die neu errichtete Universität Leipzig bezogen von hier: Tilemann, Johann, Paulus, Conradus. Vom Zoll kam ein 109 Schock 7 Groschen. 30 Rheinische Gülden oder 10 Schock gab der Rat Herrn Nicolaus Pfluge für die Lehn von des alten Meisters Wiese, die zu Erhaltung der Frühmesse bestimmt war.

1410
Am 4. Januar ließ Hans Trossin die Lehen und Hufen und 1 Schock 36 Groschen Zinsen, vor Delitzsch gelegen, aus und bat den Lehnherrm, Herrn Hans von Torgow zcu der Czosse, daß er die Bürger von Delitzsch damit beleihen möchte. Am 23. Januar ein heftiger Sturm, der an Häusern und in den Wäldern großen Schaden tat. In der Fastnachtswoche gab man dem Hauptmanne und seinem Sohn, dem Schloßkaplan und anderen ehrbaren Leuten eine Verehrung an Wein. Der Bürgermeister Claus von Aken starb am B. August und trat Bothmann an seine Stelle. Der Tod ward dem Markgrafen in Leipzig durch zwei Ratsmitglieder gemeldet. Die Mauer in der Nähe des Breiten und Hallischen Tores ward neu aufgeführt durch den Maurer Martin, das neue Torhaus gedeckt, die Neustadt umzäunt, das Bergfried auf dem Frauenkirchhofe und das Haus dabei gebaut, auch der Schützen Pforte hergestellt. Martin, der Bader, gab 45 Groschen Zins von der Badstube an die Kirche. Die Sandsteine zum Kirchenbaue kamen von Weißenfels, Meister Hans (ein Maler), Bildhauer in Leipzig, fertigte die Tabernakel und Bilder an den äußeren Pfeilern des Chores und den Ölberg. Der Ölberg ward am 4. Mai hierher gebracht und aufgesetzt. Der Künstler erhielt für die Bilder des Ölberges 7 Schock, 18 Groschen Zehrung bei Aufstellung und 36 Groschen Fuhrlohn. Das Meßbuch zu Gerltitz (Gerlitz) wurde gebunden und finden sich 13 Groschen, der Kirche St. Nicolai zu Gerltitz gehörig in hiesiger Kirchrechnung, weil das Vermögen der Stadtkirche, der Frauenkirche und dieser in einer Rechnung begriffen war.

1411
Die Müh1e der Stadt, welche innerhalb der Stadt an der Pforte stand, war mit Bewilligung der Fürsten nach des Rates Anweisung außerhalb und da angelegt, wo sie sich noch befindet. Der Müller Hans (Hans Molner) erhielt für Abbrechung der alten und Anlegung der neuen 3 Schock Beisteuer vom Rate und Hilfe mit 15 Wagen, er hielt sich aber mit dem Raume der neuen Hofstätte verkürzt, daher er sich an den Markgrafen wendete und sich das Fleckchen erbat, welches jetzt das Gärtchen bildet. Die Witwe des Trossin verklagte den Rat bei dem geistlichen Gericht, wahrscheinlich weil dieser vom Kaufgelde der jüngst von Trossin erhaltenen Besitzungen wegen zögernder Belebung inne behielt. Der Pfarrer in Lindenhayn und Magister Heinerich Czerstede in Magdeburg arbeitete in dieser Sache für den Rat, die jedoch an das weltliche Gericht kam und durch Schiedsmänner, den Schenken von Tutenberg, Diecze Krakow, Dietrich von Freiberg, Erich Kessel, Conrad Czas usw., beigelegt wurde. Durch Anlegung des Grabens um die Vorstadt, welchem der Rat Anfang des Jahres noch in Stück Garten bei der Hausmühle von Tile von Selben für 3 Schock kaufe, mußte das Galgtor eingerückt und der in dessen Nähe zu der Kirche führende Weg verlegt werden. Der Rat baute daher ein neues Torhaus und kaufte zu Anlegung eines neuen Weges (des jetzigen) den Hof Wissigs für 4 ½ Schock, auf welchem 7 ½ Groschen für den Pfarrer haftete, welche Abgabe er übernahm und bis heute an die Kirche, wohin man sie bei der Reformation wies, unter dem Titel den Weg zu Unserer lieben Frauen zahlt. Auch wurde der Graben nach innen, so weit er fertig war, umzäunt oder mit einem Heck versehen. Hauptmann war Conrad Lymare und hielt man am 29. Juni zu Landsberg.

1412
Der neue Hauptmann Hermann Egeler kam von Wischwitz und ward dessen Gerät mit dem Stadtwagen abgeholt. Man verehrte ihm bei seiner Ankunft Alantwein und einen Lachs. Neben ihm wird auch der Vogt und außer dem gewöhnlichen Geleitsmann noch ein zweiter genannt. Czaslow von Schoenfeld auf Löbnitz hielt Hochzeit in der Stadt und ward ihm vom Rate Wein verehrt. Er ward aber auch vom Grafen Bernhard zu Anhalt angegriffen und folgten deshalb die Bürger nach Köthen. Auch lagen 3 Schützen 14 Tage in Düben und als in einer Nacht Lärm ward, lief alles nach dem Furt in Schenkenberg. Es war eine Bete von 250 Schocken ausgebracht und 8 Schock davon dem Dietrich von Pake. der im Dienst ein Pferd verloren, angewiesen. Auch gab es einen Handel mit Spiegel, in welchem die Bürger zeugen mußten und war deshalb hier der Hauptmann zu Torgau, der Stadtschreiber zu Leipzig, der Bürgermeister mit Ratsherren von Bitterfeld und der Probst zu Brehna.

1413
Man folgte dem neuen Hauptmann Hans von Sparrenberg und Vogte nach Zschernitz, Zörbig, Landsberg und verfolgte die, die Fynis und andere beraubt hatten. Ein heißer Sommer und am 22. Juli starkes Schloßenwetter. Die Erker des Breiten Turmes wurden neu gemauert und mit Schiefer gedeckt mit einem Aufwande von 22 Schocken 29 Groschen durch den Maurer Martin und Schieferdecker Lorenz. Auch baute man eine neue Brücke. Ein begangener Mord veranlaßte, daß der Bürgermeister mit anderen nach Zörbig zum Hauptmann ritt. Sonnabends nach Weihnachten ward Hans Schildknecht mit dem Strange hingerichtete, auch brach nach Weihnachten bei großen Wasser der Damm bei der alten Mühle. Die Jahrrente - eine neue Steuer außer der alten Bete - ward eingeführt (für den Markgrafen Friedrich) und betrug 36 Schock.

1414
In der zweiten Fastenwoche untersuchte man die Bierkeller und ward beschlossen, daß mit dem Palmentage das Brauen aufhören sollte. Man fand 900 Faß Bier vorrätig und viel Kofent. Die Jahrrente stieg bis 40 Schock, wobei es blieb und ward in zwei Terminen, Walpurgis und Michaelis, abgeführt. Die Schützen und Bürger wurden zu wiederholten Malen in Tätigkeit gesetzt. Man ritt nach Roßlau, der Ratsherr Nicolaus Blude mit 19 Pferden nach Hainichen (Gräfenhainichen), derselbe mit 19 Pferden am 1. Mai nach Landsberg; einige mit dem Vogt nach Köthen und Dessau, der Ratsherr Claus Eldiste mit 3 Schützen, als Hermann Egeler Zoerbig einnahm. Auch hatte man einen Ritt nach Schnettlingen, der einen Aufwand von 6'/z Schock verursachte und lag vor Pirne in der Heerfahrt. Ihrer sieben nach Zaasch. Vor und um Martine mit 12 Pferden zu Zaasch, Zörbig, Poplitz, als das Land gewarnt ward. In Zörbig sammelte man im Juni 30 Groschen 9 Pfenning für den Bau hiesiger Kirche. Man traf Anstalt zum Bau des Kirchhauses und verdingte die neue Orgel an den Orgelbaumeister Schabinkese, dem der Rat eine Verehrung gab. In der Frauenkirche hängte man die Glocken um.

1415
Der Rat kaufte am 12. Marz 21 Acker Holz in der Smorode (Spröde) von Dietrich, Johann und Heinrich Gebrüder Pak für 200 Rheinische Gülden und ward die Stadt am B. April vom Markgrafen Friedrich beliehen. Nicolaus Ohm ward Stadtschreiber. Der Markgraf war in den Pfingstfeiern mit dem Hofstaate hier und ward nach Pfingsten von Gewappneten und Schützen nach Dommitzsch geleitet. Die 40 Schock Jahrrente schildigter Groschen wies der Fürst bis auf 12 Schock an den Hauptmann Hermann Egeler. Die Orgel vollendete der Meister Schabinkese und der Bischof weihte sie. Wegen der Kapelle in Rabach, deren Altarist in der Stadt lebte, verhandelte man mit Heinrich Spiegel vor dem geistlichen Gericht in Halle und betrieb es der alte Stadtschreiber Magister Heinrich Bysem. Man beabsichtigte wohl eine Auf­nahme dieser Kapelle in die neue Stadtkirche, welcher aber erst später gelang. Man baute ein neues Torhaus am Hallischen Tore mit Schieferdach und blechernen Knöpfen. Der Markgraf schenkte zu diesem Baue und verschiede­nen anderen 20 Baustämme. Die Stadt verbürgte sich für 600 Gülden, die der Markgraf geliehen hatte. Am 18. September hielten 11 Bürger mit dem Vogte am Petersberge - Heerfahrt gegen Herzog Erich - und im November hielt der Ratsherr Andreas Vater mit mehreren bewaffneten Bürgern und dem Vogte bei Landsberg. Der Pfarrer Druskow und Quentin verloren ihre Pferde und verfolgte man die Feinde - der Vogt nach Bernburg. Auf Anweisung des Markgrafen Friedrich lieh die Stadt dem Grafen Woldemar von Anhalt (Oheim des Fürsten) 300 Gülden oder 100 Schock. Der Rat kaufte von Michael Glocke ein Stück Land zu einem Wege des Müllers (Hausmüllers) in seinen Garten und auf das Feld, weil der alte zu dem Graben um die Vorstadt kam.

1416
Am 20. Januar waren auf Gesuch des Rates die Loberherren (Gerichtsherren am Loberbach) hier versammelt. 1415/16 ein harter Winter mit großem Gewässer. Der Rat kaufte vom Schneider Czortow ein Stück Land bei der Windmühle für den Lehmbedarf der Ziegelei. Am 15. Juli war Andreas Vater mit 4 Bürgern und dem Vogte in Kalbe, als man die Straßenräuber förderte (hinrichtete) und am 16. August daselbst bei einer anderen Hinrichtung. Am 4. Dezember verfolgten 15 hiesige Schützen die Feinde, die vor Leipzig gewesen waren. Es war die Fehde Grafen Bernhards zu Anhalt Bernburg und Grafen Bernhard zu Regenstein (Reinstein) mit dem Bischofe zu Merseburge in diesem und künftigen Jahren. Der Zimmermeister Lorenz machte das Gestelle zu dem Bogen der Kirche, Martin, der Maurer, erhielt 21 Schock 58 Groschen Maurerlohn vom Kirchenbau und Dictus (Benedict), der Steinsetzer, war beschäftigt mit der Kirche Flur. 2 Tagelöhner glichen die Gräber auf dem Gottesacker der Frauenkirche für 4 ½ Groschen Lohn.

1417
Am 3. Januar war der Rat bei dem Markgrafen in Grimma, auch am 1. November in Leipzig wegen Bezahlung der Bierlieferung nach Zörbig. Es mußte nämlich auf Befehl des Markgrafen wegen der Anhaltischen Fehde gegen das Stift Merseburg für 72 Schock 36 Groschen hiesiges Bier nach Zörbig geliefert werden. Diese Fehde des Grafen Bernhard zu Anhalt und Grafen Regenstein gegen Merseburg, dessen sich der Markgraf in Abwesenheit des Bischofs als Schirm­vogt annahm, verursachte hier vielen Aufwand. 100 Schock Groschen mußten dem Markgrafen als Darlehn ausgebracht und alle Bedürfnis der Mannschaft von hier nach Zörbig geschafft werden. Es waren viele Hauptleute hier, der hiesige Vogt Bode Kather, Egeler, Erich Haselbach. Die Schützen hielten in Zörbig vor Rosenburg, im Spiesholze, in Landsberg, bei Paupitzsch ... und 31 berittene Bürger waren dabei, als man am 21. Oktober den Feind vor Könnern warf, den Grafen Regenstein gefangen nahm und mehrere Waffen und Pferde erbeutete. Der Rat kaufte Lorenz Schwertfegers und Martin Keferles Haus. Hans von Pak der Altere verkaufte Hans von Pak dem Jüngeren die Güter im Dorfe Elberitz für 200 Schock schildigter Groschen am 12. März. Hans von Pak gab diese Güter seiner Ehefrau zum Leibgedinge, und sie ward mit dem Vorwerke Elberitz, als Leibgedinges Recht ist, beliehen.

1418
Am 19. Mai waren Ratsmitglieder in Leipzig der Heerfahrt wegen. Eine starke Folge nach Zörbig, Köthen, als man Vieh geraubt hatte, mit 11 Wagen Schützen. Auch hielt man stark bei Roitzsch, Golm, Landsberg und Zörbig. Diese Folge kostete 40 Schock und über 50 Schock das Bier, welches auf Verordnung des Landgrafen wieder nach Zörbig gebracht werden mußte. Busse von Querfurt ward hier Hauptmann und dessen Gerät auf Kosten der Kommun von Querfurt über Halle hierher gebracht. 4 Bewaffnete gingen am 1. September nach Mönchennienburg. Das Gewölbe über der Sakristei der Stadtkirche ward fertig und vorläufig mit Schindeln gedeckt.

1419
Am 11. Juni war der Markgraf hier und schloß mit dem Erzbischof Günther zu Magdeburg einen Vertrag, daß sie einander nicht befehden wollten, Differen­zen sollten durch Schiedsrichter abgetan werden, keiner des anderen Feinde hausen  Aufruhr der.Hussiten in Prag nach Wenceslaus Tod den 16. August. Auf Verordnung des Markgrafen mußte auch in diesem Jahre für 131 Schock 35 Groschen Bier nach Zörbig geschafft werden. Der Rat kaufte Gruwels Haus zu einer Torwärterwohnung. Weckerle und Kühragel wurden mit dem Strange hingerichtet. Man lagerte in Landsberg, Zörbig, Kyhna, Güsten am Petersberge, in Spoeren, Gollm, nach dem Brande, nach dem Raub bei Düben, in Lissa, Burgstaetel. Auch führte Silbertasche die Schützen nach Eilenburg, wo sich die Mannschaf­ten verschiedener Städte sammelten. Die Badestube der Kirche ward neu gebaut für 30 Schock 20 Groschen 9 Pfennig. Der Bader Lorenz, welcher sie inne hatte, gab Michaelis 1 Schock an die Kirche und Prus, der den Bader schlug, 1 Pfund Wachs Strafe an die Kirche.

1420
Am 30. Januar kaufte der Rat von Hans Pak auf Elberitz 3/4 Landes weniger 4 Ruten bei der Ziegelscheune und auch ein Ende des Landes gegen die Gemeine bei der Windmühle. Er kaufte auch das Haus des Zolleinnehmers Nic. Apitz für 16 Schock 40 Groschen - Holz zum neuen Gebäude - zu den Fischbänken, Fleischbuden - auch ward der Markt mit einem Aufwande von 14 Schock neu gepflastert. Es war ein warmer Winter. Im April blühten die Rosen, Kirschen und Erdbeeren reiften im Mai; reife Weinbeeren brachte der Juni, die aber ein Reif im Juli verdarben. Mehrere Folgen mit Aufwand, unter anderen nach Sausedlitz, wo man geraubt hatte. In der zweiten Hälfte des Jahres war Hans Heuwer Vogt. 47 Faß Bier für 53 Schock 27 Groschen mußten auch in diesem Jahre nach Zörbig geschafft werden.

1421
Es geschahen immernoch Einfälle von Anhalt aus. Am 13. Mai fing man 11 Räuber, die man nach Snawtitz brachte, der Markgraf war damals in Leisnig und am 21. Mai war man der Gefangenen wegen bei ihm in Leipzig - den 26. Mai in Torgau wegen der Heerfahrt gegen die Hussiten und am 1. September in Freiberg, um zwei Heerwagen abzuwenden. Am 18. Juni raubte man Vieh in Löbnitz und man verfolgte die Räuber bis Jeßnitz. Großer Aufwand für den Heereszug gegen die Hussiten. Am 15. Mai zogen 10 Schützen von hier nach Brüx, vier Heerfahrten dahin kosteten 34 Schock nur an Viktualien - eine gegen Prag 8 Schock,an Wagen, Wagenführern, reitenden Schützen 37 1/2 Schock - Aufwand der Schützen zu Fuß in Brüx 16 ½ Schock - an verlorenen Waffen 6 Schock. Viel Getreide mußte nach Leipzig geschafft werden-dahin auch die Bete an 100 Schock schildigter Groschen, von der jedoch der Markgraf unterm 6. Oktober 30 Schock an Nicolaus von Ertmannsdorf, wegen des Verlustes an Pferden, den er in Prag und in anderen Diensten erlitten hatte, überwies. Am 5. August wurden die Hussiten bei Brüx vom Markgrafen und Herzoge Wilhelm von Braunschweig gänzlich geschlagen und hätte man sie unterdrücken können, wenn es nicht Ehrsucht und Geiz, hauptsächlich der geistlichen Fürsten und die Untätigkeit des Kaisers, der die Fortschritte der Meißner und Thüringer ungern sah und die Böhmen friedlich zu gewinnen glaubte, gehindert hätte. Die Schuhmacher, welche ihrem Innungsbriefe ohne Vorwissen des Rates neue Artikel zugesetzt hatten, bestrafte man mit 40 Groschen. Fortsetzung des Rathausbaues und Einrichtung der Bänke - der Galgen (wurde) hergestellt.

1422
Die diesjährige Bete betrug 150 Schock, von denen 30 an den von Erdmannsdorf, 120 aber an den Kammermeister und Amtmann in Grimma abgegeben wurden. Fortgesetzter Bau am Rathaus und Bänken, die man mit Schindeln deckte. Ausbesserung des Alten Rathauses am Markt und Umpflasterung eines Teiles des Marktes mit Aufwande von 7 ½ Schock. Das Torhaus am Breiten Tor ward abgebrochen. Von Nicolaus Rekewitz erhielt man ein Rechtsbuch für 1 Schock 20 Groschen. Der Rat gab ein Schützenessen - es kostete 43 Groschen 3 Pfennig. Eine Folge nach Zörbig, als Vieh geraubt wurde und eine Heerfahrt nach Karlstein mit einem Aufwande von 15 Schock.

1423
Strenger Winter mit Verlust an Wintergetreide und daher Teuerung. Am 16. Mai war der Markgraf hier und am 17. Mai kaufte der Rat von Hans Pak, Vogt zu Wurzen, und Hans Pak zu Elberitz, Vettern, Elberitz und Werben mit allem Zubehör in Feldern, Dörfern, Zinsen, die Fischerei über und unter Elberitz, besonders in dem Stadtgraben (Graben um die Vorstadt) mit Gerichte über Hals und Hand, auch den Teil der Spröde, den beide hatten. Der Kaufpreis war 277 Schock und bekam der ältere Hans Pak für seinen Teil 62, der jüngere 215 Schock. Der Rat verkaufte in diesem Jahr noch 9 Hufen für 88 Schock an Bürger und anderes Land ward ausgemessen und bepflanzt. Am 5. August eine Folge nach Bitterfeld und Zörbig, wo Pferde geraubt wurden. Außerdem starker Halt in Landsberg und eine Heerfahrt nach Böhmen. Am Jahrmarkt Petri Pauli ward eine Trinklaube vor dem Rathause errichtet. Den 4 .September war der Rat mit der Obergerichtsbarkeit, die er für 550 Rheinische Gülden an Golde oder 183 Schock 20 Groschen gekauft hatte, beliehen. Die Gerichtsbarkeit, soweit die Stadtgraben reichen und in der Weite, als sie die von dem Markgrafen zu Meißen vor Zeiten gemietet haben, oberste und niederste, über Hals und Hand, Vording und Gericht über alle Schuld, mit allen Bußen, Wetten, Genüssen, Zugehörungen, Zinsen, Renten ... auf Wiederkauf. Der Lehnbrief kostete 5 1/2 Schock. Am 18. August ward der Altar Katharina gestiftet. Der Rat borgte von den Priestern Peter, Pfarrer zu Wysk (Weißig), und Johann Dessow, Altarist des Kalandaltars, 220 Rheinische Gulden, die man zum Kaufe von Elberitz und Werben verwendete für 11 Gulden Zins jährlich zu Michaelis zahlbar. Zu dem Kaufe von Elberitz borgte der Rat auch noch vom Pfarrer in Koelsse, Nicolaus Czey, 100 Gulden. Man hielt einen Hundeschläger. Die Kreuzkapelle in diesem und folgenden Jahre beendet. Der Rat hatte, solange die Bierlieferung nach Zörbig gedauert, die Jahrrente in Rückstande gelassen, man berechnete sie in diesem Jahre und ward die rückständige Jahrrente in einem Fürstenbriefe erlassen.

1424
Am 5. Mai kaufte Hans Pak der Jüngere für 31 ½ Schock 9 Acker Holz in der Spröde. Am 2. Juni erhielten die Schneider ihre Innungs-Artikel. Am 25. Juni waren die Schützen zu einem Schützenfeste in Oschatz. Kurz vor der Ernte großes Wasser und Schäden am Getreide. Im Sommer Bau der neuen Schule. Elberitzer Kohlland ward zu halben und Viertels-Acker für 17 Schock an Bürger verkauft. Der Hauptmann Czaslow von Schoenfeld auf Löbnitz hielt in der Stadt Hochzeit und schenkte ihm der Rat ein Faß Wittenberger Bier, er aber dem Rate ein Reh. Folgen in Landsberg, Brehna und Vorbereitung zu zwei Heerfahrten nach Böhmen. Die Ratswahl wurde vom 1. November auf den 6. Januar gelegt, wo sie auch bis in die neuesten Zeiten geblieben ist. Der diesjährige Rat war daher 14 Monate im Amt. Hermknechts Weib und ein Bauer wurden mit dem Strange hingerichtet. Ein Antiphonarium kostete 2 Schock 50 Groschen. Die Kreuzkapelle (Kapelle der Stadtkirche) nach der Mädchenschule ward fertig gemauert, bedacht und mit einem Turme versehen. Der Schiefer zur Bedachung kam von Blankenburg. Der Maurer Martin und sein Sohn Johannes erhielten für die letzte Maurerarbeit 5 Schock, der Schieferdecker Zorbig mit den Zimmerleuten 9 Schock 13 Groschen 3 Pfennig. Den Turm baute man nach einem Leipziger Muster, daß man vom Zimmermann und Schieferdecker besichtigen ließ. Der Schieferdecker Hans Zcorbig erhielt für Schiefer und Arbeit an der Kreuzkapelle und Spitze (Turm) mit Kost und Trankgeld für ihn und seine Jungen 17 Schock 31 Groschen 4 Pfennig. Das Fuhrlohn für Beischaffung des Schiefers von Blankenburg 7 Schock 5 Groschen 4 Pfennig.

1425
Der Rat kaufte von Friedrich Trossin am 21. September Haus und Hof mit allem Zubehör, gelegen bei Unserer lieben Frauenkirche in der Vorstadt, und gab der Verkäufer dabei alle Ansprüche auf an den zwei Hufen Landes vor dem Hallischen Tore, auf dem Hofe des Stephan Krone und anderen dazugehörigen Gärten und Höfen, die Hans von Trossin, sein Vetter, früher an die Stadt verkauft hatten. Der Kaufwert für Haus und Hof 9 Schock alter Groschen. Am 16. Oktober borgte der Rat vom Kalande 100 Schock. Thomas Gruwel vermachte 2 Gülden der Kirche und aus dem Weingarten der Frauenkirche löste man 2 Schock 2 Groschen für Wein. Die neue Schule ward mit Fenstern, Türen und Treppen versehen. Ein Bildhauer in Leipzig fertigte das große Kreuz in der Kirche und besserte die Bilder der Maria und des Johannes für 2 Schock 22 Groschen. 12 Fuhren Schiefer, jede zu 18 Zentner, kosteten 22 Schock 52 Groschen.

1426
Außer der Jahrrente an 40 Schock wurden auch 160 Schock 40 Groschen Bete ausgebracht und erhielt von der Jahrrente auf Anweisung des Fürsten Erich Siedersdorf zu Brostendorf 8, Erich Schilling auf Löberitz 12 Schock. Johann Ortrand war Stadtschreiber. Am 26. Mai hatten die Schützen ein Schützenfest und gab der Rat zum Kleinode 1 Schock 38 Groschen, auch ein Schützenessen. Die Heerfahrt nach Böhmen kostete der Stadt gegen 150 Schock (außer dem Getreide, was nach Brüx geschafft werden mußte) und ging in dem unglückli­chen Treffen bei Aussig, den 15. Juni, an welchem auch die hiesigen Bürger und der Hauptmann mit 15 Pferden teilnahm, 48 Schock an Waffen und 42 Schock an Wagen und Pferden verloren. Am 2. Juli war die Herzogin (Kurfürstin) hier, man schenkte ihr für 11 Schock 3 Groschen 3 Pfennig Wällischen Wein, ihrem Hofmeister I Schock, daß er der Stadt Bestes bedächte - auch erhielt der Schreiber Nicolaus ein Ehrengeschenk. Von Anhalt aus war wieder ein Einfall und hatte man 4 Pferde geraubt, daher Schützen mit Prozce von Querfurt und Otto von Crostewitz, Hauptmann in Bitterfeld, nach Bernburg. Der Schloßgraben wurde geräumt,am alten Kaufhaus gebaut, die neue Schule gerichtet und die alte gebrochen. Die Untersuchung gegen einen Dieb, Peter, der sich wahrscheinlich an einen geweihten Ort gerettet oder Kirchgut angegriffen hatte, verursachte Reisen zu dem Herzog in Altenburg und Erzbischof zu Magdeburg, wohin der Verbrecher auch abgeführt ward. Man hatte einen Rechtsstreit mit Spigel über den Rubacher Weg, der durch Schiedsmänner abgetan ward.

1427
Eine abermalige Heerfahrt gegen Böhmen nach Brüx, die der Stadt mehr als 50 Schock an Apparat und weit mehr an Verlust kostete. Es mußte dem Herzog ein Verzeichnis der angemessenen waffenfähigen Bürgerin Meißen überliefert werden und die Bitte bei der Herzogin in Rochlitz am B. Mai um Minderung der verlangten Schützen hatte keine Wirkung. Der Herzog (Kurfürst) war schon im Juni in Böhmen und legte sich vor Mieg, als aber die übrigen Hilfsvölker entwichen, so mußte auch er abziehen. Der Verlußt bestand größtenteils in der Bagage, die in der Dachauer Waldung Brandenburg zu decken hatte. Während dieses Feldzuges fiel der Graf Georg von Anhalt den 5. August in das Land und nahm vor Wurzen Vieh. Er wurde daher von hiesigen und Bitterfelder Bürgern verfolgt und verursachten die Halten bei Brehna und auf dem Steinfurt einen Aufwand von 10 Schock. Die Stadtmauer wurde gebessert und die Hecken um die Vorstadt, das Kaufhaus erhielt neue Bänke - die neue Schule ausgebaut und vorläufig mit Schindeln gedeckt. Der Maurer Martin hieb Steine zu den Kirchenpfeilern und der Steinmetz Donat von Weißenfels Formen. Der Schreiber Heinrich aber schrieb für die Kirche ein neues Antiphonarium - das Pergament hierzu kostete 48 Groschen, das Schreiberlohn 41 Groschen und 1 Schock erhielt der Rektor der Schule für das Notieren. Dem Herzog (Kurfürst) schenkte man ein Buch, welches der Stadtschreiber Johann Ortrand geschrieben hatte - die Matthiae. Die Kirche verborgte 100 Rheinische Gulden an Nicolaus von Erdmannsdorf zu 10 Prozent, und schrieb das Dokument der Schreiber Johannes auf dem Schlosse für 14 Groschen. Dem neuen Hauptmann Hans von Hoym und seinem Bruder Friedrich von Hoym mit ihren Freunden gab man ein Essen. Bei Busse kam Feuer aus, gab 15 Groschen Strafe. Anton Trige ward mit dem Strange hingerichtet. Der Hundeschläger tötete 3 Hunde und vergrub sie. Im Herbst blühten Blumen und Bäume, der Winter ohne Frost. Pak in Döbemitz starb und erhielt die Kirche für das Läuten 1 Rheinischen Gulden.

1428
Am 2. Februar wurden die Schützen nach Freiberg und Brüx ausgerüstet, der Feldzug unterblieb aber. Man war bei der Herzogin (Kurfürstin) in Altenburg, um von der Zahl der geforderten Schützen etwas abzudingen. Auch war man in Leipzig (Rat und Stadtschreiber), wo Ritterschaft und Städte versammelt, um das Land mit Ratgeben zu bestellen. Man besah daselbst die Wagenburg. Auch mußte der Herzogin ein Verzeichnis der waffenfähigen Bürger nach Altenburg geliefert werden. Zu derselben Zeit eine Folge nach Bitterfeld, wo Eilenburg warnte wegen Mordbrennerei. Die Schützen zogen nach Schkeuditz, Merseburg, Brehna, Halle, wo Hans Braune ein Pferd verlor.  Am 10. Februar sammelte man des Papstes Geld - die 3 Räte gemeinschaftlich - und ward nach Leipzig gebracht. Der Rat kaufte Rubach von Hans, Otto und Heinrich Gevetter Spiegel, Dorf und Vorwerk, mit Ober- und Niedergericht, im Dorfe und Felde, Zinsen und allem Zubehör - unter anderem auch den Weberzins - mit Ausnahme des Kirchlehns, es wäre denn, daß die Kapelle verwandelt, aufgenommen und mit ihren Zinsen und Rechten in die Pfarrkirche zu Delitzsch verlegt würde. Auf diesen Fall sollte die Stätte, auf welcher die Kapelle steht, und der Pfarrhof mit seiner Hofstätte dem Käufer sein und der Stadt Delitzsch folgen, wenn es von Rechts wegen sein kann. Überdies die Lehn über zwei Höfe, gelegen an dem Stiege, als man gehet nach Gertitz und drei Hufen dazu auf Weißig. Das Hölzchen, gelegen bei dem Garten zwischen der Mühle und Rubach mit dem Wiesenfleckchen, das Otto Cluge zu Lehn hat. Das Kaufgeld ist in dem Kaufbriefe vom 13. April nicht genannt, die Spigel erhielten aber nach den Rechnungen 400 Schock in diesem und 300 Schock in dem folgenden (Jahre). Das Lehngeld betrug 50 Schock, der Lehnbrief aber kostete in der Kanzlei 4 Schock 20 Groschen oder 13 Rheinische Gulden.

Den Weberzins gaben die Weber wahrscheinlich von der Bleiche zwischen dem Altdorfe und dem Lober zu Petri Pauli - er betrug 6 Pfennig von einer ganzen und 2 Pfennig von einer halben Webe. Das Land wurde ausgemessen und verkauft, die Gebäude gebrochen und ebenfalls verkauft. - Man brach über eine Kemnate, ein Bergfried und ein Torhaus, einkleines Haus, ein ungedecktes Haus, zwei Häuschen, zwei Scheunen und ein Scheunchen. Zu dem Kaufe borgte man 300 Gulden von Otto Kalb, 300 Gulden von Johann Hallis. Der Lehnbrief ist vom 15. April mithin früher datiert als der Kaufbrief. Der Hauptmann von Hoym gab am Himmelfahrtstage ein Stechen, dabei waren auch Bürger von Magdeburg und Halle. Der Rat verehrte ihm ein Faß Torgauisches Bier. Freitags nach Himmelfahrt war Kirchrechnung. Das Kirchvermögen betrug 30 Schock 17 Groschen 6 Pfennig. Das Ziegeldach über dem Chore ward abgetragen und der Chor mit neuem Sparrwerk versehen. Chorund Sakristei wurden erst 1432 mit Schiefer gedeckt, erhielten einstweilen ein Schindeldach. - In die Schule ein Wergaden (Bücherschrank). Der Weihbischof weihte 2 Kelche in der Frauenkirche und den großen Kelch der Stadtkirche - Korporale und Altartücher - erhielt 48 Groschen. Man erhielt auch einen Brief über den Jahrmarkt, vermutlich Bestätigung durch den neuen Fürsten. Er fiel Sonntag nach Himmelfahrt Mariä, ward aber 1520, weil man zu Himmelfahrt Mariä noch erntete, auf den Sonntag nach Allerheiligen verlegt. Die Stadt mußte sich für ein Darlehn des Herzogs Friedrich und seiner Brüder von 200 neuen Schocken an den Schutzjuden Abraham in Leipzig verbürgen und der Schuldurkunde das Stadtsiegel anhängen.

1429
Am 20. Januar war der Rat drei Tage in Leipzig um der Fürsten und der Lande Bestellung, auch war man der Lande Bestellung wegen in Weißenfels. Am 14. Februar ward die Stadt vom Fürsten für 250 Rheinische Gulden an Magdeburg verpfändet. Zu dem Heereszug gegen die Ketzer (Hussiten) eine doppelte Auflage, die 201 Schock 58 Groschen betrug. Am Trinitatisfeste gingen 10 Schützen nach Brüx, 10 Reisige gegen Freyberg. Eine Heerfahrt nach Siebenlehn, Meißen, Colditz und Leipzig mit einem Aufwand von 221 Schock 48 Groschen. Zu 9 Büchsen (großen Stück) kaufte man im Januar eine zehnte für 20 Schock, mehrere Handbüchsen und kleinere Handbüchsen, Pulver ward teils hier gefer­tigt, teils in Leipzig gekauft. Der Maurer Martin hieb Büchsensteine, auch verbrauchte man viel Blei zu Kugeln. Die Bauern von Werben und anderen Dörfern, welche in die Stadt geflüchtet waren, schanzten, arbeiteten an den Dämmen, Mauergerüsten und Bollwerk. Das nötige Holz nahm man aus dem Haine. Die Graben wurden gereinigt. Auch lagen 5 Söldner vor Halle in der Stadt zu Verstärkung der Turm- und Torwachen. Die Waffen­kammer befand sich auf dem Rathaus. Als die Ketzer nahe waren, brachte man alle Briefe der Stadt nach Halle. Indessen kamen sie nicht an die Stadt und die gewöhnliche Nachricht, daß sie die Stadt erobert, geplündert und größtenteils niedergebrannt hätten, ist ganz falsch. In den vollständig erhaltenen Rechnun­gen, Heberegistern dieser Zeit findet sich keine Spur des Abganges auch nur eines Hauses oder eines Aufwandes auf Wiederherstellung zerstörter Gebäude, vielmehr ging der Bau an der Kirche und anderen öffentlichen Neubauten ruhig fort. Als die Ketzer bei Wurzen waren, lagen die kurfürstlichen Hofleute hier. Außer dem Hussitischen Heereszuge gab es aber auch in der Nähe Fehden. Man folgte, als zu Püchau Pferde geraubt wurden, hielt zu Queetz und Brehna und war in der Warte zu Landsberg. Zwei nahm man bei Kyhna gefangen.

Den Ackerknechten schenkte man eine Tonne Bier am Fronleichnahmsfeste. Durch den Ankauf der nahen Sadelhöfe und Vorwerke Elberitz, Rubach und Überlassung deren Äcker an die Bürger entstand zuerst hier Feldwirtschaft und zu besserer Betreibung derselben traten diese ackerbesitzenden Bürger mit anderen Ackerwirten in der Nähe in Verbindung, bildeten eine Gesellschaft - Brüderschaft - nach eigener bestätigter Ordnung und nannten sich die Gesellschaft der Ackerknechte, dies ich in Feuersgefahr und bei öffentlichen Bauten in der Regel durch Tätigkeit auszeichnete und daher vom Rate oft Geschenke erhielt. Die Pake versuchten abermals in dem neuen Graben um die Vorstadt zu fischen, wurden aber verklagt und behielten durch schiedsrichterliche Entscheidung Unrecht. Der Jahrmarkt gab 7 Schock Stättegeld. Der Kirchenvorsteher und Ratsherr Friedrich Brauer (ein Schnitthändler und Ratsherr von 1397 -1429) starb in diesem Jahr und vermachte der Kirche 10 Schock zum Bau. Die Kirche kaufte das Brauhaus des Leuttich und erhielt zum ersten Male die Ketzer und besetzte stark Türme, Tore und Basteien.einen Brauzins von 1 Schock 35 Groschen. Viel Holz und Steine zur Kirche - 13 000 Stück gab hiesige Ziegelscheune.

1430
Man baute stark an der Befestigung, an den Bollwerken, Graben, Wällen, Terrassen, hauptsächlich suchte man die Vorstadt zu sichern. Im Haine und Aldinhofe ward Holz geschlagen, auch bezog man viel Bauholz aus der Torgauer Heide. Den Bau leitete Erich Schilling. Auch versah man sich mit Gewehren. Der Büchsenmeister Berthold goß 2 neue Tarrasbüchsen - man kaufte große und kleine Handbüchsen, viel Pulver und Stoff zu dessen Bereitung, Salpeter usw., 20 Schock Pfeile und 11 1/2 Wage Pech zu einem Brei gegen die Ketzer und besetzte stark Türme, Tore und Basteien. Dieser Bau, ohne vorherige Erlaubnis, mußte bei dem Fürsten durch den Marschall versöhnt werden und hatte man deshalb doppelte Reise nach Weißenfels. Die Hussiten zogen von Plauen, welches sie am 25. Januar genommen hatten, durch Meißen und verheerten Städte und Dörfer - kamen aber nur bis Oschatz und wendeten sich nach Bayreuth. Eine Heerfahrt nach Hoyerswerda ward abgewendet - man zog aber nach Meißen, wo der herzogliche Koch den Nachbarn gütlich tat mit Speise. Auch hatte man Folgen nach Glebitzsch, mit dem Kurfürsten auf den Abt von Dobrilug, nach Hainichen und als den Oschatzem Pferde genommen wurden. Man zahlte für den Fürsten 83 Schock 20 Groschen an die Stadt Magdeburg auf Anweisung. Auch mußte sich die Stadt gegen Hans, Heinrich und Otto Spiegel für 1500 Gulden für den Fürsten verbürgen. Zur Bestreitung der vielen Ausgaben borgte man 45 Rhein. Gulden vom Kaland, 10 Schock vom Spitalmeister, 63 Schock 20 Groschen von der Kirche und 100 Rhein. Gulden vom Altar Katharina und wurden die Zinsen (aus Freundschaft) auf die ersten 3 Jahre erlassen. Man verkaufte an den Stadthof bei dem grauen Mönche, ein Haus der Kommun in der Badergasse, wo die Minoriten in Leipzig ihr Termineihaus hatten, und die zwei Gerltitzer Glocken, die größere für 5 Schock, an die Kirche in Schenkenberg, die kleinere für 1 Schock 30 Groschen an die hiesige Kirche.Franze, der in diesem Jahre starb, vermachte der Kirche 8 Schock zu einem Fenster. Die Badestube der Kirche kaufte Hans Schindfessel für 22 Schock. Das Bild der Jungfrau mit dem Pfeil (die Flucht nach Ägypten vorstellend) ward nach Leipzig zur Ausbesserung gefahren. Die Kirche nahm wieder vom Rate einen Ofen Ziegel - 25 000 Stück.

1431
Am 6. Februar ward einer mit dem Strange hingerichtet, einer verbrannt, wozu der Rat 3 Schock Gerten gab. Bei Hans Gerber und der Gassyn Feuer beläutet, doch ohne großen Schaden - jedes 1 Schock Strafe. Man arbeitete auch in diesem Jahre stark an der Befestigung - bat bei dem Herzoge in Leipzig um Holz zum Zwinger - kaufte dazu für 23 Schock. Zimmerleute und Maurer erhielten gegen 100 Schock. Eine neue Steinbüchse von 3 1/4 Zentner wurde gegossen - überdies für Pulver, Blei, Schwefel, Salpeter 41 Schock ausgegeben. Zu den Büchsen brachte man 15 Schock 48 Groschen aus und gaben Geistliche und Bader zu dem Bau 5 ½ Schock freiwilligen Beitrag. Die Heerfahrt nach Bautzen zum neuen Jahre kostete 58 Schock, die zu Petri Pauli nach Böhmen 56 Schock. Eine nach Torgau zu Mittfasten und eine in der Fronleichnahmswoche ging nicht vor sich. Überdies hatte man Nachfolgen zu Lichtmeß auf Zörbig, Bonifacii auf Ostrau und Wettin mit einem Verlust von 13 Schocken an Pferden. Auch hielt man auf der Straße auf die Briefträger. Um den Aufwand, den man durch allgemeine Beiträge nicht bestreiten konnte, zu decken, borgte man 110 Rhein. Gulden von den Dominikanern in Leipzig und 60 Schock von Bethmann, Hermann Westfal, Peter und Margarethe Koethener. Zu dem Ratsessen (jährlich jedesmal am 27. Juni) bat man die umgesessenen Edelleute, Hofleute, Räte, auch den Haupt- und Gleitsmann. Am 7. November huldigten zwei aus dem Rate und vier aus der Gemeinde dem Landgrafen Ludwig von Hessen zu Leipzig. Das Konzept des Huldbriefes des Rates und des Landgrafen Bestätigung der Stadtprivilegien ist von diesem Tage gestellt. Vater (Ratsherr) war in Giebichenstein bei dem Erzbischof um eine Glocke und in anderen Geschäften.

1432
Am 22. Januar eine Bete und Steuer von 166 Schock 40 Groschen nach Altenburg. In diesem Jahre und den beiden folgenden waren lange harte Winter, die Frühlinge und Sommer aber naß, wodurch Bäume, Gras und Getreide verdarben und große Teuerung entstand. Durch stete Regen und Wolkenbrüche ergossen sich die Flüsse und zerstörten Brücken und Ortschaften in großer Zahl. Der Ratsherr Conrad Root, welcher zu dem Kurfürsten nach Altenburg wollte, blieb wegen großen Wassers längere Zeit in Leipzig und Ratsherren, die mit Bestätigungsbriefen des neuen Rates von da kamen, mußten aus derselben Ursache sechs Tage in Lindenau liegen bleiben. Man arbeitete auch in diesem Jahre noch stark an der Befestigung und kaufte viel Holz in der Torgauer Heide, in Löbnitz, Schnaditz und Wellaune, welches man auf dem Markte zurichtete und meistens an dem Zwinger verbrauchte. Drei Steinbüchsen, zwei Wall- oder Tarrasbüchsen (diese beiden am Gewicht von 4 Zentner 3 Stein 3 Pfund, am Wert 16 Schock 58 Groschen, das Pfund Metall zu 2 Groschen gerechnet) wurden gegossen und sonst für Pulver, Blei, Stein- und Eisenkugeln, auch anderes Gewehr bedeutende Ausga­ben gemacht. Diese Waffen gehörten auch der Kommun - die brauberechtigten Bürger mußten sich auf ihre Kosten bewaffnen. Die Vorbereitung zu einem Heereszug nach Wittenberg, der aber unterblieb, kostete 8 ½ Schock. Den Schützen (meist allen brauberechtigten Bürgern) gab man im Juni ein Essen. Die Adligen der Stadt und Umgebung hatten hier einen Hof und schenkte ihnen der Rat zu diesem Feste ein Faß Bier. Man erhielt einen Findling 14 Tage auf öffentliche Kosten. Die Wollenweber erhielten am 6. Dezember Bestätigung ihrer Innung und Gebräuche für 11 Schock. Am Weinschank hatte man in diesem Jahr 26 Schock 54 Groschen 8 Pfennig Gewinn und gaben die, denen man zum Weinschenken Erlaubnis gab, vom Faß 3 Groschen. Für den Chor der Kirche arbeitete in diesem Jahr der Zimmermann Henze Hunger das Gehölz zum Dache und Turme. Es wurden Formen zu den Fenstern gehauen, Fenster gemacht, wozu Glas und Bilder von Halle und Leipzig kamen. Die Fenster waren mit Schilden und Bildern versehen und kostete ein Fenster 10 Schock. Sperling in Leipzig erhielt allein für zwei Bilder 3 Schock 20 Groschen. Die Formen hieb Johannes, der Maurer, Sohn des Martin. Auch wurde die Orgel durch Albert de Kemnitz gebessert. Zu diesem Bau schenkte Jacob Ohme, ein Bruder des Ratsherrn Paul Ohme, 6 Schock 20 Groschen. Claus Lemann war Spitalmeister - Peter Kirchhof und Bastian Spetener Vorsteher der Kirche zu Gerltitz und Hans Wolkow Vorsteher der Elenden. Sie legten ihre Rechnungen den Räten ab.

1433
Die Fürsten waren am 3. März hier- Friedrich und Sigmund und am 26. d. Mon. verschrieben sie die Stadt an Friedrich und Hans von Hoym, Gebrüder, mit anderen für 1500 Schock in Golde. Die Stadt mußte sich als Selbstschuldnerin verbürgen und der Stadt Siegel an den Schuldschein hängen. Sie versprachen aber, die Stadt der Bürgschaft ohne Schaden zu entledigen. Eine gleiche Verpfändung der Stadt geschah am 18. April an den gestrengen Fritzsche und Caspar von Bendeleubin, alten Kristan (Christian) von Wiczeleubin und Hanse Rabyle zu Pouch für 950 Rhein. Gulden. Die Stadt konnte aber die Walpurgis fällige Jahrrente zu den Zinsen in Abzug bringen. Die Bete und Steuer aber zu Walpurgis an Betrage 166 Schock 14 Groschen - mußte eingeliefert oder auf Anweisung ausgezahlt werden. Am 22., 23. und 24. Juni regnete es unaufhörlich und so stark, daß die angeschwollenen Flüsse großen Schaden anrichteten. Seit Menschengedenken waren so heftige Regengüsse nicht gefallen. Der neue Hauptmann Hans Gorlicz kam an, der bisherige Stadtschreiber aber, Johann Ortrand, ward als solcher nach Borna verschrieben, man wünschte ihn jedoch zu behalten und hatte deshalb mit dem Rate zu Borna, auch vor dem Fürsten, Verhandlungen. Ende August geschahen wieder feindliche Einfälle, wie es schien von Anhalt aus. Hans von der Heyde und andere gaben Warnung, auch meldete der Schäfer die Feinde. Die Bürger folgten am 1. September nach Zörbig, Greppin, Gatersleben, auch zogen vier Schützen nach Dippoldiswalde, den Schützen gab man Essen am 23. Oktober. Die Schwester des Fürsten hielt Hochzeit, wahrscheinlich in Leipzig und mußten die Betten von hier dahin abgefahren werden.

Der Ratsherr Paul Ohme (von 1423 an) starb in diesem Jahre und vermachte der Kirche 5 Schock 40 Groschen - Martin Ackermann 3 Schock, desgleichen Friedrich Raspe 10 Schock Böhmischer Groschen. Der Kirche gab auch der Paul Ohme ein Seelbad, eine Tonne Heringe und ein halbes Fuder Brot für 1 Schock 13 Groschen. Der Chor der Kirche ward gerichtet und durch den Schieferdecker Michael in Halle mit 43 Zentner Schiefer belegt. Er erhielt für seine Arbeit von Oculi bis Miseric. Domini gegen 10 Schock Arbeitslohn. Das Türmchen auf dem Chor, in welchem die Meßglocke hing, erhielt einen vergoldeten, mit Stacheln versehenen Knopf. Das Holz der Bedachung kostete 19 Schock. Die Fenster bestanden aus weißem, gefärbtem und Bilderglas, 920 Scheiben koste­ten 2 Schock 55 Groschen und die Glaser Berthold und Christoph erhielten für ein Fenster mit vier Bildern und vier Schilden 10 Schock ohne die Windeisen. Ein Bildhauer in Leipzig versah das Häuschen mit Kreuz und Bildern für 6 Schock 10 Groschen. Die Speise zu einer Glocke ward nach Jena gebracht. Die alte Wehemutter erhielt Petri Pauli Bier. Das Bergfried in Rubach kauften die Altarleute (Kirchräte) zu Zwochau für 3 Schock 40 Groschen - der Galgen daselbst ward erneuert. Nicolas Pruczschkenhain und Hans Duerkorn waren Wegemeister (hatten die Aufsicht über die Straßen und besorgten die Besserung mit Hilfe des Zolles) legten ihre Rechnung vor dem Rate und behielten in diesem Jahre 17 Schock 27 Groschen 3 Pfennig und l'/2 Mark Silber Vorrat. Der Scheffel Korn hiesigen Maßes galt 10, der Scheffel Hafer 5 Groschen, 1 Schock Stroh 7 Groschen. Man findet in diesem Jahr zum ersten Mal die Ausgabe an die Zigeuner - Cziganen - mit 12 Groschen.

1434
Der Erzbischof zu Magdeburg geriet mit der Stadt Magdeburg wegen eines Turmes, den die Stadt im Jahre 1429 gegen die Hussiten auf des Domkapitels Freiheit, wo die Stadt unverwahrt war. baute, in Fehde. Die Stadt Halle half den Magdeburgern und mehrere Fürsten bemühten sich vergebens, diesen verderblichen Zwist zu schlichten. Der Erzbischof verband sich endlich mit dem Kurfürsten zu Sachsen wider die Stadt Halle, und überließ diesem das Schloß Giebichenstein für 30 100 Gulden, welches der Kurfürst mit 300 Pferden besetzte und darauf Halle zur Unterwer­fung aufforderte. Sie unterwarf sich aber nicht, daher im künftigen Jahre ein Feldzug des Kurfürsten gegen sie. Man baute viel an dem Zwinger und Damm in der Nähe des Hospitals, auch ward der Breite (Eilenburgische) Turm mit Schiefer gedeckt und mit Knöpfen versehen - ein Kahn auf den Graben angeschafft und in Rubach Baustätte Wall und Graben ausgeglichen. Der Stadtschreiber Ortrand brachte Briefe und Privilegien der Stadt in ein Verzeichnis, übergab sie und ging nach Borna den 14. Februar mit dem Solde bis Ostern. Während seiner Abwesenheit versahen Nicolaus Grymer und der Diakon Kottebas (Job.) das Amt. Man hatte um Ortrands willen mit dem Rate zu Borna einen Tag vor dem Fürsten. Um Petri Pauli zogen die Herzöge, der Kurfürst Friedrich und dessen Bruder Sigmund zu dem Kaiser nach Ulm und gab Delitzsch 10 Schock zu den Reisepferden nach Leipzig. Vom 15. Juli an regnete es fünf Tage und fünf Nächte und vom 26. Juli wieder vier Tage und drei Nächte. Elbe, Mulde und Saale stiegen zu einer ungewöhn­lichen Höhe und in Eilenburg stand am 27. das Wasser in der Kirche bis an den hohen Altar. Die Schuhmacher ließen ein Kirchenfenster machen für 20 Gulden. Im Oktober Anstalt zu der Heerfahrt nach Halle - Aufwand 5'/, Schock. Wegen der Teuerung kaufte der Rat Korn und ließ es den Armen um den billigsten Preis. Es galt aber der Scheffel Roggen Delitzscher Maßes 12, der Scheffel Hafer 6 Groschen - die Scheffel wurden untersucht und ausgeglichen. Am 10. Oktober erhielten die Bäcker ihren Innungsbrief. Am 18. November ward die Stadt von den Fürsten für 3000 Gulden an Friedrich und Hans von Hoym verpfändet und für 600 Gulden an Abraham - Jude in Leipzig. Einer, namens Punzel, ward versucht (gemartert), Georgen von Liebenwerde die Hand abgehauen und George Hans wegen Diebstahls mit dem Strang bestraft. Am Torgauer, Delitzscher und Zerbster Bierschanke im Ratskeller gewann man in diesem Jahre 88 Schock 26 Groschen 5 Pfennig.

1435
Am 1. Mai rückten die Delitzscher Bürger aus und stießen zu dem Heere bei der Wartenburg neben dem Giebichenstein. Sie brachen eine Mühle und waren bei der Beschießung von Halle. Am 4. Mai kam es jedoch zur Sühne zwischen dem Erzbischof und den Städten Magdeburg und Halle, hauptsäch­lich durch des Markgrafen von Brandenburg und Bischofs von Merseburg Be­mühung. Zu diesem Heereszug, der viel Aufwand verursachte, ward auch eine große Steinbüchse für 14 Schock gegossen, man führte mehrere große Büchsen - auch den Büchsenmeister Lucas Polner, einen Barbier und Koch mit sich. Überdies hatte man Folgen nach Zwochau, als die Pferde vor Baldisdorf geraubt wurden, nach Zörbig, Alsleben und Dornburg. Der Stadtschreiber Ortrand kam zurück von Borna und trat sein Amt mit einer Zulage von 2 Schocken jährlich wieder an. Die Koeppin ließ dem Rate ihren Hof bei dem Heiligbrunnen auf - sie übergab ihn durch Lehnsauflassung. Das Land zu Rubach wurde vermessen - der Hauptmann von Krosigk geholt. Aus Grumpolds Testament empfing die Kirche 5 Schock 20 Groschen. Die Wand bei dem Bergfried an dem Weingarten der Frauenkirche ward hergestellt - eine Ausgleichung der Gräber vorgenommen. Der Organist erhielt von nun an jährlich 40 Groschen, der Küster 30 Groschen Lohn. Am 13. Dezember ward die Stadt von den Fürsten Friedrich und Sigmund für 2500 Gulden an Hans und Otto Spiegel verpfändet. Waldhof sprach böse Worte vor den Frauen und Jungfrauen im Tanzhause, verbüßte es mit 8 Groschen. Des Herzogs von Braunschweig Harfner gab man 3 Groschen - dem Rat zu Leipzig 10 Schock auf den Sold gegen Böhmen.

1436
Eine Heerfahrt den 10. Februar kostete 53 Schock (gegen die Böhmen) eine andere nach Dohna, wohin man mit 20 Trabanten (Söldner, welche in diesem Jahre zum ersten Male vorkommen) ging, nur an verlorenen Wagen und Pferden 32 Schock. Es hielten sechs Schützen von hier den 18. März in Dresden, sechs zu Schoenebach 4 Wochen, sechs Trabanten den 16. Oktober in Pirna, kosteten in zwei Wochen 5'/Z Schock. Übrigens hatte man auch Folgen in der Nähe nach Landsberg und Halle. Sigfried von Schoenfeld auf Löbnitz richtete hier seiner Schwester Hochzeit aus, wozu der Rat gebeten war und Bier verehrte. Lininus Oelsleger und andere Bürger waren bei einem Stechen in Brandis, hatten Pfeifer bei sich, die der Rat mit 1 Schock bezahlte. Albrecht von Lindenau, welcher diese Bürger dort sehr gut aufgenommen und bewirtet hatte, erhielt daher, als er hier her kam, wällischen Wein zur Verehrung. Ein Schock 40 Groschen gab der Maurer Martin Pacht für den Weingarten der Frauenkirche. Philipp Feind schenkte 21 Schock 20 Groschen zu der mitternächtlichen Mauer des Schiffes der Kirche und Martin und Johannes, sein Sohn, erhielten sie meistens zu Lohn. Auch im folgenden Jahr machte er der Kirche mit 6 Schocken ein Geschenk. Das Vorwerk zu Rubach. vier Acker haltend, ward zu halben und Viertels - Ackern ausgegeben, der Acker zu 40 Groschen. Den Baumgarten daselbst erhielt Caspar Gottschalk für 40 Groschen. Der Rat kaufte auch von Hans Raspe den Hof für 12 Schock.

1437
Am 10. Januar gingen 10 Wappner nach Brehna. Dietrich von Miltitz war Hauptmann in Delitzsch. Leipziger Wappner zogen am Lätare-Sonntag nach Landsberg, vier Schützen von hier zu Pfingsten dahin und zu Johannis gingen hiesige Wappner mit 10 Wagen an diesen Ort. Am 12. Mai ein Fürstengebot (Aufgebot) in Leipzig. Trinitatis war der hiesige Rat zu Landsberg in dem Thedinge des Fürsten gegen die Stadt Halle und Magdeburg. Es gab eine Heerfahrt nach Saalfeld und eine nach Weida mit einem Aufwande 30 Schock - auch zahlte man 76 Schock für den Fürsten, die man vom Juden Abraham aufnahm. Der Glaser Christoph fertigte 2 Kirchenfenster für 12 Schock. 2 Schock 20 Groschen kosteten die Bilder eines Fensters, 700 Stück Scheiben 2 Schock 20 Groschen. Altar und Kirche wurden vom Suffragan geweiht, welcher 4 Schock 30 Groschen erhielt. Derselbe weihte den Kirchhof und erhielt für die Briefe darüber und Indulgenz 20 Groschen. Der Pfarrer Nicolaus Czye in Kölsa starb und gab man für graues Tuch zur Verteilung an die Armen (Seelgerät) 1 Schock 45 Groschen. Der Bürgermeister Conrad Welchow machte sich ansässig und erhielt das Bürgerrecht unentgeltlich. Den Schützen gab der Rat ein Essen den 5. Juni, auch ließ er eine neue Zielstätte machen und waren die Pfeifer des Bischofs von Halberstadt und des Herzogs Wilhelm bei dem Schützenfest. Caesarius, Pfarrer in Hohenleina, hier geboren und ein Stiefsohn des Matthaeus Marschalk, verkaufte die von seiner Mutter Katharina angefallenen zwei Erben mit Garten in der Burgstraße an den Rat.

1438
Die Bürger nahmen teil an der Heerfahrt nach Plauen im März nach Frauenstein den 15. Juni und in das Land Böhmen den 22. Juli. Diese 3 Heerfahrten kosteten der Stadt 124 Schock und suchte man bei dem Landvogt vergebens Milderung. Außerdem hatte man Folgen mit dem Hauptmann nach Landsberg, Zörbig und Alsleben mit einem Aufwande von 12 Schocken. Der Kaiser ging mit einem Heer nach Böhmen und besetzte Täbor, gewann aber nicht viel. Bei dem Rückzug des Herzogs (Kurfürsten) nach Meißen überfielen ihn und den Herzog von Braunschweig die Böhmen, sie wurden aber am 23. September bei Sulmitz geschlagen, ließen 3000 Tote auf dem Platz und 2000 Gefangene wurden in die meißnischen Städte verteilt, von welchen auch hiesige Stadt einige zur Verwahrung erhielt. Ihr Anführer Wilhelm von Sternberg geriet ebenfalls in Gefangenschaft. Albrecht besetzte hierauf Prag und die ihm treu gebliebenen Städte und begab sich nach Schlesien. Der Markgraf Albrecht von Brandenburg ward Anführer des kaiserlichen Heeres, ging nach Polen und verheerte es. Zu diesem Zuge nach Böhmen befahl der Kurfürst am 18. Juni dem Rate, auf den Ruf bereit zu sein mit 40 gewappneten Schützen, versehen mit Handbüch­sen, Armbrüsten und anderen guten streitbaren Wehren, guten Streitwagen mit starken Pferden, 2 Steinbüchsen mit Büchsenmeister, Steinen, Pulver und anderen Bedürfnissen auf 2 Monate, Stätte und Futter sollte ihnen gelegt und angewiesen werden. Einführungder Czyse, eine Abgabe vom Warenverkaufe, nicht wie einige wollen, eine Personensteuer. Man war deshalb in Leipzig und Altenburg. Ein neuer Kirchenseiger kostete 9 Schock 28 Groschen.

1439
In diesem Jahr war ein großes Sterben, die Teuerung aber hörte auf. Das Sterben fing in der Ernte an und dauerte bis Ende des Jahres. Die Kranken fielen in einen dreitägigen Schlaf und kämpften, wenn sie erwachten, mit dem Tode. Der Kurfürst Friedrich geriet mit dem Bischof Burkhard von Halberstadt in Fehde, berannte Heckstaedt und erstürmte es am 22. Juli. Die Stadt wurde geplündert, die Bürger gefangen und Graf Volrad von Mansfeld am 25. damit beliehen (gegen 5000 Gulden). Von da zog man nach Aschersleben, es kam aber zur Sühne und mußte der Bischof 33 000 Gulden in Terminen geben und dafür die Städte Halberstadt, Quedlinburg und Aschersleben verpfänden. Die hiesigen Bürger, welche am 18. Juni ausrückten, waren bei der Erstürmung von Heckstaedt und kostete diese Heerfahrt der Stadt 37 Schock. Die Kirche verkaufte ihnen den Sprengkessel zur Heerfahrt für 12 Groschen 3 Pfennig. Dabei gab es noch Folgen nach Landsberg und Brehna. Der Küster Petrus hatte den Weinberg der Frauenkirche für 1 ½ Schock in Pacht. Philipp Feind gab 78 Rheinische Gulden zum Kirchenbau, desgleichen Peter Snydewind 60 Rheinische Gulden um sein eigenes Gedächtnis. Man borgte auch zum Kirchenbau 114 Rheinische Gulden von den Domini­kanern in Leipzig und 50 Rheinische Gulden von der Margarethe Krügerin. Henze Hunger, der Zimmermann, und Nicolaus Tischer erhielten für Zuberei­tung des Dachholzes der Kirche 59 Schock 27 Groschen 3 Pfennig. Das Holz kostete 15 Schock 2 Groschen und der Schiefer, welcher zur Bedeckung angeführt wurde, 1230 Zentner, 88 Schock 40 Groschen. Delitzsch erhielt einen neuen Hauptmann. 16 Schock der Jahrrente, die an Andreas Brambalg, Claus Bulen und Wilken Houbpen in Wittenberg bisher bezahlt wurden, wies der Fürst am 3. Mai an Berndt vom Rode (Schenken) und Hans Hallis, Bürger in Delitzsch, mit deren Darlehn man die Wittenberger auszahlte.

1440
In diesem Jahr ward das Kirchengebäude vollendet und am 12. Juni das Kirchendach gehoben und gerichtet, worüber man 2 Wochen zu­brachte. Das Dach erhielt einen Turm (Spitze) mit Knopf und Busch. Die Ackerknechte (Acker habende Bürger) fuhren die zugerichteten Eichen aus der Goitzsche unentgeltlich an - 18 Mann brachten in einer Woche Holz und Schiefer auf die Kirche. - Zum Dach brauchte man außer den im vorigen Jahre erkauften 1230 Zentner Schiefer noch 63 1/2 Zentner für 4 Schock 35 Groschen. Hans Zoerbig, der Schieferdecker, erhielt für Deckung des Daches und des Turmes, für Bekleidung des Giebels und der Pfeiler, auch Ausbesserung der übrigen Dächer, 40 Schock schildigter Groschen und 54 Groschen Trinkgeld, für Deckung der Kapelle 1 Schock 7 Groschen 3 Pfennig. Der Maurer Johannes aber, welcher noch 10 Ruten am Giebel gemauert hatte, 15 Schock. Alben, Humerale, Altartücher, Korporale und anderes wurden in Merseburg geweiht. Zwei rote Fahnen von Seide und vergoldetem Silber kosteten 16 Schock 15 Groschen. Das Positiv wurde in die Orgel gebracht. Die Monstranz für 4 Schock 55 Groschen umgearbeitet. Eine Agende 1 Schock. Der Maler erhielt für Erneuerung eines Kruzifixes und für das Anstreichen der Fahnenstä­be 1 Schock 4 Groschen. Die Altarleiste aber kostete 22 Schock 32 Groschen an Silber, Gold und Arbeit. Am 25. Juli war der Kurfürst hier und am 26. geschah die Ankündigung der Heerfahrt nach Magdeburg. Die Magdeburger fanden den Vertrag von 1435 lästig, suchten Änderung, die man ihnen nicht zugestehen konnte und kamen dabei in Verdacht heimlicher gegen Meißen gerichteter Unterhandlungen mit den Böhmen. Die Sache ward aber durch die Tätigkeit mehrerer fürstlicher und geistlicher Personen am 1. August in Eisleben gütlich beigelegt. Auch am 29. November ward eine Heerfahrt nach Wittenberg vorbereitet und verursachte die Magdeburger, und diese der Stadt einen Aufwand von 50 Schock. Dabei unterhielt man noch Trabanten in Dresden und zahlte 8 Schock 17 Groschen 3 Pfennig für sie. Die Schuhmacher erhielten einen Nachtrag zu ihrem Innungsbrief. Der Rat hatte auch vor dem freien Stuhle zu tun, wahrscheinlich in einer Geldangelegenheit mit Küdorf, die in folgendem Jahre entschieden ward und ein Mord, den des Hauptmanns Knecht Hermann beging, verursachte Reisen nach verschiedenen Orten auf Kosten der Stadt.

1441
Am 26. März erhielten die Schmiede ihren Innungsbrief, kostete 20 Groschen. Der Bischof in Merseburg und Marschall Hans von Maltitz bemühten sich, die streitige Sache der Stadt mit dem Bürger Küdorf in Halle, welche von diesem vor das geistliche Gericht und freien Stuhl gezogen worden war, der Stadt bedeutende Kosten und den Bann zugezogen hatte, hier zu enden, und gab man ihnen 10 Rheinische Gulden Verehrung. Der Offizial in Halle gab den Endbescheid und brachte die Stadt aus dem Bann, Johann Molitor gab das Geld für Küdorf, welches wahrscheinlich zu Aufbringung der fürstlichen kriegerischen Bedürfnisse erborgt worden war. Am 2. April ward der Rat nach Leipzig, wegen der Heerfahrt gegen den Markgrafen zu Brandenburg, geboten. Am 1.November war eine Städteversammlung in Leipzigwegen der Placker (Raubschlösser) und anderen Sachen, woran auch Abgeordnete des hiesigen Rates teilnahmen. Auch waren zwei Abgeordnete in Torgau wegen der Artikel vom Gesinde und den Handwerkern (hohen Gesindelohnes und der Handwerker auf den Dörfern). Die Herzöge Friedrich und Wilhelm borgten von Hans und Ludwig Waltheim, Gebrüder, ihrer Mutter Ilse und Schwester Catharina 650 Rheinische Gulden mit jährlichen 40 Rheinischen Gulden Verzinsung, und die hiesige Stadt mußte sich dafür verschreiben. Die Zinsen sollte sie von der Jahrrente nehmen, den Zuschuß aber der fürstliche Geleitsmann im Amt vom Geleite wiedererstatten. Die drei Trabanten in Dresden kosteten auf ein halbes Jahr 15 ½ Schock. Otto Spiegel, auf Badrina, hielt in der Stadt seine Hochzeit und verehrte ihm der Rat 2 Faß Torgauer Bieres. Man hatte auch eine Folge auf Brehna mit einem Aufwande von 2 Schocken.

1442
Die zwei Trabanten, die man durch das ganze Jahr in Dresden unterhielt, kosteten 21 Schock 38 Groschen. Um den Jahrmarkt, der in der Mitte des Augusts gehalten wurde, zu verlegen, war Berthold Schenke und Schoene Simon zweimal bei dem Herzog. Das Kapital des Kalandes und der Dominikaner in Leipzig ward abgezahlt.

1443
Hans Dorn, bei dem Feuer ausbrach, ward mit 18 Groschen bestraft. Die Heerfahrt nach Lützelburg kostete der Stadt 14 ½ Schock. Die Kirchenvorsteher Nicolaus Kramer und Martin Koerner berechneten und behielten 134 Schock 23 Groschen 7 Pfennig Vorrat. Der Ratsherr Andreas Vater erhielt für den Verlust, den er in den Heerfahrten an Pferden und Waffen erlitten hatte, auch für seine Dienste 22 ½ Schock Vergütung und Lohn. Andreas Arndt wurde geköpft. Der Henker erhielt 15 Groschen und für das Schwert (Mordwehr) 4 Groschen - auch wurde dem Schäfer vom Henkersknechte die Hand abgehauen. In Bitterfeld war ein großes Feuer und gab man aus der Ratskasse 2 ½ Schock (zu Brot) den Verunglückten.

1444
Bei Sander Prus und Haeppner kam Feuer aus und lohnte und verzehrte der Rat 2 Schock 16 Groschen 1 Pfennig. In der Neustadt ward ein neuer Brunnen angelegt. Wegen der neuen Münze war man in Leipzig und erhielt die neuen Satzungen. Es wurden alle fremden Münzen, die Böhmischen Groschen ausgenommen, verboten, und neue Groschen, große und kleine Pfennige, auch Heller geschlagen, sämtlich mit dem Landsbergischen Schilde bezeichnet. Die Groschen mit dem Meißnischen Helmaufsatz, daher man sie "Judenköpfe" nannte. Gegen die vorige Münze standen sie wie 6 gegen 5 -denn ein Schock schildigter Groschen glich nach der Rechnung 50 "Judenköpfen". Zwei Kruzifixe kamen über die Stadttore in die Gehäuse. Klitschmar kaufte vom Rat Raspens Hof, bei dem grauen Mönche (bei dem Termineihause der Minoriten in der Badergasse) für 14 Schock. Man hatte auch Theding mit Hermann Pak, welcher den Rubacher Weg beeinträchtigte.

1445
Der Stadtschreiber Ortrand hatte Hochzeit und verehrte ihm der Rat ein Faß Torgauer Bieres. Wegen der Teilung (des Kurfürstentums) waren Ritterschaft und Städte vom 27. August an in Altenburg und Leipzig tätig - zwei Ratsmitglieder hiesiger Stadt waren am 30. November 13 Tage auf dem Fürstentage in Halle - und bei ihrer Rückkunft las man den drei Räten und Innungen die Fürstenbriefe vor. Am 28. Dezember huldigten vier Ratsherren und vier Bürger dem Kurfürsten Friedrich, an den die Stadt in der Teilung gekommen war. Wegen des Gerichtes in Elberitz hatte man einen D i n g t a g mit dem Paken, in gleichen einen Theding mit denselben Paken und hiesigem Pfarrer um den Sichelzoll. Der Stadtschreiber und mehrere Mitglieder des Rates zu Leipzig waren für die Stadt an diesem Dingtage hier, der Rat löste sie mit 1 Schock 40 Groschen aus der Herberge und verehrte ihnen einiges Wildbret - welches durch den Leipziger Rat mit einem Gegengeschenk an Elsasser Wein ausgeglichen wurde. Einem Mönche, den man nicht betteln ließ, gab man 4 Groschen. Der Rat kaufte das Häuschen der Bürgerin, am Kirchhofe, für 3 Schock 42 Groschen und bestimmte es zur Wohnung des Lesemesslers.

1446
Am 12. April erhielt der Pfarrer in Delitzsch, Herman Westfal, vom Erzbischofe Friedrich zu Magdeburg Auftrag, als erzbischöflicher Kommissar in den unter magdeburgischer Diözese gelegenen meißnischen Landesteilen gerichtliche Sachen in erster Instanz zu verhandeln. Der Kurfürst hatte zu Erleichte­rung der Untertanen darum nachgesucht. Die Stadt sollte 1000 Gulden Steuer geben und waren deshalb drei aus dem Rate und vier aus der Gemeinde in Torgau. Die fürstlichen Briefe des Herzogs Wilhelm an hiesigen Rat überreichten Abgeordnete des Rates dem Kurfürsten in Leipzig. Der Kurfürst bestätigte auf geschehene Huldigung in einem Briefe die Freiheiten und Rechte der Stadt. Am 14. August war der Kurfürst im Kloster zu Neuen Werke in Halle, wo er wegen der Huldigung des Erzbischofes zu Magdeburg und der Stadt Halle als Burggraf verhandelte und sühnte am 29. Dezember aber mit dem ganzen Hofstaate in hiesiger Stadt. Es gab eine Heerfahrt nach Pasewalk mit 42 Schock, eine nach Thüringen mit 54 1/2, Schock Aufwand. Auch zogen Schützen nach Merseburg, kehrten aber bald zurück. Die große Büchse des Kurfürsten wurde mit sechs hiesigen Pferden von Wittenberg nach Leipzig gefahren. Man hatte daneben Folgen, in deren einer der Bürger, Nicolaus Becker, blieb. Der neue Hauptmann war Strohbart. Alte und Kranke, die an den Heerfahrten nicht teilnehmen konnten, gaben Geldbeiträge gegen 7 Schock. Das Lauten der Glocken gegen Wetter kommt in diesem Jahre zum ersten Male vor und wurden die Lauter aus der Kasse des Rates bezahlt. Auch bildete sich in diesem Jahre oder kurz vorher eine neue Brüderschaft, aus Gelehrten bestehend, für den Gesang der Kirche. Sie kommen in diesem Jahr unter den Namen Korales, Korsenger vor, nennen sich aber einige Jahre später: "Die neuen Brüder" - "Die Gesellschaft der gelartin Burger, der heiligen Dreifaltig­keit, des heiligen Leichnams und unserer lieben Frauen - innige neue Gesellschaft des wahren Leichnams Jesu Christi und der hochgelobten Jungfrau Maria" und noch später "Stabulisten", "Constabeln". Ihnen gehörte der ziem­lich gut dotierte Altar Trinitatis - der aber im Jahre 1527 in eine Kommende überging, welche der Rat verwaltete und die Einkünfte zu Besserung des Predigtamtes, zu Stipendien für Studierende der Stadt und Armenunterstützung verwendete.

1447
Um Minderung der im vorigen Jahre verlangten 1000 Gulden Steuer machte man viele vergebene Reisen und lieferte sie in Terminen, vom 2. Februar ab, an den fürstlichen Kammermeister Balthasar von Arras unverkürzt. Man borgte hierzu und den Kriegsbedürfnissen 120 Gulden vom Stadtschreiber Ortrand und seiner Wirtin Margarethe auf Leibzins, 300 Gulden von Johann Hallis, 300 Gulden von Otto Kalb, 300 Gulden vom Geleitsmanne Conrad Rost und 300 Rheinische Gulden vom Altare der neuen Brüderschaft (Trinitatis), worüber aber die Urkunde erst 1463 ausgestellt ward. Die hiesige Stadt hatte eine Heerfahrt nach Altenburg - am 6. Januar einen Zug von 33 Schützen nach Leipzig, am 6. Februar einen gleichen von 20 Schützen nach Lützen und am 2. Mai nach Pegau - mit einem Aufwande von 66 Schocken. Der Schützenmeister kam von Borna. Durch den Hauptmann Strobart erhielt man einige Erleichterung und verehrte ihm deshalb 2 Faß Torgauer Bieres. Den 16. April waren die Städte in Meißen versammelt. Die Scharren (Fleischbänke) wurden mit Schindeln gedeckt - und Wassergefäße an den Brunnen, auch lederne Eimer angeschafft. Matthaeus Oelsleger gab 1 Schock Strafe wegen Ehebruchs. Wegen der Lesemesse war man bei dem Erzbischof zu Magdeburg, und in Halle und Leipzig wegen der Acht. Die Lesemesse unterhielten die Ackerknechte, und der Geistliche, der sie versah (Lesemessler), hatte zur Wohnung ein Häuschen auf dem Kirchhofe, die nachherige Wohnung des dritten Schullehrers.

1448
Der Ratsherr Martin Koerner und der Bürger Caspar Lenz waren den 24. März in Grimma wegen des Aufsatzes der Vormundschaft und am 5. Juni wegen Heischung der Landwehr in Meißen. Am Himmelfahrtsfeste, den 2. Mai, versammelte sich die Gemeinde in der Kirche wegen der neuen Steuer von 2000 Gulden, die für den Kurfürsten ausgebracht werden sollte. Man suchte Geld in Halle, Leipzig, Wurzen, versetzte die Monstranz und erhielt endlich 320 Gulden von D. Stephan Hüfenerin Leipzig, aus Prettin gebürtig, 130 von den Dominikanern in Leipzig, 120 vom Nonnenkloster daselbst, 300 von Martin Schindel, 60 vom hiesigen Ratsherren Moritz Becker auf Leibzins, 300 von Hans Porsdorf. Trotz des vorjährigen Vertrages entspann sich zwischen den fürstlichen Brüdern neuer Zwist, man rüstete sich von beiden Seiten - sechs Schützen gingen von hier im Juni nach Altenburg - das vierte Viertel der Stadt und die Neustadt am 22. Juli nach Hoyerswerda. - Drei Viertel am 24. August nach Diedendorf und am 22. September ward die Bürgerschaft abermals mit der Glocke wegen der Heerfahrt gerufen. Diese Heerfahrten kosteten der Stadt über 100 Schock und waren überdies außerhalb der Stadt Wachen aufgestellt und alles gegen einen Überfall vorbereitet. Das Stadtschreiber- und Schulmeisteramt war getrennt und hielt der neue Schulmeister (Rektor) Nicolaus (Arnoldi aus Grünenberg), der vorher Rektor in Grimma war, seine erste Messe. Er war für seine Zeit ein gelehrter Mann, Mitglied des Kalandes und später Pfarrer in Zaasch. Die Diäta der Kirchenbibliothek ist von ihm geschrieben, er gab sie im Jahre 1467, seinem Todesjahre, mit 104 Rheinischen Gulden als Vermächtnis hiesiger Petri Pauli Kirche und der Kaland beging sein Gedächtnis in der Fastenzeit. Das Hospital kaufte einen Garten und zwei Wiesen, an der Gemeinde Kertitz gelegen, von Hans Lichtenberg für 10 Schock schildigter Groschen und brauchte sie bis 1546, wo sie vererbt wurden. Auch in diesem unruhigen Jahre errichtete man im Jahrmarkte Petri Pauli die gewöhnliche Birkenlaube vor dem Weinhause - der Schenkstube des Rathauses.

1449
Durch die Grafen von Schwarzburg, die sich bei Teilung vererbter Güter veruneinigten und befehdeten, gerieten auch die fürstlichen Brüder, wie sie von dem einen oder anderen Teile um Hilfe angesprochen wurden, in neue Kämpfe. Den Landgrafen Wilhelm unterstützte dieses Mal der Markgraf Albrecht von Brandenburg mit starker Mannschft, die Besitzungen des Stifts Naumburg und Zeitz, die Gegend um Altenburg, Rochlitz, Torgau, Chemnitz wurde verheert, Frankenberg und Lichtenwalde angesteckt, auch Freiberg (mit Ausnahme des Schlosses) besetzt und die Bergmannschaft aufgewiegelt, es gelang jedoch dem Kurfürsten, die Brandenburger mit einem Schlage wehrlos zu machen, und Herzog Wilhelm, allein zu schwach, zog sich nach Thüringen zurück. Die Annäherung der im südlichen Deutschland furchtbar gewordenen Pest erlaubte keinen neuen Angriff, doch blieb man gegenseitig in völliger Rüstung. Zu diesem Heereszuge stellte die Stadt am 5. März eine Woche lang acht Trabanten, am 18. Juni zehn Trabanten, am 1. August sechs Trabanten, am 14. September auf zwei Tage acht Schützen und am 10. Oktober auf fünf Wochen acht Trabanten mit einem Aufwande von 60 Schocken nach Nebra. Sechzig Wappner, die nach Borna aufgeboten waren und am 11. November aufbrachen, kamen jedoch bald zurück. - Dagegen zogen am 6. September zwanzig Trabanten und neunzig Ende dieses Monats auf 3 1/2 Wochen nach Wittenberg. Auch führten die Knechte des Rates acht Tage lang Holz aus der Lochauischen Heide zu der Brücke bei Wittenberg. Bei Augustin Steinberg und Peter Pfeil kam Feuer aus, beide wurden bestraft und einer, der sich beim Löschen verbrannt hatte, ward auf öffentliche Kosten geheilt. Am 29. März entließ der Erzbischof den Pfarrer in Gerltitz (Gerlitz), Nicolaus Thomae, seines Amtes, weil der Ort ganz wüst war - und diente er als Vikar in der Stadt. Man hielt eine Prozession gegen die Pest und gab den Mönchen 8 Groschen Opfergeld. Die Herren von Gera, Heinrich Reuss und Griffogel, Landvogt zu Sachsen, waren hier und erhielten den Ehrenwein.

1450
Die fürstlichen Brüder gerieten abermals aneinander und da der Landgraf Wilhelm von den Brandenburgern und Böhmen unterstützt wurde, die des Kurfürsten Länder von zwei Seiten angriffen und unmenschlich hausten, des Kurfürsten Kriegsobersten in Thüringen Rache suchten, Gleiches mit Glei­chem vergalten, so trat für die Untertanen beider ein Zustand ein, dessen Schrecklichkeit in der Geschichte Sachsens kein Beispiel hat. Sechzig Dörfer Thüringens brannten im Juli an einem Tage nieder und in Gera, welches am 16. Oktober von den Böhmen erstürmt wurde, brachte man weit über tausend Einwohner und Fremde in der Kirche, wohin sie sich geflüchtet hatten, selbst auf den Stufen des Altars um. Diese schändliche Tat empörte allgemein und der Kaiser, vom Kurfürsten von Mainz angeregt, befahl den Brüdern sogleich, bei Strafe der Reichsacht, Friede zu halten und ihre gegenseitigen Ansprüche der Entscheidung der schon zwei Mal in der Sache tätig gewesenen Fürsten zu unterwerfen. Dieses wirkte, man unterwarf sich den Schiedsmännern, Äuße­rungen unverkennbarer Bruderliebe des Kurfürsten aus der Zeit der heftigsten Erbitterung, dem Landgrafen Wilhelm von redlichen Männern vorgetragen, erweckte Gegenliebe und es kam zu völliger Aussöhnung, zu unaussprechlicher Freude des in jeder Beziehung aufs Äußerste gebrachten Volkes. Auch hiesige Stadt, wiewohl sie von feindlichen Anfällen verschont blieb, hatte ungemein Verluste durch Rüstung, Sicherungsanstalten, Heerfahrten, Notsteuern und Vorschüsse an den Fürsten. Die Einrichtung des Geschützes allein kostete gegen 60 Schock.

Im Septemberund Anfang Oktober, wo die haufenweise das Land durchziehen­den Böhmen die Umgegend bedrohten, und die Stadt von Leipzig aus Warnung erhielt, suchte man Rettung bei dem Kurfürsten in Meißen, Hilfe durch Mannschaft, weil ein großer Teil der Bürger abwesend im Heere war, in gleicher Absicht ging man nach Halle (wegen der Mordbrenner), wiewohl vergebens, doch fand man einige Unterstützung durch die Landbewohner und Bürger der kleineren offenen Städte, die sich mit ihrer besten Habe hierher flüchteten und an der Befestigung gegen Kost arbeiteten. Ein Baumeister aus Altenburg leitete den Bau und Maurer aus Leipzig förderten ihn. Man erhöhte die Mauern, den Damm am Hallischen Tore, versah den Schützengraben mit einem neuen festen Tore, bohlte den Graben um die Vorstadt aus und glättete ihn. Von Zwickau holte man Waffen und Pfeile und drei Tarrasbüchsen (Schirmbüchsen, Wallgeschütz) wurden in Leipzig gekauft. Den Zwinger richtete man nach dem Wittenberger ein, den man besichtigen ließ. Auf den Türmen und der Kirche, auch außerhalb der Stadt hielt man starke Wachen (wegen der Feuerschösse) und diese brachten zwei gefangene Thüringer ein. In die Heerfahrt zogen siebzig Trabanten am 15. Juni nach Thüringen, dreiund­dreißig am 29. desselben Monats nach Belzig mit einem Aufwande von 80 Schocke. Der Zug dieser Trabanten mit dem Kurfürsten von Wittenberg nach Leipzig und von da nach Thüringen kostete der Stadt 155 Schock, der von vierunddreißig Trabanten in der Mitte des Juli auf Gera 15'/2 Schock, und weit mehr noch die Heerfahrten am 16. Oktober nach Rochlitz und am 22. desselben Monats nach Pegau. Übrigens gab es auch mit dem Hauptmann Folgen nach Zörbig, und man brachte daher am 28. Oktober eine Notsteuer und Notgeschoß von 274 Schocken 16 Groschen aus. Dem Kurfürsten mußte man 1000 Gulden ausrichten und diese nach Anweisung der Kurfürstin und kurfürstlichen Räten in Altenburg abliefern. Sie wurden mit Mühe erborgt und wies zwar der Kurfürst am 23. Juni der Stadt 15 Schock von Zörbig, 11 Schock von Bitterfeld und 2 Schock von Brehna zur Verzinsung an, sie gingen aber, ungeachtet sich der Bürgermeister Erasmus von Zörbig und Conrad von Bitterfeld verbindlich erklärten, nicht richtig ein und Delitzsch trug die Last, für die es allein verbindlich war. Zörbig zahlte richtig, Brehna aber blieb aus und für Bitterfeld trat später Dommitzsch ein. Auch mußte der Rat für 3000 Gulden, welche der Kurfürst vom Bischof Johannes in Merseburg borgte, Bürgschaft leisten und die Schuldurkunde besiegeln. Am 4. Mai war der Kurfürst mit seinem Hofstaate und im Juni der Bischof von Merseburg in hiesiger Stadt, auch erhielt Crunz von Kaufungen am 4. Oktober den Ehrenwein. Nicolaus Rochlitz, alter Prediger der Stadt, gab dem Rate 100 Schock alter Groschen, und dieser bestimmte sie nach dessen Willen der Lesemesse, und gab jährlich 7 Schock alter Groschen Zinsen dahin. Rochlitz starb in diesem Jahre. Die Reichen, welche an den Heereszügen nicht teilhehmen konnten, und die. die nicht 12 Wochen außen waren, mußten Geld geben, womit man die Vorstädter und armen Handwerksleute, die ihre Zeit aushielten, unterstützte.
 


Delitzscher Stadtchronik -1451-1499

(Quelle: Delitzscher Stadtchronik von Johann Gottlieb Lehmann; ausgewählt durch Hans-Jürgen Moltrecht, Teil II, 1451-1499, hrsg. vom Kreismuseum Delitzsch, 2. Auflage 1991)

Einführung

Der vorliegende Teilabdruck aus der Lehmannschen Chronik belegt die Jahrzehnte vor 1500. Es ist die Zeit zunehmender Widersprüche zwischen dem wirtschaftlich aufblühenden Städtebürgertum und dem historisch überlebten Feudaladel. Alle politischen. wirtschaftlichen sozialen und ideologischen Faktoren werden noch einmal deutlich, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Deutschland zur ersten frühbürgerlichen Revolution Europas führten. Noch erweitern die Städte um Leipzig ihre Märkte, sichert sich Delitzsch durch Verstärkung der Wehranlage gegen militärische Übergriffe und beendet Bau und Ausbau der repräsentativsten Gebäude -Rathaus 1497 und Stadtkirche 1499. Daneben sind die Städte weiter verpflichtet, an fürstlichen Heerfahrten teilzunehmen und Hofgelage in Leipzig oder anderen Orten mit Nahrungsmitteln und Betten zu unterstützen. Der Delitzscher Rat hat laufende Steuern und Sondersteuern für die sächsischen Fürsten pünktlich abzuliefern. In vielen Fällen kann er die Summen nur unter Schwierigkeiten aufbringen und als einzige Möglichkeit bleibt ihm dann, wohlhabende Bürger um Hilfe zu bitten. Auch die Kirche oder einzelne Geistliche treten als Kapitalverleiher hervor. Andererseits fließen Unsummen als Erlös aus dem Ablaßhandel nach Rom. Ablaßverkauf und Heiligenverehrung nehmen im religiösen Leben einen großen Raum ein und es fehlt, wie am Beispiel des "Wunders der blutenden Hostie" von Wilsnack 1484 nicht an vernünftigen Stimmen aus den Universitäten, die den Betrug am gläubigen Volke entlarven. Betfahrten sollen gegen Hungersnöte und Epidemien helfen, doch die Zusammenballung des Volkes bewirkt eine weitere Übertragung und Ausbreitung der Krankheit. Ein Drittel Bevölkerungsverlust in den Städten sind keine Seltenheit.

Unter den chronistischen Angaben finden wir in diesem Teil immer häufiger Hinweise auf den An- oder Verkauf einzelner Gebäude oder Grundstücke. Die Interessen des hiesigen Rates konzentrieren sich neben dem Ausbau der Wehranlage, Brücken und Straßen stärker auf die Nutzung und Verbesserung örtlicher Mühlen. Die Vorteile frühkapitalistischer Wirtschaftsmethoden sind den Ratsmitgliedern bekannt und es spricht für ihren Weitblick, wenn sie Schneeberger Berganteile erwerben und die Zinsen für städtische Unternehmen nutzen. Unter den Bevölkerungsschichten tritt eine weitere Differenzierung ein. Die Besitzlosen sind besonders unter den Vorstädtern verbreitet und arme Ratsherren werden mehrmals erwähnt. Die Einwohner der Vorstädte sind wirtschaftlich und politisch benachteiligt. Ihr Bemühen um gleiche Rechte wird 1465 von fürstlicher Seite für immer abgewiesen. Auch die Kämpfe der Handwerker um verbesserte Innungsartikel stoßen auf größeren Widerstand der Feudalklasse und so werden in dieser Zeit bereits die Keime zur Erstarrung und damit rückläufigen Tendenz der Innungen gelegt. Aufschlußreich sind die hier beschriebenen baulichen Veränderungen in der Stadt. Die Lebensgewohnheiten der Bürger und ihre Bedürfnisse lassen sich selbst aus kurzen Notizen entnehmen. In den vom Chronisten benutzten Quellen, wie Kämmerei-, Rats- und Kirchenrechnungen, Schuld- und Fürstenbriefen, Brand- und Gebäudekataster treten allerdings diese Fragen zugunsten der wirtschaftlichen und politischen zurück.

1451
208 Schock 20 Gr. Steuer musste für den Kurfürsten und 309 Schock 39 Gr. 1 Pf. zu den Büchsen, Geschoß und Notgeschoß ausgebracht werden, wozu auch das Gesinde 7 Schock 10 Gr. beitrug. Die Büchsen allein kosteten 120 Schock 14 Gr. 8 Pf. Zu besserer Sicherung der Stadt baute man ein krummes Tor (das damals Eilenburgische, nach einer späteren Benennung breite Tor, welches vorher eine gleiche Richtung dem Steinwege zu hatte), versah es auf beiden Seiten des Weges mit starken Seitenmauern und diese mit Öffnungen für das Geschütz, führte auch nach beiden Seiten neue Mauern am Graben mit Türmen oder Basteien auf und nahm dabei das krumme Tor in Naumburg zum Muster, welches vorher von Bauverständigen besichtiget ward. Der Maurer Burkhard erhielt für die Rute 1 Schock 30 Gr. und wendete man in diesem Jahre 100 Schocke darauf. Dieser Bau gab Gelegenheit zu Anstellung eines Bauherrn (später: Bauverwalter) und war der erste Caspar Gottschalk, welcher jährlich 2 Schocke erhielt. Der Rat in Bitterfeld verweigerte die Zinsbeiträge zu der Fürstenanleihe der tausend Gülden vorigen Jahres und ward deshalb beim Kurfürsten verklagt. Am 7. März mußten von hier viel Betten nach Leipzig geschafft werden wegen der Zusammenkunft beider fürstlicher Brüder in Leipzig, und des Kurfürsten Gemahlin ward von da mit der Stadt Gespann nach Rochlitz gebracht. Am 5. Juni hatte man eine Reise nach Regau und Grunau zu den Füsten wegen Apel Vitzthum. Der Stadtschreiber Ortrand erkrankte, der Rat ließ zweimal den Dr. Murer aus Leipzig holen, zahlte ihm 4 Gülden für die ärztliche Besorgung und gab ihm den Ehrenwein. Ortrand vermachte der Kirche sein Haus und den Minoriten in Leipzig zwei Bücher geistlichen Rechts, Decretales und Sext., weswegen sie der Familie in einer Schrift die Abhaltung zweier Gedächtnisse Michaelis des Jahres zusicherten. Er starb in der Nacht von Exaudi zu Pfingsten, schrieb eine gute Hand und seine Aufsätze, kräftig stilisiert, bezeugen seine Tüchtigkeit. Unter den Waffen werden zum ersten Male die Pafeusen, Pfaffowsen, erwähnt, kurze Stoßdegen, die man in der Scheide trug und das Stück mit ungefähr 10 Gr. bezahlte. Nicolaus Thomae, bis 1449 Pfarrer in Gerltitz, erhielt den Altar Catharinae, den von 1423 bis 1450 Nicolaus Ohm gehabt hatte, mit einem jährlichen Einkommen von 16 Gülden, und behielt ihn bis zu seinem Tode 1467, in welchem Jahre er als Altarist in Gräfenhainichen starb, wohin er von hier schon 1453 gezogen war. Albrecht Profyn war der Stadthauptmann. Es gab auch in diesem Jahre Herrfahrten, die erste mit 6 Trabanten gegen Sadow und Brüx, die zweite mit 30 Trabanten nach Naumburg, die dritte mit 30 Trabanten nach Dornburg mit 32 Schocken Aufwand - die beiden letzteren gegen Apel von Vitzthum. Den Schützen gab man zum ersten Male den Schützenbraten am Trinitatisfeste - kostete 1 Schock 25 Gr. - und an 12 Sonntagen nach diesem Feste, wo sie Übungen im Schießen hatten, 36 Gr., jeden Sonntag 3 Gr., an deren Stelle in neuerer Zeit der Rat als ersten Gewinn einen zinnernen Teller gibt. Zur Ausbringung der fürstlichen Steuer borgte man 120 Gulden von den Altarleuten - Vorstehern hiesiger Kirche, 250 Gulden von Heinrich Wilde, Pfarrer in Magdeburg, 70 Gulden von Dr. Stephan Hüfner, in Leipzig.

1452
Zwei Legaten (die vom Papst den Auftrag hatten, gegen die Türken aufzurufen), waren in hiesiger Gegend tätig. Johannes Capistranus, ein Mönch Italiens, Barfüßerordens, hielt in italienischer und lateinischer Sprache öffentliche Reden, die ein Dolmetscher sogleich deutsch wiedergab mit ungemeiner Wirkung. Karten, Würfel, Brettspiele warf man in seiner Gegenwart ins Feuer und selbst die Frauen verbrannten ihren üppigen Putz. In Leipzig blieb er dreißig Tage und wahrscheinlich war er auch hier, denn es sind in der Ratsrechnung 58 Gr. 3 Pf., pro consumtu dem würdigen Vater, verausgabt und so nannte man ihn. Der zweite, Kardinal Nicolaus de Cusa, beabsichtigte auf seinen Reisen hauptsächlich eine Sittlichkeit und Amtstätigkeit fördernde Reformation der Geistlichen, und eine günstige Stimmung des Volkes zu Beiträgen für die allgemeine Bewaffnung gegen den "Feind des Christentums", zu welchem Zwecke denn auch die Gnade gepredigt ward. Leider gingen die gutgemeinten Reformen nicht tief und die bedeutenden Summen, die der Ablaß aus Deutschland zog, meistens in unrechte Hand. Den 21. April zog man mit etlichen Trabanten nach Künsberg und Liegnitz. Die Arbeiten am krummen Tore wurden fortgesetzt und borgte der Rat teils zu diesem Baue, teils zu anderen Bedürfnissen 200 Gulden vom Bischofe in Merseburg und Johann Hanstein, 100 Gulden von Johann Vogelin von Wolffhain und 25 Gulden von Agnese Bercht. 208 Schock betrug die diesjährige Steuer für den Kurfürsten und ward in Terminen an Hugo von Stinitz abgeliefert. Am 1. Juli war zwischen dem Erzbischofe zu Magdeburg und Kurfürsten ein Tag in Merseburg, wo man hauptsächlich auf des Landgrafen Wilhelm Bemühungen übereinkam, daß die kurfürstlichen Untertanen in weltlichen Sachen nicht mehr vor das geistliche Gericht nach Magdeburg gezogen, sondern die Kläger an die ordentliche Obrigkeit des zu Verklagenden gewiesen werden sollten. Ein Vertrag, der vielfältig umgangen und erst im folgenden Jahrhunderte wirksam ward. Am 17. Juli und 10. August war der Herzog und Landgraf Wilhelm mit starker Begleitung, Trommlern und Pfeifern in hiesiger Stadt. Der Jahrmarkt Sonntag nach Maria Himmelfahrt, brachte 2 Schock 12 Gr. Stättegeld. Die Schützen zogen nach Weißenfels - nach dem Kleinod zu schießen - (zu einem Schützenhofe oder Feste). Ein solches Fest ward dem Orte durch Überreichung des bei dem letzten Feste getragenen Schützenkran-zes bestimmt. Der Rat gab ihnen dieses Mal 2 Schock, 7 Gr. 6 Pf. Auslösung, auch erhielten sie 13 Sonntage, jeden Sonntag 3 Gr. zu dem Schützenbraten. Die Gesellschaft der hiesigen Dreifaltigkeit, des heiligen Leichnams und unserer lieben Frauen, derJungfrau Maria, in der Kirche Petri Pauli, wurde von Heinrich Czschaes, Pfarrer in Zörbig, mit einer Rente von 1S Scheffeln Getreide, halb Roggen, halb Hafer auf Robitzmark, die Claus Czolke (auch Czolkow) aus Delitzsch der Gesellschaft schenkte, beliehen. Die Urkunde vom 12. März dieses Jahres. Vorsteher der Gesellschaft waren damals: Martin Koerner und Hans Schade; Mitglieder unter anderen der Pfarrer Herman Westphal, Konrad Heyse, Nicolaus Kramer, Michael Kupstal. Der Pfarrer Czschaes verliehe sie mit seinem Bruder Hans und unmündigen Vettern. Eltern des Czschaes waren Conrad und Margarethe. Auch schenkte in diesem Jahre der Ratsherr Hans Hallis zu der Krone und zur Messe dieser Gesellschaft 50 Gulden. Ferner 50 Rh. Gulden zu der Lesemesse. Beide Kapitale trugen 7 Rh. Gulden Zinsen, davon gehörten jedoch 5 Rh. Gulden dem Sohne George nachherigem Pfarrer in Glesien und fielen erst nach dessen Tode 1495 den beiden Altären zu. Hans Hallis war ein wohlhabender Tuchhändler (Pannicida), vorl 1417 - 53 Ratsherr und von 1427 an Bürgermeister, welcher auch dem Filrsten Gelder lieh. Der Rat schuldete dem Magister Claus von Gotha nach einer Verschreibung 100 alte Schocke mit allen Gütern verhaftlich. Seit einigen Jahren gab man Ehrenbäder, die Ratsherren erhielten jährlich viermal Geld zum Bade, auch Maurer und Zimmerleute, als Trinkgeld ein Bad, welches sie sich zuweilen begangen.

1453
Am 22. Februar war der Kurfürst mit Hofstaate hier und am 22. April der Graf George von Anhalt. Der neue Stadtschreiber Johann Rainicke ward bestätiget und von Leipzig geholt-der Bau am krummen Tore und Zwinge' miteinem Aufwande von 38 Schocken fortgesetzt. Eine Heerfahrt nach Slethe mit 11 Wagen und 100 Trabanten kostete über 30 Schock, auch hatte man eine Folge mit Wagen und Trabanten nach Tiefensee.

1454
Der Bau des krummen Tores ward vollendet und unter anderen auch von dem Bürgermeister aus Torgau besichtiget. Sechs gekaufte Häuser der Vorstadt brach man ab, es waren die Häuser des Nicolaus Kramer, Matthäus Smed, der Czellyne, des Nicolaus Berger, Johann Omigke, Christian Stapfewitz, um den freien Platz vor dem Tore zu gewinnen, der noch Ibesteht. Man erweiterte den Stadtgraben und erbot sich, da das Schloß nur mit einer Mauer und schmalen Gräbchen versehen und die Stadt von dieser Seite noch gefährdet war, auch diesen Teil durch einen breiten Graben zu sichern, was anfänglich wegen einer kleinen, am Hospitale liegenden Mühle, welche dem Amte jährlich 20 Scheffel Korn abzugeben hatte, und in der Abneigung gegen die Befestigung der Städte Schwierigkeitenfand. Die Erlaubnis ward jedoch, als die Stadt auf dem Tage in Leipzig, den 24. Februar, wo Herzog Wilhelm zur Besoldung der abgedankten Böhmen einen Beistand verlangte, und eine Steuer von 2 Groschen auf das Haupt in Vorschlag kam, sich vor den meisten Städten gefällig bewies und am 6. März schon die Hälfte der Steuer zahlte, an diesem Tage gegeben, die Mühle von dem Gräbchen getrieben, der Stadt überlassen und der Bau des Grabens sofort ausgeführt. Zur Erleichterung des Baues befahl der Kurfürst noch tags darauf dem hiesigen Vogte und Geleitsmanne dem Rate zwei Schüttkarren zu halten und das frönende Landvolk der Pflegen Delitzsch, Bitterfeld und Zörbig gegen des Rates Kost und so, daß jeder, mit Ausschluß der Samenzeit drei Tage arbeiten sollte, zu verstatten in (einer besonderen) Zuschrift. Die Mühle, welche der Kurfürst zum besten der Sicherung des Schlosses und der Stadt aufgab, heißt in der Rechnung die Spitelmüh1e (spittelmole), Mühle bei dem Spitale, der Rat brach sie und verkaufte Mühlhaus und Rad für 1 Schock 50 Gr., ein Beweis ihrer geringen Beschaffenheit. Mit Rücksicht auf diesen kostspieligen Grabenbau verschonte man die Bürger mit Heerfahrten und Folgen, es gingen aber doch am 29. März und 21. Mai 6 Trabanten nach Brüx, am 19. Juli 6 dergleichen nach Pirna mit einem Aufwande von 50 Schocke gegen die Böhmen, die einen billigen Vergleich nicht annehmen wollten und das Oberland mit Einfällen bedrohte. Der Geleitsman des Schlosses Conrad Rost starb in diesem Jahre und der Rat erhielt zu Ordnung dessen Nachlasses kurfürstlichen Auftrag. In den Rechnungen des Rates kommen nun zwei Märkte, an denen man Stättegeld erhob, vor, der Ablaß (Petri Pauli) und der Jahrmarkt (Sonntag nach Mariae Himmelfahrt). Die Stadtpferde führten für den Kurfürsten 250 Scheffel Hafer nach Torgau - nach Leipzig aber Kupfer zu Umgießung 14 Stück kleineren Geschützes der Stadt. Das Aufgeld auf die Steuer (Kopfsteuer), die man dem Kurfürsten geben mußte, auf den Gulden 10 alte Groschen, betrug 59 Schock 26 Gr. 6 Pf. Die Erlaubnis, goldene Münzen zu prägen, gab der Kaiser dem Kurfürsten am 12. November dieses Jahres.

1455
Am 25. Februar nahm der Rat an einer Städteversammlung in Oschatz teil, wo man des Landes Bestes gegen die böhmischen Ansprüche und Drohungen beriet. Der Kurfürst war am 14. April bei dem Grafen Georg von Dessau zum Kindtaufen. Hiesige Ratsherren begleiteten ihn zu Pferde dahin und von da nach Wittenberg. Am 8. Juli geschah der Prinzenraub durch Cunz von Kaufungen und seine Gehülfen in Altenburg, und hier ein starkes Aufgebot zu ihrer Verfolgung, das aber nicht tätig ward. Amt - und Hauptmann war Albrecht Profyn, Proffen, zugleich auch in Leipzig. Bei Jacob Witich brach Feuer aus und gab man der löschenden Mannschaft Geld, ein Faß Torgauer und ein Faß Delitzscher Bier. Auch war die Stadt im Banne, dessen Ursache nicht angegeben ist. Ferner hatte sie einen Streit mit Sixtus Schoenberger in Halle, wegen seines Weibes Sophie, den am 9. Oktober der Bischof Johannes zu Merseburg, auf den sich die Parteien beriefen, freundschaftlich entschied.

1456
Am 2. Osterfeiertage ging der Rat zu einer ständischen Versammlung nach Leisnig. Man folgte dem Hauptmanne, dem Siegfried von Schoenfeld Pferde genommen hatte. Auch fiel man auf des Kurfürsten mündlichen Befehl in Sausedlitz ein, des Landes Feind zu schwächen, dabei ward ein Kasten des Bernhard Rochlitz aufgeschlagen, welcher 3 Schock an Gelde und Geräte verloren haben wollte und entschädigte man ihn auf den Anspruch der Tedingsleute, des Otto Spigel und Haupt- und Geleitsmannes mit 1 Schock 40 Groschen auf Rechnung der Kämmerei. Das Rathaus, wie es im Jahre 1474 neu gebaut ward, und in seinen Umfassungsmauern, Gewölben und Kellern bis in die neueste Zeit unverändert blieb, entstand aus 3 Gebäuden, dem dritten, vierten und fünften des zweiten Viertels, die man nach und nach ankaufte, und in genanntem Jahre zu einem Gebäude verband. Die erse Aneignung war das Kaufhaus, 1376, das fünfte Haus des zweiten Viertels, wo Tuchhändler (Gewandschneider), Fleischer und Bäcker feil hielten, später und im neuen Gebäude die Bänke genannt. Man richtete die obere Etage zur Gerichtsstube (theatrum praetori um) ein und der Rat war bald hier, bald in der oberen Etage des Weinhauses versammelt, ein Stadtgebäude des dritten Viertels, später als Garküche ausgetan. Für die Versammlungen der Bürger hatte man noch keinen Raum, man verhandelte mit ihnen auf ein Zeichen, welches der Küster mit der großen Glocke gab, in der Kirche, hielt aber, den Ort wohl beachtend auf strenge Ordnung und bestrafte unziemliche Reden härter, Ungebührnisse sogar mit dem Verluste des Bürgerrechts. Um nun nach und nach auch für diese Zusammenkünfte der Bürgerschaft, für Ratssitzungen und Wirtschaft ein gemeinschaftliches Gebäude zu gewinnen, kaufte er in diesem Jahre von Jacob von Diskau und seinem Weibe die dritte Hofstätte des zweiten Viertels für 66 Schock, legte den Weinkeller des dritten Viertels hierher, vereinte Rats- und Gerichtsstube in der oberen Etage, benutzte hierzu das Kaufhaus, welches noch durch das Privatgebäude, das vierte getrennt blieb und verkaufe das bisherige Weinhaus an den Bürger Hans Schokkelt, der es jedoch 1459 wieder abtrat, worauf es denn Garküche, und unter anderen 1480 einem Valentin Buff mit der Bedingung, daß er von Ostern bis Martini gar mache und als Koch mit in die Heerfahrt ziehe, pachtweise überlassen ward.

Zu diesem Ankaufe und Neubau borgte man von dem Kämmerer auf dem Petersberge, Heinrich Wilde 100 Rh. Gulden 33 Schock 20 Gr. von dem Bürger Zander in Schmiedeberg und 13 Schock 20 Gr. von dem Priester Er. Dietrich Sefeld und seiner Dienerin Catherine Murer auf Leibzins, der Bauholz aber nahm man von Heinrich Spiegel (dem Schelmgrund) für 12 und das Hölzchen hinter der Mühle zu Dörfchen von Thime von Schenkinberg (da selbst gesessen) für 3 Schock 10 Gr. und der Bedingung, daß es bis Walpurgis künftigen Jahres abgeführt sei. Das zwischen liegende Privatgebäude (Magerkopps) erlangte man erst im Jahr 1474 und nun entstand aus den 3 Besitzungen, wie vorher bemerkt, vereint das neue Haus zwar nicht in der Form, doch in der Hauptanlage dem jetzigen gleich. Die Schützen gingen zu einem Schützenhofe nach Borna. Der Rat ließ ihnen vom Goldschmiede das Kleinod (Abzeichen des Königs) bessern und gab ihnen l Schock 40 Gr. Auslösung. Trabanten gingen nach Dippoldiswalde und verwendete man 11 Schock 17 Gr. auf diesen Zug. Am 22. Oktober war der Stadtschreiber mit zweien aus den Räten auf einem Tage in Leipzig auch in Halle in Angelegenheit des Bischofs zu Merseburg. Der Papst Calixtus verordnete das Mittagslauten, eine Aufmunterung zum Gebet um Sieg gegen die vordringenden Türken und Frieden. Einige hiesiger Stadt und Gegend, vielleicht durch Cusa und Capistranus Reden angeregt, nahmen freiwillig an dem Zuge gegen die Türken teil, über die man in diesem Jahre bei Griechisch-Weissenburg einen vollständigen Sieg errang - nicht durch Deutschlands Fürsten, sondern durch das Volk, wie der Chronikant bitter bemerkt und noch hinzufügt: "Schande den Edlen und Fürsten, die sich dem für den 'heiligen Krieg begeisterten Volke' entziehn und die ehrenwürdigen Taten ihrer Ahnen' nachzuahmen verschmähen - Löwen im Bett und Hirschen im Felde gleich. Weibischer Sinn entehrt ihr männliches Gesicht. Unkriegerisch sind sie nur fertig zu nächtlicher Lust und Schwelgerei, Wild zu hetzen, die Armen stolz und grausam zu beherrschen und von ihrem Schweiße Schlösser zu türmen - nicht für den Sieg, nur für die Flucht - Schlösser sind Weiberlehn! - Fromme, so sagt man mit Recht, setzen ihr Vertrauen auf Gott, Staatsmänner auf ihre Wissenschaft, tapfere Kämpfer auf Waffen, Feiglinge und Unfähige auf Schlösser und Mauern - und von dieser Art sind Fürsten und Edle dieser Zeit." Die Leineweber erhielten ihren Innungsbrief.

1457
In diesem Jahre erschien das Wart Kurfürst (kurfurste) zuerst im Titel, vorher nur Erzmarschalk, jetzt Erzmarschalk Kurfürst. Auch auf den Münzen sah man nun die Kurschwerter und nannte die mit diesem Zeichen neu geprägten Groschen deshalb Schwertgroschen. Beide fürstliche Brüder hatten sich über Verbesserung der Münze vereiniget und bedrohete, die Einschwärzer fremder, geringerer Sorten mit harter Strafe, hielten auch darauf, daß in Geschäften das auf die bisherigen Groschen zu legende Aufgeld richtig gegeben ward. Die neue Münze war nämlich silberhaltiger und verhielt sich zu der älteren wie drei gegen vier. so daß man beim Abschluß eines Handels um 1 Schock, wenn man in alter Münze zahlten wollte, 80 Groschen, für einen Groschen 16 alte Pfennige zu erlegen hatte. Die Familie der Spiegel hatte in hiesiger Stadtkirche den Altar Jacobi, ihrer Stiftung, dessen Stand an der Mitternachtsseite der Mauer des Schiffes durch das in Stein gehauene Wappen dieser Familie bezeichnet wird, und verhandelte in diesem Jahre mit dem Rate über die Abgabenfreiheit eines Hauses, daß man für den Vikar oder Altaristen erkaufet hatte. Der Rat gab es frei, es lag zwischen den Häusern des Lehns Trinitatis und Catharinae auf dem Mühlgraben, kam nach dem Tode des letzten Altaristen Conrad Nepfel (starb am 6. April 1567) der es, weil er auch Pfarrer in Zschortau war, nicht bewohnte als ein altes verfallenes Häuschen an den Gotteskasten, welcher es 1570 an den Rat verkaufte, worauf es mit dem zum Lehn Trinitatis gehörigen niedergerissen, der Platz aber mit drei neuen Häusern, den Nummern 187, 188 und 189 besetzt und an Bürger vererbt ward. Am 23. Juni mußten für den Kurfürsten Betten nach Leipzig gebracht werden - welches jedesmal geschah, wenn eine Zusammenkunft mehrerer Fürsten zu einer Festlichkeit des Fürstenhauses oder gemeinschaftlicher Beratung stattfand. Einem Dominikaner Mönche aus Leipzig, der an Stelle eines abgegangenen Bruders die hiesige Terminei bezog, gab man ein Gewand, am Werte 4 Groschen. Peter Kalb beschied der Kirche 10 Schock. Der Galgen wurde neu gebauet und erhielten die Handwerker, welche dabei tätig waren (bekanntlich aber mußten nach Handwerksgebrauch alle vom obersten Meister bis jüngsten Lehrjungen teilnehmen) außerordentliche Löhne, die sie gewöhnlich in Gemeinschaft verzehrten, die Schmiede bei Fertigung der Kette diesesmal 1 Schock 10 Gr., die Zimmerleute bei Legung der Balken 1 Schock 15 Gr. und ebensoviel ward auch den Maurern zuteil. Die von Freybergische Familie besaß seit längerer Zeit in der Rittergasse, hinter dem Rathause einen freien Hof, der aber wüst lag. Diesen verkaufte in diesem Jahre Dietrich von Freyberg zu Gertitz (mit dem man auch über Gertitz selbst handelte) an den Rat. und der Kurfürst verlieht ihm am 7. Juli als Stadtgut zu besitzen, zu genießen, Stadtrecht daran zu nehmen, und damit zu halten, wie es bei solchen Gebäuden üblich ist. Zeugen der Beleihung sind nach der Urkunde, die würdigen gestrengen Räte und lieben Getreue Er Hildebrant von Einsidel, Ritter, Obermarschalg, Er Georgius von Hugowicz, Techand zu Missen, pp Canczler, Er Hanns von Maltitz, Er Ihan von Slinitz, Ritter pp. Man baute die neue Ratsstube in dem voriges Jahr von dem von Diskau erkauften Gebäude - (die neue Dorncze). Der Rat bemühte sich, für den Kurfürsten eine bedeutende Summe aufzubringen  auch gab man ihm zu dem Damme bei Radegast 6 Schock Beistand. Die Schuhmacher erhielten am 10. Dezember ihren Innungsbrief.

1458
Johannes Bulkenhayn, Probst zu Kemrig (Kernberg) war der Kurfürsten Oberschreiber, hatte eine Schuldforderung an den hiesigen Bürger Cunze Bock und befahl der Kurfürst am 1. März von Leipzig aus, wo tags vorher die Ehestiftung zwischen Markgraf Albrecht von Brandenburg und der kurfürstlichen Tochter Anna geschlossen worden war, dem Bulkenhayn, an dessen Stelle der hiesige Gleitsmann zu handeln beauftragt sei, zu schleuniger Zahlung zu verhelfen. Dieser Cunze Bock hatte von Dietrich von Freyberg Gertitz gekauft, der Kauf ward aber rückgängig und trat der Rat in den Kauf. War Ratsherr von 1444-50. Der Rat zahlte 1462 (von bogs wegen) 12 Schock 50 Gr. an ihn, wo er Johann Buckinhain genannt wird, ebensoviel 1463. In der Pfingstwoche zogen die Söldner von hier in die Heerfahrt nach Zwickau mit einem Aufwande von 7 Schocken. Auch waren in dieser Woche sechs aus dem Rate in Grimma, wo in einer Ständeversammlung dem Kurfürsten eine Steuer und Schutzgeld zugesagt und von hiesiger Stadt mit 208 Schocken 20 Gr. nach Leipzig, an die Eilffer, die darüber gesetzt waren, abgeliefert ward. Der Rat kaufte den Sadelhof und das Vorwerk Gertitz von Dietrich von Freyberg auf Luppene gesessen, mit neun Hufen, vierzehn Äckern Wiese, einer Breite von Gertitz, drei freien Hufen (Freimannslehen), zwei am Steinwege vor Delitzsch und eine in Gertitz Mark gelegen, die Lehen über den Spitalhof, das Dorf Gertitz, Gericht über Hals und Hand im Dorfe und Felde mit Zinsen, zwei Hufen auf Weißig Mark, mehrere zinsbare Höfe mit Freiheit, die Mühle zu Benndorf mit 72 Scheffeln jährlichem Zins, zehen Acker Holz (Benndorfer Busch) und eine freie Lehnwiese - für 2200 Rheinische Gulden in Golde, am 28. August, der fürstliche Lehnbrief darüber war aber schon am 17. dieses Monats in Altenburg ausgestellt und die Lehnspflichtigkeit des erkauften Gutes aufgehoben. An demselben Tage des Kaufes gab der Verkäufer, Dietrich von Freyberg, dem Rate 200 Rheinische Gulden, deren jährliche Zinsen fürkirchliche Zwecke verwendet werden sollten. Um das Schutzgeld und Kaufgeld für Gertitz zu bestreiten, borgte der Rat 600 Rh. Gulden von dem Bürger Nicolaus Zimmermann in Freiberg, 800 Rh. Gulden von Otto Spigel auf Gruna und dessen Söhnen Hans, Heinrich, George, Otto, Dietrich, Conrad Hans und Balthasar Spigel, 200 Rh. Gulden von hiesigen Bürgern Claus Nosk und Andreas Nosk, 100 Rh. Gulden von Meister (Magister) Walter Voit von Helmstede, jetz und Student in Leipzig, 60 Rh. Gulden von den Dominikanern daselbst, 123 Schock 20 Gr. und 60 Reichstaler von Albrecht von Oberwymer und Anna seinem Weibe, 100 Schocke von dem Bürger Nicolaus Kramer und Barbara seinem Weibe aus Leipzig, auf Leibzins, verkaufte eine Hufe auf Gertitz an Andreas Nosk für 100 Rh. Gulden und 20 Gr. Zins zu Martini und eine halbe Hufe an Jacob Zschortow für 23 Schock, sondern belegte auch jedes Gebräude Bier mit einer Steuer von 10 Gr., welche in diesem Jahre 58 Schock 50 Gr. eintrug. An der Kapelle in Rubach arbeitete der Glaser (Spetener), auch lohnte man den Maurer Dietrich Wiltstier von Torgau, für Maurerarbeit am Turme der Kirche 133 Schock 20 Gr. Zu diesem Baue schenkte der Bürgermeister Nicolaus Kramer 5 Schock 50 Gr. Bei einem Feuer gab man 56 Gr. Geld und für 1 Schock 16 Gr. Bier den Löschern und Feuerwächtern. Anton Pruss vergönnte der Rat gegen 4 Schock eine der Gertitzer Freimannlehnhufen an den Bürgermeister Nicolaus Kramer verkaufen zu dürfen, und dieser gab 3 Schock 20 Gr. Lehngeld, daß man sie ihm liehe, als Lehnguts Recht ist.

1459
Am Sonntage Misericordias Domini kam durch Bemühung des Markgrafen Albrecht von Brandenburg zu Eger zwischen dem Könige von Böhmen (George Podiebrad), welches Land eine große Zahl Schlösser und Städte Sachsens seit einigen Jahren in Anspruch nahm, und mit Feindseligkeiten drohte, und den Herzogen von Sachsen ein Verein zustande, nach welchem Böhmen auf 54 Schlösser und Städte diesseits der Böhmischen Waldung in dem Sächsischen gelegen, verzichtete, und dagegen Brüx, Stadt und Schloß, Besinburg, und was sonst jenseits des Waldes von sächsischer Seite beansprucht ward, abgetreten erhielt. Diese Vereinigung sicherte man zum Glück der beiderseitigen, bisher hart bedrückten Länder noch durch Ehestiftungen, indem sich der Sohn des Königs mit der jüngsten Tochter des Herzoges und Landgrafen Wilhelm, Catharina, des Kurfürsten jüngerer Sohn Albrecht aber mit des Königs Tochter Zedena, am 11. November in Eger vermählte, welcher man hiesige Stadt mit Schloß und Amt zu Leibgedinge verschrieb. Die vermählte Königstochter kam zwar sogleich an den kurfürstlichen Hof, die Vollziehung der Ehe blieb aber, weil sie erst neun Jahre alt war, bis 1464 ausgesetzt. In Leipzig gab es bei ihrer Ankunft im November ein großes Fest und brachte man von hier viele Betten dahin. Im Januar war die Kurfürstin mit ihrem ganzen Hofstaate hier und der Rat begleitete sie nach Quedlinburg, fuhr auch auf fürstliche Anweisung mit einem starken vierspännigen Wagen Vorrat dahin. Der Rat kaufte vom Bürgermeister Hans Turekorn (Besitzer des Hauses Nr. 5 des ersten Viertels in der Breiten Gasse) eine Hofstätte (Nebengebäude) für 13 Schock und legte das noch (zwischen Nr. 4 und 5) bestehende Gäßchen nach der Zscherne an. Durch Anlegung neuer Krüge (Schenken) in den Dörfern der Ritterschaft beschwerte man die Stadt und ihren Freiheitsbrief, weshalb sie sich verschiedentlich an den Kurfürsten zu wenden genötigt fand. Der Markgraf Albrecht von Brandenburg geriet mit dem Herzoge Ludwig von Baiern in Fehde, und zogen von hier dem Markgrafen zu Hilfe Trabanten mit 15 Schocken Aufwand in die Heerfahrt nach Franken. Auch suchte man auf kurfürstlichen Befehl Landesbeschädiger in Sausedlitz. Die Stadt war abermals im geistlichen Banne (die Ursache ersieht man nicht) und reiste der Bürgermeister Schade zu dem Offiziale in Halle. Die Schützen zogen zu einem Schützenhofe nach Mitweida und erhielten vom Rate Auslösung. Gyseler von Diskow schenkte dem Rate zwei junge Schwäne. Johann von Stolpen empfing als Vikar des Altares der neuen Brüder, Trinitatis, die von Dietrich von Freyberg vorigen Jahres gestifteten 5 Gulden. Der Rat borgte teils zur Abtragung älterer Schulden für den Fürsten und die Stadt, teils zu den neuen Ankaufungen und Bauen 100 Rh. Gulden von Meister (Magister) Werner Wyke von Onsshausen in Leipzig, zu Johannis, (erbarer grossverstendiger ietzund Student zu Lipzk) auf Leibzins. 300 Rh. Gulden von Mr. Johann George von Wolkenstein, Michaelis, mit Sicherheit auf Rubach, darunter 34 Gulden auf Leibzins. 600 Rh. Gulden von Dietrich von Freyberg, dienstags nach Mariae Heimsuchung, und zahlte 300 Rh. Gulden an den Altar zu St. Georgen in Leipzig von Martin Schindel herrührend und 600 Gulden - an Zimmermann in Freiberg, auch 25 Schock an Matthaeus Sommerfeld und dessen eheliche Wirtin in Leipzig, von Finis herrührend, wieder ab. Haus und Hof in Gertitz verkaufte er an Johann Kalb für 13 und die Breite an Martin Schmidt für 25 Schock. Auch bezog er noch die Biersteuer, 10 Gr. vom Gebräude, welche von 326 Gebräuden (ganzen, nicht halben, wie man sie in späterer Zeit brauete) 54 Schock 20 Gr. betrug. Man sieht hieraus, wie stark und einträglich dieser Zeit die Braunahrung war und begreift, warum man sich seiten der Ritterschaft zu Schmälerungen alle Mühe gab. Die Städte waren aber auch der Fürsten bester Schatz, die für ihre Rechte gern alles hingaben und auf das Dargeliehene oft verzichten mußten.
Hans Czogkolt (auch Schokolt), welcher 1456 den alten Weinkeller (Weinhaus) der Stadt gekauft hatte, trat dieses Gebäude wieder ab und erhielt 17 Schock. Es ward Garküche und blieb ein Komungebäude , das man später vermietete, 1569 und 1735 neu baute, in demselben Jahre einem Wirte oder Traiteur Menzel pachtweise, 1798 aber dem Maurermeister Krippene für 250 Taler - erblich überließ. Die Kirche erhielt von einem Unbekannten (unus bonus homo) 4 Schock Geschenk, ein Crucifix, Teppich und Tuch um den Altar- einen neuen Stuhl und Pult in den Chor - die Schule aber einen neuen Lehrstuhl. Der Turmbau ward durch den Maurer Dietrich Wiltstier fortgesetzt für 16 Schock und 4 Gr. Lohn. Für Abhaltung der feierlichen Gesänge des Salue und Tenebrae zahlte man aus dem Kirchenvermögen vier Schock 20 Gr. an die Geistlichen, Sänger und den Küster, und der Organist empfing 2 Schock, halb zu Ostern, halb zu Michaelis jährlichen Lohn. Otto Spigel (auf dem Neuenhause, Paupitzsch) hier in der Stadt wohnend, wies Zinsen von ihm lehnenden Grundstücken, 30 Gr. von Barthol. Magirkop und 20 Gr. von Hans Fischer an den Rat zur Unterhaltung der Communicanten. Communicanten waren vier Knaben, welche den Geistlichen bei Krankenbesuchen, wenn er das Sacrament trug, mit zwei Lichtern und zwei Fahnen vorangingen und bezügliche Gesänge sangen. Der Sohn des Stifters Dr. Otto Spiegel, auf Neuhaus, wollte diese Stiftung rückgängig machen, sie ward aber erhalten und das Geld bei der Reformation dem Gotteskasten zugeschlagen, daher es heute noch von zwei Besitzern der Grundstücke in Lohnsdorf, von jedem mit 15 Gr. und 20 Gr. von ihrer Besitzung des Werner in Broda an die Kirche entrichtet wird.

1460
Otto von Schidingen (Scheiding) war hier Hauptmann und unterstützte die Stadt gegen Eingriffe der Rittergüter in der Biermei1e. Auf seine Bitte vererbte der Rat zwei freie (Gertitzer) Hufen am Steinwege an Martin Kirchhof, dessen Vater, Peter K., der Stadt fleißige Dienste erwiesen hatte, gegen 40 Gr. Martini fälligen jährlichen Zins. 7 1/2 Hufe auf Gertitz (besser: siebenthalb, die 7. Hufe war nur halb ist gleich 6 1/2 Hufe) wurde ausgetan (verpachtet) die Hufe zu 2 Schock, desgleichen die ebenfalls zu Gertitz gehörige Pfingstwiese, in 14Vierteln das Viertel zu 15 Gr. summarisch für 3 1/3 Schock. Am 20. April zogen wieder nach Franken 10 Trabanten auf 12 Wochen dem Markgrafen Albrecht zu Hilfe und machten 25 Schock Aufwand, am 21. Juni aber die rückständigen (von zwei Häusern mußte ein gerüsteter Mann erscheinen) auf drei Wochen und kostete diese zweite Heerfahrt dem Rate an bereitem Gelde, Brot, Bier, Speck, Fleisch, grün und gesalzen, Stockfisch, trocknen Rüben ... 60 Schock, wozu die Alten, Gebrechlichen und Witwen, welche nicht teilnahmen, 2 Schock 45 Gr. beitrugen. Zu dem Baue der Burgen in Bitterfeld und Zoerbig lieferte die hiesige Ziegelscheune des Rates einige Jahre viele Steine. Die häufigen Besuche der Fürsten in den mittleren und kleineren Städten des Landes beschränkten sich von jetzt nur auf dringende Fälle und nahmen sie für den Sommer in Leipzig, für den Winter in Torgau in der Regel ihren längeren Aufenthalt, bis sich derselbe später in Dresden befestigte, für die Albertinische Linie bleibende Residenz. Am 10. Juni wurden die Betten zu dem fürstlichen Sommerlager nach Leipzig gebracht, dahin brachte man sie auch am 4. November zu der Hochzeit des Herzoges Ernst (nachmaligen Kurfürsten) mit Elisabeth, Herzogs Albrecht III. in Bayern Tochter. An den Betten und Bettüchern ging viel verloren, was der Rat vergüten mußte. Die Betten wurden nämlich von Familien ausgebracht. Am 9. August war der Kurfürst mit ganzem Hofstaate hier und am 31. dieses Monats nahmen die hiesigen Schützen an einem Schützenhofe in Leipzig teil. Der Kaland kaufte die Dörfchenmühle auf Wiederkauf. Der Auflage von den Gebräuden (zu 10 Gr.) brachte auch in diesem Jahre 51 Schock. Des vormaligen Gleitsmannes Conrad Rost Hufe ward an Caspar Gottschalk für 20 Schock und 20 Gr. jährlichen Zins als Erbgut ausgetan. Durch unbekannte Wohltäter erhielt die Kirche 34 1/2 Schock, womit man die diesjährige Maurerarbeit am Turme bezahlte. Der Ehebruch wurde mit 5 Schocke Strafe belegt.

1461
Des Herzogs von Bayern Lautenschlägern gab man zum Neuenjahre 5 Gr. und dem Rate des Königs von Böhmen Jost, dessen Ankunft man sogleich dem Kurfürsten nach Leipzig berichtete, den Ehrenwein. Am 1. Juli gingen 15 Trabanten mit Wagen und vier Pferden in die Heerfahrt nach Hessen und am 30. August zog eine noch stärkere Zahl dahin. Drei Bürgerbesitzungen mußten einen Mann stellen, rüsten und besolden. - Dem Rate aber kostete dieser Zug 33 Schock. Die an dem Zuge nicht teilnehmen konnten, zahlten 6 1/2 Schock. Durch diese Fehden, in welchen mehrere süddeutsche Länder verwickelt waren, geriet das im Jahre 1457 so gut eingerichtet Münzwesen in Unordnung und Abgang. Nicht nur die in diesem Jahre geprägten Groschen, sondern auch die geringhaltigeren, 1444 geschlagenen, Judenköpfe wurden aufgesucht, und nach schlechterem Gehalte in Umlauf gebracht, so, daß ihr Wert von 60 auf 50 Groschen sank. Wegen der Eingriffe in die Berechtigungen der Biermeile war man bei dem Kurfürsten in Torgau und Schellenberg - brachte auch dem hiesigen Schützenmeister Renstein zum Dienste des Fürsten bei dieser Gelegenheit dahin, dem man jedoch auf die Zeit seiner Abwesenheit von hier Besoldung gab. Man zahlte dem ehrwürdigen und andächtigen Ern. Gerhard, Probist, Ein. Heinrich Wilden die früher geliehenen 350 Rh. Gulden wieder ab. Auch gab man dem von Freyberg 300 Rh. Gulden an Ern. Dietrich Leymbach 200 Rh. Gulden zurück, borgte aber von neuem 400 Rh. Gulden (den Gulden zu 30 Groschen angeschlagen) vom Bürger Polycarp Sturm in Leipzig, 200 Rh. Gulden von Elisabeth, Peter Heiners Witwe und 100 Rh. Gulden von Mr. Werner Wyken (von Onshausen) daselbst, auf Leibzins, 100 Rh. Gulden von dem hiesigen Bürger Andreas Nosk (Nossig) auf Wiederkauf und noch 137 Rh. Gulden von Anton Kaderin auf Leibzins. Von dem Gebräude gab man in diesem Jahre nur 6 Groschen und betrug die Einnahme 30 Schock. Den Garten, welchen die Witwe des Gleitsmannes Conrad Rost auf dem Damme besessen hatte, verkaufte der Rat für 3 1/3 Schock an George Wirth. Eine Hakenbüchse wog 16 bis 32 Pfund. Der Bau am neuen Ratskellerkostete in diesemJahre 7'/3 Schock und nahm man von Gertitzer Gebäuden brauchbare Steine dazu. Nicolaus Kramer, Bürgermeister, schenkte der Kirche abermals 10 Schocke, die man auf den Turmbau verwendete. Gleitsmann war Johannes Lobda.

1462
Der Rat verkaufte eine kleine Scheune, eine Wohnung und den Wall des Sadelhofes in Gertitz. Das Kirchengebäude zu vollenden, erlaubte der Kurfürst in einem Gunstbriefe vom 27. April eine Almosensammlung auf sechs Jahr in den kurfürstlichen und bischöflichen Landen, deren Schutzherr er war. Die Sammler, Hans Große und Nicolaus Wyde, Bürger der Stadt, übernahmen das mühsame Geschäft um Gotteswillen, ohne Entschädigung oder Lohn und führten außer dem Fürstenbriefe noch eine Bittschrift des Rates, der eine beglaubte Abschrift der Bulle des Papstes Eugenius, in welcher er den Wohltätern der neuen Kirche Ablaß zusagte, beilag, nebst anderen Empfehlungsschreiben der Bischöfe zu Magdeburg, Merseburg und Naumburg, zu Förderung ihres Vorhabens mit sich. Am 12. Mai hatte man wieder eine Heerfahrt nach Franken mit 20 Trabanten und blieb ein Teil 4, ein Teil 7, ein Teil 11 Wochen aus, was der Gemeinkasse eine Ausgabe von 21 Schocken verursachte. Ein neues Zelt, das man fertigen ließ, kostete außerdem 7 Schock 35 Gr., auch gab man den Zurückkommenden ein Bad. Der Kurfürst war hier und am 31. Oktober in Bitterfeld, wohin man Betten lieferte. Auch wurden Betten in das kurfürstliche Winterlager nach Torgau gebracht. Man borgte, um Dietrich von Freyberg 300 Gulden zahlen zu können, 200 Rh. Gulden von Martin Hall und 100 Rh. Gulden von Claus Nosske, hiesigen Bürgern, wobei der Gulden zu 36 Gr. gerechnet ward. Auch verkaufte man ein Haus in der Rittergasse bei Zeisig an Nicolaus Wagner für 40 und eins in der Neustadt an Matth. Gera für 6 2/3 Schock, Häuser, die der Rat für Schuld angenommen hatte. Auf gleiche Weise erhaltene bauete man gleichfalls zum Verkauf. Man darf daher, wenn von Stadthäusern die Rede ist, nicht gleich auf Häuser zum öffentlichen Gebrauch der Stadt schließen. Bartholomäus Rubach, Ratsherr von 1440 bis 1461, beschied dem Rate 10 Schock, welche sein Sohn Jacob zahlte. Almosen gab man -einem getauften Juden 2 Gr. -einem Priester (propter deum) 5 Gr. und den Zigeunern (Czeganen) 40 Gr.

1463
Mehrere starben an einer gefährlichen Krankheit, die Ratsherren Johann Kalb, Martin Koerner und der Stadtschreiber Johann Raynecke, an dessen Stelle Anton Kropheuser angenommen und aus Leipzig geholet ward. Auch der Ratsherr Martin Halle (seit 1458), welcher der Stadtkirche sein Brauhaus hinter Herman Smorode (in der Schloßgasse) letztwillig beschied und dessen Witwe Walpurgis, die sich wieder mit dem Gleitsmann Conrad Herold verehelichte, 1464 der Kirche mit Bedingung einer Memoris für den Abgeschiedenen übergab. Lorenz von Erfurt sprang einem Karrenknechte auf den Wagen, darüber gingen die scheu gewordenen Pferde durch, Lorenz fiel durch den Karren, der Knecht aber von dem Pferde und blieb auf der Stelle tot. Er vereinigte sich mit dem Stadtgerichte, daß ihn in Acht nahm, blieb aber für den Fall, daß er von des Verstorbenen Freundin in Anspruch genommen werden sollte, verhaftlich. Die Betten wurden von Torgau wieder abgeholt und der Kurfürstin Kammerwagen von da nach Meissen geführt. An Bettüchern gingen für 41 Gr. verloren. Die Schützen waren auf einem Schützenhofe in Leissnig und empfingen vom Rate die gewöhnliche Auslösung. Der Kirchhof von Rubach war für 10 Gr. Zins an Jacob Roczsch ausgetan und kamen zum Gebäude der Kirche 20 Mark 14 Lot, oder 87 Schock 30 Gr. in die Kasse, die man auf eine neue Orgel, welche Meister Hans der Orgelbauer von Altenburg baute und außer mancherleit Zutaten und Löhnen 23 Schock kostete; einen neuen Kelch, welchen der Goldarbeiter für 5'/2 Schock fertigte und 2 Fahnen zu 3 1/3 Schock verwendete. auch den Maler Eisenberg aus Leipzig verlohnte, welcher die Deckgewölbe des Chores und der Kreuzkapelle mit Heiligenbildern versah, von denen, obschon später überweißet, dennoch Spuren sichtbar sind. Derselbe schrieb an die Wand des Chores die kurze Nachricht vom Baue der Kirche, wie sie wörtlich, nur in der Schreibart verändert, in der Tafel, welche die Herzogin im Chore aufhängen ließ, enthalten ist. Auch der Ölberg wurde auf Anlaß der neuen Kirchenvorsteher Burkhard Jungermann und Pancratius Schebe für 33 Gr. von dem Maurer George Amme gewölbt und den Pulsanten (Glockenziehern) für das Lauten gegen die Wetter ein Lohn aus der Ratskasse auszahlt.

1464
Der Vorsteher des Hospitales, Gottschalk, kaufte am 2. Juni eine halbe Hufe auf Gertitzmark für 31 Schock 40 Gr. dem Hospitale, die aber im Jahre 1558 vererbt ward. Die Spigelsche Schuld der 700 Rh. Gulden abzuzahlen, borgte der Rat abermals von Mr. Werner Wyke in Leipzig 100 Rh. Gulden auf Leibzins, 100 Rh. Gulden von Peter Blossk, und 100 Rh. Gulden von Friedrich von Rathmarsdorf und seiner Wirtin Barbara auf Gollm gesessen. Der Kurfürst befahl am 19. Juni dem Rate, nach und nach und wenn er Torgauer Bier holete, 1000 Scheffel Hafer (Torgauer Maß) zum Bedürfnis des Winterlagers nach Torgau zu führen. Auf Vermahnung und Bitte - lieh man dem Kurfürsten 40 Rh. Goldgulden zu einer Reise nach Dänemark (in die Thennemark), auch mietete man ihm vier Pferde dahin um 6 Schock 48 Gr. Lohn. Der Papst Pius II. erließ eine Bulle (für eine Heerfahrt gegen die Türken). An diesem Zuge nahmen hiesige Bürger teil - leisteten dem Rat den Eid - und erhielten Pferde, Zehrung und ein Pannier - mit einem Aufwande von 15 Schocken. Der im vorigen Jahre gestorbene Stadtschreiber Rainecke hatte der Kirche eine Hufe Feld beschieden, welche Johann Kribenstein kaufte und davon Zins 20 Gr. an das Kloster des Petersberges abzugeben hatte. Auch erhielt die Kirche in diesem Jahre manches wertvolle Geschenk, auch drei Schock zu einer nötigen Reparatur der Frauenkirche. Die Stadtkirche ward für 7 Schock 22 Gr. geweißet. - Der Maler Peter aus Leipzig malte das Äußere der Orgel, das lange Tuch vor dem Sakramente und die Juden für 9 1/2 Schock. - Sie erhielt eine Mauer um den Kirchhof und ein Geschränk um den Ölberg, auch eine neue Porkirche. Der Rat überließ ihr in diesem Jahre, wie schon 1376 bemerkt ist, den a1ten F1eischscharren, welcher ihr zu Bewahrung der Gerätschaften während ihres Neubaues unentgeltlich eingeräumt worden war, für 1 Schock 5 Gr. Kaufgeldeigentümlich, Sie benutzte das Gebäude durch Vermietung an Höken, die mit ihren gewöhnlichen Waren: Heringen (daher das Gäßchen den Namen Heringsgäßchen führte), Grütze  u.s.w. bis in das 18. Jahrhundert darin feilhielten, verkaufte es aber durch veränderte Marktordnung die Vermietung an Höken aufhörte und zu kostspieligen Einrichtungen von Mietwohnungen Vermögen nicht vorhanden war, 1749 an den Bürger und Ratsherren Johann David Felgner für 300 Gulden als eine baufällige, den Kirchhof verunzierende Bude, der sie niederriß und die Stelle mit einem Wohnhause bebaute, welches durch Verordnung vom 30. März 1786 mit acht Schocken zur Steuer gezogen ward. Den Mönchen (hiesiger Termineien), welche die vier Bücher der Kirche banden, gab man ein Faß Bier, am Werte 50 Gr. Der Rat baute ein neues Torhaus und einen Wagenschuppen, auch ließ er auf dem Frauen Kirchhofe gegen den Graben dämmen, der bei großem Gewässer beschädigend eingriff. Vom Bierschanke hatte er in diesem Jahre 150 Schocke Gewinn. Nicolaus, der alte Küster, kaufte von der Kirche das Haus der alten Blixin, bei der alten Küsterei, für 13'/Z Schock - ein brauberechtigtes Haus und von 1567 an die Jungfrauen-Schule bis in die neueste Zeit. Organist war Paul von Guben.

1465
Die Münze ward im Verein der Fürsten Ernst, Albert und Wilhelm, des Onkels, abermals verändert und gebessert. Die gemeinschaftlich in Freiberg geschlagenen Groschen hatten auf der einen Seite das sächsische Schild des Rautenkranzes, auf der anderen das Thüringische Wappen und 20 Stück derselben den Wert eines Rheinischen Gulden. Wegen der hohen, gekrümmten Helmaufsätze beider Schilde nannte man sie Horngroschen, wegen beider Schilde -zweischildigte, wegen ihrer Güte - hohe oder hoher Währ - und wegen ihrer Anwendung bei Entrichtung der Abgaben - Zinsgroschen, sonst auch Freiberger und später Schneeberger, nach ihrer Herkunft und Prägung. Vom l. September an galten alle Verschreibungen nach dieser neuen Währ und wurden rechtlich darauf zurückgebracht, ungeachtet die neue Münze erst in den letzten Monaten des Jahres in den Umlauf kam. Daher bekam der hiesige Rat, welcher an Hans Spigel, auf Neuhaus oder Paupitzsch, ein Kapital zu verzinsen hatte, am 19. November die fürstliche Weisung (in dieser neuen Währ zu zahlen). Die Stadt erhielt am 2. Dezember von den hier anwesenden Fürsten die Bestätigung ihrer Privilegien, Rechte, Freiheiten, alten, herkömmlichen Gewohnheiten, Begnadigungen und fürstlichen Verschreibungen - als Folge der Huldigung - und zahlte man für den Gunstbrief, 6 Gulden an die Kanzlei. Seit dem Jahre 1451 hatte man jährlich 36 Gulden in Golde, halb zu Johannis und halb zu Weihnachten an den Dr. Ditterich von Buckinstorff... in Leipzig Zinsen zu zahlen. In der vorjährigen Rechnung des Rates wird er noch Doctor genannt, in der diesjährigen aber als Bischof von Naumburg aufgeführt. Die Bewohner der Neustadt (Vorstadt), welche wie alle Vorstädter in Privilegien und Freiheiten den Einwohnern innerhalb der Mauer nachstanden und daher das Recht des Bierbrauens nicht hatten, suchten es bei den Fürsten auf dem Wege der Beschwerde, veranlaßten deshalb mehrere Reisen zu den Fürsten, wurden aber für immer abgewiesen. Die Herren des heiligen Nicolaus (Vorsteher der Kasse zur Wegebesserung) pflasterten die Gasse hinter der Schule und erhielten vom Rat ein Schock Zuschuß. Einer, namens Boettcher, der den Bürgermeister Kupstal durch ekelhafte Beschmutzung der Türe beschimpfte, mußte (vmb den Hoen und schmahett) eine Rute Steine in Landsberg auf seine Kosten brechen lassen und anfahren - ein anderer, Georg Lindner, der verdorbene Fische (boese) verkaufte, 40 Gr. Strafe geben - die Fische verbrannte man - und Matth. Krüger, der seine Magd schwängerte, verbüßte es mit 30 Scheffeln Hafer - am Werte 1 Schock. Der Gassenlärm, unnütze Hülferuf - Zetergeschrei ward mit 12 Gr. bestraft. Die Schützen hatten einen Schützenhof in Borna und empfingen die gewöhnliche Auslösung. Conrad Heller, der Gleitsmann, der ein Haus in Lehen nahm, empfing das Bürgerrecht umsonst. Der Bürgermeister Johann Schade, (Ratsherr von 1447-60 und von da Bürgermeister) starb und beschied der Kirche letztwillig eine Hufe Feld auf Elberitz, nach seines Weibes Tode. Die Kirche verkaufte sie 1497 für 24 Gulden oder 4 Schock 20 Gr. an Bastian Schuster. Die Kirche erhielt auch noch andere Vermächtnisse an Geld - und zahlte an den Maurer Dietrich Wiltstier, der in diesem Jahre das Gewölbe am Turme, die Kapelle der Kalandherren (jetzt zum Teil Bibliothek) vollendete, 12 Schock an Lohn, erhöhete auch jährlich um 40 Gr. des Organisten Paulus Sold. Die Kirchenstühle wurden zum ersten Male verlöset, und gab die Mildike 12, die Schlegelin 20, die Kribenstein 11, die Weinbörner 5 und ebensoviel Groschen die Kruppin für ihren Sitz. Der Rat borgte von Hans Schmolle und seiner Ehefrau Margarethe in Halle 112 Schock. Ein harter Winter 1465/1466 - daher man zu verschiedenen Malen den Graben aufeisen ließ.

1466
Anfangs des Februars eine Heerfahrt nach Plauen gegen den Geächteten Heinrich (II.) Reuß - Voigt zu Plauen, welcher die Nachbarn befehdete, die Untertanen drückte und öfteren Warnungen kein Gehör gab. Drei Hausbesitzer der Stadt und vier der Neustadt stellten gemeinschaftlich einen Mann, und war die Mannschaft drei Wochen abwesend, der Aufwand der Gemeindekasse 26 Schock. Auch erhielten die Zurückkommenden 1 Faß Torgauisches Bier. Vom Schlosse fuhren am 5. und 7. Februar Salz, Speck, Butter, Käse, Erbsen dahin und am B. ritten die "erbam Mannen" mit 40 Pferden zu Diensten in das Heer. Am 17. desselben Monats traf der Landvogt Albrecht Profen, der ebenfalls mit 42 Pferden, Reisigen und Wagenpferden nach Plauen zog, auf hiesigem Schloße ein. Des Besiegten Reuss Städte Oelsnitz, Plauen, Adorf, Voigtsberg nahmen die Sieger in Besitz und behielten sie für gehabten Kriegsaufwand, den sie in Rechnung brachten und das Übrige dem nach Böhmen ausgetretenen herausgaben. Die Städte waren in Leipzig und Oschatz wegen Aufbringung der Kosten dieser Heerfahrt, und brachte Delitzsch 1000 Rheinische Gulden, teils durch Auflagen in der Stadt, teils durch Darlehne für die Fürsten auf, 536 Rh. Gulden gab die Bürgerschaft und ward die ganze Summe zu Ostern abgeführt. Zur Erleichterung zahlte das Kloster Pegau auf Anweisung der Fürsten 30 Rh. Gulden hierher, auch ward ein Abzug auf die diesjährige Steuer bewilliget. Doch verzinset die Stadt 100 Rh. Gulden, die sie von dem Kalande borgte und von diesem zur Zeit der Reformation an den Gotteskasten übergingen, der Kirche heute noch. Der Küster Benedict zog weg und kam Caspar an seine Stelle, als Organist aber kommt nun ein Baccalaureus de Elbogen vor.

1467
Gegen den König von Böhmen entschied man einen Reichskrieg, der aber, weil die sächsischen Fürsten, teils wegen früherer großen Verluste in den Böhmischen Kriegen, teils wegen naher Verwandtschaft, die Teilnahme ablehnten, der Kaiser auch nichts weniger als kriegerisch gesinnt war, nicht zustande kam. Indessen zog man hier Mannschaften zusammen und unterhielt Delitzsch 25 Trabanten; diesmal aber nicht hiesige Bürger und Einwohner, sondern vom Fürsten angenommene Söldner, für die man im November 36 Schock 40 Gr. zahlen und nach Meißen abliefern mußte. Ein Trabant erhielt wöchentlich 11 Gr. Einige Handbüchsen wurden angekauft. Der Pfarrer, welcher den Kirchenvorstehern in beiden Kirchen an Sonn- und Festtagen Umzüge verstatte, erhielt zur Erstattung (Restaur) 1 Schock auch zum ersten Male zu Petri Pauli ein Viertel Bier zum Geschenk. Dem Stadtschreiber aber gab man vom Kirchenvermögen 10 Gr. für eine Abschrift der erzbischöflichen Erlaubnis zum Kirchenbau und angefügter Bulle. Der Rat borgte vom Pfarrer in Hohenleim (Hohenlynaw), Nicolaus Gentzsch, 100 Gulden - welche man zum Teil auf den Bau eines Kellers verwendete. Da man die Gemeindekasse in der Sakristei hatte, so gab man dem Küster für jedesmalige Öffnung derselben 3 Pfennige.

1468
Anhaltende Regengüsse, Kälte und großes Gewässer schadeten dem Getreide, das auf dem Halme auswuchs, so, daß nur ein kleiner Teil eingebracht werden konnte und auch von diesem zu Samen nur weniges tauglich war. Es entstand daher schon in diesem Jahre Teuerung; das Getreide hatte den dreifachen Wert voriger Jahre und schwer zu erlangen. Der Rat kaufte zu Unterstützung der Bürger um hohe Preise 25 Scheffel Weizen und 89 Scheffel Korn, die er den ärmeren um geringere (Preise) überließ. Damit man auch richtiges Maß erlange, ward ein steinernes Scheffel- und Viertelmaß öffentlich unter dem Rathause aufgestellt. Die Gerber änderten heimlich an ihrem Innungsbriefe und büßeten es mit 2 1/2 alten Schocken Strafe, auch die Schmiede wurde deshalb mit einem Schocke Strafe belegt. Der Rat borgte mit fürstlicher Erlaubnis 650 Rh. Gulden - von Hans von Waltheim und seiner ehelichen Hausfrau zu Halle gegen 32 1/2, Gulden jährlichen Zins und zahlte damit ältere Schulden ab. Die Stadt erhielt fürstliche Anweisung, von Bürgern mit zwei Wagen und acht Pferden Wein ab und nach Leipzig zu fahren - gegen Ausrichtung durch den Schenken. Die Kohlin beschied der Stadtkirche 50 Schock Schwertgroschen, welche der Stadtschreiber jährlich mit 10 Schocken abzuzahlen hatte. Vikar des Altars Catharinae ward Bartholomaeus Schoenbrod, ein Sohn des hiesigen Bürgers Hans S. und blieb es bis 1480. Organist war Nicolaus.

1469
Die fürstlichen Brüder mit dem neuen Kanzler Dr. Schybe und ganzem Hofstaate - Trompetern und Pfeifern - waren zum neuen Jahre hier. Die 7 Hufen in Gertitz, welche man 1460 verpachtet (ausgetan) hatte, wurden ausgemessen und für 173 Schocke neuer Währ oder Münze verkauft. Die ersten Besitzer waren: Tobias Boettcher'/2 Hufe, Lorenz Wagner 1/2 Hufe, Andreas Müller 1/2 Hufe, der Bürgermeister Schebe 1 Hufe, Nicolaus Knopp '/2 Hufe, Hans Schaefer 1/2 Hufe, der Stadtrichter George Werdt 1/2 Hufe, Sander Iban 1/2 Hufe, Jacob Feris 1/2 Hufe, Martin Meley '/2 Hufe, der Stadtschreiber Kropheuser 1/2 Hufe, Wenceslaus Winkler 1/2 Hufe. Thomas Reisser, der seine Magd schwängerte, verbüßte es mit 2 Schock Scheffeln Hafer, man gab ihm aber 2 1/2 Schock Schwertgroschen zurück. Die Herren des Rates, welche bisher bei ihren Sitzungen wenige Groschen verzehrten, erhielten nun bei Einsammlung des Schosses und Wächtergeldes 12 Groschen, jährlich in Summe ohngefähr 4 Schocke. Außerdem hatten sie zu ihrer Ergötzlichkeit, denn von einem Solde findet sich nichts, das Herrenessen, in der Regel Pantaleonis (den 27. Juli) dessen Aufwand nach und nach bis 12 Schock gestiegen war, jetzt aber um etwas gekürzt ward. Bei diesem Schmause ließ man es, wie die Ausgabezettel, die sich erhielten, beweisen, an nichts fehlen. Man hatte Reh-, Hasen-, Schweinsbraten, Rind- und Kalbfleisch, Kaphähne, Fische, Reis, Semmeln, Butter, Böhmischen Käse, Apfe, Nüsse, Wein und Bier, brauchte außer Speck, Salz, Essig, Honig, Eiern, Mehl, Meerrettich, an Gewürz 1 Pfd. Pfeffer,'/2 Pfd. Ingwer, 2 Lot Safran, Nelken, 1 Pfd. Rosinen, 1 Pfd. Mandeln, Konfekt - nahm später ein Bad und hörte während des Essens die Gesänge der Schüler, denen man 4 Groschen gab. Die 104 Rh. Gulden, welche der im Jahre 1467 verstorbene Pfarrer in Zaasch Nicolaus Grünenberg, der hiesigen Stadtkirche beschieden hatte, wurden in diesem Jahre eingezahlt. Die neuen Kirchvorsteher, Pacratius Schebe und Caspar Bornack, besorgten dafür einen neuen Predigtstuhl, neue Stühle und eine Porkirche (die alte) welche ein Tischler in Leipzig, Nicolaus für 27 Schock fertigte. Man hatte beim Schlusse der diesjährigen Kirchenrechnung 157 Schocke, Schwertmünze im Vorrat und bemerkte der Rechnungsführer, daß diese Summe 50 Schocken 28 Gr. 3 Pf. 1 Hl. neuer Münze, 2 für eins gerechnet, gleiche. Der neue Kirchenseiger, den ein Leipziger Künstler machte, kostete 8 Schock, 45 Gr., und sind die vergoldeten Buchstaben (Zahlen) des Zifferblattes von einem Goldschmied in Leipzig für 3 Schock und 10 Gr. Trinkgeld gefertiget, die heutigen noch. Die Besorgung des Seigers, welche bisher der Küster für 15 Gr. jährlich gehabt hatte, ward nun einem Kleinschmiede (Schlösser) übertragen. Von Ihan von Schoenfeld, auf Loebnitz, kaufte man 10 Stämme Holz, auch zwei Büchsen, eine Wall- (Taraß) und eine Steinbüchse für 171/2 Gulden, den Zentner für 5 Gulden. Man sieht, daß sich auch dieser Rittersitz mit Geschütz versehen hatte, nun aber bei friedlicher Zeit dasselbe für entbehrlich hielt. Zwei Hakenbüchsen, die man vom Bürgermeister Kramer kaufte, kosteten 3 Schwertgroschen, in neuerer Münze ohngefähr 1/2 Schock. Er Stephan Tuerkom, Sohn des Bürgermeisters Hans Tuerkorn (Ratsherr 143158) hielt seine erste Messe und gab ihm der Rat ein Faß Torgauisches Bier um einen geringeren Preis. Der Minorit Jacob (Bruder Jacob der graue Mönch) hielt die Fastenpredigten und bezahlte man für ihn 32 Mahlzeiten mit 32 Groschen und 35 Gr. für Bier und Wein. Er ward von Leipzig geholt und dahin zurückgebracht. Der Bürgermeister Truppitz aus Leipzig war hier und erhielt den Ehrenwein. Einem Gauckler (Geukeler) gab man 3 Gr. Trinkgeld. Die Edeln (erbaren) hatten am 13. Dezember ihren Hof und schenkte ihnen der Rat Torgauer Bier. Auch zahlte der Rat die von Buckinstorff an das Kapital zu Zeitz gekommenen 250 Rh. Gulden wieder ab.

1470
In diesem Jahre nahm die Steuer vom Weine und Biere, die man schon im vorigen Jahre zu Tilgung der fürstlichen Schulden in Vorschlag gebracht hatte, ihren Anfang. Sie ward auf diesjährigem Landtage zu Dresden als Ungeld, unpflichtige Abgabe und Auflage (nicht Ohmgeld, denn dieses Maß kam hier nicht vor) mit 5 Gr. vom Fasse und 2 1/2 Gr. vom Viertel bewilliget. Dieser Steuer waren alle Bräuende, Geistliche, Ritter und Städte unterworfen, und Rat und Amtmann angewiesen, Zeichen zu geben, und vor Entrichtung der Steuer auch die geringste Anstalt zum Brauen, bei fürstlicher Ungnade, nicht zu gestatten. Da man den Städten den vierten Pfennig, oder ein Viertel der Einnahme überließ, einigen die Bierzwangsmeile verlieh, anderen die alten, derartigen Privilegien erweiterte, so fand man von dieser Seite keinen hartnäckigen Widerstand. Auch hiesige Stadt empfing von den Fürsten, welche in der Mitte des Januar mit ihrem Hofstaate hier eintrafen, am 18. des Monats einen Gunstbrief, durch welchen ihr Privilegium der Biermeile von 1390 merklich erweitert ward. Er kostete in der Kanzlei 10 Schock und 1 Schock für die Besiegelung. Man verehrte (den Fürsten) einen Lägel Rheinfall am Werte 2 Schock 48 Gr. Man suchte nun auch die Brauerei der Stadt möglichst zu heben, hielt streng auf tüchtige Malze und versuchte sogar das Gertitzer Quellwasser, doch mit geringem Erfolg. Nützlicher war die Tätigkeit des befreundeten Amtsmannes Otto von Schidingen, derdie Krüge der Pflege fleißig bezog und keinen Eingriff in die Rechte der Stadt ungeahndet ließ. In Beziehung auf die Tranksteuer erhielt Gleitsmann und Rat hiesiger Stadt am 19. Oktober (vom Kurfürsten einen besonderen) Befehl. Martin Ropptzsch kommt in den Jahren 1470 bis 77 als Kapellan und Prediger vor. Der Rat borgte von Mr. Johann Murmann aus Regensburg, Lehrer der heiligen Schrift und Collegiat des großen Kurfürstenkollegium in Leipzig, 300 Rh. Gulden am 6. Oktober auf Leibzins, zahlte aber 250 Rh. Gulden an das Kapitel zu Naumburg, 300 Rh. Gulden an Andreas Nosk und 37 Rh. Gulden 30 Gr. an Ursula, Martin Hallis Tochter, wieder ab. Der Bau der Stadtmühle ward an den Müllerin Löbnitz, Meister Christoph verdingt- die Grundrinne mit drei Ständern - man gelobt ihm 16 Schock neue Münze, 1 Faß Delitzscher Bier und 20 Scheffel Korn und hielt ihm Handarbeiter zum Räumen und Füllen (der Bau 1472). Auch bauete man am Koh1tore ein neues Torhaus. 20 Trabanten, die man in Hessen unterhielt, kosteten auf 11 Tage 19 1/2 Schock. Der neue Kirchenschmuck kostete 62 Rh. Gulden oder 28 Schock 48 Gr. und ward mit anderem Kirchengeräte in Giebichenstein geweihet. Die Schwester des Lucas Nossig (Ratsherr 1478-1495) und Tochter des Andreas Nossig (Ratsherr von 1443-67), hatte Hochzeit, wozu der Rat geladen war, welcher Torgauer Bier schenkte und den Pfeifern aus Halle ein Trinkgeld gab. Auch zu der Hochzeit der Tochter des Bürgermeisters Nicolaus Cramer schenkte er ein Faß Torgauer Bier, man verbrauchte aber daneben noch vier Faß, die man käuflich aus des Rates Keller nahm. Ein Ritter, Thomas Grag, aus dem Velseneck, aus Kaerther, der von den Böhmen gefangen gewesen und große Förderung vom Kaiserhatte, gab man ein Abendessen für 20 Gr. - und etlichen, die von Jerusalem kamen, 11 Gr. Almosen. Für 111 Scheffel Korn, die der Rat aus seinen Vorräten verkaufte, erhielt er 6 Schock 46 Gr. und für 30 Scheffel desgleichen ein Schock 45 Gr. Johann Lobda, jetzt Gleitsmann in Leipzig, lösete von seinem Hofe in hiesiger Neustadt 12 Gr. jährlichen Zins ab und gab dem Rate dafür 7 alte Schocke hoher Währung. Der Rat empfing 12 Schock 18 Gr. neuer Münze (von dem ungelde uff der Stadt geborlichkeit den vierden teyl von der ersten rechnunge), 8 Schock 28 Gr. 3 Pf. auf Galli von den neuen und alten Gebräuden und 17 Schock 19 Gr. 4 Pf. 1 Hl. von 126 Gebräuden, in Summe also 38 Schocke 1 Gr. 7 Pf. 1 Hl. vom Ungelde dieses Jahres zu seinem Anteile.

1471
Die Fürsten verlangten am 26. März zu dem Lande, Schlosse, Städten des Elbogen (in Böhmen) eine Summe in Gold, welches verzinset und im Herbst wieder gezahlet werden sollte und der Rat schickte am 9. April 800 Rh. Guldenin Golde ab. Sie wurden nach und nach vom Ungelde, oder der Tranksteuer durch Zurechnung erstattet - zuletzt 1477. Herzog Albrecht zog gegen Elnbogen, wo Matthias Schlick, Herr der Stadt und Umgegend, von den aufrührerischen Untertanen bedrängt wurde und eroberte diese Stadt, deren Bürger sich unterwarfen. 120 Trabanten stellte Delitzsch am 26. März zu diesem Heereszuge auf 14 Tage mit einem Aufwande von 30 Schocken. Zu dem Heere desselben Herzogs, den die Böhmen nach George Podiebrads Tode, um ihn gegen den König Matthias in Ungarn zu brauchen, Hoffnung zur Krone Böhmens machten, die sie jedoch schon dem Sohne des Königs in Polen. Ulagislaus, zugedacht hatten, gingen als er bei Prag stand, am 17. Mai von hier 120 Trabanten und Reitende mit einer Steinbüchse, 7 Wagen, Pannieren, und 10 Wagenfähnlein, auf sechs Wochen und kosteten 100 Schock. Da der Herzog, von mehreren Seiten gewarnet, gegen ihre Anforderungen sich vorsichtig nahm, und sie merkten, daß man sie durchschaue, hielten sie auf ihn, er entging ihnen aber mit einem geringen Verluste, den er in den Bergen durch das erregte Bergvolk erlitt, und kam glücklich nach Meißen zurück. Der Aufwand dieser Heereszüge und die Aufbringung einer so bedeutenden Summe für die Fürsten nötigte den Rat, neue Darlehne aufzunehmen und er borgte 100 Rh. Gulden von der Kirche, Vermächtnis des Klaus Nosk, 500 Rh. Gulden von dem hiesigen Altare zum heiligen Kreuze, 400 Rh. Gulden vorn Kapitel zu Naumburg und 400 Rh. Gulden von dem Bürger Johann und Nicolaus Schlautitz, in Leipzig, auf Leibzins. Es waren außer der Stadtmühle, die man zu bauen im Begriffe war, noch zwei Mühlen in der Nähe, die den Loberbach, welcher das Werk trieb, schwächten - die Haus- und die Schademühle. Die Hausmühle hatte ihren Namen vom Hause (Schlosse), daher die in der Rechnung 1420/21 molendinum castri genennet wird, in einer Urkunde d. J. 1367 aber die moel czu Delcze dy ondir deine Hucze (unter dem Hause) gelegen. Sie gehört aber nicht dem Schlosse oder Amte, sondern hatte die Pake auf Doebernitz zu Lehn- und Gerichtsherren und war vererbt. Bis zum Jahre 1367 hatte Botho von Thorgow Herre zcu Besekow ein Schock jährlich von dieser Mühle, er trat es aber in diesem Jahre an hiesige Frauenkirche ab und der Schenkungsbrief desselben ist es, der von ihr die erste Nachricht gibt. Sie lag zwischen dem Viehtore und der Stadtmühle am Stadtgraben, da, wo sich jetzt das Parreidtische Gartengrundstück Nr. 360 des alten Brandkatasters (Wallgraben Nr. 8) findet und entzog also, wiewohl sie nicht im besten Stande war, doch einiges Wasser der Mühle der Stadt. Die Schademühle befand sich unter Amtsgerichtbarkeit im Rosentale, jetzt das dem Kaufmann Kühne, vorher Dr. Languth (Rosental Nr. 25) gehörige der Schafbrücke gegenüberliegende Gartengrundstück, hatte, wiewohl sie derzeit wüste war, doch vom Lober und Gertitzer (oder Rubacher) Bache Zugang und konnte zum Nachteil der Stadt benutzt werden; der Rat suchte daher hauptsächlich mit Vergünstigung des Amt- und Hauptmannes Otto von Schidingen diese Mühlen mit ihren Berechtigungen sich anzueignen. Zuvörderst kaufte er in diesem Jahre, am 21. Dezember von Otto Pake die Lehn- und Gerichtsherrlichkeit über die Hausmühle für 24 Schock und erhielt sie von den Fürsten zu Stadtrecht in Lehn. Der Handel mit den Besitzern der Mühlen kam aber erst in den Jahren 1474 und 1475 zustande, so, daß von da an die Stadtmühle das ganze Wasser beider Bäche empfing und ausschließlich zu nutzen berechtiget ward.

Auch kaufte der Rat von dem Bürgermeister Nicolaus Cramer für 60 Schock neuer Münze eine freie Hufe vor dem Hallischen Tore, eine große Scheune mit Hof, ein Häuschen mit Garten und den Kae1bersta11. Er verkaufte aber diese Grundstücke wieder, die freie Hufe an den Kämmerer Nicolaus Gorius für 40 Schock als Zinsgut mit 20 Gr., den großen Hof mit Scheune an den Bürgermeister Pancratius Schebe für 20 Schock mit 12 Gr., das Häuschen mit Garten für 3 Schock und 10 Gr., den Kaelberstall aber an den Amt- und Hauptmann Otto von Schidingen für 8 Schock und 4 Gr. jährlichen Zins, diesen jedoch, weil er sich zum Vorratshause, an dem es der Stadt gebrach, eignete, mit der Bedingung des Vorkaufes, den er auch im Jahre 1491, als ihn Leonhard von Schidingen veräußern wollte, geltend machte und das Grundstück für 20 Rh. Gulden käuflich zurück erhielt. Er lag in der Kohlgasse, am Stadtgraben da, wo jetzt die Häuser der Nummern 269 ... des Brandkatasters stehen, ward bis 1532, wo ihn ein gegenüber ausgebrochenes Feuer mit dem größten Teile der Kohlgasse zerstörte, als Kornhaus benutzt, blieb aber, weil er durch den Ankauf der Terminei in der Stadt und später durch die zum Schütthause überlassene Frauenkirche entbehrlich schien, nach Wegschaffung der Grundsteine (1535) ein freier Platz, den man zwar nach einiger Zeit zum Anbau wieder vererbte, auch bebaute, der 30jährige Krieg aber von neuem in den vorigen wüsten Stand versetzte, dem er erst im Anfange des 19. Jahrhunderts durch den Anbau der bemerkten Häuser entzogen ward. Die Sch1össer und Städte Zoerbig, Bitterfeld und Graefenhainichen wurden von den Fürsten Ernst und Albrecht an den Grafen Gebhard zu Mansfeld für 14000 Gülden wiederkäuflich verkauft (verpfändet). Die Töpferei i n der Vorstadt vermietete der Rat für jährlich 40 Gr., auch ließ er die Gertitzer Quelle räumen und braute ein Bier vom Gertitzer Bache von einem Schock Scheffel Gerste (am Werte 2 Schock 53 Gr. 6 Pf.) an 8 Faß - mit einem Aufwand von 7 1/2 Schock. Drei wurden mit dem Rade vom Leben zum Tode gebracht durch den Scharfrichter, Züchtiger, Hans Faber- und kommt diese Strafe zum ersten Male vor - das Verbrechen aber wird nicht angegeben. Der vierte Teil des Ungeldes, den der Rat empfing, betrug 28 Schock 36 Gr. Beide Orgeln der Kirche besserte der Orgelbauer Nicolaus mit dem Barte und erhielt (außer den Zutaten und der Tischlerarbeit) 4 Schock 48 Gr. Lohn. Durch ein Vermächtnis des Bürgers Georg Müller kamen 6 Gülden an die Kirche der Stadt und 4 Gulden an die Frauenkirche. Die Gerber erhielten am Tage Thomä ihren Innungsbrief. In Leipzig hatten die Schusterknechte mit den Studierenden Händel. Sechs dieser Schusterknechte, die Brüder Lorenz, Peter und Stephan Stock, Peter Thyle, Matthäus und Valentin Smydt, schlugen Fehdebriefe an die Collegien, erhielten einen Anhang von lockeren Edelleuten und müßigem Gesindel, und übten gegen die Studenten und Universitäts-Verwandten offene Feindseligkeit. Die Fürsten befahlen daher ihre Verhaftung, der Official zu Merseburg aber, Johannes Vestual, erließ unter anderen auch an den hiesigen Klerus Requisitorialien, die Schusterknechte und ihre Anhänger bei Androhung des Bannes vor das geistliche, bischöfliche Gericht zu Merseburg zu laden und machte später, als sie nicht erschienen, demselben Klerus das Urteil, in welchem man sie, bis sie der Sache genug getan, für ehrlose Ächter, der geistlichen Lehen verlustig, der Zusammenkünfte des Adels und bürgerlichen Umganges unwürdig erklärte, am 27. März zur Veröffentlichung bekannt. - Man hatte wahrscheinlich von beiden Seiten gefehlt, der Handel, ein leichtsinniger Jugendstreich, ward vor dem weltlichen Gericht mit Sühnen und Gefängnisstrafen abgemacht und an dem Orte, auf den er sich beschränkte, bald vergessen.

1472
Die Frauenkirche ward im Inneren und Äußeren gebessert und 100 Schock darauf verwendet, auch erhielt sie durch den Künstler Nicolaus mit dem Barte ein neues Orgelwerk. Der Erzbischof von Magdeburg weihete sie in eigener Person, firmte auch in der Stadtkirche (zu St. Peter) und verwendete man aus der Kirche gegen 10 Schock für Essen, der Rat aber gab für 4 2/3 Schock Torgauer, Zerbster und einbeckisches Bier und überdies den Kirchenvätern zur Aushilfe 13 Schock. Zugegen war dabei der Graf Gebhard von Mansfeld und erhielt den Ehrenwein. Der Bau der Stadtmühle begann und kostete in diesem Jahre gegen 100 Schock. Zwei Mühlbau-Verständige untersuchten das Wasser und ein Meister aus Halle wog es ab, der Müller Christoph aus Löbnitz, dem der Bau verdungen war, führte ihn aus und vollendete ihn im künftigen Jahre, wo man ihm bei seinem Abschiede leidensches Tuch zu einem Kleide (2 Schock am Werte) als Verehrung gab. In der Mitte des Juli schickte die Stadt 10 Trabanten mit einem Wagen und Aufwande von 5 Schocken nach Hessen. Der Ungeldanteil des Rates betrug in diesem Jahre 63 Schock. Die Hochzeit der Tochter des Otto Pake ward hier in der Stadt gefeiert und schenkte der Rat ein Faß Torgauisches Bier. Dreißig lederne Feuereimer wurden für vier Schock angekauft.

1473
Im Monat März waren die Fürsten mit ganzem Hofstaate hier (Sprenger, Pfeifern, Trompetern, Trommlern) und gingen nach Halle, wo auch der Landgraf Wilhelm, der Markgraf Albrecht von Brandenburg u. a. zu einer Beratung gegenwärtig waren. Am B. Mai bei Sonnenuntergang, ging Bitterfeld in Feuer auf, welches Hans, ein Leineweber angelegt hatte, und schickte der Rat von hier Tages darauf Wagen mit Brot dahin, später auch Steine zum Ausbaue als Geschenk. Man hatte auch hier verzweigte Mordbrenner im Verdachte und deshalb mit dem Rate in Naumburg Konferenz. Die Mulde stieg am 15. August bei Bitterfeld zu einer furchtbaren Höhe, brach unter Pouch durch, nahm einen anderen Lauf und riß 60 Acker der Stadt Bitterfeld gehöriges Flemingsholz (jetzt die beiden Friedersdorfischen Werder) nach der entgegengesetzten Seite hin. Die Fürsten gaben ein großes Schützenfest in Leipzig, welches acht Tage dauerte und gingen nach der Fürsten Willen und Wohlgefallen auch von hier acht Schützen dahin, denen der Rat 5 Schocke Zubuße gab. Man lieferte 50 Stück Betten dahin und des Rates Knecht und Wagen führten das fürstliche Stechgerät nach Dresden zurück. Das Mühlgebäude kostete in diesem Jahre noch 17 1/2 Schock, die Aufsicht dabei führte Martin Kirchhof und brachte das in den letzten Monaten gangbare Werk eine Einnahme von 26 1/2 Schock. Den Ratsherren, deren Geschäfte sich mit jedem Jahre mehrten, hatte man schon 1469 für ihre Versäumnis eine Entschädigung von summarisch 4 Schocken bewilligt, jetzt aber ward 2 Schock für den Bürgermeister, ein Schock für jeden Beisitzer, überdies aber ein Schock in die Küche der Bürgermeisterin und 5 Gr. für die Köchin derselben, wegen des Richteressens, für den Stadtschreiber aber 4 Schocke Sold, 4 Schock für die Kost, 2 Schock für die Kleidung und ein Schock für die Rechnung festgesetzt. Überdies hatte er freie Wohnung, den Bedarf an Schreibmaterialien und bei jeder Gerichtssitzung eine Kleinigkeit. Zwölf Trabanten nach Hildesheim auf 2 Monate kosteten 48 Schocke und hierzu und zum Baue der Mühle borgte der Rat Rh. Gulden vom Hospitale. Wegen Verbrechern, die man auf dem Gottesacker festhielt, reiste Bürgermeister und Notar mit 4 Pferden nach Calbe zum Erzbischof. Hans Peterwitz vermachte beiden Kirchen 6 Schock und Hans Grosse ein Haus in der Grünstraße, einen Garten am Kohltore und die Frucht in der Glesienin Garten. Küster war Kilian und Paul Organist, dem man außerdem Solde auch ein Fuder Holz gab. Die Schützen hatten einen Schützenhof in Grimma. Valentin Schocke, der Stempels Tochter schwängert, büßte 2 Schock neuer Münze. Vom Ungelde kamen in des Rats Kasse 45 Schock 47 1/2 Gr.

1474
Hans Tuschewein aus Kotzschen ließ sich in Stempels Hause mit Schwefel und leinenem alten Tuche ergreifen und gab vor, daß er von Cleman Melssen und Martin Fuhrmann in Merseburg angestiftet und ausgesendet sei, Delitzsch zu brennen, welches sich in der Wahrheit nicht befand. Er ward mit Gefängnis bestrafet und der Stadt vier Meilen Weges verwiesen. Der Rat kaufte das zwischen dem Rat- und Kaufhause noch liegende Privathaus des Bürgers Magerkopp (damals Nr. 4 des zweiten Viertels), zu Gute der Gemein und Erlengung des Rathauses für 32 Schock, und vereinigte nun die drei Gebäude durch einen Neubau, der von Grund aus geführet und in der Hauptanlage als Rathaus bis in die neueste Zeit nicht verändert ward. Der Bau wurde dem Maurer Dietrich Wiltstier von Torgau übertragen, er fing auch die Arbeit am 9. Mai dieses Jahres an, hielt aber untüchtige Leute, daher man ihn gehen ließ und am 19. Juni den Meister George Amme aus Leipzig ins Gedinge nahm. Den Sandstein bearbeitete der Steinnmetz Bernhard, welcher in diesem Jahre mit seinen Leuten 17 Schock, Wiltstier 11, Amme 25 an Lohne empfing. Die Gründung der Keller und Trinkstube waren im Spätsommer ausgeführt. Auch kaufte der Rat mit Vergünstigung des Amt- und Hauptmannes Otto von Schidingen vom Müller Benedict für 100 alte Schocke das Wasser, welches auf seine Mühle, die Schademühle genannt, lief, bis an die Wohnung mit dem Rechte, dieses Wasser auf seine Mühle (die Stadtmühle) zu leiten - und so, daß nie eine Mühle daselbst oder oberwärts zum Schaden der Stadt wieder angelegt werden könne - für ewige Zeiten. Das Schock, welches der Rat jährlich von der Mühle zu empfangen hatte, übernahm der Rat und gibt es heute noch. Belieben ward es von den Fürsten am 12. August künftigen Jahres. Wegen Bestätigung der Lehn über die Altäre reiseten der Bürgermeister, zwei Ratsherren und der Stadtschreiber nach Giebichenstein zu dem Erzbischofe, der den Rat in einer Schrift erinnert hatte. In der Cossunge Czorbegk, Hainichen und Bitterfeld wurden dem Rentmeister Betten geliehen, und also diese drei Städte vom Grafen Gebhardt zu Mansfeld wieder eingelöset. Im August gingen auch auf Begehren der Fürsten mit dem Hauptmann Otto von Schidingen 7 Wagen, 3 Reuter und 80 Bürger zu Fuß zu dem Grafen Woldemar nach Coethen, doch nur auf zwei Tage; am 14. November aber 20 Trabanten mit einer Steinbüchse nach Neuss an den Rhein gegen den Herzog Carl von Burgund, kamen jedoch, weil der reisige Zeug (Reiterei) vollzog, in einigen Tagen zurück. Der Sammelplatz des Heeres war in Leipzig auf der Kuhweide. Veit Priorau erschlug den Richter Balthasar Heyner in Gertitz, gab 2 Schock Wandel an das Gericht, sechs Schock den Erben des Erschlagenen, mußte die Hand mit 10 Personen bestätigen, 1 steinernes Kreuz 2 Ellen hoch setzen, 30 Vigilien und Seelmessen halten lassen, eine Achfahrt tun und das Dorf räumen. Der Schindersknecht von den Leibzeichen des Richters in Gertitz abzulösen, erhielt aus der Ratskasse fünf Gr. Friedrich Rathmersdorf vermachte der Kirche 5 Gulden und eine sammete Joupe, am Werte 2 Rh. Gulden 15. Gr. Thomas war Cantor und Organist, versah beide Stellen, weil der Cantor gestorben war. Der Rat empfing von den Malzen aus der Mühle 15 Schock 44 Gr. und borgte zu den neuen Bauen 100 Rh. Gulden vom Kloster der Marienknechte zu Halle, 200 Rh. Gulden von dem Bürger Augustin Schulze zu Leipzig, 100 Rh. Gulden von Margarethe Heyse. Vom Ungelde kam in der Kasse 43 Schock 5 Gr.11 Pfg. 1 Hl. - der Roggen galt 3 1/4 der Hafer gegen 3 Gr. In der Vorstadt war ein Feuer und gab man den Löschern Bier und Wurst. Dem Hauptmanne gab man an den Quartalen Wein und Bier, den Ratsherren und Dienern ein Badegeld, den Herren ein Gr., den Dienern 6 Pfg.

1475
Die Ergiebigkeit der Schneeberger Bergwerke (seit 1471) veranlaßte die Fürsten, Ernst, Albrecht und den Landgrafen Wilhelm, ihren Oheim, kleinere, aber silberreichere (15-16 lötige) Groschen von diesem Jahre an auszuprägen. Die neue Münze kommt hier unter dem Namen silberne Münze vor, und verhielt sich zu der bisherigen, die man mittlere nannte, wie 6 zu 7. Wegen der aus drei Bogen und drei Spitzen bestehenden Umgebung des Landsberger Schildes der einen Seite nannte man sie auch Spitzgroschen. Nach der fürstlichen Verordnung sollten 20 einem Rh. Gulden gleich sein und einer 9 Pfg. gelten, sie stiegen aber in einigen Gegenden bald auf 15 und 18 Pfennige. Am 26. April kaufte der Rat das Wasser der Hausmühle von dem Müller Sebastian für 100 alte Schocke. Hierunter war auch der Hof, ein Viertel Landes hinter diesem und weiter nach dem heiligen Brunnen zu, eine Wiese begriffen. Man versprach ihm aber Hof und Viertel Landes abzumessen und gegen 15 Gr. jährlichen Zins zu vererben, die Wiese jedoch nur als der Stadt-Zins-Laßgut für 40 Gr. jährlich, wenn er es nicht etwa erblich abkaufte, zu überlassen. Am 13. September ward ihm Hof und Viertel Landes abgemessen und versteckt, angewiesen mit der Bedingung des Vorkaufes und sollte es der Stadt frei stehen, wenn sie es in Nachgezeiten nötig fände, den durch das vererbte Grundstück führenden Wasserlauf oder Gestrenge zu räumen, den Schlamm auf das Grundstück zu werfen und der Besitzter bei der Räumung helfen. Das an die Kirche zu gebende Schock zahlte von nun an der Rat. Heinrich Spigel auf Zschortau, erhielt jährlich vom Zolle 30 Gr. (von den Paken stammend), diese Abgabe kaufte ihm der Rat am 25. Mai für 30 Rh. Gulden ab. Auch kaufte er von Stephan Mewes eine Hufe Landes auf Gertitzer Mark für 22 Schock 20 Gr. Sie war Frei-Mannlehn. Der Blitz schlug in den auf der Mitte des Daches stehenden Turm der Stadtkirche, zerstörte die Spille der Spitze, beschädigte auf seinem Gang das mitternächtliche Dach des Schiffes, und fuhr an dem Fenster der mitternächtlichen Seite, wo der Altar Jakobi stand, zwischen der Kreuz-Kapelle und dem Eingange in das Schiff nieder, ohne Entzündung. Die Nachricht hiervon erhielt sich in den Rechnungen durch den veranlaßten Aufwand. In der Rechnung des Rates: "Den Pulsanten (Läutern) vor bier do was weiter in die Kirchenn slugk VIII gr." Die Kirche aber verrechnete an Ausbesserung: 6 1/2 Gr. zu einer Säule in die Spitze auf der Kirche - Arbeitslohn dem Zimmerer Georg die Spitze zu kleiden, den Sparren und eine Säule einzuziehen - dem Schieferdecker, Spitze und Dach zu decken 2 ½ Schock - dem Fenstermacher Matthiae von dem Fenster über dem Altare Jakobi 1 Schock. Der fürstliche Lehnbrief über die Schademühle ist vom 11. August (Lipczk am Freitage nach Sent Laurencii) und berechtiget die Stadt, das Wasser bis an die Wohnung des Müllers, und des Orts, wo die Mühle gestanden, nach Belieben zu nützen, einen Grundschutz zu ziehen, oder zu Erledigung ihres Wassers im Stadtgraben einen Abgang zu halten. Niemand soll sie zu ewigen Zeiten daran hindern, ihnen das Wasser abgraben, hier oder an einem anderen Orts obinwendig (aufwärts) ihrer Mühle (der Stadtmühle) eine Mühle anlegen, wodurch die ihrige geschwächt würde. Dieser Lehnbrief kostete in der Kanzlei 4 Rh. Gulden und 6 Silbergroschen für Wachs.

Am 7. September starb der PfarrerHerman Westfal, auch Westual, ein geborner Westphale, aus dem Paderbornischen und in Paderborn zum geistlichen Stande gebildet. Er war schon 1409 Vikar und Kalandherr hiesiger Stadt, versiegelte 1423 im Auftrage den Nachlaß des Pfarrers Stellmecher, hatte 1428 die Pfarre in Zschortau und besorgte das hiesige Pfarramt für den fürstlichen Kanzler Georg von Hugewicz, der ihm durch seinen Einfluß zu dem Amte selbst, das er selbst seiner übrigen Geschäfte und daher sich steigenden Einkünfte wegen aufgab, 1437 behilflich war. Im Jahre 1446 erteilte ihm auf fürstliches Gesuch der Erzbischof Friedrich zu Magdeburg das Commissariat für hiesige Lande, Magdeburgischer Diözes, und machte er sich durch Auswirkung fürstlicher und bischöflicher Gunstbriefe zu milder Förderung des Kirchenbaues, und durch das Vermächtnis seiner Bücher um die Kirche wohl verdient. Am Rathause ward die Lauke, ein unterirdisches Gefängnis für gefährliche Verbrecher, der hinterste Grund gegen den Hof mit dem Vorende über der Lauke, unter des Ratsherren und Bauvorstehers Martin Kirchhof, Aufsicht durch den Maurer Amme ausgeführt, welcher gegen 20 Schock Lohn erhielt. Zu diesem Baue und neuen Ankäufen borgte der 50 Rh. Gulden vom Hospitale, 200 Rh. Gulden vom Bürger Augustin Schulze in Leipzig und 200 Rh. Gulden von Dr. Johannes Euderitsch daselbst, diese zu 10 Rh. Gulden jährlicher Verzinsung. Die Schuldverschreibung gegen diese ist vom 4. Oktober. In den über die Zinsen gestellten Quittungen schrieb er sich Johes (Johannes) Ewderitsch von Lipczk, war aus Euderitsch bei Leipzig gebürtig und sein eigentlicher Name Meise. Er lehrte in Leipzig , wo er studiert hatte, als Magister Philosophie, ward 1461 Rektor der Universität, 1466 Collegiat des großen Collegium, Lehrer der Theologie, starb am 12. Februar 1491 und fand in der Nicolaikirche seinen Ruheplatz. Der Rat borgte 1487 noch 280 Rh. Gulden zu 14 Rh. Gulden Zins von ihm, und wird bei diesem Jahre gesagt werden, an wen nach seinem Tode infolge von Stiftungen die Zinsen bezahlt worden sind. Aus dem Nachlasse des Kantors erhielt die Kirche Mantel und Kogel (cucullum), vom Prediger Paul ein Buch: Scholasticam historiam, vom Pfarrer Westual aber sämtliche Bücher als Vermächtnis. Im Frauenhause (Bordelle) brach Feuer aus, ward aber sogleich gelöscht. Dem unvermögenden Rats-Kämmerer Dietrich Naumann verehrte man ein Kleid. Einer, der zwei graue Tuche gestohlen hatte, war mit dem Strange hingerichtet, abgeschnitten und begraben. Auf die 1466 den Fürsten geliehene Hauptsumme erhielt die Stadt in diesem Jahre 516 Rh. Gulden zurück, vom Ungelde aber kam in die Kasse 41 Schock 52 Gr. 5 Pfg.

1476
Der Amt- und Hauptmann Otto von Schidingen (er war es zugleich in Zoerbig und Bitterfeld, früher, 1456 in Wittenberg) verglich am 31. Januar die Kupsalischen Erben, ging dann mit dem Landvoigte Bernd (Bernhard) von Schoenberg von hier nach Dresden und von da am 5. März mit dem Herzoge Albrecht und Begleitern, 119 an der Zahl, in das heilige Land. Auf dem Rückwege, und kurz nach der Abfahrt von Joppe starb er am 11. August und sein Leichnam mußte wegen großer Hitze und drohender Gefahr der See überlassen werden. Er war ein Sohn des Christoph von Schidingen, als Mensch und Krieger ausgezeichnet, Liebling des Herzogs und wahrer tätiger Freund dieser Stadt, deren neuer Bruderschaft er noch ein Vermächtnis von 50 Rh. Gulden hinterließ. Stadt und Angehörige (Gattin: Anna von Einsiedel, Kinder: Hans, Otto, Lucia, Elisabeth, Anna und Martha) vorzüglich der Sohn Hans, nach ihm hiesiger Hauptmann, setzten ihm daher das an der Stadtkirche neben dem Eingange in die mittägige Kapelle noch bestehende steinerne Denkmal (Cenotaphium) mit ganzem Bilde im Harnisch, doch unbehelmt. Der von Plauen hatte Mordbrenner ausgesendet und warnten die Fürsten gegen folgende Personen: Georg Gelhoer ist gefangen, Schauwenflegel ist ihr Hauptmann, geht mit einem Krame und bettelt mit; Matthaeus Wallenlanden ist ein fahrender Schüler; Caspar Trappe trägt sich mit einem Krame und bettelt mit; Hans Franke geht auch mit einem Krame, Georg von Dautsch geht in langen Kleidern als ein Schreiber, Cunz Spangenberger trägt sich mit einem Netze als ein fahrender Schüler und ist von Spangenberg aus Hessen, Georg Papelbier ist auch der Gesellen einer; Georg von Schmalkau trägt sich mit einem Krame am Halse; Friedrich Holandt desgleichen, Gürtel und Messer; Hans Hesse ist ein Junggeselle und geht betteln. Am 16. August lieferte die Stadt viel Betten nach Leipzig auf das Schloß, wo der Landgraf Wilhelm, seine Tochter Margarethe und viele thüringischen Vasallen mit den Landesfürsten und Freunden zusammentrafen, um zur Hochzeitsfeier nach Berlin abzugeben. Der D. Johannes Morman in Leipzig, hatte sich 1470, als er dem Rate 300 Rh. Gulden auf Leibzins lieh, bedungen, daß man ihm ein Begängnis halten sollte, wenn bei seinem Tode das Kapital nicht völlig ausgegeben sei, und veranstaltete der Rat die Gedächtnisfeier in diesem Jahre, wo er in der zweiten Hälftegestorben sein muß. Der Rat brauchte ihn früher in der Stadt Angelegenheiten und er kommt gewöhnlich unter dem Namen D. de Ratisbona (wie 1460) in den Rechnungen vor. Er war von Regensburg, in Leipzig zum Gelehrten gebildet, Magister, Lehrer der Philosophie und Theologie. des geistlichen Rechts, 1450 der Universität Rektor und eine Zeitlang fürstlicher Rat -einer der ausgezeichnetsten Theologen und Redner seiner Zeit, von dem die Leipziger UniversitätsBibliothek noch Schriften hat. 40 Trabanten nach Radegast und Folge nach Bernburg. Wegen des Zolles in Rydeburg war man in Leipzig und Giebichenstein. Die im vorigen Jahre von Stephan Mebes erkaufte Freihufe vererbte der Rat für 98 Rh. Gulden und einem jährlichen Erbzins von 20 Gr. an den Bürgermeister Pancratius Schebe. Die lockende Ausbeute der Schneeberger Bergwerke bewog auch den Rat mit den Bürgermeistern Schebe, Werdt und dem Stadtschreiber für 600 Gulden Bergteile anzukaufen, von welchen die Stadt die Hälfte behielt. Mehrere alte Kapitale wurden abgezahlt, dagegen 1550 Gulden, als 50 Gulden von Wenceslaus Finis einem Delitzscher, 500 Gulden von der Sonnewaldin in Torgau, 1000 Gulden von dem Bürger Michael Ropptsch allda, von neuem erborget, und meistens zu dem Baue des Rathauses bestimmt. Einer entführte Matthaeus Krügers Mädchen, ein Kind von 12 Jahren und gab 6 Gulden Strafe. Andreas Winter von Grassow, eine Meile von Herzberg (ein Wende) ward mit einer falschen, zwei Daumen breit kürzeren Elle begriffen und mußte ebenfalls 6 Gulden zu Wandel und Buße erlegen. Auch die Schuh- und Ackerknechte verbüßten unerlaubtes Spiel mit 1 Schocke, für welches man zwei hochfüßige Schenkkannen anschaffte. Der D. Werner Wyke in Leipzig erließ der Stadt von seinen jährlichen Leibzinsen 5 Gulden zum Besten der Armen, und der Rat kaufte dafür unter andern auch Ern Heinrich dem Barfüßer (aus hiesiger Barfüßer-Terminei in der Badergasse) eine Bekleidung (Kappe) für 48 Gr. Paul Tyle von der Sprotte legte 14 Rh. Gulden bei der Kirche nieder und gab sie ihr auf den Todesfall, desgleichen die Kurenackin 10 Rh. Gulden. An die Stelle des verstorbenen Caspar Gottschalk wurden zwei, Clemens Becker und Nicolaus Wagenknecht zu Vorstehern des Hospitals erwählt.

1477
Die Räte des Herzoges und Landgrafen Wilhelm waren hier. Quedlinburg, welches sich gegen die Äbtissin. Schwester des Kurfürsten, auflehnte, ward vom Kurfürsten belagert, erobert und zum Gehorsam gebracht. Hiesiger Stadt kostete die Heerfahrt dafür 75 1/2 Schock. Der Maurer Georg Amme mauerte 24 Ruten am Rathause über der Erde und erhielt für die Rute 1 Schock zum Lohn, 9 1/2 Schock für das Gewölbe unter der Brücke am hohen Turme. auch besserte er den Turm am Viehtore und die Galgenbrücke. Der Adel (die erbaren) hatte in Fastnachten seinen Hof und nahmen Torgauer Bier. Martin Koerbitz, einjunger Mensch, brach zum Scherz in einen Kramladen des Leginlichtischen Hauses, nahm einen Korb Feigen und einen brauen Rock ... und trug das an anderswohin, ward darüber ergriffen, aber auf Vorbitte der Geistlichen, des Gieitsmannes und anderer des Gefängnisses (wegen seiner Unwissenheit, Torheit und Kindheit) entlassen und sollte die Stadt meiden, es wäre denn, daß er zu Priesterschaft geordnet würde. Der Rat verkaufte das Mühlhaus, welches früher Peter Sachse hatte, bis an den Unterschied an den Zimmermann George Müller für 17 Rh. Gulden. Das Mühlhaus hatte, seitdem die Stadtmühle außerhalb der Stadt angelegt worden war, nur den Namen behalten, war aber längst vererbt, und kaufte es der Rat 1473 von dem damaligen Besitzer Peter Sachse zurück. Es macht den Anfang des vierten Viertels, denn hier stand die alte Stadtmühle, und die nach dem Pakischen Freihofe, oder der Doktorei führenden Gasse hatte derzeit den Namen Mühlgasse von ihr. Die Kriebenstein, Ehefrau des Ratsherren Johann Kriebenstein vermachte der Kirche 6 Rh. Gulden und die Caspar Bornack schenkte 40 Gr. dahin. Der Ritter Thomas Gray kam aus Ungarn, wo er "sich aus türkischer Gefangenschaft gelöset hatte" und erhielt den Ehrenwein. Der Scheffel Weizen (hiesigen Maßes) galt 3, der Scheffel Roggen und Hafer 2 Groschen. Vom Ungelde kam in die Kasse 40 Schock 47 Gr. 4 Pfg.

1478
Martin Nussmann, der mit der Buderneckin Ehebruch getrieben, mußte 2 Rh. Gulden büßen, seine Güter verkaufen und wegziehen. Auch Lucas Schmidt, der seines Bruders Tochter beschlief, auf Vorbitte des Fürsten aus dem Gefängnis kam, mußte seine Güter verkaufen und die Stadt meiden, nachdem er dem Rate als Strafe 2 Schock hallische Scheffel ungelöschten Kalkes gegeben und frei angefahren hatte. Man versuchte an der Stadtmühle auch eine Walkmühle anzubringen, besah mit den Gewerken die Walkmühle in Leipzig, ließ auch den Bau durch den Zimmermann Martin Müller anfangen, man findet aber nicht, daß das Werk fortgesetzt worden sei. Sechs Schützen mit dem Zieler, vier Pferden und zwei Knechten gingen sonntags nach Bartholomä zu einem Schützenhofe nach Geiten und blieben vier Tage weg. Es ward eine Brauordnung festgesetzt, aus der einiges in die späteren Ordnungen übergegangen ist. Der Bau am Rathause beschränkte sich in diesem Jahre auf die Bänke, und sorgte der Rat zu Absetzung älterer Schulden und fortgesetztem Baue 600 Rh. Gulden von Brigitte Sonnenwaldin in Torgau, welches Kapital zu einer geistlichen Stiftung von der Gläubigerin bestimmt, 1532 an die Vikarien in Torgau wieder abgezahlt ward. Der Markgraf Albrecht war Petri Pauli hier und zog mit hiesigem Zeuge und Trabanten in die Mark, der Rat verehrte ihm Torgauisches Bier. Auch erhielten der Doktor Otto Spigel, Kanzler, dessen Bruder Dietrich und die Mutter in Granau gesessen, als sie hier eintrafen, einen Lägel Rheinfall zum Geschenk. Ähnliche Verehrungen wurden dem Bischofe von Merseburg, dem von Schwarzburg Hohenstein, dem Hauptmanne von Leipzig Nicolaus Pflug, Heinrich Laser und dem hiesigen Gleitmanne Albrecht Preyting zuteil. Die Hurenwirtin (Aufseherin des Frauenhauses, Bordells) wurde vom Scharfrichter Thomas verhört - der Tortur unterworfen. Die Kirche kaufte Jacob Finis Brauhaus mit aller Gerechtigkeit, ohne Zins, für 50 Rh. Gulden in Golde. Der Born soll dem Verkäufer zum Gebrauche gegen Unterhaltung des Schwengels, der Säule und des Geschränkes überlassen sein. Die Schule war noch mit Schindeln gedeckt. Der Zimmermann Martin fertigte für die Kirche die Krone (Kronleuchter), da man die Lichter aufsteckt in dem Advent. Der neue Küster Peter Volle ward mit seinem Geräte von Halle abgeholt. Des Rates Anteil vom Ungelde betrug 49 Schock.

1479
Der Hauptmann Hans von Schidingen zahlte das von seinem Vater Otto von Schidingen der Fraternität der Neuen Brüder ansgesetzte Legat von 50 Rh. Gulden und der Rat vermehrte es bis 100 Rh. Gulden, welche er an Conrad Heiler zum besten der Gesellschaft auf Zinsen auslieh. Die Kirchrechnungen von 1472 bis 79 wurden abgenommen geistlicherseits von dem Stellvertreter des Pfarrers Daniel Porgk, Urbanus (Ludicke) Pfarrer in Zschortau und hiesigen Altaristen, mit dem man als Courentor nicht zufrieden war. Fünf Gesellen von hier arbeiteten in Wittenberg (wahrscheinlich an der Brücke oder Befestigung) und erhielten vom hiesigen Rate ihren Lohn. In Bendorf wurde die neue Glocke geweihet und gab der Rat ein Faß Torgauisches Bier. Am Rathause arbeitete meistens der Steinmetz Johannes -den Grund unter der Säule ziehen, Unterzüge - die Versetzung der Anfänge - Kragsteine, Bilder - vom Zimmermeister Martin aber ward die Säule unter dem Unterzuge gefertiget, mit Schnitzwerk und Wappen, an welche man die öffentlichen Bekanntmachungen hing. Ein neuer Wagebalken mit allem Zubehör, den man aus Nürnberg kommen ließ, kostete 8 Gulden. Nicolaus der Mahler (Bildhauer) fertigte zwei Taufbecken, die der Stadtkirche mit gesprenge und Ölfarben - vergoldet auf das schönste - (allirschonste). Der Buchdrucker Lucas Brant, auch Brand und Brandt, ein geborener Delitzscher, welcher von 1465 an in Leipzig studierte, später daselbst und in Merseburg druckte, verkaufte der Kirche ein Missal auf Pergament für 14 Rh. Gulden (soll eingebunden sein, beschlagen und mit einem Crucifixe illuminieret). Derselbe überlieferte auch ein papiernes Missal für 6 Rh. Gulden und war in Pfingsten persönlich hier. Ein Unbekannter schenkte der Stadtkirche 7 Schock 50 Gr. Urban war Ostern, Ambrosius Miachaelis Organist. Der Küster Thomas an der Frauenkirche starb und der Klerus ward von Wittenberg geholt. Ein Moritz Reichinstein hatte sich bei den Fürsten beschweret, daß er vom hiesigen Gleitsmanne (des Schlosses) und anderen gedrängt worden sei, und um Abhörung von Zeugen gebeten und erging deshalb an den Rat den 18. März eine fürstliche Zuschrift. Der Scheffel Korn galt 2 Gr., Hafer 1 Gr. 10 Pfg. Der Graf Woldemar von Anhalt war mit den Fürsten hier, kam aus Ungarn, desgleichen der Hauptmann Hans von Schidingen und erhielten Verehrung an Wein. Desgleichen der Bischof von Meißen bei zweimaliger Anwesenheit. Der Dechant zu Halberstadt Johann von Querfurt, Nicolaus Pflug und der Fürsten Mutter von Altenburg.

1480
Die Garküche (Gasbude) an der Ecke des Marktes bei dem Brauhause, ward für 5 Gulden jährlich an Valentin Puff ausgetan. Er sollte garmachen von Ostern bis Martini und in des Rates Solde als Koch mit in die Heerfahrt ziehen. Hans von Schidingen und Dippolt von Schoenfeld waren in diesem Jahre Vorsteher des adligen Hofes, veranstalteten ein Stechen auf dem hiesigen Markte zu Fastnachten und baten den Rat in einem Schreiben um günstigen Beistand. Der Rat sorgte für mögliche Bequemlichkeit und verehrte ein Faß Naumburger Bier. Auch schenkte er den Barfüßer Mönchen zu ihrer Convocation, als sie einen neuen Minister wählten, einen Ochsen, 5 Gulden oder 1 Schock 45 Gr. am Wert. Vom neuen Jahre bis Lätare, wo das Brauen aufhörte, wurden 128 Gebräude, das Gebräude zu 60 Scheffeln Delitzscher Maßes, gebrauet, davon 33 Gr. - machen 70 Schock 24 Gr. Ungeld. Der Einbringung fremden Bieres wegen durch die Krüger, Schenkwirte, der Pflege war man zu zwei verschiedenen Malen bei dem Herzoge Albrecht, und am 9. Juni wurden von zwei Knechten des Hauptmannes, vom Knechte des Gleitsmannes, vom Landsknechte und 12 Trabanten die Krüge untersucht. Auf Zuschrift der Fürsten mußten am 1. Juli dreißig Fußknechte, zwei Reitende und zwei Heerfahrtswagen ausgerüstet werden und stellten je vier Hausbesitzer einen Mann. Zu welchem Zwecke, ist nicht angegeben. Man schaffte dazu eine neue Heerfahne (panir) von 9 1/4 Elle Zindel roten Parchan und seidenen Borten, und versah einen Fußknecht Georg Günther, der mitziehen sollte, mit Rocke, Hosen und Streiflingen. Bisher hatten die Stadtwagen Bedürfnisse aller Art von bezeichneten, oft entlegenen Orten abfahren und dem fürstlichen Hoflager zuführen müssen, mit dem seit einigen Jahren sich befestigenden, bleibenden Aufenthalte der Fürsten in Dresden aber traf man die Einrichtung, daß man zu Anführung der Bedürfnisse des Hofes die Städte bestimmte, denen sie nahe waren, daher hiesige Stadt von nun an in der Regel nur zu Anfuhr des Salzes von Halle gebraucht ward. Der Küster, welcher bei Eidesleistungen das Kästchen mit den Hei1igen (Reliquien) brachte (auf das beim Schwur die drei Finger der rechten Hand legte), erhielt jedesmal 3 Pfennige. Otto Pak vermachte den Kirchen der Stadt 6 Rh. Gulden und sein Grab ward auf Kosten der Kirche geordnet. Sein Sohn Heinrich v. Pak (Hauptmann hiesiger Stadt 1486-1505), nahm auf seines Vaters Begängnis vom Rat ein Faß Torgauisches Bier. Ein unbekannter Wohltäter (eyn gut mensche) gab beiden Kirchen 131 Rheinische und 4 Ungarische Gulden, ein anderer 23 Schock große Groschen, Judenköpfe und Groschen mit den großen Schilden, auch 2 Schock zweischildige Groschen, die Tapertin aber Haus und Hof, und was darinnen gewesen, Korn, Weizen, Hafer, Bier, drei Tische, Kühlfässer, halbfuderige Fässer usw. Auch muß sich die Ehefrau des Michael Kurznack wohltätig gegen die Kirche erwiesen haben, weil man aus dem Kirchenvermögen 3 Schock 5 Gr. 7 Pfg. den Priestern, Schulmeister, Küstern - für Brot, Bier, Fische bei dem Begräbnisse, 2 Schock 30 Gr. 3 Pfg. Präsenz, Brot, Bier, Fleisch und was dazu gehört auf die vier Wochen ausgegeben hat. Auf dem Rathause ward die neue Stube (dornze) mit vier Fenstern , die man wegen der eichenen Bohlen auch Bohlstube nannte, zustande gebracht und der Meister gelohnt. Die Schuhmacher erhielten ihren lnnungsbrief. George Boettcher, der ohne ein Zeichen zu haben, also ohne Erlaubnis, Feuer zum Brauen angezündet hatte, mußte 10 Scheffel Hafer Strafe geben, und der Knecht eines Schweineschneiders, Nicolaus aus Lommatzsch, ward mit dem Strange hingerichtet, weil er der Poritzsch eine Tiare, einen Schleier und eine Badekappe entwendet hatte. Der Scheffel galt 3 Gr., Korn 2 Gr. 1 Pfg., Hafer 1 Gr. 7 Pfg.

1481
Auf Schrift der Fürsten besuchte der Ratsmann Johannes Lobda mit dem Stadtschreiber den Landtag in Dresden auf acht Tage, auf welchem Landtage Hilfe wider die Türken beschlossen ward. Auch war in der Woche vor Judica ein Städtetag in Leipzig - wegen der Münze - auf welchem der Bürgermeister Pancratius Schebe, Lobda und der Stadtschreiber teilnahm. In einem Hintergebäude der Breiten Gasse brach Feuer aus, welches einen Teil der Breiten Gasse und die ganze Hintergasse mit Anhang zerstörte. Man hatte Verdacht, daß es angelegt sei, brachte auch einen Fremden in Untersuchung, die aber ohne Erfolg blieb. Die Gertitzer waren beim Löschen vorzüglich tätig und erhielten die Löscher Brot, Heringe, Wurst und Bier. Den Verunglückten verschaffte man durch eine Reise zu den Fürsten Abgaben-Erleichterung und Holz, auch sammelte man für sie das Almosen. Man hielt auch wegen des Feuers mehrere Wochen einen Wächter auf der Kirche, auf den Türmen und mehrere Zirkelwächter. Vor der Hausmühle ein neuer Schutz - in der Hallischen Gasse (bei Nummer 49) ein neuer Brunnen - und vor dem Hallischen Tore (zwischen dem Hospitale und dem Stadtgraben) für die Armbrustschützen eine neue Zielstätte. Wegen Besetzung des Altars Catharinä war der Rat mit dem Pfarrer bei dem Ordinarius, welcher über das Recht der Vorbete zwischen beiden entscheiden sollte. Der Rat verlangte sie mit Recht für sich, der Pfarrer aber behauptete, sie gehöre dem Bischofe und wollte daher den Rat von der Besetzung ausschließen. Der Streit ward jedoch nicht diesmal, sondern erst 1521 durch herzogliche und erzbischöfliche Räte günstig fürden Rat entschieden. Den Altar erhielt jetzt der Pfarrer Urban Ludicke und aus der Ratskasse jährlich 16 Gulden. Kommissarius des geistlichen Gerichts war Johannes Hun, welcher auf Ansuchen des Schützmeisters Friedrich den Kapellan des gestrengen Helfferich von Meken (Mekow) wegen eines Vermächtnisses als Zeugen abhörte. Dieser Helfferich von Meckow nahm in diesem Jahre auf sein Heimbringen 1 Faß Torgauisches Bier vom Rate. Auch Otto von Dieskau, auf Dieskau richtete hier seine Hochzeit aus. In der ersten Hälfte des Jahres war Ambrosius, in der zweiten Urban Organist. Ambrosius, der alte Küster, beschäftigte sich mit Vergoldung der Kerzen und Bilder. Die Bäcker wurden dreimals wegen mangels an Brot bestraft. Der Doktor Valentin Schmiedeberg (Arzt) in Leipzig, Doktor Otto Spigel, Hauptmann Nicolaus Pflug und Otto von Dieskau, auf Dieskau erhielten den Ehrenwein. Ein armer Gesell hatte einen Mantel in Loeberitz gestohlen und ward von Hans Oesterreicher, dem neuen Scharfrichter, in Leipzig gehenkt.  Der Probst und Hausvogt vom Petersberge besaßen eine Scheune in der Vorstadt, traten sie aber wegen Steinschuld an den Rat ab. Der Papst Sixtus (IV.) erneuerte das von seinen Vorfahren den Markgrafen von Meißen und sächsichen Fürsten gegebene Privilegium, daß ihre Untertanen ihren eigentlichen Richter nicht durch frevele Eingriffe auswärtiger Gerichte, namentlich nicht der geistlichen Richter, wenn sie nicht für den speziellen Fall vom geistlichen Stuhle Auftrag erhielten, entzogen werden sollten. Es galt diese päpstliche Verordnung hauptsächlich auch den Femgerichten, die aber nichts desto weniger ihr angemaßtes Recht zu behaupten suchten, oft mit den geistlichen Behörden gemeinschaftliche Sache machten, und bis zur Reformation beiderseits durch Achtsandrohungen und Interdikte der Rechtspflege hinderlich und dem Beutel der Untertanen sehr bescherlich waren. Die Äbte zu Chemnitz und Saalfeld und der Probst des Thomasklosters in Leipzig erhielten in dieser Verordnung Gewalt, auf Ansuchen gegen die, die sich auflehnten, mit dem geistlichen Banne ohne Berücksichtigung der Applation zu verfahren.

1482
Die bisherigen Landtagsbeschwerden über den unsicheren Wert der verschiedenen, der Gangbarkeit nicht ganz zu entziehenden Münzen, über zur Ungebühr gesteigerte Arbeits- und Gesindelöhne, über unmäßige Beköstigung des Gesindes, überhandnehmenden Luxus in Kleidung und Schmauserein, Beeinträchtigung der Städte durch ländliche Brauereien und Handwerker, veranlaßten am 15. April die Veröffentlichung einer der tüchtigsten Polizeiordnungen ihrer Zeit, die sich unter dem Namen: Landes- und Polizeiordnung lange im Werte hielt. Hinsichtlich der Münze setzte sie die seit 1475 geschlagenen silbernen Groschen als Hauptwehrschaft, den Groschen zu 12 Pfennigen, den Rheinischen Gulden zu 20 Groschen, zur Entscheidung (Scheidemünze) aber die kleinere geprägte Münze zur Hälfte dieses Wertes fest, erlaubte jedoch, wegen des Verkehres mit den Nachbarländern, auch die Annahme der Böhmischen, Mittel- und Schwertgroschen, deren Wert nach dem Verhältnisse ihres Gehaltes zu der neuen Münze, der Böhmischen - und Mittelgroschen zu 11 Pfg., der Schwertgroschen zu 5'/, Pfg. (neuer Münze) bestimmt ward. Von der Unmäßigkeit der Arbeitslöhne wird man sich einen Begriff machen, wenn man in dieser Ordnung

3 Schock 20 Gr. für den Großknecht,
1 Schock 40 Gr. für eine große Magd,
1 Schock 20 Gr. für eine gewöhnliche Magd außer der Kost jährlichen Lohn;
27 Gr. für einen Polirer,
23 Gr. für einen Gesellen,
16 Gr. für einen Handlanger

Wochenlohn ausgesetzt sieht und den Wert des Roggens in Betrachtung zieht, von dem der Scheffel nach hiesigem, steinernen (dem neuesten, halben Dresdener Scheffel gleichenden) Maße durchschnittlich nie über 23/4 Gr. galt. Auch wundert man sich nicht wenig, wenn die bisher gewöhnliche Kost der Hilfsarbeiter, des Gesindes (mittags und abends), auf vier Essen, an Fleischtagen auf Suppe, zweierlei Fleisch, zwei Gemüse; an Festtagen auf Suppe zweierlei Fische, grüne und dürre, zwei Gemüse, das Zwischenessen aber, Frühstück- und Vesperbrot, auf Brot und Käse herabgesetzt wird, und der Kirmesvater nur fünfzehn Gäste haben und diese nur mit fünf Gerichten mittags, und vieren abends vergnügen soll. Ebenso befremdend ist es, wenn das Gesetz adeligen Jungfrauen Kleider mit zweielligen Schleppen versagt, andere zu anderthalbhundert Gülden aber gestattet, Rittern und Bürgern Kleider zu 40 und 30 Gülden, den bürgerlichen Frauen und Jungfrauen einen Hauptschmuck von dreißig Gülden zu tragen Erlaubnis gibt. In Wahrheit ein alle Grenzen übersteigender Luxus, der nur zum Teil durch den reichen Ertrag der Bergwerke und durch Anhäufung des baren Geldes erklärlich wird. Die Ritterschaft der Umgegend beschwerte sich gegen die Stadt und ihr Privilegium der Biermeile, hauptsächlich gegen die amtliche Aufsuchung des fremden Bieres, eigentlich also gegen das neue Polizeigesetz; die Beschwerde verursachte Reisen zu dem Fürsten, hatte aber sonst, wie Recht, keinen Erfolg. In Gerltitz (Görlitz) ward die Hofstätte geräumt und zu Acker gemacht, viele und gute Steine, die man fand, schaffte man in die Stadt. Man brachte 27 Gülden zu einer Heerfahrt nach Sagen aus und 5 1/2 Gulden Beitrag der Abgebrannten ward erlassen. Diese erhielten auch von Kurfürsten 30 Stämme, halb eichenes, halb aspenes Holz. In der Vorstadt geschah ein Mord an einem Leineweber, auch brach bei der Schäferei daselbst Feuer aus, welches nicht um sich griff, und erhielt der Knecht des Bürgermeisters Schebe, welcher das erste Wasserfaß brachte, acht Groschen. Die Stadt traf ein starkes Hagelwetter, welches unter anderem auch die Kirchenfenster hart beschädigte, und für Ausbesserung durch den Meister Matthaeus den Spetener (Glaser) eine Ausgabe von mehreren Schocken verursachte. Wahrscheinlich gingen damals die Schilde und Bilder von gemaltem Glase, die in den Fenstern des Chores angebracht waren, und viel gekostet hatten, verloren. Der hiesige Goldschmidt Michael Bonichen fertigte und vergoldete zwei silberne Kelche mit den Patenen, auch ein Pacificale (osculatorium ein mit einem Griffe versehenes Rundtäfelchen von Silber mit angeheftetem, vergoldeten Kruzifix, das nach der Kommunion zum Kusse des Friedens, gemeinschaftlicher Liebe, dargereicht und von allen geküßt wurde, da man das früher übliche gegenseitige Küssen nicht mehr ratsam fand). Der Markgraf Johannes (Hans) war Lätare hier auf dem Schlosse, erhielt Ehrenwein und brachte man in der Stadt die nötigen Betten aus. Benedictus Hartmann, der Sohn des hiesigen Bürgers Martin Hartmann, ein angehender Geistlicher, später Kapellan des Dietrich Spigel auf Grunau, Altarist auf hiesigem Schlosse, Vikar des Altares Barbaras und Kalandherr, hielt seine erste Messe, und schenkte ihm den Rat ein Viertel Torgauisches Bier. Er starb 1513 mit dem Lobe erfüllter Dienstpflicht. Der Rathmarsdorfin, Mutter des Ritters Hans Schiek, einer Wohltäterin der Kirche und Gläubigerin der Stadt, welche am l. August hier starb, ward ein feierliches Begängnis gehalten. Herzog Wilhelm (Landgraf in Thüringen) starb am 17. September und fiel sein Land den Neffen, Kurfürsten Ernst und Herzogen Albrecht zu. Um die nach des Herzogs Wilhelm Tode zu fürchtende Teilung der Länder zu hindern, ward der 1480 festgesetzte Jahresgehalt des Herzogs um 3000 Rh. Gulden erhöhet und dazu auch die Stadt Delitzsch mit ihren Einkünften am 5. September an ihn überwiesen. Der Herzog Albrecht verlangte nun auch in einer Schrift, am 10. November von dem Rate die Ablieferung der Steuern.

1483
Im Mai und Juni war große Hitze ohne Regen, in vielen Gegenden verdarb das Getreide gänzlich und es entstand drückende Teuerung. Überall bat man auf das flehentlichste in den Kirchen um Regen, stellte Betfahrten an und auch hierher kamen am 20. Juni Frauen und Jungfrauen von Eilenburg und dem ganzen Stuhle Golm barfuß, mit aufgelösten Haaren und geringer Kleidung. welche nicht nur unter Vortragung von Kreuzen, Kerzen. Fahnen und Bildern der Heiligen öffentlich um Abwendung göttlichen Zornes und Gewährung gnädigen Regens laut beteten und sonderliche Lieder absangen, sondern auch mit dem begleitenden Volke in die Kirchen zogen und an den daselbst durch die Geistlichen angestellten Bußfeierlichkeiten teilnahmen. Nach Endigung derselben wurden sie vom Rate mit Wein und Bier beschenkt und von den Bürgern freundlichst bewirtet. Die Not war vorzüglich groß in dem niederen Deutschland und Böhmen, wo die vorjährige Ernte schon kärglich gewesen war, und es wurden daher 4000 Scheffel Roggen aufgekauft und teil nach Hamburg abgeführt. Der Preis des Getreides stieg über das Doppelte. Die Kurfürstin kam von Giebichenstein, wo sie ihren Sohn, den Erzbischof Ernst besucht hatte, hierher. Ein Wächter auf dem Kirchturme mußte ihre Ankunft melden, man ging ihr entgegen und bewirtete sie. Am 22. September war auch der Erzbischof Ernst mit seinem Bruder Herzog Johann hier, und am 25. der Erzbischof allein mit Gefolge. Man fand in der Kirche ein Kind, welches nach Leipzig gebracht wurde. Die Schwester des Otto Spigel, Margarete, hielt in Leipzig Hochzeit, der Rat wurde dazu geladen, nahm teil und verehrte einen Lägel Malvasier und zwei Faß Torgauisches Bier - am Werte 8 Rh. Gulden 12 Gr. Bisher hatte man in der Ziegelei nur Mauersteine gebrannt, jetzt wollte man auch die Fertigung von Dachsteinen versuchen, änderte den Ziegelofen, nahm einen neuen, in der Dachsteinbereitung versuchten Ziegler an, und borgte zu dieser Umänderung und Deckung der Rathausdörnze durch den Maurer Martin von Leipzig 100 Rh. Gulden vom Richter Caspar Bornack. Die Kirchen erhielten auch in diesem Jahre einige Vermächtnisse, zwei Rh. Gulden von der Elisabeth Pake, 6 Rh. Gulden von der Otto Pake, 3 Rh. Gulden 29 Gr. und einen gebrochenen Nobel zu einem Meßgeräte aus dem Testamente der Peter Teuerkornin. Die Orgeln der beiden Kirchen besserte Hans der Orgelbauer von Merseburg. auch ward der große zinnerne Leuchter der Stadtkirche mit 12 Pfund Zinn (am Werte 36 Gr.) Zusatz umgegossen - Arbeitslohn 1 Schock. Die Minoriten gaben aus der Ablaßkiste 21 Böhmische Groschen an die Kirche.

1484
Im Monat März amtierte hier der Weihbischof von Magdeburg. Die von der Mißernte des vorigen Jahres erzeugte Hungersnot begleitete eine gefährliche ansteckende Krankheit, die in Bayern, Schwaben und Österreich schon Ende vorigen Jahres um sich griff, in diesem Jahre aber durch Flüchtige und Kaufleute nach Leipzig gebracht wurde, von da aus sie sich im ganzen Lande verbreitete und so wütete, daß mancher Ort fast ein Drittel seiner Bevölkerung verlor. Der Anfang eines Briefes des Magister Nicolaus Lobda, Kollegiaten des großen Kollegiums in Leipzig an hiesigen Rat berührt die schreckliche Lage der Stadt Leipzig. Auch hier fand sich die Krankheit im Spätsommer ein und es starben daran der Bürgermeister Pancratius Schebe, dessen Sohn, der Vikar Johann Schebe, der Pleban Magister Lampertus, Er. Matthaeus Stoye, die Ratsherren Clemens Becker, Johann Lobda und seine Gattin, Werner Tyme, Martin Kirchhof, Paul Weinschenke und Mauritius Brolaff, Nicolaus Borer, Burkhard Doering und der Küster Kilian Heidik, kaiserlicher Notar. Man darf sich nicht verwundern, wenn der große Haufe in so verzweifungsvoller Lage alles ergriff, was ihm zur Rettung dienlich schien, und namentlich die Kirche bot. Man machte daher nicht nur in der Nähe Kreuz- und Betfahrten zu wundertätigen heiligen Bildern, wie von Gollm und Landsberg eine hierdurch nach der Eiche zog, sondern besuchte auch in Masse von Tausenden das entferntere, der Beschwerlichkeit wegen für heilsamer gehaltene Heiligtum, namentlich die blutende Hostie oder das Wunderblut in Wilsnack, einer Stadt in der Priegnitzmark. Da in diesem Jahre selbst der Kurfürst Ernst mit seinem Sohne Friedrich am 11. Mai von hier aus dahin ritt, wie in der Kämmereirechnung bemerkt ist, so dürfte eine kurze Nachricht von diesem Heiligtume nicht überflüssig sein. Im Jahre 1383 überfielen Räuber das Dorf Wilsnack, in der Priegnitzmark, plünderten und brannten es nieder. Der Pfarrer Johannes fand mit Staunen in den Mauern der ausgebrannten Kirche nicht nur die Wachskerzen des Altars und die Bücher unversehrt, sondern auch drei blutschwitzende Hostien zusammengeklebt, machte dieses Wunder bekannt und man glaubte es. Bischof und Papst bestätigten das Wunder, das Volk ward zu Wallfahrten dahin angeregt und erhielt für jede Meile Weges vierzehntägigen Ablaß, für jeden Gang um die Kirche des Fegefeuers vierzigtägige Minderung. Der Zulauf war ungemein, kein Stand, selbst der fürstliche nicht, ward vermißt, Tausende kamen auf einmal und bereicherten das Dorf, welches sich bald zu Stadt erhob. Die höhere Geistlichkeit, welche davon Nutzen zog, schwieg zu den unsinnigsten Wundererdichtungen der niederen und ihre Unverschämtheit, die endlich die dargebrachten Geschenke auf Waagen wog und die Sündenvergebung nach dem Gewichte bestimmte. Nicht die schmähliche Unzucht, die sich dort und auf der Reise offenbarte, nicht der Ausspruch der Universitäten, über die Nichtigkeit des Wunders, auch die Einwirkung des Papstes nicht, der auf Anregung der anderwärts beteiligten Geistlichkeit, durch Legaten die Sache für bedenklich darstellen ließ, vermochte dem Zulaufe Abbruch zu tun, er vermehrte sich nur, stieg 1475, 1484 und 1487 bis zum Unsinn, erhielt sich selbst zur Zeit der Reformation bis endlich 1552 der Pfarrer in Wilsnack, Joachim Ellefeld, mit größter Gefahr das sinnenverwirrende Heiligtum ins Feuer warf. Leuinus Finis, ein Sohn des Bürgers Leuinus Finis, Oeischläger und Händler und deshalb auch Leuinus Oelschläger genannt, der von 1477 in Leipzig studiert hatte, hielt seine erste Messe und ward vom Rate mit einem Fasse Bier beschenkt. Mr. Nicolaus Lobda ward Vormund der von seinem Bruder, dem Gleitsmanne Johann Lobda hinterlassenen Kinder. Der neue Probst vom Petersberge, Er. Gisselberg, war hier. Eine neue Chorkappe (Meßgewand), die man für die Kirche anschaffte, von Sammet mit Leisten (goldenen Tressen), Schilde und Knauf, kostete 51 Rh. Gulden, 17 Gr. 7 Pfg.; auch erhielt sie zwei leinene Alben, ein Rauchfaß, einen Taufkessel und einen langen Kasten zur Aufbewahrung des Schmucks. Einer aus Creuma erschlug Bastian Schusters Vater und ward zu Elberitz hingerichtet. Vier Schock 51 Gr. erhielten die Abgebrannten von der Jahrrente Vergütung. Der Küster "Unserer lieben Frauen" empfing 8 Gr. von der Betegocke. Ein Scheffel Roggen galt 7 bis 8 Gr., Hafer 5 Gr. Der im Laufe dieses Jahres gestorbene Bürgermeister Pancratius Schebe hatte der Stadtkirche eine halbe Hufe auf Robitzmark letztwillig beschieden, welche 1486 an Hans Meissner verkauft wurde.

1485
Am 26. August kam Delitzsch bei der Länderteilung in Leipzig, die nicht sowohl durch eine Gemütsverstimmung der fürstlichen Brüder, als durch Bedürfnis des Herzogs Albrecht, der einen glänzenden kriegerischen Apparat liebte, eine Tochter auszustatten und für heranwachsende Söhne zu sorgen hatte, herbeigeführt ward, an den Herzog Albrecht. Nach dem Rechte teile der Kurfürst, der Herzog aber wählte. Die Markgrafenschaft Meißen war Hauptbestandteil der einen, Thüringen der anderen Hälfte. Vom Osterlande glich man beide, gegen teilweise Übernahme gemeinschaftlicher Schulden, aus; auch legte man, um das Getrennte einigermaßen wieder zu binden, einige thüringische Städte mit ihren Pflegen der meißnischen, und von dieser Besitzungen der thüringischen Hälfte zu. Der Kurfürst wünschte freilich, das mit dem Kurkreise so eng verbundene Meißen und man legte daher, um dem wählenden Herzoge die thüringsche Hälfte annehmlicher zu machen, dieser noch 100 000 Rh. Gulden von dem Besitzer der meißnischen zu. Zum Verdrusse des Kurfürsten wählte jedoch dieser Meißen und dieser Verdruß ward zwar gemildert durch die Zeit, doch nie ganz unterdrückt. Auch Herzog Albrecht war unwillig, als man die nach seiner Meinung teilpflichtige Pfalz Sachsen mit dem Burggrafentum Magdeburg dem Herzogtum Sachsen zusprach und der Teilung entzog.

1486
Das Haus auf der Pfeffermühle kaufte vom Rate Hans Stift von Gertitz. Der Bürger Fiedler ward vor das heimliche Gericht geladen und ginge deshalb der Notar (Stadtschreiber) und viere des Rates nach Halle. In diesem Jahre verwaltete Simon Vater das Pfarramt. Er war hier geboren und sein Vater Andreas Bürgermeister. Vom Jahre 1444 an studierte er in Leipzig und hielt 1447 hier seine erste Messe, dann erhielt er das Pfarramt in Benndorf und kam Ende vorigen Jahres als Pfarrer hierher, wo er in diesem Jahre starb. Georg Kropheuser, ein Bruder des Stadtschreibers Anton Kropheuser, war Rektor und bezog zwar in diesem Jahre die Einkünfte des Altars Catharinae, hielt aber erst 1487 seine erste Messe und beschenkte ihn der Rat mit einem Fasse Torgauisches Bier. Ein Unbekannter gab zu einer grünen Casel 15 Rh. Gulden, die Kirche legte 11 Rh. Gulden zu, schaffte sie an und ließ sie weihen in Merseburg. Auch bekam sie an Vermächtnissen 6 Rh. Gulden und eine Kuh von der ehelichen Wirtin des Simon Poyde, 2 Rh. Gulden von Simon Bader. Der Wein hatte durch späte Fröste sehr gelitten, daher man dem Pachter des Weinberges der Frauenkirche am Pachtgelde erließ. Der Scheffel Roggen hiesigen Maßes galt 2 1/2 Gr., Hafer 1 5/6 Gr. Der Stadtschreiber Anton Kropheuser ward Ratsherr. Am 15. Dezember verlangte der Herzog Albrecht durch George von Stinitz, Dietrich von Schoenberg und Hans von Mynkewitz, Ritter, daß das zum neuen Jahr fällige Ungeld nach Leipzig gebracht und neben Hans Gunterode an sie gegen Quittung abgeliefert werden solle. Am 29. Juli gingen vier Ratsherren auf Schrift des Herzoges zu dem Landtage in Leipzig, in demselben Monate ebenfalls auf Schrift des Herzogs 10 Trabanten nach Halberstadt, welche 14 Tage ausblieben und einen Aufwand von 6 Schocke 13 Gr. 4 Pfg. verursachten. Man schickte dem Erzbischofe Ernst zu Magdeburg Hilfe, gegen den sich diese Stadt ungehorsam erwies. Die Brücken am Vieh- und Galgentore wurden neu gebauet, die alte Ratsstube ohne das Oberhaus an das Hospital für 12/3 Schock verkauf. Die Bürgermeister waren in Grimma auf einem Tage gegen den Vogt in Celle. Am 29. Oktober begrub man die toten Gebeine, d. h. man leerte das an der Frauenkirche befindliche Beinhaus, in welchem zugleich ein neues Kruzifix aufgestellt wurde. Man verrichtete hier Gebete für die Verstorbenen. Zu derselbenZeitwardauchderneue Turm auf der Frauenkirche fertig mit Glockenstuhl. Der Herzog verordnete, daß die Jahrrente in zwei Terminen, donnerstags in der Leipziger Oster- und Michaelismesse ohne weitere Aufforderung gezahlt werden sollte, und verbot am 2. November bei Strafe den Verkehr mit fremder Münze. Der bisherige Amt- und Hauptmann Hans von Schidingen kam als solcher nach Quedlinburg und Heinrich von Pak hier an dessen Stelle. Georg Winters Eheweib, die aus Unvernunft unzüchtige Worte von der tugendsamen ehrbaren Frau, der Haushofmeisterin auf dem Schlosse geredet hatte, gab 20 Scheffel Hafer und der Müller Hans von Neuendorf, der an dem Bürgermeister in seinem Hause frevelte, 30 Scheffel Hafer Strafe. Der Scheffel Roggen galt 2 Gr. 6 Pfg., Hafer 2 Gr. Heinrich Wolfram Baccalaureus, neuer Stadtschreiber. Er war in Delitzsch geboren und sein Vater, der Notar und Ratsherr Laurentius Wolfram. Er trat 1496 in den Rat, ward 1501 Bürgermeister und starb 1519 kinderlos.

1487
In diesem Jahre findet sich die erste Spur vom Fastenmarkte (Jahrmarkte ) sonnabens vor Invokavit und trugen 34 Gr. Stättegeld. Fastenmärkte (Märkte, an denen Fastenspeisen, hauptsächlich grüner trockener Fische und Heringe, feilgehalten wurden) gab es von jeher durch die ganze Fastenzeit, und war der sonnabens von Invokavit immer der besuchteste. Von nun an aber nehmen nicht nur fremde Fischkrämer teil, sondern man bot auch andere Waren wie an den übrigen Jahrmärkten feil, und überstieg die Einnahme vom Stättegelde, wenn die Witterung günstig war, nicht selten die des Spätsommermarktes, der in diesem Jahre nur 9 Gr. Stättegeld einbrachte. Wirklicher Jahrmarkt ward er 1550. Der Bürgermeister Nicolaus Cramer und der Ratsschreiber huldeten als Bevollmächtigte des Rates , den Räten der Landgrafen von Hessen, Wilhelm des Älteren, Wilhelm des Mittleren, Gebrüder, und Wilhelm des Jüngsten, ihren Vettern in Leipzig - auf die lange, hergebrachte Erbverbrüderung - zugleich mit den übrigen Städten des Osterlandes, Leipzig, Zörbig, Weißenfels, Freiburg, Mügeln, Pegau, Groitzsch u. a. und erhielten von den hessischen Räten einen Brief ihrer Fürsten, worinnen sie die Privilegien und Freiheiten der huldigenden Städte bestätigten, der im Originale bei dem Rate in Leipzig blieb, von diesem aber in beglaubten Abschriften den übrigen mitgeteilt ward. Der. Dr. Werner Wyke schenkte von seinen Leibzinsen der Stadt 30 Rh. Gulden. Der Rat sollte sie jährlich mit 1'/, Rh. Gulden verzinsen und 1 Gulden dem Prediger, 1/2 Gulden hausarmen Leuten geben. Der Herzog Albrecht, abwesend im Kriegsdienste für den Kaiser Friedrich und dessen Sohn Maximilian gegen die Ungarn, die Österreich bedrängten, und die Niederländer, welche sich auflehnten, sollte auf Verlangen des Kurfürsten Friedrich und seines Bruders Johannes die von der Teilung her schuldigen 50 000 Rh. Gulden (denn soweit war die eigentliche Schuldt von 100 000 Rh. Gulden durch Abtretung der Stadt und Pflege Jena herabgekommen) zahlen, und war genötigt, die Summe durch Darlehen zu decken. Der Bischof Johannes von Meißen und Bruno von Querfurt waren beauftragt, das Geld aufzubringen, und kam der Bischof in dieser Angelegenheit auch hierher, wo sich der Rat nach langer Weigerung zu einem Beitrage von 1000 Rh. Gulden verstehen mußte. Er borgte dazu 650 Rh. Gulden vom Nonnenkloster St. Georg in Leipzig (nämlich 400 Rh. Gulden von Clara Scudes, Äbtissin, Elisabeth von Dieskau, Priorin, Anna Ochlitz, Unterpriorin, Christina Melwitz, Kämmerin, Cisterzienser -. Ordens, 100 Rh. Gulden von Anna Schebin, Tochter des Bürgermeisters Schebe von hier; 50 Rh. Gulden von Anna Tannenberger, Kämmerin, und 100 Rh. Gulden von Margarethe von Koenneritz, Küsterin); 100 Rh. Gulden von Lucas Nossig und 280 Rh. Gulden von Dr. Johannes Ewderitzsch in Leipzig. Er sollte zwar die Zinsen der 1000 Rh. Gulden jährlich von der Jahrrente in Abzug bringen, es geschah aber nur kurze Zeit, die Jahrrente ward zu Bedürfnissen voll verlangt und mußte die Stadt die Zinsen tragen. Der. Dr. Ewderitzsch hatte schon 1475 der Stadt 200 Rh. Gulden geliehen, die Zinsen an ihn betrugen nunjährlich 24 Rh. Gulden und wurden bis 12. Februar 1491 (an welchem Tage er starb) an ihn, von da an aber infolge seiner letztwilligen Verfügungen an die Altaristen der Nicolaikirche in Leipzig bezahlt, die davon, besage ihrer Zuschriften an den Rat, 4 Rh. Gulden zu einem Stipendium für ein Stadtkind aus Hayna, welches in Leipzig studierte, abzugeben hatten. Die Altaristen der Nicolaikirche empfingen also 10 Rh. Gulden von dem ersten Kapitale der 200 Rh. Gulden, die in der Urkunde schon für sie verschrieben waren. Von dem letzten der 280 Rh. Gulden, aber nur 10 Rh. Gulden und gaben die übrigen vier Rh. Gulden an den Stipendiaten aus Hayna ab. Der Müller Benedict hatte einen Fischkasten im Stadtgraben und gab davon jährlich 20 Gr. an den Rat. Auf Schrift der Bischöfe zu Meißen und Merseburg mußten in des Herzogs Abwesenheit 2 Trabanten nach Sagan und ein reitender Knecht mit Dr. Pake dahingeschickt werden, ein neues Zelt, das man bei dieser Gelegenheit anschaffte, kostete 9 Schocke. Die Schützen erhielten (außer den 39 Groschen, die man ihnen an 13 Sonntagen von Trinitatis zu ihren Übungen aus der Ratskasse gab) auch noch 10 Gr. zum Vogel. Der Kurfürst Friedrich und sein Bruder Johannes waren hier und verehrte ihnen der Rat Fische und ein Faß Torgauisches Bier- auch gab es ein Stechen auf dem Markte. Von nun an kommt auch statt der bisherigen Benennung Herzog die richtiger bezeichnende Kurfürst in den Rechnungen vor. Michael von Luckowehna besuchte an einem Heiligentage, am Tage Elisabeth, das freie Haus (Bordell) und mußte mit 30 Scheffeln Hafer verbüßen. Der Rat mußte das Haus des Gleitsmannes Conrad Heller für 100 Rh. Gulden Schuld annehmen, und die Kirche verkaufte Hans Probstes Haus (Nr. 50 des zweiten Viertels), Hof, Brauhaus mit allem Gefäße, für 23 Schocke, zahlte auch den Vorstehern der Enelenden (fremder Kranken) 3 Schocke, die für sie aus der erkauften Besitzung hafteten. Im Rosentale legte der Rat einen neuen Steg, die jetzige Schafbrücke. Mit der Müller Martin rechtete man um die Pfeffermühle und hatte dieser den Dr. Spigel zu seinem Vorsprecher. Dem armen Ratsherren Kuno Keule gab man aus der Strafe ein Kleid zu Ehren von 6 Ellen - kostete 28 Gr. Die Ratsherren verzehrten bei außerordentlichen Sitzungen etwas an Wein und Bier. welches früher in der Kämmereirechnung verrechnet, seit einiger Zeit aber vom Vorsteherdes Kellers vom Gewinn an Getränk in Abzug, der Gewinn aber überhaupt in der Kämmereirechnung angegeben und mit der Kellerrechnung belegt ward. Auf Anordnung erschien jedoch diese Ausgabe, welche in diesem Jahre 4 Schock 14 Gr. 7 Pfg. betrug. Am 2. Februar war ein Landtag vor dem Herzoge in Leipzig, woran zwei Bürgermeister und der Stadtschreiber teilnahmen, und ein zweiter in Naumburg, wo die Bürgermeister Nicolaus Cramer und Anton Kropheuser zugegen waren. Valentin Huske ward Bürger und brachte drei unversprochene (denen niemand widersprochen hatte) Männer, die bei ihrem Eide versicherten, daß er recht und ehelich geboren sei. Der Scheffel Roggen galt 2 Gr. 10 Pfg., Hafer 2 Gr. 6 Pfg- 1 Schock Stroh 5 Gr.

1488
Die Becker ließen es am Aschermittwochstage an Brot, Semmeln, Brezeln und Homaffen fehlen (durch ihren eigene Mutwillen). gaben zwar diese Mal noch die alte Strafe nach ihrem Innungsbriefe, sollten aber bei Wiederholungen härter bestraft werden. Die vier Landstände waren in Dresden versammelt, auch in Weißenfels, die Städte besonders in Leipzig wegen der neuen Steuer, die der Herzog verlangte. Es war eine Vermögenssteuer, die in den Städten eins vom Hundert der Abschätzung (nach Schocken) betrug. Die Ritterschaft mußte zwei Teile der Zinsen aufbringen, die Städte einen nach Erkenntnis derherzoglichen Räte. Der Rat mußte daher von zwei Schocken Zoll, die er den Paken zu geben hatte, zwei Teile zur Steuer mithin 1 Schock 20 Gr. geben. Peter von Krostewitz zu Lemsau (Lemsel) borgte von dem Rat zu seiner Notdurft 20 Rh. Gulden am Montage nach Petri Paul (dem 30. Juni) des Jahres und trat ihm statt der Zinsen von den Freiheiten seines Rittergutes den Salz- und Topfzoll, den er in der Stadt hatte, bis zur Rückzahlung des Kapitals in einer Verschreibung von genanntem Tage ab. Dieser Zoll war ein Stättegeld an Markttagen von irdenem Geschirr aller Art und vom Salzverkauf, und gab der Topfverkäufer an jedem Markttage einen alten Pfennig, der Salzhändler aber einen Jahrzins von 1 1/2 Schock Eiern, Fastnachten, Johannis und Michaelis zu gleicher Anzahl fällig. Wer nicht um den Jahreszins verkaufte, gab ein Maß Salz, vier alte Pfennige am Wert. Man hielt auch in diesem Jahre ein Stechen auf dem Markte und ein Handarbeiter, welcher den Sand wieder zusammenkrickete. erhielt 8 Gr. Der vormalige Stadtschreiber, jetzt Mitglied des Rates und Bürgermeister, Anton Krophheuser, erkrankte. ward von einem Arzte aus Leipzig auf Kosten des Rates besorgt, starb aber und beschied der Kirche 2 Schock. Sein Bruder Georg Kropheuser nahm eine Hufe auf Weißig in Lehen und die Witwe kaufte von dem Rate das Heergewette mit Pferde für 3 Schocke zurück. Der Prozeß mit dem Müller Martin um die Pfeffermühle ward fortgeführt und diente dem Rate der Rechtsgelehrte Johann Eilberg aus Leipzig. Die Zinsen von dem Kapitale der 1000 Rh. Gulden, die man im vorigen Jahre für den Herzog ausbringen mußte, konnten nur auf einen Termin von der Jahrrente in Abzug gebracht werden, der Rat mußte die Verzinsung übernehmen und dem Herzog quittieren. Zu dem Kapitale aber mußte er noch 600 Rh. Gulden aufnehmen und an den Rentmeister (auch Zehentner) Jacob Blasbalk in Leipzig abliefern, zur Unterstützung jedoch die Steuer anziehen, soviel sie auszurichten vermögend war. Die Witwe des Conrad Heller trat dem Rate für Schuld ihr Brauhaus in der Judengasse hinter dem Rathause ab, und dieser nahm von jedem Gebräude 6 Gr. Brauzins. Der Dr. Werner Wyke schenkte auch in diesem Jahre 15 Rh. Gulden seiner Leibzinsen zu den 30 Rh. Gulden vorigen Jahres fürden Prediger und die Armen der Stadt. Die Stadtmühle ward mit einem neuen Gewölbe und Gerinne versehen und gab man dem Bauaufseher für viele Mühe und Versäumnis dabei ein besonderes Geschenk. Hans Strentzsch, ein Bürger der Hallischen Gasse, schwängerte seine Magd und mißbrauchte sie während der Schwangerschaft wider ihren Willen so unmenschlich, daß sie mit dem Kinde in der Geburt starb, flüchtete und ward verwiesen. Die Herren des Rates erhielten aus der Ratskasse an hohen Festen Kränze und verzehrten in einer Collation für 10 Pfg. Kirschen. Der Scheffel Roggen galt 2 bis 2 1/2 Gr., Hafer 1 Gr. 4 Pfg., eine Mandel Stroh 1 Gr.

1489
Am 17. Februar war der Erzbischof Ernst zu Magdeburg hier und erhielt ein Faß Torgauisches Bier Verehrung. Man hatte von ihm die Bestätigung der Lesemesse für die schon längere Zeit Stiftungen an Geld vorrätig lagen, und Ablaßbriefe für die Förderer dieses Altares erbeten, und er erteilte sie. Man zahlte für den Bestätigungsbrief (Bulle) 2 Rh. Gulden in die erzbischöfliche Kammer, der Aufwand im ganzen aber betrug 21 Schock 42 Gr. - und erhielt die Kirche dazu von den Handwerken und anderen wohltätigen Personen 5 Schocke 29 Gr. Vom 1. März bis 17. Mai hielt man 20 Trabanten in Senftenberg. Jeder empfing wöchentlich 14 Gr. Die Bürger gaben zu Unterhaltung derselben 42 Schock 20 Gr. und 2 Schock 40 Gr. legte der Rat hinzu. Auch bekamen sie bei ihrer Rückkunft aus des Rats Keller ein viertel Bier. Der Rat gewann den Prozeß gegen den Müller Martin wegen der Pfeffermühle, zahlte aber 1 Schock zu den Kosten auf Vorbitte des Hauptmannes, welches Dr. Spigel für den Müller in Empfang nahm. Die ehrbare Mannschaft (der Adel) hatte auch in diesem Jahre eine festliche Zusammenkunft (Hof) in der Stadt und ein Stechen auf dem Markte, der deshalb mit Sand bedeckt ward. Der Dr. Werner Wyke erließ wieder von seinen diesjährigen Leibzinsen 20 Rh. Gulden zu Unterstützung der Armen und des Predigtamts. Die Schützen erhielten zu ihrem Vogelschießen am 1. Sonntage nach Trinitatis 21 Gr. aus der Ratskasse und 30 Gr. von Trinitatis bis Bartholomaei, an jedem Sonntage 3 Gr. zu ihren Übungen in dem Schützengraben. Oswald Knopp frevelte und heischte Carl Spigeln sich mit ihm zu schlagen, welches bei Verlust des Bürgerrechts verboten war. Er schlug dazu das Bürgerrecht aus und gab 5 Schock Strafe. Von einer andächtigen Person (die unbekannt bleiben wollte) kamen 10 Rh. Gulden an die Kirche und durch die letztwillige Verordnung der Mildin 2 Schock. Der Scheffel Roggen galt 3 1/4 Gr., der Scheffel Hafer 2 Gr.

1490
In diesem Jahre ward der seit längerer Zeit unterbrochene Bau am Turm der Stadtkirche fortgesetzt und 18 Schock auf Maurerarbeit verwendet. Das Rats Ziegelscheune lieferte dazu 10 500 Stück Mauerziegel. Für eine große Laterne, die man dem Sakramente vorträgt, gab man 5 Gr. Zwischen dem Rate und Stadtrichter Matthias Gerlach war Zwietracht, man holte deshalb den fürstlichen Hofmeister aus Leipzig, der die Sache gütlich beilegte. Die Peutnerin besaß auf Gerltitz (Görlitz) ein Stück Holz, Acker und Wiese, welches ihr der Rat für 54 Rh. Gulden an Golde 22 Schock 24 Gr. abkaufte und diese Besitzung zu der Spröde zog. In dieser wurden 3'/, Schock Ruten Graben gehoben und für die Rute 1 Gr. bezahlt. Zu gleicher Zeit räumte man auch den Gertitzer Bach, vom Tonnenborne an (der Hauptquelle) bis zum Einflusse in den Stadtgraben. Die Edelleute hielten abermals einen Hof und Stechen und nahmen vom Rat Torgauisches Bier. Im Spätjahre ward auch in hiesiger Stadtkirche das Kreuz des Jubel- Gnaden- und Ablaßjahres bei zahlreicher Versammlung des städtischen ländlichen Klerus, der Ritterschaft und Ortsbehörden, auch großem Andrange des Volkes durch den Kommissarius Liborius Lesche aufgerichtet. Dieser (von 1506-30 Pleban in Wurzen) erhielt während seiner Anwesenheit Geschenke an Wein, und gab aus dem Ablaßkasten bei seinem Abgange der Kirche 1 Rh. Gulden zum Turmbaue. Die Kirche schaffte zu Prozessionen eine neue Fahne von rotem seidenen Damastgewebe mit seidenen Locken, Borten, auch silbernem und vergoldeten Sterne an, welcher ihr gegen 11 Schock zu stehen kam. Sebastian Erich, ein Böttcher, brachte den Martin Kotzkau um und verglich sich mit dem Bruderdes Ermordeten Thomas Kotzkau vor Gericht. Er versprach 100 Vigilien und 100 Seelenmessen, eine Achfahrt mit seines selber Leibe (in eigener Person), einen Stein Wachs zur Ehre Gottes (in die Kirche), Setzung eines steinernen Kreuzes, drei oder vier Ellen hoch, und das Leibzeichen zu bestätigen nach 12 Priestern und 12 Gesellen, jeglichem Gesell eine Kerze von einem halben Pfund Wachs, eine Romfahrt zu lösen, jetzt dieweile das goldene Jahr hier zu Delitzsch stehet. - Übrigens 10 silberne Schocke zu Kirchen und Gotteshäusern nach Anweisung Thomas Kotzkau oder seiner Freundschaft. Die Kirche erhielt aber 13 Schock nach der Anweisung und 1497 die ersten vier Schock. Die Witwe des Nicolaus Borer vermachte der Kirche eine halbe Hufe auf Rubacher Mark, am Lissaer Fahrwege, und Susanna, die Witwe des Bürgermeisters Pancratius Schebe beiden Kirchen 10 Rh. Gulden. Der Scheffel Roggen galt 2 1/2 , der Hafer 2 Gr.

1491
Der Rat kaufte von Leonhard von Schidingen den Kä1bersta11 in der Kohlgasse, welchen er dem Hauptmanne Otto von Schidingen 1471 mit der Bedingung des Vorkaufs abgelassen hatte, für 20 Rh. Gulden zurück. Die Städte hatten wegen häufiger Eingriffe in die Biermeile durch Einbringung fremden Bieres neue Beschwerden, die sie auf einem Städtetage in Leipzig zur Sprache brachten. Hiesige Stadt verklagte sogar den Hauptmann Dr. Pak, welcher in Untersuchung des Kruges in Zwochau, wo die meisten gesetzwidrigen Einschleifungen fremder Biere vorfielen, säumig war, und eine Trift zum Nachteile der Stadt begünstigte, und dadurch eine Reise zu dem Herzoge Georg um nochmalige Bestätigung des Privilegium veranlaßte, mit dem glücklichsten Erfolge, wiewohl ihm die Ritterschaft mit vereinten Kräften entgegentrat. Der Rathausbau ward wieder lebhaft betrieben. Der Mauerer Meister Andreas von Rochlitz fertigte die Ratsstube mit dem Gewölbe, brachte die Fensterstöcke (von Rochlitzer Stein), die er in Rochlitz zubereitet hatte, hierher und erhielt für diese 26 ½ Gulden, für die Maurerarbeit an Ort und Stelle aber, mit 14 Schocken im Gedinge, weil er dafür nicht bauen konnte, 21 silberne Schocken, überdies aber für sich und seine Gehilfen ein Trinkgeld und wegen seines Fleisses und tüchtiger Arbeit 7 Ellen rotes Tuch, die Elle 6 Gr. am Wert. Am Turme der Stadtkirche aber ward die oberste Etage durch die Zimmermeister Wenzel und Hans Moller und den Maurer George Amme vollendet, und die südliche und nördliche Mauer einstweilen mit Aufschieblingen gedeckt. Die eisernen Anker in der Mauer kosteten 4 Schock. Der Rat lieferte hierzu 8400 Stück Mauerziegel ohne Entgelt. Auch ließ die Kirche ein neues großes Kreuz zur Aufstellung in der Mitte der Kirche von einem Leipziger Künstler für 16 Gulden in Golde fertigen, und der Weihbischof und Kapellan weiheten es mit einem geringen Aufwande von 12 12 Groschen. Es ist noch vorhanden und jetzt hinter des Rats Betstube aufgehängt. Andächtige Personen gaben zu diesem Kreuze 3 1/2 Schock. Überdies empfingen die Kirchen an Vermächtnissen: 1 Schock die Stadt- und 20 Gr. die Frauenkirche von der George W irtin; 40 Gr. die Stadt- und ebensoviel die Frauenkirche von Lucas Richter; ebensoviel gab der Kleinschmidt Valentin Groeschner, und Anna, die Gattin des Bürgermeisters Caspar Bornack setzte jener 6 dieser 2 Schock in ihrem Testamente aus. Man verdingte auch in diesem Jahre eine neue Tafel (Bilderaufsatz) auf dem Lesemeßaltar. Am Tage Viti (15. Juni) früh gegen vier Uhr brach in Dresden bei einem Bäcker in der großen Webergasse Feuer aus, welches die Hälfte der Stadt mit der Kreuzkirche und allen Glocken gänzlich zerstörte. Dasselbe Unglück traf tags darauf die Pirnaische Gasse der Vorstadt. Bürger von da erbaten hier das Almosen für die Kirche und es ward ihnen reichlich gewähret, der Rat aber legte einen Rheinischen Gulden aus der gemeinen Kasse zu. Den Schützen, welche nach Torgau zu einem Schützenhofe zogen, gab der Rat 1 Schock Reisegeld. Dem Marschalle Hans von Münkwitz, welcher die Stadt in Beziehung auf ihr Recht der Biermeile begünstigte, verehrte man, als er hier war, Fische, roten und blanken Wein - Rheinfall. Auch in diesem Jahre erließ der Dr. Werner Wieke 30 Rh. Gulden Leibzinsen zum Besten der Armen und des Predigtamts. Die Stadt war mit dem Interdikt belegt, die Ursache ist unbekannt, und reisten deshalb Herren des Rates zu dem Erzbischofe nach Giebichenstein. Der Bürgermeister Caspar Bornack (er starb als amtierender Bürgermeister künftigen Jahres) legte 100 Rh. Gulden auf dem Rathause nieder, und bestimmte, daß bis zur Ausleihung jährlich 1 Schock an die Vorsteher der Lesemesse gegeben werden sollte zu Veranstaltung einer Messe wöchentlich durch den Altaristen ihres Altares. Eine Tonne schlechter, der Gesundheit nachteiliger Heringe des Michael Homuth ward öffentlich auf dem Markte verbrannt, der Besitzer des Viehes, welches ohne Aufsicht umherging, mit 15 Gr. bestraft. Der Gutsbsitzer Winter in Kyhna, welcher den Ratsherren Kune (Conrad) Keul, in seinem eigenen Hause schlug, gab 20 Scheffel Hafer, auf so viel ihm die Strafe auf Vorbitte des Hauptmannes ermäßigt ward. An der Hausmühle ward ein neuer Damm aufgeführt. Der Hundehitzler (Hundeschläger) erhielt 7 1/2 Gr. in der Fastenzeit, wo er in der Regel tätig war. Den Ziganen (Zigeunern), die lange nicht hier gewesen, gab man, daß sie wegzogen, 10 Gr. Küster war Urbanus. Ein Scheffel Roggen galt 2 1/2 Hafer 2 Gr.

1492
Claus Wieprecht, ein Verlobter wie es scheint, schwängerte ein Mädchen, die Hynnin genannt und verbüßte es nach der Willkür mit 5 silbernen Schocken, wiederholte das Verbrechen als Ehemann (1496) und gab 8 Schock Strafe. Ostern spielte der Stadtschreiber mit den Seinen die Passion, und schenkte ihnen der Rat ein Faß Delitzscher Bier. Der Zulauf war so groß, daß man 2 Tage in den Toren besondere Wächter anstellen mußte. In der Rechnung der Enelenden (Siechen) wird des Sterbens erwähnt, die Art der Krankheit aber nicht angegeben. Die Witwe des gewesenen Bürgermeisters Anton Kropheuser, Gertrud, schenkte zu einer neuen Tafel (einen Bilderaufsatz) auf den Hochmeßaltar 170 Rh. Gulden. Für dieses Geld fertigte sie Johannis ein Maler in Leipzig, dem man noch bei Ablieferung und Aufstellung 2 Rh. Gulden in Golde und seinen Gehilfen 1 Rh. Gulden in Golde Trinkgeld gab. Sie ward im folgenden Jahre durch den Suffragen geweiht und aufgestellt. Jetzt befindet sich auf der Emporkirche hinter des Rates Betstube, wohin sie bei Errichtung des neuen, durch die Herzoginwitwe Christiane 1693 beschafften Altares gebracht worden ist. Der Rat zahlte 500 Rh. Gulden Kapital an Michael Ropptsch in Torgau zurück. An Vermächtnissen erhielten die Kirchen von Conrad Heller 1 Schock die Stadt - und 1 Schock die Frauenkirche, von Caspar Bornack (der als amtierender Bürgermeister in diesem Jahre starb) ebensoviel, von Nicolaus Goere I Schock die Stadt- und 10 Gr. die Frauenkirche, überdies aber noch eine Hufe Feld vor dem Hallischen Tore, die nach seines Sohnes George Tode der Stadtkirche zufallen sollte. Die Kirchenvorsteher kauften jedoch dieses Leibgedinge dem Sohne für 30 Rh. Goldgulden im folgenden Jahre ab, und nutzte sie als unbeschränktes Eigentum. Wegen des Altares des Heiligen Kreuzes war man bei Dietrich Spiegel in Gruna. Der Scheffel Roggen galt 3 1/4 bis 4, der Scheffel Hafer 3 Gr.

1493
Der Rat vererbte eine wüste Stätte hinter dem Hirtenhause, die vorzeiten dem Hospitale geschenkt sein sollte, damit sie nutzbar würde an Schake gegen Übernahme von Abgaben - 4 Gr. an das Hospital, 2 Gr. an den Rat und 2 Gr. Wächtergeld - und unter der Bedingung, daß ein freier Gang hinter der Scheune gelassen werde. An dem Markte in den Gehöften Caspar Spigels und Caspar Buns, Nr. 68 und 70, brach Feuer aus und erhielten die, die das erste Löschgerät brachten, 9 Gr., die fremden Löschenden aber ein Viertel Bier. Dem Schützenmeister gab man 7 Ellen rotes Gewand am Werte 28 Gr. Der Dr. Werner Wicke erließ auch in diesem Jahre zum besten der Armen 30 Rh. Gulden von seinen Leibzinsen. Lorenz Wolfram beschied letztwillig jeder Kirche 20 Gr. Der Scheffel Roggen galt 3 1/4, der Hafer 3 Gr.

1494
Der Gattin des Hauptmannes Heinrich von Pak schenkte man im Wochenbette ein Viertel Torgauisches Bier, ihm selbst aber ein Stübchen süßen Weines, weil er sich um den Streit mit Schenkenberg wegen des Kossebruchs zum Vorteile der Stadt zu enden, viel Mühe gab. Da während eines Interdikts Gestorbene die Gottesäcker entweiheten, so mußten sie nach Aufhebung desselben wieder geweihet oder reconciiert werden, und dieses geschah dieses Mal hier mit Vergünstigung des Erzbischofes durch den Suffragen oder Weihbischof aus Merseburg, welchem man 38 Gr. Verehrung gab. Der Rat, welcher 1474 dem Müller Benedict das Wasser, welches seiner Mühle (der Schademühle) zufloß, mit der Mühlgerechtigkeit mit Genehmigung des Fürsten abgekauft hatte, kaufte nun auch für 5 silberne Schocke 20 Gr. dessen Hofstätte mit Garten, den Wassergang mit Weiden in dessen Bereich, und das Gras eines Fahrweges breit, das auf der Schloßwiese stehet, und scheidet die Länge auf der Wiese von Peter Bauers Garten bis an die Schademüh1e, wobei er die jährliche Angabe an das Schloß, 30 Gr. und zwei Kapphähne mit übernahm. Er verpachtete aber dieses Grundstück sogleich an Balthasar Berndt für jährlich 40 Gr. Von dieser Besitzung siehe 1507. Der Ilgin hatte dem Rate und dem Gotteshause ihr Haus (Nr. 140) letztwillig beschieden, und verkaufte es dem Rat für 4 Rh. Gulden zu gemeinschaftlicher Teilung. Von hier aus ging eine Kreuzfahrt, an der auch die umliegenden Dörfer teilnahmen, nach Landsberg, und gab der Rat hierzu für 2 Schocke Brot, 2 ½ Schock Eier und 2 Fässer Bier. Krankheiten und Teuerung, denn der Scheffel Roggen galt 8 auch 8 1/4 Gr., Hafer 3 Gr. (eine Folge vorjähriger Dürre) mochten wohl die Veranlassung sein. Der Schützenmeister Johannes von Leipzig besorgte die hiesige Rüstung und kam einen Sonntag um den anderen hier an, erhielt außer dem Lohne noch 8 Ellen Hofgewand am Werte 32 Gr. Ambrosius Koch aus Neustadt wurde mit dem Strange hingerichtet, George Reif beging mit der Kribenstein Ehebruch, trat aus und weil er sich der Bürgschaft des Jacob Feris und Anton Schebe ungeachtet binnen 14 Tagen nicht stellte, fiel er in die Strafe des Ungehorsams an drei Rh. Gulden ausschließlich der Strafe des Ehebruchs. In einer Verhandlung v. J. 1496 wird die Kribenstein als Hausfrau des Reif aufgeführt, und scheint die Sache in diesem Jahre durch Vertrag beendet zu sein. Der Küster, welcher mit der Glocke abends das Zeichen zur Besetzung der Tore durch Wächter und zum Torschluß gab, erhielt dafür jährlich einen Lohn, früher mit der Bemerkung für die Wächter-Glocke, jetzt für die Abendglocke. Wencelaus Zcolke ward Vikar des Altares der Heiligen Dreieinigkeit oder der Neuen Brüder. Er war der Sohn eines hiesigen Schuhmachers Johann Zcolke und gab 1500 sechzig Gulden zu diesem Altare und zu einer Messe de Sancta Anna, welche der Kapellan dienstags für die Zinsen halten sollte.

1495
Zu dem Ratshausbaue borgte der Rat 1200. Rh. Gulden von dem Pfarrer in Werbelin, Berthold Smogell, seiner Freundin (Köchin) Margarethe und Annen dem Maidichen (ihrer Tochter), Zinsen zu 4 von 100 Walpurgis zahlbar. Herzog Georg bestätigte die Verschreibung 1498. 2100 Rh. Gulden vom Altare Catharinae; 200 Rh. Gulden nahm er von Peter Stoie für den Hofmeister Dietrich von Schoenberg, welcher sie im künftigen Jahre wieder zahlen sollte. In Leipzig ward vom Meister Herbart ein neues Ratssiegel von Silber gefertigt für 4 Rh. Gulden und die Schuldverschreibung für den Altar Cathrinä zuerst damit gesiegelt (siehe 1526). Der Maurer Meister Andreas von Rochlitz änderte die Stube des Rathauses, brachte die Mauer mit den Fenstern unter das Dach und belegte alles mit Brettern und Ziegeln. Er arbeitet daran mit seinen Leuten 16 Wochen und erhielt 40 silberne Schock 34 Gr. 6 Pfg. 1 Hl. Lohn. Wöchentlich gab man im Gedinge dem Meister einen Gulden, dem Polirer 16 Gr., dem Gesellen 14 Gr., dem Handreicher 11 Gr. und dem Helfersknechte 9 Gr. 3 Pfg. Die Türe an das Gewölbe, die Laden an die Fenster desselben, Schloß, Schlüssel und Haken fertigte der Kleinschmidt Balthasar Kleber für 5 Schock 30 Gr. Die Ratsherren erhielten an Festen Kränze von Blumen, die Bürgermeisterin besorgte sie und bekam dafür 8 1/4 Gr. Auch ist in diesem Jahre für sie 1 Schock 6 Gr. 6 Pfg. Badegeld an den vier hohen Festen (Ostern, Pfingsten, Fronleichnam und Weihnachten) in Ausgabe gebracht, dagegen Opfergeld nicht angesetzt. Der Pfarrer in Glesien, George Hallis, welcher von 100 Rh. Gulden, die sein Vater, der hiesige Bürgermeister Hans Hallis 1452 mit 7 Rh. Guldenjährlichen Zinsen halb zu der Lesemesse halb den neuen Brüdern geschenkt hatte, 5 Rh. Gulden auf seine Lebenszeit bezog, starb in diesem Jahre und fielen daher diese 5 Rh. Gulden den beiden Altären zu. Er studierte von 1454 an in Leipzig und war schon 1467 im Amte zu Glesien. Der Rat kaufte Getreide, welches noch in hohem Preise stand, der Scheffel Roggen galt 6 Gr. und verkaufte es wohlfeiler der Armut (dem ermut). Die Edeln hielten einen Hof mit Stechen und ihr Vorsteher, Dr. Pak nahm aus des Rates Keller Torgauisches Bier. Der Bürgermeister Lucas Nossig starb und vermachte der Stadtkirche 2, der Frauenkirche 1 Schock, auch erhielt die Stadtkirche aus Augustin Fielsteins Testamente 10 Gr. Überdies aber gelangte sie zum Besitz einer halben Hufe Feld auf Werbener Mark, die er ihr auf den Todesfall geschenkt hatte. Er war ein geborener Delitzscher, hier ansässig und Schösser in Schweinitz, von daher er 1478 zu Verkaufung eines Hauses hinter der Schule (Nr. 193) und Beleihung an den Käufer Vollmacht gab. Die Vorsteher der Kirche verkauften diese halbe Hufe an Sternberg 1504. Der Weihebischof weihete die neue Altartafel der Kropheuserin und den Kirchhof mit 1 Schock 7'/Z Gr. Aufwand; bei welcher Gelegenheit die Gräber geebnet, Lucas Nossigs und Heinrich Spigels Gräber aber, welche nachgeschossen waren, wieder gefüllet wurden. Der Pleban Johannes war Vorsteher des Kalandes, und Jost oder Jodocus Houener neuer Altarist des Altares zum Heiligen Kreuz. Er stiftete im Jahre 1500 die Freitagsmesse vom Sterben Christi mit 100 Gulden, die der Rat borgte, und starb 1508.

1496
Am 14. April überließ der Rat die Nutzung der Gertitzer Teiche, an Fischen, Zäunen, Bäumen dem Ratsmitgliede Caspar Bun und seiner ehelichen Hauswirtin für einen jährlichen Zins von 10 Gr. auf ihre Lebenszeit. Christoph von Haugwitz (auch Christophorus de Hubicz) ward Pfarrer hiesiger Stadt, der erste seit Hermann Westphal, der das Amt selbst versah, hier starb (1514) und in der Stadtkirche, wo ein Denkstein sein Grab deckt, seine Ruhestätte fand. Da er den erledigten Altar Catharinä ohne den Rat zu fragen, welcher das Recht der Bete hatte, mit seinem Bruder Erasmus besetzen wollte, so geriet er mit diesem gleich anfänglich in Streit, welcher eine Reise zu dem Probste des Neuen Werkes in Halle nötig machte, dort aber, weil der Rat sein Recht bewies, verglichen, und dem Rate das von neuem zugestanden ward. Am Rathause hatte man einen starken Bau. Der Meister Hans Beyer aus Leipzig fertigte die getäfelte Decke der Rathausstube für 4 1/2 Schock. Über dieser Stube und dem Gewölbe ward gefüllt - der Zimmermeister Hieronymus vollendete das Sparrwerk mit 2 Säulen und Unterzügen und richtete - für 39 Schock bar und 30 Scheffel Korn Lohn, das Korn zu 2 ½ Schock gerechnet. Das Dach wurde, soweit möglich, mit Ziegeln behängt und lieferte Bitterfeld 12 824 Stück Dachziegel, das Tausend zu 50 Gr. Auch nahm man in Friedersdorf 2000 Stück und zahlte dafür 2 Schock. Der Rat in Bitterfeld erließ, wahrscheinlich aus Dankbarkeit für die Unterstützung, die man der Stadt Bitterfeld bei ihrem letzten Brandunglücke von hier aus reichlich zufließen lassen, viel, half auch zur Anfuhr der Steine mit 26 Wagen und nahm nichts als die Mahlzeit der Knechte, 1 Gr. für den Mann. Man bezahlte überhaupt nur ein Fuhre an Bastian Schuster mit 10 Gr., die übrigen taten die Bürger, auf Bitte oder das Ratsgeschirr. Der Maurermeister Andreas von Rochlitz erhielt für den Sims um das Rathaus und die Verblendung der Mauerlatten 5 Schock. Der Glaser Matthaeus aber für die Fenster im Gewölbe und auf der Auslobe vorn gegen den Markt 1 1/3 Schock; auch schaffte man in das Gewölbe ein Tischchen mit Schloß für 44 Gr. an. Zu diesem Baue borgte der Rat 100 Rhgl. vom Bürgermeister Martin Miley und seiner ehelichen Wirtin auf Leibzins. Die Kirche nahm aus der Ziegelscheune des Rates 10 000 Stück Mauersteine, bauete die Abside an dem Glockenturme und das Gewölbe und zahlte dem Maurer Andreas 5 1/3 Schock Arbeitslohn. Am 21. November vermählte sich Herzog Georg mit des Königs Casimir in Polen Tochter, Barbara, in Leipzig, weil Dresden mit einer ansteckenden Krankheit beschweret und wegen erlittenen Brandunglücks zur Aufnahme vieler Gäste nicht geignet war. An diesem Hochzeitsfeste, welches einige Tage dauerte, nahmen, außer den fürstlichen Personen und Stadträten, über 6000 polnische und deutsche Ritter teil und wurden 99 Längel süßen Weines, 1300 Eimer anderer Wein und 444 Faß Bier, meistens Torgauisches ausgetrunken, der Aufwand an Speisen aber, die man in Unmasse aus der Nähe und Ferne verschrieb, oder geschenkt bekam, und Fütterung weiter nicht namhaft gemacht. Auch der hiesige Rat war geladen, den 30. November zu erscheinen. Es gingen hin der amtierende Bürgermeister, drei Ratsherren und der Stadtschreiber auf vier Tage, und überreichte die Stadt durch sie einen silbernen vergoldeten Becher am Werte 32 Rhgl. als Brautgeschenk, in die herzogliche Küche aber einen Zentner Hechte und 8 Faß Torgauisches Bier, ebenfalls eine Verehrung der Stadt. Von den Betten, die hiesige Bürger zu dieser Festlichkeit wie gewöhnlich ausbrachten und einlieferten, ging manches verloren, was der Rat aus der gemeinen Kasse ersetzte. Der Leineweber, welche in ihren Zusammenkünften der Weiber wegen, die teils nicht frei geboren, teils wegen Ehebruchs und anderer Übertretung berüchtigt waren, in Streit gerieten und die Männer solcher Weiber im Handwerke nicht dulden wollten, wurden vom Rate verglichen, gegenseitig aufzuheben, alle ungehindert in ihre Aftersprache gehen zu lassen, von nun an aber sich zu hüten, jemanden in ihre Innung zu keisen, der nicht guter Geburt oder Geschlechts ist, und so ihre Innung, wei Recht und Gewohnheit ist, unsträflich zu halten, welchen Vergleich sie auch angenommen.  Den Bäckern aber, welche baten, daß man an der alten Strafe von 6 Pfennigen bei Mangel an Gebäck nichts ändern möchte, gab man diesen Bescheid: Man wolle es zwar bei der alten Strafe bewenden lassen, sie möchten aber streng darauf sehen, daß kein Mangel eintrete, immer ein Vorrat von harten und weichen Semmeln vorhanden sei. Semmeln unter dem Gewichte sollen drei für einen Pfennig, aber nicht im Hause, mit der Arme nicht betrogen noch männiglich verletzet werde, sondern vor der Fisch- oder Brotbank verkauft, im Widersetzungsfalle weggenommen und dem Hospitale oder der Schule überlassen werden. Auch verordnete man: Es sollen alle Zeit ihrer zwei Semmeln haben und einer Brot täglich, der, der brüchlich wird, es mit 10 Gr. büßen, die Meister aber sollen 5 Gr. geben so oft und dick das geschieht. Den Schülern gab man am 6. Februar 2 Gr. Bei dem Gerber Blasius Glewitz in der Neustadt brach Feuer aus, doch ohne weiter um sich zu greifen. Hansen von Dieskau auf Dieskau, der hier Hochzeit hielt, schenkte der Rat 1 Faß Torgauisches Bier. Die Baderei der Kirche, von welcher seit längerer Zeit nichts eingekommen war, brachte in diesem Jahre wöchentlich 3 und 4 Gr. Hans Augustin in Gertitz, beschied den Kirchen 14 Gulden an Golde, und Heinrich Nisius ein kleines Haus, welches die Vorsteher für 2 Schock verkauften. Die ausgeglichenen Gräber wurden mit Sand bedeckt, den die Kirche anfahren und breiten ließ. Der Scheffel Weizen galt 4 1/2, der Roggen 2 2/3 Groschen.

1497
Großes Wasser, das die Dämme im Rosentale, vor dem Hallischen Tore hart beschädigte, und für Ausbesserung einen Aufwand von 5 Schocken verursachte. Der Rat mußte 3000 Rhgl. für den Herzog ausbringen. Er hatte in dieser Angelegenheit kostspielige Reisen nach Meißen und Halberstadt und erhielt1000 Rhgl. von George Pusch in Meißen, und 2000 Rhgl. vom Domkapitel in Halberstadt gegen fünfprozentliche Verzinsung und Verpfändung der Güter und einkünfte der Stadt. Die Schuldbriefe sind vom 1. Februar gestellt und verschrieb sich Herzog Georg, im Namen seines Vaters Albrecht, der Stadt zu Schadloshaltung der Zinsen am 22. August d. J. Hans von Minckewitz, Ritter, Obermarschall, Dietrich von Steynitz Hofmeister, Ritter, Stadthalter und Anwalt zu Dresden, verlangten vier starke Pferde und Wagen, Fastenspeise nach Dresden von Leipzig zu fahren. Der Rat kaufte nun auch von dem Sohne des ehemaligen Hausmüllers Sebastian, namens Urban, die wüste Hofstätte, die der Hausmühle (s. 1475) mit Gärtchen für 2 silberne Schocke und verkaufte sie wieder an Hans Schmidt auf Vor- und Wiederkauf um denselben Preis. Den Garten auf dem Anger an dieser Mühle, welchen der Rat dem ehemaligen Stadtschreiber, nachher Bürgermeister Anton Krupheuser zur Nutzung gelassen hatte, verkaufte er für 2 Schock und 6 Gr. jährlichen Zins an Thomas Kotzsche zu gleicher Zeit. Der Rathausbau ward im Sommer dieses Jahres bis auf den Turm (die Spitze), welcher zwar zugerichtet, aber wegen seiner Schwere nicht brauchbar war, vollendet. Auf die Schwierigkeit, ihn zu brauchen, machte der Maurermeister Balthasar Jost von Leipzig aufmerksam, dem man die Bedachung, die Fertigung der Giebel mit Blinden, Fenstern, Zinnen und dreier Erker im Dache mit Zinnen für 30 silberne Schocke im Gedinge übertrug. Er glaubte, daß das Mauerwerk nicht stark genug sei und er ward beigelegt. Zu der Bedachung kaufte man noch 120 Preßziegel, 3 000 Mauerziegel und Hängesteine (das Tausend zu 50 Gr.), 82 Stück Kehlsteine, das Stück für 1 Gr. in Bitterfeld. Der dasige Rat erließ nicht nur wieder viel, sondern fuhr auch unentgeltlich mit 23 Wagen Ziegel an, so daß man hier den Wagenführern nur Bier und eine Mahlzeit gab. Da des Meisters Jost Arbeit vorzüglich in den Zinnen, die man mit vergoldeten Knöpfen versah, sich auszeichnete, und der Sims des vorigen Meisters dagegen abstach, so ließ man auch diesen von ihm fertigen und zahlte 2 silberne Schocke Arbeitslohn. Zu diesem Baue borgte der Rat 100 Rhgl. zu fünfprozentlicher Verzinsung von den Schuhknechten, am 25. Juli zinsfällig. An dem diesjährigen Ratsessen (Pantaleonius) nahmen außer den drei Räten auch der Hauptmann Heinrich von Pak, dessen Bruder, Dr. Pak, der Gleitsmann und die Ratherren von Bitterfeld teil, mit denen man an diesem Tage zugleich die Steigerung schloß und durch Zahlung berichtigte. Auch schenkte man dem Hauptmanne und Dr. Pake 2 Faß Bier, weil sie sich für Aufrechthaltung der Biermeilen-Gerechtigkeit besondere Mühe gaben. Eine neue Altartafel in die Frauenkirche lieferte der Maler Herman Stein für 18 Gulden. Ein Kirchenfenster gegen den Markt kostete 9 Gulden und gaben die Fleischer hierzu 2 Gulden 3 Gr., für ein anderes über der Porkirche bei dem Leichhause zahlte man dem Spetener Matthias 3 Schock 9 Gr., und für zwei kleinere auf dem kleinen Gewölbe oder liberia (wo man die Bücher verwahrte) 1 Schock 45 Gr. Franz, der Bader, hatte von Stephan Nossig die Badestube, bei Dr. Pak gelegen (auf der Doktorei) für 80 Gulden gekauft, aber nichts gezahlt. Die Kirche übernahm sie und zahlte das Kaufgeld der 80 Gulden in Terminen zu zehn Gulden, bauete sie und verwendete in diesem Jahre 14 2/3 Schock darauf. Von dieser Stube erhielt der Pfarrer jährlich 1 Schock Zins. Sie hieß bis 1430 die alte Badstube zum Unterschiede von einer zweiten, die in der Nähe der Barfüßer Terminei da lag, wo sie sich als Bürgerhaus unter dem beibehaltenen Namen noch findet, damals die neue genannt wurde, und der Gasse, in der sie sich befand, den Namen gab. Nachdem sie eine zeitlang wüste gelegen, ward sie bei ihrer Hestellung die neue, jene die alte ganannt, doch auch diese Erneuerung hatte keinen langen Bestand, so ward wüste, und der Amtmann Johann von Pake zog sie als Wüstung, die er am 21. Juni 1527 mit Bewilligung des Erzbischofes von der Kirche kaufte, zu dem ihm gehörigen Sedelhofe, von dem früheren Besitzer Dr. Pake die Doktorei genannt. Mit diesem kam sie 1544 durch Kauf an den Rat und ward ein Bürgerhaus. Der Rat verkaufte Getreide, welches auf dem Kälberstalle lag, den Scheffel Roggen zu 3 Gr. 2 Pfg. Der Stadtschreiber erhielt 2 Faß Bier aus dem Ratskeller um einen billigeren Preis auf Er. Matthias seines Lokaten erste Messe.

1498
Stephan Gruntzscher brauete ohne Zeichen vom Gleitsmann (des Rates) und mußte ein Paar Steifeln, darinnen die Herren (des Rates) reiten, zur Strafe geben. George Petzsch hielt in diesem Jahre die durch den Dr. Werner Wyke gestifteten sieben Fastenpredigten für 21 Gr. Es stand die Wahl des Predigers bei dem Rate und man übertrug sie gewöhnlich einem Leipziger Predigermönche. Am 15. Mai kam eine Kreuzfahrt von Landsberg und naheliegenden Dörfern dieser Stadt und ging nach Scholis. Der Rat gab ihnen bei ihrer Ankunft für 42. Gr. ein Faß Bier. Der Bürgermeister George Werdt und der Stadtschreiber waren am 9. Juli auf dem Landtage in Naumburg wegen der Münze und neuen Reformation. Die Refomation betraf hauptsächlich die Wertbestimmung der von den Fürsten beider Linien neu geprägter Schneeberger Groschen gegen die früheren ZinsSchwert-Spitzgroschen. Die Otto Pak hatte der Kirche einen Ornat gefertigt, welcher in Merseburg geweihet ward. Von der Moritz Gerberin bekam als Vermächtnis die Stadtkirche 3 RhGl. und 1 RhGl. die Frauenkirche; von Er. Nicolaus Turekorn 31 Gr. und von Ein. Caspars Mutter in Bendorf 20 Gr. Aus einer Mark vorrätigen Silbers ließ man ein großes silbernes Kreuz in Leipzig machen und gab 7 alte Groschen für 1 Elle Seide zu dem Heiligtume in das große Kreuz. Derselbe Künstler besserte auch drei Pacificalia und vergoldete für 5 Ungarische Gulden die Monstranz. - Der Meister Herman von Leipzig aber malte den Ölberg für 8 RhGr. Der Rat mußte auch in diesem Jahre für den Fürsten 1000 RliGl. aufbringen, und borgte 500 RhGl. von dem Bürger Nicolaus Schiltpergk, in Halle, als einen Stifter und Aufrichter der neuen Kapelle zu St. Marien Magdalenen vor dem Claustore zu Halle und den Vorstehern und Verwesern nach ihm, und 400 RhGl. von Paul Clemen, Bürger in Leipzig, zu Ablösung der Sachsenburg und Abfindung Herzogs Friedrich in Preußen. Beide Schuldverschreibungen sind vom 24. August und die Genehmigung des Herzogs Georg in Vollmacht seins Vaters, der Gunstbrief vom 26. desselben Monats ausgestellt. Der Scheffel Weizen galt 7 der Roggen, Hafer 3 ½ Gr.

1499
Der Rat verkaufte die Hufe Feld auf Rubach, die er vom Bürgermeister Nicolaus Cramer für 100 RliGl. versessenen Schoß und Zins annehmen müssen für 95 Gulden und 1 Schock Lehngeld an Urban Sachse und Matthaeus Gotzschwitz, derselbe Gotzschwitz kaufte auch des Rats alte Scheune, in der Vorstadt bei Caspar Bun gelegen für 5 silberne Sock. Eine halbe Hufe auf Werbener Mark, die von Sedermann auf Peter Preuss überging, mit 18 Gr. jährlichen Zins, ward nur mit der Bedingung, daß er sie vordre niemanden dann des Rates Leuten verkaufte, verliehen. Meister Erhards Ehefrau, die Wendische (eine Wendin), wurde des Ehebruchs verdächtigt, deshalb vom Rate und Commissarius gefordert und gewarnet. Sie fiel, da der Kornschreiber Johannes öffentlich und am Tage bei ihr aus- und einging, in die Buße von 1 Schock Scheffel Hafer, und ging endlich mit diesem und ihres Mannes Geräte, Kleidung, Harnisch, acht Groschen baren Gelde, des Nachts davon. Am B. April war ein Landtag in Leipzig von fünftägiger Dauer, auf welchem dem Herzoge zu Abteilung Herzog Heynrichen in Friesland eine Steuer, 1 Gulden von 200 Gulden Abschätzung des Vermögens, 1/2 Gulden von 100, 1 Ort von 50, und'/, Ort von 25, verwilliget werden mußte. Es war eine reiche Ernte, und wurden zur Sicherung der Stadtfluren gegen Schäfer und Mägde die Flurschützen (versehen mit Pochbolzen) eingeführt. Der Maurermeister Balthasar Jost, aus Leipzig, deckte die Basteien, erneuerte die gewölbte Brücke am krummen (breiten ) Tore, besserte den Henkersturm (ein Turm zwischen dem Breiten Turme und dem jetzigen Malzhause zur Tortur gebraucht) und die Rinne auf dem Graben hinter Dr. Pak (die große, gewölbte Schleuse, durch welche das Wasser des Vorstädter Grabens in den eigentlichen Stadtgraben einströmte, in der Gegend des Pakischen Sadelhofes, die Doktorei genannt). Der Kaland kaufte vom Amtmanne Heinrich Pak, auf Doebernitz, 3 gute Rheinische Gulden, an Golde, Zinsen und Lucowehnaer Gütern, für 60 RhGl. am 9. Januar und am 22. Juli d. J. dergleichen zum Altare Barbarä für 12 RhGl. in Golde, von Burkhard von Schenkenberg auf Schenkenberg. Er. Liborius Lesche zahlte als Testamentsverweser des Pfarrers Berthold Smogel, in Werbelin, 5 Gulden als Vermächtnis an die Kirche, und 40 Gr. an beide Kirchen Peter Stoye aus dem Nachlasse seiner Ehefrau. Die SchülerEmporkirche (jetzt die unterste an der Mitternachtsseite) wurde erneuert und das Fenster daselbst mit zwei gemalten Feldern versehen. Der Küster der Frauenkirche, Stephan, hatte den Weingarten dieser Kirche für 20 Gr. im Pachte. Der Scheffel Roggen galt 5, der Scheffel Hafer 4 und 1 Schock Stroh 6 Gr. Für ein Ries Papier zu den Steuer-Registern (Großformat) wurde 20 Gr. bezahlt.


Delitzscher Stadtchronik -1500-1539

(Quelle: Delitzscher Stadtchronik von Johann Gottlieb Lehmann; ausgewählt durch Hans-Jürgen Moltrecht, Teil III, 1500-1539, hrsg. vom Kreismuseum Delitzsch, 2. Auflage 1991)

Einführung

Das vorliegende Heft der Veröffentlichungsreihe umfaßt die Jahre 1500 - 1539 der Delitzscher Chronik. Es setzt damit die bereits 1963 und 1965 in erster Auflage erschienenen Teile fort. Der interessierte Leser findet hierin eine Vielzahl wertvoller, bisher unveröffentlichter Angaben, die beweisen, daß Delitzscher Einwohner an der widersprüchlichen gesellschaftlichen Auseinandersetzung zu Beginn des 16. Jahrhunderts teilnahmen. Die Jahre nach 1500 gehören mit zu den entscheidendsten der deutschen Geschichte. In dieser Zeit wurde die erste frühbürgerliche Revolution in Europa politisch und ökonomisch eingeleitet. Sowohl an den nationalen Aspekten der ersten Etappe, die gegen das römische Papsttum gerichtet war, als auch am Beispiel der sozialen Aspekte der zweiten Etappe, die sich im Bauernkrieg gegen die feudale Ausbeutung des Adels richteten, zeigte sich die aufbegehrende Kraft des Volkes. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt der kapitalistischen Entwicklung wurden in Deutschland die Bedingungen für wesentliche soziale Veränderungen geschaffen.

Die Erscheinungen der frühbürgerlichen Revolution kündeten sich in den Jahren vor 1500 an. Danach spitzten sich die Widersprüche zwischen Adel, Klerus, Bauern, Bürgern und besitzlosen städtischen Schichten immer mehr zu. Das äußerte sich besonders zwischen dem Adel und den Bauern. Aber auch innerhalb einiger Schichten traten im Zusammenhang mit der sozialen und wirtschaftlichen Differenzierung Spannungen auf, die zur Krise dieser feudalen Gesellschaft führte. Diese veränderten Beziehungen verschiedener Schichten zueinander resultierten aus den neuen ökonomischen Erscheinungen in Deutschland, die man als Anfänge der kapitalistischen Produktion bezeichnet. Sie lassen sich besonders im sächsischen Bergbau, in der Textilerzeugung, der Metall- und Holzverarbeitung, im Hüttengewerbe und im Buchdruck nachweisen. Für Delitzsch ist nurdie finanzielle Beteiligung am Bergbau bekannt. Versuche frühkapitalistischer Produktion auf anderen Gebieten liegen erst aus der Mitte des 16. Jh. vor. Diese ökonomischen und sozialen Triebkräfte wirkten unterschiedlich auf die städtischeBevölkerung. Während das Patriziat und die reichen Zünfte an der kapitalistischen Produktion profitierten, waren ärmere Handwerker und besitzlose Schichten daran nicht beteiligt. Neben diesen neuen kapitalistischen Kräften bestanden noch viele alte feudale Vorrechte. Mit ihnen übten der hohe und niedere Adel zu Beginn des 16. Jahrhunderts mit unverminderter Intensität ihren Einfluß auf die städtische Entwicklung aus. Die herrschenden patrizischen Geschlechter wehrten sich zwar wiederholt gegen Übergriffe kleiner Feudalherren aus den Rittersitzen der Umgebung, konnten ihnen aber zu bestimmten Anlässen die öffentlichen Plätze und städtischen Gebäude nicht verwehren. Diese Auseinandersetzungen zwischen Adligen und Delitzscher Bürgern waren zuerst vorwiegend wirtschaftlicher Art. Nach 1517 wandelten sie sich in offene Fehden, bei denen 1520 der Bürger Hans Nossig getötet wurde. Vier Jahre später sah sich die Stadt sogar genötigt, bei Adelshochzeiten verstärkte Wachen aufzustellen, um Morde zu verhindern.

Den immer höher werdenden finanziellen und militärischen Forderungen der sächsischen Landesherren konnte sich die Stadt nur in wenigen Fällen entziehen. Dabei wirkten die Bürger 1504, 1514, 1518, 1519 und 1520 immer offener diesen außerordentlich hohen Verpflichtungen entgegen. Hinzu kommt, dass die unteren, von der Regierung ausgeschlossenen Handwerkerschichten nach Mitbeteiligung am Rat strebten und die Gewährung größerer Rechte für die Zunftgenossen forderten. Auch die besitzlosen Handwerksgesellen, Tagelöhner und Knechte misstrauten den finanziellen und wirtschaftlichen Handlungen des Rates sehr, so 1503, 1517, 1519 und 1520. Die Auseinandersetzungen zwischen der Gemeinde und dem Rat nahmen ab 1517 immer ernstere Formen an. Im gleichen Jahr wird in der Chronik als Aufwiegler und Wortführer gegen den regierenden Rat Hans Lippert genannt, der vom Amtmann gefangen genommen wird. Er wurde wieder freigelassen, trat 1519 erneut in Erscheinung und musste darauf 1520 die Stadt verlassen. Die Ereignisse des Jahres 1525 werden in der Chronik durch ein Zitat des Chronisten erwähnt, das über die Schlacht bei Frankenhausen, die von den durch Fürstenheere erschlagenen 6500 Bauern und ihre Anführer Thomas Müntzer und Hans Pfeiffer berichtet. Daraus geht auch hervor, daß keine Delitzscher Bürger auf seiten der Fürsten teilnahmen, sondern ihren Verpflichtungen nur in finanziellerForm nachkamen. Dagegen stellte die Stadt 1518, entsprechend einem herzoglichen Befehl, ohne Zögern 30 Bürger gegen die Bewaffneten des Adligen Franz von Sickingen. Eine andere Angabe von 1525 läßt schlußfolgern, wie stark die Unruhe der ländlichen und städtischen Bevölkerung gewesen sein muß, wenn der Jahrmarkt Petri Pauli in Delitzsch so außerordentlich stark besucht war. Die vorliegende Chronik spiegelt somit den beträchtlichen Teil der nationalen und sozialen Auseinandersetzungen dieser Periode wider, wenn sie auch nicht zweifelsfrei die Stellung aller Teile der Delitzscher Bürgerschaft zu beantworten weiß.

Wie sehr die Städte der Umgebung im Bauernkrieg progressive bürgerliche Elemente beherbergten, wird daran erkennbar, daß aufbegehrende Leipziger Bürger mit den Patriziern größere Auseinandersetzungen hatten. In Eilenburg wurden wichtige Schriften Thomas Müntzers gedruckt und von dort in die deutschen Lande verbreitet. Der Weg der Reformation seit Martin Luthers Thesenanschlag in Wittenberg 1517 ließ sich vor dem regionalen Hintergrund nicht vollständig verfolgen. Hierfür fehlten beim Chronisten die örtlichen Bezüge. Doch sind häufig Verbote des Luthertums und Verfolgungen der Anhänger, besonders 1531, erwähnt. Am 9. Juni 1539 erschien dann der herzogliche Befehl zur Einführung der Reformation. Die ganze Widersprüchlichkeit der Entwicklung, die zur Fürstenreformation führte, soll hier unberücksichtigt bleiben, da diese Fragen in der Chronik nur eine Randerscheinung darstellen und auch für die Stadtentwicklung von untergeordneter Bedeutung sind. Der Schwerpunkt der Veröffentlichung liegt vorwiegend auf der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklung von Delitzsch. Dabei spielen die Krise der feudalen Gesellschaft und der Große Deutsche Bauernkrieg eine besondere Rolle. Das rege Interesse vieler Delitzscher an dieser Veröffentlichungsreihe hoffen wir mit dieser Chronik weiter zu fördern. Den Schulen soll es eine Hilfe für die Behandlung heimatgeschichtlicher Thematik sein.


1500

Sechs Fußknechte, die auf Befehl mit zwei Pferden nach Friesland zogen und ein halbes Jahr ausblieben. kosteten der Stadt 156 Rh. Gulden. Den ausgeschriebenen Ablaß des Jubeljahres suchten in Rom auch einige hiesiger Gegend und ging unter anderen des Rates alter Diener, Hans Krause, nachdem er über sein Vermögen verfügt hatte, dahin. Der Rat mußte 1200 Rh. Gulden von Heinrich von Kuneritz, Anna und Clara dessen Schwestern, zu Crossen gesessen, für den Herzog aufnehmen. Er sicherte nun zwar der Stadt in einer Schrift im Falle die Rente, die ihm von der Stadt gebühre, nicht ausreiche, die Verzinsung durch Anweisung auf Amt und Kammer, der übermäßige Aufwand aber des niederländischen Krieges machte, daß Amt und Kammer nur selten zahlfähig, die Stadt mithin allein belastet war. Die Vikare der Altäre des heiligen Kreuzes und Trinitatis, Iodocus Houener und Wenzel Zolke, liehen dem Rate 160 Rh. Gulden und stifteten von den Zinsen Messen an dem Altare des Kreuzes. Die 100 Gulden des Kreuzaltares fielen bei der Reformation dem Gotteskasten zu und die Stadtkasse zahlt die Zinsen der Kirche noch (1852); die 60 Gulden des Trinitatisaltares aber kamen mit sämtlichen Einkünften dieses Altares als Commende Trinitatis an den Rat und bildeten einen ansehnlichen Stipendienfonds, der aber im Dreißigjährigen Kriege verloren ging. Bei Hans Lenz, Nr. 161 der Hallischen Gasse, kam Feuer aus, das aber sogleich unterdrückt ward. Der Herzog Johannes zu Sachsen holte seine Braut Sophie, des Herzogs Magnus zu Mecklenburg Tochter, die mit ihrem Vater und ansehnlichem Gefolge hier ankam, feierlich ein. Man gab Ritterspiele auf dem Markte und bewaffnete Bürger begleiteten sie bis Eilenburg. Man baute eine neue Fischbank. In Gertitz erhing sich der Sohn des Gutsbesitzers Krabbes und ward von dem Scharfrichter vergraben. Der Scheffel Weizen galt 6, der Roggen 2 1/2, der Hafer 2 1/3 Gr.

1501

Da der bisherige Stadtschreiber Heinrich Wolfram, seit 1496 auch Ratsherr, als nun amtierender Bürgermeister das Stadtschreiberamt nicht mehr verwalten konnte, so übertrug man es dem Schrie eines hiesigen Bürgers, dem Conrad Heller, welcher von 1482 ab in Leipzig studieret, 1487 das Baccalaureat erlangt und sich in Geschäften des Rates bereits tüchtig bewiesen hatte. Das im Hause der Nossigin ausgebrochene Feuer ward bald gelöscht; Bitterfeld aber erhielt durch B r a n d großen Verlust und brachte man reichlich Geld und Lebensmittel dahin. Vom Doktor Pak erhielt die Kirche eine halbe Hufe, die Urban Hausmüller mit 30 Gr. Lehnware übernahm. Dem Maurermeister Balthasar aus Leipzig verdingte man s e c h s E r k e r um die Stadt,und den Umlauf an der Hallischen Brükk e für 7 silberne Schocke bei eigener Kost. Die Stadt borgte für den Herzog 500 Rh. Gulden zu sechs vom Hundert, von dem Dr. med. und Collegiaten des großen Fürsten Collegium Wilhelm Haldenhof in Leipzig und stellte der Herzog am 10. Mai der Stadt einen Schadebrief deshalb aus. Die Schuldurkunde ist vom 22. Juni ausgestellt. Überdies ward auf dem Landtage, an welchem zwei Mitglieder des Rates mit dem Stadtschreiber teilnahmen, dem Reiche und der ganzen Christenheit zugut aufsechsJahreeine ungewöhnlich starke Steuer bewilligt. Auch nahm der Rat 100 Rh. Gulden von dem hiesigen Bürger Stephan Nossig und seiner Ehefrau auf Leibzins.

1502

Ambrosius Forster, welcher 1498 in des Bürgermeisters Miley Hause den Hans Elderlein erschlug, gab in diesem Jahre 10 Rh. Gulden Abtrag. Die Domherren in Halberstadt bannten den Rat wegen rückständiger Zinsen vom Kapitale, welches er für den Herzog erborgen müssen, es erfolgte aber auf Vermittlung der herzoglichen Räte in Halle, wohin ein Domherr aus Halberstadt kam, baldige Absolution. Vier Herren des Rates mit dem Stadtschreiber waren in Döbeln auf herzoglichen Befehl mit anderen Städten wegen des Ungeldes vom Biere, welches auf die zwölf nächsten Jahre verwilliget ward. Auch bewilligte die Landschaft auf dem Landtage in Leipzig; am B. Juni eine Steuer, zwei Gulden vom Hundert auf zwei Jahre und war von hier der Bürgermeister und Stadtschreiber daselbst. Der Herzog borgte 500 Rh. Gulden von Sophie, der Tochter des herzoglichen Rates Dr. Johann von Pak, die der Rat verbürgen, mit sechs vom Hundert verzinsen und deshalb dem Briefe das Stadtsiegel anhängen mußte. Die Zusage der Schadloshaltung erhielt er in einer Zuschrift vom 22. April, die Entschädigung aber konnte bei zu großer Verschuldung nicht gegeben werden. Mit der Anhängung des Stadtsiegels war Pak aber nicht zufrieden, sondern verlangte, daß sich jeder einzelne Bürger der Stadt mit seinen Gütern verbürge, welches aber die Bürger verweigerten, so oft auch der Herzog den Wunsch aussprach, daß man die Notel nach Paks Verlangen vollziehen möchte und baldige Rückzahlung zusagte. Mehrere Jahre gingen hin, ehe die Schuldverschreibung zur Richtigkeit kam und die Stadt hatte deshalb manchen Aufwand. Der päpstliche Commissar Martin von Weida richtete hier im Juni mit den gewöhnlichen Feierlichkeiten das Kreuz der Gnade auf und ging nach Weißenfels. Zwei Pauliner Mönche hörten auf Verlangen des Rates 14 Tage der Leute Beichte, und empfingen aus der Stadtkasse 32 Gr. Auslösung. (Am) 16. Juli hob derselbe Commissar die Gnade wieder auf und der Rat lieferte auf Befehl des Herzogs das in den Kasten gefallene Geld mit dem was für Beichtbriefe eingekommen war an den fürstlichen Rentmeister in Leipzig ab. Wie man die in den gleichen Jubel- und Gnadenjahren gesammelten Gelder verwendete, findet man bei Dreyhaupt in der Beschreibung des Saal-Kreises, Tl. 1 S.180, wo die über den Verlauf des Jubeljahres in Halle vom Stadtschreiber daselbst abgefaßte Registratur wörtlich aufgenommen ist und mit diesem Worte schließt: "diese gesamte Gelt ist nye an die Orte gekommen, dazu es gesamlet, besondern vorspeiset, vorpraßet, und von eins teils Slossere damit gebauwet." Der hiesige Müller Kunze Poch kaufte vom Rate die Mühle in Benndorf für zehn neue Schocke und übernahm darauf zwei Schocke jährlichen Zins. Die 500 Rh. Gulden, welche die Stadt dem Michael Roppitzsch aus Torgau, Barbara seiner Tochter und Hans, dessen Sohne schuldete, wurden auf Leibzins gesetzt. Dienötiggeworden Räumung des Stadtgrabens nahmihrenAnfang und kostete in diesem Jahre 27 Schock. Auch legte man den S t e i n w e g der Hallischen Gasse um (110 Ruten) und führte die Schleusen nicht in den Stadtgraben sondern in die Tränke, wodurch man die Verschlämmung des Stadtgrabens vermied. Der Aufwand betrug 18 Schock. Zwei eiserne Türen an den Wandschrank des Gewö1bes (Ratsarchives) fertigte der Meister Balthasar Nober für 2 1/3 Schock. Die Herren des Rates erhielten vierteljährlich aus der Stadtkasse auch 16 1/2 Gr. Opfergeld und ungefähr 30 Gr. an Wein und Bier. Das vor dem Kriebensteinische Haus, den Gasthof Nr. 35, am Markte, kaufte vom Rate, jetzigen Besitzer Benedict Jäger für 135 Gulden. Der Scheffel Roggen galt 3 Gr.

1503

Georg Kirchof von Zaasch tötete den hiesigen Bürger Johann Kramer und gab 20 Gulden Abtrag. Der Erzbischof von Magdeburg und Herzog Georg unterhandelten hier und verehrte der Rat am Viertel Kötzschberger und ein Faß Torgauisches Bier. Die Gemeinde, durch die fortwährenden Auflagen sehr beschwert, vermutete eine Verschuldung des Rates bei Verwaltung des Stadtvermögens und klagte durch den Licentiaten Bernhard Zuckschwert. Es fand sich aber anders und ward der Rat vom Bürgermeister Dr. Wilde in Leipzig und Rate daselbst bei dem Herzog vertreten. Der Amtmann Heinrich v. Pak wollte die Feldbegüterten der Stadt zwingen, die Bestellung ihrer Äcker ausschließlich an Arbeiter aus der Stadt zu verdingen, es ward ihnen aber auf Beschwerde, wenn es in der Stadt an billigen, tüchtigen Arbeitern fehle, auch Landleute zu mieten, vom Herzoge erlaubt. Die Grenzen und Raine zwischen der Paupitzscher und Benndorfer Mark wurden begangen und festgestellt, und acht Söldner auf der Stadt Kosten dem Landgrafen von Hessen zugeschickt. Der Orgelbauer Meister Valentin von Eilenburg erhielt für Besserung beider Orgeln der Stadtkirche 44, für Besserung des Werkes zu Unsere lieben Frauen 10 Rh. Gulden. Ein Organist aus Halle und ein Petersbergischer Mönch prüften die Arbeit, dieser ohne Lohn nur gegen 5 Gr. Auslösung. Der Bürgermeister Wolfram, der Stadtschreiber, der Ratsherr Kirchhof reisten auf Verordnung des Herzogs nach Leipzig, wo man einen Kreis oder Cent einrichtete. Die Städte Leipzig, Delitzsch, Pegau, Zörbig mit den Ämtern daselbst, die Klöster Leipzig, Pegau und Petersberg, der Adel in diesen Bezirken gehörten zu diesem Cente und dieser hatte den Zweck, daß jeder i m Falle eines Aufruhres im Lande zur Hilfe aufsitzen und folgen, bei einem Heereszuge außer dem Lande aber der fünfte Mann gerüstet sein sollte. Zu Hauptleuten dieses Kreises oder Cents wurden Caspar Pflug, Ritter und der hiesige Amtmann Heinrich v. Pak ernannt. Veranlassung hierzu gaben die Edelleute Gersick v. Gutenstein, Hans Molbach, Eberhard Brandstein, Hans v. Guth, Friedrich Hildebrand und andere, welche dem Lande Fehdebriefe zugeschickt und Bischofswerda geplündert hatten. Die von Landsberg veranstalteten eine Betfahrt hierher und erhielten vom Rate ein Faß Delitzscher Bier. Simon Jahn und Christoph Poppe, hiesiger Landknecht, erschlugen auf Rubach Mark den Schirrmeister Hansen v. Schidings (Scheidings) auf Storkwitz, Georg. Durch Vermittlung des Amtmannes Heinrich v. Pak und des Gleitsmannes Thomas Mildener wurde die Sache, weil sich binnen Jahresfrist kein Schwertmagen des Ermordeten, der den Mörder feimte, angab, nachdem man an den Herzog berichtet hatte, in der Maße verglichen, daß der Mörder Jahn 5 Schock an den Rat Abtrag, 8 Schock Mahngeld an die Kirche zur Niederlegung zahlen, 100 Vigilien und Seelenmessen der abgeschiedenen Seele zu Heil und Troste nachhalten lassen eine Achfahrt leisten, das Leibzeichen mit 10 Personen, 10 brennenden Lichtem und 10 Priestern zur Erde bestatten, und ein steinernes Kreuz zu Rubach auf die Stätte, wo die Tat geschehen, setzen; der Gehilfe Poppe aber auf sonderliche Vorbitte des Amtmannes v. Pak, Erich Rabits, Hauptmannes zu Bitterfeld Melchior von Plaussig und anderer ehrbarer Leute, 4 alte Schock Abtrag an den Rat, 2 neue Schock der Kirche zu St. Peter - Pauli als Mahngeld geben, 100 Vigilien und Seelenmessen nachhalten lassen und eine Achfahrt leisten mußte. Otto Spigel zum Neuen Hause (auf Neuhaus) borgte vom hiesigen Kalande 100 Rh. Gulden zu sechs vom Hundert, und verschrieb die Zinsen von einigen Feldbesitzern der Werbeliner Mark. Derselbe Otto Spigel borgte von dem Ratsherren Jacob Feris, in Delitzsch am Petri-Pauli Tages dieses Jahres 100 Rh. Gulden und wies die Zinsen von folgenden Gütern an: 1 Schock Albrecht Klepzig in Gertitz von 1 Hufe auf Weißig Mark, 1 Schock Simon Ibe in Delitzsch von 1 Hufe daselbst, 15 Gr. Glorius Lüdecke und 15 Gr. Matth. Nonschel in Gertitz. Diese Zinsen kamen durch Vermächtnis des Feris und seiner Ehefrau mit 1 Schock 15 Gr., Klepzig und Nonschel, an das Jungfrauen Kloster St. George zu Leipzig und 1 Schock 15 Gr. Simon Ibe und Lüdecke an die Vorsteher des heiligen Kreuzes in Delitzsch. Der Pfarrer wurde beschuldigt. daß er einem Ehemann in Naumburg sein Weib verweigere und als Köchin bei sich halte, es fand sich aber bei der Untersuchung unbegründet und mußte die Angeberin, eines hiesigen Bürgers Weib, ihre Besitzungen verkaufen und die Stadt verlassen nach Ausspruch des weltlichen und geistlichen Gerichts. Die fortgesetzte Räumung des Stadtgrabens kostete 34 Schock und fing man mehrere Fischottern bei dieser Gelegenheit. Auch erneuerte man die Feimstätten in Benndorf, Elberitz, Gerltitz, Gertitz, Rubach, Werben, und bedeckte das Gewölbe auf dem Rathaus mit einem Lehmüberschlag. Die Herren des Rates, welche an hohen Festen mit dem Sacramente gingen (die Decke über dem, die Monstanz tragenden Geistlichen hielten) trugen Kränze, die man ihnen aus der Stadtkasse mit 12 Gr. vergütete.

1504

Auf Befehl des Herzogs zogen 10 Fußknechte an den Rhein, dem Landgrafen von Hessen gegen den Pfalzgrafen am Rhein zu Hilfe. Sie mußten 28 Wochen, jeder wöchentlich mit einem Rh. Gulden besoldet werden. 22 Wochen waren sie mit dem Rate von Leipzig in Frankfurt am Main und 6 Wochen brachten sie auf der Hin- und Herreise zu. Der Aufwand betrug 293 Rh. Gulden 18 Gr. 6 Pfg. und gab der Besitzer eines Brauerbes 1. der Besitzer eines nicht brauberechtigten Hauses 'l, Gulden, der Rat legte aber aus der Stadtkasse noch 121 Gulden 18 Gr. 6 Pfg. zu. Die Zahlung an die Söldner besorgte der herzogliche Rentmeister in Leipzig. Auch verlangte der Herzog, daß der Rat, wahrscheinlich wegen der früher zur Stadt gekommenen Lehngüter, mit einem reisigen Pferde dienen sollte, er bewies aber, daß dieses niemals geschehen sei. Als nun der Herzog hierauf antwortete, daß man für dieses Mal Geduld tragen solle, weil die Reise zu nahe wäre und man nicht anders könne, künftig werde man die Stadt damit nicht beschweren, so sendete man das verlangte Pferd zu der Reise des Herzogs auf den Reichstag. In Krosegk hatte man einen, der geäußert hatte, daß Delitzsch in 14 Tagen brennen sollte, gefangen gesetzt. Der Bürgermeister und Stadtschreiber reisten dahin, es fand sich aber bei der Untersuchung, daß er es nur vom Hörensagen habe und ward er daher nach geleisteten Urpheden freigegeben. Die Zigeuner lehrten Künste gegen das Feuer und erhielten 20 Gr. Häufige Branddrohungen und ausbrechende Feuer bewirkten jedoch Änderungen in der Bewachung und erhielten die vier Nachtwächter, außer dem Jahrgehalte von 8 neuen Schocken, 48 Gr. "daß sie des nachts den Seiger alle Stunden auf den vier Kreuzen der Stadt ausschreien". Auch hielt man 7 Wochen lang besondere Wächter in den Toren wegen der Mordbrenner und warnte Leipzig. Auf dem hohen (breiten) Turme aber richtete man eine Wohnung für einen Hausmann ein, dem man wöchentlich 9 Gr. aussetzte und der Herzog jährlich eine Unterstützung von 4 Schocken aus dem Amte anwies. Früher gingen Bürger der Reihe nach als Wächter auf den Turm, der später angenommene Wächter, zu dessen Besoldung das Brauerbe 1 Gr.. das Pfalhaus 6 Pfg. gab, hatte seine Wohnung in der Stadt. Der erste Hausmann, der durch Blasen eines Hornes Zeichen gab, ward aus Leipzig geholt, blies aber nur kurze Zeit. Durch häufige Regen verdarben die Früchte und Wege, der Amtmann in Zörbig wollte die Straße bei Riede nicht befahren lassen und das Fuhrlohn stieg unerhört. Dem Bischof zu Magdeburg und Herzog Georg, welche hier auf dem Rathause speisten, verehrte man Wein, Kötzschberger Most und halben Zentner Hechte. An die Stelle des bisherigen, unhaltbaren Turmes des Rathauses kam ein neuer, mit Kupfer und Schiefer gedeckt und mit einer neuen G1ocke versehen, welche in Leipzig für 20 Gulden 14 Gr. gegossen ward. In Leipzig kaufte der Rat auch für 8 Gulden einen eisernen Kasten in das Gewölbe (des Archivs), und 14 eiserne Laden an die Fenster des Rathauses fertigte für 5 Gulden ein hiesiger Kleinschmied. In der Hallischen Gasse kosteten 51 Ruten umgelegtes Pflaster 7 Schock, auch ward die Räumung des Stadtgrabens fortgesetzt und fand man vie1e Pfähle, die man auszog und zu dem alten Turme verwendete. Der Rat kaufte von den Tuchmachern in Grimma einen Rähmen, ließ ihn in der Gegend der nachherigen Münze aufsetzen und den Gebrauch von den hiesigen verzinsen. Der kupferne Stadtscheffel, weil er um wenig größer war, ward abgefeilt, alle übrigen Scheffel der Stadt mußten danach gerichtet werden und zum Zeichen der geprüften Richtigkeit brannte man ihnen das Eisen mit dem Löwen auf, welches man zu diesem Zwecke fertigen ließ. Der Rat ließ sich die Leipziger Konstitution der Gerade in Abschrift bringen. Der Gutsbesitzer Nodenschil vermachte der Kirche einen Garten in Elberitz. 266 ganze Biere braute in diesem Jahre die Stadt und betrug das Ungeld davon 36 Schock 35 Gr.

1505

Der Rat mußte sich von neuem für 450 Rh. Gulden, die der Herzog von dem Dr. med. Wilhelm Haldendorf in Leipzig geborgt hatte, verschreiben, und gab der Herzog an demselben Tage der Stadt einen Schadlosbrief. Auch wurden 1000 Rh. Gulden, die man fürden Herzog von dem Jungfrauenkloster in Brehna zu fünf von Hundert erborgte und der Herzog in einem Schadlosbriefe der Stadt sicherte, und nach Leipzig gebracht. Alle diese Versicherungen konnten jedoch wegen der bedrängten Lage der Kammer nur zum kleinsten Teile und erst nach Jahrhunderten geltend gemacht werden, die so lang getragenen Zinsen davon blieben mit den erheblichsten Kapitalen unbezahlt. Für sich borgte der Rat 100 Rh. Gulden von dem hiesigen Bürger Stephan Nossig und dessen Tochter Anna auf Leibzins. Ambrosius Tannenberg erschlug den Blasius Schaefer in der Neustadt und gab an den Rat 3 neue Schocke Abtrag. Vogler, bei dem Feuer auskam, ward mit 30 Gr. bestraft. Ein neuer Hausmann von Giebichenstein. Georg Plaussig, der einen Rechtshandel mit dem Rate vor des Herzogs Räten hatte und sich in Reden gegen den Rat verging, hauptsächlich den Stadtschreiber beleidigt, mußte widerrufen. Drei Männer gaben Heller über den Wert aus, sie kamen in Untersuchung und Gefängnis, aber auf den Bericht an den Herzog nach 6 Wochen wieder los. Der Blitz schlug in den breiten Turm und zerstörte Erker und Dach. Der Schieferdecker erhielt für Ausbesserung 7 alte Schock. Auch bemerkte man eine starke Erderschütterung in der Stadt. Die fortgesetzte Räumung des Stadtgrabens kostete 29 Schock. Martin Schwarze in Schenkenberg vermachte der Stadtkirche 1 Gulden und eine Frau Agathe ihr ganzes Vermögen. In diesem Jahre starb der Ratsherr (seit 1467) Jacob Feris. welcher das Haus Nr. 254 in der Breiten Gasse und Feldgut. welches er besaß, gemeinschaftlich mit seiner Hausfrau geistlichen Anstalten letztwillig beschied.

1506

Am 2. März war eine Ständeversammlung in Leipzig, welche dem Herzog eine außerordentliche Steuer eine gutwillige Hilfe auf 2 Tagezeiten zugestand. Die Art der Aufbringung bestimmte ein gedrucktes Quartblatt so: "Ein jeglicher Mensch, es sei Mann oder Weibsbild, mündig oderunmündig, das eigen Gut beweglich oder unbeweglich, woran das ist, hat, soll sein Gut mit seinem Gewissen achten und würdigen und nach der Wiederung von 100 Gulden 2 Gulden, von 50 Gulden 1 Gulden, von 25 Gulden 1/2 Gulden, welcher Mensch aber nicht 25 Gulden Wert hat, der oder die soll 4 Zinsgroschen geben, und hat einer ein Weib, die nicht eigenes Gut hat, die soll zu geben frei sein. Hat aber ein Mann oder Frau Kinder, die 15 Jahre Alter erreicht, der soll jegliches 4 Zinsgroschen geben. Ein jegliches Gesinde und Dienstbote, der gedingten Lohn hat, soll seines Jahrlohnes den zwanzigsten Teil geben. Handwerksknechte, die nicht Eigentum 25 Gulden würdig haben und um Lohn arbeiten, sollen jegliche 4 Gr. geben. Müßige Leute, die nicht eigenes Gut 50 Gulden würdig haben, auch nicht Handwerk üben oder um Lohn dienen, sollen jegliche einen Gulden geben. Solches Geld sollen Prälaten und Ritterschaft jeglicher von seinen Leuten außerhalb den Amten wohnhaftig, eigentlich mit Fleiß bei seiner Pflicht einbringen und versammeln, und wie das gegeben wird eigentlich verzeichnen und auf angezeigte Zeit überreichen. Desgleichen sollen die Räte in *Städten samt anderen, so dazu verordnet werden solches Geld obberührter Weise auch treulich und fleißig einbringen und in vorgemeldeter Zeit überreichen."!. Der Stadtschreiber Conrad Heller reiste mit 2 Pferden nach Stuttgart zu Dr. Werner Wicke, Prediger und Proriorial, wegen schuldiger Leibzinsen von 1459, 1461 und 1464, die sich bis auf 360 Gulden angehäuft hatten. Er erließ der Stadt 240 Gulden zu Unterstützung des Kirchendienstes und der Armen und kostete die Reise 6 ½ Schock. Der Rat borgte von der.Brüderschaft der Schuhknechte 50 Gulden, die bei der Reformation an den Gotteskasten kamen und noch än die Kirche verzinst werden. Ein neuer Hausmann ward von Schraplau geholt. Der Bürger Stephan Wunschei kam auf Anzeige des Gutsbesitzers Mansfeld aus Klein-Kyhna, daß er an richtig gemessenem Getreide bei der Ablieferung an den Käufer Wunschel und Überschlagung über dessen Scheffelmaß einen Verlust an mehreren Scheffel gehabt habe, der Wunschel mithin des Gebrauches zweier an Größe ungleicher Scheffel verdächtig sei, in Untersuchung. Er leugnete zwar. zwei verschiedene Scheffel zu haben, brachte den richtigen ins Verhör und erbot sich zum Eide, als aber der Bürgermeister von Wunschels Ehefrau heimlich den zweiten Scheffel fordern und diese ihn folgen ließ, so gestand er sein Unrecht und bat um gnädige Strafe. Der Rat entschied nun, daß er die Stadt meiden oder 100 Gulden zahlen sollte und er wählte das erste. Er verließ die Stadt, beschwerte sich aber gegen des Rates Entscheidung und ward dabei von dem Dr. Spigel und Dr. Zech unterstützt. Dem Rate diente der Schöppenschreiber Licentiat Valentin Schmidt und entschied der Herzog für ihn in zwei Urteilen d. J. 1509 und 1510. Der neue Amtmann von Plaussig verweigerte die 4 Schocke, welche der Herzog als Beitrag zu den Lohne des Hausmannes verwilliget hatte und gab sie nur erst auf wiederholten fürstlichen Befehl. Das Schreiben, welches der Rat in dieser Angelegenheit nach Dresden schickte, konnte der Bote, weil man in den Läuften Zeit des Sterbens niemand vorlassen wollte, nur durch Beschenkung der Torwär ter an die Behörde bringen. Diese ansteckende Krankheit war auch hier, doch minder gefährlich als im Oberlande. Der junge Martin List vermachte der Stadt- und Frauenkirche 16 alte Schock 6 Gr. und der Pfarrkirche St. Ulrich in Sangerhausen und U.L. Frauen Brüderschaft daselbst 5 2/3 a. Schock. Facies in Werben brachte Hans Waltern aus Beerendorf in des Rates Gerichte um und ward zu 3 neuen Schocken Buße, jährlich mit einem Schocke zahlbar. verurteilt. Der Rat, welcher wegen drohender Krankheitsnot Teuerung befürchtete, kaufte Roggen, den Scheffel im Durchschnitte zu 2 1/2 Gr. und verwahrte ihn auf dem Boden des Rathauses. Die Räumung des Stadtgrabens, von der Brücke des Breiten Tores bis an die Bastei hinter Dr. Pak (die Gegend wo sich der Graben nach der Mühle wendet), 345 Ruten, ferner von der Bastei bis zur Mühle und von da bis in Kötzschaus Garten, kostete 42 neue Schocke. In der alten Zscherne legte man einen Schuppen zu Leitern und Feuerhaken an. Der neue Rat Schwur auf die Heiligen (Reliquien), die der Küster in einem Kästchen aus der Kirche auf das Rathaus brachte, und dafür 3 Pfg. erhielt. Von 294 Bieren, die man in diesem Jahre brauete, hatte man 40 Schocke 33 Gr. 7 Pfg. 1 Heller Ungeld. Auf eine halbe Hufe und Wiese in Gerltitz Mark, die der Rat von Andreas Prelwitz kaufte. zahlte man 6 1/2 alte Schocke. Barth, in dessen Hause Feuer auskam, ward mit 30 Gr. bestraft. Die Zigeuner, als sie hier durchzogen, erhielten 20 Gr.

1507

George Perrendt (Percent), ein Sattler, welcher im vorigen Jahre hierher gekommen und Bürger geworden war, kaufte in diesem Jahre von Peetzsch das Haus jetzt Nr. 95 des 11. Viertels in der Rittergase (...) und ist der Stammvater der Parreidtischen Familie hiesigen Orts (...). Christoph Poppe, der Landknecht, kaufte vom Rate die Schademühle, jetzt Gartengrundstück im Rosentale, durch welches der Überfall des Lobers geht für 5 Schocke 40 Gr. und 2 Kapphähnen jährlichen Abgabenbeitrag. Der Rat borgte von dem Gelde, welches Dr. Werner Wicke in Stuttgart an seinen Zinsen der Stadt erlassen und zu Besserung des Gottesdienstes beschieden hatte, 30 Gulden, zu 30 Gr. jährlicher Verzinsung. Dem Herzoge, welcher auf den Reichstag nach Costnitz zog, lieh die Stadt ein Pferd zu dieser Reise, welches der Rat in Leipzig kaufte. Auch gab man ihm eine Hilfe von 75 Rh. Gulden. Die 128 brauberechtigten Bürger und 71 unberechtigten der Stadt und Neustadt entrichteten jeder 6 Gr., summarisch 56 Rh. Gulden 18 Gr. und 18 Rh. Gulden und 3 Gr. legte der Rat aus der Kämmereikasse zu. Vor seiner Abreise am 16. Februar verordnete er,wegen besorglicher mutwilliger W i d e r w ä r t i g k e i t die Stadt gehörig mit Wache zu versehen und sich so zu rüsten, daß man auf den Ruf mit der Hälfte der Einwohner zu folgen imstande sei. Der Dr. der Rechte Otto Spiegel auf Neuhaus besaß 7 Hufen, v. Pak auf Doebernitz eine Hufe auf Benndorfer Mark. Diese wurden am B. Juni in Gegenwart der Paupitzscher und Benndorfer Gemeinde, des Rates und jener Besitzer verwählet und die Lage und Größe ihrer Stücke verzeichnet. Man traf Anstalt zu Herstellung des 1505 durch den Blitz beschädigten Breiten Turmes. Zwei Pauliner Mönche aus Leipzig kamen auf das Gesuch des Rates zur Besichtigung und Beratung, auch schickte ein Mönch dieses Klosters, Bruder Paul von Leßnitz einen bewährten Baumeister mit einem Briefe. Der empfohlene Baumeister war Peter Peuckert, ein Maurer, der die beschädigten Erker und ihre und der Spitze Bedachung mit Ziegeln und Kupferblechen herstellte. Man dingte mit ihm um 12 neue Schocke, gab ihm aber mehr. Ein hiesiger Meister Matthias Rüdiger fertigte die Zimmerarbeit. Die drei Räte beschlossen, daß jährlich eimmal zum Heil der aus den Räten und der Gemeine der Stadt Delitzsch verstorbenen Begängnis, Spende und Seelbad auf Kosten des Rates nachgehalten werden sollte und machte man in diesem Jahre den Anfang. Der Aufwand betrug 3 neue Schocke 32 ½ Gr., nämlich 35 Gr. den Priestern. Schulmeister und Küstern, jedem 1 ½ Gr., dem Prediger 2'/2 Gr. Geschenk; 7 ½ Gr. den Priestern zur Collation des Abends; 1 Schock 30 Gr. Für eine Tonne Heringe, 50 Gr. für 10 Schock Brote zur Spende; 30 Gr. dem Bader von dem Seelbade (mußte auch den armen Leuten lassen und koppen - Aderlassen und schröpfen). Der Herzog (Georg) verlangte zu Abzahlung der 20 000 Gulden, die er dem Kurfürsten Friedrich (dem Weisen) und dessen Bruder Johannes schuldete, von neuem 1000 Gulden von der Stadt, zum Neuen Jahres Markte in Leipzig an dasigen Rentmeister zahlbar und er versprach binnen einem Jahre Rückzahlung. Und hat der Rat dem Verlangen durch Aufnahme von Darlehen (im künftigen Jahre wie es scheint) größtenteils genügt. Die Stadt verlangte wenigstens damit, daß sie in ihrem Rechte der Biermeile gegen die Ehrbaren Mannen vom Herzoge kräftigst geschützt ward. Zu den nötigen Bauen nahm der Rat 100 Gulden von Joachim Poetzsch und dessen Ehefrau Walpurgis laut Urkunde auf Leibzins auf, ließ 15 neue Scheffel machen, die alten eichen und schaffte das in der Stadt aufgefundene untüchtige Gemäß mit einem Male ab. Neue Feuerleitern kamen in die Zscherne, auf den Kirchhof und die Schwäne auf den neu gereinigten Stadtgraben zurück. Der Scheffel Hafer I Gr. 8 Pfg.

1508

Zu dem im vorigen Jahre vom Herzog verlangten 1000 Gulden borgte der Rat

1.) 400 Rh. Gulden von dem Bürger Paul Clemen in Leipzig zu 5 vom Hundet Verzinsung. Der Herzog bestätigte die Verpfändung der Stadt Einkünfte und verschrieb sich der Stadt in einer Urkunde vom 5. Januar d. J.
2.) 200 Rh. Gulden von dem hiesigen Bürger Lucas Luppe.
3.) 60 Rh. Gulden von der Stiftung des Dr. Werner Wicke.

Wegen der Kretzschmar in der Meile und des fremden Bieres ward von Caesar Pflug und Georg v. Wiedebach in Leipzig und auch hier zwischen dem Adel und der Stadt verhandelt und des Adels Beschwerden gegen das Privilegium der Stadt zurückgewiesen. Der Gleitsmann hiesigen Amtes, Johann Rudthart hatte 2 Hufen auf Rubach, machte aber auf eine dritte Anspruch, weshalb man der Besitzergreifung zu begegnen heimlich einen Aufseher hielt, bis er mit seiner Anforderung rechtlich zurückgewiesen ward. Derselbe Rudthart, als er im Amtsgeschäfte von Landsberg auf Delitzsch ritt, zog bei Doberstau die zwölfjährige Tochter des Claus Hintzsch, Dienstmädchen ihres Verwandten Peter Man. in Doberstau, welche nahe am Wege Futter schnitt, in den Graben und verübte Notzucht an ihr. Ihr Dienstherr und andere trafen ihn auf der Tat, er entwich aber und ließ ihnen sein Pferd zurück. Der Rat, weil er hier Bürger war, nahm zwar die Klage der Angehörigen an, ihn selbst gefangen, die Sache kam aber auf Verordnung der herzoglichen Statthalter, weil er fürstlicher Beamteter, die Tat an einem Orte amtlicher Gerichtsbarkeit begangen war, der herzoglichen Verordnung von 1506 gemäß, an den Amtmann, welcher in Gemeinschaft angesehener Männer zwischen Klägern und Verklagten einen Vergleich bewirkte, nach welchem er 40 Rh. Gulden der Beschädigten als Aussteuer und sämtliche Kosten zahlte, übrigens aber durch fürstliche Begnadigung seine Freiheit erhielt. Den Orpheden legte er am 31. Oktober dem Rate schriftlich ab. Die Kosten waren, weil der Stadtschreiber mit dem Ratsherren Burgmann nach Dresden reisen und dort sechs Tage verweilen mußte, auch sonst viel Wege und Versäumnisse entstanden, nicht unbedeutend und verehrte der Rat dem Stadtschreiber. der sich bei Bearbeitung dieser Sache ausgezeichnet hatte, nicht nur ein Biret, sondem legte auch seinem diesjährigen Gehalte 3 Rh. Gulden zu. Die Kläger unterstützte Johann Krause beider Rechte Doctor, Nicolaus Oeltzsch, ein Ratsfreund von Halle und Bartholomaeus Lani der Rechte Baccalaureus, den Verklagten Johann v. Pak, beider Rechte Doctor, Heinrich v. Plaussig, Amtmann in Delitzsch und Johann Kern, ein Bürger in Rochlitz. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Vergleich ward am 11. Oktober vom Amtmanne und Rate zugleich ausgefertiget. Auf dem Landtage in Dresden und einer Städteversammlung in Leipzig den 10. Oktober verwilligte die Stadt dem Herzoge von neuem e i n e H i I f e von 600 Gulden in vierjähriger Lieferung , 150 Gulden jährlich und legte der Rat in diesem Jahre dem Ausgebrachten der Bürger 40 Gulden zur Erfüllung der Summe bei. Für die Stadt Düben, welche durch Feuerverunglückte, brachte man Geld aus, schickte auch Bier dahin. Dem Ratsherren Gregor Bomer ward zu seiner Hochzeit ebenfalls ein Viertel Torgauer Bieres verehrt. Für eine Goldwaage bezahlte man 4 Gr. und für ein Bierseil von 20 Klaftern 23 Gr. 3 Pfg., 14 neue Pfennige für die Klafter.

1509

Der Gutsbesitzer Facies von Werben erschlug Hans Waltern von Benndorf, es ward aber auf die gewöhnliche Art vermittelt und erhielt der Rat 3 Rh. Gulden Abtrag. Thomas Herbst und Lorenz Richter mordeten den Schmiedeknecht Urban Andreae bei der Nacht und wurden durch den Nachrichter Lorenz aus Leipzig mit dem Schwerte hingerichtet. Er empfing 30 Gr. für die Hinrichtung und 20 Gr. als ein Forderer - Ankläger bei dem peinlichen Gericht. Der Rat kaufte viel Roggen und Hafer vorrätig und bezahlte den Scheffel mit 23 Pfg. Der geräumte Stadtgraben ward mit Fischen besetzt - Aufwand 6 Schocke 35 Gr. Auch nahm der Rat von der Stadtkirche ein Darlehn von 100 Rh. Gulden zu 5 vom Hundert Verzinsung, die Urkunde aber ward erst 1513 ausgestellt. Ein Lachs, den man verehrte, kostete 30 Gr. 46 Schock 20 Gr. 5 Heller betrug das Ungeld dieses Jahres, der vierte Teil der Abgabe dieses Namens vom Biere, welche der Stadtkasse zugute ging.

1510

Die Streitigkeiten der Stadt mit den Besitzern der Rittergüter wegen der Biermeile verursachten mehrere kostspielige Reisen zu dem Herzoge, welcher endlich der Stadt die Einziehung eines Strafgeldes von 6 Gr. für jedes Faß fremden Bieres, das man innerhalb der Meile träfe, zusprach und dem Amtmann, sich danach zu achten Befehl gab. Der Stadt diente in dieser und anderen Rechtssachen Caesar Pflug und der Ordinarius Lindemann aus Leipzig, denen man deshalb ansehnliche Geschenke gab. Der Rat hatte das Termineihaus der Minoriten in Leipzig (jetzt Nr. 108 der Badergasse) an sich gebracht und bestimmte es, nachdem es erneuert, der Garten mit einer Mauer umgeben worden, zur Wohnung des Stadtschreibers, deres auch in diesem Jahre bezog. Christiane Stentzschin genannt von der Schweinitz, die unter dem Vorgeben, daß sie die fallende Sucht habe, in den Häusern bettelte, niederfiel und bei dieser Gelegenheit stahl, ward mit Gefängnis bestraft und des Fürstentums verwiesen. Vier Gesellen wurden von einer ledigen Dirne der Notzucht beschuldigt, kamen aber nach fünfwöchentlicher Haft, weil sie die Schuld ablehnten, auf herzoglichen Befehl los. Mit Martin Rapsilber, der viel Frevel in der Stadt tat, gab es Händel vor dem Erzbischofe in Halle, von welchem der Rat zu gütlicher Handlung gefordert ward. Die Reinigung des Stadtgrabens von Schilf und Rohr übemahm der Müller für 1 Rh. Gulden 22 Gr. jährlichen Lohn. Von Dr. Johannes v. Pak, herzoglichem Rate, welcher in diesem Jahre starb, kamen an hiesige Kirchen 4 Rh. Gulden Vermächtnis. Auch stiftete er das Lehn St. Anna, welches im folgenden Jahre durch Vertrag mit dem Rate zustande kam. Zum ersten Male kommt bei Ablegung der Kämmerei Rechnung ein R a t s - essen vor, welches die jedesmalige Bürgenneisterin besorgte und dafür 2 neue Schocke in die Küche erhielt. Auch hielt der Rat in der Nähe der Schenkstube eine Peilickentafel und gab bei Hochzeiten den Ratsmitgliedern und ihren Angehörigen in der Regel ein Viertel Torgauer Bieres zum Geschenk. Die Glockenzieher belauteten in diesem Jahre 23 Donnerwetter und erhielten dafür 19 Gr. 3 Heller.

1511

Der herzogliche Rat Dr. Johann v. Pack (Bruder des Hauptmannes Heinrich v. Pack und Vater des Otto, Philippus und Johann) stiftete, wie im vorigen Jahre schon bemerkt durch Zuschlagung von Erbzinsen und Lehen der Dörfer Zwebendorf, Droyssig, Reisen, Siedersdorf, Schwaetz, Golm, Pfaffendorf, Reinsdorf u. a. den Altar der heiligen Anna in hiesiger Stadtkirche und kaufte zu künftiger Wohnung des Altaristen von den Erben des vormaligen Bürgenneisters Heinrich Wolfram eine wüste Hausstelle am Mühlwege, zu welcher jedoch der Wolfram eine zweite anstoßende Wüstung nur benutzt hatte, die der Rat, alsman den Bau beginnen wollte, nicht folgen ließ. Die Packe beschwerten sich hierüber bei dem Herzoge, die Sache aber ward dahin vermittelt, daß die Packe noch 10 Gulden für die zweite Wüstung an den Rat zahlten und dieser nun den ganzenRaum aller städtischen Lasten frei überließ,nurdie Gerichte, oberst und unterst sich vorbehielt. Die Übereignungsurkunde ist vom 10. März d.J. ausgestellt und sind darin die gewöhnlichen Abgaben, von denen man die Besitzung freiließ, Tribut, Renten, Zinsen, Steuern, Heerfahrt. Schoß, Wache, namentlich aufgeführt. Der erste Vikar des Altares war der Pfarrer in Doebernitz Andreas Foerster, und bewohnte das neue Haus des Lehns. Der Rat hatte diesem Lehen von einem geborgten Kapital an 20 neuen Schocken jährlich 1 neues Schock zu zinsen, die jährlich von den Dörfern zu hebenden Erbzinsen aber betrugen 20 Rh. Gulden, und kam das Gesamtvermögen des Altares 1561 nach dem Tode des letztbelehnten Altaristen, des Domherren Herman Hammer in Wunen, an den Gotteskasten hiesiger Stadt, dem es von den Revisoren 1539 zugeschrieben war. Das Haus des Lehns, jetzt Nr. 221 des letzten Viertels. ward 1562 an den Bürger Elias Treintzsch für 300 Gulden von den Kirchenvorstehern verkauft, ungeachtet es von einem Sturme sehr beschädigt war. Der Herzog Johannes zu Sachsen übernachtete hier auf seiner Reise zu dem Erzbischofe zu Magdeburg und verehrte der Rat ein Viertel Torgauer Bieres. Die Rittergutsbesitzer beschwerten sich von neuem über die Bierausfälle der Stadt, der Herzog gab aber zu Aufrechterhaltung des Privilegium der Stadt dem Amtmanne strengen Befehl. Der Gleitsmann stach den Altaristen des Altars Trinitatis, Martin Moller, in den Arm, woran er starb und ward deshalb die Stadt mit Interdict belegt. Die Vorsteherder Brüderschaft des heiligen wahren Leichnams, Bastian Sander und Glorius Lenz borgten vom Hospitale 11 neue Schocke 20 Gr. zu einer Tafel (Bilderaufsatz) zu der Ehre Gottes auf den Altardes heiligen wahren Leichnams allhier in der Pfarrkirche. Der Rat kaufte Stephan Wunschels Haus am Markte für 40 neue Schocke und verkaufte es um denselben Preis an Anton Fleischer, sonst Hüter genannt. Die Prozeßkosten, die er dem Rate zu erstatten hatte, betrugen 4 neue Schocke und gingen an der Kaufsumme ab. Der Gleitsmann aus Leipzig hatte hier Untersuchung mit Bettlern und Dirnen, die man auf Gesuch des Amtmannes daselbst hier gefänglich eingezogen hatte. Die ausländischen, geringhaltigen Münzen wurden im Kurfürsten- und Herzogtum verboten, die im Umlaufe abereingewechselt. DerHauptwechsel fürhiesige Stadt war Leipzig und brachte der Rat die hier eingewechselten Münzen dahin. Bei des Ratsherren Peter Koechener Begräbnisses gab man für 2 Gr. Semmeln. Der Altar Trinitatis ward dem Pfarrer in Lissa, Georg Böttcher, einem geborenen Delitzscher, vom Rate verliehen und der Official erlaubte ihm die Verwaltung bis auf des Rates Widerruf.

1512

Die Tuchmacher gaben vom Stück Tuche, das sie an den Rähmen des Rates schlugen, 8 Pfennige. Sander Kunz, ein Bürger auf dem Damme, verbüßte den Ehebruch mit 2 neuen Schocken. Die Edelleute verklagten die Bürger, welche bei den Schenken ihrer Gerichtsbarkeit nach fremden Biere suchten, der Amtmann erhielt aber fürstlichen Befehl, diese Klagen zurückzuweisen. So wurden auch die Städte Torgau, Eilenburg, Schmiedeberg und Dommitzsch, auf einem Vorbescheide in Naumburg vor des Kurfürsten und des Herzogs Räten, mit ihrer Beschwerde, daß Delitzsch ihr Bier innerhalb der Meile um Delitzsch verbieten wolle, nach gehörter Verteidigung des Rates zur Ruhe gewiesen. Das Mühlgerinne ward zur Sicherung der Fische mit einem eisernen Gitter verwahrt. Am 15. Juni folgten die Bürger zu Pferde und Fuß dem hiesigen Hauptmanne Hans v. Dieskau gegen die Feinde des Bischofs von Merseburg, Wilhelm Rider und andere, welche die Untertanen des Bischofs beschädigt hatten. Die zu Fuß wurden auf Wagen gefahren und nahmen dem Feinde 11 Pferde und 8 Mann im Harnisch. Die Harnische verkaufte man für 15'/2 neue Schocke und nahm das Geld 1514 zu der Steuer, die Panzerhemden oder Schürzen behielt man zum Andenken und noch befindet sich eine derselben im Ratsarchiv. Bei ihrer Rückkunft gab man ihnen zur Ergötzlichkeit ein Faß Delitzscher Bier. Das baufällig gewordene Frauenhaus (Bordell) schon im 14. Jh. da und neben der Terminei der Leipziger Dominikaner in der Holzgasse gelegen, ward auf dieser wiederholtes Bitten nicht auf der alten, sondern auf einer von dem Besitzer der Baderei, Ambrosius Wirth, für 3 1/2 neue Schocke erkauften Stelle, in der Badergasse wiedererbaut, wo es erst 1529 ein Ende fand und abgebrochen ward. Der Rat erhielt früher zu dessen Baulichkeiten von der Wirtin eine Abgabe, in der Regel wöchentlich 2 Gr. und gestattete zwar den Frauen Zugang in den Häusern, bestrafte aber mit 3 Schillingen den, welcher sie nach Glockenzeit bei sich behielt. Der Name Frauenhaus war der neuere, sonst kommt es auch in Urkunden und Rechnungen unter dem Namen: Claustrum, Novum Claustrum, Prostibulum, Domus meretricum, Kloster, neues Kloster, Hurhaus, Freihaus, Muhmenhaus ... vor. Das freie Leben der fürstlichen Diener bei oft mehrwöchentlicher Anwesenheit der Herrschaften war vielleicht Ursache, daß man der Unschicklichkeit einer Einrichtung so roher Zeit Nachsicht gab. Der Kurfürst Joachim zu Brandenburg legte in Frankfurt an der Oder eine Warenniederlage. Stapel, an und hielt in der Absicht, den Ort als Messestadt auf Kosten Leipzigs zu heben, die nach Leipzig handelnden Kaufleute mit ihren Waren an. Er gab vor, daß er das von einigen Königen in Böhmen, ja Kaisern, bestätigte Marktrecht der Stadt Breslau durch Vergleich mit dieser Stadt an sich gebracht habe, was aber niemand glaubte, auch nicht zu erweisen war. Der Herzog Georg bat daher erst um gütliche Abstellung und drohte, als diese nicht fruchtete mit der Reichsacht, worauf die Sache unterblieb. Hierauf bezieht sich des Herzogs schriftliche Aufforderung an hiesigen Rat vom 12. August, über die Straße durch Schlesien nach Delitzsch sofort bei den Altsassen Erkundigung einzuziehen und durch den Überbringer der Zuschrift oder förderlichst an die Kanzlei zu berichten. Auch mag ein gedruckter Befehl des Herzogs vom 4. September eine allgemeine Bereitschaft zu möglichem Kampfe und die Anordnung einer Prozession zu Erhaltung des Friedens enthaltend, damit in Verbindung stehen. Bezüglich auf diesen Befehl kaufte der Rat Büchsen, Pulver und Blei, die Schützen übten sich und erhielten eine neue Schießmauer, auch beschaffte man vorsorglich Roggen für 18 neue Schock. Der Kurfürst Friedrich, Herzog Johannes, dessen Bruder und Herzog Georg erließen gemeinschaftlich eine gedruckte Ordnung, Leipzig am 11. Oktober, welche den Obrigkeiten die strengste Aufsicht auf Verbrechen überhaupt, insbesondere aber Aufsuchung, Verfolgung und Bestrafung der Umschweifer, Landesbeschädiger, Befehder... zur Pflicht machte und mit harter Strafe, Leibes und Gutes, jeden, hohes und kleinen, geistlichen und weltlichen Standes bedrohete, den Übeltäter oder Mißhändler nicht ergriffe, verfolgte oder ihnen wohl gar Vorschub leiste und förderlich sei.

1513

Ein hiesiger Bürger Hasse zog die Witwe des vormaligen Bürgermeisters Wolfram mit Übergehung des Stadtgerichtes vor das geistliche Gericht und ward, weil er dadurch gegen seine Bürgerpflicht gehandelt hatte, mit Gefängnisstrafe belegt. Er beschwerte sich deshalb bei dem Officiale zu Leipzig und dieser belegte die Stadt mit Interdict. Wegen dieses Interdicts hatte man kostspielige Reisen nach Dresden und Halle und schickte der Herzog zu den Unterhandlungen vor dem Erzbischofe und zu des Rates Verteidigung den Ordinarius Dr. Johann Lindemann von Leipzig, auch von seinem Geburtsorte Eisleben dahin, welcher dann bewirkte, daß das Interdict, unter der Bedingung der Freigebung des Hasse am 23. April zurückgenommen ward. Der Stadtschreiber Heller, welcher in dieser Angelegenheit nach Dresden reisete, beschädigte sich daselbst durch einen Fall den Fuß so, daß er 14 Tage daselbst zubringen und mit dem Stadtwagen abgeholt werden mußte. Während seiner Abwesenheit und Abhaltung versah in wichtigen Amtsvorfällen auf Gesuch des Rates der Baccalaurius Caspar Bomer aus Leipzig, den Dienst. Die Schützen hatten einen silbernen Vogel an silberner Kette, welchen der, der den besten oder Königsschuß tat, bei dem Schützenessen als Auszeichnung trug. Dieser silberne, auch mit des Rates Wappen bezeichnete Vogel ward dem Vorsteher Valentin Kluge gestohlen, der Dieb auch in Dommitzsch ergriffen, da sich aber dieser der Sache nicht annahm, so tat es der Rat, führte den Prozeß gegen den Dieb, fuhr zur Hinrichtung selbacht mit sechs Pferden dahin, bestritt den Aufwand mit 3 neuen Schocken 48 Gr. - behielt aber zur Entschädigung den Vogel, welcher für 2 neue Schocke 2 Gr. verkauft und das Geld der Stadtkasse gegeben ward. Übrigens erhielten die Schützen vom Rate 30 Gr. zum Vogelschießen und jeden Sonntag ein Hosentuch für 7 ½ Gr. Zu Abzahlung alter Kapitale borgte der Rat 100 Rh. Gulden von den Vorstehern des heiligen Kreuzes. Wickischer Stiftung, 50 Rh. Gulden von den Vorstehern der Lesemesse und der Bruderschaft der Ackerknechte und 50 Rh. Gulden vom Altare Jacobi. Die Altaristen der beiden letzteren mußten für die Zinsen wöchentlich, einer um den anderen eine Seelmesse für das Geschlecht des Stifters Simon Rosenkranz oder Lange halten und fielen diese Kapitale nach der Reformation der Kirche zu. Otto Spiegel auf Neuhaus zerstörte die Grenzmale auf Benndorfer Mark und verglich man sich zwar mit ihm vor dem Oberhofgerichte, verklagte ihn aber von neuem, als er den Vergleich nicht hielt und verlangte von demselben Gerichte ein Urteil, nach welchem dem Gegner die Störung der Malhügel zwischen Paupitzscher und Benndorfer Mark bei einer ansehnlichen Pön untersagt ward. Der Redner (Advokat) des Rates, welcher die Sache im Oberhofgerichte vortrug, erhielt für seine Mühe 21 Gr., die Sporteln im Oberhofgericht betrugen 42 Gr. Das Urteil aber kostete 7 Gr. 3 Pfennig. Die Schüler führten das Spiel von den Heiligen drei Königen auf und bekamen zur Ergötzlichkeit 1/4 Bier. Der Herzog Johannes war hier mit dem Erzbischof von Magdeburg und beiden verehrte man Torgauisches Bier. Der Herzog holte seine Braut ein, Margarethen, des Fürsten Woldemar zu Anhalt Tochter, mit der er am 13. November in Torgau vermählt ward. Auch die fürstliche Famlilie von Anhalt übernachtete hier und erhielrvom Rate Verehrung. Die Witwe des Dr. Johannes v. Pak Brigitta, nahm auf das Hochzeitsfest ihrer Tochter, Sophie, welches in der Stadt gefeiert ward, vom Rate 4 Eimer Frankenwein. Der Herzog forderte in einem Ausschreiben am 20. Oktober die Stände zum 2. Dezember nach Leipzig und bewilligte man ihm den Zehnten Pfennig von allen geschenkten Getränken auf vier Jahre. Der Versuch des Rates diese Tranksteuer, zu Vermeidung der Eide, auf etwas Gewisses zu bringen, weshalb man zwei Male nach Dresden reiste, mißlang, doch bot der Herzog später die Annahme eines Äquivalents selbst an. Diese Steuer veranlaßte auch eine Erneuerung des Schenkgemäßes, welches nach dem Leipziger umgegossen ward. In Gertitz erhing sich der Nachbar Poetzsch, welchen der Henker abschnitt und begrub. Der Scheffel Samenroggen galt 2 Gr.

1514

Das Kloster des Petersberges hatte zinsbare Güter unter des Rates Gerichtsbarkeit. Der Probst zog die Besitzer dieser Güter wegen Zinsrückständen vor das geistliche Gericht und erschien nicht, als er von des Herzogs Räten zur Rechtsermittlung vorgeladen ward, wendete sich vielmehr beschwerend gegen dieses Verfahren an den päpstlichen Stuhl und bedrohte die Stadt mit Interdict. Hierauf gab der Papst Leo am 7. Oktober in einer Bulle zwar dem Thesaurarius, Canonicus Sebastian v. Plathe und dem Probste des Neuenwerkes in Halle Auftrag in der Sache zu entscheiden, verbot aber die Anwendung des Interdicts gegen die Stadt und deren Bürger ohne besonderen päpstlichen Auftrag. Die herzoglichen Statthalter wiesen aber die Einmischung des geistlichen Gerichts im Schreiben an den Probst des Petersbergischen Klosters zurück und behaupteten, die Entscheidung gehöre für das weltliche Gericht, wohin sie auch durch neue Vorladungen gezogen und da entschieden ward. Die Schützen hatten den Kranz erhalten, es ward daher ein großer Schieß oder Schützenhof angestellt und der Rat gab den fremden, dazu eingeladenen Schützen ein Faß Torgauisches Bier. Als bald nachher ein ähnlicher in Düben gehalten ward, fuhr der Rat die hiesigen Schützen dahin. Der hiesige Amtmann hatte sich bei den herzoglichen Statthaltern beklagt, daß das Maß, nach welchem die Untertanen Getreide lieferten, mit dem Amtsmaße nicht treffe, und er damit beim Verkaufe oder Überschickung des Getreides nicht bestehen könne, weshalb diese dem Rate Auftrag gaben, das im Amte vorrätige Getreide, durch zwei solches handelsverständige Bürger mit einem rechten Maße oder Scheffel messen und alles in ein gar ordentliches Verzeichnis bringen zu lassen, welches der Rat auch bewirken ließ. Auf dem (am) 12. April ausgeschriebenen und B. Mai abgehaltenen Landtage in Leipzig bewilligten die Stände zu dem Friesländischen Kriege, den der Herzog in diesem Jahre persönlich mit großem Aufwande führte, eine Hilfe - Steuer, Prälaten, Ritterschaft von 100 Gulden ihres Vermögens 2 Gulden, die Städte in Summe 24 000 Gulden. Sie mußten in zwei Terminen dieses Jahres entrichtet werden und kam ein Betrag von 720 Gulden auf hiesige Stadt. Der Rat lieferte nun den ersten Termin mit 360 Gulden richtig ab, die Ausbringung der zweiten Hälfte aber, welche man überdies noch vor dem Termine zu haben wünschte, fand bei den Bürgern Schwierigkeit, daher brachten die Statthalter die Aufnahme eines Darlehns in Vorschlag und gaben Zusicherung, daß es später von der Tranksteuer wieder abgelegt werden könne. Mit Mühe fand er Gläubiger und kaum war die Summe beschafft, als man auf die Einzahlung des Tranksteuer Zehenten drang und für ein gleichgroßes Bedürfnis künftigen Jahres unterm 10. Dezember auf den 2. Januar 1515 einen neuen Landtag ausschrieb. Der Gehalt der Ratsherren erhöhte sich wegen größerer Versäumnisse und wurde dem Bürgermeister zu 2 Schocken 1 Schock 20 Gr. jedem Mitgliede des Rates zu 1 Schocke ebensoviel zugelegt. Schwangere Mädchen, vorzüglich Mägde erhielten vom Rate durch den Frohn einen Schleier, den sie tragen und sich des Kranzes und anderer jungfraulichen Auszeichnungen enthalten mußten. Ein solcher Schleier kostete 4 Gr. und wird dieser Sitte noch einige Jahre gedacht in den Rechnungen, wo das Geld vereinnahmt und verausgabt ward. Die Fischerei in dem Stadtgraben gab in diesem Jahre 20 Schock Ertrag. Der Pfarrer und Commisarius Mr. Christoph de Hubitz (Haugwitz) starb. schenkte der Kirche 40 Gulden zu einer großen Memorie, die jährlich gehalten werden sollte und fand im Chore der Stadtkirche vor dem Predigerstuhle sein Grab, wo auf dem Decksteine sein Name mit wenigen bezeichnenden Worten noch sichtbar, das meiste aber vertreten ist. Ein neuer Hausmann kam von Merseburg. Die Kirche kaufte das Brauhaus des Hans Ogeler, hinter der Schule für 40 Gulden.

1515

Zu den 20 000 Gulden, welche die Städte auf dem Landtage in Leipzig am 2. Januar d. J. willigten, hatte Delitzsch 700 Gulden zu geben und zahlte sie in zwei Terminen Fastnachten und Ostern größtenteils mit Darlehen, die man auf Leibzinsen nahm. Jacob Reuter, des Rates laufender Knecht, ein Ehemann, ward in seinem Hause mit Jacob Ziegelstreichers Weibe nackend im Bette gefunden. Man nahm beide gefänglichanund ließ sie gebunden mit einem Strohwische zur Stadt ausleuchten, doch ohne Staupenschlag oder einiger Leib Pein, dazu aber schwören, die Stadt ewig zu meiden und sich am Rate und gemeiner Stadt nicht zu rächen. Christop Grasshof, der den Kämmerer Goetzschelwitz schmähte, ward mit 35 Gr. bestraft. Ambrosius Wirth verkaufte die Badstube, die alte Badstube genannt, in der Badergasse an Wolf Sturm und Barbara, dessen Eheweib. Bei Vortragung dieses Kaufes erschienen die Vorsteher des Gotteshauses St. Peters und Pauls und bewiesen, daß die Kirche von dieser Badstube jährlich 1 silbernes Schock erbliche Zinsen, auch 2 alte Schocke oder 40 silberne Gr. und ein Seelbad jährlich wiederkaufsweise zu fordern und auf dieser Besitzung stehen habe, zu welcher jährlichen Zinszahlung und Leistung sich denn auch die Käufer verbindlich erklärten. Mehrere starben an einer gefährlichen Krankheit und unter anderen auch die Notare Heinrich Beyer und Peter Hartmann, von denen ein kleines Vermächtnis an die Kirche kam. Kirchhof und Leichhaus wurden vom Weihbischofe reconciliieret. Der Stadtgraben vom Hallischen Tore bis hinter die Brücke des krummen (breiten) Tores ward geräumt und hielt 12 Acker 43 Ruten.

1516

Andreas Schreiber von Pirna und seine Gesellen verwundeten auf Rubacher Mark einen Mann von Chemnitz, Franz, tödlich und gaben 4 neue Schocke Abtrag. Mit Martin Rapsilber, welcher das Haus am Markte (Nr. 168 des III. Viertels) angenommen hatte und wahrscheinlich aus Mutwillen oder Trotz einen Schweinestall an den Markt bauen wollte, gab es deshalb einen neuen Rechtshandel, den aber die herzoglichen Räte gegen ihn entschieden, wie denn zu gleicher Zeit vom Herzog jede Ungeschicklichkeit derart für die Zukunft streng untersagt ward. Eine Dirne, Luna genannt, aus Olbersdorf (Albrechtsdorf) bei Knauthain, Glorius Siner daselbst Tochter, welche ihr Kind heimlich umbrachte, ward vom Nachrichter in Leipzig lebendig begraben und kam ihr Rock an die Kirche. Auch fand man eine Frau tot in dem Stadtgraben und erhielt der Abdecker für Ablösung des Leibzeichens 5 Gr. Zu einem Schützenhofe in Meißen lud der Rat daselbst in einem Schreiben an den hiesigen sechs tüchtige Schützen. Auf herzoglichen Befehl vom 4. Juli mußten 10 Fußknechte der Sadt am 24. d. Monats in Salza eintreffen, von wo sie unter einen Hauptmann gestellt, nach Friesland zogen. Ihre Rüstung bestand aus einem Hinter- und Vorderteile, Haube und Armschienen, langen Spießen, und kostete dem Rate 8 Schocke. Bei ihrem Abschiede war eine singende Messe und dann eine Mahlzeit. In diesem und folgenden Jahre baute man mit dem Vorrat des Hospitals und mit freiwilligen Beiträgen des Rates, der Gemeinde, und der Umgegend statt der kleinen, veralteten Hospitalkapelle die noch jetzt stehende Hospitalkirche, zu welcher am 17. August, wie der eingemauerte Denkstein im Pfeiler neben der Eingangstür zeigt, der erste Stein gelegt ward. Die Vorsteher des Hospitales Joachim Pretzsch und Andreas Schroeter gaben bei Legung dieses Steines den Gewerken 1 Faß Torgauisches Bier. Der Pfarrer und Commisarius Mr. Wilhelm Pathyner berichtete an die höhere geistliche Behörde, daß sich das Bild der heiligen A n n a (Mutter der Maria), welches auf dem Platze vor der Marienkirche in einem Gehäuse stand, wundersam bewegt habe und trug darauf an, daß an derselben Stätte eine Kapelle zu ihrer Ehre erbaut werde. Der Rat aber, welcher wünschte, daß statt dieser Kapelle die baufällig gewordene Marienkirche hergestellt werden möchte, wußte durch den herzoglichen Kanzler Dr. Johannes Kochel so an den Herzog zu bringen, daß er das Bild der heiligen Anna mit sonderlicher Ehrerbietung in die Marienkirche zu tragen befahl und verordnete, daß wenn jemand in dieses Bildes Namen etwas zu bauen dächte, dieses an dem nun angewiesenen Standorte des Bildes geschehe, was denn auch bei dem vorhabenden Neubaue der Kirche erfolgt und dem Chore der Name: Kapelle der heiligen Anna gegebenward. Ein Schüler hiesiger Stadt, aus Leisnig gebürtig, ward auf Gesuch des Leisniger Rates, weil er an einem Priestermorde teilgenommen haben sollte, gefänglich eingezogen und sollte gemartert werden - er war aber unschuldig und kam los. Die Leisniger versprachen zwar den Rat wegen des Aufwandes schadlos zu halten, zahlten aber nichts und man erließ ihnen die Schuld. Auf dem Landtage in Leipzig verwilligte man den Zehnten vom Getränke wieder auf acht Jahre. Der Scheffel Roggen galt 3 Gr.

1517

Der Pfarrer und Kapellan, welche das Bild der heiligen Anna in die Marienkirche trugen, erhielten vom Rate acht Kannen Wein Verehrung. Heinrich Krause im Rosentale verbüßte den Ehebruch mit 2'/, Schock und eine Frau, welche ein zinnernes Kännchen stahl, ward nach fünfwöchentlichem Gefängnis verwiesen. Die zweite Glocke der Kirche, jetzt Seigerschelle, wurde im vorigen Jahre in Halle mit einem Zusatze von Metall umgegossen, in diesem Jahre vom Weihbischof getauft und aufgezogen. Der Aufwand betrug 44 Schock 14 Gr. 6 Pfg. Der Meister empfing 9 Schock 27 Gr., der Bischof für die Weihung 4 Schocke. Die Kirchenvorsteher gaben ein Mahl, baten Gevattern und erhielten 8 Schocke 25 Gr. 3 Pfg. Patengeld. Ihr Guß ist gelungen und hält sie, was darauf bemerkt ist, 47 Zentner an Gewicht. Es war anhaltende Dürre und das Landvolk, welches in einer Betfahrt mit Kreuzen hierher kam, ward mit Bier vergnügt, vom Landesherren aber wegen steigender Teuerung die Ausfuhr des Getreides streng untersagt. Der Rat, welcher die von Jahr zu Jahr sich mehrenden Abgaben aus der öffentlichen Kasse nicht mehr bestreiten konnte und die Bürger in Anspruch nahm, ward von diesen wegen vermuteten Unordnungen verklagt, es kamen zur Untersuchung herzogliche Räte, in deren Gegenwart derRat die Kämmereirechnung ablegte und vollständig gerechtfertigt ward. Aufwiegler und Wortführer war der Bürger Hans Lippen, den auch der Amtmann gefänglich halten ließ. Auf gedrucktem Befehl des Herzogs, daß das Land von Mordbrennern bedroht sei und man deshalb möglichste Aufsicht haben, die Verdächtigen einziehen und bestrafen solle, wurden die Tore stark besetzt. Auf einer Wiese bei der Stadt fand man ein Kind, welches der Rat einer Frau in Gertitz zu erziehen gab. Ein neuer Hausmann von Jessen.

1518

Der Herzog nahm ein Darlehen, 500 Rh. Gulden, den Gulden zu 21 Gr. meißnisch gerechnet, zu 6 vom Hundert Verzinsung, von dem Nonnenkloster in Brehna und mußte der hiesige Rat sich durch Mitversiegelung durch Schuldverschreibung für Kapitel und Zinsen verbürgen. Auch verbürgte sich der Rat für 100 Rh. Gulden, die der hiesige Amtmann George v. Bendorf von demselben Kloster am 26. April lieh. Die a1te Frauenkirche ward mit Genehmigung des Erzbischofs abgebrochen und am 18. April zu der neuen mit der St.-Annen-Kapelle vereinigten, der erste Stein gelegt nach der Schrift über dem Marienbilde am Pfeiler neben dem Haupteingange der Kirche: Anno dni M CCCCC XVIII Sontag mia dni ist der erste stei gele it. Der Rat schenkte zum Anfange des Baues einen ganzen Brand Mauersteine seiner Ziegelscheune und die Vorsteher den Gewerken bei Legung des ersten Steines ein Faß Bier. Im Mai war hier ein Schützenhof mit Büchsen und Armbrüsten. Der Rat gab zum Preis, hohen Gewinne, zwei Ochsen, die er in Zerbst für 4 Schock 25 Gr. kaufen ließ und den fremden Schützen ein Faß Torgauisches Bier. Ein Bürger Stephan, aus Leipzig, hielt während der Schießzeit ein Glücksspiel um zinnerne Gefäße und gab für Erlaubnis und Bude 5 ½ Schock. Auch schenkte der Rat ein Faß Torgauisches Bier den Minoriten in Leipzig, als sie das gemeine Kapitel in ihrem Kloster hielten und ebensoviel dem Stadtschreiber Conrad Heller zu seiner Hochzeit. Otto Spiegel, Ritter und Besitzer von Neuhaus wollte die Pfarre in Benndorf, weil sie von ihm zu Lehn rühre, zu Paupitzsch schlagen und eine kleine Union machen, welchem der Rat widersprach. Man hatte deshalb einen Tag vor dem Erzbischof zu Halle, der dem Spiegel ungünstig war. Da er es nicht durchsetzen konnte, gab er vor, der Rat hätte zugesagt, die Pfarre in Benndorf zu bauen, brachte die Sache vor den Official, dem sie aber durch den Herzog abgefordert und durch diesen verglichen ward. Der Herzog verlangte abermals 1000 Gulden von der Stadt durch Vermittlung des Amtsmannes und stellte der Rat zwar vor, daß man wegen großer Verschuldung der Gemeindegüter auf neue Darlehen nicht rechnen könne, von der öffentlichen, nur noch den Namen tragenden Kasse so wenig, als von der durch Abgaben entkräfteten Bürgerschaft zu erwarten sei, beschaffte aber doch auf herzogliches Schreiben mit vieler Mühe das geforderte Geld. Auf die im Jahre 1513 und 1514 auszubringen gewesenen Hilfsgelder zum Friesländischen Kriege, der 1300 Gulden, war man, weil die Kämmereikasse erschöpft, 60 Gulden schuldig geblieben, diese wurden in einem Befehl vom 28. August nachgefordert und dabei ausgesprochen, daß dieses Hilfsgeld nicht von dem öffentlichen, sondern von dem Privatvermögen der Bürger zu erheben gewesen sei. Auf herzoglichen Befehl vom 26. September mußten 30 Bewaffnete mit Wagen von hier dem Landgrafen Philipp von Hessen gegen Franz von Sickingen zu Hilfe am 11. Oktober in Salza eintreffen und von da mit anderen weiterziehen. Der Rat ließ Brettchen machen, auf welchen man die Taxe des Fleisches verzeichnete. Die Stadtmauer von der Pfarre bis zu der Zwingerpforte hinter der Dr. Pakin, Doktorei, ward mit Bruchsteinen durch den Maurer Benedict aus Leipzig untermauert und mit 11 Pfeilern versehen.

1519

Die Güter der in diesem Jahre gestorbenen Witwe des Bürgermeisters Heinrich Wolfram waren dem Rate, der Kirche und dem Kalande verpfändet. Man verkaufte sie öffentlich und erhielt der Rat 11 Schock 30 Gr., die Wolfram vor 12 Jahren bei seinem Tode der Kämmereikasse schuldig blieb, zurück; die Kirche aber verkaufte die Hufe auf Rubach, welche ihr die Wolfram 1514 für 800 Gulden verpfändet und auf den Todesfall besäet oder unbesäet, wie man sie fände, verschrieben hatte, für 130 Gulden an Andreas Luppe und verwendete das Geld zu der neuen Orgel. Heinrich Krause im Rosental verbüßte den wiederholten Ehebruch mit 5 Schocken und Nicolaus Meiffert, auch ein Ehemann, den seine Magd wegen Schwängerung verklagte, ward, ob sie schon vor der Ausführung starb, weil er nicht schwören wollte, mit 2 Schocken bestraft. In Podelwitz nahm man dem Kretzschmar fremdes Bier weg, weshalb sich Wilhelm von Haugwitz, dem Podelwitz gehörte, bei dem Herzog beschwerte. Der Rat, welcher dem herzoglichen Befehle vorigen Jahres zufolge, die Hilfsgelder von der Bürgerschaft einziehen wollte, fand bei dieser großen Widerstand , Hans Lippert, ein Wortführer derselben, weigerte sich sogar des Schosses und ward ihm deshalb durch Öffnung der Türe die Hilfe getan. Man berichtet deshalb an den Herzog in Weißenfels. Der Bischof von Hildesheim, Johannes, ein Herzog von Lauenburg, überfiel in der Karwoche die Herzoge von Braunschweig, Erich den Älteren, Heinrich den Jüngeren und dessen Bruder, Wilhelm den Älteren, mit 1200 Pferden und 8000 Landsknechten und hauste, da diese nicht gerüstet waren, in den genommenen Städten fürchterlich. In Beziehung auf diesen Überfall und in Besorgnis, daß nach dem am 12. Januar d. J. erfolgten Tode des Kaisers Maximilian mehrere Unordnungen und Gewalttätigkeiten im Reiche um sich greifen möchten, bot der Herzog die gesamte Bürgerschaft zur Kriegsbereitschaft auf. Wenige Tage darauf erschien ein zweiter herzoglicher Befehl, nach welchem sich 25 Mann mit Büchsen, Spießen oder Hellebarden versehen, in Freyburg einfinden und mit den daselbst anwesenden Hauptleuten weiterziehen sollten. Diese 25 Mann, welche mit anderen dem Herzog Erich von Braunschweig zu Hilfe geschickt wurden, waren Söldner, die man in Leipzig anwarb und von hier mit Waffen versah. Sie entwichen aber in dem Braunschweigischen und kamen ohne Waffen zurück, daher man sie gefänglich annahm, an den Herzog berichtet und von diesem am 12. Juli den Bescheid erhielt: (sie gebührlich zu bestrafen). Zu gleicher Zeit kam ein anderes Schreiben des Herzogs vom 9. Juli, in welchem die Stadt, Bürger, Einwohner und Verwandte, zu Fuß zwei Teile mit Spießen, ein Teil mit Büchsen und guten starken Heerfahrtswagen, zur Bereitschaft (bei Tage und Nacht zu ziehen, unser Land und Leute, und euch selbst vor übriger Gewalt zu schützen) aufgeboten ward. Auf den Bericht aber wegen der von den Bürgern verweigerten Hilfsgelder erhielt der Rat eine Verordnung, durch den Amtmann, an den sie gerichtet war: daß ein jeder von einem Gebrau einen halben Gulden, aber die, so nicht brauen, einen halben Gulden von hundert Gulden Wert geben sollen. Dieser Befehl ward der Gemeine in Abwesenheit des Amtmannes durch den Gleitsmann Nicolaus Wagner vorgehalten und demgemäß von 152 Bieren, die man vom 10. August bis Ende des Jahres braute, 76 Gulden oder 26 Schock 36 Gr. erhoben. Die Stadt hatte Wetterschaden, auch starben viele an einer im Lande sich verbreitenden gefährlichen Krankheit, weshalb die Steuer nicht in Leipzig, sondern in Pegau abgeliefert ward. Der Hausmann, welcher wöchentlich 10 Gr. erhielt, starb und konnte man in zwölf Wochen keinen anderen erlangen, weil man den Lohn zu erhöhen nicht imstande war.

1520

Der Rat verkaufte das 1510 an sich gebrachte und zur Stadtschreiberwohnung bestimmte Termineihaus der Minoriten, welches dem nun verheirateten Stadtschreiber nicht räumlich genug, wohl auch zu abgelegen war, Nr. 108 der Badergasse an Hieronymus Weber für 8 Schock, 8 Gr. jährlichen Schoß und 2'/Wächtergeld. Der Chor der Frauenkirche ward unter Dach gebracht und die eine Seite derselben aufgeführt. Die Vorsteher nahmen dazu vom Rate 28 600 Mauersteine, der Rat erließ ihnen aber die Zahlung für 600 Stück, weil das Gotteshaus fast arm war. Die Edelleute in Delitzsch, Friedrich und Thilo von Schenkenberg, Christoph und Otto Schidingen von Schenkenberg (auf Woelkau), Wolf von Pak, der Jüngere auf Döbemitz und Otto von Pak daher, auch ein Jünger von Plaussig befehdeten die Bürger und beleidigten sie in und außer der Stadt mit Wort und Tat. Sie verfolgten und verwundeten nicht nur Erwachsene, sondern auch Schulknaben. Den Rektor der Schule jagten sie mit bloßer Wehr vom Rathause bis in die Schule, wo er sich nur durch schnelles Zuschlägen der Türe rettete. Namentlich mißhandelte Wolf von Pak den kranken Bürger Hans Nossig, der sich zu den Ärzten nach Leipzig fahren ließ, auf der Straße und hieb ihn, wiewohl sein Weib weinend für ihn bat und ihn deckte, mit der flachen Klinge so, daß er wenige Tage darauf in Leipzig starb. Auch schoß er viermal mit einer Handbüchse (Pistole) unter die, die in der Kreuzwoche mit Kreuzen nach Döbemitz zogen (eine Betfahrt hielten). Die Veranlassung zu diesen Unbesonnenheiten ist nicht klar. Thilo von Schenkenberg schützte eine Beleidigung seines Vaters vor; es war aber wohl Groll über die Begünstigung der Städte und immer mehr eingreifende Beschränkung der ritterlichen Freiheit, die leider in Zügellosigkeit ausgeartet war. Die Bürger hielten sich lange ruhig, endlich aber griffen sie zur Wehr und ward in einem Exzesse Friedrich von Schenkenberg, der dem Bürger Martin Rapsilber eine Wunde beigebracht hatte, von dem Bürger Peter Hüter gleichfalls verwundet und gefänglich genommen. Hierüber beschwerte er sich zwar bei dem Herzog, dieser nahm aber das Benehmen dieses Herren sehr mißfällig auf und ward die Sache durch Zuziehung mehrerer Amtleute und Stadträte zwar vertragen, des von Pak Knecht aber, welchereinen armen Schüler verwundet hatte, auf Befehl des Herzogs nach Rochlitz auf den Turm gebracht. Hans Beck zu dem Haine, der Vater des berühmten Orgelbauers Esaias Beck zu Halle und Halberstadt, baute im Sommer dieses Jahres die große und kleine Orgel der Stadtkirche und erhielt 230 Gulden an Arbeitslohn, die Gesamtausgabe betrug gegen 500 Gulden. Das größere Werk stand auf der Abendseite und hatte die Bälgekammer im Turme, das kleinere an der Mitternachtsseite, zu dessen Bälgen ein Verschlag unter dem Dache der Kreuzkapelle eingerichtet war. Blasius Poritzsch, ein unruhiger Bürger, der sich vom Rate gedrückt, und sein väterliches Vermögen durch nachlässige Verwaltung desselben verkümmert glaubte, und deshalb unbegründete Beschwerden und Prozesse führte, mit welchen er durchfliel, zog nach Kalbe und beredete den dasigen Amtmann Simon Hak, daß er von hiesigem Rate kein Recht erlangen könne, ihm Haus, Hof, Geld und Kühe wider alle Billigkeit vorenthalten würde, selbst gegen herzogliche Verordnungen, weshalb dieser für ihn sich verwendend hierher schrieb, um Antwort bat, zugleich aber auch, im Falle einer wirklichen Rechtsverweigerung bemerklich machte, wie er in seines gnädigen Herrn Gerichten die hiesigen Bürger ebenfalls im Rechte aufzuhalten verpflichtet sei. Ein gleich unruhiger Kopf, Lippen, der auch die Stadt mied, hielt sich auf dem Vorwerke Badrina auf und man bat schriftlich den Otto Spiegel auf Neuhaus, daß er ihn dort als einen der Stadt Oberünstigen nicht halten möchte. Der Jahrmarkt der Stadt, welcher bisher Sonntags nach Himmelfahrt Mariä gehalten worden war, wo man ihn wegen der Ernte weniger besuchte, ward auf Bitte von dem Herzoge auf den Sonntag nach Allerheiligen verlegt. Es war hier Gewohnheit, daß die Witwe, wenn sie wieder heiratete, ihren Mann mit allen ihren Gütern begaben ließ, starb sie dann bei Leben dieses Mannes, so hatten ihre Kinder erster Ehe kein Mutterteil. Diese Gewohnheit wurde durch herzogliche Verordnung vom 29. Oktober aufgehoben, und festgesetzt, daß den Kindern erster Ehe bei Wiederverehelichung der Witwe der dritte Teil ihres Vermögens zum Mutterteile nach ihrem Tode gegeben werden mußte. Auch soll nach dieser Verordnung Gerade und Heergeräte auswärts nur an die folgen, mit denen die Stadt in sonderlichen Verträgen steht. Der Licentiat Otto von Pak, ein Eingeborener, Sohn des Johann v. P., war mit seiner Gattin hier und erhielt den Ehrenwein. Durch Caesar Pflug ward festgesetzt, daß der Scharfrichter in Leipzig von den Städten jährlich einen gewissen Sold erhalten solle und gab ihm hiesige Stadt jährlich 48 Gr. Bei diesem herzoglichen Rate beschwerte man sich gegen den hiesigen Amtmann, welcher auf dem Steinwege vor dem hallischen Tore der Gerichtsbarkeit des Rates Eintrag tat, auch weigerte man sich gegen ihn, die Verschreibung des Herzogs von Adelloff von Hain über 2000 Gulden bürgschaftlich zu vollziehen. Eine herzogliche Verordnung untersagte den guten Montag der Handwerker und Lohn an heiligen Tagen ohne Arbeit. Maurern und Zimmerleuten wurde nur ein Lehrjunge erlaubt und dessen wöchentlicher Lohn auf 9 Gr. bestimmt. Der Official in Halle erlaubte sich von neuem, Bürger in weltlichen Händeln vor das geistliche Gericht zu ziehen, weshalb man sich an den Herzog und höhere geistliche Behörde zu wenden genötigt sah. Die Schützen schossen eine neue Karrenbüchse und zwanzig Hakenbüchsen an und erhielten ein Viertel Bier. Eine Dirne stahl aus der Bittafel der Frauenkirche 2 oder 3 Gr., ward gestäupt und verwiesen. Mit dem Paken und Spigeln hatte man Grenzberichtigung in der Spröde und warf einen Malgraben auf. Man braute 319 Biere und erhielt also nach 1/2 Gulden von jedem Gebräude, 55 Schocke 50 Gr. von den nichtbrauenden aber, welche von Hundert Gulden des Wertes ihrer Güter ebenfalls ½ Gulden zu geben hatten und zu 2555 Gulden geschätzt waren, vier Schocke 28 Gr. 3 Pfg. und von 17 Personen, die Hauptgeld geben mußten, zu 2 Gr., 34 Gr. nach herzoglicher Verordnung Kassenbeitrag. Aus der diesjährigen Fischerei löste man 18 Schocke 25 Gr. und besetzte den Stadtgraben wieder mit 30 Schocken Karpfen, die man von Caesar Pflug nahm. Wegen des Rückzuges der Kriegsleute, die unlängst zu Roß und Fuß nach Preußen gezogen waren, daß sie für Geld und ohne Geld notdürftig beköstigt, aber nur eine Nacht behalten werden sollten, erschien eine herzogliche Verordnung am 16. Dezember d. J. An der noch herrschenden bösartigen Krankheit starben der Bürgermeister Joachim Pretzsch und die Ratsherren Hans Nossig und Matthias Gotzlitz.

1521

Der Official zum Neuen Werke in Halle zog von neuem den Bürger Heinrich Riemer bei höchstem Banne in weltlichen Sachen vor das geistliche Gericht. Der Rat lehnte sich dagegen auf und berichtete an den Herzog, der aber bereits nach Worms zum Reichstage abgegangen war. Auf die Verhandlungen der herzoglichen Räte wollte der Off icial, vorgebend, daß man mit der Justizpflege säumig sei, den Bann nicht abstellen, es geschah aber sogleich, als der Herzog und Erzbischof vom Reichstage zurückgekommen war. Der Bürger Johann Rügezelt hatte den Kindern zum Spiele einen bleiernen Pfennig gemacht, welcher dessen kleiner Sohn ohne sein Vorwissen ausgegeben. Man reiste ungewiß, wie man die Sache behandeln sollte zu Caesar Pflug nach Pegau, Freiburg und hatte, von großem Gewässer aufgehalten, um ein geringfügiges Ding beschwerlichen Aufwand. Der im vorigen Jahre erwähnte Blasius Poritzsch verklagte nun, um nichts unversucht zu lassen, den Rat bei dem Freien Stuhle zu Wolkmers in Westphalen und der Freigraf erließ sogleich die schriftlichen Vorladungen. Dieser Handel war der beschwerlichste. Der Herzog, den man in Dresden persönlich anging, gab zwar sofort dem Probste zu St. Thomas in Leipzig Auftrag, in einer Johibitionsschrift den Rat mit Bezug auf die päpstlichen Privilegien abzufordern und dieser lieferte sie auch, die sichere Anbringung fand aber ungemeine Schwierigkeit. Man wußte, daß der Überbringer einer solchen Schrift in Wolkmers unwillkommen und gefährdet war. Der erste Bote, den man mit Mühe erhielt, übertrug daher vor Wolkmers, dessen harte Toruntersuchungen er fürchtete, die Übergabe einen Bürger dieser Stadt und kam, als dieser dem Pfarrer nicht heimisch, andere Geistliche zur Annahme nicht willig fand, unverrichteter Sache zurück. Erst dem Zweiten gelang es, als Geistlicher verkleidet, dem Pfarrer die Schrift zur Expedition beizubringen, worauf denn das weitere Verfahren eingestellt ward. Die Schützen hatten ihre Übungen bisher vor dem breiten Tore, links in der Vertiefung neben der Allee, wo jetzt ein Fahrweg nach den Scheunen am Hirtenhause führt und daselbst ein eigenes Schützenhaus. Es ward ihnen aber zu größerer Bequemlichkeit und Sicherheit der Raum zwischen dem Wachhause des Hallischen Tores und der Hospitalkirche angewiesen und jenes Haus im Sommer dieses Jahres hierher gebracht. Ein Mann, der im Kruge zu Zschernitz einen Totschlag verübt hatte, flüchtete in die Stadt und als man ihn greifen wollte, auf den Kirchhof. Hier hielt man ihn fest und berichtete an den Erzbischof. Statt des nicht mehr haltbaren Rathausturmes führte der Zimmermeister Jacob von Leipzig einen neuen auf. Er hatte 33 Ellen Höhe über dem Dache, sechs Windbrüche, gedeckt von Kupfer und Schiefer, eine eiserne Spille mit Wetterhahn, Kränzchen und sieben vergoldete Knöpfe. Der Rat war Patron des Altares der heiligen Katharina, es entstand daraus ein Gezänk zwischen Rat und Geistlichen. Durch Unvorsichtigkeit entstand in der Grünstraße Feuer, wodurch mehrere Hausbesitzer verunglückten. Nach Pfingsten war ein Schützenhof in Kemberg, wohin der Rat die hiesigen Schützen fahren ließ. ManließdenQuell des heiligen und Gertitzer Tonnen Brunnen (vielleicht auch Tonius-Antons-Brunnen) räumen und durch einen Röhrmeister untersuchen, ob er nicht durch Röhren in die Stadt zu leiten wäre, der aber beider Lage zu niedrig fand. Zu gleicher Zeit erneuerte man die verfallenen Gerichte , Galgen auf Gerltitz, Gertitz und Rubach und gab den Arbeitern außer reichlichem Lohne auch noch ein Viertel Bier. Die hiesigen Handwerker hatten sich der vorjährigen Verordnung des Herzogs wegen des blauen Montags und anderer Mißbräuche nicht gefügt, daher am 10. August d. J. ein wiederholter schriftlicher Befehl an den Rat mit dem drohenden Schlosse: "Und ist hirumb nochmals unser ernster Beger, Ir wollet unserm vhorigen Befehl nach, Nymants guthen Montag, noch die heyligen tage in der Woche zuuor lohnen, oder vorlohnet zu nhemen zu lassen, und sonst demselben gentzlich nachkommen, dan wo solchs von ymandts durch ewre Nachlessigkeit ader Zusehung vbergangen, So gedencken wir euch darumb ernstlich zu straffen, das ist vnsr gentzliche Meynunge." Aus dem Nachlasse der Witwe des Sebastian Sanders (1518) Catharina, empfing infolge ihres am 20. Januar d. J. errichteten Testamentes

1. die Stadtkirche alles zinneme Gefäß;
2. die Frauenkirche alles Silberwerk, die Ringe, eine rauche Mütze, das lederfarbne Chamlet, Koller, und 23 Rh. Gulden, welche die Vorsteher ihr schuldig hätten;
3. der Altar Trinitatis 100 Rh. Guden mit der Verfügung, daß der Altarist für die Zinsen freitags eine Messe halten solle;
4. 60 Rh. Gulden der Rat zu einer jährlichen großen Memorie. Diese 60 Rh. Gulden borgte der Rat lt. Schuldurkunde vom 2. Oktober 1521 und verzinset sie noch an die Kirche, an welche sie bei der Reformation überbringen.

Wegen der Unruhen im Reiche erschien am 18. September vom Schlosse Schellenberg aus ein neues Aufgebot der Bürgerschaft, sich mit Harnisch, Geschütz und anderem, das zum Kriege und Feldzuge not ist, gerüstet und zum Abzuge bereit zu halten. Der Krieg des Kaisets (Carl V.) mit Frankreich, der Einfall der Türken in Ungarn und die wiederaufgenommene Fehde des Bischofs in Hildesheim, der deshalb in Reichsacht fiel, war Anlaß dieses Aufgebotes. Am 22. Oktober erließ der Herzog die neue gedruckte Feuerordnung, die , für ihre Zeit vortrefflich, allen späteren zugrunde liegt. Sie enthielt das Beste, was die städtischen Willküren in dieser Beziehung boten und war daher ein dem Volke befreundetes Gesetz. Der vierte Abschnitt derselben wörtlich so lautend: "Intern so bald der glockenschlack geschieht, aber das geruckte gehort, sollen die, so in dem virtel, darinne das feuro auffkommen, gesessen, auch die Monche, Handtwergksgesellen, Zimmerleuthe, Tagelohner, Schuler, brawer, bader, freye Frawen, und alle mussige lewthe, mit exten, eymern, schussen. vassen, kannen, und andern zur where dinstlich, und keyner mit ledigen Henden, stracks zum fewer lauffen, und dasselbige getrewlich und fleyssiglich leschen und wehren helffen"; ist wegen Zusammenstellung verschiedenartiger Persönlichkeiten bemerkenswert. Infolge dieser Verordnung schafften der Rat 100 lederne Feuereimer zum Aufhängen im Rathause und Rollwagen zu Fortbringung der Leitern und Haken an. Der Rat mußte die ihm gekündigten Kapitale der Stiftung des Dr. Euderitzsch, in Leipzig und der Nonnen zu St. Georg in Glauche vor Halle, 980 Rh. Gulden in Summe zahlen (1475, 1487 und 1498) und borgte dazu 140 Rh. Gulden von dem Vicare des Altares Trinitatis, Georg Böttcher, aus der Stiftung der Witwe Sander; 60 Rh. Gulden von der Gesellschaft der neuen Brüder aus derselben Stiftung; 100 Rh. Gulden vom Vicare des Altares der heiligen Anna, Ulrich Stössel; 80 Rh. Gulden von den Vorstehern des heiligen Kreuzes in der Pfarrkirche; 100 Rh. Gulden von Hans Winter und 400 Rh. Gulden von Walpurgis, Joachim Pretzsch Witwe. Die ansteckende Krankheit voriger Jahre findet sich auch in diesem. Es starben unter anderem hier der Kämmerer Johann Kirchhof, George Küster und der Prediger Peter; in Leipzig aber ward deshalb, wie man hier bemerkte, das Oberhofgericht ausgesetzt.

1522

Seit dem Reichstage in Worrns (1521) war Lutherder Held des Tages. Sein Wort ging durch die Länder und fand, wie überall auch hier erfreulichen Anklang. Der Nimbus geistlicher Anmaßung erblich, die schriftmäßige Predigt erhob sich über den Meß- und Altardienst und das Volk bezeigte durch Zurückhaltung der Opfer und Stiftungen, daß die Zeit der Altäre, des unfreien, erwerbgünstigen Kultus vorüber sei. Dem Landesfürsten selbst war Luthers Streben, solange es ihm ein kecker Schulwitz, eine der Politik dienliche Pflanze schien, behaglich, erbitternd aber, als es ein mächtiger Baum die weltliche Aufsicht überstieg. Argwöhnisch gegen den gebeugten Adel und das belastete Volk bangte ihm um das Diadem. Regent und Reformator war nach seiner Ansicht eins. Er trat daher, den Geist der Bewegung verkennend, und zürnend auf der Geistlichen unwirksame Wissenschaft, gegen des Fürsten wägende und des Volkes Würde hebende Mönchlein zwar mit fürstlichen, der Zeit aber höchst mißlichen Waffen auf. Acht und Aberacht, Feuer und Schwert gegen Licht und Recht, welch ungleicher vergeblicher Kampf! Doch kämpfte er ihn beharrlich, kämpfte noch lebensmüde und verriet erst sterbend, wieviel er dem Luthertume gewonnen gab. Zuerst erschien nun gegen Luther ein gedruckter Befehl. Die Stadt mußte 25 Fußknechte für den Landgrafen von Hessen auf vier Wochen versolden. Der Amtmann in Zörbig George Anger besorgte die Ausgaben und ward, weil er nicht Rechnung legte, bei dem Herzog verklagt. Auf Verordnung des Herzogs gab die Stadt den auf dem Reichstage dem Kaiser verwilligten Beitrag zu dem Krönigszuge gegen Rom und Türkenkriege, nach der Quittung des herzoglichen Rentmeisters George von Widebach 94 Gulden oder 32 Schock 54 Gr. Thilo v. Schenkenberg bedrohte die Stadt von neuem (1520) mündlich und schriftlich, mußte aber von Cäsar Pflug bei Schuldbuße und höchstem Landrechte Ruhe geloben. Der Maurer Georg Weidemann aus Leipzig führte ein Stück Zwingermauer vom krummen (breiten) Tore an gegen Süden neu auf und deckte ringsum die alte. Auch ließ man den verschlämmten Graben um die Vorstadt, von der Wasserrinne hinter Hans Ruthards Scheune bis jenseits der Abdeckerei herstellen, den Wasserlauf, den die Vorfahren bei Ankaufung der Hausmühle für 150 Gulden an sich brachten, auch den Gertitzer oder Rubacher Bach von seiner ersten Quelle ab räumen und verwendete zum Besten der Stadtmühle viel Geld darauf. Zu gleicher Zeit wurden zwei neue Hecken, eine bei dem Kälberstalle (in der Kohlgase nach dem Graben zu), die andere zwischen dem Schloß- und Stadtgraben hinter der Pfarre angelegt. Zwei Auswärtige gaben für die Erlaubnis des Spieles: Schwarz und weiß am Ablasse Petri Pauli 35 Gr. Thomas Mildecke und Nicolaus Moller aus Ilmenau, die an diesem Jahrmarkte mit falschen Karten spielten, kamen in Haft und Untersuchung. Die Leipziger Schöppen erkannten auf Staupenschlag und Landesverweisung, die Magdeburger, daß man sie nach Diebsrechte strafen sollte. Der Herzog entschied erst für das Magdeburger, später fürdas Leipziger Urteil und dieses wurde an ihnen auch vollstreckt. Dienstags nach Petri Pauli mordeten Caspar Bank aus Leipzig und Blasius Zeller aus Halle, Balthasar Hüfnern, wurden in Emsdorf ergriffen und auf Geständnis in peinlicher Frage mit dem Schwerte hingerichtet. Das Urteil, welches ihnen peinliche Fragen zuerkannte, kostete 21, das zweite Todesurteil 42 Gr. In dem Hause des Peter Kluge kam Feuer auf des nachts, ward aber durch die Nachbarn und Nachtwächter sogleich gelöscht. Zu dem Bauaufwande dieses Sommers nahm der Rat von Johann Kaufmann, Domherrn und Besitzer der Präbende Sancti Laurentii in der Stiftkirche zu Wurzen ein Darlehn von 100 Rh. Gulden in Golde und der Herzog gab mit der Bedingung, daß es binnen dreien Jahren zurückgezahlt werde, seine Bewilligung. Der Schulmeister (Rektor) Baccalaurius Johann Zimmerer aus Pirna gebürtig, predigte zur Schule heraus, ward auf herzoglichen Befehl gefänglich eingezogen, kam aber nach drei Wochen auf Bürgschaft los und blieb im Amte, weil man seine Entschuldigung, es sei eine Ermahnung an die weggehenden Schüler gewesen, gelten ließ. Des Herzogs Verordnung den 9. April an den Rat, Aufsicht zu haben, daß jeder in der heiligen Zeit (Karwoche) nach Gebot der heiligen christlichen Kirche Beichte und das Abendmahl nehme - bei Strafe, kam nicht zeitig genug. Am Viehtore fand man ein weggesetztes Kind, welches der Rat erziehen ließ. Der Garten im Rosenthale, früher die Schademühle mit 5 Gr. Lehngeld kam von Christoph Poppe an Paul Ausbund und ein neuer Hausmann von Döbeln. In des Rats Keller verschenkte man 81 Faß Torgauisches und 6 Faß Freibergsches Bier, die Stadt aber braute 309 ganze Biere und betrug die Abgabe davon an die Commun, nach 1 ½ Gulden vom Gebräude 54 Schock 4 1/, Gr. Das Vermögen der Nichtbrauenden ward zu 1700 Gulden abgeschätzt und brachte, nach 1/, Gulden vom Hundert mit 38 Gr. Hauptgeld von 19 Personen 3 Schock 36 Gr. 4 Pfg. 1 Heller. Der Scheffel Roggen galt 3 ½ Gr. Die Besorgung der Kirchenuhr, bisher Sache des Küsters, übertrug man dem Schlösser (Kleinschmiedte) und schaffte zwei neue Peilickentafeln an. Aus dem Rate starben Ambrosius Werdt, Ratsherr seit 1495 und Andreas Schröter, seit 1509. Dieser, ein wohlhabender Besitzer des Eckhauses am Markte (Nr. 164) stiftete 50 Gulden für geistliche Zwecke.

1523

Der Bau an der Frauenkirche, längere Zeit wegen mangels an Geldvorrat unterbrochen, ward fortgesetzt. Die Vorstehernahmen 15 000 Stück Ziegel vom Rate und dieser erließ ihnen den vierten Teil ihres Wertes. Der Zimmermeister von Leipzig, welchen man den Graben um die Vorstadt, in der Meinung eine Mühle daselbst anzulegen, besichtigen ließ, stimmte zwar dafür, der Bau unterblieb aber, weil er für den Nutzen zu kostspielig schien. Durch häufige Regengüsse verdarben die Wege, daher denn der Rat die zu einem Schützenhofe geladenen Schützen nach Pegau fahren ließ. Den gereinigten Graben um die Vorstadt besetzte man mit Fischen und brachte deshalb die beiden hinter der Frauenkirche liegenden lang nicht benutzten und durch das Eindringen des Viehes zu Pfützen gewordenen Hälter wieder in tauglichen Stand. Beide wurden geräumt und mit Hecken gegen das Vieh gesichert, auch legte man am Ausfluß des ehemaligen Mühlgrabens der Hausmühle in den Lober (des kleinen am Gerberplane liegenden Wasserlaufs), damit die Tränke am Viehtore nicht Mangel an Wasser leide, im Sommer trockner Jahre zur Stauung einen Damm. Der Kaiser verlangte zu Fortsetzung des Türkenkrieges eine neue Türkensteuer. Die Stände versammelten sich deshalb in Leipzig, bewilligten sie aber nur für den Fall, daß sie sämtliche Reichsstädte treffe und gleichmäßig verteilt sei. Der Amtmann Hans v. Pak machte als Besitzer des Rittergutes Laue Ansprüche auf drei Höfe des verwüsteten, der Commun gehörigen Dorfes Gerltitz und einige Hufen der Gerltitzer Mark drei Hufen, jegliche mit 3 Feldern und in jedem Feld 8 ½ Acker. Er hatte daher schon im vorigen Jahre geschnittenen Hafer des Rates einbringen lassen und es entstand ein weit aussehender Rechtsstreit, der aber durch das Oberhofgericht in Altenburg, Cäsar Pflug und Wolf v. Weissenbach durch Rezeß vom 9. Juni verglichen ward. Jetzt (im 19. Jh.) befinden sich von den damals abgetragenen Ackern nur noch neun bei dem Rittergut Laue, die übrigen sind an mehrere vererbt. Nach dem Laueschen Steuerkataster vom Jahre 1777, in welchem diese drei Hufen und ihre Besitzer genau angegeben sind, betragen sie 66 Acker, also nur 1 1/Z Acker weniger, als damals zugemessen worden ist. Der jungen Frau des Amtmannes Hans v. Pak schenkte der Rat einen silbernen Becher und dem Rector Zimmeler, welcher des Bürgermeisters George Treu Tochter heiratete, ein Faß Torgauisches Bier. Auf dem Rathause wurden neue Stände für die Tuchmacher angelegt und für die Waage neue Zentnergewichte angeschafft. Sie bestanden aus kupfernen, mit Blei gefüllten Hülsen und wog jede Hülse 26 Pfund. Von der diesjährigen Fischerei hatte die Commun 15 1/2 Schock und von 329 gebrauten Bieren 57 Schock 34 Gr. 6 Pfg.

1524

Tietz v. Scheydingen auf Schenkenberg, welcher mit anderen Edelleuten frü- her schon Unfug in der Stadt getrieben hatte, kam am Abend des Neuen Jahrestages, wo er von neuem im Stadtgebiete frevelte, den Schäfer in Döbemitz, den Bürger Ambrosius Schmidt und des Rates Diener schlug und verwundete, in des Rates Haft. Die Sache ward jedoch tags darauf durch den Amtmann Hans v. Pak in der Maße, daß der von Scheydingen zum Dienste des Rates, wenn er es verlange 14 Tage lang einen ziemlich gerüsteten reisige Knecht auf seine Gefahr stelle und des Gefängnisses wegen schriftlichen Urpheden leisten, gütlich verglichen und ein Rezeß darüber ausgestellt. Auf die Beschwerdeschrift des Pfarrers, Baccalarius Hermann Hammer, daß die gesetzten Opfertage, Gestifte und Almosen zum Gottesdienste wie vor Alters nicht mehr gehalten würden, er folglich zwei Kapellane, einen Prediger und den Schulmeister mit Kost nicht mehr versehen könne, befahl der Herzog unterm 14. Januar dem Rate, da er an sich schon zur Unterhaltung der Geistlichkeit verpflichtet sei, zu veranstalten, daß ihm das Gebührliche auch an Opfer, dazu man verbunden, gereicht und gehalten werden. Der Landgraf Philipp zu Hessen führte die mit ihm 1523 vermählte Tochterdes Herzogs Georg, Christine am 23. Januar in seine Heimat und der Rat stellte auf fünf Wochen vier Pferde zu dem folgenden Gerät. Der Graben um die Vorstadt ward an den Stellen, die das Wasser beschädigt hatte mit Pfählen und eichenen Pfosten befestigt, der Schutz hinter der Abdeckerei verändert, ein neues Flutbette gemacht und das Gerinne hinter Ruthardts Scheune (die erste am Stadtgraben bei dem Gerberplane) erneuert. Die Schützen erhielten neue Schießwände zum kurzen und weiten Ziel. Der Vikar des Altares St. Annä, Ulrich Stößel, welcher am 30. Mai d. J. starb, beschied in seinem Testamente unter anderen der Frauenkirche 100 Rh. Gulden, die er auf dem Rathause stehen hatte zu Fortsetzung des Baues, der Stadtkirche 20 Gr., seine Bücher, Kannen und Schüsseln und 88 Gulden. In Naumburg war ein Schützenhof und kurz darauf ein gleicher in Wittenberg, zu welchen der Rat hiesigen Schützen ein Reisegeld gab. Die Schwester des Hauptmannes Hans v. Pak, Anna und Otto Spiegel zum Neuenhause hielten hier Hochzeit und weil dabei viel Edelleute waren, verstärkte man die Wachen, verehrte aber jener eine Kufe, diesem ein Faß Torgauisches Bier. Mit 10 ½ Gr. bestrafte man das verbotene Würfelspiel. 14 Bürger im Harnisch bewachten am Jahrmarkte Petri Pauli (im Ablaße) die Tore . Die Diener des Rates, bisher grau und braun gekleidet, erhielten leberfarbenes Gewand, welches noch Anfang des 18. Jahrh. ihre Abzeichnung war. Von 330 in diesem Jahre gebrauten Bieren bezog die Gemeindekasse 57 Schock und 45 Gr. Eine Elle Leinwand galt 7 ½ Pfg., ein Ries Papier 17 ½ Gr. An die Stelle des abgegangenen Schulmeisters, Rectors Johann Zimmler, kam der Baccalaurius Petrus Walter, ein Voigtländer. Ein harter Winter, der noch im späten Mai Teiche und Flüsse mit Eis bedeckte, verursachte eine Mißernte und das Getreide überstieg den doppelten Wert.

1525

Es war Teuerung und verkaufte der Rat aus seinen Vorräten den Scheffel Roggen an Einheimische für 6, an Fremde für 7 und 7 ½ Gr. Die Stadt Jeßnitz im Anhaltischen hatte ein großes Brandunglück. Sie verlor nach der Anzeige des Rates daselbst, vom dritten Osterfeiertage d. J. all ihr Geld und Gut und erhielt von hier auf ihr Bittschreiben eine ansehnliche Steuer. Die Spiegel auf Neuhaus trugen beim Rate an, daß er statt der ihm zustehenden Zinsen von der Mühle in Benndorf andere von ihnen nehmen und in die Verlegung der Benndorfer Pfarre nach Paupitzsch seine Einwilligung geben möchte. er wies aber beides zurück, das letztere darum, weil die Pfarrer in Benndorf mit Zinsen und Einkommen zu Versorgung eines Pfarrers, der die Leute alle Sonntage und heiligen Tage nach christlicher Ordnung mit Amt versehe, genugsam begabt, darüber auch neulich erst durch den verordneten geistlichen Richter zum Neuenwerke vor Halle rechtlich entschieden worden sei. Der Herzog übernachtete hier auf seiner Reise nach Dessau und die Stadt verehrte dem Gefolge zwei Küfen Torgauisches Bier. Die Tore waren bei seiner Anwesenheit mit bewaffneten Bürgern besetzt. Am 5. Mai starb der Kurfürst, Friedrich (der Weise), in Lochau noch nicht 63 Jahre alt und ward in der Schloßkirche zu Wittenberg am hohen Altare beigesetzt. Auch hier feierte man auf Veranlassung sein Gedächtnis. Zu dem Bauernkriege in Thüringen und am Harz mußte die Stadt 25 Fußknechte einen Monat lang mit 100 Gulden lohnen, stellte aber aus der Stadt keine Mannschaft. Die Heerfahrt fand im Mai statt und hat der damalige Stadtschreiber folgendes darüber angemerkt: "Herfartgelt vnserm gn. Herrn Herczogen Georgen zeu Schüssen ... zcu dem Zeuge so sein F. G. wider die vffgestanden vorsammelten Bawern, die ein pfaffe Munczer vnd ein monch pfeiffer gnant als ire obersten beweget hatten awffzcusthen, that, wen sie sein Gn. in das lant zcu Doringen das zcu irobern zogen, die sein Gn. darnider legete, und der bey 6 ½ Thawßent vor franckehawsen irschluch(erschlug), auch die stete Molhowßen und Franckenhawßen die ynen hulffe und vorschobe gethan zcu abetrag und gehorsam brachte und die selbigen beide ire obersten den pfaffen und möchh fing und vor Molhawßen (Mühlhausen) entheupten liß, und gaben nachfolgende summa seiner F.G. zcu vorerunge darmit vns sein F. G. des selbigen Zcuges vorschonte und heime ließ nemlich hundert gulden macht an muncze XXXV schoch." Der Jahrmarkt Petri Pauli war so besucht, daß die Schenkkrüge und Kannen für die Biertrinker nicht ausreichten, sondern töpferne Gefäße vom Markte gebraucht werden mußten. Da man in den Sommermonaten nicht braute, so hatte man für diese Zeit Winterbiere in vielen Kellern vorrätig, man fand sie aber am Schluß des Marktes sämtlich ausgeschenkt. Die Irrung zwischen dem Rat und Amt wegen der Gerichtsbarkeit auf dem Damme und in drei Häusern der Vorstadt, welche im vorigen Jahre hoher Entscheidung vorgetragen wurden, verglich in diesem der Amtmann in Leipzig, Andreas Pflug in der Maße, daß der Rat der Gerichte auf dem Damme vom Hallischen Tore an bis an die hölzerne Brücke, das Amt aber über die drei Höfe in der Neustadt haben solle, welchen Vergleich denn auch der Herzog in (einer) Urkunde bestätigte. Eigentlich hatte das Amt von diesen drei Höfen, welche der von Crostewitz dem Amte abgetreten hatte nur die Lehn, die Ämter aber erweiterten gern ihre Gerechtigkeit. Zur Bezeichnung der ihm auf dem Damme zugestandenen Gerichtsbarkeit setzte der Rat zwei Sandsteine, einen rechts am Ausgang der Hospitalbrücke den anderen links am Anfange der damals hölzernen jetzt steinernen Brücke (später die Mansfeldische genannt), welche er in Halle für 2 Schock fertigen und mit des Rates Secret und der Jahreszahl 1525 bezeichnen ließ. Beide Steine bestehen noch (1852) und galten bis in die neueste Zeit als die Scheidung amtlicher und städtischer Gerichtsbarkeit. Der hier gefänglich gehaltene Glorius Fleischer war auch des Kardinals und Erzbischofs zu Magdeburg Rat Adolph vom Hain und dessen Mutter Geld schuldig (150 Gulden für Wolle) und der Kardinal, welchem man vorgestellt haben mochte, daß der Rat gegen den Schuldner nachsichtig sei, wendete sich deshalb schriftlich an den Herzog. (Dessen) Schrift kam zwar hier an, der Rat konnte aber, weil der Schuldner zwar nicht güterlos, die Zahl der Gläubiger aber (meistens Edelleute) übergroß, bei dem besten Willen den Anforderungen nicht genügen und es kam ihm gewiß sehr gelegen, daß der Gefangene mit Hilfe unbekannter Freunde das Gefängnis durchbrach und entwich. Erbrach unter drei Mauern des sehr festen unterirdischen Gefängnisses in den anliegenden Keller des Johann Ruthardt Nr. 67, welchen er offen fand. Die Diener Paul Götze und Heinrich Bene kamen zwar in Haft und Untersuchung, es konnte aber nichts auf sie gebracht werden. Hans Hoyer von Plauen, welcher dem Herzoge als Reisiger, Trabant, in dem Bauernkriege gedienet hatte, geriet hier in Delitzsch, wo er angeblich auf Besuch, und mit dem Schulmeister und Cantor auf dem Ratskeller war, mit des Rates Dienern in Streit, wurde von ihnen mit Wehr angegriffen, übermannet und gefänglich angenommen. Er hatte die vor dem Rathause sitzenden Diener beschimpft, mit Wehr angegriffen und verwundet, ward aber nur einen Tag gefänglich gehalten nach geschworenem Urfrieden, in welchem er sich zum Abtrag jedesmal zu stellen versprach, auf Bürgschaft des hiesigen Schulmeisters (Rectors) Baccalaurius Petrus Walter entlassen. In diesem Urfrieden wird er als Baccalaurius aufgeführt. "Orfriden Johannes Hoyers von Plawen Baccalarii. "Er wollte bei dieser Balgerei 14 Gulden in Golde, den Lohn seines Kriegsdienstes aus dem Ärmel verloren haben und behauptete, daß dieses Geld von einem Bürger aufgehoben und einem der Diener in den Ärmel geschoben worden sei. Der Rat hörte nun zwar den Knaben, den er deshalb als Zeugen aufführte, die Aussage war aber unzureichend und so konnte ihm zu dem angeblichen Verluste nicht geholfen werden. Deshalb beschwerte er sich nicht nur von Leipzig aus bei dem Herzog, sondern ward auch der Stadt abgesagter Feind und schickte dem Rate einen Fehdebrief zu, weshalb er denn vom Herzog im folgenden Jahre als ein Landesbefehder geächtet ward. Indessen machte dieser Handel, der sich erst in den dreißiger Jahren beruhigte, wegen besorglicher Feueranlegung viel Unruhe und Kostenaufwand. Der Bau an der Frauenkirche ward wieder vorgenommen, auf dem Rathause die große Stube getäfelt, gemalt, das Gewölbe des Archivs mit Kalk übergossen und in den Graben an der Pforten Schleuse, damit der aus der Stadt kommende Schlamm den Graben nicht verunreinige, ein großer Kasten gesetzt. Da in diesem Jahre mehrere Leibzinsen abstarben, setzte man die bisherige Communalabgabe 10 1/: Gr. von jedem Biergebräude und ebensoviel vom Hundert des Vermögens Nichtbrauender auf 9 Gr. herab. Auf dem Ratskeller verschenkte man in diesem Jahre 261 Eimer 36 Kannen Wein und wird dieser anscheinend starke Verbrauch dadurch erklärlich, daß der inländische Weinbau verbreiteter war, die Kanne Franken-, Kötzschenbergerund Jenaer Weines 10 Pfg., Alant 1 1/Z Gr. galt, eine weite Umgegend von hier ihr Bedürfnisnahmund der Landadel seine Festlichkeiten nach alter Sitte in der Stadt beging.

1526

Der Stadtschreiber Conrad Heller starb Anfang des Jahres. Die Kirche erhielt aus seinem Nachlasse das ihr letztwillig beschiedene neue Schock und seine Stelle erhielt der bisherige Stadtschreiber in Zörbig Balthasar Költzsch, dem man das gemietete Vicariatshaus des Lehns Jacobi, welches der Inhaber Conrad Stapfel, Pfarrer in Zschortau, nicht brauchte, Conrads Pfaffenlehn am Mühldamme zur Wohnung gab. Rechnungen und gerichtliche Verhandlungen dieses neuen Beamteten zeigen sich nicht nur durch deutliche sprachrichtige Schrift, sondern auch durch geschickte Fassung, Ordnung und gelegentliche Aufnahme merkwürdiger Ereignisse auf das Vortreffliche so, daß man ihn den besten Arbeitern seines Faches dieser Zeit unbedenklich beizählen kann. Mit dem Fischbedarfe der Fastenzeit ward die von fischreichen Gewässern entblößte Stadt und Umgegend an den Wochenmärkten durch fremde Fischhändler, namentlich mit Heringen versorgt. Das Stättegeld dieser Märkte wird daher oft nur als Heringsgeld berechnet und ist besonders der Wochenmarkt sonnabends vor Invocavit durch Einträglichkeit des Stättegeldes ausgezeichnet. Der Andrang des Landvolkes an diesem Tage und die Gewohnheit, daß man sich gelegentlich für die lange Entbehrung sinnlicher Genüsse in jeder Beziehung gütlich tat und etwas aufgehen ließ, verursachte, daß man für häufig gesuchte Bedürfnisse auch anderer Art fremden Krämer Zugang erstattete und ein Markt entstand, der unter dem Namen Heringsmarkt bald für einen Jahrmarkt galt und endlich auch dazu erhoben ward. Hans Spiegel auf Zschepen und Heinrich Maschwitz auf Selben, welche im vorigen Jahre Kretzschmar errichtet hatten, mußten sie auf Befehl des Herzogs, bei dem sich die Stadt beschwerte, wieder abstellen. Der fürstliche Gleitsmann Conrad Herold hatte 1461 die Besitzung des Bürgers Jacob Finis am Viehtore unter des Rates Gerichtsbarkeit, für das Amt gekauft, die Schäferei des Amtes dahin verlegt, der Rat jedoch die Gerichtsbarkeit daran nicht aufgegeben, welche ihm das Amt jetzt streitig machte. Aus Achtung vor dem Herzog gab er seine Ansprüche, wie er es im vorigen Jahr hinsichtlich dreier Häuser in der Vorstadt getan hatte, für immer auf, wogegen ihn aber auch der Herzog gegen alle übrigen Ansprüche des Amtes schriftlich sicherstellte. Der Rat erhielt wegen des Fehdebriefes des Hans Hoyer (1525) vom Herzog Antwort und einen Folgebrief, dem gemäß er den Feind Hoyer mit nicht geringem Aufwande durch die Diener und andere suchen und verfolgen ließ, aber nirgends fand, weil er wahrscheinlich nach Böhmen, wo er Freunde hatte, ausgetreten war. Dem Bürgermeister George Treu ward in seinem Rathause das silberne Ratssiegel gestohlen. Man fragte bei dem Herzog, wie man sich bei dem Verlust zu verhalten habe und erhielt Befehl, ein Instrument darüber aufzunehmen, welches denn am 22. Juni durch den Schöppenschreiber Benedictus Sculteti in Leipzig geschah, dem man dafür 32 Gr. gab. Das neue, silberne jetzt noch gebräuchliche Stadtsiegel kostete 1 Schock 10 Gr. und hat 3 '/z Lot an Gewicht. Zu einem großen Schützenhofe in Leipzig, den der Herzog ausschrieb, wurden auch hiesige Schützen aufgefordert und erhielten vom Rate das Reisegeld. Die Spiegel auf Paupitzsch, welche im Werbener Gerichte jagten, mußten von dem bei ihnen gefundenen, angeblich auf ihrem Gebiete erlegten Wilde dem Rate die Hälfte abgeben. Die Amtleute von Merseburg und der Rat zu Weißenfels, welche hier ihren Feind, Meckteke rechtlich fördern und brennen ließen, erhielten vom Rate 8 Kannen Wein und soviel Torgauisches Bier Verehrung; auch gab man der Bürgerschaft, welche dabei im Harnisch erschien, ein Viertel Bier. Wegen derZinsen des fürden Herzog geliehenen Halberstädtischen Kapitales, welche jährlich 100 Gulden betrugen und der herzogliche Kammermeister in Leipzig zahlen sollte, hatte man mehrere kostspielige Reisen, erhielt aber nichts und so fielen sie der Stadt zur Last. Auf dem Landtage in Leipzig ward dem Herzog der Zehnt vom Getränke von neuem auf acht Jahre bewilligt. Da bisher diese Tranksteuer durch das Wein- und Bierschenken der Geistlichen, die sich jeder Abgabe entzogen, verkürzt worden war, so befahl der Herzog in einer Verordnung, den 26. November, welche die Zeit und Art der Einrechnung dieser Steuer bestimmte, zum Schluß noch ausdrücklich. Berger aus Zschortau, der in das gemeine Frauenhaus eindrang mit gezogener Wehr und den Weibern Töpfe zerschlug, gab 20 Gr. Strafe und ebensoviel das Handwerk der Schneider, welches sich ihres Innungsbriefes wegen gegen den Rat betrug; Hans Unmuth aber, welcher aus dem Fenster eine Büchse abschoß, ward mit der Lauke bestraft. Ein Paar Reitstiefeln, deren sich der Rat auf Reisen bediente, kostete 22 Gr. und 10 Gr. der eichene Kasten ins Gewölbe, den man mit Eisen beschlagen ließ.

1527

Der Bürgermeister Johann Schmidt (Ratsherr seit 1497 und von 1506 ab Bürgermeister) starb kurz vor dem Antritt der Regierung und der Kämmerer Johann Seiler trat mit herzoglicher Genehmigung in das Amt. Der Sohn des Verstorbenen, mit dem Vater gleichen Namens, war Stadtschreiber in Penig und legte am 14. März des Vaters Rechnungen ab. Bei Abnahme dieser Rechnungen, der Kirchen, St. Nicolaus und des Hospitales, in Gegenwart des Pfarrers und der drei Räte vergnügte man sich mit 36 Kannen Wein und 60 Kannen Torgauer Bieres, beides 2 Schock 1 Gr. am Wert. In der Badstube des Wolf Sturm der Badergasse kam durch Unvorsichtigkeit Feuer aus, welches er verheimlichte und deshalb mit 30 Gr. Strafe belegt ward. Darüber aufgebracht drohte er dem Rate und sollte nun die Stadt meiden, blieb aber auf vieles Bitten, gab 1 Schock 20 Gr. Buße und übernahm jährlich 15 Gr. Schoß und 2'/2 Gr. Wächtergeld. Die große Feuersbrunst, welche nach einer Frankischen, von Peccenstein entlehnten, Nachricht beinahe die ganze Stadt verzehrt haben soll, ist eine Erdichtung. Das Feuer beschränkte sich auf dieses einzige Haus. Die Tore wurden am ersten Fastenmarkte noch mit acht Nebenwächtern besetzt, weil viel Volk hier war und auch über Nacht blieb. Der Herzog befahl am 24. Februar, wegen der Unruhen im Reiche und angrenzenden Ländern (Ungarn) mit 15 wohlgerüsteten Mannen zu Fuß, Bürgern oder wohlbekannten, mannhaften und zum Kriege geschickten Leuten, die wie zuvor geschehen (1519) nicht entlaufen, auf den Ruf in Bereitschaft zu sein, dem Obersten, Burggrafen Hugo von Leisnig zu folgen. Da diese Bereitschaft auf einen noch ungewissen Zug den Städten sehr beschwehrlich war, so verordnete er den 12. April, daß man die Anwerbung und Besoldung der verlangten Mannschaft einstellen und wenn man sich ja der Söldner für den Fall versicherte, ihnen doch kein Wartegeld geben sollte. Gregor Höppner von Beerendorf, erstach am Osterabende in der Neustadt am Steinwege einen ledigen Gesellen Matthäus Wiedemann, von Kolmitz bei Oschatz mit dem Brotmesser, flüchtete, ward aber von den Gerichtsdienern bei der Ziegelscheune ergriffen, in das Amt, von diesem aber an den Rat geliefert, mit dem Schwerte hingerichtet und der Leichnam begraben. Den Bürgern, welche bei der Hinrichtung im Harnisch erschienen, gab man ein Viertel Bier. Der Dr. Otto v. Pak war in des Herzogs Geschäften hier und erhielt eine Verehrung an Wein und Bier. Mit den Spiegeln auf Neuhaus hatte man neue Händel wegen Grenzüberschritten bei Bendorf, wo sie Oberländer, Wiesenkabeln und Schaftrift in Anspruch nahmen. Der Amtmann in Leipzig, Andreas Pflug erhielt vom Herzog Auftrag zur Untersuchung. dessen Ausspruch auch für den Rat günstig ausfiel. Der Rat von Halle empfing hier Verehrung an Wein und Bier und zog mit mehreren hiesigen vornehmen Bürgern nach Torgau zu den Festspielen, mit welchen die Heimführung der Gemahlin Herzogs Johann Friedrich, Sibylla, eine Tochter des Herzogs zu Cleve am 6. Juni, beehrt ward. Die Badstube der Kirche (1497) von welcher der Pfarrer jährlich 1 Schock bezog, war seit mehreren Jahren wüste, und der Pfarrer führte, um sich für den Verlust zu entschädigen, die Steine weg. Dem Ankaufe des Amtmannes Hans v. Pak, an dessen Freigut (die Doctorei) sie stieß, widersprach zwar der Rat, der Erzbischof gab aber in einem Decrete vom 21. Juni, unter der Bedingung, daß das Kaufgeld dem Pfarrvermögen zuwachse, seine Einwilligung. Der Rat zahlte 750 Rh. Gulden, Kapital des Bürgers Martin Leubel in Leipzig zurück, und nahm 400 Gulden neue Darlehne, 300 Gulden von den hiesigen Ratsherren Martin Rapsilber, Peter Fürstenberg, sonst Landsberg genannt, Valentin Burkmann und 100 Gulden von der Stadtkirche, die heute noch der Kirche zu verzinsen sind. Man nahm einen Priester, der eine strafbare Handlung beging, gefänglich an und berichtete an den Erzbischof. Die in dessen Abwesenheit stellvertretenden Räte verlangten die Ablieferung desselben nach Halle und verwiesen, daß man den Gefangenen zur Ungebühr länger als 24 Stunden behalten (habe). Michael Ludwig, auch Ausbund genannt, traf eine Frau auf des Pfarrers Acker mit entwendetem Hafer, gab vor, daß er vom Pfarrer zur Aufsicht und Pfändung beauftragt sei, versprach aber sie loszulassen, wenn sie seinen Willen täte, drückte sie nieder, entblößte sie, konnte aber, weil sie sich wehrte und schrie, die Tat nicht vollbringen und ging davon. Er kam deshalb in Untersuchung und da er in peinlicher Frage die beabsichtigte Notzucht eingestand, so erkannten die Schöppen in Leipzig: "ihm nicht Gnade zu beweisen, so möchtet ihr (der Rat) ihn mit dem Schwerte strafen lassen von Rechts wegen". Der Grund, warum ihm der Rat nicht verzieh, ist unbekannt. Er ward am 24. September mit dem Schwerte hingerichtet und der Leichnam in der Stille beerdigt. Der Zehnt vom Getränk gab Anlaß, daß sämtliches zinnern Schenkgemäß in Leipzig nach dem Leipziger umgegossen ward. Zugleich führte man das Leipziger Fleischergewicht ein und erkundigte sich, wie man es daselbst mitdemGewicht beimVerkauf der Butter und des Lichtes hielt. Das Getreidegemäß eichte man ebenfalls und brauchte Wicken dazu. Die mutwilligen und ungehaltenen Weiber zu stillen, ließ man für 22 Gr. zwei Bußtocken machen. Es waren zwei hohle, hölzerne flaschenähnliche Gefäße, die man den Weibern, welche an Markttagen wiederholt ärgerliches Gezänk trieben, umhing, und sie durch den Diener auf dem Marktplatz umführen ließ. Thomas Belzig, der seinen ehelichen Stand mit einem freien, gemeinen Schlafweibe hinter der Badstube bei dem gemeinen Frauenhause befleckte, kam insGefängnis und nur auf des Amtmannes und vieler Leute Bitte gegen 3 Schock Buße los. Die Schützen erhielten zu einem Schützenhof in Schkeuditz vom Rat Reisegeld. Der Gutsbesitzer Jacob Stephan von Dölsdorf legte 60 Gulden beim Rate nieder und gab die Zinsen zum Besten der Stadt. Wegen der Wiedertäufer verordnete der Herzog (am) 13. Dezember (einen Steckbrief gegen) eine große Anzahl Schwärmer, Laien und Handwerker im Fürstentum Thüringen und Hessen (... ) an den Rat zu Delitzsch. Peter Nudnick überfiel den Pfarrer zu Döbernitz, Ambrosius Rüst, bei nächtlicher Zeit auf der Elberitzer Mark mit Gewehr und verbüßte es mit 40 Gr. Dreiundachtzig Stück Harnische und Hellebarten,die zum Teil am Jahrmarkt Petri Pauli im Gebrauche gewesen, ließ der Rat durch einen Kesseler reinigen, welcher dafür 40 Gr. Lohn empfing. Die bisher vernachlässigte, fast verachtete, durch Luther aber zu Ehren gebrachte und verherrlichte Predigt ward auch hier Bedürfnis und da der Pfarrerwegen Ausfalls der Opfer und Spenden, wie er versicherte, einen Prediger nicht erhalten konnte, so beschloß derRat, die Einkünfte des reichlich dotierten Altares Trinitatis, dessen Patron er war, hauptsächlich auf das Predigeramt, daneben aber auch auf Unterstützung Studierender und hilfsbedürftigen Armen,zuverwenden,wasihnendennauchvon geistlicher und weltlicher Behörde gestattet ward. Der Vikar des Altares, George Böttcher, die gute Absicht des Rates ehrend, verzichtete auf das widerrufliche Amt und übergab den 1511 erhaltenen Acces; behielt aber die Wohnung in dem Hause des Lehns (neben dem Lehne Jacobi auf dem Mühldamme) welches baulich erhalten und 1537 des Stadtschreibers Dienstwohnung ward. Von nun an verwaltete der Rat das Lehn und die Berechnung darüber kommt in den Kämmereirechnungen unter dem besonderen Kapitel: Commende Trinitatis vor. Infolge der 1518 und 1525 stattgefundenen Verhandlungen über die Pfarre in Benndorf verwaltete der nun genannte Georg Böttcher das Pfarramt daselbst. Die Gebrüder Otto und George Spiegel auf Neuhaus widersprachen aber und verlangten schon im vorigen Jahre, daß der Rat den Einwohnern Abgabe an Böttcher zu entrichten untersagen solle, in einem Schreiben dieses Jahres aber, den Untertanen zu gebieten, sich den von ihnen gewählten Pfarrer nicht zu widersetzen. Antworten auf dieses Schreiben finden sich nicht und es bleibt ungewiß, ob der Rat vor der Reformation seinen Patronatsanspruch abgegeben hat. Die Dörfer Benndorf und Werben erhielten neue Gefangenenstöcke. Der Rektor, Baccalaureus Peter Walter, war im vorigen Jahre in den Rat gewählt worden und erhielt seine Stelle Johann Brunner, auch Arnsdorf genannt.

1528

Der Herzog befahl von neuem den 17. Januar, die, welche dem Mißverstande des hochwürdigen Sacramentes Leibes und Blutes Christi abhängig, dem armen einfältigen Volke ihre unchristliche Meinung mit Predigten, Reden, Disputieren, oder sonst durch Bücher und Schriften, so wider Gottes Wort, zu verdammlicher und beschwerlicher Verführung einbildeten und aufdrängen, gefänglich anzunehmen, keinem außer dem ordentlichen Pfarrer, Prediger und Kapellanen Predigten oder andere gottesdienstliche Handlungen zu gestatten, am allerwenigsten Versammlungen, Wirtschaften, Kindtaufen, Gastladungen zu dulden, die nicht vorher gemeldet und hinlänglich beaufsichtigt sind, bei Vermeidung ernster Strafe. Dieser Befehl muß am Rathause und an der Pfarrkirchtür angeschlagen, auch sonntags nach der Predigt und in den Gemeindeversammlungen vorgelesen werden. Die Dörfer Benndorf und Werben erhielten neue Gefangenenstöcke. Der Rektor, Baccalaureus Peter Walter, war im vorigen Jahre in den Rat gewählt worden und erhielt seine Stelle Johann Brunner, auch Arnsdorf genannt. Der Dörfchenmüller Pouch schlug den Pfarrer in Schenkenberg Wolf Eichmann auf dem Stadtgraben hinter der Doctorei mit der flachen Klinge über den Kopf, daß er ungesund ward und büßte 30 Gr. Ebenso viel Strafe gab Hans Drache, welcher gegen des Rates Verbot in der Neustadt eine Gastung anlegen wollte. Hironymus v. Kanitz auf Dalwitz frevelte in der Ratsstube und der Rat ließ ihn zum Abtrage durch den Amtsverweser in Eilenburg vorladen. Ein Fuhrmann erfuhr ein Kind des Bürgers Georg Priorau und ward, weil man an den Herzog berichtete, 14 Tage mit Wagen und Pferden angehalten. Auch erschlug Matthäus Fischer den Einwohner Caspar Schaue aus Beerendorf und verbüßte den Totschlag mit Geld. Am Donnerstag vor Pfingsten zündete der Blitz Schneubers Scheune, ohne weiter zu schaden und erhielten die Knechte, welche das erste Feuergerät brachten, 8 Gr. Im Sommer d. J. machte man den ersten Versuch, Dachziegel zu brennen, wozu man bisher die hiesige Erde nicht tauglich hielt. Der Herzog ließ den Rat vor umherschwärmenden Reitern warnen, die sich kampffertig gegen den Fürsten auflehnten. Man verstärkte daher die Tor- und Turmwachen und versah sich mit Schießpulver. Der untereTeildes Breiten Turmes war ein hohes gewölbtes Gefängnis, in welches die Gefangenen mit einer Winde durch eine Öffnung von oben gelassen wurden. Georg v. Honsberg auf Schweren quittierte den 9. Oktober für seine Gattin dem Rat über 500 Rh. Gulden Kapital, für welches die Stadt verpfändet war. Seit 1526 hatte man auf Verfolgung des Hans Hoyer viel Geld nutzlos verwendet, man erhielt nun vom Herzog einen neuen Folgebrief, zugleich aber auch ein Schreiben des Nicolaus Peter v. Schönbrunn, eines böhmischen Edelmannes, welcher sich zu einem Vertrag mit ihm erbot. Man braute in diesem Jahre 402 Gebräude Biere und verschenkte 173 Eimer Wein und 99 Faß Torgauisches, Mittweidaisches, Freibergisches und Belgernsches Bier. Rheinischen Wein und Alant bezog man von Leipzig.

1529

Am 24. Februar verhandelte man hier über das im vorigen Jahre von Hieronymus v. Kanitz, auf Dalwitz auf dem Rathause getriebene Ungebührnis mit dem Probst vom Petersberge, Johannes v. Kanitz und anderen ehrbaren Mannen, welche die Sache durch Vergleich beendeten. Die Magd des Matthäus Friedrich, welche in Verdacht kam, geboren zu haben, ward durch die Wehmütter und zwei Bürgerfrauen untersucht,welchen man eine Kanne Wein zur Vergnügung gab. Hans Schöne ermordete den 29. Mai den Ambrosius Rein auf dem Schießplatze bei der Vogelstange. Der Küster von Schenkenberg Nicolaus Bestecher, in Vollmacht der Witwe des Ermordeten und der Hedwig Krause von Mittelbersdorf bei Großenhain überwies wegen ihrer Armut die Acht dem Rate. Dieser Mord gab Gelegenheit zu einer neuen Streitigkeit mit dem Amte wegen der Gerichtsbarkeit vor dem Viehtore bei der Vogelstange, bei dem heiligen Brunnen und weiter bis an den Lober, welche jedoch am 2. Septemberverglichen und dem Vergleiche gemäß die Grenze am 15. dieses Monats in Gegenwart des Amtmannes, des Gleitsmannes, der Landschöppen und des Rates durch Mahlsteine gesichert ward. Auch mit Wolf v. Pak auf Döbemitz geriet man wegen einer Trift auf Elberitz Mark in einen Prozeß vor dem Oberhofgerichte, welches dem Probste zu St. Thomas in Leipzig zu Abhörung der Zeugen Auftrag gab. Der Feldbesitzer Fiedler hatte im Kosebruch der Hutung zum Nachteile Weizen und Hafer gesät, welchen der Rat wegeggen ließ. Die Bürgerschaft des I. Viertels war dabei im Harnisch zugegen und erhielt ein Viertel Bier. Zu gleicher Zeit beschwerte sich der Pfarrer Hermann Hammer wegen Entziehung der Opfer durch lutherisch Gesinnte und man hatte deshalb den 24. August vor dem Amtmanne mit ihm Verhandlung. Veranlassung zu dieser Beschwerde gab vielleicht der Bürger Sander Schuster, welcher den Pfarrer in der Kirche schmähte, das Weihwasser verschüttete und deshalb mit einer Buße von 21 Gr. belegt ward. Den Schützen ließderRateine neue Ziegelmauer auf dem Anger errichten und gab ihnen zu dem Schützenhofe in Eilenburg 48 Gr. Reisegeld. Sie verlangten zwar, das Peter Hüter, welcher sie Bösewichter und Hümpler geschimpft hatte, nach ihren Privilegien bestraft werden sollte, doch nahm der Rat auf diese keine Rücksicht. Das gemeine Frauenhaus (1512) ward niedergerissen und die bisher geduldete Gesellschaft der Freifrauen aufgelöst. Der Kaiser verlangte wegen der Vorschritte der Türken in Ungarn ein Aufgebot und der Herzog befahl unterm 16. Juli, sich zu rüsten und zum Feldzuge bereit zu halten. Die Stadt stellte hierauf 35 Trabanten, 5 Brauerben, 8 Nichtbrauende in der Stadt, 10 in der Vorstadt, jede dieser Klassen einen. Zu ihrem Solde auf 3 Monate gab der Brauende 2 Gulden 8 Gr. 5 Pfg., der Nichtbrauende in der Stadt 1 ½ Gulden, der Vorstädter 1 Gulden 4 Gr. 5 Heller. Bei ihrem Abzuge erhielten sie ein Viertel Bier. Der in Leipzig zugerüstete Heerwagen kostete 6 Schock 18 Gr. Das Heer zu unterhalten, ward auf dem Landtage in Leipzig den 3. November eine Vermögenssteuer bewilligt, die auch nach dem Rückzuge des Feindes abgeliefert werden mußte. Jeder mußte sein Vermögen, bei Verlust desselben richtig nach Schocken berechnet, angeben, man nahm das Vermögen der Kirchen, Klöster, Stifter und Brüderschaften, ihre Vorräte an Kleinoden und barem Gelde in Anspruch und erlaubte nicht, daß die von Adel, welche von den Zinsen ihrer Güter den sechsten Teil geben sollten, ihre Schulden in Abzug brächten. Die Schocke betrugen hier im I. Viertel 2,399 Schock 3 Gr., II. Viertel 3,481 Schock 55 Gr., III. Viertel 3,971 Schock, IV. Viertel 2,786 Schock 50 Gr., Neustadt 680 Schock 30 Gr., Rosental 44 Schock 20 Gr., Gertitz 675 Schock 10 Gr., Werben 413 Schock 50 Gr., Benndorf 267 Schock 30 Gr., summarisch 14,949 Schock 8 Gr. Eine Hufe auf Rubach, Gertitz, Elberitz war 35, eine Hufe auf dem Sande 10 und eine auf Weissig 14 Schocke abgeschätzt. Die Steuer wurde nach 8 Pfg. vom Schocke in drei Terminen bezahlt und kam hinzu 2 Schock 36 Gr. von ledigen nicht abzuschätzenden Personen, 2 Schock 7 Gr. 2 Pfg. l Heller vom Gesinde, vom Schocke ihres Lohnes 1 Gr., 14 Schock 56 Gr. 6 2/6 Pfg. von den Ratsgütern, 1 Schock 15 Gr. vom Hospitale, 1/4 Schock 55 Gr. 2 Pfg. 1 1/3 Heller, weil man das auf Rüstung verwendete in Abzug bringen durfte.Auch ward die Erhebung des dritten Termins wegen der Teuerung bis 1532 verschoben. Zugleich mußte ein Verzeichnis der heiligen Gefäße der Kirche eingegeben werden und fand sich in der Pfarrkirche 1 großer Kelch übergoldet v.2 ½ Pfd.,einer desgleichen 1 ½ Pfd. ¼ ,einer desgleichen 1 Pfd., der Schusterkelch übergoldet 1 Pfd. Weniger ½ Viertel, 1 Kelch übergoldet 1 Pfd. Weniger ½ Viertel, einer desgleichen l 3/8 Pfd., zwei zu l ½ Pfd., einer zu l 1/4 Pfd., drei zu 1 7/8, sechs Pacificale mit den Crystallen 1 Pfd., drei kleine Monstranzen mit Crystallen 2 Pfd., ein Straußenei mit Crystallen 1 7/8 Pfd., zwei Ampollen mit Crystallen 1 ½ Pfd., ein großes silbernes Kreuz übergoldet mit den Crystallen 11 Pfd., zwei Viatica mit den Crystallen 3 Pfd., eine große Monstranze mit Crystallen 12 Pfd., ein Antependium mit Crystallen 3 Pfd.; Summe alles Silberwerks: 50 ¾ Pfund. Unserer lieben Frauenkirche: Ein großer Kelch 1 ¾ Pfd., ein Kelch 1 Pfd., einer desgleichen 1 1/8 Pfd., an Pacificalen ½ Pfd.; Hospital: ein Kelch und Pacificale 1 Pfd., ein silbernes Kreuz mit Crystallen l ½ Pfd. Das Verzeichnis ausgestellt von dem Pfarrer Hermann Hammer, von den Bürgermeistern und Vorstehern der Kirche. Der Stadtschreiber erhielt in diesem Jahre außer den 3 Schocken 20 Gr. für sein Gewand auch noch einen Reithut (6 Gr.), ein Reitkleid, (von 14 Ellen grauen Tuche, Chemnitzer Kämmler) bestehend aus Rock, Kappe, Streiflingen, der Rock mit Borden besetzt und gelbem Futter. Andem breiten Turme bautemaneine steinerne Wendeltreppe , Wendelstein. Der Maurer Georg, ein Polierer und ein Helfersknecht arbeiteten 2 ½ Woche daran und empfing der Meister 20, der Polierer 16 und der Helfersknecht 10 Gr. wöchentlichen Lohn. Der Rat ließ in Benndorf Holz zur Ziegelei hauen. Auf Bitte führten es die Ratsdörfer mit 24 Wagen in die Ziegelei und gab man ihnen Essen und zwei Viertel Bier. Im Einverständnis mit dem Kurfürsten von Sachsen erließ der Herzog den 9. Oktober das Mandat gegen wucherliche Kontrakte und verordnete, daß bei Einklagung solcher Forderungen nichts als das Kapital berücksichtigt werden, der Gläubiger des wöchentlchen, fünf von Hundert übersteigenden, Zinses verlustig gehen sollte.

1530

Der Scharfrichter aus Leipzig ließ einen Dieb Hans Richter, welcher ihm ein Pferd gestohlen hatte, den 10. Februar mit dem Strange hinrichten. Die Bürger. welche dabei im Harnische erschienen, erhielten vom Rate 20 Gr. Der Markt wurde durch bezahlte Tagelöhner gekehrt. Vom Amtmanne Hans v. Pak, welcher als Amtmann nach Torgau ging und hier den Amtmann Michael von Kreischau zum Nachfolger hatte, kaufte der Rat den 23. Mai folgende vom Landesherrn zu Lehn rührende Zinsen und Güter im Dorfe Gertitz, in Gertitzer und Weissiger Marke, mit anderen in der Nähe der Stadt: 1 Schock Erbzins, jährlich, vom Zolle in Delitzsch (...). Es waren Zinsen, die der Rat als er vom Fürsten den Zoll, Marktzoll, Geleite empfing, übernehmen mußte, Zinsen von Kapitalen, die der Fürst geliehen und an den Zoll (telonium) gewiesen hatte, daher in den ältesten Rechnungen: "Census, qui dantur de telonio." 30 Gr. und 5 Hühner, Glorius Fleischer, von einem Garten am Gertitzer Fußsteige; 20 Gr. von einem Garten gegen Gertitz, Melchior Nauwerk; 10 Gr. von eine Hufe auf dem Sande, Gall Kötzschke; 15 Gr. von einer Hufe auf Robitz Mark, Hans Mansfeld; 20 Gr. von einer Hufe auf Gertitz (Gertitz-Kertitz-Mark), Martin Rapsilber; 10 Gr. von einer Hufe auf Weissig, derselbe; 15 Gr. von einer Hufe daselbst, Matthäus Friedrich und Benedict Müller; 1 Schock und 16 Hühner vom Haus, Hof und einer Hufe auf Gertitz, Anton Strauß, in Gertitz; 45 Gr. und 8 Hühner von Haus, Hof und einer Hufe auf Gertitz, Matthäus Hofmann; 45 Gr. und 8 Hühner von Haus, Hof und einer Hufe auf Gertitz, Matthäus Nodenschiel; 27 Gr. von 1 1/Z Hufe auf Weissig, derselbe; 15 Gr. von 1/2 Hufe daselbst, derselbe; 10 Gr. von 1/2 Hufe daselbst, Nicolaus Meurer; 10 Gr. von ½ Hufe daselbst, Nicolaus Walmann; 15 Gr. von 1/Z Hufe daselbst, Lamprecht Klepzig; mit allen Nutzungen, Freiheiten, Triften, Würden, Gerichten und Gerechtigkeiten ganz frei, ohne einigen Ritterdienst, oder andere Beschwerungen, für den Kaufpreis von 452 Gulden 4 Gr. 8 Pfg. oder 158 Schocke 16 Gr. 8 Pfg. und ward vom Herzog am 25. Oktober 1532 damit beliehen. Mitbelehnte des von Pak waren Wolfram (Wolf) v. Pak, auf Döbernitz„ Heinrich v. Pak, Domherr und Christoph v. Pak, Bruders Söhne, welche darauf verzichteten. Man handelte auch um die Amtsschäferei, der Kauf kam aber nicht zustande. Jacob Stephan von Dölsdorf gab zu den 60 Gulden (1526) noch 40 Gulden dem Rate zur Verwahrung und nahm auch davon keine Zinsen. Er bestimmte die 100 Gulden seinem jüngsten Söhne beim Eintritte seiner Volljährigkeit und diesem zahlte sie der Rat 1537. Die Barfüßer, Minoriten, aus Leipzig predigten, weil der Pfarrer keinen Prediger finden konnte, während des ganzen Jahres und erhielten aus der Commende 1 Schock 45 Gr. Die große Nässe im Vorsommer verdarb Heu und Getreide. Das Getreide stieg zu ungewöhnlich hohem Preise und der Rat ließ von seinen Vorräten den Bürgern 461 Scheffel Roggen zu 7 und 825 Scheffel desgleichen zu 6 Gr., etwas unter dem gangbaren Werte, ab. Stephan Volkmann erschlug Jacob Dittmannen von Dölen zwischen Klepzig und Zwebendorf; der Totschlag wurde den 17. August in hiesigem Amte vertragen und gab der Täter außer 8 Neuschocken Mangeld an des Entleibten Vater und 8 Schocken an das Amt, 6 Scheffel Weizen zu Gebäck für Arme hiesiger Stadt. Von Glorius Fleischer am Markte, dem Besitzer des Gasthofes Nr. 62 kaufte man ein Stück Hof mit Stall für 18 Schock 6 Gr. zu Anlegung einer neuen Gasse. Es ist die n e u e Z s c h e r n e, die aus der alten in der Richtung von Mitternacht gegen Mittag in die Holzgasse (damals Judengasse) führt. Die Häuser der selben Nr. 29, 30 und 31 entstanden 1532 und 1534 und erhielten als Baubegünstigung die Braugerechtigkeit. Die übrigen Pfahlhäuser waren anfänglich Miethäuser der Besitzungen Nr. 35, 36 und 37 und wurden später erst abgebracht. Der Bürger Benedict Prelwitz hatte mit der Schwester seines verstorbenen Weibes Gertrud Bortig von Köttlitz bei Mühlberg, die er ehelichen wollte, vertrauten Umgang. Die Ehe mit ihr ward ihm aber untersagt, da er seinen Umgang mit ihr nicht verhehlte, kam er in Untersuchung und ward mit ihr zur Staupe geschlagen. Erbeschwerte sich zwarbei dem Herzog gegen die Verweisung, fand aber, wie es scheint, kein Gehöhr. Sein Anführen, daß eine solche Verehelichung im Kurfürstentum Sachsen allenthalben im Gebrauche sei und sonder der Seelen Gefahr dort christlich und wohl geschehen möge, er daher in der Meinung gestanden, daß es auch hier der Fall wäre, mußte freilich seinem Anliegen bei dem Herzoge eher hinderlich als förderlich sein. Auch starb der Leipziger Bürger Johann Schlauditz, welchem der Rat bedeutende Leibzinsen zu geben hatte. Man setzte, da sie nun wegfielen, die bisherige Abgabe vom Biere an die Commun von 9 auf 7 Gr. herab. Der Prozeß mit Wolf v. Pak wegen der Viehtrift und Gerichtsbarkeit auf Elberitz kostete bereits 14 Schock 35 Gr. und schwebte in zweiter Instanz. Der Hundehitzler (Hundeschläger) erschlug 22 Rüden, welche zum Teil Leute beschädigt hatten und erhielt vom Stück 3 Pfg. Lohn. Die diesjährige Fischerei im Graben gab 21 Schock 25 Gr. Ertrag. Für die Gerichtsstube ward ein Corpus iuris in Leipzig gekauft.

1531

Am 25. März nachts 12 Uhr erstach der Ratsherr Peter Döring seinen Freund und Gevatter Jacob Jäger in dessen Hause Nr. 96 mit dem Brotmesser und flüchtete. Der Mord ward vertragen und empfing unter anderen auch die Communkasse 6 Schock. In den Osterferien suchte der Ordinarius Dr. Breitenbach und Dr. Metzsch aus Leipzig den Rat mit Wolfen v. Pak, wegen der Trift auf Elberitz hier zu vergleichen, der Vergleich kam aber nicht zustande und ward darauf der v. Pak vor dem Hofgerichte in Rochlitz in die Kosten der zweiten Instanz verurteilt. Simon Nitzschmann, Clemens Kirchhof und Anton Zimberg hatten das Abendmahl nach katholischem Brauche am Osterfeste, wie der Herzog 1522 und wiederholt befohlen, nicht angenommen und kamen deshalb bei hiesigem Amte in Haft, wurden aber auf Bürgschaft der hiesigen Bürger Peter Naumann, Matthäus Findeisen, Ambrosius Wagner, Hans Schmidt, Michael Sterze, Ulrich Kirchhof, unter der Bedingung, daß sie wegen ihres Vergehens Absolution des Pfarrers suchten und das Abendmahl nach altem Brauche in einer Gestalt nähmen, nach Ostern freigelassen. Es mußte auch Eustachius Zschabernack für seine Mutter, welche das Abendmahl zu Brehna in beider Gestalt genommen, nachdem sie die Absolution des Pfarrers empfangen und das Abendmahl nach altem Brauche zu nehmen versprochen harte, wegen möglicher Strafe mit 10 Schocken bürgen. Den Einwohern in Lehelitz, Chrostewitz und Leynau, welche ebenfalls das Abendmahl in beider Gestalt zu verschiedenen Malen in Hohenleina genommen hatten, ward das Land verboten. Sie sollten Haus, Hof und Güter räumen, fanden aber auf Vorbitte unter der Bedingung Gnade, daß sie Absolution bei ihrem ordentlichen geistlichen Richter suchten, sich dem alten Kirchenbrauche gehorsam bewiesen und den nach Hohenleina zu entrichtenden Zins und Decem bis Pfingsten in das Amt lieferten, welchen herzoglichen Befehl ihnen der Amtmann am 1. Mai bekannt machte. Es ist nicht zu bezweifeln, daß des Herzogs Verdruß über die Vergeblichkeit seiner vorjährigen Anstrengungen, das Reich hinsichtlich der Lehre nach seiner Ansicht zu einigen und den Beifall, welche die Augsburgische Confession erhielt, zu besserer Handhabung des erwähnten Edicts und Befehles strenge Verordnungen gab. Bisher war wenigstens keine Untersuchung der Art vorgekommen, ungeachtet die Nähe der kurfürstlichen Ortschaften Brehna und Hohenleina, wo das Luthertum heimisch war, zu Vergehungen der Art häufige Gelegenheit bot, eine Nachsicht, die man vielleicht den milderen Ansichten des Pfarrers und vorigen Amtmannes v. Pak, welche später dem neuen Cultus huldigten, zu verdanken hatte. Das Getreide stieg mit jedem Monat und galt der Scheffel Roggen kurz vor der Ernte 18 Gr. Da aber diese eine der reichlichsten und von dem günstigsten Wetter begleitet war, so sank es schnell und hielt man den Scheffel Roggen um Jacobi wieder für 5 Gr. feil. Während dieser Teuerung hatte man strenge Aufsicht auf Bäcker und Fleischer. Man entwarf eine Bäcker- und Höken-Ordnung nach der Leipziger, führte das Leipziger Gewicht ein, bestrafte den geringsten Mangel am Gebäck mit 10 Gr., ebenso den Verkauf ungeben. geringen Fleisches, die Fleischerinnung aber, welche sich derTaxe nicht fügen wollte, sondern drohte, das Schlachten einzustellen, mit 12 Schock und den Garkoch Stephan, ihren Aufwiegler, mit 2 Schocken besonders hoch. In Halle hatte ein dort Unbekannter geäußert, daß Delitzsch binnen 3 Wochen in Feuer aufgehen sollte, man hatte ihn aber nicht erlangen können. Auf Nachricht von da stellte man am 15. Mai auch in den Vorstädten Wächter an und gab ihnen mit den übrigen in der Stadt gleichen Lohn. Am 2. Mai zogen auf des Herzog Befehl 68 Bürger mit den Amtleuten nach Löbnitz, um einen reisigen Knecht, den schwarzen Merten auszuheben, der aber daselbst nicht zu finden war. Den B. Juni früh um I Uhr brach in Martin Nagels Haus neben der Doctorei (Nr. 217) Feuer aus und brannten zwei Häuser bis auf die gewölbten Stuben nieder. Bald darauf am Tage Petri Pauli. den 29. Juni nachmittags zwischen 6 und 7 Uhr entstand abermals Feuer in des Schwarzfärbers Hause der Neustadt, dem Brunnen und Graßhofs Scheune gegenüber, doch brannten, weil schnelle Hilfe kam, von zwei Häusern nur die Dächer weg. Veit Bemdorf von Kattersnaundorf. welcher das erste Sturmfaß brachte und zwei Tagelöhner. die sich beim Löschen besonders auszeichneten, erhielten den festgesetzten gewöhnlichen Lohn. Am 21. Juli ward Hans Schlesier mit dem Schwerte hingerichtet. Im Anfange des August erschien ein Komet im Zeichen des Krebses, erst vor dem Aufgange der Sonne, später nach dem Niedergange, durchlief die Zeichen des Krebses, Löwen, der Jungfrau und verlor sich in der Waage am Ende des Monats, nach dem er von Bartholomäi an sichtlich schwächer geworden war. Der Rat verkauft die Wiesen am Stadtgraben, hinter Elberitz und bei dem Heiligbrunnen, den Acker zu 7 und 8 Schocken. (...)Summarischer Betrag: 124 Schock 12 Gr. 10 Pfg. Der Steinweg in der Neustadt ward umgelegt und ein Stück eingestürzte Stadtmauer hinter der Terminei (in der Holzgasse, der Zscherne gegenüber) wiederhergestellt. Die Ankunft des Kurfürsten zu Sachsen, Johannes, der auf den Fürstentag nach Nordhausen zog, ward angesagt. Man empfing den wegen seiner Biederkeit auch hier geliebten Fürsten, als er am 25. November mit Gefolge eintraf, auf das ehrlichste. Die Bewirtung geschah durch den Amtmann, der Rat ließ auf dem Markte eine Küche aufschlagen, versorgte die Dienerschaft und verehrte ein Faß Torgauisches Bier. Erblieb über Nacht, auch bei seiner Rückkunft, wo dieselbe Verehrung wiederholt ward. Dabei ließ man polizeiliche Vergehen nicht unbeachtet und zog den zur Strafe, der sich von den Holunken (Troßbuben, von dem Böhmischen Holemka genannt) in der Küche zu verbotenem Spiele verleiten ließ. Überhaupt zeigte sich in diesem Jahre die Polizei regsamer als je, wozu wie es scheint, die Teuerung, das wiederholte Brandunglück und der Mißbrauch protestantischer Freiheit des Pöpels Gelegenheit gab. Man bestrafte, wie schon bemerkt, die Bäcker und Fleischer wegen leichten Gewichts und ungeber Ware, den Verkauf schlechten Bieres mit 40 Gr., das Aufstellen von Holz und Reißig in der Nähe der Brauhäuser mit'/, Gulden, die Entweihung des Sabbaths durch Gäste setzen und Spiel mit 40 Gr., die unterlassene Reinigung der Gassen vor den Sonn- und Festtagen mit 5 Gr. und das überhandnehmende Lästern Gottes und seiner Heiligen mit dem Halseisen, welches zu größerer Beschämung an der Kirche befestigt war. Für die Richterstube kaufte man den Sachsenspiegel und brachte für die Bücher ein Pulpet dahin. An die Stelle des Amtmannes Michael von Kreischau trat in diesem Jahr noch Heinrich von Gruenrod.

1532

Ein Mann aus Eisleben meldete, Gregor Poritzsch (ein Sohn des Blasius Poritzsch 1520) habe unter dem Vorwande, daß sein Vater vom hiesigen Rate Rechtshilfe verweigert worden, in Eisleben gedroht, in Gemeinschaft eines anderen, Delitzsch zu Pfingsten anzustecken, konnte aber über seinen Aufenthalt keine sichere Nachricht geben. Der Rat zahlte 1100 Gulden, welche er der Sonnenwaldischen Stiftung schuldete, an den Rat in Torgau, als Patron, der das Geld hierin Empfang nahm und Quittung leistete. Der Böttcher Innungsgesetze wurden gegen Erlegung von 2 Schocken, von neuem bestätigt und jedem Meister, der feil hielt, ein jährlicher Bankzins von 4 Gr. auferlegt. Am 10. Mai, nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr kam in der Kohlgasse bei dem Wagner Ambrosius Krebs, dem Kälberstalle gegenüber (Nr. 272) durch Verwahrlosung F e u e r aus und brannten bei großer Dürre und starkem Luftzuge von Südost binnen einer und einer halben Stunde nach dem breiten Tore zu, 24 Hofstätten aus dem Grunde weg. Das Feuer war so heftig, daß sich auch die nächsten Häuser in der Holzgasse der Stadt mehr als einmal entzündeten und nur mit größter Anstrengung zu retten waren. Die beim Löschen Tätigen erhielten Geld, Semmeln und Bier. Der Kämmerer Thomas Kötzschkau, Ratsherr seit 1508 und Besitzer des Hauses Nr. 80 starb den 23. Mai. Um diese Zeit hatte man Handlung mit dem von Schleinitz wegen eines Knaben, den das Pferd erschlug. Den 30. Mai waren des Herzogs Räte in fürstlichen Geschäften hier, denen man die gewöhnliche Verehrung gab. Am 16. Juni hielt man einen Schützenhof in Düben, wo man für die besten Schützen zwei Ochsen, einen beim Vogel, den anderen beim weiten Ziel aussetzte. Die Delitzscher Schützen zeichneten sich dabei besonders aus und brachten einen Ochsen, 7 Ellen Kartek, gelben Atlas und andere Kleinode, auch sechs Fähnlein zurück. Man war der Meinung, daß die große Glocke der Frauenkirche mit der großen der Stadtkirche in einem richtigerem Klangverhältnisse stehe, als die im Jahre 1516 umgegossene und 1517 getaufte neue, gab daher diese dahin und hing jene zum Johannisfeste in der Stadtkirche auf, wo sie sich noch befindet. Beide Glocken der Frauenkirche kamen jedoch, weil der Bau dieser Kirche unvollendet blieb, später (1544) in die Stadt. Friedrich Landwehr von Halle, welcher am Jahrmarkte Petri Pauli, ohne des Rates Erlaubnis auf dem Damme eine Bude aufschlug und mit blinden Würfeln um Gefäße von Zinn spielen ließ, verbüßte es mit 48 Gr.. Am 2. Juli erließ der Herzog ein Aufgebot zur Rüstung und Bereitschaft gegen die Türken, von denen man fürchtete, daß sie aus Ungarn über Mähren und Schlesien hier einbrechen möchten. Das Mittagslauten (vom Herzog befohlen) besorgte hier der Unterküster Gregor, dem der Rat zu dem, was er von der Kirche empfing, ein Paar neue Schuhe gab. Vom 28. August bis 6. Dezember war ein Komet, dem vorjährigen ziemlich gleich, sichtbar, welcher früh zwischen 3 und 4 Uhr aufging und seine Strahlen gegen Mittag kehrte. Am 2. Oktober hatten die Räte des Kardinals und Erzbischofes von Magdeburg; des Kurfürsten zu Sachen, Johann Friedrich und der alten Stadt Magdeburg hier eine Zusammenkunft. Der Rat verehrte ihnen 30 Kannen Wein und Torgauisches Bier, dem Kurfürsten, Markgrafen Joachim von Brandenburg, der auf seiner Reise mit Gefolge hier übernachtete ein Faß Freiburgisches Bier und schlug man auf dem Markte ein Küche auf. In dem Hause des Peter Jäger brach durch Vernachlässigung am 28. Oktober abends Feuer aus, welches man sogleich löschte und den Besitzer mit 21 Gr. bestrafte. Der Rat ließ an den verkauften Loberwiesen Bäume und Gestäude behauen, gestattete aber den Besitzern, unter der Bedingung, daß sie den Lober reinhielten und so oft es nötig räumten, die künftige Nutzung. Für die Beleihung mit den Pakischen Zinsen und Gütern (1530) zahlte der Rat 7 Schock 52'/,Gr. Lehngeld, 2 Schocke 6 Gr. für den Lehnbrief und 3 Gr. für die Siegelkapsel Die drei Bauern in Gertitz aber lösten ihren Hofdienst ab gegen 16 Gr. jährlichen Zins. Auch machte man eine neue Ordnung wegen der Hausarmen und Bettler. Sie erhielten Blechzeichen, welche sie bei Reichung des Almosens vorzeigen mußten und ein Bettelvoigt 10 Gr., welcher Aufsicht führte, daß bei der Aufteilung keiner verkürzt ward. Ferner verteilte man an die Bedürftigsten zum ersten Male graues, selbwachsenes Kämmeler Tuch, wozu man 1 Schock 20 Gr., die Zinsen der 50 Gulden, Stößelscher Stiftung verwendete. Der religiöse Zwist und Kampf, verbunden mit der Härte der Unterdrückung, erzeugte hauptsächlich bei dem weiblichen Geschlecht Geistesschwächen und Verirrungen. Man war genötigt, sie zu versorgen, vielleicht auch nur gegen die Verweisung zu sichern, und ward deshalb vor dem Hallischen Tore, dem Hospitale gegenüber ein eigenes kleines Haus für sie, das Schwärmerhäuschen aufgeführt. Auch baute man ein neues Mühlgerinne. wozu man 38 der schönsten Eichen aus der Spröde nahm. Zum Gebrauch der Gerichtsstube ward das Angelus Buch über die Justituten für 1 Schock angekauft. Das Verdrehen der Jungfrauen im Tanze bestrafte man mit 5 und 10 Gr.. 462 Biere, die man in diesem Jahre braute, gaben der Kommunkasse zu 7 Gr. eine Einnahme von 53 Schocken 54 Gr., der Wert der übrigen betrug 885 Schock. Die Ziegelscheune lieferte 69 700 Ziegel. Fremde bezahlten für das Tausend 1 Schock, die Einheimischen 30 Gr..

1533

Den 1. Mai waren die herzoglichen Räte hier und gingen zur Besichtigung des Altenhofs. Am B. Mai desselben Monats brach durch Unvorsichtigkeit Sebastian Futterschneiders in dem Eckhaus der Grünstraße, an Arvalis Breite, Feuer aus. Der Wind wehte stark von Osten, die meisten Einwohner der Stadt waren auf der Leipziger Messe, die Stadt stand daher in großer Gefahr, doch gingen nur 8 Hofstätte verloren, was man der ungewöhnlichen Anstrengung der Löschenden zu verdanken hatte. In der Schule ward ein Knabe so hart gestäupt, daß er kurz darauf starb. Man erholte sich deshalb Rat bei dem Schöppenschreiber in Leipzig, der dem Rat auch in anderen zweifelhaften Fällen beirätig war. Dieses geschah im Jahre 1531 von dem Cantor Leonhard Engelberger, die Sache ward aber, weil der Vater des Knaben, der Barbier Dietrich starb, erst jetzt vertragen. Der Vertrag wurde dadurch erleichtert, daß man ungewiß war, ob der Tod notwendige Folge der Mißhandlung gewesen sei. Engelberger verließ sein Amt und studierte in diesem Jahre in Wittenberg. Anfang des Juli erschien abermals ein Komet gegen Mitternacht, ging abends nach 10 Uhr auf und ward bis zum 1. August gesehen. Er war größer als die seit zwei Jahren bemerkten und deckte mit dem Schweife viele Sterne. Man machte einen Versuch zur Anlehnung einer W a l k m ü h 1 e und kaufte in Bitterfeld einen W a I k s t o c k. Im Sommer ward die Stadtmühle mit bedeutenden Kosten umgebaut, zugleich aber auch der Stadtgraben von der Mühle bis zum Schlosse, 196 Ruten haltend. geräumt. Die Arbeiter erhielten 162 Ruten mit 5, und 24 Ruten, wo der Schlamm tiefer lag, mit 6 Gr. bezahlt. Der Rat kaufte die Elberitzer Mühle mit Garten, Wiese und Gehölz für 100 Gulden von Hans Liebmann und zahlte in diesem Jahre 21 Schock. Die Schützen wurden vom Rate in Wittenberg zu einem Schützenhof geladen. Es gingen 6 Schützen dahin und gab ihnen hiesiger Rat 40 Gr. Reisegeld. Auch Düben hatte am Lorenztage ein Schützenfest. An die Armen verteilte man in diesem Jahre für 2 Schocke 2 Gr. Tuch und verwendete 1 Schock 20 Gr. Zinsen von 100 Gulden. Stiftung der Witwe Sebastian Sanders und Simon Rosenkranzes und 42 Gr. dergleichen von 40 Gulden Stiftung der Lucas Nossigin, darauf. Mit Hans Hoier sollte man vor dem Herzoge verhandeln, er erschien aber nicht, auch mit Blasius Poritzsch hatte man noch zu schaffen und in dem Prozesse mit Pak auf Döbernitz erschien ein Endurteil, dessen Inhalt nicht angegeben wird. Eingesetzte messingene Gewichte kaufte man in Erfurt, eine Geldwaage kostete daselbst 2 Gr. und 18 Gr. ein Ries Glauchisches Papier. 432 Biere braute die Stadt und aus des Rates Keller verschenkte man 139 Fässer, meistens Torgauisches und Freiburgisches Bier. Der Garkoch bewirtete den Rat zweimaljährlich nach alter Gewohnheit.

1534

Am 27. Januar starb Oswald Holzmüller, Ratsherr seit 1524 und am 1. Februar Johann Grob, ebenfalls Mitglied des Rates seit 1531, früher Gleitsmann hiesigen Amtes, ein geborener Franke und nach dem Zeugnis des Stadtschreibers Költzsch ein gelarter, stiller und frommer Mann. Der Herzog befahl am 1. März Adolphen v. Hayn die 2000 Gulden, für welche die Stadt bürgte, zu kündigen und wurden sie am Leipziger Michaelis Markte von der Kammer ausgezahlt. Der Kardinal und Erzbischof von Magdeburg meldete dem Rat unterm 23. April seine Ankunft. Er traf am 4. Mai ein und hielt mit dem Kurfürst Johann Friedrich hierTageleistung. Der Rat beköstigte das Gefolge und verehrte ein Faß Torgauisches und ein Faß Freiburgisches Bier. Der Herzog beschied den 18. April die Stände zu einer Beratung nach Leipzig auf den 11. Mai. Man besprach sich über die Religion und die Stände versprachen dem Herzoge, wenn ihm bei den aufrührerischen Zeiten etwas zustoßen sollte, mit Leib und Gut beizustehen, auch sich gegen die alte Religion und Ordnung christlicher Kirchen als Gehorsame christlich zu bezeigen. Die Hauptsacheaberwardie Bewilligung des Zehnts vom Getränke, weil die alte Bewilligung zu Weihnachten ablief und man bewilligte ihn von neuem auf sechs Jahre. Die Abgeordneten des Rates waren Lucas Gelicke, Valentin Stock und der Stadtschreiber Balthasar Költzsch. Der Pfarrer Hermann Hammer führte wegen des Verfalls der Opfer beim Herzog Beschwerde und mußte sich dabei über die Ursache, die Verminderung der Kommunikanten und Vernachlässigung der Begräbnisgebräuche nach alten Ritus erklären. Der Rat, welcher zur Verantwortung gezogen ward, entschuldigte sich zwar, daß er in dieser Beziehung noch keinen Befehl erhalten habe und beklagte sich zugleich über den Pfarrer, daß er unfleißig im Amte sei, namentlich für das Predigtamt nicht genüglich sorge, erhielt aber Verweise und strenge Befehle, in deren Folge der Bürgermeister und Hospital Vorsteher Jacob Winkler unnachsichtlich verwiesen ward. Der Pfarrer Hermann Hammer, der Verdrießlichkeiten und Quälereien müde, ging nach Wurzen, trat mit den Reformatoren in Verbindung, verehelichte sich und gelangte endlich nach vielen Verfolgungen des Bischofs zu Meißen bei der Reformation der Stadt Wurzen zu einer Domherrenstelle und dem Pfarramte Körlitz, wo er bei einer Amtsrevision das beste Zeugnis erhielt und daß man an ihm einen reinen betagten Mann gefunden besonders zu bemerken für nötig hielt. Er besaß hier auch das Lehn Anna und die Hälfte des Hospitallehns, Fabian und Sebastian, von welchem ihm die Einkünfte, nach dem Ausspruche der Visitatoren, bis an sein Ende, welches am 13. Mai 1561 erfolgte, gegeben werden mußten. An seine Stelle als Pfarrer trat hier Wolfgang Lungwitz, gebürtig von Kalenberg. Die Tochter des Bürgers Mansfeld, welche man wegen lutherischen Gebrauches des Abendmahls verwiesen hatte, kam heimlich zu dem Vater, der wegen ihrer Aufnahme mit 40 Gr. bestraft ward. Am Lorenztage war ein Schützenhof in Magdeburg, an dem auf Zuschrift dasigen Rates vier hiesige Schützen teilnahmen. Ein gleiches Schützenfest stellte man am 6. September hier an und schenkte der Rat den fremden Schützen Wein und Torgauisches Bier. Bei dem Bürger Hennig Krüger entstand den 24. Oktober abends über dem Spiel Streit und Schlägerei, in welcher Nicolaus v. Scheidingen, der einen Partei, von einem Ratsdiener der anderen, getötet ward. Auf Befehl des Herzogs ward die Sache zwischen mehreren Adligen und dem Rate, welchem der Schöppenschreiber Benedict Sculteti, aus Leipzig, beirätig vertragen, des Rates Diener kamen in Haft und der Wirt Krüger, dem man das Spiel zum wiederholten Male untersagt hatte, gar 10 ½ Schock Strafe. Andreas Behrwald, von Broda verbüßte den Ehebruch mit 5 Schock und 2 Fuhren und Hans Landsberg mit 4 Schocken, unbeschadet des Strafgeldes an den geistlichen Richter. Einheimische und Fremde führten aus hiesigem und kurfürstlichen Lande soviel Getreide weg, daß Mangel und eine geschwinde Teuerung entstand. Der Herzog verbot daher unterm 2. November Aufkauf und Ausfuhr bei Strafe des Verfalls der Ladung und Belohnung des Entdeckers und Anzeigers mit dem vierten Teile des Weggenommen. Nur Zeugnisse der Obrigkeiten schützten dagegen, doch waren sie auf mäßige Quantitäten beschränkt und standen unter strenger Aufsicht der Gleitsleute und Zöllner vornehmlich an den Grenzen. Dieser Befehl zeigte sich ungemein wirksam und war Ursache, daß namentlich der Roggen in einem mäßigen Preise gehalten ward. Ein heftiger Sturm, den 25. November, richtete an Privat- und öffentlichen Gebäuden großen Schaden an, namentlich zerstörte er das Dach des Rathauses, das mit bedeutendem Aufwande umgedeckt werden mußte. An demselben Tage erhielt der Rat einen schriftlichen Verweis, daß er die ergangenen Münzverordnungen schlecht beachte, den Umlauf, fremder, verbotener Münze erlaube, wenigstens nicht genüglich bestrafe, unter Androhung schwerer Ahndung für jede künftig erwiesene Nachlässigkeit. Landsberg, welches man für einen offenen Flecken hielt, fing an Bier zu brauen und suchte es sogar in die nächsten Dörfer zu bringen. Der hiesige Rat, welcher glaubte, daß es nach seinen Privilegium diesem Orte nicht zukomme und auf Anfrage folgendes Schöppenurteil erhielt: "Vnser freundlich Dinst zcuvor, Ersame Weyse besonderr güthe freunde, Vf ewerr an vns gethane Frage Sprechen wyr Scheppen zcu Leyptzk vor Recht, wue die Kretzschmar zcum Landesberge vormals selbst nit gebrawet, auch das Fleck des orts keyn Stadtrecht hat So haben sie nit fug von Newes Brawtzeugk, und Brawhewsser zcu ertzäugen, und uvzurichten, und Ir möget Inen das, auß kraft ewres Stadtrechtes, und privilegium mit Rechte weheren von Rechtswegen, zcu vrkundt mit vnserem Insiegel vorsiegelt. Scheppen zcu Leyptzk." Landsberg beschwerte sich nun bei dem Herzog über diesen Eingriff in seine Rechte und der hiesige Amtmann von Grünrode zog am 13. Juli auf fürstlichen Befehl den Handel in gütliches Verhör. Die Verhandlung ist im Amtsbuche vom Jahre 1507 ... Bl. 108 niedergeschrieben und lautet wörtlich: "Vff heut Suntag am Tage Heinrici im 34 Jahr ist der Rat von Delitzsch mit samt den vom Lanczberge vor mir Heinrichen von Grünroden, zcur tzeit amptmann zcu Delitzsch erschienen, nach dem sich die vom Lanczberge eyner newkeit brawens halben mith einem freien Keller Wein und Bier zu schenken auffzurichten haben vnterstehen wollen, welchs dem Radt obgemelt nicht hat lidelich sein wollen, haben Inen auch hirmit nichts eynreumen wollen, Sunder diß vor verflissung eynes Jares früst geweret und ist den von Lantzberg ufgelegt anhaldung mit irer beweisunge beim Landesfürsten zu thun, doch mitler Zceit sich des zu enthalden." Es kam aber auf den Bericht des Amtmannes unterm 29. November gegen die Erwartung hiesigen Rates an den Amtmann zur Bekanntmachung an die Parteien folgender herzoglicher Bescheid: "Georg von Gots gnaden Herzogk zu Sachsen ... Lieber getrauer, Nachdeme unsere rethe die von Landtsberg und der radt zu Delitzsch des Bierbrauens halben sich nit haben vortragen mogen, So begeren wir, Du wollest dem radt berürter stadt Delitzsch anczeigen, das wir gar nit vor billichen erachten mögen, das sie den von Landtsberge das brauen werden solten, Darumb wirdest du den gedachten von Landtsperge erlauben, das sie Bier zu Irer nodtdurfft in dem flecken brauen und schenken, doch vff das landt nit vorkauffen, noch sich Ire Erbherren damit vorlegen lassen. Sonntags nach Catharine, Anno .... XXXIIII." Dieser Bescheid ist in dem angezogenen Amtsbuche BI. 110 eingetragen und dem Rate abschriftlich zugefertigt worden. Der Stadtschreiber hat aber nicht umhin gekonnt. seine Unzufriedenheit darüber auf dem Schöppenurteil mit diesen Worten zu bemerken: "Vrtel l die von Lantzberg des brawens halben belangende, welchs vns vnser G. H. Hertzog George vndergedruckt, und vns mit ihnen zw rechte nicht wollen kommen lassen." Gegen die Wiedertäufer, die sich hauptsächlich bei den Frauen Anhang zu verschaffen wußten, erschien unterm 23. Dezember zum öffentlichen Anschlag ein strenger Befehl. Diese Verbrecher sollten auf Geständnis oder Überführung ersäuft, wo das nicht möglich, mit dem Schwerte hingerichtet, ihre Güter konfisziert, und denen, welche sich bei Untersuchung dieser Verbrechen auszeichnen, der dritte Teil davon gegeben werden. Schöppen - und andere Gerichtsstühle wurden zugleich dahin zu erkennen angewiesen. Der Prediger, Priester Peter Körner, erlangte das Bürgerrecht und kaufte seiner Mutter Gerade vom Rate für 14 Schocke. Er stammte zwar aus der alten hiesigen Körnerschen Familie, war aber hier nicht geboren, sonst hätte ihm das Bürgerrecht unentgeltlich gegeben werden müssen. Er hatte in Wittenberg studiert und versah früher auch das St. Annenlehn.

1535

Der Amtmann verließ hiesiges Amt und Heinrich v. Bünau kam in die Stelle, welchen der Amtmann von Zörbig einwies. Die herzoglichen Räte untersuchten hier die Münzgebrechen und verehrte man dem Kanzler, der sie begütigte (den Rat entschuldigte) in 5 Talerstücken 2 Schock. Zugleich unterhandelte man um ein Aequivalent für den jährlichen Getränke Zehent. Der Herzog verlangte 112 gute Schocke in drei Terminen zahlbar, doch mit der Bedingung, daß das Bier, welches auf das Land verkauft würde, nach wie vor den Zehent vom einzelnen Fasse fortgeben müsse und der Amtmann in Radeberge, George v. Krellwitz erließ deshalb an den Rat unterm 26. Februar eine Zuschrift. Hans Spiegel in Leipzig und der Bürgermeister Egidius Morch daselbst baten den Rat um Sicherheit für Hans Spiegel zu Zschepen, welcher hier an der vorjährigen Schlägerei, wo der v. Scheiding blieb, teilgenommen haben sollte. Nach dem Osterfeste berichtigte man mit dem Amtmanne die Grenzen im Rosentale und an dem Auswurfe des Grabens bei der Grünstraße, welche Sander Spieler, Besitzer des Gartens der ehemaligen Schademühle und Schönherr in der Grünstraße, am Graben hinter der Scharfrichterei, merklich überschritten hatte. Die Verhandlung mit Sander Spieler ist im Amtbuche v. J. 1535 wörtlich so eingetragen: "Der Rath zeigte an, daß Sander Spieler seinen Zaun zu weit auf Raths Grund und Boden gesetzet und auch einen Weg, welchen man hir zuvor zur Gemeinde gebraucht, verzäunet und vermacht habe - es kam also Amt und Rath in dessen Hofe zusammen und ward entschieden, daß Sander Spieler den jetzigen Zaun stehen lassen und wenn derselbe Zaun vergehet, so soll er ohne des Rathes Wissen und Erlaubnis auf dieselbe Stelle keinen anderen setzen. sondern wie ihm ein ehrbarer Rath anzeigen wird, einen andern Zaun setzen. Wo es aber vorfiele, daß ein ehrberer Rath den Graben bauen und ausführen wollte lassen, so soll der Rath Macht haben, denselben Zaun hinwegzunehmen und den Auswurf soweit ihnen derselbe zuständig wegzustechen und zu seinem Nutz zu gebrauchen. Auch so hat Sander Spieler bewilliget, einem Rathe oder der Gemeinde die Pforte zu jeder Zeit, so oft es vonnöten, zu öffnen und hindurch gehen zu lassen." Zu gleicher Zeit war auch eine Grenzbeziehung in der Spröde, wo man mit Otto v. Spiegel in Badrina streitig war. Die jungen Bürger und Bürgersöhne, die man nach alter Gewohnheit dazu zog, erhielten Bier zur Ergötzlichkeit. Am Pfingstdienstage, den 18. Mai, entstand zu Eilenburg in einer Scheune Feuer und brannten binnen zwei Stunden Pfarrkirche, Rathaus, Marstall und 99 Häuser weg. Der hiesige Rat schickte sogleich 50 Scheffel Roggen aus seinem Vorrate dahin, auch ward eine ansehnliche Collekte in der Kirche und Stadt ausgebracht. Auch hier entzündete sich die Schmiedesse des Blasius Richter und Holzwerk über dem Backofen des Franz Schmidt, das Feuer ward aber sogleich unterdrückt und Richter, der es später als die Nachbarn beschrien hatte, mit 50 Gr. bestraft. Der im vorigen Jahr hier abgegangene und in Boma wieder angestellte Schulmeister Johann Brunner, welcher aus seiner hiesigen Amtsführung noch Gehaltsansprüche besonders an das Amt machte, klagte in diesem Jahre und der Amtmann in Leipzig zog die Sache ins Verhör. Das Amt hatte den Rektor, weil er mit den Schülern den Meßdienst in der Schloßkapelle besorgte, täglich zu beköstigen. Wie es derzeit dieser Pflicht nachkam und auf welche Rangstufe man da diesen, wegen seiner Tüchtigkeit gerühmten Mann stellte, darüber gibt sein Schreiben an den Rat merkwürdigen Aufschluß: "Meine freundliche willige Dienste bevor allezeit. Ersame weise günstige lieben Herren, Es trifft sich itzund in meinem Abscheiden also zu, daß ich noch allererst muß mit Hadern und Gezänke wider allen meinen Willen und Begierde mein sauerverdientes Lohn einmahnen, und mit hin und her rennen und laufen ja mit Unkost Versäumniß und der Leute Ungunst gleich in duplo, und auf ein Neues dasselbe wieder verdienen. Nun wohlan, hab ichs diese siebenthalb Jahr aneinander denn sowohl ausgericht bei denen von Delitzsch, daß ich also abgefertigt muß werden, so sey es recht ja immerdar, und bleibe recht, und werde nimmermehr unrecht (wo es E. W. also erkennen Ist huc der supremus Juppiter). Und du lieber Joan Prunner mußt dich selbst trösten, dieweil du hast albereit einen Fl. oder 34 zu Delitzsch dich verziehen, welche dich ja so sauer sind angekommen als vielleicht diese aussenstehende Schuld seyn mag, so greif es nur redlich an, und ergib dich dem Unglück gar auf sein Kampffeld, beiß dich mit ihm eben wohl, wer weiß wie das Glücksrad sich wende, und wer zuletzt Ritter möchte werden; Nam, (nisi spe frustrer) malum qui fortiter patitur, post potitur bonum. Aber mit diesem seines Weges, wir wollen zur Sache greifen. Ersame weise günstige lieben Herren, mir ist ungezweifelt, E. W. tragen noch in frischem Gedächtniß, wie oft ich mich gegen E. W. mündlich beklaget habe, Nachdem je die 15 alten Schock, so da länger denn bei 20 Jahren aus dem Amte anstatt der Präbendorum und fürstlichen Gestifte Gottesdienstes, als Metten, Vesper und Hochmeß unwidersprechlich alle und itzliche halbe Jahre der Schule gebrechet, nun allererst bei dem gestrengen und vesten Herrn Heinrichen von Grünrode wiederum in präbenda verwandelt mußte werden; wie dieselbige mir eine Zeitlang so schmähelich, gering, säuisch, ungenießig und ungesund geschickt sind worden, daß ich verursachet war, dieselben mehr als einmal E. W. zu Hause zu schicken, und besehen zu lassen. Denn da man geben sollte, wie vor Alters, auf zwo Personen, da gab man jetzt kaum auf eine Person. Wo man sollte gespeiset haben von des Hauptmanns Tische, da ward der Schule ein sonderliches Küchhl aufgerichtet, daraus man das ganze Jahr über speiset, ungesalzen und ungeschmalzen, Konfent und Waßersuppen, Schweine Schwarten Fleisch und was von den Bachen der Säue schmerckelt und garstig abgeschnitten für die Hunde und Katzen sollte gedeihen, mußte die auf der Schul mit Liebe annehmen, und nicht wohl dawider mucken, obgleich schon Maden in den Schüßeln umher schwammen eines halben Finger lang. Ja daraus man gab Erbeis angerichtet, daß einer hätte müßen sieben (mit Züchten) über die Zunge werfen, wo er sie hätte wollen ansehen, oder davon eßen, Item Haidegrütze und Hierse dergleichen fast, wie den auch das andere Zugemüse in lauterem Wasser ohne Salz und Schmalz, ich weiß nicht soll ich sprechen gesotten, oder gebraten, denn so man es auf die Schüsseln anrichtet, so lag es wie eingeknetenerTeig oderLeim, schimmernd und gleißend, es wäre es mit Nasenschmalz überzogen. Ey ein überaus liebliches und niedliches Bißlein! Was sage ich von Kutteln und Kaldaunen, der werthen Speise! Sie schmecken auch wohl, wenn sie nur mit Wasser begossen, und das Fett daran geliefert war. Mit dem Fleisch, das doch sonst auf der Schule ein seltsames Leckerbislein, war überaus gut, wenn es nur durch die Köchin den Gischt und Schaum um sich her hatte liegen, eines halben Messers dick. Aber darüber behält man wohl weitere Klage in der Feder, denn es ward dazumal nicht viel frischen Fleisches gespeiset. Die Küche mit der Köchin, günstige Herren, wäre wohl beßer abzumalen, aber ich muß auch Papier für den Kellner und den Becken behalten, sonsten wo es an diesen Mangel trüge, so müßte sie ungelobt überlauffen und verschwiegen bleiben. Der Kellner oder Schenke zu Schloß, weise Herren, beweiset sich eben redlich und wohl, denn ob er wohl nichts eine Weile geben wollte, so schicket er dennoch täglich auf itzliche Malzeit eine Kanne sauren kanichten Konfentes voll herab. Wollten die Locaten (seines Bedünkens) denselbigen nicht trinken, so mochten sie mit den Gänsen zu Weine gehen. Desgleichen der Becker ließ auch nicht gebrechen. Er gab von einer sonderlichen Hitze und Schuß (ich halte aber es mußte den Hunden oder dergleichen Thieren gebacken seyn) Brod an der Gestalt wie grobe, schwarze Erde, an der Materie aus Kleien und Komspreuen, an den anderen Qualitäten weich, daß man wohl einer Axt hätte dazu bedurft, wo man es hätte wollen geniessen. Ja unschmacksam war es auch nicht, ohne allein daß es entweder mäusefräßig, oder gar schimmlicht für uns kam. Aber was mache ich viel dieser Worte? sintemal ich es E. W. oftmals zu Hause habe laßen tragen, und zu Bekräftigung mehrerer Wahrheit selbst ansehen, daß E. W. wohl wissen, wie ich hierin der Wahrheit nichts abbreche. Summa, die lieben präbenda mit Laub, waren so gut, daß ich, wollte ich anders gesunden Leib erhalten, mußte um mein Geld andere Speise kaufen, und diese unter weilen des Custodis Schweinchen vortragen lassen. Nicht weiß ich, ob sie auch der Locat, den ich auf diese Zeit hatte, allezeit gegessen,.oder nicht, das weiß ich aber wohl, da er zur Zeit (ist mir recht am Tage Nativitatis Mariä) den Präbendarienknaben mit einem Töpchen kalter Kaldaunen zur Köchin wieder aufs Schloß geschickt, im Namen daß er sie bäte, ihm denselben zu wärmen, und auch dieweil ein sehr großes Fest wäre dermaleins doch auch ein Stücklein Gebratenes schicke, da brachte der Knabe dafür herab Franzosen und weiß nicht was mehr; es ward ihm auch gesagt, er sollte fürder gar nicht wieder kommen, präbenden zu holen, oder man würde ihm anders ausweisen. Günstige liebe Herren, auf solche Antwort wie sollten wir uns arme Gesellen halten? Wir mußten uns in die Kost verdingen, und E. W. ansorgen, wes wir uns sollten fürder halten. Indes aber verweilet sichs, daß Ostern nahe herbei kommen, und beide Gesellen Cantor und Locat der präbendorum halben am meisten abziehen, und ich armer müßte einen Knaben oder 60 mit lesen, horen, schreiben, singen, beides zu Chor und Schul vorstehen, Vesper, Complet, Messe, Salve, der über die Maße genugsam alda singen und ausstehen ... Auch ersame weise Herren, auf die Ostern, da der itzige Amtmann an und Kreutzsch (Kreyschau) abzog, ward die Präbenda lang hernach bis nach Pfingsten nicht gegeben also, daß ich auf Verhoffnung ich würde vom Schloße ohne Widerrede dieselbe wiederbekommen, dem abziehenden Cantori bei 3 1/, alten Schocken hinaus mußte geben. Ich habe aber bis anher noch nichts können bekommen, bitte derwegen abermals freundlich, E. W. wolle solches an meinen Gnädigen Herren gelangen laßen, Sintemal der Hauptmann sich erboten, alles zu geben, was seine fürstlichen Gnaden ihm befehlen werden, Bitte abermals dienstlich E. W. wolle mich erfahren laßen, daß ich zu Delitzsch günstige Herren habe." In diesem Schreiben wird übrigens noch gesagt, daß der Stadtschreiber, als oberster Schulmeister den Schulmeister aufzunehmen und zu enturlauben Macht habe und diese Macht ihm vom Rate gegeben sei. Der Rat zahlte die 400 Gulden, welche er für den Herzog bei dem Bürger Clemens, 1498 in Leipzig geborgt hatte und bezog nun die 20 Gulden Zinsen jährlich aus der Silberkammer. Auch löste er die 1450 bei hiesiger Ackerknechtgesellschaft aufgenommenen 32 Schock 20 Gr., deren Zinsen an die Lesemesse kamen, wieder ab. Dazu borgte er aber 150 Gulden von Marcus Burgmann und 100 Gulden von Paul Moller, hiesigen Bürgern. Peter Landsberg aber trat die Zinsen von 100 Gulden dem Rate geliehenen Kapitale dem Hospitale ab. Die Steinwacken, welche dem durch das Feuer verwüstete Kälberstalle in der Kohlstraße, zum Grunde lagen, wurden weggebracht und mit zu der Mauer am krummen (breiten) Tore verwendet, zu der man noch gegen 12 000 Stück Mauersteine brauchte. Der Rat ließ die zwei kleineren silbernen Becher des Rathauses umarbeiten und bezahlte dem Goldarbeiter 2 Schock 40 Gr.; kaufte eine neue eiserne Kasse in das Gewölbe und in die Gerichtsstube den Richterlichen Klagspiegel, den Laienspiegel, die Kaiserliche Halsgerichtsordnung und der Stadt Worms Ordnung. Den Predigtstuhl versah der Pfarrer Lungwitz selbst und der Rat zahlte ihm aus der Commende 3 Schock 20 Gr. Bei der Prozession am Fronleichnamfeste errichtete man, wie auch früher geschehen eine Laube von Maien, unter welcher der Pfarrer bei dem Umzuge mit der Monstranz stille (Station) hielt. Eine ähnliche aber größere Laube baute man vor dem Rathause am Ablasse Petri Pauli für die Trinker, die die Schenkstube nicht aufnehmen konnte. Der Gutsbesitzer Balthasar von Selben erschlug den Lamprecht Enthrich vor Paul Mollers Scheune in der Nähe des Kohltores und flüchtete. Ein Schock 3 Gr. zahlte der Kaland jährlichen Zins von 60 Gulden, die ihm der Rat auf Bitte geliehen hatte. Auch den Gleitsmann Lorenz Eckart hatte der Rat im vorigen Jahre 100 Gulden zum Hausbau in der neuen Zscherne vorgestreckt.

1536

Die Rittergüter beschwerten sich von neuem über den Bierzwang der Stadt und hatte man deshalb am 5. Januar in Leipzig Vorbeschied. Die von Gollm kamen den 26. Mai in Prozession (auf einer Kreuzfahrt) hierher und erhielten ein Viertel Bier. Den 28. Juli ließen die Herren von Starschedel einen Bauer aus Polenz bei Brandis, Ambrosius Hentzschel. welcher seinem Bruder Gall Hentzschel ein Pferd, 12 Gulden, 15 Gr. am Werte entwendet hatte, mitdem Strange hinrichten und gab man den jungen Bürgern, welche dabei im Harnische erschienen, für 20 Gr. Bier. Am 9. August, nachts zwischen 12 und 1 Uhr zog von Nordwest ein furchtbares Gewitter mit Hagel über die Stadt und nahm seinen Weg über Wölkau nach Eilenburg. Der Hagel, von ungewöhnlicher Größe und Gestalt, vernichtete Feldfrüchte, Obstbäume, Dächer und Fenster, doch nur auf einem schmalen Sriche so, daß Weißig, ein Teil der Elberitzmark und der Kosebruch verschont blieben. Man baute im Sommer dieses Jahres die kleine Schenkstube des Rathauses, den Keller mit Lauke, das Schützenhaus vor dem Hallischen Tore, legte auch das Pflaster der Breiten und Hallischen Gasse um. Tür- und Fensterstöcke der Schenkstube waren von Sandstein und ein Fremder, Meister Balzer, dem man 3 Schock 51 Gr. Lohn, Wohnung und Kost gab, malte sie. Zu diesem Bauen borgte man vom Bürgermeister Paul Moller 50 Gulden, zahlte aber dagegen dem Jungfrauenkloster St. Georg zu Leipzig die von der hier geborenen Anna Schebe dahin gekommenen 100 Gulden ab, und erhielt durch Abtretung von Andreas von Reibitz, auf Greppin 250 Gulden, die ihm Ernst v. Schönfeld zu Löbnitz schuldete und dafür das Dorf Döbern verpfändet hatte. Weil es auch an tauglicher Ziegelerde fehlte, so kaufte der Rat für 50 Gulden von Paul Moller die vor dem Galgtore neben der Ziegelscheune am Stadtgraben gelegene, der Kirche lehnende Breite, welche noch zu den Stadtgütern gehört und den Namen Ziegelbreite behalten hat. An 14. Oktober übernachtete hier Markgraf Georg von Brandenburg, dem man einen Eimer Wein Verehrung gab. Die Tuchmacher (Wollenweber) erhielten neue Innungsartikel und zahlten 2 Schock. Ein Kramer Rosenthai aus Leipzig bewilligte für die Erlaubnis, seine Warenfässer hier einsetzen zu dürfen, jährlich 26 Gr. und der Müller zu Nauendorf gab den Wegezoll oder Pflastergeleite jährlich überhaupt 1 Gulden. Ein Kramer Rosenthai aus Leipzig bewilligte für die Erlaubnis, seine Warenfässer hier einsetzen zu dürfen, jährlich 26 Gr. und der Müller zu Nauendorf gab den Wegezoll oder Pflastergeleite jährlich überhaupt 1 Gulden. Ambrosius Rein, der in der Vorstadt eine Gastnahrung trieb, ward, weil der Vorstadt dieses Gewerbe nicht zukam, mit 20 Gr. Strafe belegt; l Schock 15 Gr. aber büßte der Schafmeister Clemen, aus Döbernitz, welcher nachts auf dem Markte ein Zetergeschrei anrichtete, wozu ein Streit mit Gregor Fogeler Anlaß gab. Das kleinere, silberne Ratssiegel, welches man wegen Unbequemlichkeit des größeren machen ließ, kostete 1 Schock 3 Gr. und 42 Gr. ein gebundenes Buch, welches die deutschen Justituten, das Lehnrecht, die Reichstagsabschiede, die Goldene Bulle und andere kleinere Schriften enthielt, zum Gebrauch in der Gerichtsstube. Die Ziegelscheune liefert ein diesem Jahre 89000 Steine,davonverkaufte man 11 800 an Auswärtige, das Tausend für 1 Schock, 63 000 an Heimische für ½ Schock und 14 200 verbrauchte man zu den Bauen der in diesem Jahre zum Teil neu aufgeführten öffentlichen Gebäude.

1537

Den B. Februar war ein Landtag in Oschatz und am 2. Mai ein zweiter in Leipzig, wo dem Herzog auf Verlangen der Zehente auf Lebenszeit, auch eine Hilfssteuer vom Landbau (...) verwilligt ward. Der Stadtschreiber Költzsch bemerkte bei dem Eintrage der dabei gehabten Kosten: Gott behüte ferner vor weiter Beschwerung. Ein Hauptgegenstand war auch die Sicherstellung künftiger Regierung seines zweiten, blöden Sohnes (Herzog Georg ältester Sohn hatte auch Neigung zum Trunk) und die Reformation der Klöster. Auf des Herzogs Aufgebot zur Rüstung war am 10. Juni Heerschau der Bürgerschaft. Ausgerüstet zählte man zu Roß: 34 in der Stadt; zu Fuß: 97 in der Stadt, 29 in der Vorstadt. Das Dorf Gertitz stellt 6, Werben 4, Benndorf 2 Geharnischte zu Fuß. Der Herzog schrieb aber wieder, daß er des Fußvolkes nicht benötigt sei, der Dienst zu Roß aber werde angenommen. Hierauf hielt man 18 Pferde bereit und die Hakenschützen zum Abgange fertig. Bei der Heerschau hatte man einen Trommelschläger, für die Abgehenden eine neue Fahne von 60 Ellen Zindel, in welche des Rates Wappen mit Pariser Seide genäht war und die Bürgerschaft erhielt eine Kufe Bier. Der Adel hielt am Tage Petri Pauli wieder seinen Tanz auf dem Rathause, der seit einigen Jahren unterblieben war und nahm vom Rate Torgauisches Bier. Von dem früher gewöhnlichen Stechen auf dem Marktplatze findet sich seit vielen Jahren keine Nachricht mehr und es ist zu vermuten, daß es bei den bedenklichen Unruhen zwischen Ritterschaft und Stadt auf Befehl des Herzogs unterblieben ist. Im Sommer baute man die Bastei hinter der Doctorei (im Zwinger gegen Mitternacht), die Hallische Brücke von Wacken, Bruch- und Mauersteinen, mit Bohlen und Pflaster belegt, den Steinweg am Loberteich gegen die Mühle (völlig ausgeglichen und geordnet ward dieser Teil der Stadt erst 1579) und füllte und pflasterte das Loch vor dem Mühlteich, welches noch von der alten, innerhalb der Stadt gelegenen Mühle geblieben war. Auch ward die Commende Trinitatis bedeutend gebessert, um ein Stockwerk erhöht und für den Stadtschreiber, der das Haus zur Dienstwohnung hatte, mit einer besonderen Schreibstube versehen. Auch räumte man den Stadtgraben vom Hallischen Tor bis zum breiten. Er hielt 1242 ½ Ruten und kostete die Räumung, die Rute zu 5 Gr., 103 Schock 32'/Z Gr. Überdies erhielt der Teichmeister Andreas Wagner 15 Scheffel Korn und 10 Ellen Tuch, die Elle zu 5 Gr. Der Gesamtaufwand betrug 124 Schock 15 ½ Gr. Ferner wurde das von der Beutnerin 1490 gekaufte Holz auf Gerltitz bei der Spröde mit einem Aufwande von 3 Schocken und 4 Scheffeln Korn gerodet. In dem Hause des Bürgers Jacob Landsberg entstand eine Schlägerei, er wollte den Schiedsmann machen, erschlug unvorsichtig den Erasmus Krinisch und verbüßte die Tat mit 2 Schock. Auch erschlug Sebald Günther, Weidemann zu Döbernitz, auf Elberitzmark einen Bauer von Döbernitz, flüchtete und ward in die Acht erklärt, der Einwohner Bartholomäus Mewes in Gertitz aber, welcher sich erhing, vom Abdecker abgeschnitten und vergraben. Am 7. Dezember entzündete sich die Feueresse des Rathauses in der kleinen Trinkstube ohne Gefahr; sie ward aber höher gebaut. Auch vermehrte man die Zahl der ledernen Feuereimer unter dem Rathause um 28 Stück. Der Winter zwischen 1537 und 1538 war außerordentlich mild. Das Wasser fror nicht. Schnee fiel nur selten und nur in geringer Masse, blieb auch über einen Tag nicht liegen. Man bestrafte den Baumfrevel durch Beschälung mit 40 Gr., Bürger, die Edelleuten und Krügern auf dem Lande Malz bereiteten mit I Schock; Melchior Nauwerken, der in der Vorstadt Bier verzapfte mit 24 und das Herumlaufen der Gänse und Hühner mit 4 Gr. Unter den Fremden, die Verehrung erhielten, war auch der Fürst von Anhalt. Den Flurschützen gab man für 12 Wochen 1 Schock 4 Gr. Lohn, den herzoglichen Trompetern aber, welche schon seit mehreren Jahren den Rat z u m neuen Jahre anbliesen, 20 Gr. 29 ½ Schock gab die diesjährige Fischerei Erlös, 98 450 Stück Mauerziegel lieferte die Ziegelscheune und von 451 gebrauten Bieren hatte man die gewöhnliche Einnahme, vom Biere 7 Gr. 1 Scheffel Samenkorn galt 4, ein Scheffel Hafer 2 1/2 Gr.

1538

In der Mitte des Januar erschien nach Sonnenuntergang im Zeichen der Fische ein Komet mit ziemlich großer Ausstrahlung. Am 7. Juni ward die Stelle des abgegangenen Amtmannes, Heinrich von Bünau, auf Droysig, Wolf v. Nismitz durch den Ordinarius Dr. Breitenbach aus Leipzig eingewiesen. Von diesem v. Bünau kaufte der Rat die zwei Windmühlen vor der Stadt, am Anger, zwei Jahre vorher von ihm neu gebaut, am 30. Juli für 350 Gulden oder 120 Schock 30 Gr. mit allem Zubehör. Der Kauf wurde in Glesien geschlossen, welches Rittergut er auch besaß. Vom 12. Mai bis 20. Juni war es ungewöhnlich heiß und dürr. Feuerkugeln von solcher Größe, daß sie am Tage sichtbar wurden, fielen häufig nieder. Mittwochs nach dem Pfingstfeste zeigte sich eine solche Kugel eines Scheffels groß, vormittags 10 Uhrjenseits der Ziegelscheune nach Werben zu, und zersprang in Gegenwart vieler Zuschauer. Auch wurden dergleichen in Schmiedeberg, Kernberg, Wittenberg, Eilenburg und sonst gesehen. Den 30. Mai fing man schon an, die Wintergerste zu schneiden. Darauf folgte schnelle Teuerung und stieg der Roggen und Weizen bis 18, Gerste bis 14, Hafer bis 10 Gr. der Scheffel Delitzscher Maßes. Die Lehn von den lehnpflichtigen Landungen war lange zurückgeblieben. Der Rat hielt also einen Lehnstag und erhielt 22 Schock 31 1/2 Gr. Lehnware. Ein Viertellandes Garten gab 4, die Hälfte oder ein Achtel 2 Gr.; eine Hufe auf Elberitz, Gertitz, Rubach hatte 1 Schock Lehnware und 20 Gr. Zins. Die übrigen Grundstücke entrichteten gleich viel Zins und Lehn. Den herzoglichen Räten Dr. Kammerstadt, Dr. Breitenbach und Dr. Fachs, welche in fürstlichen Angelegenheiten nach Zerbst reisten und hier übernachteten, bewies man die gewöhnliche Verehrung, Wein und Torgauisches Bier. Polizeilich wurde unter anderen gestraft das Schmiedehandwerk, weil es einen Mitmeister hinter dem Rücken des Rates in Strafe nahm mit 1 Schock; Abitzsch aus Grimma, der in des Rats Schenkstube mit einem Kännchen nach dem Kapellan Fabian schlug mit 48 Gr.; der Schulmeister, welcher sich auf dem Tanzboden mit einer Jungfrau verdrehte, mit 5 Gr. Hans Fiedler aber, welcher seine Dienerin zur Unzucht verleiten wollte, von dieser aber mit List aufgehalten ward, bis sein Eheweib hinzu kam, mußte es mit 5 Schocken verbüßen und Matthäus Kohl, der den Rat wörtlich beleidigte mit 20 Gr. Eine Frau wurde am 9. November zur Staupe geschlagen. Im Rosentale drei Hälter, welche man durch einen Tagelöhner reinigen ließ. Die äußerste Brücke vor dem Hallischen Tore ward von dem Steinsetzer neu belegt; in der Spröde ein bedeutender Vorrat von Brettern geschnitten. Ein Sandseiger auf das Rathaus kostete 10 1/2 Gr.

1539

Am 9. Mai kaufte der Rat das Termineihaus der Leipziger Dominikaner in hiesiger Judengasse (später Holzgasse), für 350 Gulden oder 122'/ Schock. Sie bedachten zu rechter Zeit den nahen Verlust, und da der Kauf vor Aufhebung des Klosters geschlossen war, so konnte die Anfechtung desselben durch den Amtmann auf Befehl des Herzogs nicht von Folgen sein. Wolfgang Schirrmeister, der Prior, trat zum Protestantismus über und ward in Leipzig 1543 Dr. der Theologie, der Licentiat Balthasar Müller aber ging noch in diesem Jahre nach Würzburg. Den 9. Juni erschien des Herzogs Heinrich erster gedruckter Befehl, ein wiederholtes Verbot des Gebrauchs fremder Münzen. Diesem Befehle lagen zwei kleine gedruckte Zettel bei. Der eine von drei Zeilen,verordnete die Bekanntmachung obigen Befehls an die Gemeinde, der zweite aber enthüllte in vier Zeilen: "Ir woldet auch der Geistlichkeit mit euch vormelden und anzeigen, das sie das Sacrament des Abentmals Christi nicht anders dann in beider gestalt reichen und geben, Vnd das Sacrament einer gestalt zu geben sich enthalten, Das ist vnsere gentzliche meynung," den Anfang hiesiger Reformation. Der Rat war nun eifrig um die Besetzung des ledigen Pfarramtes (Pfarrer Wolfgang Lungwitz starb am 17. März) besorgt, reiste wiederholt zu der Äbtissin nach Weißenfels, verwarf aus triftigen Gründen den sich eindrängen wollenden Pfarrer von Schenkenberg und verlangte von ihr die Überlassung eigener Wahl. Die Wahl fiel nun auf den hier geborenen Simon Kotwitz, man suchte dessen Anstellung bei dem Herzog nach und erhielt, nachdem der Empfohlene von Luther geprüft und mit einem ehrlichen Zeugnis versehen worden, die landesherrliche Bestätigung durch die Visitatoren. Zugleich ward Clemens Werner, früher Lesemeßler und seit 1522 Lecturist am Altare Katharina, welchen der Rat zum Diakon wählte, als solcher von den Visitatoren bestätigt und behielt seine Wohnung in dem Hause des Lehns. Der Pfarrer in Dresden Dr. Petrus Eysenbergk, beliebt bei dem Herzog Georg, hatte ein geistliches Lehn zu Landsberg auf dem Berge (in dasiger Kapelle) eine Pfründe, welche ihm jährlich 52 Gulden einbrachte, diese ward ihm vom Herzog Heinrich in einer Verordnung lebenslänglich zugesichert. Am 28. Juli abends 6 Uhr stieg durch ungewöhnliche Regengüsse der Lober zu einer nie erreichten Höhe, schlug an vier Stellen über den Wall in den Stadtgraben,zerrißdas Gerinne gegen die Terminei (dieSchleuseinder Hintergasse durch die Stadtmauer in den Graben führend), beschädigte daselbst die Mauer und warf endlich die steinerne gewölbte Brücke am breiten Tore nieder. Auch die Mühle hatte stark gelitten und war längere Zeit ungangbar. Die Brücke ward für den Augenblick von Holz hergestellt und schenkte der Herzog dazu zehn eichene Stämme, bis zum Winter aber mit einem Aufwande von 25.000 Steinen wieder gemauert und gewölbt. Die an vielen Stellen durchwühlten Ufer des Stadtgrabens konnten nur mit großer Anstrengung in Ordnung gebracht werden, weil wegen häufiger Regengüsse dieses Jahres der Lober selbst um Weihnachten noch in bedeutender Höhe stand. An einer gefährlichen ansteckenden Krankheit, wahrscheinlich Folge der Teuerung und vorjähriger übermäßig trockener, diesjähriger ungewöhnlich feuchter Witterung, starben hier 740 Personen. Die Krankheit begann um Pfingsten und endete um Weihnachten, war aber im August am heftigsten. Dabei erhielt sich die Teuerung und galt fortwährend der Scheffel hiesigen Maßes Weizen 18 Gr., Roggen 16-18 Gr., Gerste 13 Gr., Hafer 10 Gr. Den Einwohnern der Stadt verkaufte der Rat 130 Scheffel Roggen um einen geringeren Wert. Die Visitatoren in Meißen, Justus Jonas, Dr. Melchior v. Creytzen Amtmann zu Colditz und Leißnig, Dr. Georgius Spalatinus, Caspar v. Schönberg zu Reinsberg und Rudolph v. Rechenberg waren in hiesigem Amte und richteten, weil ihr Aufenthalt kurz war, nur das Nötigste, die deutsche Messe und den Schulunterricht hauptsächlich durch Anempfehlung des Katechismus ein. Die Visitationsartikel unterm B. August ausgefertigt wurden dem Rate wenige Tage darauf zugestellt. Die Visitationsartikel überbrachte mit einem Schreiben der Visitatoren vom 19. August Mr. Egidius Seitz, früher hier Prediger, welchen man im Namen des Herzogs unweigerlich als Oberdiakon annehmen sollte. Der Rat entschuldigte sich aber, daß er schon versehen sei und gab dem Überbringer ein Reisegeld. Die Hauptrevision und Ordnung des Gotteskastens wurde bis auf gelegenere Zeit verschoben. Aus viel bewegenden Ursachen ward der Pfarrer zu Leipzig (Pfeffinger) als Superintendent für hiesige Stadt und Umgegend angestellt. Mit herzoglicher Erlaubnis legte der Rat auf Gerltitz eine Schäferei an. Er zog dabei zwei gut unterrichtete Schafmeister zu Rate und baute im Laufe dieses Sommers noch ein Wohnhaus für den Schäfer, einen Schafstall, legte einen Brunnen an und umzog das Ganze mit einem Graben von 166 Ruten. Das hiesige Geschütz wurde durch einen Büchsenmeister aus Freiberg untersucht, das Untaugliche zerschlagen und zum Umguß nach Freiberg abgeführt. Auch gab man 44 Gulden für 100 Spieße aus. Am 13. November war ein Landtag in Chemnitz, wo man den Zehenten auf zehn Jahre bewilligte. Die Abgeordneten von hier brachten eine Kopie der schriftlichen Verhandlung und hatten 15 Gulden 32 Gr. Aufwand. Donat Beul und sein Weib, welche Diebe begünstigten, wurden nach eingeholtem Schöppenurteil mit Ruten gestäupt. Der Maler Balzer in Leipzig malte auf vier Tafeln die Strafe des Baumfrevels, welche Tafeln der Rat, an Säulen befestigt, öffentlich ausstellen ließ. Aus der Commende (Trinitatis) erhielt zum ersten Male Thomas Berger, eines hiesigen Bürgers Sohn 1 Schock 45 Gr. Stipendium. Der Rat verkaufte das kleine Breitchen hinter dem Holze zu Elberitz, zwischen den Wiesen und Äckern gelegen, an Hans Becker für 3 Schock 4 Gr. jährlichen Erbzins, mit dem Vorbehalte, daß er einen Weg an der Wiese lassen soll, auf welchem jeder zu dem Seinen kommen kann. Dem für die Windmühlen angenommenen Müller baute man auf dem Anger aus dem Grunde ein Wohnhaus. Der Platz war eine mit Knochen der Tiere angefüllte Vertiefung, den man erst räumen und ausgleichen mußte. Schindanger. Der Rat kaufte von Hans Schwaben in der Vorstadt den großen silbernen Becher mit runder Decke und vergoldeten Reifen 30 Lot weniger ein Quäntchen am Gewicht, für 5 Schok 12'/, Gr., das Lot zu'/, Gulden gerechnet. Auch schaffte er für die Herren, welche über Land reisen mußten eine Zündbüchse, mit zwei Pulverflaschen und einen Partisan oder Fuhrspieß, für Reisende zu Pferde, an. Das Läuten bei Gewittern, welches man bisher fortgesetzt hatte. ward untersagt. Der K a 1 a n d, dessen Vermögen bei nächster Revision dem Gotteskasten zugeschlagen wurde, hatte in diesem Jahre den Pfarrer in Zaasch, Ambrosius Stahl und den Bürger Johann Krug zu Vorstehern, nahm noch an dem Versammlungstage den Pfarrer Simon Lingke in Kyhna als neues Mitglied auf und bestand aus folgenden Personen: I. Geistliche: Simon Strobart; Ambrosius Stahel; Wolfgang Eichmann; Clemen Werner; Georg Kannengießer; Simon Beher; Heinrious Erwasser; Simon Lincke; Conrad (Nepfel) von Zschortau; beide Barfüßer; Egidius Preusse; Capellanus (Fabian). II. Weltliche: Bürgermeister Stock; Stadtschreiber; Rapsilber, Andreas Fischer; Hans Görr; Thomas Gorre; Matthäus Schönbeber, Hans Bendorf; Marcus Koch; Hans Krug; beide Schulmeister, alt und neu; Cantor; Organista; Küster; die Präbender. III.Weiber: Die Stockin; Stadtschreiberin; Georgin; Krügerin; Schneuberin; Berendorferin; Krugin; Schulzin; Baccal. Seilerin.


Delitzscher Stadtchronik - 1540-1599

(Quelle: Delitzscher Stadtchronik von Johann Gottlieb Lehmann; ausgewählt durch Christel Moltrecht, Teil IV, 1540-1599, hrsg. vom Kreismuseum Delitzsch, 1981)

Einführung

Nach einem längeren Zeitraum erscheint mit diesem Heft der 4. Teil der Delitzscher Stadtchronik. Ihr Inhalt bietet einen fast vollständigen Abdruck der Jahrzehnte zwischen 1540 und 1600 aus der Originalchronik von Johann Gottlieb Lehmann. In diesen Aufzeichnungen lässt sich bis ins Detail die wirtschaftliche, politische und geistige Entwicklung der Stadtgemeinde verfolgen. Für seine Auswertung fand der Chronist in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine günstige archivalische Quellenlage vor. Hierin liegt der eigentliche Wert für die Erschließung der Delitzscher Heimatgeschichte. Zwar lassen sich aus dieser Chronik nicht lückenlos die analogen Belege für die Nationalgeschichte auffinden, denn regionale Besonderheiten und Zufälle bei der Überlieferung einzelner Fakten bieten dafür lediglich Anhaltspunkte, sie geben aber die Basis für das lokale Kolorit. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts konsolidierten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Stadt. Das Handwerk sicherte sich 1550 im Zusammenhang mit Einsprüchen gegen Fremde seine Handelsprivilegien an Markttagen. Man entwarf eine neue Hökenordnung und außer den ständigen Wochenmärkten veranstaltete der Rat „mit höherer Erlaubnis" drei Jahrmärkte. Der auf, ausgewogener Produktion basierende örtliche Handel in Delitzsch als Markt für die umliegende Region bedurfte ständig kontrollierter und verbesserter Maße und Gewichte. Daher hatten 1549 alle Bürger ihr Gemäß nach einem kupfernen Probegemäß au eichen, wobei des „Rates Zeichen" eingebrannt wurde. Für Leineweber, Tuchmacher und ähnliche Gewerke „ward am Rothause eine eiserne Elle aufgehängt"... Ein Jahr darauf musste man auf fürstlichen Befehl im ganzen Osterlande sogenannte Butterhosen als Hohlmaße verwenden. Hervorhebenswert sind auch die in allen Wirtshäusern anzubringenden Preistafeln zum Nachweis des Wertes von Speisen. Gleichzeitig verbot der Kurfürst das Einrichten neuer Schenkstätten in den Dörfern durch Rittergutsbesitzer, um die Einkünfte der Stadt nicht zu schmälern. Auch hatte ein Zaascher Schneider dem Delitzscher Rat 1548 gegen Gewährung einer Gewerbelizenz „umschweifende Störer" anzuzeigen. Als ein Verlust stellte sich der Erwerb von Kuxen, Anteile am erzgebirgischen Silberbergbau, heraus. Dieser finanzielle Einsatz musste auf kurfürstliches Drängen von den sächsischen Städten beibehalten werden. Ärgernisse daraus ergaben sich in den Jahren 1557 und 1571. Mit dem allmählichen Niedergang dieses ehemals bedeutenden Wirtschaftszweiges in Sachsen begann eine Neuorientierung auf textile Gewerbe. Parallelen zu diesem Aufschwung in den sächsischen Landen finden sich auch in der Chronik. Offensichtlich war er auch hier begleitet von verbesserten Produktionsverfahren bei der Textilerzeugung, denn schon im Jahre 1533 wurde von einem Versuch zur Anlegung einer Walkmühle berichtet, wofür der Rat in Bitterfeld einen Walkstock erwarb. Bis 1555 benutzten die Tuchmacher einen Platz nahe der Doktorei zu einem Rahmen, wo sie ihre gewalkten Tuche spannen konnten. Aus all den wird die Förderung dieser Gewerbe durch den hiesigen Rat deutlich, der damit seine Einnahmen verbesserte. Die größeren Einkünfte erhielt die Stadt jedoch aus der eigenen Schäferei, deren Wolle die genannten Handwerker in Ort verarbeiteten. Weitere Erlöse zugunsten der Kämmereikasse kamen aus Zinsgeschäften, der Ziegelproduktion, der Loberfischerei, der städtischen Brauerei und aus zahlreichen Steuern der Stadtbewohner bestimmter sozialer Schichten. Bedeutende Einkünfte brachten die Zinsen der Pachtländereien und Ratsdörfer wie Werben oder Gertitz. Die Bauern dieser Gemeinden hatten zudem noch Naturalabgaben zu leisten, was in den jährlichen Preisen für den Scheffel Weizen, Roggen, Gerste und Hafer zum Ausdruck kam. Landaufkäufe der Stadtgemeinde zu ihrer territorialen und wirtschaftlichen Erweiterung resultierten aus der Geschäftstüchtigkeit des Rates sowie den Leistungen des Handwerks. Die Stadt nutzte jede Gelegenheit, von Adligen der umliegenden Dörfer Ländereien anzukaufen. In diesen Jahr kamen z. B. das Packisehe Lehen, das Dorf Benndorf sowie Gasten- und Feldmarken aus den Besitz der Adligen von Pak, von Hirsau, von Ende, aber auch Kirchenland dazu. So wurde die Stadt Delitzsch durch ihre Erwerbungen Grund und Boden selbst immer mehr zum Feudallehnsbesitzer. In gleicher Richtung zielte auch die Erneuerung eines bestehenden Lehnbriefes durch den Landesherren, worin sich der Rat die Ordnung über seine Stadtgüter, die nur in bürgerlichen Besitz bleiben durften, für die Zukunft bestätigen ließ. Hierin stimmten die Interessen des Landesherren mit denen des Rates zu Lasten des Adels überein. Dennoch verpflichtete die Feudalabhängigkeit in der sich die Stadt gegenüber den Landesherren befand, zur Leistung zahlreicher finanzieller Ausgaben. Neben den ständigen Zahlungen belasteten außerordentliche Sonderstern wie Land-, Trank- und Türkensteuern die Finanzen der Stadt und ihrer Bürger. Hinzu kamen Transportdienste und die Abzahlung landesherrlicher Schulden. Die großen Liebhabereien des Kurfürsten Christian I. an jagdlichen Vergütungen führten zu häufiger Inanspruchnahme seiner Untertanen. Das erregte 1588 den Unwillen der Einwohner der Delitzscher Ratsdörfer. Weiterhin waren die Städte zu Festungsbauten und Kriegsdiensten verpflichtet, so im Schmalkaldischen Krieg 1546 und in der Schlacht bei Mühlberg 1547. Die Stadt wurde durch diese landesherrlichen Aufwendungen und verschwenderischen Hofhaltungen an einen intensiven wirtschaftlichen Aufschwung gehindert. Während des gesamten Zeitraumes hatte der Rat die Sicherheit seines Territoriums und seiner Bürger politisch und militärisch zu gewährleisten. Aus diesem Grunde wurde 1553 eine eigene Kriegsordnung eingeführt, die die wehrfähige männliche Bevölkerung der Stadt in Hellebarter, Armbrustschützen, Spießer und Hakenschützen enteilte und ihnen für den Fall der Verteidigung einen genauen Platz auf der Stadtmauer und an den Toren zuwies. Dem dienten auch Wächterdienste, für die ein besonderes Bürgergeld erhoben wurde. Wesentliche Verbesserungen nahm man auch an den Wehranlagen vor. So erhielten der Hellesche Turn und das Viehtor einen neuen Wendelstein, die Erker des Breiten Turmes wurden- erneuert, an Torhaus des Breiten Tores und an den Brücken beider Türme führte man umfangreiche Baumaßnahmen durch, der Stadtgraben wurde geräumt und die immer wieder erwähnten Waffenankäufe und Besetzung der Tore mit verstärkten Wachen verdeutlichen die Gefahren, denen die Stadt Delitzsch wie andere sächsische Städte durch landesherrliche Auseinandersetzungen häufig ausgesetzt war. Daneben hatte sich der Rat der Stadt wie in den vergangenen Jahrhunderten inner wieder vor Übergriffen einzelner Adliger der umliegenden Dörfer zu schützen. Als Ursachen boten sich Grenzstreitigkeiten wegen der Hutungen, der Feldmarken oder der Fischerei in Lober und den Kosebruchteichen. Das nötigte der Stadt laufende Gerichtsprozesse auf. Mehrfach berichtet die Chronik von Gewalttätigkeiten einzelner Adliger gegen friedliche Bürger. Auch der in der Stadt auf dem Rathause und auf dem Markte abgehaltene Adelstanz gab zu häufigen Beschwerden beim Landesherren Anlass. Vorkommnisse dieser Art ereigneten sich in den Jahren 1551, 1589, 1596 und 1597. Sehr häufig suchten die Adligen von Militz auf Schenkenberg die Stadt zu schädigen. Besondere Beachtung verdienen die politischen Verhältnisse im Kurfürstentum Sachsen bei der Durchsetzung der Reformation. Das spiegelte sich in einzelnen Ereignissen der städtischen Geschichte wider, begleitet von vielfältigen Unruhen. Nach denn Tode Martin. Luthers setzten Fehden wegen Anwendung der kirchlichen Gebräuche ein. Dies führte zu unterschiedlichen religiösen Strömungen, deren Verbreitung durch Schriften eingeschränkt werden sollte und in Verfolgungen Andersdenkender einmündete. Kurfürst August hatte 1580 die streng lutherische Lehre mit der Konkordienformel zur herrschenden Religion erhoben. Ihre Anhänger standen den Kryptokalvinisten gegenüber. Dieser sächsische Kryptokalvinismus zeichnete sich durch eine progressive Haltung zu Wissenschaft, Bildung und Kultur aus. Die dieser Richtung anhängenden Geistlichen, Schulmeister und Küster wurden harten Repressalien ausgesetzt, die bis zur Amtsenthebung führte. Schon der Verdacht, dieser Lehre anzugehören, zog entsprechende Konsequenzen nach sich. Neben den Verdächtigungen durch einzelne Bürger tauchten 1591 und 1592 böswillige Schriften auf, deren Wortlaut die ganze Härte persönlicher Anfeindungen zeigte. Art und Weise der Ablösung des Diakon Repphun 1592 sowie des Notar Homagk und des Ratsherren Scheuchler bewiesen, dass sich der Rat durch lutherische Wortführer aus der Bürgerschaft gedrängt fühlte, den Geschädigten aber den weiteren Weg zu ebnen bemüht war. Nicht ohne Schwierigkeiten gestaltete sich auch die Einführung des Gregorianischen Kalenders in den protestantischen Ländern in Jahre 1582. Die hohe Achtung geistiger Leistungen einzelner Vertreter des Städtebürgertums kommt u. a. in der Förderung ausgewählter Schüler der hiesigen Lateinschule zum Ausdruck. In humanistischen Bestreben der Renaissance entsandte der Delitzscher Rat diese Schüler an die Fürstenschule Schulpforte, einem Gymnasium, stattete sie mit den nötigen Stipendien aus oder empfahl sie an die Universitäten Leipzig und Wittenberg. Nach deren Schul- bzw. Studienabschluss bemühte sich der Rat, sie in Delitzsch als Stadtschreiber, Schulrektor oder für kirchliche Ämter zu gewinnen. Nicht selten wurden diese Persönlichkeiten in den Rat und als Bürgermeister gewählt. Wie verpflichtend solche Stipendien waren, belegen die Angaben der Jahre 1553 und 1554. Das hohe Verantwortungsbewusstsein der städtischen Kommune gegenüber geschädigten Städten und Dörfern wird in zahlreichen Geldzuwendungen der Bürger und des Rates deutlich. Mit härtester Konsequenz ahndete der Rat als Gerichtsherr jegliche Verfehlungen, die nach damaligen Moralvorstellungen das soziale Gefüge gefährdeten. Bußgelder und Ausweisungen waren dabei noch die erträglichsten Strafen. Mildere Strafen für Vergehen des Adels lassen dessen soziale Sonderstellung erkennen. Der Rat beauftragte verschiedentlich Künstler mit der Ausführung von Schnitzwerken, Ölmalereien und Bildhauereiarbeiten, von denen einige die Jahrhunderte überdauerten. So bieten die hier vorgestellten Jahrzehnte ein vielgestaltiges Bild von Delitzsch und seinen Bewohnern in der zweiten Hälfte eines entscheidenden Jahrhunderts und an der Schwelle unheilvoller historischer Ereignisse. In der Folge bleiben nun noch 100 Jahre chronistischer Ausarbeitungen von Johann Gottlieb Lehmann zu veröffentlichen.


1540

Die Regengüsse dauerten bis Ostern dieses Jahres, dann trat ein heißer Sommer mit solcher Dürre ein, dass fast das ganze Getreide verloren ging. Die Teuerung stieg daher noch höher und die Ausfuhr des Getreides ward bei harter Strafe untersagt. Der Wein aber war von seltener Güte. Zur Abzahlung der von Johann Poyda, in Schkeuditz für den Herzog geliehenen 300 Gülden borgte der Rat 200 Gülden von dem Bürger Marcus Burgmann und vom Ratsherrn Andreas Fischer 100 Gulden, am 26. Februar, und ist die Schuldverschreibung des Letztern erst im Jahre 1652 wieder eingelöst worden. Die erledigte Rectorstelle trug man dem früher hier gewesenen Schulmeister, jetzt Rector in Borna, Johann Prunner, an, er lehnte sie aber ab und erhielt sie nun der hiesige Bürgerssohn Thomas Berger, welcher in Wittenberg studieret und bisher ein Schulamt in der Stadt Niemeck verwaltet hatte. Er verehelichte sich noch in diesem Jahre und der Rat verehrte ihm und den Gästen am Hochzeitstage 16 Kannen Wein. Er und der Kantor mit den Schülern führten am 2. März in Gegenwart des Pfarrers und der Räte eine Komödie auf und der Rat machte der Gesellschaft ebenfalls mit Wein ein Geschenk. Wegen der Lehn an den Pakischen 1530 verkauften Zinsen und Gütern und Bestätigung der Stadt-Privilegien reisten einige des Rates -im Mai nach Dresden und Freiberg zu dem Herzog, wo sie acht Tage aufgehalten, und nach der Ansicht des Stadtschreibers von der Kanzlei, welche 20 Taler erhielt, sehr überteuert wurden. Über die Lehn selbst beriet man sich mit dem alten Kanzler Dr. Pistores, dem man 4 Taler verehrte. Während diese Herren in Dresden waren, beschieden die Visitatoren den Pfarrer und Rat nach Leipzig, der Termin ward aber, weil gerade die in Dresden Abwesenden vom Pfarrlehn, Altären und Brüderschaften die, meiste Wissenschaft hatten, verschoben. Später reiseten mit dem Pfarrer sämtliche Mitglieder des Rates dahin, wo denn der Kirchendienst vollständig geordnet, der Gotteskasten durch Zuschlagung der Einkünfte beider Kirchen, des Pfarrers, der Altäre und Brüderschaften für die Besoldung der Geistlichen, Schullehrer und des Küsters eingerichtet und die Annahme eines zweiten Diakon festgesetzet ward. Durch Mehrheit der Stimmen wurden die Ratsherren Petrus Walter und Bartholomäus Hartmann die ersten Vorsteher des Gotteskastens, Kastenherren,> und zwei andere des Rates zu Verwaltung der Pupillengelder verordnet. George Spiegel kam als Amtmann an die Stelle des abgegangenen v. Nißmitz und der Rat verehrte der bei der Einweihung gegenwärtigen Ritterschaft mehrere Kannen Wein. ' Die Schützen hatten den Kranz erhalten und der Herzog erlaubte der Stadt auf des Rates Gesuch einen Schützenhof. Der Rat kaufte einige Grundstücke von Gangolps in Benndorf die Hans von Schiedingen in Schenkenberg lehnten, und die Wildbahn in der Spröde zu bestellen und des Rates Jagdgerechtigkeit zu erhalten zwei Hasennetze. Auch ließ er auf Gerltitz etliche Teichstätte durch den Teichmeister von Glesien abwägen, und bauete das Kaiserhäuslein, ein gemauertes niedriges Behältnis, der Straße gleich, in der Garküche, vorne nach dem Heringsgäßchen Breite Straße-Markt) zu, mit eisernen Gittern von Höhe und Breite des Behältnisses versehen, in welches man hauptsächlich Felddiebe an Markttagen eine Stunde lang sperrte, das Gestohlene anhing, und sie so der öffentlichen Beschauung preisgab. Der in Wittenberg studierende Sohn des hiesigen Bürgers Johann Rügezelt, Ambrosius Rügezelt, später hier Kantor, Stadtschreiber und Ratsherr erhielt das Stipendium der Commende Trinitatis, 5 Schocke 15 Gr. und überdies ein Schock 45 Gr. bei Erlangung des Baccalaureats. Dem alten Kapellane der Frauenkirche, Fabian, der sich beklagte, dass er sein Leben im Dienste der Gemeinde zugesetzt habe und an Augenschwäche leide, verehrte man 40 Gr. Anton Kische, der einem Bauer von Paupitzsch auf Benndorfer Mark den Finger abhieb, gab 1 Schock; Blasius Richter, der seine -Magd mit einem Stricke würgte, 4 Schocke Strafe, 101/2 Schock aber Anton Spott, der wider Verbot des Rates seinen Gasthof wüste stehen ließ, und gleichwohl seine Biere brauete, die Stadt bei dem Oberhofgerichte verklagte, aber durchfiel. An dem Pfarrgebäude und Lehn Katharina waren Besserungen mit bedeutendem Aufwande nötig. Zu Landreisen des Rates kaufte man eine Zündbüchse in einer Scheide, wie ein Waidemesser [Pistole] für 45 Groschen. Die Bürger am Hallischen Tore gaben zu dem Straßenpflaster 5 Schocke 19 Gr. Die Steine brachte man von Gerltitzmark. Die Ziegelscheune lieferte 71400 Ziegel und von 455 Bieren, zu 7 Gr. kamen der Kämmereikasse 53 Schocke 5 Gr.


 1541

Bis hierher hatten die Vorsteher der Neustadt das Wächtergeld der Vorstadt eingenommen, und an die Kämmereikasse geliefert, weil sich aber Unordnungen fanden, übernahm der Rat die Einnahme selbst. Eine Bademagd, Walpurgis, ward am 24. Januar zur Staupe geschlagen. Die Stadt Großenhain, welche durch Feuer verunglückt war, erhielt aus der Kämmereikasse 2 Schocke 5 Gr. Das in Freiberg umgegossene Geschütz der Stadt, 14 Stück, 41 Zentner an Gewicht, kam zurück und kostete mit Zubehör 11 Schocke 15 Groschen. Der seit 2 Jahren mit Ernst v. Schönfeld, auf Löbnitz, wegen Erhöhung seines Brückenzolles geführte Prozess ward im Oberhofgerichte vertragen und in Beziehung auf des Ratsgeschirr herabgesetzt. Donnerstags in der Osterwoche, d. 21. April, kam auf herzoglichen Befehl der Hauptmann von Leipzig und Dr. Camitz hierher, die Grenzen der Elberitz Marke, welche Döbernitz störte, zu besichtigen. An dieser Grenzbeziehung nahmen unter anderem auch alte Gutsbesitzer aus Zschortau als Zeugen für der Stadt Gerechtsame teil. Der neue Diakon, Mr. Matthias Rotha, vorher in Grunau, ward eingeholt und trat sein Amt an. Nur ein Geistlicher, der Vikar des Altares Barbarä, George Kandelgiesser, konnte sich von den Gebräuchen der alten Kirche nicht trennen und der Rat behielt daher den Zins, welchen er jährlich an den Besitzer dieses geistlichen Lehnes zu geben hatte, zurück. Erst im Jahre 1543 ging er zum Protestantismus über und empfing nun die vollen Einkünfte des Lehns bis an seinen 1547 erfolgten Tod. Die Ratsscheune zu erweitern kaufte die Commun ein Stück Land von dem Bürger Reiner für 1 Schock 20 Gr. Der fortgesetzte Bau an der Pfarre und ihren Nebengebäuden kostete 51 Schocke; der Schloßgraben wurde geschlämmt und mit dem Schlamme der Wall des Stadtgrabens erhöhet; der Seiger gebessert und die Hälfte der kupfernen Mondenkugel, welche den Mondenwechsel angab, neu vergoldet. Ein Viertelscheffel Maß und drei einzelne Metzen fertigte ein Kupferschmied in Leipzig, das Viertel auf das Rathaus, die Metzen in die Mühlen. Sie hielten an Gewicht 39 Pfund und kosteten das Pfund zu 3 Gr. ein Schock 531/2 Gr. Als es bekannt ward, dass der Herzog Moritz seine Gemahlin im Herbste heimführen und mit ihr am 6. November in Leipzig eintreffen werde, schrieb der Rat in Leipzig (an den Rat in Delitzsch) und der hiesige schickte an ihn die 50 Gülden Verehrung zu der bestimmten Zeit. Am 7. November erschien des Herzogs durchgreifende Verordnung wegen der Handwerks-Missbräuche, Anmaßung willkürlicher Bestrafung und Verfemung der Genossen und Gesellen, Nichtachtung der ihrer Willkür nicht zusagenden obrigkeitlichen Befehle, und hartnäckige Auflehnung dagegen, und ward ihnen mit Beziehung auf den Augsburger Reichstags-Abschied v. 1530, und besondere Übereinkunft der Fürsten am Tage Galli dieses Jahres zu Naumburg, bei jedem derartigen Eingreifen in diese Rechte der Obrigkeiten Unredlichkeitserklärung und Landesverweisung angedroht. Die Bürger hatten im Herbste ein Haken- und Handbüchsenschießen nach einem hölzernen gemalten Türken. Der Rat gab zum Gewinne zwei rote Hosentücher und bezahlte den Trommelschläger. 44 Hakenbüchsen waren dabei im Gebrauch. Der Stadtschreiber verlor an seinem Gehalte vom Salve und anderen Stiftungen, die ihm als obersten Schulmeister vor der Reformation zukamen, jetzt aber dem Gotteskasten zugeschlagen waren, 4 Schocke, der Rat ersetzte sie ihm aus der Kämmereikasse. Übrigens hatte er freie Wohnung, Bekleidung, Heizung, 5 Schocke jährlich für die Kost, 2 Schocke für die Kämmerei-Rechnung, einen Anteil vom Schoße und Wächtergelde, Kopialien im Stadtgericht und sonst kleine zufällige Einnahmen. Das Stipendium der Commende empfingen in diesem Jahre die Baccalauraea Ambrosius Rügezelt und Thomas Andreä, jener 121/2, dieser 10 Gülden. Andreä war der Sohn des hiesigen, verstorbenen Bürgers, Bartholomäus Andreas, studierte in Wittenberg, war eine Zeit lang des D. Justus Jonas Famulus, Baccalaureus, Magister und von 1551-1575 Archidiakon an der Frauenkirche in Halle. Zu dem hiesigen Stipendium ward er vom Dr. Bugenhagen empfohlen, an den er sich um Vorbitte in einer lateinischen Zuschrift gewendet hatte. Gregorius Poschs in Meißen trat die 1000 Gülden, herzogliche Schuld, für die die Stadt bürgte, an den Dr. Auerbach in Leipzig ab und hatte der Rat deshalb mit diesem in Leipzig Verhandlung.


1542

Auf dem Landtage in Leipzig, den 3. Januar, bewilligten die Stände die zu dem bevorstehenden Türkenzuge vom Reiche verlangte Steuer. Die Ritterschaft gab von 1000 Gülden zehn, die Bürger und das Landvolk von 1000 Gülden fünfzehn Gülden, doch war bei der Ritterschaft die nicht wertende Barschaft ausgeschlossen. Sie ward in 3 Terminen abgeführt und betrug von den Commungütern 10 Schock 19 1/2 Gr. auf einen Termin. Den 26. Januar übernachtete hier mit Gefolge die verwitwete Herzogin Katharina, Mutter des Herzogs Moritz. Der Rat verehrte einen Eimer Wein und ein Fass Torgauisches Bier und ebensoviel am Johannisfeste dieses Jahres bei ihrer Wiederkehr. Von ihr erhielt der Rat ein gesticktes Kruzifix, welches er zu besserer Haltung auf einer schicklichen Unterlage befestigen ließ. Dieses Kruzifix berührten Ratsherren und Richter bei Ableistung ihres Amtseides, da vorher das Reliquienkästchen aus der Kirche zu diesem Zwecke gebraucht ward. Die Erhebung der Türkensteuer in Wurzen erregte zwischen den befreundeten Fürsten, dem Kurfürsten Johann Friedrich und Herzog Moritz, einen Regalienstreit, der in den bittersten Unwillen überging und mit den Waffen entschieden werden sollte. Der Kurfürst bot eiligst das Landvolk auf, das Fußvolk nach Wurzen, die Reisigen nach Grimma und ein Gleiches tat der Herzog. Er lagerte sich mit den Ober- und Bergstädten bei Oschatz und forderte das übrige Landvolk, die Thüringer und Osterländer nach Leipzig. Dahin zogen nun am Karfreitage 50 hiesige Bürger mit ihrer besten Wehr, sämtlichem Geschütz und einem Vorrat von 105 großen und 988 kleineren eisernen Kugeln. Sie hatten einen Fähnrich, den Bürger Marcus Wüst, zwei Webel, Nicolaus Letzscher und Andreas Erich, Trommelschläger und Pfeifer, und erhielten bei ihrem Abzuge 1 Fass Bier und 35 Schocke Sold. Zu ihnen stießen hier die Zörbiger Fußknechte, denen man ebenfalls ein Fass Bier gab. Luthers kräftigem Worte und dem Eifer des Landgrafen Philipp hatte man es zu danken, dass dieser, unübersehbares Unglück drohende, Unwille der Fürsten am Osterfeste begütiget und das Heer mittwochs darauf entlassen ward. Die frohen Hausmütter bereiteten jetzt den ausgesetzt gebliebenen Osterfladen und die Heimkehrenden, die ihn frisch fanden, scherzten über den Fladenkrieg. , Die Kämmereikasse gab der Gemeinde zu dieser Heerfahrt 100 Gülden Vorschuss und dieser ward ihr später von 157 Brauberechtigten zu 10, von 31 Nichtbrauenden in der Stadt zu 6 Gr., von 54 dergleichen in der Neustadt zu 4, und von 41 Pfahlbürgern zu 3 Groschen erstattet. Über den nicht wollbedachten und unkräftig endenden Türkenzug dieses Jahres gibt der hiesige Stadtschreiber Költzsch auf dem Vorstoßblatte einer Rechnung wörtlich Nachricht. Zu diesem Heerzuge schenkte die Stadt dem Herzoge ein Pferd. Die kurfürstlichen und herzoglichen Räte waren der Landgebrechen wegen hier und gingen nach Eilenburg, wohin sie der Rat zu Wagen bringen und vom Stadtschreiber begleiten ließ. Ihre Reise betraf die Zölle, das neuaufgesetzte Geleite zu Düben, Weißigk und Roitzsch und Beyersdorf. Durch das Münzverbot verlor die Kämmereikasse am 23. Juli von 66 Talern 1 Schock, 6 Gr. Der neue Kantor, Wolfgang Faust, ein geborner Zörbiger, ward in Wittenberg, wo er studiert hatte, abgeholt. Der Rat bauete im Laufe des Sommers ein neues Schützenhaus an der Vogelstange, einen Schuppen an der Terminei, welche der Hutmann, Gemeindehirt, bewohnte, ließ einen Teil der Judengasse und das Gäßchen bei der Jägerin [Riemergäßchen, Süßemilchsgäßchen] ganz [15 Ruten] pflastern. Knopf und Spille des breiten Turmes erneuern, die Spille mit Kupfer belegen, und einen der Brunnen des Marktes mit Schiefer decken. Auch kaufte er einen kleinen behangenen Wagen für 8 Schock 23 Gr. in Eilenburg. Im Anfange des Herbstes zeigte sich in Schlesien plötzlich ein Heer Heuschrecken vierschlögelich in Fingers Länge und Stärke. Sie zogen alles verheerend bis Torgau, eine kleine Abteilung auch noch etwas weiter, wurden aber nun vom Winter überrascht und getötet. Es kam zweimal Feuer aus ohne großen Schaden, und schaffte der Rat abermals 54 neue lederne Feuereimer an. Im Dezember trat solche nasse Witterung ein, und verdarben die Wege so, dass das Fortkommen äußerst schwierig und kostspielig war. Das Stipendium der Commende hatten Thomas Andreä und Erasmus Schmidt, jener 7 Schocke, dieser 1 Schock 45 Gr. Schmidt war der Sohn des hiesigen Bürgers Hans Schmidt, Schüler in Halle, dann Student in Leipzig und später hier -Kantor. Geschworene Müller von der Elster untersuchten die Stadt- und Naundorfer Mühle, und wurden die Gebrechen durch Ordnung der Pfähle und des Fachbaumes abgetan. Die Ziegelscheune lieferte 113 000 Stück.


1543

Durch die anhaltende Nässe litt der Roggen, und mussten im Frühling viel Roggenfelder umgepflügt und mit Hafer besäet werden. Von dem diesjährigen Feldzuge des Königs Ferdinand mit einem größtenteils Böhmischen Heere gegen die Türken in Ungarn, der auch fruchtlos abging, hat der hiesige Stadtschreiber Költzsch (wörtliche Anmerkungen gemacht). Von diesem Jahre ist die erste Rechnung des Gotteskastens, welcher sich, wie schon bei 1540 bemerkt, ausschließlich auf den Fonds zur Unterhaltung der geistlichen Personen bezog. Die Baulichkeiten, Beschaffung und Erhaltung der zum äußerlichen Gottesdienste nötigen Gegenstände behandelte die Kirchenrechnung, die hierzu einen eigenen Fonds hatte. Vereiniget in dem Gotteskasten waren die Einkünfte beider Kirchen, von Grundstücken, und Kapitalen, des- Pfarrers, des erledigten Altares Crucis, des Kalanders, der Brüderschaft der Ackerknechte und Unserer lieben Frauen, das Sprenge- und Opfergeld, das Communikanten-Gestift und das Schulgeld. Dieses betrug jährlich im Durchschnitte 9 Schock, und gaben 70 Knaben, jeder jährlich 8, 12 aber nur 4 Groschen. Dazu geschlagen waren aber auch die Einkünfte der übrigen Altäre doch nur auf den Todesfall ihrer Besitzer. Es besaß aber das Lehn des Altares Barbarä der hiesige Vikar Georg Kandelgießer; das Lehn Corporis Christi, oder des Frohenleichnam-Altares Petrus Friedrici, welcher das Haus des Lehns, die nachherige Archidiakonus-Wohnung inne hatte; das Lehn Katharinä der hiesige Diakon Clemens Werner; das Lehn Martini der Dr. der Theologie Caspar Borner in Leipzig; das Lehn Fabiani und Sebastiani im Hospitale, unter allen das reichste, zu einer Hälfte der ehemalige hiesige Pfarrer Hermann Hammer, jetzt in Wurzen; zu der anderen der Prediger von der Jacobskirche in Leipzig Georg Lyssenius, dessen Hälfte aber an den Ersteren überging; das Lehn der Heiligen Anna derselbe Hermann Hammer, und das Lehn Jacobi der Pfarrer in Zschortau Conrad Nepfel, der längere Zeit von hier aus dieses Pfarramt verwaltet hatte. Das Todesjahr dieser Männer und der Anfall der Einkünfte ihrer Lehen wird in der Ordnung angegeben werden. Die Brüderschaft der Ackerknechte besaß eine Wiese vor dem Kohltore, welche, dem Gotteskasten verfallen von den Vorstehern desselben folgenden Bürgern um den beigeschriebenen jährlichen Zins vererbt wurde.

1 Acker Herrn Andreas Fischer 17 Gr. 4 Pf

 1 Acker Herrn Nicolaus Letzscher 17 Gr. 4 Pf

 1 Acker Barthol. Hartmann 17 Gr. 4 Pf

 34 Ruten Herrn Thomas Kühne 9 Gr. -

 34 Ruten Matthäus Kohl 9 Gr. -

 44 Ruten an Hans Lange 11 Gr. 6 Pf.

Zu Lehn ging dieses Grundstück bei dem Rate, der denn auch eine dem Zins gleiche Lehnware für diesen Fall einzog und in Rechnung brachte. Auch verkauften die Vorsteher in diesem Jahre eine der Pfarre gehörige, ebenfalls zum Aerar geschlagene Hufe Feld an den Bürger Bonifacirus Stephan für 60 Gülden, jährlich mit 10 Gülden zahlbar. Der neue Amtmann, Nicolaus von Rotschütz, ward eingewiesen. Der Hausmann, Türmer des breiten Turmes, erhielt, um die Gegend eines entstandenen Feuers der Stadt anzugeben, eine rote Fahne von Zschetter für den Tag und eine große, eiserne Laterne für die nächtliche Zeit. Am 1. Oktober, früh gegen 6 Uhr, starb der Pfarrer Simon Kotwitz (...) An seine Stelle wählten die drei Räte am 29. desselben Monats, den Sohn des hiesigen, um die Stadt sehr verdienten Ratsherren Hans Göre, den Mr. Sebastian Göre, welcher in Wittenberg studieret und daselbst am 19. September 1538 im 20sten Lebensjahre, die Magisterwürde erlangt hatte, jetzt aber Pfarrer in Sidaw war. Für die Frohnen wurden Häuser am breiten Tore gebauet. Die Einwohner von Poßdorf waren im 14. und Anfangs des 15. Jahrhunderts in Gerltitz eingepfarrt, als aber das verwüstete Dorf Gerltitz, mit Kirche, Kirchlehn und- geistlichen Gebäuden 1404 an den Rat kamen, Pfarrer und Küster von den Poßdorfern allein nicht unterhalten werden konnten, so hob der Erzbischof Friedrich von Magdeburg, dem 29. März '1449, die Parochie auf, erlaubte die Abbrechung der baufälligen Kirche, der Pfarrer Nicolaus Thomä kam als Vikar in die Stadt und die Poßdorfer wurden in die hiesige Frauenkirche gewiesen. Diese. Einrichtung blieb bis zur Reformation, wo man sie wegen weiten, oft schlechten Weges und unvollendeten Baues der Frauenkirche nach Spröde pfarrte, den Garbenzehnt aber, welchen sie dem hiesigen Küster zu geben hatten, diesem überwies. Sie verweigerten aber in diesem Jahre den Garbenzehnt, nicht ohne Vorwissen ihrer Gerichtsherrschaft des von Schönfeld auf Löbnitz, weshalb die herzoglichen Räte mit dem Superintendenten aus Leipzig den 6. Dezember in Löbnitz, wo auch der hiesige Stadtschreiber und Küster gegenwärtig war, verhandelten und die streitige Abgabe dem Küster zugesprochen ward. Der Ratsherr Martin Koch, welcher 1541 starb, stiftete 100 Gülden zu einer Tuchspende für die Armen und verteilte der Rat in diesem Jahre von den Zinsen zum ersten Male ein Stück leberfarbenes Oschatzer Tuch, 1 Schock 35 Gr. am Wert. Auch ward wie seit mehreren Jahren geschehen, aus dem Vermächtnisse Ulrich Stößels und der Sebastian Sanderin ein graues Stück Tuch für 1 Schock 20 Gr. gekauft und verspendet. Das Stipendium der Commende hatte Erasmus Schmidt und Martin Göre. Dieser war der zweite Sohn des hiesigen Ratsherrn Hans Göre, welcher in Wittenberg studierte und später als Pfarrer in Hain berufen ward. Beide hatten das Stipendium auf zwei Jahre, und betrug es jährlich 7 Schocke in zwei Terminen, Walpurgis und Michaelis zahlbar. Von 482 Bieren dieses Jahres bezog man die noch bestehende Abgabe, vom Biere 7 Gr. 25 Schocke 27 Gr. war der Fischerei-Ertrag und in der, Ziegelscheune hatte man 155 000 Stück Mauersteine zum Verkauf. Die Kanne Rheinwein verkaufte man für 2 Gr. 1 Gr. 11 Pf. und 1 Gr. 10 Pf. Frankenwein für 1 Gr. 4 Pf. und Kötzschberger [Kötzschenbrodaer] für 6 bis 10 Pf. In die Ratsbibliothek ward das Dictonarium Alberici de Rohate für 59 Gr. angekauft. An Nicolaus von Rotschütz, des Amtmannes, Stelle kam Valentin Kirchhof.


1544

Valentin Dietrich, aus Knauthain, stahl dem hiesigen Bürger Anton Peititz einen Wetzschger mit 12 Gülden, und ward nach eingeholtem Schöppenurteil am 4. März mit dem Strange hingerichtet. Die Visitatoren, welche bei Einrichtung des Gotteskastens fanden, dass der angefangene Bau der Frauenkirche wegen Geringhaltigkeit ihres Vermögens nicht fortgesetzt werden könne, schlugen die 2 Schock 21 Gr. jährlicher Einkünfte derselben dem Gotteskasten zu und überließen dem Rate, zu welchem Zwecke er das unvollendete Gebäude verwenden wollte. Dieser gedachte, den fertigen Chor für Leichenbegängnisse zu erhalten, das unvollendete Schiff notdürftig aufzubauen, mit Boden zu versehen und zu einem Vorrats- oder Schütthause einzurichten, die beiden Glocken aber in der Stadt zu Seigerglocken zu verwenden, was denn auch hinsichtlich dieser ausgeführt ward. Man brachte den Seiger der Stadtkirche, welcher sich bisher bei den Glocken befand und die Stunden an der großen Glocke angab, ein Stück höher, nahm den. alten entbehrlichen Turm in der Mitte des Kirchendaches weg und benutzte das taugliche Material zu dem Erker, in den man die von der Frauenkirche genommene größere Glocke als Seigerschelle hing. Ein altes entbehrliches Salveglöckchen der Stadtkirche diente zu dem Viertelstundenschlage und am Petri-Pauli-Tage, mittags 12 Uhr, hörte man sie zum ersten Male. Zu gleicher Zeit richtete man auch den mitternächtlichen Erker des breiten, oder Hausmannsturmes zu Aufnahme der zweiten Glocke der Frauenkirche ein, und wies den Hausmann [Türmet] an, den Hammer alle Stunden gegen die gehende Uhr auf dem Kirchturme zu ziehen, und die Schläge gegeneinander zu zählen, für welches besondere Geschäft man ihm wöchentlich 2 Gr. gab. Auch diese Glocke schlug am Petri-Paul-Tage zum ersten Male, und bezahlte die Kirche die Abtragung des alten Turmes, und die bessere Einrichtung des oberen Stocks, der Rat aber den Bau des Erkers und die Aufstellung des Uhrwerkes, welches durch den Meister Martin Berndt geschah. An dem Zifferblatte ward bei dieser Gelegenheit des Fürsten Wappen angebracht, welches man in Leipzig malen ließ. Der Jahrmarkt Petri Pauli war übrigens wegen heftigen Regens, welcher die Krämer am Auslegen hinderte, weniger besucht .und einträglich. Der Stadt Delitzsch waren in des Herzoges Neuer Landesordnung [vom 21. Mai, montags nach Trinitatis] vorigen Jahres in der neu einzurichtenden Fürstenschule Merseburg drei Stellen angewiesen, und der Rät meldete die Namen der gewählten Knaben in der bestimmten Zeit. Er erhielt aber, weil man mit Anrichtung der Merseburger Schule anstand.' die Weisung, dass die gemeldeten Knaben anfangs des Augusts dieses Jahres nach Pforte gebracht werden sollten und erbrachte sie am 1. August dahin. Diese drei Schüler waren Georg Fischer, Johann Fischer, [später Rektor hiesiger Schule, Stadtschreiber, Ratsherr und Bürgermeister] und Marcus Heise [später Diakon in Zerbst]. Der Heiligbrunnen wurde im August durch den Meister Blasius Richter auf Rost und Steinwacken gemauert und gewölbt. Am 10. Oktober kaufte der Rat von den Vormündern der Kinder des ehemaligen Amtmannes Hans v. Pak, Bernhard v. Hirsfeld auf Otterwisch und Ehrenfried v. Ende auf Khoyn, den Sadelhof mit der daran liegenden wüsten Badstube von dem vormaligen Besitzer Dr. Johann v. Pak, die Doctorei genannt, mit dem dritten Teile des Sichelzolles, vier Haus- und Gartenbesitzungen über der äußersten Hallischen Brücke und mehreren lehn- und zinsbaren Grundstücken zwischen der Stadt und Gertitz, Gertitz-Kertitz-Robitz-Weeissig Mark, auch zwei Wiesen und 21 Höfen in Schweissa, Freimannlehn und Gerichtsbarkeit über das Ganze für 1250 Gülden, oder 437 Schock 30 Gr. Er borgte das meiste hierzu von Bürgern, doch nur auf kurze Zeit. Der Sichelzoll war eine Abgabe, der auf dem Jahrmarkte Petri Pauli mit Sicheln feilhaltenden Krämer und gehörte früher dem Rittergute Döbernitz allein, später diesem Rittergute und dem Besitzer des Sadelhofes gemeinschaftlich, jenem zu zwei Teilen, diesem zu einem. Jeder Krämer hatte eine Sichel abzugeben, eine jetzt freilich geringfügige Abgabe, die aber in der Vorzeit [Mittelalter], wo man auch das Getreide mit Sicheln schnitt, die Städte umher keine Märkte hatten, von hier aus also eine weite Umgegend damit versehen ward, nicht unerheblich war. Die Krämer, meistens böhmische und gebirgische Zwischenhändler, befriedigten auch von hier aus das Salzbedürfnis ihrer Gegend. Jetzt lässet der Rat die wenigen Sicheln durch den Diener erheben und gibt die Hälfte an Döbernitz. Von dieser Abgabe verleitet, hat man behauptet, dass Delitzsch auf einer dem Rittergute Döbernitz gehörigen Wiese erbaut worden sei, dabei aber nicht bedacht, dass den Herren von Welchow [Wöikau] der hiesige Brauzins [S. 1399] dem Rittergute Lemsel der hiesige Salz- und Topfzoll [S. 1488] zustand, wobei an eine Arealbeziehung nicht zu denken ist. Zölle gehörten dem Landesherren, wurden aber oft verpfändet, oft verdienten Vasallen zu Lehn gegeben, was vielleicht auch mit diesem Sichelzolle der Fall gewesen ist. Das Rittergut Döbernitz ist übrigens mit, diesem Zolle nicht besonders beliehen. Schon im Jahre 1440 bildete sich hier eine Gesellschaft von Gelehrten für den Kirchengesang, welche unter dem Namen Korales, Korsenger und Gesellschaft der Gelarten Bürger vorkommt, von 1430 aber als Gesellschaft, innige neue Gesellschaft der Heiligen Dreifaltigkeit, des Heiligen Leichnams und Unserer lieben Frauen urkundlich aufgeführt wird. Die Mitglieder nannten sich auch bezüglich auf die Unterstützung des Meßgottesdienstes, Stabilisten, Constabler und hatten mit dem Altare Trinitatis Zusammenhang. Nach Aufhebung dieses Altares und Auflösung des bisherigen gesellschaftlichen Verbandes in Folge der Reformation traten sie von neuem als Kantorei zusammen und empfingen in diesem Jahre zum ersten Male aus der Kämmereikasse dafür: dass sie an den Sonntagen und anderen Festen durchs Jahr Gott dem Allmächtigen zu Ehrerbietung die Ämter der Heiligen Messe und Vesper durch vier Stimmen gesungen und figurieret haben, 1 Schock 12 Groschen Verehrung. Da sich der Besitzer des Lehns Annä, Hermann Hammer in Wurzen weigerte, dem Kastenherren die Register des Lehms mitzuteilen, so hielt der Rat. das Schock, welcher er an diesen Altar jährlich zu geben hatte, zurück. Ein Wagenknecht des Rates ertrank in Halle. Man verkümmerte zum Verdruss das Geschirr und hielt die herrschaftliche Salzfuhre zur Ungebühr auf. Für Betreibung des Handwerks zahlte ein Schneider in Werbelin jährlich 3 Groschen und ein. anderer in Zwochau, ebensoviel an den Rat. Mit Hans Weisen in Werbelin starben die letzten beschwerlichen Leibzinsen ab. Der Böttcher Benedict Dauer, in der Neustadt, schuldete dem Rate für Ziegel 2 Schocke 48 Gr. und überließ dafür einen silbernen Becher 14 Lote am Gewicht. Auch kaufte der Rat eine deutsche Übersetzung des Josephus für 52 Gr. 6 Pf. in die Bibliothek. Der Hundeschläger, welcher 30 Hunde mit der Schlinge fing und tötete, erhielt 10 Gr. Die Ziegelscheune lieferte 111700 Mauerziegel.


1545

Die Herzogin Mutter mit Gefolge übernachtete hier am 3. Februar auf ihrer Reise nach Lauenburg; der Rat verehrte ein Fass Wein und ein Fass Torgauisches Bier. Die 8 Gülden Zinsen, welche der Rat am Tage Mariä Reinigung an das Nonnenkloster St. Georg in Leipzig zu entrichten hatte, kamen von nun an auf herzoglichen Befehl an die Collegiaten im Pauler Kloster daselbst. Der Rat wird mit den, im vorigen Jahre von den Erben des Amtmannes Hans v. Pak erkauften Gütern in der Stadt und Umgegend am 4. Juni beliehen. Diese Lehnware von 100 Gülden 5, betrug 28 Schock, und 40 Schock erhielt die Kanzlei. Den 10. Juni hatten die Schützen mit Handrohren und halben Haken ein Mann- oder Türkenschießen, und gab ihnen der Rat ein Hosentuch. Auch war ein gemeines Gesellenschießen, an welchem die Schützen der umliegenden Städte teilnahmen. Auf einem Ausschußtage bewilligte man die Steuer zum Baue etlicher Festungen, welche man schon 1537 dem Hezoge Georg zugesagt, doch, weil der Bau unterblieb, nicht gegeben hatte, und sie ward daher den 17. Juni ausgeschrieben. Sie betrug vom Schocke Vermögen 2 Pfennige jährlich, war auf acht Jahre berechnet und nahm Lichtmeß 1546 ihren Anfang. Die Geistlichkeit war steuerpflichtig, die Ritterschaft aber in Ansehung, dass sie mit der Bürde des Ritterdienstes beladen, frei. Der Pakische Sadelhof bestand aus 2 Häusern. Der Rat verkaufte in diesem Jahre das nach der Neustadt zu gelegene [Nr. 211] an Joseph Homay für 450, das vordere, [Nr. 210] an den Kantor Wolfgang Faust für 500 Gülden, mit 30 Groschen jährlichen Schosses, und gab beiden die Braugerechtigkeit. Auf den Platz der mit erkauften wüsten Badstube, welchen er teilte, bauete er ein Haus und verkaufte es an Lorenz Klingenstein [Nr. 208] für 110 Gülden, den übrigen abgeteilten Raum aber an Stephan Kothe, welcher ihn auch mit einem Hause [Nr. 207] besetzte, denen jedoch das Braurecht versagt ward. Nachdem der Herzog (Moritz wegen der Fehde gegen Herzog Heinrich von Braunschweig) das hiesige Geschütz und die Bewaffnung der Bürgerschaft durch Waffenverständige untersuchen, und dem Rate Bereitschaft ansagen lassen, kam den 27. September Befehl, 50 taugliche und bewaffnete Männer den 4. Oktober nach Denstädt zu senden, welche denn auch am Michaelistage von hier abzogen und drei Wochen außen blieben. Unter ihnen war auch der Bürger und Organist George Spange und jeder empfing beim Abgange einen Gülden auf die Hand. Zu diesem Braunschweigschen Heereszuge kaufte der Rat 30 halbe Nürnbergsche Haken nach der Hispanier Art für 19 Schock. Die Kirche besaß eine halbe Hufe auf Elberitz, welche auf den Vorschlag der dreien Räte für 17 1/2 Schock verkauft wurde. Der Altar in der Stadtkirche ward abgebrochen und neu gemauert. Durch letztwillige Verfügung der Katharina Bun erhielt die Kirche 2 Schock, 200 Gülden aber, überhaupt zu wohltätigen Zwecken bestimmt, wurden auf Zins getan und später zur Errichtung der Jungfrauenschule verwendet. Der Kantorei verehrte man auch in diesem Jahre 1 Schock 12 Gr. „Dass sie Gott dem Allmächtigen zu Ehrerbietung an hohen Festen auch etlichen Sonntagen die Ämter der Messe und Vesper figurieren und zierlich singen helfen, dadurch die Jugend in Übung gehalten und dieselbe Kunst förderlich fassen mögen." Auch die Kirche setzte ihnen für das künftige Jahr etwas Gewisses aus. Das Stipendium hatten Erasmus Schmidt und Benedict Moller, Sohn des Bürgermeisters Faul Moller, welcher in Wittenberg studierte aber vor dem Eintritte des zweiten Zahlungstermins daselbst starb. Die Ziegelscheune lieferte 112 300 Mauer- und Dachsteine, davon 12 000 zu dem Baue des Turmes am Galgtore, der Basteien, des Hallischen Tores und der Garküche. Über den diesjährigen Reichstag in Worms und Herzogs Heinrich von Braunschweig Unternehmungen hat der Stadtschreiber Költzsch auf zwei verschiedenen Vorstoßblättern zu Rechnungen (einiges) niedergeschrieben.


1546

Mit dem Anfange des Jahres entstand Teuerung des Getreides, die sich bis zur Ernte erhielt. Der Scheffel Weizen und Roggen galt 15, Gerste und Hafer 9 Groschen. Nach der Ernte fiel zwar Weizen und Roggen, die Gerste aber, weil sie meistens verdarb, hielt sich im Preise. Den 16. Februar führten die Schullehrer mit den Schülern, zu Förderung; der Jugend und gemeiner Stadt Ehre, die Hecyra des Terenz auf dem Rathause auf und der Rat gab ihnen für einen Taler Wein Verehrung. Am 18. Februar, früh gegen drei Uhr, starb Dr. Luther in Eisleben. Es war der Tag Concordiä, der Eintracht, die mit ihm entschlief, „Cum Sancto cecidit Concordia santa Luthero." Sein Leichnam stand am 21. d. Mon. um Mittagszeit in der Kirche zu Bitterfeld, wo ihn die churfürstlichen Kommissarien übernahmen, und gingen von hier viele Bürger dahin. In der Osterwoche, Ostern fiel aber in diesem Jahre auf den spätesten Tag, den 25. April, waren wegen der Grenzstreitigkeit bei der Planke und dem Zaune am Schloßgraben zwischen Spiegel dem Amtmanne und Rate, herzogliche Räte hier. Der von Crostewitz auf Lemsel wollte eine Schenkstätte in Pohritzsch anlegen, welchem aber vom Rate bei dem Herzoge mit Erfolge widersprochen ward. Die Frauenkirche„ welche ohne Dach war, sollte auf Betrieb des Amtmannes abgebrochen werden, der Rat erbat sich aber vom Herzoge die Bedachung. Der Herzog schenkte einiges Holz zum Gespärr, der Rat die Steine, der Giebel nach Abend zu blieb offen. Am Johannistage, den 24. Juni forderte der Herzog zur Bewaffnung (im. Schmalkaldischen Krieg) auf, und stellte die Stadt 58 gerüstete Bürger. Das Heer zog sich in den oberen [Berg] Städten zusammen, und ward von der Schutz- und Landsteuer besoldet, die man auf dem Landtage in Chemnitz bewilligte. Den 12. Juli war ein Landtag in Chemnitz, an welchem drei Mitglieder hiesiger Stadt teilnahmen und sieben Tage außen blieben. Man bewilligte die Schutz- und Landsteuer, vom Schocke des Vermögens vier Pfennige, und betrug ein Pfennig vom Schocke 118 Taler, summarisch von hiesiger Stadt. Auf Befehl des Herzoges sollten am 2. September die Kleinodien der Kirchen an Monstranzen, Kreuzen, Kelchen, Pacifikalien an den Rat zu Leipzig zu getreuer Hand abgeliefert werden. Die Masse zu überliefernden Silbers betrug 50 Pfund 221/2 Lot, außer den zum Gebrauch nötigen Heiligen Gefäßen, und eines Antipendii von ungefähr drei Pfunden, welches man zu dem vorhandenen Orgelbaue verwenden wollte. Der Rat in Leipzig nahm aber diese Gefäße nicht an, und musste sie also der Rat in eigenem Verwahrsam behalten. Auf (dem Landtage in Freiberg, am 7. Oktober) ward auch eine Trank-Steuer verwilliget und in einem gedruckten Befehle, Dresden, den 25. Oktober, ausgeschrieben. Vom Eimer Wein des Inlandes musste 5, vom Rheinischen, Franken- und anderen fremden Weinen 10, von einem Fasse Bier zu 6 Eimern 24 Groschen, zu 5 Eimern 20 Groschen gegeben werden, wo denn bei dem Biere auf die Kanne ein Pfennig kam. Diesem Ausschreiben lag ein gedruckter Zettel bei, nach welchem der ungefähre Betrag dieser Steuer auf drei Monate vom Rate verleget, und binnen 14 Tagen nach Leipzig an dasigen Rat eingesendet werden sollte, welcher denn auch diesen Vorschuss in genannter Frist mit 700 Gülden, zu 21 Gr., wirklich ablegte. Man hat bei dem Coadiutor in Merseburg um die Einkünfte des Lehns Martini, welche zum Kirchenvermögen geschlagen waren, aber vom Amtmanne in Anspruch genommen wurden. Drei Falkonetlein befanden sich auf dem breiten Turme. Hinter der Pfarre wurden drei Türme gebaut, und der Hallische Turm von Margarethä an mit Wächtern besetzt, weil viel Kriegsvolk zu Ross und Fuß vorüberzog. Der Rat musste auf Befehl des Herzoges Hafer in die verschiedenen Lager bei Halle, Kemberg, Hainichen und Torgau fahren, und erhielt für den Scheffel, der 9 Groschen galt, nur 5 Groschen. Von seinem eigenen Getreide verfuhr er 280 Scheffel um diesen Preis. Auch verkaufte er an die Bürger 746 Scheffel Roggen um einen geringeren Wert. Das Getreide lag auf dem Boden des Rathauses und in der Terminei. Von Gemeinde-Gütern verkaufte man in diesem Jähre den Garten, Schebendamm genannt, rechts des Kohltores auf Wiederkauf an Matthäus Gorre für 20 Gülden 15 Gr., den großen Garten bei der Mühle zu Elberitz für 60 Gülden, und 50 Groschen jährlichen Zins an Nicolaus Krumholz, den kleinen Garten daselbst aber an Paul Hintzsche für 8 Schocke mit Vorbehalt 25 Groschen jährlichen Zinses. Auch überließ man Marcus Burgmannen einen Raum neben seinem Garten bei der Vogelstange, von der Ecksäule der Störenthalischen Scheune gleich durch bis zur Gartenecke gegen die Vogelstange, für ein Schock 20 Gr. Er gab von seiner bisherigen Besitzung jährlich 8 Groschen Erbzins, und legte man ihm zwar wegen dieses Raumes noch einen Groschen zu, er löste ihn aber in diesem Jahre noch mit 30 Groschen wieder ab. Der Kantor Wolfgang Faust starb und der in Leipzig studierende Erasmus Schmidt, des Rates Stipendiat, trat in sein Amt. Das in der Kirche gesammelte Almosen [was in den Sack gefallen war] betrug 10 1 Schock und ward mit einem Male [von Stund an] nach abgehaltener Rechnung in der Leichenhalle unter die Armen verteilt. Ein steinernes Scheffel- und ein dergleichen Viertel-Maß, in Halle für 3 Schock gefertigt, ward unter dem Rathauge aufgestellt. In den letzten Wochen des Jahres schickte der Rat wegen Annäherung des kurfürstlichen Heeres viele Boten nach Zörbig, Halle, Querfurt, Wittenberg, Torgau ... um zu erfahren, wie man sich bei Aufforderungen zu benehmen habe. Auch war Heerschau, man beschaffte 6850 große, eiserne Kugeln, Spieße, Hellebarden, brachte acht Falkonetlein auf die Türme und hielt die Tore stark besetzt.


1547

Am Neuen Jahres Tage, abends, besetzte der Kurfürst, welcher einen schnellen Rückzug nach Thüringen getan, und die Städte Salza, Tennstädt, Weissensee, Sangerhausen, Naumburg, Jena, Weimar und andere, die am Striche lagen, genommen hatte, die Stadt Halle, und am dritten Tage nachher hiesigen Ort. Am 6. Januar war er in eigener Person hier und nahm die Huldigung. An den Toren und in den Ratsdörfern schlug man 7 Salveguarde Tafeln mit Wappen an, und kostete die Auslösung der Söldner, für Mehl, Getränke, Futter in den Herbergen dem Rate 67 Schock. Das Hauptheer zog von Halle über Schkeuditz nach Leipzig, aus dem sich Herzog Moritz entfernte,- und der Bürgerschaft ohngefähr 10 Fähnlein zur Besatzung und Verteidigung hinterließ. Die Grimmaische, Hallische und Ranstädter Vorstadt brannte man mit einem auf 30 000 Gülden geschätzten Verluste nieder: Der Rat schafft 83 Scheffel Hafer in das Lager zur Eiche. Am B. Januar schickte der Kurfürst Hansen von Sebach und den Sekretär Florian Schade mit Commissoriale Datum Aiche sonnabends den B. Januar, welche der Kirche Kleinode abforderten. Auch kam in ihrer Anwesenheit folgender Befehl: „Lieben getrewen, Nachdeme Wir itzo vnsere Beuelhabere zu Einbringung der Steur zu Delitzsch haben, So begern wir Ir wollet ewere und ewer Bürger gutere dem Werth nach und vom Hundert zehn Gülden zu geben, wir Ir denn von Inen vornehmen werdet, vor steuern, Inen auch ewer des Rats barschafft und Silbergeschirre zustellen und volgen lassen, und das nicht anders halten, daran thut Ir vnsere meynung, Datum Kleberg Montags nach Trium Regum Anno ... XLVII." Hierauf erbot sich zwar der Rat für die Steuer 1000 Gülden überhaupt zu geben, dieses Anerbieten ward aber vom Kurfürsten ... nicht angenommen. Der Rat lieferte nun seinen Kassenbestand, 600 Gülden, auch das Silbergeschirr ab und borgte 500 Gülden, als: 200 Fl. von der Kirche, 200 Fl. vom Hospitale und 100 Fl. aus der Catharine Bun Stiftung, zur Erleichterung der Steuer für die Bürgerschaft. Den 27. Januar verlangte der Kurfürst 80 ledige Wagenpferde mit Kumten und Sielen, Tages darauf, drei Stunden vor Tage, nach Euderitzsch auf zwei Tage. Auf einem diesem Befehle beiliegenden Zettel ward zugleich die Zufuhre von Proviant und anderen Dingen nach Leipzig auf das Strengste untersagt. Der Sohn des hier lebenden, vormaligen Geleitsmannes, auch Ratsherren Hans Ruthard, Nicolaus Ruthard, war der Partei des Kurfürsten ergeben, der hiesige Amtmann Valentin Kirchhof aber hielt es mit dem Herzog Moritz, und war zwar nicht selbst da, wirkte aber durch seine Ehefrau. Ruthard diente dem Kurfürsten mit mehreren Pferden, verriet vielleicht auch manches, was Herzog Moritzens Anhänger, namentlich des Amtmannes Weib, den kurfürstlichen zwei Befehlshabern hiesigen Schlosses zu entziehen suchte, daher er denn, als er nach des Kurfürsten unglücklicher Schlacht hierher zu seinem Vater kam, vom Amtmanne ergriffen, und nach kurzem Prozesse am 20. Mai, an einer Eiche seines Vaters Wiese, der sogenannten Eckereiche aufgehängt wurde. Am Sonntage Oculi schrieb der Kurfürst aus dem Lager zu Geiten eine zweite Steuer, von 1,00 Gülden Abschätzung 10 Gülden, aus. Der Stadtschreiber bemerkte aber bei der Publikations-Registratur, dass durch diese Steuer [von welcher jedoch nur der erste Termin entrichtet worden ist] das Volk sehr geschwächt und arm gemacht worden sei. Weil auch des Verbotes ungeachtet Leipzig mit Lebensmitteln und Bier. versehen wurde, so befahl der Kurfürst den 16. Mai, dass den Krügern und Fuhrleuten kein Bier verkaufet werden solle, sie brächten denn aus den Städten oder Dörfern, woher sie kämen, Bekenntnisse, dass das Bier an dieselben Orte geführt und ausgeschenkt werden solle, auch solle der Rat diejenigen Krüger, welche vorher Bier nach Leipzig geschafft, bei ihrem -Wiedererscheinen in Delitzsch sogleich gefänglich einziehen - schärfte aber dieses Verbot 2 Tage nachher (mit Befehl). Diese strenge Verordnung war der Stadt, weil sie die Brauerei auf die verarmte Stadt beschränkte und die Dörfer mit ihrem Bedarfe nach anderen Städten nötigte, sehr beschwerlich. Die Stadt musste auch auf kurfürstlichen Befehl den 27. März, den Heerwagen, mit dem sie zu dienen schuldig, mit Zehrung auf einen Monat ins Lager schicken. Vom Kurfürsten selbst war dieses der letzte Befehl, vom kurfürstlichen Befehlshaber auf der Moritzburg in Halle kam aber am 9. April durch Nicolaus Ruthard eine Ordre an den Rat, dass er des Amtmannes Valentin Kirchhofs Weibe im Namen des Kurfürsten bekannt machen solle, sich mit ihrer Köchin bei Sonnenschein des Rates Weichbildes zu äußern, die zwar der Rat, nicht aber die zu Verweisende befolgte, welche erklärte, dass sie sich bisher den kurfürstlichen Befehlen gemäß -betragen habe, und nicht weichen würde, bis sie kurfürstlichen Befehl sehe, weil es ihr scheine, als der Befehl Ruthards Erfindung sei. Der Rat berichtete diese Erklärung am 10. April nach Halle und erhielt sogleich von dem Kommandanten Erasmus v. Könneritz diese Antwort: (der Rat der Stadt Delitzsch solle dem Weibe mit Ernst untersagen, weiter solche Händel, daraus dem Kurfürsten Nachteile entstehen, unterlassen; auch soll sie ihre Haushaltung anders als bisher geschehen anstellen). Am 12. April geriet des Rates Diener Erasmus Brode, als er in Blasius Richters Hause, abends zwischen 9 und 10 Uhr, die Biergäste auseinander gehen lassen sollte, mit dem Beckenknechte Valentin Starke aus Drebligar, bei Dommitzsch, in Streit und ward von diesem mit seinem Gewehr in den Kopf, die Schulter und in die Faust über dem Daumen tödlich verwundet. Er starb tags darauf, Starke aber erhielt im Tumulte ebenfalls eine Wunde, man wusste nicht von wem, in den linken Schenkel, zwischen dem Knie und Geschöße, an der er an der Stelle blieb. Sie wurden in Gegenwart beider Teile Freundschaft, freitags in der Osterwoche zur Erde bestattet und in ein Grab gelegt. Den 20. April ward die Stadt durch des Herzoges Moritz Kriegsvolk zur Übergabe aufgefordert, und vier Ratsherren mit vier Viertelsherren leisteten am folgenden Tage dem Herzoge in Leipzig den Huldigungseid. In dieser Woche, nach Quasimadogeniti, erhing sich der Schirrmeister Valentin Troitzschens und Johann Bendorfens Eheweib, welche des Scharfrichters Knecht abschnitt und heimlich begrub. Den 24. April wurde der Kurfürst Johann Friedrich vom kurfürstlichen Heere von Mühlberg aus überfallen und auf dem Rückzuge nach Wittenberg in der Lochauer Haide gefangen. Der Herzog Moritz hielt an diesem Tage in Mühlberg und gab am 25. April aus dem Feldlager bei Mühlberg hiesigem Rate Befehl, das Lager des Kaisers eiligst mit Proviant zu versehen, mit der Bemerkung, dass für die Sicherheit des Transports hinlänglich gesorgt sei. Am 19. Mai ward die Wittenbergische Kapitulation geschrieben und festgesetzt, welcher Länderteil den Söhnen des Kurfürsten gelassen werden sollte. Sie wurde an diesem Tage vom Kaiser und dem gefangenen Kurfürsten, von Herzog Moritz aber am 23. desselben Monats vollzogen. In einer Verordnung, Leipzig, den 27. Mai, befahl der Herzog hiesigem Rate, dem Kaiser zu seinem ferneren Zuge 60 starke Schanzgräber aus dem Amte und 45 aus der Stadt mit Rottmeistern und einem Hauptmanne unverzüglich nach Acken (Aken) zu schicken, und ward dem Hauptmanne täglich 6, dem Rottmeister 4 und den Schanzer 3 Groschen zugesichert. Mehrere gingen darauf in der Pfingstwoche ab, die übrigen aber wurden in der Verordnung (vom 5. Juni) an den Amtmann abgeschrieben. An demselben Tage brach das kaiserliche Heer von Wittenberg auf, und vom 6. Juni an flüchteten viele Bürger aus den nächsten Städten und viel Landvolk mit Vieh und Geräte hierher, denen der Rat den Kirchhof Unserer lieben Frauen überließ und Aufseher gab. Der Rat erhielt nun zwar Salveguarde und Tafeln mit dem kaiserlichen Wappen, es kam aber dem ungeachtet zu Exzessen mit dien abschweifenden Spaniern. Der Hausmann [Musikus und Türmer] wurde, als er einen nahenden Reiterschwarm mit der Trompete signalisierte, geschossen, mehrere Bürger fanden im Freien ihren Tod, auch starben viele von den. Spaniern verwundete Bauern, die man fliehend in hiesiges Hospital gebracht und den Wundärzten überlassen hatte. Doch blieben auch Spanier, die man auf kurfürstlichen Befehl nach Halle schaffen musste. Am B. Juni waren Abgeordnete des Rates bei dem Kaiser in Bitterfeld, der sie dahin beschieden hatte. Trabanten des Herzoges Alba und des Feldhauptmannes Hans Schnabel begleiteten sie, und wiesen die streifenden Spanier von hiesiger Stadt. Durch des Feldhauptmannes Schnabel Diener wurden sie gut bewirtet und mit allen Bedürfnissen reichlich und unentgeltlich versehen. Sie gaben aber den Trabanten ein Geschenk von 6 Talern, den Diener des Schnabel einen Taler und schickten dem Hauptmanne selbst einen halben Eimer Rheinischen und einen halben Eimer Landwein Verehrung. Zwei Tage nachher traf der Kurfürst Moritz ein und verehrte man ihm ein Fass Torgauisches und ein Fass Delitzscher Bier. Der Markt, sonnabends von Invocavit, brachte in diesem Jahre nur wenig Stättegeld und auch der Jahrmarkt Petri Pauli war nicht besucht. Der Blitz zündete Hans Schützers Scheune, das Feuer ward aber in diesem Gebäude gehalten und gelöscht. Auf Bitte der Landstände kam endlich anfangs des August das Kriegsvolk, auch hiesiger Stadt, zurück. Am 13. Juli war der untern; 1. des Monats ausgeschriebene Landtag in Leipzig. Der Kurfürst entfernte die Besorgnisse wegen der Religion und die Stände bewilligten die Getränke-Steuer, wie sie im vorigen Jahre zu Freiberg verordnet wurde, auf drei Jahre. Der hiesige Rat musste sie auf ein halbes Jahr voraus bezahlen, auf Befehl, Torgau d. 11. August, in welchem zugleich das Tragen der Büchsen den Bürgern und Landvolke bei Verlust der Büchse und ernstlicher Strafe untersagt wird, auch lieferte er die Kriegssteuer vom Schocke 6 Pfennige, am 24. August in Leipzig ab. Der Amtmann Kirchhof verlangte die von den Visitatoren 1539 dem Gotteskasten zugeschriebenen Einkünfte der Altäre Barbarä und Martini deren Lehnsinhaber, Kandelgießer und Dr. Caspar Borner im Laufe dieses Jahres gestorben waren; sie wurden aber von dem Coadiutor in Merseburg am 19. August, nachdem zwei Ratsherren daselbst die Registratur der Visitatoren vorgelegt hatten, dem Kirchenaerar zugesprochen. Nun wollte sich zwar der Amtmann wenigstens in die Kirchenrechnungen mischen, der Rat verbat sich aber seine Gegenwart, und sie ward ihm untersagt. Zu dem Gerichte, welches man vom Grunde aus neu bauete, brauchte man 26 000 Mauerziegel und erhielten die Maurer, Zimmerleute und Schmiede, welche vom Ältesten bis zum Jüngsten daran arbeiteten, 5 1/2 Schock und Bier. Am 16. Oktober ward das bisherige geladen gewesene Geschütz abgebrannt. Am 19. September starb der Kantor Erasmus Schmidt und der Baccalaureus Ambrosius Rügezelt, der Sohn des hiesigen Bürgers Johann Rügezelt, kam auf Melanchthons Empfehlung an seine Stelle. Auch wurde durch den Abgang des Rektor Thomas Berger, welcher durch den Superintendenten Dr. Pfeffinger das Pfarramt in Zörbig erhielt, wo ihn der hiesige Pfarrer Göre einführte, das Rektorat offen, welches dem in Wittenberg studierenden Mr. Joachim Blum, aus Königshofen, übertragen ward. Das dritte Schulamt, [Baccalaurant] verwaltete Valentin Wolfgang, auch eines hiesigen Bürgers Sohn. Gegen die Placker erschien, Augsburg d. 26. Oktober, des Kurfürsten durchgreifendes Mandat, in welchem hauptsächlich die Tätigkeit der Amtmänner, Amthauptleute, mehr als je in Anspruch genommen wird. Am 2. Dezember starb der gewesene Vikar des Fronleichnamsaltares [Corporis Christi] und Pfarrer in Selben, Petrus Friderici [Fritz], in dem Hause seines Lehns, der nachherigen Archidiacon-Wohnung. Er war aus Dirmstein, einem Flecken des Bistum Worms, gebürtig und seit 1510 hier Vikar des genannten Altares, Pfarrer in Selben und Kalandherr. Am 15. Oktober dieses Jahres errichtete er sein Testament, welches den 8. Dezember eröffnet ward. In diesem Testamente bestimmte er 1 Fl. dem Kurfürsten Moritz, 1 Fl. dem Bischofe zu Merseburg, 1 Fl. der Pfarrkirche in Delitzsch, 1 Fl. dem Pfarrer, 10 Gr. dem Prediger, 10 Gr. dem Diakon Clemens, 30 Fl. d. Testamentsverwesern, 1 Fl. dem Rate zu Delitzsch, 1 Fl. dem Pfarrer in Berndorf Simon Strobart und alle Schuld, 1 Fl. Herrn Nicolaus Letzscher in Delitzsch, 42 Fl. dem Gotteskasten in Delitzsch, 200 Fl. seines Bruders, Antonius Fritz, in Dirmstein Kindern, Petrus und Magdalene, Wernern ausgeschlossen, 100 Fl. dem Hospitale, 100 Fl. der Kirche zu Selben. Von dem übrigen Vermögen sollen 60 Gülden jährlich zu drei Stipendien, jedes zu 20 Gülden gerechnet und auf vier Jahre gegeben werden. Der Stipendiat soll 18 Jahre, ein innerhalb der Mauern geborener Bürgersohn, sein und seine Würdigkeit geprüft werden. Der nach Abrechnung der diese 60 Gülden gewährenden Kapitale etwa bleibende Vermögensbetrag mag von den Testamentarien unter Aufsicht des Rates auf das Treulichste zu göttlichen Werken verwendet werden. Da nun bei Ablegung der Rechnung durch die Verweser sich fand, dass das Vermögen des Erblassers größer sei, als man erwartet hatte, so glaubte man im Sinne desselben zu handeln, wenn man auch diesen Überschuss auf Stipendien verwendete, und so kamen zu den 60 Gülden noch 70, und es entstanden 6 Stipendien, 4 zu 30 und 2 zu 5 Gülden, über welche Friedricische Stiftung nun von den Vorstehern der Kirche mit der Kirchrechnung, jedoch von ihr geschieden, Rechnung geleget ward. Bald nach Einrichtung dieser Stipendien fand sich der Rat bewogen, mit dem von ihm abhängigen Stipendien Fonds der Commende Trinitatis die beiden kleineren Friedericischen Stipendien jenen größeren gleichzustellen, so dass es nun 6 Stipendien, jedes zu 30 Gülden, gab. Sie wurden jährlich mit 130 Gülden von der Kirche, aus der Friedericischen Stiftung, und 50 Gülden vom Rate ausgezahlt. Die Testamentsverweser waren Gregorius Arnoldi, Pfarrherr zu Zwochau, Conrad Nepfel, Pfarrherr zu Zschortau und der hiesige Bürger Johann Berndorf. Der Kirchendiener; Küster, erhielt vierteljährlich aus dem Gotteskasten 52 1/2 Gr. und 1 1/2 Gülden, dass er „loco infimi" die kleinen Knaben instruieret, da der Schulmeister [Rektor] vorgegeben, er wolle noch eine dritte Klasse anrichten, wozu er des Baccalaurii ['Valentin Wolfgangs] bedürfe. An die Kirchen- und Schuldiener überhaupt gab man jährlich aus dem Gotteskasten 106 Schock 2 Groschen. Das Stipendium der Commende hatte in diesem Jahre Thomas Schmidt, der Sohn des Bürgermeisters Johann Schmidt, hier 1521 geboren, welcher von diesem Jahre ab in Leipzig studierte, 1549 daselbst das Baccalaurant der Philosophie erlangte, 1554/55 hier Kantor, 1563 Ratsherr und 1574 Bürgermeister ward. Vater des berühmten Professors 'der Mathematik und griechischen Sprache Mr. Erasmus Schmidt, in Wittenberg. Der Scheffel Roggen galt 6 Groschen. Die Commun hatte jährlich 1 Schock 30 Gr. von der Schademühle und den dahin fließenden Lober zu geben, diese Abgabe behielt aber in diesem Jahre der Rat zurück, weil der Amtmann Kirchhof die 4 Schocke, welche das Amt bisher mit fürstlicher Genehmigung zur Unterhaltung des Hausmannes und Türmers auf dem breiten Turme gab, verringerte. Amtsschösser war Jacob Grundig, geb. in Lengefeld.


1548

In Martin Negels Gerbehause entzündete sich am 2. Januar durch Nachlässigkeit die Lohe und Holzwerk. Die Löschung gelang zwar schnell, der Besitzer aber, welcher zum zweiten Male [s. 1531] eine Vernachlässigung, der Art verschuldete, verbüßte sie mit 3 ½ Schock. Auch fiel Magdeburg den 27. Juli in die Reichsacht, in deren Folge Kriegsvolks hiesiger Stadt vorüberzog, und eine stärkere Wache auf den Türmen und in den Toren nötig ward. Die Verteidigung der Magdeburger erschien gedruckt unter dem Titel. Der von Magdeburgk Ausschreiben. Anno M.D.XLVIII den ersten Augusti. Gedruckt zu Magdeburgk durch Hans Walther. Am Karfreitag den 20. März des nachts stahlen Diebe einen silbernen Kelch aus der Kirche bei Benndorf, welche sie mit einer Pflugschar des Bauers Vogler in Werben erbrochen, die Pflugschar aber zurückgelassen hatten. Die Diebe blieben unentdeckt. Den 22. Mai trafen hier 2 starke Wetter, eins vom Abend, das andere von Mitternacht her mit ungewöhnlichen Regengüssen begleitet zusammen" und zündete der Blitz das Malzhaus der Donat Findeisen, welches aber, durch Anstrengungen der Löschenden erhalten ward. Die Ratsherren Letzscher und Fischer brachten am 29. Mai zwei hiesige Bürgerssöhne nach Pforte. Der Ältere, Christoph Döring, ward später, Pfarrer Iri Brinnis, der Jüngere, Jacob Felgner, Leipziger Magister und Ratsherr im Brisgau. Dem Schneider Dietze in Zaasch erlaubte man, auf Vortrag im Amte, mit der Bedingung, dass er dem Rate die umschweifenden Störer anzeige, den Betrieb seines Handwerks daselbst. Die freie Lehnhufe auf Schweissamark, aus dem von Pakischen Ankaufe, fiel nach Hans Rühls in Zschortau Tode, da er keine Lehnserben hatte, an den Rat, und dieser verkaufte sie für 105 Gülden an Brose in Werben mit voriger Lehnseigenschaft. Der Hutmacher Matthäus Daberstiel schwängerte des abwesenden Valentin Geintzsch Eheweib und verbüßte es mit 10 Schocken. Die von Niemeg, welche im vorjährigen Kriege durch Brand verunglückten, erhielten aus hiesiger Kämmereikasse zum Aufbaue ihrer geistlichen Gebäude als Zulage eine ansehnliche Kollekte in der Stadt, 24 Groschen. Mayer von Hohenossig ward der Stadt abgesagter Feind, und man verwendete seinetwegen auf Kundschafter und Folgebriefe viel Geld. Auf fürstlichen Befehl schaffte man Betten nach Schmiedeberg. 1 Der kleine runde Turm des Hallischen Turmes und die Einkehlen der vier Erker wurden mit Kupfer belegt. Man brauchte zu den alten, 4 Zentner 7 Pfund neue Bleche, am Werte 18 Schocke 29 Groschen und gab dem Schieferdecker für die Arbeit 5 Schocke und 2 Scheffel Korn. Turmdach und Erker waren mit Schiefer, gedeckt. Der Rat verehrte dem Herzoge August bei seiner Vermählung in Torgau, den 7. Oktober, 20 Schocke oder 50 güldene Groschen. Der Stadtschreiber Költzsch hat dabei (weiteres) angemerkt. Vom 21. Dezember bis zum Neujahrstage 1549 war ein Landtag in Leipzig, bei welchem den Ratsabgeordneten der Kantor Ambrosius Rügezelt als Schreiber diente, dem man auch, weil der bisherige Stadtschreiber Költzsch, seit 1536 schon Ratsherr, als nunmehriger Kämmerer, beide Ämter nicht mehr verwalten konnte, wegen seiner Schicklichkeit das Stadtschreiberamt übertrug. Zu der Kantorstelle erhielt der in Wittenberg studierende Balthasar Franz, aus Brodau gebürtig, den Ruf. Das Interim und Bedürfnis der großen Tranksteuer auf vier Jahre war der Hauptgegenstand der ständischen Verhandlungen. Wegen des Interims waren die vorzüglichsten Theologen, Melanchthon, Camerarius, Pfeffinger, George Major, Daniel Grosser u. a. der Beratung zugezogen, und man war einstimmig, dass hinsichtlich der Dogmen, welche die Augsburgische Konfession entscheidend gegen den Katholizismus ausspricht, das Interim schlechterdings abzuweisen sei. In Beziehung auf die Mitteldinge aber war man nachsichtiger, wenn auf keine andere Weise Frieden zu erhalten möglich sei. Die verlangte Steuer zu einem Römerzuge und zu Unterstützung des Königs in Ungarn ward bewilliget. Zu den oben erwähnten 2000 Gülden (Ergänzung der Tranksteuer für 1546 durch kurfürstlichen Befehl vom 16. August 1548) an den Kurfürsten gab der regierende Rat 700, das Gotteshaus Petri und Pauli 200, das Hospital 400, Hans Luppe der Ältere 300 und der alte Rat 400 Gülden, und gingen die 300 Gülden des Luppe 1552 durch Abtretung an das Hospital.


1549

Im Anfange des Jahrs galt der Scheffel Weizen 6 bis 7, Roggen 3 1/2, Gerste 4 und Hafer 3 Groschen. Ein in Jacob Kippolts Miethause am 23. Januar entstandenes Feuer ward sogleich gelöscht. Der alte Gleitsmann des Amtes, nachher hiesiger Ratsherr, Johann Ruthard, dessen Schwiegertochter, Witwe des unglücklichen Sohnes, Nicoiaus Ruthard, sich wieder mit Hans Kempfe, in Coburg verehelichte, verkaufte seine Güter und zog mit ihr. Nicolaus Gorius, aus Sonnewalde, der von Wittenberg aus, wo er studierte, im vorigen Jahre hiesige Freunde besuchte, ward mit der Witwe des Kantors Wolfgang Faust bekannt, verehelichte sich am 19. Februar dieses Jahres mit ihr und übernahm das Faustische Haus auf der Doktorei. Die Schullehrer und andere Mitglieder der Kantorei führten dem Rate zu Ehren und der Gemeinde zu Nutz am Fastnachtstage die Comödie vom verlorenen Sohne, deutsch, auf und erhielten vom Rate Wein zur Verehrung. Auf den eigenhändig unterschriebenen Befehl des Kurfürsten, Torgau den 29. März, musste in der Osterwoche das Stadtgeschütz, auch die große Büchse, welche auf dem breiten Turme stand, mit einem Zentner Pulver abgeliefert werden. Es ist keine Nachricht da, dass dieses, 1541 in Freiberg größtenteils umgegossene Geschütz der Stadt zurückgegeben oder vergütet worden sei. Am 10. April starb Valentin Stock, Ratsherr seit 1523 und von 1536 an Bürgermeister, und am 10. August Johann Winter, Ratsherr seit 1514, dessen Witwe man, weil er im Rate sehr tätig und nützlich gewesen, das Heergeräte unentgeltlich überließ. Der Kantor Balthasar Franz verheiratete sich mit der begüterten Witwe des Valentin Treintzsch, Ursula, am 27. Mai, und am 18. Juni der Stadtschreiber Rügezelt mit Elisabeth, Peter Zschautschens nachgelassener Tochter, dem der Rat am Hochzeitstage einen Eimer Rheinwein und zwei Fässer Torgauisches Bier zum Geschenk gab. Demselben überließ man zur Benutzung die kleine Wiese der Gesellschaft des Heiligen Nicolaus, oder der Elenden, am Damme, weil er die Rechnung derselben führte, und sie behielt seitdem den Namen Stadtschreiberwieschen. Diese Gesellschaft, welche aus wenig Personen mehr als den beiden Vorstehern bestand, hatte die Aufsicht auf Wegebesserung und die Sorge für Fremde, die ohne Mittel hier erkrankt sind. Ihr Fonds war Geld, Geflügel und Steine, welche die Dorfgemeinden für die Befreiung vom Pflastergeleite jährlich zu entrichten hatten. Auch mussten auf fürstlichen Befehl in den Gasthäusern Tafeln aufgehängt und darauf der Wert der Speisen geschrieben werden. Der Bürger Valentin Schuster in der Vorstadt wurde mit der Ehefrau des Windmüllers Nicolaus Siegel auf dem Frauenkirchhofe im Ehebruch begriffen, und klagte zwar Siegel gegen Schuster auf Notzüchtigung, beide gestanden aber gegenseitige Einwilligung und mehrmalige Wiederholung der Tat. Auf Vorbitte mehrerer von Adel und hiesigen Amtmannes auch Berichterstattung, bewendete es bei Staupenschlag und ihrer Verweisung aus den Gerichten des Amtes und der Stadt. Sämtliches Gemäß der Bürger wurde nach dem kupfernen Probegemäße mit Zuziehung zweier Böttchermeister geeicht, und dem richtigen des Rates Zeichen [ein Löwe mit dem Buchstaben D und der Jahreszahl 1549] eingebrannt, alles Unrichtige aber zerschlagen, und der Gebrauch des ungezeichneten bei harter Strafe verboten. Zu gleicher Zeit ward am Rathause eine eiserne Elle aufgehängt. Man erlaubte einem Schneider in Werbelin den Handwerksbetrieb daselbst unter der Bedingung, dass er hiesiger Bürger sei. Der Rektor Mr. Blum züchtigte am 13. November einen Knaben der ersten Klasse, Valentin Barth, den Sohn des Gerbers Lambrecht Barth, so hart, dass er am 25. desselben Monats gerade an dem Tage starb, als Blum mit Walpurgis, Matthias Schneubers nachgelassener Tochter Hochzeit hielt. Auf des Vaters Klage musste Blum in den Gehorsam gehen und erhielt Tages darauf seinen Urlaub. Mit dem Vater vertrug er sich vor Gericht. Seine Stelle erhielt am 15. Januar künftigen Jahres Nicolaus Gorius.


1550

Der Schäfer von Döbernitz hütete am 21. Januar auf Weissigmark. Die Gertitzer pfändeten die ganze Herde und trieben sie auf das Amt. Die Sache ward vertragen und festgesetzt, dass der Schäfer bei jedesmaliger Übertrift in diese Mark der Strafe eines Viertel Bieres verfallen sei. Zu der Befestigung Wittenbergs mussten vom 25. Januar bis Ostern zehn Wochen lang die Stadtwagen mit einem Aufwande von 5 1/4 Schock gestellet werden. Im Januar wurde eine Hökenordnung entworfen, und unter anderen befohlen, Fische, Heringe und andere Speisen außer mittwochs und freitags bis mittags 12 Uhr auf dem Markte nicht feilzuhalten, sich mit den Waren nicht in das Loch [den Weg vom Markte zur Kirche] zu setzen, und den Weg zu versperren, auch nicht Würfel und Karten zum Verkaufe auszubieten. Die Beutler, Drechsler, Gürtler, Kleinschmiede, Messerschmiede, Nadler, Täschner, Seiler und Sieber trugen darauf an, dass sie in Wochenmärkten von Fremden nicht möchten überzogen werden, besonders aber, dass man den Fremden sonnabends in der Fasten und sonnabends vor dem Pflaumenmarkte feil, zu haben nicht gestatten sollte. Auf den Fastenmarkt ging der Rat nicht ein. Der Vormarkt des Allerheiligen Marktes aber, wie die Wochenmärkte wurden den Fremden, wenn mehr als 3 Handwerker ihrer Art sich in der Stadt vorfanden, untersagt. Zugleich erhob man mit höherer Erlaubnis den ersten Wochenmarkt der Fasten sonnabends vor Invocavit, zu einem allen Krämern, Fremden und Einheimischen, offenen Jahrmarkte. „Die drei Jahrmärkte aber soll man haben, als den Ablass Peter Paul, den Pflaumenmarkt und den ersten Sonnabend in der Fasten." Die Böttcher durften keine anderen Butterhosen, als zu zehn und zwanzig Kannen fertigen, und musste neben ihrem Zeichen auch das des Rates aufgebrannt werden. Dieses Gefäß war im ganzen Osterlande eingeführt, und anderes auf den Märkten nicht gelitten. Caspar Teurbach, Heinrich von Paks auf Döbernitz Schäferknecht hütete in der Spröde zu Schaden, ward gepfändet und mit 8 Groschen gestrafet. Mit Otto von Spiegel auf Badrina aber, der mit seinen Schafen zu Beerendorf im Gebirkicht auf der Vorheide hüten ließ, geriet man nach mehrmaliger fruchtlos gebliebener Pfändung im Prozess. In einem Ausschreiben wegen der Tranksteuer vom 22. März erlaubte der Kurfürst diese Steuer der Bequemlichkeit wegen, unbeschadet der Schriftsässigkeit, an das Amt zu liefern, und ein eingeschlossener Zettel enthielt gegen die Besitzer der Rittergüter das Verbot, neue Brau- und Schenkstätten anzurichten, und die Untertanen widerrechtlich mit Bierzwang zu belegen, bei Verlust der Lehngüter, wörtlich so ausgedrückt: „Wir sind auch bericht, das etliche unserm hiebevor getanem Ausschreiben zuwider, von iren Underthanen die Schenckstedt auskaufft, auch nawe Braw und Schenckstedt, die zuuorn vor alters nicht gewesen, erbrawet, und it gebrawen Bier darauff vorzapfen lassen, Dieweil uns dann solchs mit nichte zu gedulden und nachzugeben, demnach gebieten wir denjhenigen, welche es vorgenommen haben, bei vorlust bey der Lehen, die sie von vns zu Lehen haben, dauon vnuorzüglichen abzustehen, und wollen, das den Schencken darauff frey gelassen werde (soferne die vor alders des Schenckens berechtigt) der nachst vmbliegenden Stedte Bier zu schenken vnd zu uorzapffen, Datum..." Am 24. April ließ der Rat durch verpflichtete Förster die Wiesen hinter dem Elberitzer Holze ausmessen, und gegen das Holz mit einem Graben von 48 Ruten vermaßen. Der Kurfürst befahl, Salza, d. 28. Mai, sich gefaßt zu machen, 200 Landsknechte auf 12 Monate zu besolden, und die erste Hälfte des Soldes bis Galli, die zweite bis Lichtmeß künftigen Jahres an den Rat zu Leipzig abzuliefern; auf den Fall der Unvermögenheit aber in denselben Fristen 600 Gülden gegen Überlassung der Tranksteuer des künftigen Jahres genanntem Rate zu übergeben: Der Rat verschaffte die 6000 Gülden durch Darlehen und erhöhte zu deren Verzinsung die Gebräudeabgabe so, daß nun vom Gebräude statt 7 Groschen 20 Groschen gegeben ward. Die Darlehen sind in dem Kopiale der Schuldverschreibungen v. J. 1458 ff. aufgeführet. Das Viehtor mit Wendelsteine wurde mit einem Aufwande von 35 000 Mauersteinen neu gebauet, auch an das Hallische Tor kam ein neuer Wendelstein. Der Amtmann Valentin Kirchhof nahm den Raum der von den Visitatoren der Kirche zugeschriebenen Commende Crucis in Beschlag. Rat und Kirchenvorsteher baten deshalb den Coadiutor, Fürsten Georg zu Anhalt, in Merseburg um Verwendung bei dem Kurfürsten, welcher dann in der Rückschrift an den Fürsten hinsichtlich der zum Lehn gehörigen Hufen für die Kirche günstig sprach, bezüglich auf den Raum, oder das Haus des Lehns aber sich die Entscheidung noch vorbehielt. Derselbte Amtmann ließ mit der Amtsschäferei absichtlich oder zufällig den Bürgern oft zu Schaden hüten, und bat man wegen dieser und anderer Beeinträchtigungen um- einen Vorbescheid. Dieser ward am 16. August in Dresden abgehalten, und gelang es durch der kurfürstlichen Statthalter, Georg Commerstadt und Ernst von Miltitz Wohlwollen gegen die Stadt, daß nicht nur die zwischen Amt und Stadt schwebender Streitigkeiten zum Vorteile der Stadt entschieden wurden, sondern die Stadt auch am 21. August die Amtsschäferei gegen 100 Gülden jährliche Erbpachtgeldes in Erbpacht erhielt. Der Amtmann übergab nun am 17. November 343 trächtige Schafe über Winter, 131 alte Hammel, 251 Stück Zeitvieh oder diesjährige Lämmer, in Summe 725 Stück Nosser oder Schafe mit Inbegriff des fünften Teiles des Schäfers. Die Hälfte musste dem Amtmanne mit 80 Schocken bezahlt werden. Mit diesem Erbpachte kam die Wiese bei Grabschütz und der Dübische Werder an den Rat, und übergab der Gleitsmann Caspar Süßmilch ein Verzeichnis der zu behütenden Marken. Die Stadt Schweinitz, welche im Jahre 1547 von den Spaniern ausgeplündert worden, erhielt in diesem Jahre durch Zündung des Blitzes ein großes Brandunglück. Der hiesige Rat legte auf ihr Gesuch um Unterstützung, v. 1. September, den in der Stadt gesammelten Beträgen 1'/s Schock aus der Kämmereikasse bei. In dem Gerberhause des Stephan Rothe brach am 4. September, mittags, durch Verwahrlosung des Gesindes Feuer aus, welches aber sogleich gelöscht ward. Am 1. Oktober starb der Stadtrichter Hans Göre, Vater des hiesigen und Haynischen Pfarrers, Ratsherr seit 1531, dem der Stadtschreiber zum Ruhme wörtlich: ein ganz ehrlicher und frommer Mann, der mit seinem eigenen Schaden und Verderben der Stadt Nutzen Tag und Nacht in seinem Bauamte gesucht und eine Person ausgenommen (er meint den Bürgermeister Költzsch) der gemeine mehr gedienet als die anderen miteinander, welches ihm denn gemeine Stadt niemals genugsam danken, vielweniger belohnen kann; niedergeschrieben hat. Freitags nach Martini, den 14. November, mußte Schanzgeräte nach Zörbig gefahren werden. Auf dem Landtage in Torgau, vom 28. Oktober bis 11. November, beriet sich der Kurfürst, dem vom Kaiser die Exekution der Reichsacht gegen Magdeburg aufgetragen war, mit den Ständen hauptsächlich über die Belagerung dieser Stadt, daneben über eine Münzordnung des Kaisers und Konstitutionen für Polizei und Justiz, die am 12. November bekanntgemacht wurden. Auch bewilligte man auf zwei Jahre eine Steuer 5 Pfennige vom Schock. Die Belagerung der Stadt Magdeburg verursachte, daß sich hiesige Stadt mit neuen Doppelhaken versah und mit einigen die Türme besetzte. Die Stadtgraben wurden geräumt, die Türme mit starker Wache versehen und viel auf Kundschaft verwendet. Zufolge (eines kurfürstlichen) Befehls fuhr man am 10. Dezember mit zwei vierspännigen Wagen Brot ins Lager (vor Salza), Die Bäcker verloren aber außer ihrer Mühe ein Schock 6 Gr. und versäumten sieben Tage. Dem Stipendiaten Thomas Schmidt gab man zu seinem Baccalaureate 4 Schock 22 Groschen, das Stipendium aber erhielt, auf Melanchthons und George Major Empfehlung, der in Wittenberg studierende Donat Kötzschke, später Pfarrer in Lissa, und Georg Kirchhof, Sohn des Ratsherren Ulrich Kirchhof, später Rektor in Zörbig, hiesiger Schullehrer Ratsherr und Bürgermeister. Der Stadtschreiber erhielt einen ländischen schwarzen Reitrock, mit gewichstem schwäbischen Leinwandüberzuge, an Werte 2 Schocke 38 Groschen. Am Petri Pauli Tage, den 29. Junius, schlug und verwundete der Pfarrer in Kyhna und Klitschmar, Johann Wilhelm, den Richter Marcus Raffe aus Schenkenberg, daß er in einem Hause auf dem Damme liegenblieb und am 5. Juli daselbst starb. Auf die Meinung, daß die Wunde nicht an sich, sondern durch Vernachlässigung tödlich geworden sei, und Raffe dieses selbst gegen den Beichtiger, den hiesigen Diakon Winter ausgesprochen haben sollte, vertrugen sich am 12. August die Vormünder der Kinder des Verstorbenen mit dem Pfarrer und gaben für 36 alte Schocke, die dieser zahlte, ihre An- und Zusprüche gegen ihn auf.


1551

Wegen des Krieges vor Magdeburg besetzte man Türme und Tore stark mit Wächtern und jeder Bürger, ohne Unterschied, Hausbesitzer und, Pfahlbürger, mußte dazu 3 1/3 Gr. geben. Man zählte aber der Bürger 229 und betrug die Summe 12 Schocke 43 Gr. 4 Pf. Bisher war der jüngste Ratsherr Schenke und hatte dabei die Einnahme des Zolles und der Waage. Weil aber in der Schenkstube oft Unschicklichkeiten vorfielen, die sich mit der Würde eines Ratsmannes nicht gut vertragen wollten, so beschloß der Rat, diese Ämter einem Bürger, gegen hinlängliche Sicherheit anzuvertrauen. Man wählte und verpflichtete hierzu den angesehenen Bürger Joachim Rapsilber, die Einnahme der Marktpfennige aber behielt man dem jüngsten Ratsmanne vor. Am 19. Februar lieferte man die zweite Hälfte der dem Kurfürsten zugesagten 6000 Gülden, 3000 Gülden an den Rat in Leipzig ab. Am 27. Februar verunglückte die Stadt Bischoffsstein durch Feuer bis auf drei Häuser. Zu der Kollekte, die man in der Stadt sammelte, legte der Rat 36 Groschen. In dem Gerbehause des Lambrecht Barth brach Feuer aus, welches aber schnell gelöscht ward. Von Thilo von Schenkenberg kaufte der Rat sieben Acker Wiese am Furte des Lobers neben der Dörfchenmühle auf Wiederkauf, den Acker für 30 Gülden. Der Nachbesitzer des Rittergutes Schenkenberg, Sigmund von Miltitz, lösete sie aber 1558 für 126 Schocke wieder ein. Derselbe Thilo von Schenkenberg wehrte den Bürgern im Lober bei Benndorf zu fischen, weshalb man mit ihm in Prozeß geriet. Am 20. Juni brannte die Stadt Mittweida durch Unvorsichtigkeit eines Bürgers, welcher in der Nähe seiner mit Stroh gedeckten Scheune einen am Baume hängenden Bienenschwarm mit dampfenden Kohlen einfangen wollte bis auf 60 der geringsten Häuser nieder. Auf die Zuschrift des dasigen Pfarrers schickte hiesiger Rat die Kollekte der Stadt 30 Gülden 16 Gr. und 60 Scheffel Roggen und eine Zulage von 1 Schock 45 Gr. aus der Kämmereikasse dahin. Die Edelleute hatten am Petri Pauli Tage auf dem Rathause ihren Tanz, wobei Luthers Bild durch Bier beschädigt ward. Auch für Freyburg an der Unstrut in Thüringen, welches auch durch Feuer bis auf wenige Häuser verunglückte, ward auf die Bittschrift dasigen Rates eine starke Kollekte, welcher die Kämmereikasse 1 Schock 49 Gr. zulegte, aufgebracht. Den 9. Juli erschien des Kurfürsten und seines Bruders August Verordnung, da ß keiner auf dem Lande, er sei Adliger, Schenkwirt oder Bauer, Fremde herberge, kein Adliger bürgerliche Geschäfte, Handel, Gewerbe, zum Nachteile der Städte treibe, Kretschmar und Handwerker gestatte, bei ernster Strafe, wobei jedoch auch den Stadträten strenge Aufsicht auf Brauerei, Tuchfabrikation, Wirthäuser und fremde Bettler und überhaupt auf Bettelei zur Pflicht gemacht wird. Der Rat erlaubte nun den Armen nicht mehr, Haus für Haus zu bitten, sondern gab Almosen aus der Ratskasse. Auch klagte er in Gemeinschaft mit Eilenburg gegen Löbnitz, wo nach Ansicht beider Städte Brauerei und Schenkwirtschaft gegen die kurfürstliche Verordnung zur Ungebühr getrieben ward. Wegen der Mißernte und eintretenden Mangels ward am 20. August die Ausfuhr des Getreides auf ein Jahr bei Androhung harter Strafe verboten. Den 24. August brannte die Stadt Freyburg in der Pfalz gänzlich nieder. Es verunglückten dabei 82 Menschen, die im Feuer umkamen. Auch ging sämtliches Vieh verloren. Dem Ratsverwandten Wolfgang Täschner und dem Bürger Hans Kürschner übergab man eine Hauskollekte von 7 Gülden und einen angemessenen Betrag aus der Kirchen- und Ratskasse. Da seit einigen Jahren fünf Feuer in Gerbehäusern ausgekommen waren, diese auch wegen des üblen Geruches der Hausgruben der Gesundheit nachteilig schienen, so beschloß der Rat, besorgt gemacht durch das Brandunglück der nur genannten Städte und zur Verhütung ansteckender Krankheit, die Gerbehäuser und Scheunen außerhalb der Stadt auf freie Plätze zu weisen, und bei sämtlichen Wohn- und Nebengebäuden der Stadt und Vorstadt die Bedachung mit Ziegeln anzuordnen. Für Anlegung der Gerbehäuser bestimmte man das vordere Stück des Angers, Schießplatzes, und die Gerber wurden von nun mit der Bedingung, ihre Gerbehäuser auf jenen Platz zu verlegen, beliehen. Der Anbau erfolgte nach und nach und die neun Häuser, welche sich 1566 daselbst befanden, gab der Rat den Besitzern mit dem Vorbehalte, daß nur Gerber Besitzer derselben sein könnten, in Lehn. Anfänglich nannte man sie in Schriften: die Gerberhäuser, später die Gerbergasse und von 1602 ab den Gerberplan. Hans, Viehhirt in Paupitzsch, schlug Bartholomäus Schneiter mit einem Fausthammer an den Kopf, daß er bald in dem Hause des Thomas Kuntzsche, wohin man ihn brachte. starb. Der Abdecker, Jacob Claus, lösete ihm das Leibzeichen, den rechten Daumen, ab. Die Sturmfässer wurden mit kupfernen Reifen belegt, der Steinweg in der Viehgasse und vor dem Viehtore gepflastert. Der Rat kaufte ein künstliches chirurgisches Instrument für 48 Gr. und gab es dem Chirurgen Heinrich Willing. Die Wolle der Schäferei hatte am Gewicht 25 Steine und ward für 20 Schocke 50 Gr., der Stein zu 50 Gr. verkauft. Von 524 gebrauten Bieren betrug die Abgabe zu Deckung der Zinsen der 6000 Gülden 174 Schocke 40 Gr., vom Gebräude 20 Gr. Der Rat beschloß, dem Bürgermeister Balthasar Költzsch, wegen seiner Dienste, die er der Stadt geleistet hatte und täglich leistete, die Wiese hinter dem Gebirkicht erblich zu geben und ihn wegen der gemachten Zubußen und Vorschüsse mit 50 Talern zu entschädigen.


1552

Ehe der Zug [des Kurfürsten gegen Kaiser Karl V.] begann, lagen hier mehrere Obersten des Heeres, verzehrten gegen 160 Gülden und überließen dem Rate die Zahlung. Auch trieb ein eingelegtes Fähnlein Knechte, welches auf Kosten der Stadt unterhalten werden mußte, viel Unfug, gegen welchen Beschwerde an den in Leipzig befindlichen Hauptmann Wolf Wiedemann so wenig als Bericht an den Kurfürsten wirksam war. An den Landtage in Torgau nahm der hiesige Ratsherr mit dem Stadtschreiber Rügezelt teil und bewilligten, die Stände eine Steuer nach 5 Pfennigen vom Schock. Die Epidemie, welche in den letzten Monaten des vorigen Jahres viele hingerafft hatte, war bis Ostern dieses Jahres gemäßigter, nahm aber von da zu und erreichte in dem Herbste einen so hohen Grad, daß die für diese Krankheit angenommenen Totengräber die Toten nicht mehr wegtragen konnten, sondern ein Wagen mit Führer gehalten werden mußte. Dieser machte in der Woche vom il. bis 17. September sieben Fuhren, dann zehn bis vierzehn wöchentlich. Die Krankheit war so schnell tötend, daß ein Eisenkrämer, Erhard Curth, von Wittenberg, der auf hiesigem Markte in der Bude von ihr ergriffen ward, in wenigen Stunden starb. Doch traf sie mehr die Jugend. Die Zahl der Verstorbenen dieses Jahres war 848. Dieselbe Krankheit herrschte in Leipzig und anderen Städten des Landes. Für Zubringung der Bedürfnisse in die angesteckten Häuser waren zwei von dem Rate angestellte Personen tätig, auch mietete man für das kranke Gesinde ein abgesondertes Haus. Zu dieser Krankheitsnot kam noch Teuerung des Getreides. Der Scheffel Roggen stieg bis 15 Groschen, und ließ der Rat den armen Bürgern 7661/2 Scheffel; den Scheffel zu 10 Groschen, aus dem gemeinen Vorrate, und 83 Scheffel wurden vorgestreckt. Der Scheffel Weizen stand mit dem Roggen fast in gleichem Preise, der Scheffel Heidekorn galt 8, Hafer 6, Kleien 31/2 Groschen. Der Rat kaufte zu den 21 Doppelhaken der Stadt noch 18 große und zwei kleine eiserne, jene zu 3 Talern, diese zu 48 Groschen, und die junge Mannschaft übte sich im Gebrauche derselben und der einfachen Haken, damit sie im Falle der Not der Besatzung in Leipzig beitreten könne. Auf einem Ausschußtage in Dresden bewilligte man eine Türkensteuer, 2 Pfennige vom Schock und die große Tranksteuer ferner auf 6 Jahr. Die dem Kurfürsten auf die Tranksteuer voraus gegebenen 6000 Gülden gingen von der Tranksteuer ein, daher die Abgabe, vom Gebräude 20 Groschen, wieder auf 7 Groschen herabgesetzt ward. Mit den bis dahin erhobenen 20 Groschen dieses Jahres bestritt man das Wächtergeld, weil von den meisten durch Teurung und Krankheit geschwächten Bürgern nichts zu erheben war. Die Kreuzkapelle der Kirche ward mit Schiefer umgedeckt, der Rathausturm neu gebaut, mit Kupfer beschlagen und einem vergoldeten Knopf versehen, die Schäferei mit einem Aufwande von 23 Schocken 40 Gr. gebessert, auch ließ man durch den Röhrmeister Simon Schipfel, aus Leukersdorf, den Heiligbrunnen untersuchen, ob er durch Kunst in die Stadt zu leiten sei. Er machte zwar nach Abwägung Hoffnung, daß es mit Hilfe eines Gießrades geschehen könne, der Versuch aber unterblieb. Die Schäferei brachte 73 Steine 17 1/2 Pfund Wolle und hatte der Stein 36 Groschen am Werte. Zur Aufsicht auf die Schafe nahm man einen Flurschützen an, welcher nach den Hufen gelohnt ward und das Pfandgeld empfing. Man erneuerte auch die alte Ordnung, daß der Stadt Güter nur auf bürgerliche Besitzer übergehen durften, auf Grund der Lehnbriefe der Stadt. Dem Stadtschreiber gab man für Abschrift der diesjährigen Landtagsverhandlungen 48 Groschen, und zu seinem Notariate 1 Schock 45 Groschen. An schuldenden Kapitalen zahlte der Rat zurück 200 Gülden, welche die Stadt 1476 von Herrn Wenceslaus Finis erborgt hatte, an die Collegiaten des Paulerklosters in Leipzig 100 Gülden, 1466 aufgenommen, an das Thumstift zu Wurzen, von welchem Kapitale zwar der alte Schuldbrief im Brande der Stadt Wurzen vernichtet, im Jahre 1522 aber wieder erneuert worden war, und 50 Taler oder 20 neue, große Schocke, an den Bürgermeister Balthasar Költzsch. Die älteren Dokumente lauteten zwar auf Rheinische Gülden Gold, sie wurden aber nur in Fürstenmünze, der Gülden zu 21 Groschen gerechnet, verträglich abgezahlt.


1553

Ein Wortstreit, welcher am 31. Januar des Nachts zwischen dem Gleitsmanne des Amtes Caspar Süßmilch, Hans von Hirscheide, einem Reisigen, Andreas Stephan einem Bürgerssohn, Martin, dem Hofmeister in Sielsdorf und den Ratsdienern in den Riemergäßchen entstand, ging-in Tätlichkeit über, wobei der eine Fron, Caspar Döring, tödlich, der zweite, Matthäus Franke, mit einem Stiche in den Schenkel verwundet ward. Der Pfarrer, Magister Göre, verehelichte sich wieder am 6. Februar mit Dorothea, der Tochter des hiesigen Bürgers, Hans Erich, welcher wegen mehrerer Tische Hochzeitsgäste in Anspruch genommen, auf Beschwerde aber von der Strafe befreiet ward. Dietrich von Scheidingen pfändete der Stadtherde, welche auf Kertitzmärk weiden sollte, ein Schaf ab, weshalb man, da die Hutung auf dieser Mark in dem Erbpachtsvertrage über die Amtsschäferei mit begriffen war, Beschwerde führte. Ein Gleiches geschah gegen die Gemeinde Kattersnaundorf, welche mit Gertitz gemeinschaftliche Hutung hatte, und anbrüchige räudige Schafe hielt. Dreißig Hakenschützen gingen von hier zur Besatzung nach Leipzig und erhielten 10 1/2 Schock Handgeld „auf die Faust". Martin Pranz, der Sohn des Bürgers Hans Pranz, kam mit einem Empfehlungsschreiben, -des Rates an den obersten Prädikanten Nicolaus Specht, und Verwalter, nach Pforte, ward 1560 dritter Lehrer an der Schule hiesiger Stadt. Die in den zwei vorigen Jahren der Stadt so gefährlich gewordene Krankheit dauerte zwar bis Pfingsten fort, es starben aber nur 38 Personen daran, und lohnte man die angenommenen Totengräber wieder ab. Dagegen. machte sich die Krankheit der Franzosen unter den Armen bemerklich, welche durch die fremden Landsknechte eingebracht worden war. Die Häuser mit Scheunen innerhalb der Stadt wurden nur mit der Bedingung, daß der Besitzer sich jeder mit der Scheune vorzunehmende Veränderung gefallen lassen müsse, in Lehn gegeben. Durch den Röhrmeister Simon Schipfel aus Leukersdorf bei Chemnitz ward das Wasser von der Mühle mittels Rades, Pumpen, hölzernen und messingenen Röhrwerks auf den Markt in einen Röhrkasten geleitet. Der Meister erhielt im Gedinge 14 Schock, der Rat gab nur die messingenen Röhren an die Pumpen, welche der Rotgießer Frey in Leipzig am Gewichte 2 Zentner 70 Pfund, für 14 Schocke 45 Groschen lieferte und besorgte die Umlegung des Straßenpflasters. Zu gleicher Zeit lieferte Wolf Herre von Penig die Pumpen mit 2 Ständern und zweibohrichten Röhren in den großen Born am Markte, für 4 Schocke 3 Groschen. Gestelle und Schmiedearbeit besorgte der Rat. Das Steinpflaster, nach Länge der gelegten Röhren, kostete 3 Schocke 16 Groschen und ward von Eilenburger Steinsetzern gelegt. Vom 13. August ab war ein achttägiger Landtag in Leipzig, an welchem auch Abgeordnete hiesigen Rates teilnahmen, und eine neue Steuer, vom Schocke 6 Pfennige, in zwei Terminen zahlbar, verwilliget ward. Daneben verlangte man aber auch die dem Kurfürsten Moritz zugesagte Kriegssteuer. Auf kurfürstlichen Befehl sollten von Michaelis bis Fastnachten künftigen Jahres 100 Landsknechte hier liegen, es trafen aber durch Christoph von Carlowitz Vermittlung nur 25 ein, und diese wurden schon im November abgelohnt. Der Holzförster Bartholomäus Kisch erschoß am 11. November in seiner Wohnung am Galgetore den Sohn des Gutsbesitzers Michael Pehnitzsch in Kölse unvorsichtig mit der Büchse und ward mit zwei Schocken Strafe belegt. Auch verunglückte in diesem Monate der Seigersteller Matthäus Berndt durch einen Fall aus dem Glockenturme (der Kirche) und ward am 20. desselben Monats begraben. Das Rektorat,' durch Nicolaus Gorius Aufnahme in den Rat erledigt, übertrug man dem hier geborenen Johann' Fischer, Sohn des 1552 gestorbenen Stadtrichters Andreas Fischer, welcher in Pforte und Wittenberg studiert hatte und da auch der bisherige Kantor, Balthasar Franz für das künftige Jahr in den Rat gewählt und bestätigt ward, so kam zu dieser Stelle der auch hier geborene und bei 1547 bemerkte Baccalaureus Thomas Schmidt in Vorschlag und erhielt im künftigen Jahre das Amt. An Kapitalen zahlte der Rät ab: 100 Gülden an Prisca Sandritter, oder die Christoph Jägerin, Lucas Nossigs Tochter, geliehen 1487; 100 Gülden an die Erben Hans Winters, geliehen 1521; 100 Gülden Valentin Bockmanns Erben, geliehen 1527; 50 Gülden an die Prisca Sandritter; 100 Gülden an das Schuhmacherhandwerk, geliehen 1529. Der Kriminalprozeß wegen des am 31. Januar d. J. im Riemergäßchen begangenen Verbrechens verursachte der Stadtgasse bis zum Jahresschlusse einen Aufwand von 28 Schocken 57 Gr. 10 Pf. Kosten. Das Termineihaus in der Holzgasse ward zu einem Schütthause eingerichtet und die entbehrlich gewordene Stube an den Kantor Franz für 8 Schocke 24 Gr. verkauft. Die Schäferei gab 52 Steine Wolle mit einem Erlös von 321/2 Schock; die Ziegelscheune lieferte 72 700 Stück. Die Stadt braute 159 Lager-, 151 Sommer- und 8 Mittelbiere, in Summe 426. Der Scheffel Weizen galt 9 bis 10, Roggen 8 bis 9, Hafer 5 Groschen. Zwei hiesige Bürgersöhne, Johann Hartmann und Severin Fischer hielten um eins der größeren Fridericischen Stipendien an. Nach dem Testament des Friederici erhielt es der Empfänger unbedingt auf vier Jahre, man beschloß aber, es unbedingt nur auf ein Jahr zu geben, die übrige Zeit aber von künftiger Führung abhängig zu machen. Auch mußte der Empfänger an Eidesstatt versprechen, es auf das beste zu nutzen und künftig der Stadt in irgendeinem für ihn geeigneten Amte, wenn man ihn rufen würde, zu dienen, oder im Weigerungsfalle das, was er als Stipendium empfangen, zurückzugeben. Hartmann, welcher das Stipendium empfing, war der Sohn des Bartholomäus Hartmann, Ratsherrn von 1555 ab, studierte in Wittenberg und ward später Kantor, auch Ratsherr hiesigen Stadt; Fischer aber Leipziger Student und Baccalaureus, Stadtschreiber in Gräfenhainichen.


1554

Der Bau an der Pfarre (begonnen 1553) ward fortgesetzt und kostete ohne Steine, welche die Ziegelscheune gab, 97 Schock. Auch baute man ein neues Torhaus am Hallischen Tor, stellte die vordere Windmühle her, die am 27. Oktober ein heftiger Sturm niederwarf und schützte mit einer Bedachung den gewölbten Heiligenborn. Auf Bitte des Rates überließ der Kurfürst, um ziemliche Bezahlung, zu dem Pfarrbaue 100 eichene Stämme aus dem Gehölze bei Bitterfeld und gab am 30. Januar dem Forstmeister Hans von Nessau zu Düben Anweisung. Man bezahlte für den eichenen Stamm 12 Groschen. Auf dem Landtag in Dresden verwilligte die Landschaft 14 Pfennige vom Schock. Das Ausschreiben über die Art und Meinung der Aufbringung erschien am 5. April mit einer Verordnung vom 6., in welcher auf strenge Haltung der bisherigen Polizeigesetze gewiesen und am Schluß (die) Beziehung auf geistliche Gerichtsbarkeit und Güter beföhlen ward. Eine alte Wärterin, Margarete, ließ den Knaben des verstorbenen Wagners Müller aus Unachtsamkeit bei der Darre mit dem Gesicht ins Feuer fallen und verheimlichte es. Man holte ein Schöppenurteil und bestrafte sie mit vier' Tagen Gefängnis. Bezüglich auf Vermessung der Käse, des Salzes und des Obstes ward eine Marktordnung festgesetzt und das nötige Probegemäß angeschafft. Äpfel und Birnen sollten gehäuft, wie sie liegen bleiben, Käse einmal gerüttelt und geschlichtet, Nüsse geschlichtet, aber nicht gerüttelt, Salz gerüttelt und gehäuft werden. Der Messer oder Marktmeister erhielt von der Tonne zu messen zwei Pfennige, bei Käsen überdies von der ganzen Tonne zwei, von der halben ein Stück, bei Äpfeln von der Tonne vier, von der halben zwei Stück. In der Woche nach dem Trinitatisfeste ward die Meile [Biermeile] nach Radefeld gemessen und gefunden, daß dieses Dorf weit unter der Meile liegt. Der Landsknecht Thomas Vorrath, welcher den Einwohner Thomas Mirisch in der Grünstraße erstochen hatte, ward am 5. September mit dem Schwerte hingerichtet. Am 6. September vermahlte man die Landstraße nach Brodau, zwischen Elberitz und Preßmark mit Bruch- und kreuzweise gelegten Ziegelsteinen. Zugegen war der Rat, der Schösser Grundig, wegen des Amtes, Otto Spiegel der Jüngere auf Brodau, Gerichtsherr der Preßmark und die Bauern zu Brodau, Lorenz Strauß, Richter, Antonius Krabbes, Gregor Franz, Paul Grimmer, Gregor Holzweissig, Severin Kunze und Schwabe. Am 9. desselben Monats berichtigte man die Grenzen zwischen Gertitz-, Weißig-, Queringer und Kühnamark. Es waren zugegen der Schösser Grundig, der Landrichter Matthäus Frank, die Landschöppen Matthäus Große, von Kühnau, Hans Geißler von Wiedemar, und Ambrosius Größe von. Werben, der Rat und die meisten Delitzscher Bürger, welche auf Gertitz-, und Weißig Mark Feld hatten. Der Rat erlaubte, was sonst nicht zu geschehen pflegte, daß Hans Kleberg von seinem Gehöfte in der Gasse nach dem Galgen zu, ein Stück trennen und an Hans Kallner verkaufen durfte. Der Grund war, daß die Vorbesitzer, wegen der Größe des Gehöftes einen Gasthof anzulegen beabsichtigt und zu wiederholten Malen um fürstliche Erlaubnis dazu nachgesucht hatten, welcher der für den Nutzen der Stadt besorgte Rat nur mit Mühe und vielem Kostenaufwande wirksam entgegengetreten war. Um nun diese Gefahr nicht wieder zu bestehen, erlaubte man die Zerstückelung. Man bat zwar um Ersatz der Pferde, welche der Stadt bei dem vorjährigen Treffen verlorengegangen waren, erhielt aber die Weisung auf eine andere Zeit. Anfangs der Leipziger Michaelismesse war ein großer Schützenhof in Dresden, an dem auch mehrere hiesige Schützen teilnahmen und vom Rate vier Schocke Reisegeld erhielten. Die Kriminaluntersuchung wegen des im Riemergäßchen getöteten Frones kostete auch in diesem Jahre dem Rate 26 Schock. Die Stadt braute 159 Lager-, 118 Sommer- und 142 Mittelbiere. Die Schäferei lieferte 63 Steine Wolle, die Ziegelscheune 121 700 Stück. Der Stadtschreiber erhielt einen Regenmantel von 11 Ellen schwarzem Tuche, die Elle zu 6 Gr. und Zwillich. Das Tuch wurde cottunisiert oder aufgerieben, der Zwillich gewichset. Des Rates zwei große silberne Becher, Kredenzer, wurden vom Goldschmied Daniel Knobloch in Leipzig ausgebessert. Der Goldschmied Jobst Kämmerer in Halle, welcher dem Rate das Bild des Kurfürsten Moritz, auf einem geglätteten Kupferbleche gegraben, schenkte; verehrte man 48 Groschen. Zum Gebrauch der Kirche und Schule kaufte der Rat vier Teile Psalmorum im Figural-Gesange für 1 Schock 8 Gr. 6 Pf., für den Bedarf vornehmer Gäste, fünf gemalte Venedische Weingläser für 171/2 Gr. in Leipzig. Die Ratsstipendien hatten Georg Kirchhof, der Sohn des hiesigen Ratsherrn Ulrich Kirchhof, welcher in Wittenberg studierte, 1556 in Zörbig, 1558 Lehrer hiesiger Schule, 1565 Ratsherr und 1587 Bürgermeister ward, und Esaias Richter, Leipziger Student und Magister, von 1561 hiesiger Schösser, dann Ratsherr und Bürgermeister. Der Rat zahlte folgende Kapitale: 100 Gülden 1513, 60 Gülden 1525 und 100 Gülden 1527 von biesiger Kirche aufgenommen, wieder ab. Auch kündigte er dem Kapitel unserer lieben Frauenkirche in Halberstadt die 1497 erborgten 2000 Gülden.


1555

Den Bauern in Grabschütz ward das Betreiben der durch die SchäfereiErbpacht an die Stadt gekommenen Grabschützer Wiese bei 10 Gülden Strafe an das Amt und Schadenersatz an die Stadt untersagt, die Verhandlung auch in das Amtsbuch eingetragen. Die bisher von jedem Biere zur Kämmereikasse erhobene Abgabe von 7 Groschen fiel weg, weil die Erbzinsen, zu deren Bestreitung man sie genommen, seit mehreren Jahren schon abgestorben waren. Dagegen entstand der Stadt durch die fürstlich angeordnete Annahme von sechs Schrötern und Wächtern, welche freie Wohnung und 12 Groschen wöchentlich erhielten, eine neue Ausgabe, halb nun vom Malze 8 Pfennige und ebensoviel von jedem ausgeschrotenen Faße, halb von dem Verkäufer, halb von dem Käufer erhoben ward. Diese Einnahme betrug für dieses Jahr 32 1/2 Schock. . Die Tuchmacher benutzten einen öffentliche n Platz neben der Doktorei zu einem Rähmen. Der Rat bebaute aber it diesem Jahre diesen Platz mit zwei neuen Häusern, und überließ ihnen dafür aber widerruflich, einen Raum hinter der Pfarre an der Mauer. Diese Häuser kaufte Mr. Joachim -Blum, und der Kannengießer Paul Meister; sie sind aber im Dreißigjährigen Kriege wüst geworden und geblieben. Am 1. April war Kirchrechnung Die Teilnehmer, der Pfarrer, Mr. Göre,, die drei Räte, der Stadtschreiber, der Hauptmann, die Vorsteher, vielleicht auch die Diakonen, erhielten vom Rate das Getränk, Wein für 2 1/2 Schock und gegen 2 Schock Wertes Bier, an einem Faße und darüber, von der Kirche aber die Speisung. Wie man, da es Fastenzeit war, speisete, besagt der Aufwandzettel, der sich erhielt, wörtlich so lautend: 1 Schock 18 Gr. für einen Lachs und 4 Gr. Botenlohn; 12 Gr. für 121/2 Pfund Karpfen; 3 Gr. für Mandeln; 3 Gr. für kleine Rosinen; 21/2 Gr. für 3 Pfund ungarische Pflaumen; 2 Gr. für 1/4 Pfund Ingwer; 1 Gr. für Pfeffer; 3 Gr. für Nägelein; 2 1/2 Gr. für Safran; 3 Gr. 8 Pf. für klaren Honig; .l Gr. für Stand zur Gallest; 1 Gr. für Kirschen zur Gallert; 2 Gr. für Weinessig zum Lachse; 1 Gr. für Pfefferkuchen zur Gallert; 4 1/2 Gr. für 3 Pfund Butter; 2 Gr. für Hutzucker; 11/2 Gr. für eine Mandel Käse; 1 Gr. für Streuingwer; 11 Pf. für 1/2 Pfund Lichte in die Küche, 3 Pf. für Muskaten; 20 Pf. für Bieressig zu der Gallert; 11/2 Gr. für Salz; 1 Gr. für Salat; 12 Gr. für Semmeln, 1 Gr. für Schelbenbrot und 5 Gr. für Semmeln am 2. Tage abends zur Collation. Der Uhrmacher Matthäus Wunderlich in Leipzig erneuerte den untauglich gewordenen Kirchenseiger für 9 Schocke Lohn, 461/2 Gr. Zehrung während der viertägigen Aufstellung mit anderen kleinen Ausgaben für Arbeit bei der Einrichtung. Während der Abwesenheit des Seigers in Leipzig gab man dem Hausmann des Breiten Turmes, welcher die Glocke nach Kompaß und Sandseiger ziehen mußte, einen Beiwächter und diesen 35 Groschen Lohn. An der Stadtkirche ward die gotische Bedachung der Leichenhalle bis auf das Gewölbe abgenommen und darauf die Kastenstube zur Verwahrung des Gotteskastens, Einnahme der Kirchenzinsen, Abnähme und Aufbewahrung der Rechnungen, mit einer Wendeltreppe erbaut. Da auch durch den Ausfluß der Schlachtehäuser in der Stadt die Gossen verunreinigt wurden, so beschloß man die Anlegung eines Schlachtehauses an einem entlegenen Orte der Vorstadt und kaufte für 30 Taler von den Erben des Bürgermeisters Paul Müller ein Stück ihres Scheungartens zu diesem Zweck. Eigentlich gab hierzu ein kurfürstlicher Befehl und zu diesem der Rat der Arzte Anlaß. - Auch kaufte der Rat vom Kurfürsten eine Windmühle bei Lissa für 40 Schock und erhielt dazu soviel Holz als nötig war, sie hier wieder aufzustellen und gangbar zu -machen. Neu baute man die Hallische Brücke, auf Gemäuer mit Holz belegt und gepflastert, das Mühlhaus in Elberitz, und die hölzernen Brotbänke. Auch ward vor dem Schlösse und Kirchhöfe, in der breiten und Badergasse neues Pflaster gelegt 'durch den Steinsetzer Peter Hafer aus Leipzig, welcher für die Rute 9 Gr. erhielt. Steine dazu ließ der Rat auf seinen Breiten lesen. Am 10. August folgten dem Hauptmanne von Bortfeld von der Bürgerschaft 20 Hakenschützen und 10 Spießer nach Löberitz, wo auf kurfürstlichen Befehl Hans Schilling gefänglich genommen ward. Auf,dem Landtage in Torgau, wo man die Tranksteuer, 20 Gr. vom Fasse, auf acht Jahre bewilligte, nahmen zwei Ratsherren und an dem Schützenhofe daselbst mehrere hiesige Schützen teil. Die hiesige Bäckerordnung ward auf Gesuch dem Rate in Dessau mitgeteilt. Den Besitzern der Scheunen innerhalb der Mauer, erlaubte man, auf kurfürstlichen 'Befehl zu Wegbringung derselben auf besondere Räume der Vorstadt nur noch eine dreijährige Frist. Die Anlegung einer zweiten Schenke in Zwochau, der Zschakenthaler genannt, ward nicht gestattet und der Verkauf des Hefenbieres an Schenkwirte auf das Land, weil man besorgte, daß sie durch Verfälschung hiesiges Bier in üblen Ruf bringen möchten, auf das strengste untersagt. Zu Einsammlung der Armenbeiträge an den Kirchtüren und in den Häusern kaufte der Rat in Leipzig für 42 Groschen vier eiserne, verschließbare Büchsen, die er von dem dasigen Maler Caspar rot anmalen ließ. Zu dem diesjährigen Bau des Schlosses in Leipzig, welchen der dasige Bürgermeister und Bauverständige, Hieronymus Lotther, leitete, verlangte der Kurfürst die Hälfte der hiesigen Maurer, und Lotther ein Verzeichnis derselben in besonderer Zuschrift. Der dritte Lehrer der Schule, Baccalaureus Valentin Wolfgang, ward Pfarrer in Döbernitz und übertrug man das erledigte Amt dem Baccalaureus der Philosophie Melchior Kühn. Der Amtmann Henning von Bortfeld ward Amtmann auf dem Petersberge und kam an seine Stelle Heinrich von Gleissenthal, auf Mildenstein, Greppin, zugleich auch Amtmann in Hainichen [Gräfenhainichen] und Bitterfeld.


1556

Die Kantorei führte montags vor Fastnachten, den 16. Februar, die Comödie Daniel auf. Man brauchte dazu unter anderem eine Mönchs-; eine Narrenkappe, einen kleinen behangenen Wagen, und einen Kardinalshut, deren Anschaffung aus der Ratskasse vergütet ward. Auch gab man am Tage der Aufführung den Spielern Wein zur Ergötzlichkeit. huch dem Zettel, der sich erhielt, spielten, den Prologus und Epilogus eingeschlossen, dreißig Personen, verschiedener Art und Zeiten; König, Kanzler, Kämmerer, Herold, zwei Trabanten, Lakai, Profos, Narr, Daniel, Sybilla, Salomon, Joseph, Benjamin, Hanania, Hofteufel, Licinius., Cambyses, Pyromachus, Blepsidemus, Engel usw. und wird das Stück zwar Daniel genannt, welcher auch darinnen eine Rolle hat, es ist aber wohl kein anderes als der im Jahre 1544 im Druck erschienene Hofteufel gemeint. Das sechste Kapitel Danielis den Gottfürchtigen zu Trost, den Gottlosen zur Warnung Spielwels gestellt, und in Reime verfasset durch Johann Chryseum. Unter den Spielern finden sich nächst dem Adligen Melchior Spiegel; welcher den Salomon gab, die Vornehmsten der Stadt. Am Anfang des März erschien nach Sonnenuntergang im Sternbild des Widders ein bleicher Komet, welcher sich schnell nach dem Nordpole bewegte, im April der Sonne vorging und Ende dieses Monats sich verlor. Der Landsknecht Franz Reisig, ein Ehemann, ward am 6. Juni nachts von dem Stadtrichter mit der Ehefrau des abwesenden Gürtlers Thiele; Margarete im Bette getroffen und gefänglich genommen. Sie gestanden den Ehebruch und das Schöppenurteil brachte ihnen den Tod durch das Schwert. Der Ehemann Thiele verwendete sich nun zwar für seine Ehefrau, und der Kurfürst sagte auf den Fall, daß beide Teile, Männer und Weiber, das Land auf Lebenszeit räumten, Begnadigung zu, da sich aber die unschuldigen Gatten hierzu nicht entschließen konnten, so erfolgte am 3. Juli ihre Hinrichtung und gestattete man den Leichnamen auf dem Gottesacker ein Grab. Die Hochzeitpredigten nahmen ihren Anfang. Es war ein sehr heißer Sommer und in dessen Folge wie gewöhnlich Brandunglück. Die Städte Spremberg, Grimma u. a. hatten durch Feuer große Verluste und erhielt Grimma, außer der Stadt- und Kirchenkollekte aus der Ratskasse besonders 20 Schock. Man glaubte aber, daß ausgesendete Mordbrenner Ursache wären, besetzte deshalb die Tore mit Wachen und kaufte viele lederne Feuereimer, die man, um sie gemein zu machen, den jungen Bürgern um geringere Preise überließ. Auf die Wege, welche nicht beritten und befahren werden sollten, wurden eiserne Kreuze gesetzt. Den Armbrustschützen hatte man schon 1481 zu ihren Übungen den Platz zwischen dem Hallischen Turme und dem Hospitale angewiesen, sie blieben jedoch in dem alten vor dem breiten Tore bis 1521, wo ihr Schießhaus von da in die überwiesene Stelle versetzt ward. Jetzt nahm das Amt den Platz in Anspruch, sie erhielten ihn aber auf kurfürstlichen Befehl vom 24. September bis auf Widerruf. Eichmann von Schenkenberg, welcher eine Kleinigkeit entwendet, aber 20 Pfennige gemerzt hatte, kam bei dem Amte in Untersuchung und erhielt zwar durch kurfürstliche Gnade das Leben, verlor aber beide Ohren und ward nach Staupenschlag des Landes ewig verwiesen; dahingegen Andreas Heinze, auch aus Schenkenberg, welcher über 5 ungarische Gulden stahl, am 21. Oktober durch den Strang das Leben verlor. Mit dem kurfürstlichen Landrentmeister verhandelte man hier wegen des Schloßgrabens, den man wahrscheinlich in Besitz zu haben wünschte; mit dem von Crostewitz, auf Lemsel, aber wegen des Schenken in Kletzen, welcher gegen das Privilegium der Stadt Eilenburger und Wurzener Bier vertat. Der Rat, welcher die frühere Armenspende längere Zeit ausgesetzt hatte, gab sie wieder, und erhielten die Armen 1008 Stück Brote, jeder eins, 30 Schock Eier, jeder ein Paar, soweit sie reichten, die übrigen Geld, und drei Faß Bier. Die Herren des Rates hatten bei der Austeilung eine Kollation und verzehrten 19 Gr. 6 Pfennige. Mit Thilo von Schenkenberg schloß man einen Handel um den Kosebruchteich, er starb aber bald nachher und es ist ungewiß, wieweit sich dieser Handel erstreckt hatte. Den Fronen hatte man bisher einen Neujahrsumgang in den Häusern nachgesehen, für das künftige (Jahr) untersagte man ihn und gab ihnen dafür aus der Ratskasse Entschädigung. Caspar Hofmann, ein. deutscher Schreiber und Rechenmeister von Schweinitz in Schlesien, schlug zwar am Michaelistage an, daß er Unterricht im Schreiben und Rechnen geben werde, bekam aber keine Schüler. Am 6. September starb der Amtsschössen Grundig und kam im Oktober der bisherige Schösser in Wurzen, Christoph Lotter, verwandt mit der berühmten Familie in Leipzig, an seine Stelle. Georg Stange [in diesem Jahr verstorben] war Besitzer des Hauses Nr. 253 der Breiten Gasse, ein wohlhabender Sonderling, ein Mann der alten Welt, wie man ihn nannte, welcher seit langen Jahren der Kirche als Organist diente und dafür jährlich 2 Schock empfing, selbst in das Feld zog, wenn er bleiben konnte, in seinen 1552 und am 30. November dieses Jahres niedergelegten letztwilligen Verordnungen aber 100 Gulden der Kirche, 300 Gulden dem Gotteskasten zu jährlichen Tuchspenden an Arme und 1000 Gulden dem Hospital-an Vermächtnissen beschied. Dieser Mann der alten Welt war also in jeder Beziehung ein Ehrenmann, indes ist zu bedauern, daß mit der Tuchspende an seinem Sterbetage durch Verwendung des Kapitals zu anderen Zwecken auch sein Andenken erloschen ist. Die Fischerei gab 30 Schock Ertrag und die Schäferei lieferte 69 Steine Wolle mit 55 Schocken Lösung.


1557

Die durch den Tod- des Georg Stange erledigte Organistenstelle mußte, weil ihr bisheriges Gehalt fast für nichts zu achten, neu fundiert werden. Besondere Mühe gab sich deshalb der Stadtschreiber Rügezelt, auf dessen dringliches Anliegen denn auch einstweilen 20 Gulden jährlicher Sold vom Gotteskasten für sie bestimmt, von den Kirchenvorstehern aber der bisherige Gehalt der zwei Schock zur Beköstigug versprochen ward. In der Voraussetzung, daß -sich die Stelle nach dem Abgang der noch belehnten Altaristen, bessern werde, übernahm sie nun ein geschickter, von Rügezelt gewählter junger Mann aus Halle, Moritz Lunau, der Sohn eines Pfannenschmieds. Es war ein strenger Winter mit vielem Schnee, der am 21: Januar bei auffallender Wärme plötzlich,schmolz und ein so großes Wasser verursachte, daß man nur durch Aufwerfung von Dämmen dem Überfalle in den Stadtgraben wehrte und mit ungemeiner Anstrengung die Mühle erhielt. Mit großer Freude empfing man am 20. Februar den ehrwürdigen Melanchthon, welcher mit Julius Menius und Dr.-Andreas Magerius hiereintraf, des Nachts blieb, tags darauf mit seinen Gefährten dem Frühgottesdienste beiwohnte und nach genossenem Mittagsmahle, welches der Rat auf das ehrlichste veranstaltete, nach Leipzig ging. Auf dem Landtage in Torgau, den 29. März, welcher nur einen Tag dauerte, bewilligten die Stände eine Türkensteuer, die Ritterschaft zwei Pfennig, Städte und Land 5 Pfennig vom Schocke, in drei Terminen abführbar. Die Schätzung traf liegende und fahrende Habe, auch werbende Barschaft nur Bergteile, silberne Geschirre, goldene Ketten, Kleinode und Kleider ausgeschlossen, und waren zu Einnehmern im Leipziger Kreise Asmus von Konneritz zu Lobschitz, Valten Pflug zum Knauthain, der Bürgermeister und Stadtschreiber zu Leipzig bestimmt. Der Sohn des Wind- oder Strohmüllers Abel Siegel, erstach am PetriPauli-Tage einen Fremden, Urban Cleman aus Dalwitz, in des Ratsherren Marcus Borkmann Hause, Nr. 8 der Breiten Gasse, flüchtete" aber, ward ausgerufen, geächtet, konnte aber nicht erlangt werden. Am 20. und 27. Juli geschah die Meilenmessung nach Brehna, Quetz, Landsberg, Löbnitz und fand man den Quetzer Steinbruch nicht über die Meile, Landsberg kaum 50 Gewende, Löbnitz aber über 50 Gewende entfernt. Der Rat, welcher den Bau eines Schlachtehauses und Röhrwasser von Gertitz aus in die Stadt zu leiten beabsichtigte, besah die Einrichtung des Schlachtehauses in Leipzig, ließ durch Otto Spiegel auf Badrina und dessen Röhrmeister die Brunnen in Gertitz untersuchen, abmessen und da man die Möglichkeit einer Ableitung durch Röhren nach der Stadt behauptete, die Brunnen durch den Stadtmüller Matthäus Schindler vorläufig fassen, nahm auch zu künftiger Ausführung 250 Taler Darlehen von Bürgern auf. Beides unterblieb jedoch, weil das entfernte Schlachthaus Widerspruch, die Gertitzer Wasserleitung bei anderen Kaufverständigen, die man zu Rate zog, Bedenken fand. Die Stadt hatte 28 Kuxe in Freiberg, Annaberg Marienberg und Wolkenstein, zum Teil Geschenke des Kurfürsten, die aber niemals Ausbeute gaben, sondern jährlich übergroße Zubußen und Reisekosten ver-ursachten. In diesem Jahre betrug die Zubuße 40, die Reise 15 Schock. Am 29. August war ein Schützenhof in Bitterfeld, wo Delitzsch den Kranz erhielt. Der Rat legte in der Hintergasse am Notstalle hinter Blasius Eschen, Nr. 241, einen neuen Brunnen an. Auch ließ er mit einem Aufwande von 11 Schocken, Zifferblatt, Zeiger und Zahlen der Kirchenuhr durch Leipziger Künstler malen und vergolden und schaffte zu Einsammlung der Armengelder noch zwei Büchsen an. Der Stadtschreiber Rügezelt schrieb im Auftrage der Kirchenvorsteher an den berühmten Orgelbauer Hans Beck, Bürger zum Hain, jetzt zu Hochstadt und Schandersleben, daß er sich gelegentlich zu, einer Beratung über den Umbau des großen Orgelwerkes und Abschließung eines Bauvertrages mit dem Rate einfinden möge; und bestellte bei dem Maler Lucas Cranach in Wittenberg für hiesiges Rathaus die Bilder des Kurfürsten Friedrich den Weisen und Johannes, Moritz und August, der Herzöge Georg und Heinrich, Luthers und Melanchthons in Lebensgröße, die Fürsten im Friedenskleide, es findet sich aber keine Nachricht, ob diese Bilder geliefert und wenn sie geliefert worden, wohin sie gekommen sind.


1558

Dem Rate ward der Pacht des kurfürstlichen Geleits in Delitzsch, Landsberg und Zwochau, welches in bisheriger Amtsverwaltung den Bedürfnissen nicht entsprach, so nahe gelegt, daß er unter den Ablehnungsversuchen ermüdete und der Vertrag für ein jährliches Pachtgeld von 900 Gulden auf drei Jahre zur Vollziehung kam. Der Stadtschreiber in Zörbig, Sebastian Eckart, suchte zu Erlangung des Heergerätes seines hier verstorbenen Bruders, des vormaligen Gleitsmannes, Lorenz Eckart, das Bürgerrecht. Der Kurfürst verordnete wegen des Drucks neuer Bücher, Lieder und Reime am 1. Februar wörtlich: „Als auch an uns gelanget: Das viel schmehbücher, lieder, reyme und dergleichen gedichte, unter veranderten namen, und sonsten ausgehen, und in unsern derhalben zuurn ausschreiben zugegen, so ist demnach vnser ernster beuhelich, jr wollet hinfuro keine newe bücher, lieder, reyme, noch sonst etwas newes, bey euch drucken oder fellhaben lassen, sie seindt dann zuuorn.durch den Superattendenten oder Pfarherrn, auch Ambtmann oder Schösser des orts, und euch mit fleiß vbersehen, Vnd wo es nothwendig, so werdet ihr uns, oder unserer verordneten Regirvnge alhiier, darfuor bericht und meldung zu thun wissen, Wann auch jemandes hierwider thun, oder was vornehmen würde, wider denselben wollet mit ernster geburender straff vorfaren." Am 17. März, abends neun Uhr, brannten in Brehna 10 Hofstätte und etliche Scheunen nieder. Man schickte von hier sogleich 30 Taler mit Getreide und legte der Rat besonders noch aus der Kämmereikasse 3 Schocke 30 Gr. bei. Auf wiederholtes Bitten um Entschädigung wegen der Pferde, welche der Stadt und den Ratsdörfern in der Schlacht bei Siewershausen verloren gegangen, schenkte der Kurfürst 10 Schock 30 Gr., und der Rat gab, damit jeder. Beschädigte 6 Gülden erhielte, 30 Gülden Zuschuß. Der neue Besitzer von Schenkenberg, Sigmund von Miltitz, Amtmann in Torgau auch Oberhofmarschall, kaufte die von Thilo von Schenkenberg 1551 wiederkäuflich erlangte Wiese an der Dörfchenmühle für 126 Schocke zurück. Delitzsch hatte bei dem vorjährigen Schützenhofe in Bitterfeld mit dem Kranze den Betrag zu Veranstaltung einer gleichen Ergötzlichkeit erhalten, und man entschloß sich dazu, weil man schon einmal, vor 19 Jahren, den empfangenen Kranz -liegenlassen und seit 40 Jahren eine Festlichkeit der Art nicht gegeben hatte. Die Erlaubnis dazu erteilte der Kurfürst auf des Rates Bittschrift (... ) und findet sich, daß der Rat dabei gegen 30 Schocke, unter anderen 12 Schocke zu Vorteilen und 13 Schocke an Wein, Torgauer- und Freiberger Biere verwendet, die Kantorei aber dabei unter Rügezelts Leitung sich durch schicklichen Figural-Gesang ausgezeichnet hat. Die Besichtigung der Feuerstätte zu Walpurgis und Michaelis, welche bisher die Herren des Rates besorgten, übertrug man, weil die Geschäfte des Rates namentlich durch das übernommene Geleit sich häuften, den Viertelsherren, welchen man jedesmal eine angemessene Verehrung gab. Die Kirchenvorsteher, welche bei dem Kurfürsten um Vereinigung des geistlichen Schloßlehnes und der früher an die Geistlichen und Schullehrer vom Schlosse gegebenen Präbende mit dem Gotteskasten nach§uchten, erhielten durch den kurfürstlichen Rat Hans von Ponickau und Kammer- und Rentmeister Bartholomäus Lauterbach abschlägige Antwort. So ward auch dem Rate der früher fürstlich zugesicherte Schloßbeitrag zu der Hausmannsstelle, den das Amt zu geben verweigerte, abgesprochen, dagegen zu Überlassung der gleichfalls vom Amte beanspruchten Frauenkirche Hoffnung gemacht. Am 5. Juli brach in einem Bürgerhause der Stadt Eilenburg durch Verwahrlosung des Gesindes Feuer aus, welches 25 Häuser mit allen Nebengebäuden gänzlich zerstörte, den Verunglückten schickte man von hier 30 Gülden, 26 Scheffel Korn, 2 Scheffel Gerste und andere Lebensmittel. Es ward der Einwohner Lorenz Krüger in Zwochau von Gregor Gottsching auf der Kegelbahn der Schenke durch den Wurf der Kegelkugel ins Genick auf der Stelle getötet, der Täter zu Haft in das Amt gebracht. Der Weidenhieb an den Grenzen des Weichbildes, namentlich an dem Stadtgraben hinter der Abdeckerei und Grünstraße veranlaßte von neuem Jurisdiktions-Streitigkeiten reit dem- Amte, welche auf kurfürstlichem Befehl Christoph von Ponickau auf Groitzsch mit dem Amtsverwalter zu Eilenburg, Georg Winkler in Verhör zog, und der Kurfürst durch anbefohlene Vermahlung drin dem kommissarischen, von ihm genehmigten Rezesse, v. 9. November d. J., festgesetzten Grenzen, mit unverkennbaren Steinen, für immer ein Ende gab. Die Vermahlung betraf das Weichbild im ganzen Umfange und erfolgte am 17. Oktober künftigen Jahres nach der Urkunde dieses Tages. Der Amtsschösser Christoph Lotter bauete auf einer Wüstung der Rittergasse das noch bestehende massive Haus, Num. 113, und erlaubte ihm der Kurfürst in einer Verordnung d. J., daß er die zwei Mauern am alten Hinterschlosse abtragen und die Steine dazu verwenden dürfte. Das Gehöfte dieses Hauses vergrößerte er durch den Ankauf eines Hauses an der Badergasse, welches früher dem Lehn Barbarae gehörte, 1549 aber, nach dem Tode des letzten Vikar dieses Altares, von der Kirche, welcher das Lehn Barbarae zugefallen, an Hans Reiband mit Auflegung einer jährlichen Abgabe von 4 Groschen vererbet ward, die der Besitzer noch an die Kirche zu entrichten hat. Man schrieb um Abschaffung der Schenke, wahrscheinlich neuerrichteten in Spröda an den Amtmann auf dem Petersberge, über den Erfolg aber findet sich keine Nachricht. Dem Dichter Christophorus a Berga in Dessau, welcher dem Rate seine Schrift: Lib. 1. Elegiarum zuschickte, verehrte man 48 Gr. Die Schäferei hatte 1079 Stück Schafe, und gab 74 Steine Wolle, zu 44 Groschen den Stein. Der Scheffel Samenkorn galt 6 Groschen. Hinsichtlich des Privilegiums der Biermeile erließ der Kurfürst an den Amtsschösser Lotter folgenden Befehl: „Lieber getrewer, Was der Rath zu Delitzsch des Bierschancks halben in der Pflege Delitzsch und Landtspergk, und vmb die Stadt, inwendig einer meil weges anhero vntertheniglichen gelanget, das hast Du aus in ligendem zu ersehen, Wenn wir dann gnediglichen geneigt, ob demjenigen, damit genanter Rath von unsern Vorfahren priuilegirt und begnadet, zu halten, sie dabey sein und bleiben zu lassen, Als begeren wir, Du wollest daran und darob sein, damit solche verordnung in unserm Dir beuohlenem Ampt wirklichen nachgegangen, und hinwidder nicht gethan werde, Jdoch andern an Ihrer gerechtigkeit vnschedlich, Da auch iemandts vnserer Cantzleyschriefftsassen, oder deren Vnterthane deme zu kegen handelten, und Vns der oder dieselben namhaftig gemacht würden, Wollen wir uns darinnen der gebür zu erzeigen wissen, Vnd beschieht hieran vnsere gentzliche meinung. Datum Dreßden, den XXV. Maij, Anno pp. LVIII°."


1559

Der Kurfürst befahl am 19. Februar dem Amtsschösser Lotter, dem Rate die Frauenkirche zu einem Schütthause, den Chor zum Gebrauch bei Leichenreden erblich auszuantworten. Margarethe, die Tochter Hans Peters in Strele, stahl ihrem Dienstherrn, dem Schösser Lotter, 100. Goldstücke an Doppeldukaden, Portugalesen, Ungarischen und anderen Gülden, vertat 24 Stück und ward am 5. April mit dem Strange hingerichtet. Des Kurfürsten Mutter, Katharina, übernachtete hier am 21. April mit Gefolge und verehrte der Rat Wein drei Taler am Wert. Der Kurfürst veranstaltete in Leipzig am B. Juli ein großes Schützenfest,- an dem mehrere fürstliche Personen, unter anderen der Markgraf Sigmund von Brandenburg, Herzog Wilhelm zu l üneburg pp. teilnahmen.. Der Hauptgewinn betrug 300 Taler, und gab der Rat den hiesigen, dahin gehenden, Schützen 3 Schocke zur Unterstützung. Zu Ankaufung etzlicher gelegener und nützlicher Güter (es waren die Voigtländischen Ämter) verlangte der Kurfürst die Aufbringung von 8000 Gülden - in zwei Terminen, welche Summe jedoch. in der Verordnung vom 28. Juli auf 6000 Gülden gemindert ward. Der Rat schaffte nun die 3000 Gülden des ersten Termines, die er durch Darlehne von dem Amtmanne Kirchhof, der Kirche, den Bürgermeistern Költzsch und Marcus Bortmann pp. aufnahm, und der Kurfürst mit 5 Prozent zu verzinsen versprach. Der Rat kaufte am 10. November drei Hufen Kirchenfeld, hinter dem Rosentale, am Pfarracker, und drei Hufen mit drei Oberländern und Wiesewachs, auf Gerltitz, früher dem Lehne Katharinae gehörig für 800 Gülden, auf Wiederkauf und übernahm von den drei Rosentäler Hufen 15 Gülden, von denen auf Gerltitz drei Gülden 17 Gr. jährlichen Zins, für welchen Zins man sie bisher teils den Kirchenvorstehern, teils anderen gelassen hatte. Die Urkunde ward aber erst im Jahre 1562 vollzogen. Indessen fanden es die Visitatoren im Jahre 1574 rätlicher, diese Hufen Laßgut dem Rate zu vererben, der Erbkauf ward am 13. Juli 1576 im Konsistorium für ein Kaufgeld von 1250 Gülden geschlossen und das erkaufte Feld von den Vorstehern am 20. April 1577 mit Verzichtung auf Lehn und Zinsen, unter Bekennung des Geldempfangs, auf ewige Zeiten urkundlich abgetreten. Die Poßdorfer, welche hiesigen Küster, aus den im Jahre 1543 angegebenen Gründen jährlich 80 Garben Roggen zu geben hatten, verweigerten sie jetzt auf Anregung ihrer Gerichtsherren, der Gebrüder Seyfart und Dippoldt von Schönfeld auf Löbnitz, welche, als sie auf Klage hiesigen Superintendenten, vom Konsistorium zu Einbringung dieser Abgabe Auftrag erhielten in (einer) zwar nicht ganz richtigen, doch sonst merkwürdigen Eingabe die Rechtmäßigkeit der Verweigerung zu verteidigen suchten. Irrig war (ihre) Angabe insofern, als sie die 80 Garben dem hiesigen Pfarrer zuschrieb, dem man sie nie gegeben, und die Verbindung mit Spröda für eine reformatorische hielt, da sie urkundlich lange vor der Reformation bestand und zuverlässig bald nach dem Tode des letzten Pfarrers in Gerltitz, Nicolaus Thomae, welcher seit der 1449 aufgelösten Parochie Gerltitz hier lebte und wirkte, durch erzbischöfliche Ermittlung herbeigeführt worden ist. Die Kirchenvorsteher, wiewohl sie mit der früheren Geschichte wenig bekannt waren, beriefen sich daher mit Recht auf eine Verjährung der längsten Zeit und auf ununterbrochenen Besitz, in welchem sie denn auch vom Konsistorium.... gesetzt wurden und da die Gegner ein überwiegendes Recht nicht geltend zu machen wußten, ungestört blieben. Die Garben hatten damals zu geben: 3 Jacoff Asmus, 5 Brosius Reim, 5 George Vltzsch, 3 Merten Hartmann, 8 George Faulke, 5 Greger Schuddingk, 5 Matthes Schneider, 3 Simon Ditterich, 3 Hans Müller, 5 Leonhardt Mirisch, 5 Hans Wechter, 5 Jacoff Krüger, 5 Blasius Poyde, 10 Merten Henemann, 8 Valten Kranz, 5 Wehl Krause. Zwei verarmte Personen, Gregor Rammeldsfeld und Gertraut, Brosii Audenhains Witwe, nahmen ohne Grund den Weinberg mit Hause bei der Marienkirche, welcher von jeher dieser Kirche gehört und mit ihr, ihre Nutzungen und Zugehörungen dem gemeinsamen Gotteskasten der Stadt von den Visitatoren zugeschlagen worden, in Anspruch, das Konsistorium aber entschied gegen sie, verwies sie für immer zur- Ruhe.


1560

Am 4. März ward Otto Spiegel, der Ältere, auf Badrina, in dem Erbbegräbnis der Spiegel hiesiger Stadtkirche beigesetzt. An demselben Tage übernahm Mr. Christoph Homagk, der Sohn des hiesigen Kämmerers, Joseph Homagk, das durch Matthias Rühls Abgang erledigte Diakonat. Er war einer der würdigsten Schüler Melanchthons, ausgezeichnet als Theolog und Dichter, der aber schon im dritten Jahre seiner Amtsführung als Pfarrer, Superintendent, Dekan nach Schwabach abgerufen ward. Er empfing daselbst von Paulus Melissus den Kranz der Dichter und von dem geistesverwandten Taubmann, der ihn oft besuchte, mündliche und schriftliche Beweise hoher Achtung und Anhänglichkeit. Homagks lateinische Gedichte erschienen 1582 im Druck, sie haben sich aber, da er sie nur an Freunde verteilte, selten gemacht, und dürften nur noch in wenigen Bibliotheken zu finden sein. Am 20. März befahl der Kurfürst, um den verdrießlichen Streitigkeiten der Theologen entgegenzuwirken, die Anschaffung des von ihm besorgten, durch Vögelin gedruckten Corpus doctrinae Christianae für die Kirchen. Am 19. April starb der hier persönlich gekannte Melanchthon und die hiesigen Geistlichen, dankbare Schüler, sprachen in Gedächtnisreden ihre und des Volkes schmerzliche Gefühle über den Verlust des Glaubenshelden, verbunden mit den Tröstungen der Religion, auf das würdigste aus. Die im Jahre 1520 von Hans Beck gebauten zwei Orgeln der Stadtkirche brachte der Sohn dieses Künstlers, Anton Beck, in diesem Jahre mit Vermehrung der Register und zeitgemäßen Verbesserungen in ein Werk mit Rückpositive, welches zwar ohne Bässe, aber mit folgenden klingenden Stimmen: Principal 8 Fuß, Gedackt 8 F., Octave 4 F., Quinta 3 F., Superoctave 2 F., Cymbel 2fach, Mixtur 6fach, Principal 4 F., Superoctave 1 F., Gedackt 4 F., Octave 2 F., Krummhorn 8 F., Cymbel 2d., Quinta 1 1/2 F., Nasat, Regal 8 F., Subflöte 1 F., Trompete 8 F., Bauerflöte 2 F., Cymbelbaß 1 F., übrigens aber mit Vogelgesange und Cymbelsternen versehen war. Der Rat verpachtete zum ersten Mal die Schäferei an den Schafmeister Gall Ziebart für 175 Gulden jährliches Pachtgeld auf 6 Jahre. Der Pachter leistete einen genügenden Vorstand, mußte die Schäfereigebäude auf seine Kosten in Dache und Fache erhalten und alle Kosten tragen, hatte aber den Dübischen Werder zur Benutzung. Die Witwe des Organisten Stange, welche die Zinsen der von ihm 1556 der Kirche zu Tuchspenden legierten 300 Gulden lebenslänglich zu genießen hatte, starb in diesem Jahre, und wurde daher zum ersten Male für 15 Gulden Tuch, drei Stücke, durch die Kastenvorsteher an Arme verteilt. Hans Brade, den man am 5. Oktober vor dem Hallischen Tore auf dem Steinwege erschlagen fand, ward am 7. in der Stille begraben.


1561

Auf dem Landtag in Torgau, den 3. Juni, an welchem von vier zwei Ratsherren teilnahmen, verwilligten die Stände vom Schocke 6 Pfennige und die Tranksteuer auf acht Jahre. Dem Pfarrer in Brinnis, Christoph Döring, Sohn des hiesigen Bürgers Gregor Döring, welcher am 17. Juni mit der nachgelassenen Tochter des vormaligen Pfarrers Simon Kottwitz, Elisabeth, Hochzeit hielt, gab der Rat 55 Kannen Wein, dem Superintendenten, Dr. Rumbaum aber, welcher sich am 25. November mit Regine, des Bürgers Christoph Blasebalgs in Leipzig nachgelassener Tochter ehelich verband, einen silbernen Becher als Hochzeitsgeschenk. Die Edelleute verbrauchten bei ihrem Tanze Petri Paul drei Faß Torgauisches Bier, die Kantorei bei ihrem Schmause eine Kufe. Die Wagner, welche einem Meister wegen Beleidigung eine Handwerksbuße auferlegten, wurden wegen angemaßter Gerichte mit 4 Schocken Strafe belegt. Man fing an, den Chor der Frauenkirche zu Aufnahme der Leichenbegleiter einzurichten und ließ das baufällige Türmchen über demselben, in welchem die Meßglocke gehangen, abtragen. Die Nabe im Gewölbe, durch welche das Glockenseil gezogen war, ist geblieben, und selbst von klugen Leuten neuerer Zeit, die wohl etwas Besseres wissen konnten, für das Rad gehalten worden, welches man auf dem Platze des Chores, vor dem Baue der Kirche, zu Hinrichtung der Verbrecher gebraucht, und zum Andenken eingemauert haben soll. Bei der Taufe der Tochter des Amtsschössers Lotter, Judith, am 23. August, waren die Fürsten zu Anhalt, Wolf, Joachim Ernst und Ernst, Brüder und Vettern; auf der Reise nach Leipzig begriffen, der Doktor Abraham von Yak, Wolf von Canitz, Paul Spiegel zu Gruna, Seyfart von Schönfeld auf Löbnitz; und die Gattin des Kilian Külewein aus Leipzig, als Taufzeugen gegenwärtig. An die Vermählung der hinterlassenen Tochter des Kurfürsten Moritz, Anna, mit dem Grafen Wilhelm von Nassau, und Prinzen von Oranien, Statthalter zu Brabant, Holland pp. in der Nikolaikirche zu Leipzig, am 24. August, schloß sich auf Veranstaltung des Kurfürsten eins der prachtvollsten Hochzeitsfeste von siebentägiger Dauer, welches nicht weniger als 5500 Gästen, zum Teil fürstlichen Standes, mit kostspieligen Schmausereien und Spielen, Rennen, Aufzügen von Bergleuten und Innungen, sogar entlegener Städte, die möglichste Unterhaltung gab. Es stehet urkundlich fest, daß dabei nur an Getreide und Getränk 4000 Scheffel Weizen, 8000 Scheffel Roggen, 13 000 Scheffel Hafer, 3600 Eimer Wein, 1600 Faß Bier verwendet worden sind, und wird man den Aufwand von Hafer umso weniger bezweifeln, wenn man erfährt, daß allein der Bräutigam und sein Gefolge an Grafen und Herren mit 1160 Pferden eingezogen ist. Auch hiesige Stadt mußte auf gnädigstes Gesinnen und Begehren auf die Zeit dieser hochzeitlichen Freude vier auserlesene Bürger, als Trabanten, nach vorgeschriebenem Muster, mit Hosen, Wams, Harzkappen, sonderlichen Binden [von schwarzer und gelber Seide], Barett, Federn, kleiden und mit anderen zehn ansehnlichen starken Bürgern, in guter Rüstung - Sturmhaube pp. Spießen - nach Leipzig schicken, auf welche Bekleidung und Verzierung der Spieße [mit schwarzen und gelben Fähnlein] die Kämmereikasse 18 Schock verwendet hat. Der Amtsschösser Lotter wollte ungefragt, aus eigenem Stolze und Übermute in dem Brauhause der Kirche ein Bier aufs Schloß brauen, welches man nicht gestatten konnte und deshalb mit ihm in Prozeß geriet. Auf Bitte des vormaligen Amtmannes, Valentin Kirchhof, welcher jetzt hier auf seinem Freihause an der Doktorei lebte, befahl der Kurfürst dem Rate, ihm und den Nachbesitzern dieses Hauses die Betreibung bürgerlicher Nahrung, brauen, schenken usw. gegen Aufgebung der bisherigen, vom Kurfürsten Moritz gegebenen Freiheit [s. 1550] und Übernahme aller Bürgerpflichten und Abgaben mit der Bemerkung, daß es nicht nur dem Staate, sondern auch der Stadt nützlich sei, zu gestatten. So gleichgültig nun aber auch diese Veränderung des bemerkten Nutzes wegen erschien, war sie doch in Betracht, daß die Freiheit des Hauses sich auf das Leben des Bittstellers beschränkte, die bisher berechtigten Brauer um ein Los zurücken mußten, eine große Begünstigung.


1562

Der Amtsschösser Lotter, nach allem, was hier und da über ihn bemerkt wird, zu schließen, ein für sein Amt und Vermögen zu vornehmer Mann, über dessen Amtsführung nicht gut ablehnbare Beschwerden eingingen, die ihm dem höheren Schutze, dessen er sich früher erfreut haben mochte, entfremdeten, geriet noch durch zu kostbare Verwendung seines Vermögens in die Hände strenger, vielleicht mutwillig verletzter Gläubiger, die ihn persönlich angriffen, zur Haft brachten, von welcher der Verlust des Amtes eine unvermeidliche Folge war. Es wird daher schon in den ersten Monaten dieses Jahres der Mr. Esaias Richter, ein Sohn des hiesigen Bürgers Wolf Richter, welcher in Leipzig die Rechte studiert und das Magisterium erlangt hatte, als Amtsschösser aufgeführt. Lotter starb urbeamtet 1572 und seine Witwe Sybilla 1609 in Dresden. hochbetagt. Die Familie von Pak, deren Ahnherr, Dr. Johann von Pak, den Altar der heiligen Anna in hiesiger Kirche gestiftet hatte, widersprach der visitatorischen Verordnung, welche die Einkünfte des erledigten Lehnes dem Gotteskasten überwies und verlangte sie, auf einen Vertrag vom Jahre 1544 Bezug Nehmend, für die Kirchen ihres Patronats, das Konsitorium entschied aber am 10. August gegen sie, und die Vorsteher der Kirche verkauften noch in diesem Jahre das zu dem Lehn gehörige Haus für 300 Gülden an den Bürger Elias Treintzsch, wie bei 1511 schon bemerkt worden ist. Von dem Zuwachse, welchen der Gotteskasten durch den Verkauf des Kirchenfeldes und den Anfall des Hospital- und St. Annenlehnes erhalten hatte, konnten die Stellen der Geistlichen und Lehrer verbessert werden, und legte man schon in diesem Jahre dem Kirchensolde jedes Diakon 10 Gulden zu. Die Untersuchung gegen den Gleitsmann Caspar Süßmilch, Hans von Hierscheide u. a. wegen des 1553 in dem Riemergäßchen verübten nächtlichen Tumultes und dabei begangenen Mordes, welche, durch Begünstigung des damaligen Amtmannes Kirchhof in Weiterungen bürgerlichen Prozesses gezogen, dem Rate gegen 300 Gulden Kosten verursacht hatte, ward auf Befehl des Kurfürsten von dem Doktor der Rechte, Sebastian Hilger und Amtsschösser Hieronymus Müller, zu Leipzig, mit beider Teile Bewilligung, in der Maße, daß die Täter dem Rate 225 Gulden, in bestimmten Terminen, mit sicherer Bürgschaft zahlten, beigelegt.


1563

In früherer Zeit und bis zum Jahre 1480 mußten die Bedürfnisse des fürstlichen, stets wechselnden Hoflagers von den Städten auf jedesmalige Zuschrift ohne Rücksicht auf Nähe und Ferne zugefahren werden. Dieses änderte sich, als in dem genannten Jahre durch die Trennung der fürstlichen Brüder, Ernst und Albrecht, dauernde Hoflager entstanden, und die Städte nur die Bedürfnisse zuführten, die man aus ihrer Nähe bezog. So war hiesige Stadt und das Amt Petersberg in der Regel nur zur Anfuhre des Salzes aus Halle verpflichtet, wiewohl auch diese, auf einer Seite zwar beschränkte, auf der andern aber durch Vergrößerung des Hofstaates sich stets erweiternde Dienstpflicht, zumal wenn man das vierspännige Dienstgeschirr, was oft geschah, zur Ungebühr aufhielt, und der Ökonomie in der nötigsten Zeit entzog, nicht selten zu beschwerlichen Vorstellungen Gelegenheit gab. Diesen zu entgehen, ward in diesem Jahre die bisherige, der Zeit ohnehin nicht mehr angemessene Einrichtung des Dienstgeschirres der Städte gegen Erlegung eines jährlichen Geld-Äquivalents abgestellt, und brachte hiesige Stadt die ihr angesonnene Summe von jährlich 100 Gulden nur durch vieles Bitten auf 70 zurück. Der Rat verstattete dem Besitzer von Beerendorf, Otto Spiegel, gegen Revers ein Bier in der Stadt zu brauen; der Chirurg Hans Breuning aber, erhielt wegen seiner Geschicklichkeit vom Kurfürsten Vergünstigung, ohne den Besitz eines brauberechtigten Hauses jährlich ein Bier brauen zu dürfen, doch nur so lange er seine Kunst betrieb. Der Hirt von Brodau, welcher auf Elberitzmark hütete, ward gepfändet und der Gemeinde Quering das Hüten auf Weißiger Mark vom Amte bei Strafe untersagt, diese Strafe auch bei erneuten Versuche, nach Ausweis des Amtsbuches an ihr vollzogen. Auch die Eingriffe der Gemeinde Spröda in die Wiesenhutung auf Gerltitz wies der Schössen vom Petersberge Wolf Giessing, nach hier angestelltem Verhör in die gehörigen Grenzen zurück, wobei der Dr. Georg Coste aus Leipzig für den Rat tätig war. Am B. Juli zündete der Blitz den Schuppen des Bauhofes, doch beschränkte sich der Verlust auf dieses Gebäude. Der Bauhof umfaßte aber den Raum, auf welchem später die Malzdarre mit den ersten vier Häusern der Holzgasse entstanden ist. Einem heißen Vorsommer folgten häufige Regengüsse in der Ernte, es verdarb viel Getreide, und das erhaltene erlangte einen hohen Wert. Auch verminderte eine schnell um sich greifende Bräune den Viehbestand, die Bettler mehrten sich und man nahm, um wenigstens den Andrang fremder zu beschränken, den Knecht des Hospitals in Lohn. Die Besorgnisse, welche der Aufenthalt unruhiger Köpfe in Gotha unter dem Schutze des Herzogs, Johann Friedrich, erregte, verursachten ein Aufgebot zu vollständiger Rüstung und Bereitschaft der Bürgerschaft. Man verwendete viel auf die Obstpflanzungen des Zwingers, brachte aber die kostspieligen, unfruchtbaren Bergteile ins Retardat. Nach erlangter Überzeugung, daß sich die Gertitzer Brunnen zu einer Röhrleitung in die Stadt nicht eigneten, glaubte man wenigsten den Bach zu Anlegung einer Mühle diesseits des Rubacher Gottesacker [in der Nähe des Steinbrückchens] nützen zu müssen, es erklärte aber der herbeigezogene Mühlenmeister Köseler, von Merseburg, daß ein Mühlbau an diesem Bache wegen zu schwacher Strömung nicht rätlich sei. Am 13. November kam Brandanus von Zedlitz, ein Schlesier, der in Radegast lebte, zu Wagen hierher, stieg am Markte vor dem Stephanischen Gasthofe ab, trat in der Absicht zu morden, mit seinem Diener bewehrt in die Stube, erstach den Wirt, Bonifacius Stephan und dessen Schwager, Paul Thiele von Wiedemar, siebzigjährige wehrlose Greise, warf sich schnell in den Wagen und kam, da er nach den Verfolgern Kugeln abschoß, davon. Die Veranlassung zu dieser schändlichen Tat war eine polizeiliche Untersuchung, die er sich zugezogen, als er vor vier Jahren in diesem Gasthofe mit anderen Edelleuten herbergte und im trunknen Übermute des Wirtes Angehörige nach wörtlichen und tätlichen Beleidigungen mit Waffen überfiel. Leider gaben die Adeltänze dieser Zeit durch übermäßigen Genuß der Getränke zu blutigen Zwisten der Herren unter sich, und übermütigen Reibungen an der Bürgerschaft nicht selten Gelegenheit. Der gegen ihn eingeleitete peinliche Prozeß endete im Jahre 1568. Aus der Fischerei des Stadtgrabens lösete man 44 Schocke und verkaufte das Pfund Hecht für 16 Pf., Karpfen und großen Barsch für 9 Pf., Speisefische für 6 Pf. Für 20 Groschen kaufte man in Leipzig Messingdraht und ein Glöckchen an des Hausmannes [breiten] Turm, damit man mit dem Anschlagen unten den Turm nicht also zerschellen dürfte, auch erhielt der Hausmann ein neues Wächterhorn. Ein junger Bürger, welcher des nachts Tumult erregt hatte, mußte ein Jahr wandern. Der Rat, Pächter des kurfürstlichen Geleites seit 1558. erhielt zu Besserung der Brücken und Straßen auf fürstlichen Befehl vom 18. Mai 81 Stämme Holz am alten Hofe und die Erlaubnis zur Benutzung eines besonderen Abteiles des Landsberger Steinbruches - unentgeltlich.


1564

Die Pacht des Amtsgeleites ward vom Kurfürsten am 23. Januar auf drei Jahre verlängert. Für Aufsetzung der Spille des Rathausturmes, welche ein heftiger Sturm mit Knopf und Fahne herabwarf, erhielt der Schieferdecker 24 Groschen. Der Rat verehrte der Kantorei, welche den 15. Februar die Komödie oder das Spiel: Joseph und seine Brüder in der Kirche agierte, drei Taler an Wein und Bier. Dieses in der Kirche aufgeführte Spiel war eine Art Oratorium. Die dazu gehörigen Personen traten nicht eigentlich agierend, sondern nur rezitierend und singend auf, wie später in den Passionen. Man fand den Bruder des Schafmeisters und Schäfereipächters, Georg Ziebart, im Kosebruch bei der Herde ermordet, desgleichen einen Unbekannten im Stadtgebiet, welchen man am 25. Mai im Hospital begrub, wo auch Hans Nösselt aus Pohritzsch, den man zerschlagen zur Heilung hierher brachte, am 30. desselben Monats beerdigt ward. Der Rat ließ im Kosebruch auf Amtsgebiet, wo der Stadt die Hutung zustand, die besömmerte Brache durch Hirten abhüten. Der Amtsschösser , behauptete zwar, als er am 24. Mai mit Sigmund von Miltitz auf Schenkenberg die Stelle besichtigte, es sei ein beschwerlicher Eingriff in des Amts Gerichtsbarkeit, und behielt sich auf den Einwand des Rates, daß er sich nur seines guten Rechts bedienet, die Berichterstattung an den Kurfürsten vor, die Sache hatte aber weiter keinen Erfolg, und die Sömmerung unterblieb. Die Ermordung des Schafmeisters Ziebart hatte vielleicht mit dieser Fruchtabhütung Zusammenhang, doch ist sie nirgends in Beziehung gebracht. Die Frauenkirche ward zu einem Schüttboden eingerichtet, in der Schäferei ein neuer Brunnen gegraben und ein Stück Steinpflaster des Marktes von 43 Ruten durch den Steinsetzer Jacob Horn aus Oschatz, welcher für die Rute 9 Groschen Lohn empfing, umgelegt. Der Bürger Jacob Busch starb, als er in dem Keller nach seinem in Gärung liegenden Gebräude sehen wollte, an Erstickung. Der Rat zahlte der Kirche 1000 Gulden Kapital, welche die Stadt mit 100 Gulden vom Altar Katharinae zu Erlangung der Gerichtsbarkeit, 1430; 500 Gulden 1474 vom Altar des Heiligen Kreuzes, zum Bau der Stadtmühle, 100 Gulden 1495 vom Altar Katharinae aus Georg Kropheusers Testament, 50 Gulden 1513 vom Altar Jacobi aus Simon Langens Stiftung; 50 Gulden 1513 von der Lesemesse; 100 Gulden 1519 vom Altar des Heiligen Kreuzes; und 100 Gulden 1527 vom Kaland geliehen hatte, der Kirche aber bei der Visitation zugefallen war, am 27. September zurück. Auch zahlte er dem alten Amt- und Hauptmann Valentin Kirchhof auf das Kapital der 1500 Gulden, welches er dem Rat 1560 für den Kurfürsten geliehen hatte, den gekündigten Rest von 800 Gulden, zu welcher Zahlung aber ein neues Darlehen von 600 Gulden von der Kirche genommen ward. Ulrich Kellner, ein deutscher Schreibe- und Rechenmeister aus Eisleben, erlangte das Bürgerrecht. Der Amtsschösser Magister Esaias Richter legte sein Amt nieder und übernahm es Gregor Fiedler, ein Sohn des hiesigen Bürgers. Hans Fiedler, welcher in Wittenberg studiert und sich 1559 mit der Tochter des Bürgermeisters Költzsch, Sabina, ehelich verbunden hatte.


1565

Die meisten Amtleute der Zeit glaubten, es gehöre zum Amte und gäbe Ansehen, wenn sie den Interessen der Städte und ihren Förderern möglichst entgegenträten. Gelegenheit zu Reibungen der Art gab früher der allerdings nicht genug begrenzte Umfang der Gerichtsbarkeit, in neuester Zeit aber das Gut der aufgelösten Altäre, welches nach ihrer Ansicht mit zu weniger Rücksicht auf den Fiskus im Amtsbereiche verwendet ward. So war denn auch dem jetzigen Amtmanne die in ein Ratsschütthaus verwandelte Frauenkirche etwas Unbilliges und es gelang, wahrscheinlich durch Vorspiegelung von Unentbehrlichkeit, daß der Rat den Schüttboden für das Amt zu räumen Befehl erhielt. Obschon nur dieser Befehl bei berichtlicher Erinnerung des Rates an die kurfürstliche Übereignungsurkunde des Jahres 1559 erfolglos bleiben mußte, erschien es doch Tätlich, den bis jetzt nur eingerichteten Boden auch wirklich zu nutzen, und man brachte sogleich Getreide dahin. Am 10. Februar starb Gregor Güttner, Ratsherr seit 1553, und beschloß der Rat an seinem Begräbnistage, daß den Erben amtierender Ratsmitglieder, welche im Laufe des mit Johannis und Weihnachten endenden Halbjahres stürben, der volle Gehalt dieses Sterbehalbjahres überlassen werden solle, welcher bisher vom Sterbetage an dem Stellvertreter oder Nachfolger zugekommen war. Es betrug aber seit 1560 der gewisse, jährliche Gehalt des Bürgermeister 8°/s, der übrigen 4=/:3 Schock. Die 1553 angelegte Wasserkunst war ein verfehltes unbrauchbares Werk. Man schaffte sie weg und verkaufte das messinge Gerät für 17 1/3 Schock. Dieses gelöste Geld, mit anderem, verwendete man auf die 1537 unterbrochene Besserung des ungleichen, schmutzigen Weges, der von der Hintergasse nach dem freien Platze der Pforte führte, der auch gar sehr im argen lag. Es befand sich aber hier, zum Teil auf der Stelle des Hauses Nr. 200 des vierten Viertels, der Teich der alten 1410 aus der Stadt gebrachten Mühle, dessen man sich als Waschstätte, Viehtränke, leider auch zu Entledigung von Scherben, Federn usw. bediente, und viel Schutt des ehemaligen Mühlgebäudes, den man räumen, und die Tränke durch Legung abhängigen Steinpflasters zugänglicher machen ließ. Mehr konnte man jetzt nicht tun und erst im Jahre 1579 ward dieses unsaubere, oft üble Gerüche verbreitende Stück durch Ausfüllung des Teiches, Ebnung und Anlegung der Schleuse unter der Stadtmauer in Ordnung gebracht. Das diesjährige neue Steinpflaster, 75 Ruten, legte der Steinsetzer Dietze aus Zörbig, dem man für die Rute 9 Gr. gab. Die Ehefrau des Wenzel Stäter, aus Mocherwitz, welche am 18. Februar hier Markt gehalten hatte; setzte ihren gebrauchten, aber ungelöschten hohlen Topf auf den Wagen, das auf diesem liegende Stroh zündete und der Wagen ging auf offener Straße der Vorstadt im Feuer auf. Diese Unvorsichtigkeit wurde polizeilich mit. zwei Talern bestraft. Der vierzehnjährige Sohn des Einwohners Thomas Böhme in Lissa, Martin, den man hier vom Blasensteine durch den Schnitt befreite, starb am 7. März, zwei Tage nach der Operation. Die Strafe des Staupenschlages erlitt am 21. Mai ein Verbrecher, David Wilhelm, welche der hier gegenwärtige Amtsschösser von Bitterfeld, Valentin Scheller, vollziehen ließ. Der durch Krankheit und häusliche Not hart gebeugte Ratsherr Rügezelt verbarg am 13. April beim Auszählen des zu nötigen Ausgaben bestimmten Geldes aus der Kasse des Rathauses in Gegenwart der Kämmerer, die es empfangen sollten, drei Schock 10 Gr. 3 Pfennig Dreier und gestand auf Vorhaltung die Absicht der Aneignung. Man behandelte ihn, wegen seiner vielfachen Verdienste um die Stadt äußerst schonend, nahm an, daß die Untat, da er sonst ein unbescholtener Mann, mehr aus Blödigkeit seiner Vernunft, die durch eine vierjährige Hauptkrankheit augenscheinlich geschwächt worden, geschehen, befahl ihm zwar, sich aus seinem Hause nicht zu entfernen, gab ihn aber, nachdem man vom Hofgerichte zu Wittenberg auf eine unter fremden Namen gestellte Urteilsfrage die Antwort: „Es wäre denn; daß er solches aus Schwachheit seiner Vernunft und Wahnwitz neuerm Berichte nach getan, und möchte solches wie Recht dargetan worden, auf den Fall würde ihn solche Strafe (des Staupenschlags) gegen Erstattung des abgezogenen Geldes billig erlassen," erlassen hatte, er freiwillig aus dem Rate schied und das Geld zu erstatten versprach, gänzlich frei und erließ ihm, als sich auch der Kurfürst für ihn verwendete, nicht nur die Hälfte der zum Ankauf seines Hauses 1553 geliehenen 300 Gulden, sondern die ganze Schuld. Er war auch nach seinem Austritte aus dem Rate der Stadt nach Kräften nützlich und starb 1574 arm mit Hinterlassung der Witwe Elisabeth, die als geschickte Jungfrauschulmeisterin in größter Achtung stand. Auf kurfürstlichen Befehl berichtete der Rat über den jährlichen Verbrauch an Alaun, Weinstein und Kupferwasser hiesigen Orts, und zog deshalb bei den Tuchmachern Erkundigung ein. Die Hutmacherinnung entstand und hatte zu Unterhaltung der Armen der Kirche einen Gulden vom Meisterrechte, 4 Groschen vom Aufdingen und 2'-/2 Groschen Strafe bei Gotteslästerung und Beschimpfung eines Genossen zu erlegen. In der Schule ward wegen der wachsenden Zahl der Knaben ein vierter Lehrer, unter dem Namen Collaborator und Adjunkt angestellt, wobei jedoch der Kirchner nach wie vor in dem Elementarunterrichte behilflich war. Dieser erste Collaborator war George Thamm, ein Sohn des hiesigen Bürgermeisters Clemens Thamm, welcher in Wittenberg studiert und 1563 ein Schulamt in Goslar angenommen hatte. Er trat das hiesige in folgendem Jahre an, kam aber 1568 in den Rat und starb als Bürgermeister am 24. März 1585. Der breite, zum Teil noch mit Hohlziegeln belegte Turm, erhielt ein Schieferdach, einen neuen Knopf und ward nach seiner ganzen Höhe mit Kalk betüncht. Man brauchte zur Bedeckung 150 Zentner Schiefer, den man von Wurzbach, drei Meilen von Saalfeld, bezog. Der 261/2 Pfund schwere Knopf, welchen der Kupferschmied Lebener in Leipzig fertigte, kostete zwei Schock und dem Schieferdecker Hans Koch, welcher ihn mit Einlegung eines Betbüchleins aufsetzte, gab man außer dem bedungenen Arbeitslohn (81/3 Schock für die Bedachung, 71/3 Schock für das Tünchen) einige Eilen Leinwand als besonderes Geschenk. Am 9. August kam die Ehefrau des Bürgers Caspar Knoblauch mit Drillingen nieder, die aber, in der Taufe Adam, Eva, Johannes genannt, am dritten Tage starben. Der von Schick auf Reinsdorf erhielt vom Amtmanne Befehl, sich des Brauens zu enthalten. Die im Lande sich verbreitende Pest näherte sich Anfang November und ergriff zuerst das Dorf Kertitz, welches eine große Zahl seiner Einwohner verlor. Die Stadt blieb in diesem Jahr noch verschont, doch nahm man eiligst Pesttotengräber an, und besetzte, Verdächtige zu entfernen, die Zugänge der Stadt. Der Martini-Jahrmarkt ward abgesagt. Die Totengräber, weil sie noch untätig waren, empfingen Wartegeld, ihr versprochener Lohn aber war drei Groschen vom Begräbnisse Erwachsener, über 12 Jahr, von Kindern die Hälfte. Ein Scheffel Weizen galt 12, Samengerste 8, andere Gerste 5 bis 6 Groschen. An die Stelle des in den Rat getretenen Georg Kirchhof, dritten Schullehrers, kam der Sohn eines hiesigen Bürgers, Martinus Prantz, welcher in Pforte und Leipzig studiert hatte.


1566

Der Bürgermeister Peter Walter, ein 79jähriger Greis (geb. 1487) verehelichte sich am 5. Februar mit einem jungen Mädchen, Anna, Oswald Greffens Tochter, und ward im Hause getraut. Der Rat .gab die seit 1551 auf dem angewiesenen Angerplatze nach und nach entstandenen Gerberhäuser den Eignern mit der Bedingung, daß sie nur an Gerber vererbt werden könnten, am 12. März in Lehn. Es waren,9 an der Zahl und die Gerbermeister Adam Fiedler, Matthäus Graßhof, Stephan Kothe, Ambrosius Schütze, Thomas Richter, Martin Nagel, Andreas Eckhard, Lampert Barth, Daniel Böhmer, ihre ersten Besitzer. Die Schullehrerstellen zu bessern, erlaubte man auch hier den GregoriusUmgang. Der Gregoriustag (12. März) war früher schon ein Festtag der Schule, an welchem der Schulmeister (Rektor) die neuen Schüler aufnahm, und durch einen der geschicktesten Knaben, in bischöflicher Tracht, dem, vier andere als Diakonen und Trabanten dienten, zu fleißigem Schulbesuche ermuntern, auch mit Backwerk beschenken ließ. Es gereicht der Stadt zur Ehre, daß dieses aus den engen Mauern der Schule auf die Straße gebrachte Fest die Schranken der Sittlichkeit nie überstieg, doch kann man die nicht tadeln, denen der Kinderauszug in neuester Zeit in Überladung mit Spießen und Stangen mißfällig wird. (Hierher gehören eine Anzahl beliebter Gregorius-Gesänge) ... und Lieder des Rektors Mr. Ludwig Helmhold, von welchem eines lautet: Ihr Alten pflegt zu sagen von euren Kinderlein, sie werden uns verjagen, freilich wirds also sein. Alle großen Herren wandeln mit einem Kinde, daß es dereinst sich finde zu ihren Stand und Ehrn. Ach, daß ihr das bedächtet, ihr Ältern dieser Zeit, zur Schul die Knaben brächtet und Lehr für die bereit. Am 12. Mai spielten die Gewerke des Böttcherhandwerks das Spiel von den zehn Altern auf dem Rathause, und verehrte ihnen der Rat für einen Taler Wein und Bier. Ebensoviel an Getränk erhielten vier Gesellen aus Salze, die das Leiden des Herrn und andere biblischen Geschichten mit kleinen artigen Figuren von besonderer Behendigkeit agierten. Das Spiel der zehn Alter war nicht lange vorher unter dem Titel: Zehn Alter, ein schön und nützlich Spiel, darinnen der jetzigen Welt Art und Sitten wird angezeigt, samt schönen Sprüchen aus der heiligen Schrift. Jetzt neulich verbessert und mit schönen Figuren geziert, zu Basel in Druck erschienen. Es finden sich hier die bekannten Reime: Zehn Jahre ein Kind, zwanzig Jahr ein Jüngling, dreißig Jahr ein Mann, vierzig Jahr stille stahn, fünfzig Jahr wohlgetan, sechzig Jahr abgahn, siebzig Jahr Dein Seel bewahr, achtzig Jahr der Welt Narr, neunzig Jahr der Kinder Spott, hundert Jahr nun gnad Dir Gott; welches sich Jahrhunderte auf Bilderbogen unter dem Titel: Des menschlichen Alters Stufen erhielten. Personen dieser zehn Stufen, welche mit den ihrem Alter eigenen Untugenden auftreten, werden von einem Einsiedler gewarnt und mit Sprüchen eines Besseren belehrt, wovon ihm der in mancherlei Gestalten erscheinende und verlockende Teufel vergebens abzubringen sucht. Der Pacht des Schloßgrabens wurde dem Rate mit Bedingung angeboten, die ihm nicht annehmlich schienen, daher er ihn ausschlug. Da sich seit einiger Zeit die Mieten [Miethäuser], durch Einbau in die Gehöfte zur Ungebühr und nicht geringer Gefahr der Stadt mehrten, so beschloß der Rat am 30. Mai, daß künftig dergleichen ohne ausdrückliche Erlaubnis des Rates nicht. errichtet werden sollten und belegte die bestehenden, so lange sie von Mietsleuten bewohnt wurden, mit 8 Groschen jährlichem Schoß. Man zählte 39 (Miethäuser) in der Stadt und 21 in der Vorstadt. Die besorgliche Gefahr lag zum Teil in der leichten Bauart und Verengung der Gehöfte, hauptsächlich aber in der Anhäufung von Fremden, deren Gewerbe zweideutig, oder gegen Verarmung nicht genug gesichert war. Am 15. Oktober starb Hedwig, Gattin des Heinrich Grünthal. Sie war eine Tochter des wohlhabenden Bürgers Anton Fleischer, Besitzer des Eckhauses am Markte Nr. 170; heiratete erst den Besitzer des Nachbarhauses Nr. 171, Mittelbach, den sie beerbte, und dann den Grünthal, einen armen Gesellen, mit sie glücklich lebte, und ihm in einem gegenseitigen Testamente vom 14. Januar 1564 mit Ausnahme einiger Vermächtnisse ihr ganzes Vermögen verschrieb. Von ihr und ihrem Manne kam das Grünthalische Tuchgestift, nach welchem die eine Hälfte der Zinsen von 200 Rheinischen Gulden Stiftungskapital auf Bekleidung Hausarmer, die zweite auf Bekleidung armer Schüler verwendet werden sollte, und bis zum Dreißigjährigen Kriege auch wirklich verwendet worden ist. Von dieser Stiftung hafteten 1797 noch 100 Gulden auf dem Hause Nr. 171, der Besitzer zahlte sie aber in diesem Jahre mit 87 rh. 12 gr. -, 2 Gr. 8 Pf Stückzinsen, 6 rh. 3 gr. - Agio, in Summe 93 Taler 17 Gr. 8 Pf. an den Rat, welcher sie für ein der Kommun gehöriges Kapital angenommen, in Rechnung gebracht und in dem gemeinen Nutzen verwendet hat. Einen Bettelknaben fand man am 16. November erfroren am breiten Tor. Die Pest, welche im Dezember vorigen Jahres die meisten umliegenden Dörfer ergriffen hatte, kam im Januar dieses Jahres auch in die Stadt und verbreitete sich von Pfingsten nach allen Seiten. In vielen Häusern legten sich alle Bewohner, welche man verschloß und durch die Pesttotengräber, deren man noch drei annahm, mit dem nötigsten versehen ließ. In den Monaten September, Oktober und November, wo sie den höchsten Grad der Gefährlichkeit erreichte, mußten die Toten auf Wagen weggebracht werden, und ward ein Bürger angestellt, der auf dem Begräbnisplatze die Totengräber beaufsichtigte und für die Tiefe der Gräber Sorge trug. Den Wagen umgab ein schwarzes Behänge mit aschfarbenem Kreuz. Die Krankheit tötete so schnell, daß viele in der Nähe der Stadt. befallene nicht ihre Wohnung erreichten, sondern auf der Straße den Tod fanden. Ganze Familien wurden hingerafft, wie die des Ratsherren Mr. Blum, und verlor allein das Ratscollegium, außer dem Mr. Joachim Blum, welcher am 4. September starb, 6 seiner Mitglieder, Balthasar Hartmann am 21. Januar, Valentin Schütz am 1. Februar, Peter Greffe am 20. März, Paul Hintzsch am 22. Juli, Matthäus Gurre am 1. August, Ulrich Kirchhof am 14. August. Die Zahl der Toten war 482. Zu dieser Krankheitsnot kam noch ein gänzlicher Stillstand des Gewerbes, auf den Jahrmärkten erschien weder Verkäufer noch Käufer und auch die Wochenmärkte waren wenig besucht, so daß es oft an den nötigsten Lebensbedürfnissen gebrach. Der Scheffel Roggen galt 7 bis 9, die Gerste 5 1/2 Groschen.


1567

Auch in diesem Jahre forderte die Pest Opfer. Ganze Familien, wie die des Organisten Moritz Lunau, rieb sie auf. Auch starb daran von Beamten der Schullehrer Martin Prantz in der Stube des Rektors... Zu der Belagerung von Gotha mußte die Stadt Säcke liefern, und der Rat trat deshalb mit dem kurfürstlichen Befehlshaber Hans Frank vor Gotha in Unterhandlung. Auch zog man, den Kriegsaufwand zu decken, die besteuerten Güter willkürlich im Werte auf und ward namentlich die Schäferei des Rates von 500 auf 2000 Gulden erhöht. Zum Glück endete die Fehde und der hier sehr beschwerliche Wachdienst der Bürgerschaft. Bisher überließ man den Unterricht der jungen Töchter, der mit den Knaben nie gemeinschaftlich war, hierzu geschickten Weibern, regelmäßig Witwen von gutem Ruf, in ihren Wohnungen, ohne an eine oder die andere besonders gebunden zu sein. Dieser Unterricht beschränkte sich zwar in der Hauptsache nur auf die einfachsten Lehren des Christentums und das unentbehrliche Rechnen und Schreiben, umfaßte aber daneben die Bildung für den äußerlichen Anstand und für künftige; hausmütterliche Beschäftigung. Daß viele Witwen dieser Zeit große Wirtschaften allein und gut führten, des Schreibens und Rechnens kundig waren, beweiset wenigsten für die Tüchtigkeit der Lehrerinnen und Nützlichkeit der Einrichtung, die nur dadurch gewinnen konnte, daß man sie nach der. Grundsätzen der Reformation in eine allgemeine, der Aufsicht bequemere Anstalt, in eine öffentliche Schule, verwandelte, wozu die zufällige Feilwerdung eines Hauses am Kirchhofe erwünschte Gelegenheit bot. Es war das brauberechtigte Haus neben der Küsterwohnung, welches die im vorigen Jahre ausgestorbene Familie des Ratsherren Mg. Blum, der Mutter der Blum, einer verehelichten Seydel, erblich hinterließ. Der Rat kaufte es für 490 Gülden und verwendete im folgenden Jahre auf die innere Einrichtung noch gegen 40 Schock. Für das Wesentliche, den Schulunterricht, sorgte man 1569 und von da kam das Gebäude als Jungfrauenschule in den öffentlichen Brauch. Barbara Schönemann aus Krostitz bei Hohenleina, erstickte am 8: Mai in Gertitz, wo sie diente, ihr Kind, welches sie mit einem ledigen Gesellen, Schwarze in Wolteritz, außer der Ehe gezeugt hatte, und ward am 4. Juli vor dem Dorfe Gertitz, auf Vorbitte der Geistlichkeit, da sie erst gesäckt, dann bei Vorstellung des Wassermangels gerädert werden sollte, mit dem Schwerte hingerichtet, der Leichnam aber im Hospitale begraben. Den durch Bühnaus Tod erledigten Organistendienst suchte und erhielt Andreas Fischer aus Aschersleben am 7. August. Das Getreide stand in hohem Preis. Der Scheffel Weizen galt 13, Roggen 15, Gerste 17, Hafer 6 und 7 Groschen. Mehrere kranke Familien erhielten vom Rate unentgeltlich Roggen und 343 Scheffel ließ er von seinen Vorräten um einen geringeren Preis. Dabei war strenge Aufsicht auf die Bäcker, die man wegen leichten und schlechten Gebäckes bald mit Geld, bald mit Gefängnis strafte. Gepfropfte Baumstämme kaufte man in Großdeuben für die Zwinger, auf deren Obstanlagen man seit einigen Jahren viel verwendete. Die Benndorfer Zinsen, welche man bisher an Ort und Stelle erhob, brachten die Zinspflichtigen von nun an an einem bestimmten Tag in die Stadt. Die Stadt Jeßnitz, welche durch Verwahrlosung 42 Häuser, und Colditz, welches am 23. Juli 21 Häuser im Feuer verlor, unterstützte man durch ansehnliche Geldbeträge. Am 17. Dezember ward ein Dieb, Bernhard Wald, mit dem Strange hingerichtet. Die Essen der Ratsgebäude reinigte ein Schlotfeger Hans Petrino aus Mailand für jährlich 1 Taler. In der peinlichen Sache des Brandanus von Zedlitz (s. 1563) kam im August ein Urteil der Leipziger Schöppen, welches ihm die Acht zusprach. Der Kurfürst, seit 1563 vielseitig selbst von fürstlichen Personen, namentlich von dem Herzoge Joachim Ernst und Bernhard von Anhalt vergebens angegangen, den Verbrecher zu begnadigen, ließ sich endlich doch bewegen und gab ihn unter der Bedingung frei, daß er dem Rate die Kosten erstatte und 200 Gulden an das Hospital zahle.


1568

Thomas Gelicke, der Sohn des gewesenen Ratsherren Lukas Gelicke, welcher von 1552 ab in Leipzig studiert, 1557-67 das Pfarramt in Wolteritz verwaltet, dieses aber im vorigen Jahre mit Bewilligung des Konsistoriums aufgegeben, sich hier ansässig gemacht und verehelicht hatte, starb am 9. Januar an der noch nicht beruhigten Pest. Der Rat gab der jungen Bürgerschaft, welche zu Fastnachten die Komödie des Hans Sachs vom verlorenen Sohn auf dem Rathause spielte, für 3 Taler, der Kantorei für Vorstellung der Auferstehung des Herrn in der Kirche mittwochs in der Osterwoche 5 Taler an Wein und Bier. Da bei Auswägung des Fleisches, Speckes, Unschlittes verschiedenartige, ungleiche auch unrichtige Gewichte im Gebrauche waren, so ließ der Rat von dem Rotgießer Lenz für 180 Taler messingene Gewichte aller Größen gießen, mit des Rates Zeichen versehen und verkaufte sie nach und nach an die Fleischer, Lesterer, Höken, die sich von nun an der alten bei Strafe nicht mehr bedienen durften. Dieses Gewicht stimmte genau mit dem Nürnberger Kram- und Spezereigewichte und hielt der Zentner 100 der Stein 20 Pfund. Auf Anlaß des von Miltitz auf Schenkenberg, welcher die jüngste Veränderung an der Stadtmühle für die Untermühle beschwerlich hielt, ließ der Rat am B. Mai durch drei geschworne Müller, Andreas Wegner von Leipzig, Simon Bartzsch von Blasern und Peter Zöner aus Connewitz den Bau untersuchen, und die Plattenpfähle zum Fachbaume und Überfalle nach ihrer Anweisung stoßen. Ein gleiches geschah bei der Zschepener Mühle. Zugleich ward der Lober im Ratsgebiete gehoben, gereiniget und durch Zurückschiebung des Färbehauses und Wegschaffung der Höhe, worauf es stand, erweitert. Man wünschte ein gemeines Backhaus für das Hausbacken. Der Rat kaufte dazu das Haus des Peter Rötzsch an der alten Wäsche und Mühle (Pforte) Num. 201, für 110 Gulden, baute auch einen Backofen. Die Einrichtung war aber nicht von Dauer. Seit längerer Zeit bewohnten die Stadtschreiber ihre eigenen Häuser. Die früher gemietete Dienstwohnung derselben, das Lehn-Jacobi, war für das täglich sich erweiternde Geschäft viel zu klein, dabei abgelegen und bei Feuersgefahr unsicher. Man dachte daher schon seit einigen Jahren, weil dieser Beamtete zunächst das Rathaus beaufsichtigte und nicht nur die gangbaren Aktenstücke, sondern oft die wichtigsten Urkunden und Schriften des Archivs um sich haben mußte, auf den Bau eines dem Rathause nahen, feuerfesten Gebäudes und fand jetzt dazu erwünschte Gelegenheit. Der Bürger Joachim Wiederitz, Besitzer des Hauses Nr. 91 der Rittergasse überließ ihm von seinem Gehöfte einen Raum von 17 Ellen Breite und 73 Ellen Tiefe über 100 Gulden, die Quadratelle zu 20 Pfennigen, und noch in diesem Jahre brachte man zur Begründung die nötigen Steine dahin. Auch baute der Rat in diesem Sommer vier neue Häuser auf den Bauhof in der Holzgasse und verkaufte das erste von der Mauer, das Eckhaus an Benno Klingenstein für 320, das zweite an den Drechsler Hans Bornack für 300, das dritte an Joachim Spieler für 325, das vierte an Gregor Seydel für 300 Gulden - die Nummern 50, 51, 52 und 53. Das Termineihaus [das alte große Gebäude und Haus der Terminei], welches gegen die Gasse 10 Ellen zurückstand, ward von dem Zimmermeister Jacob mit Schrauben, die man von dem Müller in Bitterfeld borgte, vorgebracht und somit diese Seite der Holzgasse geschlossen. Ein Steinsetzer aus Leipzig pflasterte das Gäßchen der Doktorei (34 Ruten) und die alte Zscherne (46 Ruten) und gab jeder Bürger vor seinem Haus 10 Groschen für die Rute Lohn, Steine, Sand und Handarbeit der Rat. In der alten Zscherne befand sich ein öffentlicher Brunnen, welcher mit dem Gasthofe Gehöfte (Num. 35) des Thomas Hildebrand auf ungeschickte Art winkelte und Gelegenheit zu Aufschüttung von Uneinigkeiten gab. Diesen Winkel und Brunnen überließ man dem Hildebrand zu seinem Gehöfte mit der Bedingung, eine Türe nach der Gasse zu halten und sie im Falle der Not zu öffnen. Martin Barth, der Schäfer von Döbernitz entleibte den Schafknecht Bartholomäus Berthold unter Otto Spiegels auf Beerendorf Gerichtsbarkeit, die Untersuchung ward aber auf dessen Gesuch hier geführt. Es trat ein zeitiger heftiger Winter ein und mußten die Viertelsherren fleißig in den Darren nachsehen. Barbara, Caspar Lenzens Eheweib, welche mit einem Badergesellen verdächtigen Briefwechsel führte, ward nach eingeholtem Urteile am 10. Dezember verwiesen; durch das Amt aber am 15. desselben Monats Franz Tronicke von Halle, vormittags 9 Uhr mit dem Schwerte hingerichtet. Die kurfürstlichen Räte und Befehlshaber Dr. Sebastian Hillinger und Georg Winkler von Eilenburg verhandelten hier am 22. Dezember wegen Verpachtung des Heerwagens. Der Scheffel Weizen galt 17, Roggen 17, Wintergerste 7 1/2 Groschen.


1569

Am 6. Januar vereinigten sich die drei Räte über Feststellung des Gehaltes der anzunehmenden Jungfrauschulmeisterin, und sicherten ihr, jedoch mit Vorbehalt künftiger zeitgemäßer Änderung, jährlich 20 Gulden und Schul-, Holz- und Pflichtgeld zu. Das jährliche Schulgeld ward mit 8 Groschen, das Holz- und Lichtgeld auf 1'/3 Groschen festgesetzt und durfte nicht erhöht werden. Den festen jährlichen Gehalt der 20 Gulden hätte eigentlich der Gotteskasten geben sollen, man schonte ihn aber und bildete den Fonds aus den Vermächtnissen, welche Katharina Bun und Hedwig, die Witwe des Ratsherren Ambrosius Werdt, jene 200, diese 100 Gulden zu wohltätigen Zwecken bestimmt hatten und 100 Gulden, welche die Schuhmacherinnung, der sie aus dem Nachlasse eines Gesellen zur Erfüllung freiwillig abtrat.. Die erste in diesem Jahr angestellte Schulmeisterin war die Ehefrau des Elias Treintzsch, Anna; doch beschäftigten sich auch ferner noch andere mit dem Mägdlein-Unterricht. Die Schüler, welche in diesem Tage bei der Feierlichkeit des Ratswechsels auf dem Rathause sangen und den neuantretenden Rat mit einer lateinischen Zuschrift in Prosa oder Versen zu begrüßen pflegten, erhielten in diesem Jahr zum ersten Mal die Erlaubnis zu einem Singumgange und aus der Ratskasse 6 Groschen. Im Februar umschwärmten die Stadt viele fremde Reiter, die zur Anwerbung nach Frankreich zogen und besetzte man deshalb die Schläge mit Wachen. Der im November vorigen Jahres eingetretene harte Winter dauerte fort bis Fastnacht, wo Tauwetter und so großes Wasser entstand, daß der Fastenmarkt von nur wenigen besucht werden konnte. Am 14. Mai fand man vor dem Kohltore, rechts in den Hopfengärten auf der Pfingstwiese am Schebendamm ein fremdes, in Kindesnöten gestorbenes Weib (soll nach dem Kirchenbuche in Lissa bei Troitzsch zu Hause gewesen sein), deren noch lebendes Kind Johannes getauft und einer Frau zur Erziehung gegeben ward, am 10. Juni aber starb. Es verbreitete sich das Gerücht, daß die Städte Eisleben, Könnern und andere von Mordbrennern angesteckt worden wären, auch kam vom Kurfürsten Befehl, daß der gefährlichen Läufte halben gute Wachen gehalten werden sollten, daher nicht nur die Bürgerschaft einmal herum wachen mußte, sondern man hielt auch von Trinitatis an 12 Wochen lang vier besondere Wächter und gab jedem wöchentlich 14 Groschen Lohn. Man untersuchte dabei die Löschgerätschaften der Bürger und ordnete an, daß die Braupfannen während des Jahrmarktes mit Wasser gefüllt stehen mußten. Der, Organist Andreas Fischer legte das Amt nieder und Heinrich Thornau aus Halle kam auf Empfehlung des dasigen Organisten Sebastian Litze am 12. Juni an seine Stelle. Am 3. Juli ward das kurfürstliche Ausschreiben (Verwarnung, Gebot und Verbot), die Münze anlangend, vom 20. Juni bekannt gemacht, welches eine Menge größerer und kleinerer fremder Münzen, die mit den inländischen nicht Wert hielten, teils herabsetzte, teils gänzlich verbot. Leider entfernte auch dieser geschärfte Befehl das hier beschriebene Übel nicht, da es eine unabweisliche Folge des Münzfußes war, den zu ändern man aus politischen Gründen bedenklich fand. Dem Amtsschösser war nachgelassen, für sein Bedürfnis jährlich ein Bier in der Stadt zu brauen. Der jetzige Gregor Fiedler wollte es verzapfen, man verbot aber den Einwohnern den Kauf. So belegte man auch den Bürger Hans Arnold, welcher einViertel Eilenburger Bier in seinen Scheunhof der Vorstadt legte und austrinken ließ, mit 13 1/3 Groschen Strafe der Willkür. Man hatte im Laufe des Sommers mehrere kostspielige Baue. VomGrunde aus neu aufgeführt wurde die Brücke am Kohl- und Galgtore, das Torhaus am Galgtore und die Garküche, deren Giebel man mit 22 steinernen Knöpfen versah. Der Kirchhof der Frauenkirche erhielt mitternachtwärts eine aus Bruchsteinen geführte, getünchte und mit Ziegeln gedeckte Wellerwand, die Kirche selbst eine neue Bedachung. Die früher steinerne, aber verfallene Ringwand des Kirchhofes hatte man zu dem Neubaue der Kirche und sonst verwendet. Die Einrichtung des Backhauses an der Pforte vollendete man mit Setzung des Backofens und der Neubau der Stadtschreiberei nahm seinen Anfang. Dabei räumte man die Waschstätte bei der alten Mühle (an der Pforte), den Fischhälter bei der neuen Mühle, in welchen man einen Ständer mit Röhre brachte und hob den Graben auf dem Anger (Schießplatz) von der Schießmauer bis zu den Gerberhäusern, 56 Ruten lang. Die Beaufsichtigung der Baue, so wie überhaupt der Ratsgebäude, Felder usw. übertrug man dem Ratsherren Matthias Kohl und dem Bürger Donat Rau, die von nun unter den Namen Bauherren vorkommen und Sold empfingen, jeder jährlich 5 Schock. Die Vorsteher der Kirche benutzten früher 1/2 Hufe Kirchenfeld, verloren aber diese Nutzung durch den Verkauf derselben und blieben neun Jahre ohne Sold. Es waren vier an der Zahl, zwei für die Kirche, zwei für den Gotteskasten und ward am 27. Juli zu ihrer Entschädigung festgesetzt, daß der erste als Rechnungsführer jährlich 10 Gulden, jeder der übrigen aber 3 Gulden 7 Groschen, bei Einholung des Kirchengetreides aber täglich 6 Groschen Auslösung erhalten sollte. Auch ward ihnen dieser jährliche Sold für die vergangenen neun Jahre ausgezahlt. Da es an tauglicher Ziegelerde in der Nähe gebrach, so tauschte der Rat 1 Acker 26 Ruten des Hans Arndt an der Bergmühle gegen 2 Acker der Ratsbreite von der Ziegelscheune. Der Rat kaufte die Naundorfer Mühle, welche von dem Besitzer Nicolaus Stock auf hiesigem Markt durch Ausruf öffentlich feilgeboten wurde, für 199 Gulden oder 665 Schock, bekam sie aber, weil der Ankauf dem Zehnherrn, dem Besitzer des Rittergutes Schenkenberg nicht gelegen war, erst im Jahre 1588 in Lehn. Da der regierende Bürgermeister Balthasar Költzsch wegen hohen Alters und Augenschwäche nicht ausgehen konnte, so trat der vorjährige, Dionysius Naumann, für ihn ein, dem man aus der Kasse deshalb 8 Schock 40 Gr. als besondere Vergütung gab. Der Scheffel Weizen galt 13 1/2, Roggen 8 1/2 Groschen.


1570

Die Kälte stieg im Januar zu einer ungewöhnlichen Höhe und die Räder der überschlägigen Mühle mußten bedacht werden. In den letzten Tagen dieses Monats trat jedoch schnell Tauwetter ein, und in den ersten Tagen des Februar ergossen sich Ströme und Flüsse auf das Gefährlichste. Auch der Lober tat hier an der Mühle, an den Brücken und Steinwegen großen Schaden und im Rosentale konnte nur mit größter Anstrengung durch Dämmung mit Pfählen und Dünger der Durchbruch abgewendet werden. Vorzüglich hatte der Steinweg vor dem Hallischen Tore und die daran stoßende Brücke nach den Scheunen, die Mansfeldische genannt, gelitten, deren Wiederherstellung zwar der Stadt vom Amt angesonnen, durch kurfürstlichen Befehl vom 26. Dezember dieses Jahres aber dem Amte zugesprochen ward. Der umzulegende Steinweg hielt 292 Ruten. Am 18. April ward geboren und am 19. getauft der Sohn des Ratsherren Thomas Schmidt, Erasmus, später berühmter Professor der Mathematik und griechischen Sprache in Wittenberg. Der Landsknecht Lorenz Wend von Torgau, welcher am 12. Juni im Auftrage des Schössers zu Mühlberg mit 12 Mühlberger Bürgern auf einer Folge nach Calbe hier ankam, veruneinigte sich abends mit diesen und ward, da man zur Wehr griff, niedergeschlagen und so weit verwundet, daß man ihn etliche Tage für tot behandelt. Zwei der hauptsächlichsten Täter, die Brüder Hans und Melchior Kramer, Bürger von Mühlberg, zog man gefänglich ein und behielt sie während der Untersuchung bis Ende des Jahres. Am 13. Juli starb der Bürger Heinrich Grünthal. Von seiner und seiner Ehefrau, Hedwig, Stiftung siehe 1566. Den Landtag in Torgau vom 26. September bis 6. Oktober besuchten die Ratsherren Joseph Homagk, Thomas Schmidt und der Stadtschreiber Franz. Am 15. Oktober starb Marcus Burgmann, Ratsherr seit 1535. Den Bäcker Reichstein in der Vorstadt, bei welchem zweimal des Nachts, doch ohne großen Schaden, Feuer auskam, bestrafte man erst mit Geld, das zweite Mal mit Gefängnis, auch nötigte man ihn zum Umbau seiner Feuerung. Der Rat kaufte das Haus des Lehns Jacobi (das alte zerfallene Häuschen bei der alten Stadtschreiberei) neben der Trinitatis-Commende auf dem Mühldamme für 60 Gulden von der Kirche, der es nach dem Tode des letzten Vikar Napfel zugefallen war. Der Kantor Johann Hartmann legte, weil man ihn in den Rat wählte, sein Amt nieder. Die Stelle suchte und erhielt Joachim Seidell, ein Sohn des hiesigen Baders Seidell, welcher in Pforta und Leipzig studiert hatte, im Januar künftigen Jahres, verließ sie aber nach wenigen Monaten und lebte als Notar und praktischer Jurist in Weißenfels. Der Chor der Frauenkirche, jetzt Begräbniskapelle genannt, erhielt neue Fenster, eine Beschränkung für die Schüler, etliche Stühle für die Leichenbegleiter und eine Altartafel aus der Stadtkirche, an welcher der Geistliche die Predigt oder Rede hielt. Dieser Altar, welchen früher die Innung der Schuhknechte unterhielt, weshalb er auch mit den Bildern ihrer Schutzheiligen, Crispin und Crispinian versehen ist, findet sich noch daselbst. Die fremden Kramer, wenn sie nicht Bürger waren, gaben in den ersten vier Wochenmärkten der Fasten einen alten Pfennig Stättegeld. Dem Küster Nicolaus Roitzsch gab man wegen seines Fleißes im Elementarunterricht ein außerordentliches Geschenk von 10 Gulden, legte ihm im künftigen Jahr 10 Gulden an Gehalt zu und bewilligte ihm von dem Kirchengetreide jährlich 12 Scheffel Roggen auf Lebenszeit. Dem Pfarrer in Selben, Laurentius Müller, welcher jährlich 221/2 Gr. an die Kirche zu geben hatte, erließ man auf Bitte des Konsistoriums einen siebenjährigen Rückstand wegen seiner Schwermütigkeit. Der Scheffel Weizen galt 14, Roggen 10, Kreuzgerste 8 Groschen.


1571

Im Januar stieg die Kälte bei fast täglichen großen Schneefällen so sehr, daß man am 28. die Kommunion einstellen mußte und dauerte bis zur Mitte des Februar, wo der übermäßig angehäufte Schnee plötzlich schmolz und das Wasser abermals großen Schaden tat. Es zerriß die Mühlbrücke, den im vorigen Jahr erneuerten Hallischen Damm, den Schutz am Gertitzer Bache und konnte durch mühevolles Aufdämmen der Wälle vom Überschlagen in den Graben kaum abgehalten werden. Die neue Brücke fertigte der Zimmermeister Jacob Stumpf aus Bitterfeld mit drei Gesellen, in das Gitter am Schutze kamen 48 neue eiserne Stäbe und der Damm ward eiligst umgelegt. Man glaubte, daß die Erhöhung und Verdichtung der Gartenzäune in der Nähe des Dammes die Höhe des Wassers steigere und holte deshalb gegen die Besitzer in Wittenberg ein Urteil ein. Der Rat ließ in der Mühlgasse (Mühldamm) die Commende Trinitatis (das Haus des vormaligen Lehns Trinitatis, auch die alte Stadtschreiberei genannt) und das daran liegende im vorigen Jahre gekaufte Häuschen des Lehns Jacobi, beide in schlechtester Beschaffenheit, abtragen, baute auf die geräumten Plätze drei neue Häuser zu 15 Ellen Länge und 12 Ellen Breite, die Nummern 187, 188, 189, welche die Zimmermeister Stardiß und Horn von Düben teils hier vom Ratsholze zurichten; teils zugerichtet lieferten und verkaufte sie noch in diesem Jahre an die Bürger Zimmermann (187), Knobloch (188), Graßhof (189), jedes für 400 Gulden, wobei zugleich das ganze Gäßchen von 180 ab neu gepflastert ward. In die dem Rate und Amte gehörige Feimstätte (Galgen) mußte eine Leiter gefertigt und ein neuer Balken eingezogen werden. Man brauchte dazu nach Sitte sämtliche Zimmermeister des Amtes und der Stadt, 15 an der Zahl und sämtliche Maurer zu des Balkens Befestigung, denen man zwar keinen Lohn, aber ein gutes Trinkgeld gab. Das Amt bestrafte aber in diesem Jahre 6 Verbrecher mit dem Strange und mit dem Schwerte am 25. Mai Hans Schmelzer, den Hirten von Petersdorf. Der Fleischerbursche Philipp Fichtner aus Altenburg, im Dienste des Stephan Becker, tötete am 17. April seinen Kamerad David Winkler, den Sohn des Bürgermeisters Wolfgang Winkler, in Mittweida durch einen Wurf des Schlachtmessers in die linke Brust und entging der Untersuchung durch schnelle Flucht. Der Organist Andreas Fischer hatte, nachdem der 1567 an Pranz Stelle getretene dritte Lehrer, Caspar Stoye, das Amt im folgenden Jahre aufgegeben, der Adjunkt oder vierte Kollege, Gregor Thamm 1568 in den Rat gewählt worden war, beide Stellen versehen, trat aber 1569 ebenfalls ab und da der neue Organist Thornau das Lehramt abwies, so besetzte man das Baccalaureat oder die dritte Stelle mit dem Mr. Albert Hulderich aus Kitzingen, der sich in Wittenberg, wo er studiert und promoviert hatte, aufhielt und erhöhte den Sold des Küsters Roitzsch, welcher mit ausgezeichnetem Fleiße und allgemeinen Beifall den Elementarunterricht vertrat. Da auch am Johannistage, an welchem Hulderich anzog, der Kantor Seidell sein Amt niederlegte, so übertrug man es dem Hieronymus Heidenreich, aus Borna gebürtig, welcher vom Dr. Heinrich Salmuth in Leipzig, wo er studierte, empfohlen, schon mit Seidell Probe getan, sich ausgezeichnet und ein Geschenk erhalten hatte. Seine am Petri Pauli Tage aufgeführe Musik, mit der er antrat, gefiel ungemein und es zeigte sich bald, daß seine Regsamkeit in der Schule und Kantorei von glücklichen Folgen war. Dreißig starke Volumina Symphoniarum sacrum und auserlesene Motetten, die er mit großen Fleiße zusammengebracht und der Kantorei zur Zier geschrieben, ließ er, als er 1588 in den Rat kam, als Inventarium zurück. Gegen die häufig erscheinenden Schmähschriften, Charten, Gemälde und dergl. ließ der Kurfürst unterm 26. Mai (indem hierdurch nichts Gutes, sondern nur Zank, Aufruhr, Mißtrauen und Zertrennung alles friedlichen Wesens angestellt wurde) einen strengen Befehl, und verordnete, daß nur in Wittenberg, Leipzig und Dresden Buchdruckereien gestattet, die Buchdrucker nach Erprüfung ihrer Rechtlichkeit von den Räten vereidigt, die zum Druck bestimmten Schriften von den Hofräten, Rektoren und Professoren der Universitäten zuvor durchgesehen, zum Druck bezeichnet, die Abdrücke selbst aber mit dem Vor- und Zunamen des Dichters, Autors und Buchdruckers, Druckorte und Jahr versehen werden sollten, bei Konfiskation des Drucks und Strafe an Gut und sonst nach Ausspruch des gemeinen Rechts. Mit gleicher Strafe sollte auch gegen die, so lästerliche, schmähliche Gemälde machen, verkaufen oder sonst verbreiten, verfahren werden und mußte dieser Befehl im Juni nach gewöhnlicher Bekanntmachung an Kirchen und anderen öffentlichen Orten angeschlagen werden. Die Charten waren in der Regel elend gereimte Pasquille, in denen man die bemerklich gemachten Personen, jede mit vier Zeilen, nach dem Range der zwölf Kartenblätter in den vier Farben, König, Bauer, Untermann, zehne, neune, achte, sieben, sechse, fünfe, viere, dreie, Daus, auf die gemeinste Weise verächtlich zu machen suchte. Als am 30. Mai der Rat im Lober bei Benndorf fischen ließ, fielen die Vormünder der Kinder des Sigmund von Miltitz auf Schenkenberg in den Mühlhof, welcher dem Rate mit Ober- und Untergerichten zustehet und nahmen die Fische mit einem abgedrungenen Pfande mit sich nach Schenkenberg. Das Rittergut verursachte dadurch und wegen Verweigerung der Mühlbeleihung der Stadt einen mehrjährigen doppelten Prozeß. Einen gleich langwierigen Prozeß führte man seit vorigem Jahre wegen der Elberitzer Grenze mit dem Rittergut Döbernitz. Der Rat verkaufte 21 alte messingne Doppelhaken, an Gewicht 6 Zentner 10 Pfund für 36 Taler und kaufte dafür 20 messingne Feuerspritzen in Nürnberg für 10 Schock frei bis Leipzig, wo er sie in der Osterwoche abholen ließ. Der 15jährige Schüler Elias Kippold stieß am 29. Oktober der Margarete Köhler, welche in seiner Mutter Garten Gras holen sollte, das in der Hand führende Brotmesser wiederholt in den Leib und entfloh. Die Verwundete starb am vierten Tage und der Entwichene verbüßte die Tat mit 30 Gulden Geldstrafe an den Rat und fünfjähriger Entfernung aus der Stadt, auf soweit die gegen ihn ausgesprochene härtere Strafe auf der Vormünder Bitten durch kurfürstliche Gnade gemildert ward. Er kam im Jahre 1580 zurück. Für die bei vorfallenen Sterbensläufen anzunehmenden Krankenwärter baute man auf dem Gottesacker vier kleine Wohnhäuser auf gemeinschaftliche Kosten des Rates, Gotteskastens und Hospitals. Der Kurfürst schenkte der Stadt von neuem zwei Kuxe bei Freiberg und befahl, Stolpen, den 1. August, sie ohne erhebliche Ursachen nicht ins Retardat kommen zu lassen. Sie brachten so wenig als die vorigen, die man fallen ließ und forderten für dieses Jahr 3 Schock 6 Gr. Zubuße. Der Scheffel Weizen galt 18, Roggen 16, Wintergerste 10 1/2, Hafer 7 Groschen.


1572

Dem Schullehrer Mr. Hulderich, weicher sich am 18. Februar mit der Tochter des Bürgermeisters Dionysius Naumann, Anna, verehelichte, verehrte der Rat einen silbernen Becher als Hochzeitsgeschenk. Am 5. März starb hier die Otto Spiegelin auf Badrina. Der Leichenwagen, welcher sie nach Lindenhain abführte, ward mit dem Chor bis an die Grünstraße begleitet. Am 27. Mai starb Wolfgang Holzmüller, Ratsherr seit 1559. Dr. Heinrich Salmuth und andere Theologen aus Leipzig hielten am 9. Juni auf hiesiger Pfarre Synode und empfingen vom Rat den Ehrenwein. Das neue Stadtschreiberei-Gebäude, welches gemeiner Stadt zur Zierde und Notdurft, sonderlich in Feuersgefahr zur Verwahrung dient, ward von dem Zimmermeister Peter Hermsdorf und dem Maurer Lorenz Meier vollendet und am B. August gerichtet. Die steineren Fenster- und Türgerüste kamen aus Torgau. Valentin Krake, ein Hausgenosse in Schenkenberg, wegen wiederholter Vergehungen aus der Stadt verwiesen, stahl von neuem Reifen aus der Goitsche und führte sie hiesigen Böttchern zu, weshalb er nach dem Urteil des Wittenberger Hofgerichts mit dem Verluste zweier Finger, welche ihm am 1. Oktober der Scharfrichter von Leipzig abhieb, bestraft ward. Der Kantor Heydenreich, welcher am 21. Oktober mit der jüngeren Tochter des Bürgermeisters Naumann, Ursula, Hochzeit hielt, bekam vom Rate ebenfalls einen silbernen Becher als Hochzeitsgeschenk und wegen seines Fleißes legte man seinem Gehalte jährlich 10 Gulden zu. Wenige Tage nach dieser Hochzeit starb am B. November der Bürgermeister Dionysius Naumann, seit 1543 im Rate und ein um die Stadt verdienter Mann. Ihm folgte, gleich hochgeachtet, am 11. Dezember Joseph Homagk, Ratsherr seit 1550. Dem ältesten Sohn des Küsters Roitzsch, David Roitzsch, der sich aber lieber Rhodius schrieb, schenkte man vier Schocke, als er in diesem Jahr in Leipzig Magister ward. Ein kleines Vermächtnis von 4 Talern kam der Kirche aus dem Testament des in diesem Jahre gestorbenen Bürgers Christoph Schöpfer dem Jüngeren zu. Die Ehefrau des Gutsbesitzers Lukas Sparmann in Werben kam mit Drillingen nieder, die am 13. Dezember in hiesiger Kirche getauft wurden und die Namen Thomas, Maria, Johannes erhielten. Johannes starb 2 Wochen nach der Taufe, Thomas und Maria aber blieben am Leben. Wegen des tiefen Schnees konnte das Schlagholz in der Spröde nicht in Klaftern gesetzt werden. Ein Scheffel Weizen galt 20, Roggen 20, Wintergerste 10 ½ Groschen.


1573

In Leipzig starb am 1. Januar der Dr. Johann Pfeffinger, hiesiger erster Superintendent und der Stadt besonderer Freund. Ostern fiel in diesem Jahre auf den frühesten Tag, den 22. März, Fastnachten also unmittelbar nach dem Lichtmeßtage, dem 3. Februar. An diesem Tage führte die Kantorei eine Komödie des Johannes Episcopius (Bischof) vom unbarmherzigen Knechte in gereimten Versen auf, die nur wenig Jahre vorher im Druck erschienen war. Sie erhielt vom Rat 4 Ta]er Verehrung, auch sicherte man ihr jährlich 3 Taler aus der Kirche zu. Der Stadtschreiber und Ratsherr Balthasar Franz, legte, weil er Bürgermeister geworden, das Stadtschreiberamt nieder und der bisherige Rektor Johann Fischer trat an seine Stelle, die Rektorstelle aber besetzte man mit dem Mr. David Rhodius, dem ältesten Sohn des hiesigen Küsters Roitzsch. Er war am 29. Dezember 1549 hier geboren, kam 1565 nach Pforte, 1569 nach Leipzig, erlangte daselbst 1571 das Baccalaureat und 1572 das Magisterium. Beharrlich in dem, was ihm für den Unterricht zeitgemäß und tüchtig schien, ließ er sich ungern lenken und machte daher selbst gegen den auf höheren Befehl angeordneten Schulplan, den er nur teilweise hier anwendbar glaubte, Einwand. Da er kein eigenes Vermögen hatte, der sehr beschränkte Gehalt zu dem täglich höher steigenden Werte der unentbehrlichsten Lebensmittel nicht ausreichte, auch die alte Amtswohnung in der Schule (welche seine Vorgänger, die eigene Häuser in der Stadt bewohnten, nicht achteten) für seine Familie unzulänglich, dies alles aber vor der Hand nicht zu ändern war, so übernahm er 1589 das ihm angetragene Archidiakonat in Eilenburg, wo er als Gegner der Kryptokalvinisten auftrat, aber schon am 5, November 1595, im 46, Lebensjahr geistigen und körperlichen Anstrengungen unterlag, Sein Bild befindet sich in der Stadtkirche zu Eilenburg. Fremde Reiter, die sich im März bei dem Wirte Andreas Stephan einlegten, wurden auf Befehl des Kurfürsten ausgewiesen. Dergleichen hatten im vorigen Jahr im Weimarischen viel Unfug getrieben, in einem Flekken mehrere Einwohner tödlich verwundet und den Ort angesteckt. Den Ratsflurschützen und Holzförster Thomas Bröse schlug ein unbekannter Bauer, den er am 22, April in der Spröde bei dem Umhauen eines Baumes traf und pfänden wollte, mit gefährlichen Hieben auf den Kopf besinnungslos nieder, nahm ihm die Handbüchse und ging davon, Der Verwundete erholte sich insoweit, daß er mühsam an einem Stocke nach Brinnis schleichen konnte. von da man ihn in die Stadt fuhr, Er hatte mehrere bedenkliche Kopfwunden, von denen man eine an der Stirn, die das Gehirn entblößte, für tödlich hielt. Doch erholte er sich und traf, als er nach vier Wochen zum ersten Mal am Stock ausging, den Täter, welcher auf seine Anzeige sogleich angehalten und dem Gericht übergeben ward, Es war der Bauer Valentin Prautzsch aus Sprödä, gegen den, da ihn der Beschädigte richtig beschuldete, die Untersuchung mit Festnehmung begann, das Amt Petersberg aber sofort Nachricht erhielt, Am 25. April starb Nicolaus Gorius, Ratsherr seit 1553 und am 12, Mai Matthias Kohl, Ratsherr seit 1546, Die Stadtschreiberei ward völlig zum Einzuge hergerichtet, ein neuer Schafstall aufgeführt, kostete 107 Schock, der Brunnen bei dem Frauenmarkte (freiem Platz bei dem Gottesacker) abgetragen und das Steinpflaster eines großen Teiles der Rittergasse umgelegt, Am 21, September, mittags, brach in den Gehöften des Christoph Lengefeld und Paul Franke Feuer aus, welches wegen schwieriger Annäherung Gefahr drohte, doch aber durch ungemeinen Fleiß ohne bedeutenden Verlust gedämpft ward, Die Veranlassung blieb, so scharf man untersuchte, unentdeckt, Fallende Dachsteine verletzten den Bürger Mogwitz und einen Schmiedeknecht, beide unter den ersten und kühnsten Arbeitern, welche der Rat heilen ließ und belohnte, Auch erhielten Belohnungen die Fronen, Wächter, zwei Zimmerleute und ein Drescher auf allgemeine Versicherung ihrer besonderen Tätigkeit, Dem Schenken in Zwochau nahm man mit Zuziehung des Amts-Landsknechtes Eilenburger Bier weg. Dem Sohn des Dr, Justus Jonas, Joachim, gab man am 14. Juni auf seine Bitte Reisegeld, Der Scheffel Weizen galt 16, Roggen 18, Wintergerste 10, Hafer 10'/2 Groschen. Ein furchtbares Donnerwetter am 12, August bei Plauen, verbunden mit den heftigsten Regengüssen, verursachte im Vogtlande und tiefer herein eine verheerende Überschwemmung, Noch in Leipzig stieg das Wasser so hoch, daß man in den Straßen, die es erreichte, auf Kähnen fuhr und nicht nur Störungen des Verkehrs, sondern auch große Verluste entstanden an Gebäuden, Gärten, Waren und Hausgerät, Auch in Eilenburg fuhr man mit Kähnen in der Stadt und das Wasser stand in der Kirche über zwei Ellen hoch, Kein Ort an den Flüssen und Bächen, die vom Gebirge kamen, war von zerstörenden Angriffen dieses unglücklichen Ereignisses gänzlich frei,


1574

Die kurfürstlichen Räte, Damian von Sebotendorf, Pfennigmeister und Hans Harrer, Kämmermeister, waren am 11, und 12, Januar in amtlichen Angelegenheiten hier und empfingen den Ehrenwein, Am 12. Februar ward der Sohn des nur vor kurzem gestorbenen Pfarrers Joachim Kurz (Curtius) in Zwochau mit seinem Vater gleichen Namens, durch das Amt mit dem Schwert hingerichtet und auf dem Gottesacker begraben, Einige junge Bürger, die am zweiten Osterfeiertage Studenten, welche ruhig vor einem Haus saßen und Laute spielten, beleidigten, bestrafte man mit einem öffentlichen Verweis und 40 Groschen Geld, Der Diakon Kneußler nahm das Pfarramt in Werbzig an und der Rat wählte an seine Stelle den bisherigen Pfarrer in Spröda, Mr, Matthias Barth, welcher am 16. Juli anzog, Er war ein Sohn des hiesigen Bürgers Lampert Barth, geboren 1543, hatte in Pforte und Leipzig studiert, in Wittenberg promoviert und 1570 das Pfarramt in Spröda angetreten. Ein geschickter, beliebter Prediger, der aber im 41, Lebensjahr an der Pest starb, Sein und seiner Gattin Anna, einer Tochter des Pfarrers Donat Kötzschke in Lissa, Bild befand sich früher auf einem Denkmale in der Gottesackerkirche, wo man es jetzt vermißt. Ein Sohn von ihm, Johannes, war hier Schullehrer und später Ratsherr, Da auch der hiesige Pfarrer und Superintendent Mr, Paul Pfeffinger den Ruf nach Rochlitz erhielt und dahin abging, so gab sich der Rat alle Mühe, den geliebten unvergessenen Dr. Runbaum, welcher wegen Gemütskrankheit, das durch Streitsucht seiner untergebenen Pfarrer beschwerliche Amt in Merseburg verlassen hatte, vom Kurfürsten aber mit der kleinen, für ihn eigens geschaffenen Superintendentur in Mügeln versehen worden war, für Delitzsch wieder zu gewinnen. Er erklärte sich auch bereit, dem Rufe zu folgen, wenn ihn der Kurfürst für genehm hielte, welcher aber auf wiederholte Bittschriften des Rates, aus Besorgnis, daß das größere Amt, zumal bei den auftauchenden kryptokalvinistischen Unruhen, Rückfälle seiner früheren Krankheit herbeiführen könnte, die Bewilligung verweigerte, Das Amt erhielt nun durch den Einfluß des Konsistoriums der bisherige Pfarrer in Pehritzsch bei Eilenburg, Mr. Elias Döring, welcher am 31. Dezember confirmiert ward. Den Diakonen gab man während der Vakanz Zulage. In der Frauenkirche brach man in die Wand, durch welche man den Chor von dem Schiffe geschieden hatte, um mehr Raum für die Leichenbegleiter zu gewinnen, zwei Öffnungen; es war aber nur ein Notbehelf, weil dieser Teil der Kirche weder ausgebaut noch anständig beleuchtet war. Auch schaffte der Rat von neuem eine Masse messingener Gewichte für die Gewerbetreibenden an und ein Stück des' Straßenpflasters der Hallischen Gasse abwärts ward mit Beiträgen der betreffenden Hausbesitzer umgelegt. Georg Troitzsche aus Halle, ein Landstreicher, der am Tage Petri Pauli, abends zwischen 11 und 12 Uhr des Gutsbesitzers Klepzig in Gertitz blödsinnige Schwester wollüstig mißbrauchen wollte, ward ergriffen und am 1. Oktober zur Staupe geschlagen; an demselben Tage auch ein Schneidergeselle, Findeisen, von einem Dorfe bei Leipzig gebürtig, mit dem Strange bestraft. Zu einem Schützenhofe in Oschatz zogen auf Einladung von hier einige Schützen, denen man aus der Kämmereikasse eine Unterstützung gab. Am 22. September starb Ambrosius Rügezelt, früher Kantor, Stadtschreiber und Ratsherr, dessen Verdienste in diesen Ämtern man durch ein ehrenvolles Begräbnis die schuldige Achtung bewies. Dem bejahrten Bürger Veit Barth, welcher mit seiner Magd unzüchtig lebte, legte man eine Strafe von 20 Schocken auf. Ein Bürger in Straßburg, Jeremias Neuner, hatte eine Holzeinsparungskunst in großen und kleinen Feuern erfunden, erhielt vom Kurfürsten unterm 1. August einen Freiheitsbrief zu Einrichtung der Öfen im Lande auf zehn Jahre, reisete umher und richtete auch hier mit einem Gehilfen den Ofen der Ratsstube am 1. Dezember nach seiner Erfindung ein. Am 23. Dezember starb Johann Franz, Ratsherr seit dem 6. Januar dieses Jahres. In Herzberg brannten am 29. Januar 13 Häuser nieder, 150 Häuser verlor am 27. desselben Monats die Stadt Webenstadt im Stifte Bremen durch Erdbeben, Ungewitter, Brand und 125 Wohnstätten Creuzburg bei Eisenach, wo ein junges Mädchen ein Gewehr in einer Scheune abschoß. Auf Bittschriften brachte man für die Verunglückten Kollekten aus. Der Scheffel Weizen galt 20 ½ Roggen 16, Wintergerste 10, Hafer 9 bis 10 Groschen. Der dritte Schullehrer Magister Hulderich ging am 4. August als Pfarrer nach Sprüda, wo er am 2. September eingewiesen ward. Der Rat übertrug die Stelle dem Sohn des hiesigen Bürgers Lambert Stoie, Johann Stoie, welcher von 1567 ab in Leipzig Theologie studiert, 1573 das Bakkalaureat der Philosophie erlangt hatte und im künftigen Jahre, nachdem er auch die gesuchte Magisterwürde daselbst empfangen, das Lehramt, zu dem er; nach dem Ausspruche des Konsistoriums, vorzugsweise bestätigt war, antrat.


1575

Die halbe Hufe Freimannlehn des Hans Mahn auf Weißig, welcher ohne männlichen Erben starb, verkaufte und vererbte der Rat an dessen Witwe für 200 Taler, 30 Gr. Lehnware und 21 Groschen jährlichen Erbzins. Dagegen kaufte er von dem natürlichen Sohn des vorigen Amtmannes Kirchhof, Valentin Kirchhof, das Haus, welches sein Vater mit Begünstigung des Kurfürsten Moritz auf dem Platze des Lehns Crucis an der Doktorei erbauet, der Rat auf des Kurfürsten August Veranlassung mit dem Braurechte versehen hatte, trug ein Stallgebäude ab und baute auf die Stelle und ein Stück des Hofraumes zwei Häuser (Pfahlhäuser), die er jedes für 350 Gulden an Bürger käuflich überließ. Beide wurden im Dreißigjährigen Krieg wüst. Für das Kaufgeld des Ganzen überließ er das brauberechtigte Haus, Num. 212, an Hans Reichstein. Am 4. Februar zog der Superintendent Magister Döring mit seiner Familie ein und ward wenige Tage darauf von dem Leipziger Superintendenten Dr. Heinrich Salmuth eingeführt. Die Kommissarien der Visitatoren, Matthäus Spiegel auf Zschortau, der hiesige Superintendent und Amtsschösser betagten sich hier am 10. Februar und verhandelten mit dem Rat wegen völliger Überlassung der auf Wiederkauf stehenden Kastenäcker. Am 29. April, vormittags 9 Uhr, ward Tiburtius Kreising von Landsberg wegen Dieberei aufgehängt. Michael Arndt und Andreas Stephan säten zu Schmälerung der Hutung Kreuzgerste in die Brache. Man legte ihnen von jedem Acker 1 Taler Strafe auf und drohte ihnen im Wiederholungsfalle mit dem Triftrechte der Abhütung. Die Schützen hatten, wie bei dem Jahre 1513 bemerkt ist, einen silbernen Vogel mit vergoldetem Schilde, welches das gemalte Stadtwappen unter einer Glasbedeckung faßte und von dem, der den besten Schuß (Königsschuß) getan, an einer silbernen Kette getragen ward. Der Rat ließ den zufällig beschädigten von dem Goldarbeiter herstellen, namentlich die gebrochenen Federn, das Schild von neuem vergolden, die Kette aussieden und löten, und da er unter dem Namen Stael auch Strahel vorkommt, so hatte er wahrscheinlich noch einen Pfeil oder mehrere als strahlende Umgebung. Der Hutmacher Urban Schmidt schlug am 26. Mai seinen Nachbarn, Erhard Läuter, der ihn scherzend einen wendischen Hüter nannte, die volle Bierlase so heftig an die Stirn, daß man ihn mehrere Stunden für tot hielt. Der Täter flüchtete über die Stadtmauer, kam aber, als er von des Beschädigten Rettung hörte, zurück, und ward, außer vier alten Schocken Gewetten an den Richter, mit den Heilkosten und 25 Talern Strafe belegt. belegt. Der Rat kaufte, um ein zweites gemeines Backhaus zu haben, einen Raum von Gregor Engelberg in der alten Zscherne für 311/z Schock am 6. Juni und führte den Bau noch in diesem Jahre aus. Zugleich legte der Steinsetzer Donat Müller aus Eilenburg den Steinweg in der alten Zscherne und gaben die Hausbesitzer zu dem vor ihren Türen für die Rute 9 Groschen. Ein Schuhmachergeselle, Abraham Tausche aus Leisnig, stahl am 7. Juli des nachts aus einem Stalle des Archidiakon Planitz der Magd gehörige Kleider, ward in der Vorstadt ergriffen und auf das Geständnis, daß er tags vorher auch den Wildschützen in Dessau bestohlen habe, am 15. August mit dem Strange bestraft. Am 14. September stürzte der Bäckergeselle Christoph Stolle aus Pulsnitz von einem Nußbaum und blieb auf der Stelle tot. Um Michaelis zeigte sich eine ansteckende Krankheit, nach der Beschreibung und den in Anwendung gebrachten Heilmitteln wohl die Pest. Aus den umliegenden Dörfern fand sie sich bald in der Vorstadt ein und ergriff trotz der Torwachen auch die Stadt. Man traf hinsichtlich der Krankenpflege und Begräbnisse die früheren Einrichtungen und sagte den Besuch des Herbstjahrmarktes ab. Mehr als 100 Personen wurden in den wenigen Herbstmonaten hingerafft. Am 25. November starb auch im 80. Lebensjahr der gelehrte, vielseitig nützliche und allgemein schmerzlich vermißte Bürgermeister Balthasar Költzsch, dessen 49jähriger Amtstätigkeit die Stadt. unmittelbar und mittelbar das meiste verdankte, was ihr unter den Städten gleicher Größe damals ein Ansehen gab. Zwei Diebe wurden gehängt. Die Gemeinde Gertitz blieb in diesem Jahr mit der Fron des Holzhauens verschont und bezahlte dafür 11/4 Schock. Ein Scheffel Weizen galt nach der Ernte 20, Roggen 18, Gerste 8, Hafer 7 und 8 Groschen. Der Bürger Peter Schmidt, welcher Delitzsch verlassen und vier Jahre den Schuldienst in Gollma versehen hatte, mußte, als er zurückkam, das Bürgerrecht von neuem gewinnen und bezahlen. Der Rat gab folgenden Bürgersöhnen zu Förderung ihrer Studien besondere Unterstützungen: 1. Andreas Molitor (Sohn des Müllers) Student in Leipzig 2 Schock 6 Groschen; 2. Stephanus Kisch.. jetzt auf der Schule in Magdeburg, später Amtsschreiber in Freiberg, 1 Schock 45 Groschen; 3. Andreas Schreiber, jetzt in Eisleben, von 1576 ab Student in Leipzig, 1582 Magister, 1583 Pfarrer auf dem Berge vor Eilenburg, 1589 in Löbnitz, 1592 in Döben, wo er am 5. April 1603 starb, 1 Schock, 45 Groschen; 4. Petrus Planitz, dem Sohn des Archidiakon Planitz, welcher in Halle, Leipzig studierte, in Wittenberg das Magisterium erlangte, und 1595 als Stadtschreiber zu Saalfeld in Preußen kinderlos starb, ebenfalls 1 Schock, 45 Groschen.


1576

In der Nacht zum 1. Januar starb der Superintendent Magister Esaias Döring. Kränklich, hatte er sich während seiner kurzen Amtsführung so wenig bemerklich gemacht, daß ihn sein späterer Amtsnachfolger Dr. Löscher in seinem Verzeichnis hiesiger Superintendenten, welches er seiner Abzugspredigt beidrucken ließ, gänzlich überging. An seine Stelle brachte das Konsistorium den in Leipzig lebenden Bakkalaureus der Theologie, Mr. Johann Seliger in Vorschlag, welcher am 15. Januar mit Beifall predigte, am 17. vom Rate die Vocation, am 11. Februar die Bestätigung erhielt und am 27. August von Dr. Nicolaus Selnecker in Leipzig eingewiesen ward. Am 4. Februar des Nachts brachen drei Diebe, Elias Mebes, ein Schneider von Halle, Lorenz Bettmann, ein Zimmergeselle von Poritzsch, und Hans Freiburg aus Schlesien, nachdem sie mit einer auf dem Gerberplan entwendeten Leiter die Stadtmauer überstiegen hatten, in die Häuser des Urban Kirchhof und Hans Süssemilch, raubten Kleider, leinenes Gerät etc., wurden aber von den Wächtern ergriffen und nach gütlichen Geständnissen wiederholter Räubereien und fruchtlosen Versuchen, die Gefängnisse der Lauke, des Hallischen Turmes und Turmes am Bauhofe zu durchbrechen, am 21. März mit dem Strange hingerichtet. Ihre Bekleidung bei der Hinrichtung war ein Leibrock und Puffjacke von schwarzer und Streiflinge (Beinkleider) von weißer Leinwand. Die Diakonen, welche sie einige Tage vorher besuchten und nach dem Richtplatze begleiteten, erhielten beide einen Taler, was bisher nicht gewöhnlich war. Auf Anregung der Stadt untersuchte der Amtssehösser Gregor Fiedler als Kommissar mit drei geschworenen Müllern von Leipzig und Bleesern den Loberbach und ward festgesetzt, daß er bis Johannis dieses Jahres vom Ursprunge bis Lemsel zwei Ellen breit und eine Elle tief, von da an aber drei Ellen breit von denen, deren Eigentum er berührt, gegraben und so fort erhalten werden müsse. Die Reinigung der Beiquellen und Beiflüsse um Podelwitz überließ man denen, die sie nutzen wollten und sprach die Angrenzenden davon gänzlich frei. Am 30. April fand der in Döbernitz gestorbene Rittmeister Friedemann von Selmnitz in der Kreuzkapelle hiesiger Stadtkirche sein Grab. Er war am 7. April 1532 auf dem Gute Westgreußen geboren, welches der Vater Hans von Selmenitz, ein der lateinischen Sprache und Rechtswissenschaft ziemlich kundiger Mann, nachdem er das Stammgut Vitzenburg an Joachim von Lichtenhain abtreten müssen, für 1000 Gulden angekauft und durch glücklichen Waidbau merklich gebessert hatte. Den ersten Unterricht gab ihm die Mutter, Catharina geborene Näsin, Tochter einer von Brühl, in Gemeinschaft mit dem Lehrer des Ortes, den späteren von 1544 an die Schule in Nordhausen, welche er jedoch, als er sich waffenfähig fühlte, verließ und nicht nach dem Sinne des Vaters der Rechtswissenschaft, sondern nach eigener Wahl dem ritterlichen Leben den Vorzug gab. Er diente vor Metz unter dem Grafen Günther von Schwarzburg, in den Niederlanden gegen Frankreich und Spanien mit Auszeichnung und nahm später gleich rühmlich an dem Türkenkriege in Ungarn teil. Nach dem Frieden vermählte er sich mit Magdalena Catharina, einer Tochter Ernst von Schönfelds auf Löbnitz, des Freundes Luthers, und trat nach einem kurzen Aufenthalt am Hofe zu Halle als Rittmeister in den Dienst des Kurfürsten August, bei dem er in großer Achtung stand. Seinen Sitz hatte er in Vehra, wo er am Blasenstein erkrankte und auf einer Reise nach ärztlicher Hilfe auf dem Gute seines Freundes Heinrich von Pak in Döbernitz am 28. April dieses Jahres, im 44. Lebensjahr nach schmerzlichem, aber kurzen Krankenlager entschlief. Die Kirche erhielt für die Grabstätte 20 Gulden. Sein Grab bedeckt ein liegender Stein, auf welchem zwar sein Bild in voller Rüstung leidlich erhalten, die Umschrift aber verschwunden ist. Das schönere Denkmal an der Sakristei, welches die Witwe von dem berühmten Christoph Walther in Dresden aus Pirnaischem Sandstein fertigen ließ, kam erst im Jahre 1584 zur Aufstellung und ein hier lebender niederländischer Maler, Hans Busmann, der wegen Religionsbedrückung seinen Geburtsort Mecheln verlassen hatte, gab ihm Vergoldung und Farbenschmuck. Er hinterließ die Witwe mit drei Söhnen im Kindesalter, die mit den Eltern in betender Stellung auf dem Denkmal abgebildet sind. Die Kirche gab am 18. Mai der Stadt Grimma ein Darlehen von 1500 Gulden mit Fürstengunst, welches erst nach zwei Jahrhunderten zurückgezahlt worden ist. Veit Letzner von Walsdorf bei Bautzen, welcher sich stumm stellte und dabei stahl, ward am 26. Juli zur Staupe geschlagen. Der langwierige Prozeß mit Heinrich von Pak wegen der Elberitzer Mark endete zwar zum Vorteile der Stadt, der Verurteilte stellte aber, vorgebend, der Rat habe 1569 einige Holzstämme unter seinen Gerichten hauen, wo sein Vieh gestanden, Anger und Flur in Elberitz, mit mehreren Stücken Vieh als rechtlich, behüten, auch sein Hofvieh in Laue von Gerlitzer Mark abtreiben und pfänden lassen, Rekonvention. Die Bitte der Geistlichen und Schullehrer um Gehaltserhöhung wegen der mit jedem Jahre im Preise steigenden Lebensmittel hatte bei den Visitatoren 1574 billiges Gehör gefunden und brachte man zu diesem Zwecke die Vererbung der kirchlichen Laßgüter in Vorschlag. Das Kon sistorium zog am 13. Juli diese Angelegenheit in Vorbescheid. Man überließ dem Rate die sechs Hufen, die er seit 1559 als Laßgut der Kirche besessen hatte, erblich und bestimmte die Zinsen des Kaufgeldes zu der gewünschten Gehaltserhöhung, die nach aller Ansicht unabweislich war. Die Kaufsumme betrug 1800 Gulden, dazu kamen 250 Gulden für Ablösung der auf den erkauften Hufen haftenden Zinsen und Lehngelder. Der Rat zahlte aber nur 250 Gulden, weil ihm das frühere Kaufgeld der 800 Gulden (s. 1559) zugute ging. Am 1. September traf der Blitz den breiten Turm, ward aber durch den Klingeldraht, den er zerstörte, glücklich abgeleitet. Auf dem Landtage in Torgau vom 2.-6. September waren der Bürgermeister Thomas Schmidt, George Tham und der Stadtschreiber. Der Kurfürst, persönlich zugegen, verlangte eine Türkensteuer und brachte eine Münzveränderung in Vortrag. Die Stände willigten die Tranksteuer auf sechs, die Landsteuer auf drei Jahre, vom Schocke jährlich 4 Pfennige. Bei Gelegenheit der Visitation 1574 war auch die Notwendigkeit der Erweiterung des zum Gebrauch der Leichenpredigten und Reden in der Frauenkirche bestimmten Raumes zur Sprache gekommen. Der Rat ließ daher die bisher Chor und Schiff trennende Scheidewand wegnehmen, in der Mitte des Schiffes durch den Maurer Lorenz Gemeiner eine neue aufführen, das dadurch gewonnene Stück mit dem Chore zugleich tünchen, mit einer Türe versehen und die kleinen, unscheinbaren Fenster vergrößern und ausschweifen. Das Steinpflaster der Hintergasse ward mit gewöhnlicher Beihilfe der Hausbesitzer umgelegt. Am 14. November, früh zwischen drei bis vier Uhr, brannten in Gertitz die Güter des Seb. Schröter, Andr. Laue und Casp. Brand nieder. Die Veranlassung des Feuers war nicht zu ermitteln und erhielten die Verunglückten außer der Kollekte 7 1/2 Taler aus der Kämmereikasse Unterstützung. Von der Witwe des Bürgers Ambrosius Sachse, Anna, welche am 4. Dezember .starb, kam an den Gotteskasten ein Vermächtnis von 50 Gulden, dessen Zinsen an arme Schüler, so in der Kurrende laufen, Ostern und Michaelis verteilt werden sollten. Die ansteckende Krankheit des vorigen Jahres, in den umliegenden Städten verbreitet und gefährlich, war hier auf wenige Häuser der Vorstadt beschränkt und mild. Doch behielt man aus Vorsicht die Torwachen und sagte den Herbstmarkt ab. Burkard Focke in Gertitz, der wider die Dorfordnung mehr als 12 Paar Tauben hielt, gab 21 Groschen Strafe. Dem kurfürstlichen Musikus Georg Förster, welcher dem Rate eine Messe von 5 Stimmen zuschickte, verehrte man 3 1/2 Taler und 6 Taler dem Rektor Vincentius Sturm in Bitterfeld, der dem Rate das von ihm vermehrte Promtuarium exemplorum des Pfarrers Andreas Hohndorf in Droyssig (mit schönen Figuren gezieret) zuschrieb. Auf kurfürstliche Verordnung brachte man für die gebirgische Stadt Altenberg, wo am 14. August durch Unvorsichtigkeit des Gesindes nachmittags 1 Uhr ein Feuer ausbrach, welches binnen zwei Stunden die Kirche, das Rathaus, sämtliche geistliche Gebäude und 112 Wohnhäuser gänzlich zerstörte, auch für Leinbach bei Rudolstadt, wo durch Verschuldung zweier unmündiger bösartiger Buben in einer Stunde alles bis auf vier kleine Häuser niederbrannte, auf Zuschrift des Grafen von Schwarzburg mehrere Schocke in Kollekten aus. Die Dörfer Nösselwitz, Pohritzsch, Serbitz und Zaasch gaben jährlich 13 Scheffel Zollgetreide an die Stadt. Ein Scheffel Weizen galt 16 Groschen, der Scheffel Roggen ebensoviel, Gerste 6, Hafer 8 Groschen. Die Ernte dieses Jahres war aber so reichlich, daß der Preisum Weihnachten schon fast zur Hälfte gesunken war.


1577

Der Rat in Brehna nahm den Benachbarten um Brehna auf offener Straße hiesiges Bier weg, welches auf Beschwerde schriftlich vermittelt ward. Colenz, ein Tischler und Hausgenosse auf dem Damme und seine Ehefrau verleiteten die Tochter des Pfarrers Johann Teichmann zu Hohenteiche Margarete zur Unzucht mit Zacharias Scheiding von Storckwitz, lockten das Mädchen auf dessen Anstellung unter dem Vorwande, daß sie einen angenehmen Dienst für sie wüßten, auf ihre Stube, tranken ihm zu und überließen sie des Verführers Zudringlichkeit. Beide wurden nach Staupenschlag des Landes ewig verwiesen, das Mädchen traf eine zeitige Gefängnisstrafe, der eximierte Verführer kam wahrscheinlich ungestraft davon. Unter der Frühpredigt am Sonntag, dem 21. April, veruneinigten sich zwei angebliche Söldner, Joachim Müller von Jeßnitz und Georg von Bressel in Veit Friesens Hause, wo sie des Nachts geherbergt hatten und ward Müller, der, etwas angetrunken, sich schlechterdings nicht begütigen ließ, sondern den Georg zum Schlagen mit der Wehr nötigte, von diesem, der seine Wehr zerschlagen und nicht mehr weichen konnte, mit einem Federspieße, den er seinem Weibe aus der Hand riß, durch einen Stich nahe der Herzgrube auf der Stelle getötet. Der Täter entkam durch die Flucht. Am 11. Mai übernachtete hier der Kurfürst auf dem Schlosse, dem der Rat mit Würzburger Wein im Werte von 22 Talern seine Verehrung bewies. Der Landsknecht mit den Bürgern der Stadt nahm am 1. Juni in Kletzen das eingelegte Eilenburger Bier weg. In Wolf Müllers Miethause auf dem Damme brach am 4. Juni in der Mittagsstunde Feuer aus, welches aber schnell gelöscht ward. Sämtliche Geistliche und Schullehrer der Diözese stellten sich auf Befehl am 22. Juli in Leipzig, wurden von den Doktoren Jakob Andreä und Nikolaus Selnecker mit der Konkordienformel bekannt gemacht und zur Unterzeichnung aufgefordert, die sie auch leisteten. Sie blieben drei Tage und die Kirche gab den Hiesigen 4 Schocke, 14 Gr. 1 Pfg. Auslösung. Die diesjährige Räumung des Stadtgrabens, welcher 2008 Ruten 3 Eilen hielt, verdingte man für 585 Taler, die Rute zu 7 Groschen. Weil man aber den Schlamm wider Erwarten 2 bis 3 Ellen tief fand, mußten 144 Taler 4 Gr. 8 Pfg. nachgezahlt werden. Das Schlammgerät hielt der Gräber. Überdies gab man ihm noch 10 Taler zur Winterzehrung und seinen Leuten 1 Faß Delitzscher Bier. Zu gleicher Zeit hob man auch den Graben an der Wiese der Elenden (Stadtschreiberwieschen) vor dem Hallischen Tore, 14 Ruten lang und bezahlte 7 Gr. Lohn. Oswald Großen, der wider des Rates Verbot die Wochenmärkte in Zörbig bezog, wo es des Sterbens wegen gefährlich war, bestrafte man mit 12 Groschen und sagte aus demselben Grunde nicht nur dieser Stadt, sondern auch Torgau den hiesigen Herbstmarkt auf. Von Christof Berger am Sauhofe, Num. 55 der Holzgasse, kaufte die Stadt einen Raum hinter dessen Hofe zu Anlegung einer Kalkhütte für 7 Schock. Dagegen überließ man ein Stück des alten Mühlplatzes an der Pforte (das Spitzlein der alten Mühle) für 1 1/2 Schock an den Besitzer des ersten Hauses im 4. Viertel (Num. 202) Gregor Döring, der sein Haus damit vergrößerte und die gerade Richtung der Gasse zur Pforte unterbrach. Auch verkaufte der Rat die im vorigen Jahre von der Kirche erblich erlangten Felder auf Gerlitzer Mark und belegte sie mit Erbzins, Lehngeld und Dienst. Der Hutmacher Urban Schmidt, welcher mit Clara, Jakob Marskarts Tochter, Ehebruch begangen, flüchtete, kam aber zurück, erhing sich an einem Apfelbaum des Beckerschen Garten im Rosental und ward von dem Abdecker im Felde vergraben; tages darauf aber, am 13. August Georg Schindler durch das Amt mit dem Schwerte hingerichtet und dessen Hure mit Staupenschlag ewig verwiesen. Am 10. November abends erschien gegen Mitternacht ein Komet, welcher bis 12. Januar des künftigen Jahres sichtbar war. Der Schlag des inneren breiten Tores, an welchem der Strick riß, schlug die Tochter des Tischlers Bergmann nieder, die vom Chirurg Heinrich Schmidt für tot angenommen, aber glücklich hergestellt ward. Das Arztlohn, welcher der Rat bezahlte, betrug 1 Taler. Das Pfarrholz im Rosentale, welches die Amtsvorgänger übermäßig angegriffen und entblößt hatten, gab das Bedürfnis nicht mehr und entschädigte man, bis zu dessen Erholung, den Superintendenten Seliger mit einer jährlichen Zulage von 5 Schocken 15 Groschen aus dem Kirchenvermögen. Das Rittergut Löbnitz schuldete der Kirche ein altes Kapital von 100 Gulden mit 50jährigen Zinsrückständen. Dieses Kapital ward endlich nach langen vergeblichen Erinnerungen und Klagen, denen man die Verjährung entgegensetzte, durch Vermittlung des Konsistoriums von Georg von Schönfeld, dessen Brüdern und Mitbelehnten mit 125 Gulden, der Goldgulden zu 261/4 Groschen gerechnet, abgezahlt, die Zinsen aber mußte man fallenlassen. Zu Sammlung des Almosens in der Leichhalle der Kirche bei Wirtschaften (Hochzeiten, Trauungen) bediente man sich bisher eines Beckens. Weil man aber mit diesem allerlei Unrat, Faxerei und Leichtfertigkeit trieb, schaffte die Kirche zu diesem Zwecke ein schwarzes Kästchen mit eisernem Beschlag an. Die Krankheit der vorigen Jahre, im Herbst wieder bemerkbar, ergriff nur wenig Häuser und war für die Erkrankten in der Regel ohne Gefahr. Der Scheffel Weizen galt 10, Roggen 7, Gerste 4 Groschen und Hafer ebensoviel.


1578

Der Weg nach Schlaiz (Schladitz) ward mit dem Rutenrade gemessen und die Entfernung bis zu dortiger Schenke betrug 3/4 Meile. Heinrich Pak auf Döbernitz bot dem Rate durch die Miltitzer auf Schenkenberg und Otto Spiegel auf Neuhaus seine Rittergüter Beerendorf und Laue zum Verkaufe an. Man besichtigte sie mit Zuziehung tüchtiger Ökonomen, verhandelte auch darum in Leipzig, wo man sich mit Rechtsgelehrten beriet und war zum Abschlusse fertig. Es zerschlug sich aber der Handel wider beider Teile Absicht, doch zum Verdrusse des Rates, dem es hauptsächlich um die Spröde und Hutung zu tun war und gerade jetzt an Gelde nicht mangelte. Mehrere Ratsmitglieder reisten auf Befehl des Kurfürsten nach Dresden, wo sie vom 19. bis 24. Februar blieben und mit den übrigen Ständen eine neue Tranksteuer, das Ungeld bis 1582 willigten, welches von der Kanne Wein 2 Pfennige, von der Kanne Bier einen Pfennig betrug und neben der großen Tranksteuer gegeben werden mußte. Ihre sechstägige Abwesenheit verursachte außer den Fuhren 29 Taler Aufwand. Am 5. März ward Benedict Partei, ein lediger Gesell aus Hohenossig, bei dem Amte wegen Mordes in Untersuchung und Haft, mit dem Rade gerichtet. Der regierende Bürgermeister Balthasar Franz, früher Kantor und Stadtschreiber, starb am 4. April im 78. Lebensjahr. Er gehörte zu den vorzüglichen Beamten und die Stadt bewies durch ein ausgezeichnetes Begräbnis am 6. und dadurch, daß sie die Kosten des Leipziger Arztes Dr. Mos back, welcher den Kranken behandelt hatte, übernahm, ihre Dankbarkeit. Die Kirche erhielt nach seiner letztwilligen Verordnung ein Schock. Die Gemeinde Gertitz, welche in der Mark zu Schaden hütete, auch die Trift zur Ungebühr erweiterte, gab 10 Taler Strafe und ebensoviel die Witwe Hintzsche, bei der zweimal Feuer auskam; dem Blasius Escher aber, der bei seiner Hochzeit übermäßige Pracht trieb und noch einmal so viel Tischgäste hatte, als das Gesetz erlaubte, ward eine Buße von 15 Talern auferlegt. Am 27. April bemerkte man wiederholte starke Erderschütterungen. Der Bau des neuen Hirtenhauses kostete 39 Schock. Gegen Hans von Scheiding auf Wölkau, der schon im vorigen Jahre dem Gesinde erlaubt hatte, auf der Wiese der Naundorfer Mühle zu bleichen und eine Hütte anzulegen, auch in diesem Jahre der Stadt in ihre Gerechtsame griff, sowie wegen des übermäßigen unbefugten Brauens auf dem Lande, beschwerte man sich unterm 15. Juli mit Erfolg bei dem Kurfürsten, zu welchem Erfolge namentlich die lästige Steuer des Ungeldes günstig war. Das junge Eheweib des Zieglers Culmann, Gertrud, des Ehebruchs verdächtig, entfernte sich von Zeit zu Zeit. Ehemann und Mutter, die man wegen ihrer öfteren Abwesenhei befragte, zeugten gegen sie, sie ward daher, als sie am 20. September sich wieder sehen ließ, vorgeladen und da sie das Verbrechen gestand, gefänglich angenommen. Das eingeholte Urteil brachte ihr das Schwert, es sollte am B. Januar künftigen Jahres vollstreckt werden, das Grab für sie war fertig, als sie im Halsgericht noch andere Teilnehmer an dem Verbrechen angab, der Prozeß sich erweiterte und das Urteil erst am 20. Juli 1580 zur Vollziehung kam. Auffallend erscheint dabei, daß die Mitverbrecher, welche leugneten, infolge des Urteils, unter anderem eines von dem Schöppen des Gerichts auf dem Berge vor dem Rolande zu Halle durchkamen und des Ehemannes Eintreten, welcher der Schuldigen verzieh, erfolglos blieb. Am 17. November entstand hier ein Feuer in dem zu Num. 137 gehörigen Miethause des Organisten Tornau in der Schloßgasse, welches, durch augenblickliche Hilfe gedämpft, ohne Schaden blieb. Der Eigentümer gab, da er kurz vorher erst zum Besitz gekommen und die Gefährlichkeit der Feuerstätte nicht kannte, nur 1 Schock 6 Gr. 3 Pfg., die Hälfte der Strafe. Am 28. November ward ein junger Mensch, Thomas Leibnitz, aus der Gegend bei Grimma wegen Dieberei mit dem Strange hingerichtet. Die Krankheit der vorigen Jahre beschränkte sich auf ein einziges Haus und verlor sich ganz. Andreas Molitor [Müller], s. 1575, ließ sich mit einer Predigt hören, daraus man seinen großen Fleiß erkannte und verehrte ihm der Rat 3 Taler. So viel gab man auch dem Sohne des gewesenen Pfarrers zu Selben, Laurentius Müller, Bernard Müller, der in Delitzsch erzogen, sich Delicianus nannte und dem Rate ein Carmen de natali Christi dedizierte. Das Stipendium der Commende Trinitatis aber, 8 Schock, 45 Gr. an Betrag, hatte Valentin Hegner, der Sohn eines hiesigen Hufschmiedes, gleichen Namens, geboren am 9. März 1555, welcher seit vorigem Jahre in Leipzig Theologie studierte, später hier Kantor und Ratsherr war. Der Scheffel Weizen galt 10, Roggen 6, Gerste 4 1/2, Hafer 5 Groschen. Der Rat verpachtete die Naundorfer Mühle mit vier wüsten Gärten, gehörigen Kabeln, Wiesewachs niederwärts der Mühle, einer Hufe und einer Breite Feld an Georg Leubel auf drei Jahre. Das jährliche Pachtgeld betrug 25 Schocke 36 Gr., als: 40 Gulden Geld, 50 Scheffel Weizen zu 10 Gr. und 28 Scheffel Korn zu 7 Gr. über die 72 Scheffel Korn jährlicher Abgabe an das kurfürstliche Amt. Die Mühle hatte drei Gänge und lieferte der Rat zwar zum Gerinnicht und allen anderen Grund- und Wassergebäuden das Bauholz, Räder, Wellen, Schaufeln, den Bau selbst aber mußte der Pächter auf eigene Kosten besorgen, auch die Schmiedearbeit allein übernehmen sowie den Ankauf der Steine, deren Anfuhr man jedoch vergütete. Auch überließ man ihm die Weiden am Damme zur Benutzung und Erhaltung der Zäune.


1579

Am 6. Februar entzündete sich in der Wohnstube des Jacob Knobloch Gerät am Ofen. Die Familie war abwesend, die Nachbarn erbrachen aber die Tür und dämpften die Flamme, ehe sie um sich griff. Auch am 18. Oktober nachts um ein Uhr brach in dem Miethause Schöpfers auf dem Damme durch Unvorsichtigkeit der Hausleute Feuer aus, welches durch die schnelle Hilfe der Nachbarn außer den unvermeidlichen Zerstörungen im Hause weiter keinen Schaden tat. Der Rat gab den neuen Schützen zu ihren Übungen Vorteile, Gewinne, für dieses Mal ohne Versprechen für die Zukunft. Am 5. Mai kam Johann Trautmanns Eheweib mit Drillingen nieder, die tags darauf früh 4 Uhr, Adam, Eva, Ursula getauft wurden, am 11. aber verstarben. Der etwas trunkene Töpfer Andreas Rulz aus der Grünstraße erregte am 30. Juni in der Vorstadt durch eine Balgerei mit dem Bauer Matthäus Jommer ans Benndorf, wobei er das Messer zog, einen Auflauf, flüchtete, als der Fron Caspar Herold mit der Wache kam, nach dem Galgtore und ging, als er dieses geschlossen fand, in der Trunkenheit nicht übersteigen konnte, mit dem Messer auf die Wache los und veranlaßte den Fron, daß er übereilterweise die Wehr zog und den Andringenden mit zwei Stichen in den Leib auf der Stelle tötete. Der Fron entschuldigte sich zwar mit der Notwehr, ward aber durch ein zweites Schöppenurteil nach Läuterung des ersten auf drei Jahre des Landes verwiesen und zu 59 Gulden Kosten verurteilt. Man verwandelte die Verweisung in Gefängnis und erleichterte ihm auch dieses wegen seiner Schwermut. Der Teich der alten Mühle, auch alte Tränke, alte Wäsche genannt an der Pforte, ein übelriechender Sumpf, ward durch Ausfüllung und Belegung mit Steinplaster der dahinführenden Mühlgasse durch den Steinsetzer Donat Müller aus Eilenburg verhältnismäßig gehoben. Der Rat bezahlte ihm 63 Ruten, die Rute mit 7 Groschen, das übrige die anwohnenden Hausbesitzer. Die Kommissarien versuchten es, den Rät mit Alexander von Miltitz aufSchenkenberg wegen Beleihung der Naundorfer Mühle, der streitigen Grenze des Kosebruchs und der Loberfischerei bei Benndorf zu vergleichen. Es gelang aber nicht und der Prozeß hatte seinen Fortgang. Auch mit dem Besitzer der Benndorfer Mühle geriet man wegen der Fischerei im Mühlteiche; die er sich erlaubte und mit dem Eigentum der Mühle erlangt zu haben glaubte, in Streit. Für die Frauenkirche fertigte der Tischler Michael Schulze auf des Rates Kosten einen neuen Predigtstuhl auf einem gemauerten Pfeiler an der Mitternachtsseite des großen Gewölbebogens, welcher dabei des beschränkten Raumes wegen etwas verbrochen ward. Auch brachte man neue Stühle und ein Pult dahin, mit welchen denn die Einrichtung der kirchlichen Abteilung des Gebäudes endete. Der Rat behandelte zwar die Beerendorfische Spröde, aber auch dieser dem Abschluß nahe Händel ging durch Einmischung unbehilflicher Berater zurück. Durch häufige Regenfälle und Kälte mißriet die Ernte und die vorjährigen auch, Anfang dieses Jahres sich billig haltenden Getreidepreise erreichten schon im August eine. unbillige Höhe. Vom 12. bis 17. September waren zwei Ratsherren mit dem Stadtschreiber in Dresden, wo man einer Getreidesteuer, vom Scheffel 6 Pfennige, welche der Käufer zahlte, willigte, und das Scheffelgeld auch Aufgeld vom Getreide nannte. Am 26. Dezember starb Johann Luppe, Ratsherr seit 1574. Man gab dem Andreas Schreiber (s. 1575) zu Erlangung des Baccalaureats in Leipzig wegen seiner Frömmigkeit und ausgezeichneten Fleißes eine Unterstützung von 3 1/2 Schock. Sämtliche Bottiche der Brauhäuser wurden mit dem Eintritte des Herbstes wegen Gleichheit des Gusses abgemessen und geeicht.


1580

Die antretenden Herren des Rates faßten bei Ablegung des Eides ein Kruzifix, auch war dabei ein Tuch von grünem Kartek [ein feines wollenes Gewebe] mit. seidenen Troddeln und Futter von rotem Schetter [ein leinenes geglättetes Gewebe] im Gebrauch. Das Schützenhaus am Hospital ward umgebaut und schenkte der Rat der Gesellschaft 6000 Steine, auch gab er den jüngeren Schützen 2 ½ Täler zu Vorteilen bei ihren Übungen. Der Plattner Heinrich Klinge zu Braunschweig lieferte zur Leipziger Ostermesse 30 vollständige Harnische an den Rat. An die Stelle des Hausmannes Albrecht von Eilenburg, den man wegen seines Unfleißes absetzte, trat Herman Bertold von Halberstadt. Er war der erste, welchen man zur Kirchenmusik [auf die hohen Feste und sonst der Kantorei zur Zier neben dem Gesellen mit Blasen und Pfeifen in dem Figuralgesange sich brauchen zu lassen] verpflichtete. Man gab ihm für das Blasen vom Turme, Wachen und Seigerziehen von früh 3 bis abends 9 Uhr anfänglich 16, in der zweiten Hälfte des Jahres 18 Groschen wöchentlich, hielt aber für das Seigerziehen von abends 9 bis früh 3 Uhr einen besonderen Wächter um 3. Schock diesjährigen Lohn. Der hohe Preis der Gerste nötigte die Braugesellschaft, die Kanne Bier um einen Pfennig teurer zu geben, weshalb man bei den kurfürstlichen Kammerräten in Leipzig anfragte. Am 14. Juli starb im 93. Lebensjahr und 56. Amtsjahre der Bürgermeister Petrus Walter, ein Vogtländer, der in Leipzig studiert und das Bacca- laureat erlangt hatte, im Jahre 1524, die hiesige Rektorstelle annahm, aber wegen seiner wissenschaftlichen Bildung, Rechtlichkeit und Gewandtheit In schriftlichen Aufsätzen schon nach zwei Jahren in den Rat gewählt ward. Nicht weit vom Dorfe Gertitz fand man am 26. August den dasigen Gutsbesitzer Thomas Mebes mit wunderlichem Zeuge, als wenn er Feuer anzulegen willens gewesen und die Totengräber begruben ihn tages darauf an einer Wegscheide. Am 1. Oktober tötete Hans von Scheiding auf Wölkau Hans Dietzen von Benndorf beim Lerchenstreichen auf seines Vaters Acker in Benndorfer Mark. Der vom Rat eingeleitete peinliche Prozeß wurde aber auf Befehl des Kurfürsten, bei dem sich mehrere Kur-. und fürstliche Personen mit Erfolg verwendet hatten, gegen Zahlung von 150 Talern Kosten, die dem Rate erwachsen waren, eingestellt.. Der Bürger Jakob Süßmilch, welcher am 28. Oktober starb, beschied der Kirche letztwillig 100 Gulden, von deren Zinsen jährlich ein Tuch gekauft und an hausarme Leute verteilt werden sollte. Auf einer zwischen Rat und Amt streitigen Stelle der Gertitzer Mark fand man am 30. Dezember den 10jährigen Knaben das Matthäus Jungermann aus der Grünstraße tot, wahrscheinlich erfroren. Beide Gerichtsbehörden ließen ihn, im harten Winter, bei ungestümem Winde und Schnee die Nacht über liegen und bewachen. Joachim Hartmann von hier wünschte dem neuen Rate in einem gedruckten lateinischen Gedicht Glück und empfing 3, Daniel Scheuchler, auch ein Stadtkind, welcher für die Kantorei einen Gesang auf 5 Stimmen componierte 2, und dem Magister Johann Rivius, Professor in Leipzig für die Zueignung seines Opus locorum communium philosophicorum 6 Taler Verehrung. Ein Scheffel Weizen galt um Jacobi 1 Taler, Roggen 22 Groschen, Gerste 12, Hafer 9 Groschen.


1581

Bisher besorgte der Küster Nikolaus Roitzsch mit ungemeinem Fleiß den Elementarunterricht. Da er aber in hohem Alter stand, so beschloß man, ihm einen besoldeten zugleich auch musikalischen fünften Lehrer an die Seite zu stellen und wählte den hierzu vorzüglich geschickten Daniel Schuchler, der denn auch am 31. März von Leipzig, wo er studierte, anzog. Er war der Sohn des hiesigen Bürgers Erhard Scheuchler, geboren am 7. September 1555, ward 1584 vierter Lehrer, 1591 Mitglied des Rates und bald darauf Pfarrer zu Sandhausen in der Pfalz. Der Rektor Rhodius weigerte sich, die kurfürstliche neue Schulordnung unbedingt anzuwenden und es hielt deshalb der Superintendent, der Bürgermeister und Stadtschreiber mit Dr. Nikolaus Selnecker in Leipzig Rücksprache. Am 7. August nachmittags zwischen 2 und 3 Uhr brach in Arnstadt bei dem Bürgermeister Hans Behrmanh, sonst Nebel genannt, der unvorsichtigerweise bei großer Trockenheit und Wind eine zwischen zwei Häusern liegende hölzerne Rinne mit Pech ausgießen ließ, Feuer aus. Da die Einwohner größtenteils auf dem Felde beschäftigt waren, griff es schnell um sich und legte in kurzer Zeit 366 Häuser mit allen Hintergebäuden, 64 Scheunen mit allen Vorräten, das gräfliche Vorwerk, das Rathaus, die Kirche mit steinernem Turm und Glocken, die Schule usw. in Asche. Mauern, Gewölbe und Keiler schützten nicht gegen die fürchterliche Glut. Viele, Einheimische und Fremde, verloren ihr Leben. Für diese Stadt und Gandersleben im Braunschweigischen, wo durch Feueranlegung über 100 Bürgerhäuser, Rathaus, Kaufhaus, die Marktkirche, der Stadtturm und Mauern zerstört wurden und viele Menschen ihren Tod fanden, brachte man auf kurfürstliche Verordnung starke Kollekten auf. Mehrere Besitzer der zum Gall Hartmannischen Schöppengute in Zschortau gehörigen Höfe auf Schweißermark glaubten sich unbeschränkte Eigentümer derselben und wollten sich Junker als Lehnsherren derselben suchen. Sie wurden aber durch den Rat und Amtsschösser, die deshalb eine Untersuchung an Ort und Stelle hatten, daß diese Höfe zu dem - Srhöppengute gehörten, sie dieselben nur als Laßgüter hätten, bedeutet, und dieser vermittelte Umstand in dem Amtsbuche vermerkt. Zu gleicher Zeit setzte man die Trift der Gertitzer aus ihrem Dorfe nach Weißig und anderen Marken fest und schrieb den Vertrag in das Amtsbuch. Das Torhaus am breiten Tore, die Brücken am breiten und Hallischen Tore, am Hospital wurden mit bedeutenden Kosten erneuert, 180 Ruten Graben an den Lehden vor der Spröde und 442 Ruten an der Straße nach Gertitz und Pfeffermühle gehoben, überdies aber auf die Baumanlage des Zwingers Ansehnliches verwendet. Wilhelm Gebler hatte am 2. November, als er von einer Hochzeit nach Hause kam, die Laterne in seiner Stube unverlöscht stehen lassen, die sich nachts gegen 3 Uhr entzündete und die Gerätschaften in der Nähe ergriff. Er wäre schlaftrunken mit seinem Weibe verunglückt, wenn nicht die Nachbarn die Tür erbrochen und die dem Bette schon nahen Flammen gedämpft hätten. Am 28. Dezember gab Hans Große in der Vorstadt den jungen Gesellen ein Viertel Bier, wobei ein Töpfergeselle Zschoch den Wagnergesellen Adam Böttcher mit einem Dolche in den Rücken gefährlich verwundete. Der Torwärter Georg Nagel, welcher dem Täter zur Flucht das Tor für ein geringes Trinkgeld öffnete, ward abgesetzt. Man bestrafte den Große, weil er durch sein unbefugtes Biereinlegen zu dieser Tat Anlaß gegeben mit einem Schock, den Christoph Oehmichen aber, welcher sein Gebäude anders anlegte, als es der Rat erlaubt hatte, mit 48 Groschen. Paul Seidel [Sohn des hiesigen Baders Seidel), welcher dem Rat seine Historia vitae D. Martini Lutheri verehrte, erhielt einen Täler Gegengeschenk, Andreas Schreiber aber wegen seiner Geschicklichkeit, Frömmigkeit und besonderen Fleißes zu Erlangung der Magisterwürde in Leipzig 7 Täler. Zur Bezeichnung der Gefäße des Lagerbieres ließ man zwei besondere Eisen mit dem Löwen fertigen. Der Scheffel Weizen galt im Juni 18, Roggen 15, Gerste 8, Hafer 5 Groschen. Der Prozeß mit dem Rittergute Schenkenberg wegen des Teiches im Kosebruch und der Loberfischerei bei Benndorf ward am 11. Dezember vor dem Oberhofgericht mit Bestimmung der Grenzen verglichen und der Vergleich in das Rezeßbuch dieses Gerichts eingetragen.


1582

Am 25., 28., 29. und 30. Januar maßen der Landrichter und die Amtsland Schöppen unter Aufsicht des Amtsschössers Gregor Fiedler und des Bauherren Adam Fiedler die Wege nach Kletzen, Freiroda, Gerbisdorf, Glesien, Hohenossig, Klepzig, Lehelitz, Rabutz, Reinsdorf, Reußen, Radefeld, Schladitz, Sietzsch, Werlitzsch und Wiesenena rutenweise. Man fand diese Dörfer, Rabutz und Klepzig ausgenommen, sämtlich in der Meile und der Amtmann erklärte den Bewohnern, daß er kurfürstlichem Auftrage nach das Privilegium der Biermeile hiesiger Stadt gegen sie schützen werde. Das Ergebnis der Messung ward in das Amtsbuch geschrieben. . Benedikt Spange, welcher 1580 seine Familie verlassen und wider des Landesherren Verbot fremde Kriegsdienste genommen hatte, mußte einige Zeit im Hallischen Turm sitzen und das verwirkte Bürgerrecht von neuem suchen. Mit Gefängnis im Turm und einem Schock an Gelde bestrafte man auch den Fleischer Urban Schmidt, welcher einem Bauer das Pfund Fleisch um 2 Pfennige teurer als geschätzt verkauft hätte und dessen überführt ward. Der Rat fuhr am 18. Mai nach Benndorf und ließ daselbst, sein erlangtes Recht geltend zu machen, im Lober unter seiner Aufsicht fischen. In Landsberg verunglückten durch Feuer, welches am B. Juni in des Bürgermeisters Gregor Gebhards Gehöft ausbrach, binnen 1/2 Stunde 8 Höfe. Der Rat legte hiesiger Kollekte 1 Täler 4 Gr. aus der Kasse zu. Die Ratsherren Mr. Elias Fischer und Urban Franz fuhren am 22. Juni nach Eilenburg, um mit Utz von Ende auf Püchau, Hieronymus von Canitz auf Dalwitz den Streit zwischen dem Rate zu Düben und Hansen Spiegel zu Pristäblich wegen des Bierbrauens schiedsrichterlich zu vergleichen. Zwei Lauische Bauern, die auf Gerlitz hüteten, wurden gepfändet und gestraft, auch pfändete man den Hirten von Schenkenberg, welcher dem Vergleich entgegen über die Grenze im Kosebruch hütete, eine herrschaftliche Kuh ab. Neu baute man die Brücke des Kohltores, versetzte den Viehstall der Stadtschreiberei, welcher durch Wasser der nachbarlichen Besitzung abendwärts schadete, nach der Mauer gegen Mittag, erneuerte und verschönerte die Decke der großen Ratsstube und belegte den Fußboden des Gewölbes (Archivs) mit eigens dazu geformten Ziegelplatten. Heinrich von Pak auf Döbernitz, der nach seiner Leipziger Breite eine neue Trift über den Elberitzer Anger bei des Bürgermeister Költzsch Garten und rotem Steine in die Leipziger Straße, über Rubach und Elberitz angelegt hatte, welche der Rat bestritt, brachte auf kurfürstlichen Befehl eine Kommission aus, und wiesen ihm zwar die Kommissarien Abraham Ring aus Brehna und der hiesige Schösser am 20. Juli nach genauer Erwägung der Umstände eine andere an, er nahm sie aber in Bedenken. Den Besitzern der Rittergüter Döbernitz, Neuhaus und Schenkenberg wurde unter dem 24. Juli durch die kurfürstlichen Kommissarien Georg von Schönfeld und hiesigen Schösser bedeutet, gegen der Stadt Privilegium [der Biermeile, des Bierschenkens und Abführens] nichts vorzunehmen oder ihren Untertanen Beeinträchtigungen zu verstatten, die sie rechtlich zu begründen nicht vermöchten. Der Papst Gregorius XIII., welcher den bisherigen, auf einer unrichtigen Jahreslänge basierten, der wahren Zeit um mehrere Tage voreilenden Julianischen Kalender durch Astronomen berichtigen lassen und in allen christlichen Ländern eingeführt wissen wollte, schickte ihn in dieser Absicht auch auf den diesjährigen Reichstag, wo er aber zu spät eintraf. Mehrere Stände hatten sich schon entfernt und des Kurfürsten von Sachsen Bedenken hinderte, daß er bei den übrigen zur Sprache kam. Die Bedenklichkeiten, die er äußerte, waren zwar protestantisch, aber für Ansehen und Ehre des Reiches nicht gleichgültig. Er behauptete, daß die bisherigen Kalender-Änderungen und Verbesserungen, selbst der conciliarische Kanon des Osterfestes nicht durch Päpste, sondern durch die Machthaber des Reiches bewirkt worden seien, ihre Nachfolger daher sich nichts vergeben dürften, bemerkte dabei die höchstnachteilige Verwirrung gewerblicher, rechtlicher und kirchlicher Verhältnisse als unausbleibliche Folge einer unvorbereiteten, übereilten Hingebung, erhob die Nützlichkeit einer vorläufigen Erwägung örtlicher Beziehungen und schlug zu Beratung eines nach seiner Ansicht so wichtigen Gegenstandes den nächsten völlig besetzten Reichstag vor, wohin denn auch die Sache verwiesen ward. In den Ländern päpstlichen Einflusses geschah die Annahme dieses [Gregorianischen) Kalenders, welcher das gegenwärtige Jahr um 10 Tage, vom 4. Oktober ab gerechnet, verkürzte, natürlich sogleich. Der Protestantismus aber, durch jesuitische Umtriebe und Verfolgungen erbittert, wies ihn wie jede Annäherung an Rom auf das Entschiedenste zurück, obwohl er seinen Wert wohl erkannte. Am 18. November starb der regierende Bürgermeister Johann Burgmann, Ratsherr seit 1564. Drei hiesige Bürgersöhne, Nikolaus Eckart, Peter Planitz und Ambrosius Taurerus, erlangten in Wittenberg das Magisterium und der Rat gab ihnen dazu eine Unterstützung an Geld. Von den Besitzungen bei der Naundorfer Mühle gab der Rat 4 Taler Lehngeld von den vier wüsten Gärten mit zugehörigen Kabeln Wiesewachs an das Rittergut Storkwitz und 19 Groschen, auch 24 Groschen statt 12 Hühnern jährlich als Erbzins dahin. 26 Groschen Erbzins von der Mühlhufe auf Naundorfer Mark zu Martini an Matthias Spiegels Erben auf Zschortau und 4 Groschen von der Breite zu dieser Hufe an die Kirche zu Delitzsch. Kollekten brachte man aus für Buchholz, Gorden bei Liebenwerda, Kindelbrück, Rockhausen bei Erfurt und Roßleben, die durch Feuer, Orkan und Unwetter große Verluste an Gebäuden, Vieh und Vorräten hatten. Der Scheffel Weizen galt 20, Roggen 18, Gerste 10, Hafer 8-6 Groschen. 121 Acker 50 Ruten Lehden auf Gerlitz wurden zu künftiger Hafersaat für 24 Schock 14 Gr. Lohn umgepflügt.


1583

Der Rat kaufte am 31. Januar von dem Bürger Hans Branz zum Bedarfe der Ziegelei eine halbe Hufe auf dem Sande zwischen George Kirchhofs und der Stadt Feldern für 220 Gulden. Sie hielt 11 1/2x Acker und etliche Ruten in drei Feldern, war mit 8 Groschen Erbzins belastet und unbesät. Dagegen verkaufte er von dem verbrauchten Ziegelacker 1 Acker 16 Ruten nämlich 1/2 Stück bei der Trift, 42 Ruten haltend und zwei kleine Stücken über der hintersten Windmühle von 34 Ruten, die man früher von Jost Otten und Johann Arndt getauscht, an den Bürgermeister Thomas Schmidt für 5 Schock 19 Groschen 2 Pfennige und 1 Acker 3 Ruten bei der Bergmühle gelegen an Georg Kirchhof für 4 Schock 22 Gr. 6 Pf., den Acker zu 12 Gulden gerechnet. Es kam Befehl zu fleißiger Musterung der Bürgerschaft und berichtete man am 29. April den Erfolg. Am 29. Juni starb der Superintendent Licentiat Johann Seliger und ward am 1. Juli in der Kirche beigesetzt. An seine Stelle kam auf Empfehlung des Konsistoriums der Superintendent in Borna Magister Martin Kirsten. Er wurde am 5. Februar des künftigen -Jahres von Dr. Nicolaus Selnecker mit den gewöhnlichen Feierlichkeiten unter Anpreisung seiner Verdienste in das neue Amt eingewiesen. Am 7. Juli vormittags 10 Uhr brannten in Eilenburg auf dem Sande durch Verwahrlosung des Feuers beim Fischsieden 31 Wohnungen nieder und legte hiesiger Rat den an zwei Sonntagen in der Kirche und durch Umgänge in der Stadt gesammelten milden Beiträgen ein Schock aus der Kämmereikasse zu. Die kurz vorher hier am 1. Juli durch den Blitz entzündete, Scheune der verwitweten Bürgermeister Burgmann auf dem Damme, ging der Eigentümerin, die bald darauf starb, zwar verloren, die Verbreitung der Flammen aber ward glücklich abgewehrt. Der Rat baute in den Sommermonaten dieses Jahres eine neue Getreidescheune, den westlichen Erker des breiten Turmes und die große Stube des Rathauses mit ziemlichen Kostenaufwand. Der mit Schiefer gedeckte Erker erhielt zum Schmuck vier stark vergoldete kupferne Knöpfe und die Wohnung des Hausmannes (Türrner) Fensterkasten von Stein. Für die Decke der Ratsstube, welche der hiesige Tischler Thomas Bergmann mit vorzüglicher Kunst gearbeitet und mit Schnitzwerk, Rosen, Trauben und Löwenköpfen geziert hatte, zahlte man ihm 5 Taler über 65 Gulden bedungenem Lohn und sie erhielt sich mit der Jahreszahl 1583 bis in die späteren Jahre des 18. Jahrhunderts, wo sie der neueste Geschmack beseitigt hat. Franz Binder und Matthäus Schneuber schlugen sich mit geschliffener Wehr und zahlte Binder, welcher seinem Gegner mehrere Wunden beibrachte, auch die untere Röhre des linken Armes durchhieb, über die Gerichts- und Heilkosten 2 Taler 16 Gr. Strafgeld an die Stadtkasse. Durch häufige Regen und große Nässe mißriet die Ernte und der Rat mußte den Scheffel Roggen [Deputat der Fronen) mit 191/4, Wintergerste für den Samenbedarf mit 16 Groschen bezahlen. Die Stadt hatte sich zwar mit Alexander von Milütz auf Schenkenberg wegen der Grenzen im Kosebruch und der Trift dahin vor dem Oberhofgericht im vorigen Jahr vertragen, es entstanden aber, ehe man diese Grenzen durch Messung und Marksteine sicherte, neue Störungen, Übergriffe und Ansprüche, die endlich am 4. Oktober von den Kommissarien des Oberhofgerichts, Otto Spiegel zum Neuenhause, hiesigem Amtsschösser Fiedler und Hauptmann Wolf von Carlowitz mit Zuziehung des Amtsverwalters Georg Winckler von Eilenburg durch Messung beseitigt wurden. Miltitz erhielt vom Teiche am Kosebruch 5 Acker 15 Ruten und der Landrichter mit den Amtslandschöppen begrenzten am 18. Oktober diesen ihm zugemessenen Teil. Kollekten brachte man aus für Herzwalde, Schilda und Markkirchen. Sieben Stück gemeine Tuche verteilte man jetzt jährlich an arme Schüler und hausarme Leute aus den Stiftungen der Sebastian Sanderin, des Martin Koch, der Hans Krügerin, der Donat Findeisin, Heinrich Grünthalin und Lorenz Eckartin, am Werte 10 Schock 53 Groschen 6 Pfennige. Der Scheffel Weizen kostete 20, Roggen 13, Gerste 9, Hafer 8 Groschen. Die Vorsteher des Hospitals [Bürgermeister George Kirchhof und Johann Fischer] ließen von dem Tischler Thomas Bergmann, welcher sich im vorigen Jahre durch künstlerisches Schnitzwerk an der Decke der Ratsstube ausgezeichnet hatte, eine mit ähnlichen Verzierungen neue Kanzel in der Hospitalkirche fertigen, welche ohne Wandel noch besteht und die Tüchtigkeit ihres Meisters bezeugt. Die Anfangsbuchstaben des Namens der Vorsteher G. K. und J. F. mit der Jahreszahl 1584 sind auf einer kleinen mit Kruzifix versehenen Tafel im Seitenabteil angebracht.


1584

Hieronymus Casselmann aus Halle, des von Scheidingen auf Wölkau reisiger Knecht, forderte seines Herrn Schreiber und Kinderlehrer Hans Schlegeln aus Buttstädt, in des hiesigen Bürgers Jacob Knobloch Hofe auf bloße Wehr und tötete ihn durch einen unglücklichen Stich in die Brust. Die im vorigen Jahre erneuerte Ratsstube versah man noch mit einem messingenem Hängeleuchter, den man für 4 1/2 Taler in Leipzig kaufte und Gemälden auf Tafeln (die Kreuzigung, das kurfürstliche und Stadtwappen) durch 'den hiesigen Maler Hans Bußmann.. Derselbe Maler belegte das 'alte Kruzifix daselbst mit feinem Golde und färbte die Türen, die größere auf den Seiten mit Laubwerk, die kleinere des Gewölbes schlicht grün, wie sie sich unverändert erhalten hat. In der Kirche wurde das Denkmal des Rittmeister von Selmnitz neben und über der Sakristeitür aufgestellt. Peter Lichter aus Schmölln bei Altenburg, welcher am 9. Juni früh 6 Uhr in Peter Heidenreichs Hause ein schwarzledernes Wams und ein Paar Pumphosen von schwarzem Tuche stahl, ward gestäupt und des Landes verwiesen. Am 10. Juni starb der Bürgermeister Thomas Schmidt, früher Kantor und seit 1563 Ratsherr im 63. Lebensjahr am Nervenfieber. Er war, wie 1547 bemerkt ist, ein Stadtkind, Baccalaureus der Philosophie und ein nicht nur in den alten Sprachen, in der Mathematik, Dichtkunst und Musik, sondern auch in den Händeln bürgerlichen Lebens erfahrener, unermüdet tätiger und nützlicher Mann, dessen Verlust daher im allgemeinen schmerzlich empfunden ward. Die gefährliche Krankheit, an der er starb, griff schon im Februar dieses Jahres, der besten kostspieligsten Maßregeln ungeachtet, um sich und war im Mai schon allgemein verbreitet. Sie begann mit einem trockenen beschwerlichen Husten und ging schnell in Hirnentzündung über, die mit wenigen Ausnahmen tödlich war. Ganze Familien wurden ihr Raub, das Dorf Gertitz starb bis auf wenige Personen ganz aus und mehrere Bürger verließen, ohne für ihre Bürgerpflicht Vertreter zu stellen, ob dies gleich bei 10 Talern Strafe verboten war, die Stadt. Das Todesbuch dieses Jahres nennt 601 Verstorbene und unterlag dieser Krankheit auch die Witwe des Superintendenten Seliger und am 11. Dezember der Superintendent Mr. Kirsten, nachdem ihm wenige Tage vorher vier Töchter Elisabeth, Christiane, Sibylla und Marie von 15 bis 3 Jahren vorangegangen waren. Am 25. März starb der Bürgermeister George Tham. Er war hier geboren, von 1566 ab Lehrer hiesiger Schule und seit 1568 Ratsherr, verheiratet, aber ohne Kinder. Wegen seiner dem Rate, dem Gotteskasten und gemeiner Stadt lange Zeit treu geleisteten Dienste überließ man der Witwe Anna das angefallene Heergerät um einen geringen Preis. In den Sommermonaten dieses Jahres tünchte und weißte man die Stadtkirche mit dem Turme, welches wegen Beschränktheit ihres Vermögens seit der Vollendung des Baues unterblieben war. Der Rat gab hierzu 87 Taler 12 Groschen und 35 Taler dem Uhrmacher Horn aus Leipzig für Besserung der Kirchenuhr und Vergoldung der Hälfte der Mondkugel, welche durch ihn bewegt ward. Zu gleicher Zeit ward der Gottesacker an der mittätigen Seite mit einer neuen Mauer, Schwibbogen rechts und links des Eingangs und dieser mit gemaltem Tore und einer kleinen Tür versehen. Das Mauerwerk fertigte Lorenz Gemeiner und Georg Böhner, die steinernen Säulen zu den Schwibbögen lieferte für 24 Taler der Steinmetz Michael Schmidt aus Torgau. Auch die Kirche daselbst, bisher zur Hälfte noch Schütt- und Vorratshaus, richtete man nun ganz zum Gebrauche bei Leichenpredigten und Reden ein. Die Scheidewand, mitten im Schiffe der Kirche und die Treppe, welche von da nach den Getreideböden führte, ward weggenommen, die Treppe außerhalb angebracht und der hinzugekommene Raum mit zwei Fenstern, einer Tür und den nötigen Sitzen versehen. Die Leichenbegleiter traten während der Einrichtung der Kirche unter die neuen Schwibbögen. Noch baute man neben den kleinen Häusern für die Pesttotengräber und die Krankenwärter ein Lazarett für kranke Dienstboten und Leute ohne Besorgung, welche Baue ohne das Material an Steinen gegen 300 Taler kosteten. Lucas Gelicke, welcher acht Tage nach dem Tode des im vorigen Jahre gestorbenen Christoph Schöpfer mit dessen Witwe, Eva, Unzucht getrieben, sie geschwängert, 19 Wochen nachher geehelicht und bei der Hochzeit größeren Aufwand als das Gesetz erlaubt gemacht hatte, ward mit 26 Talern 6 Groschen oder 101/2 Schocken bestraft. Der Besitzer von Schenkenberg, Alexander von Miltitz, überschritt von neuem die im Kosebruch durch die Kommissarien abgemessenen Grenzen und es entstand abermals Prozeß vor dem Oberhofgericht. Das Rubacher Gericht ward erneut und der Hallische Steinweg an dem Garten des gewesenen Bürgermeisters Burkmann und an anderen Stellen von da nach der Stadt zu gebessert. Der Rat kaufte von Matthäus Brand in Gertitz eine Hufe Feld mit sechs Wiesen auf Gerlitzer Mark für 400 Gulden und überließ davon eine Wiese dem Thomas Hildebrand für 261/4 Taler mit 10 Groschen Zins und soviel Lehngeld. Auch ließ er dem Simon Parreidt einen Raum zwischen seiner und Thomas Hildebrands Scheune und belegte ihn mit 3 1/2 Gr. jährlichen Zins. Die Kirche aber vererbte zwei halbe Hufen auf Weißig, Laßgut, eine an den Gutsbesitzer Valentin Krabbes in Gertitz für 35 Schote, die zweite an Michael Brand daselbst für 521/2 Schock oder 150 Gulden. Am 3. Juli starb Jacob Saruschki, Ratsherr seit 1567. Er und seine am 26. Juli .1574 gestorbene Gattin. Walpurgis hatten schon 1555 in einer letztwilligen gegenseitigen Verfügung 100 Gulden dem Gotteskasten zu Bekleidung hausarmer Leute und Schüler und 100 Gulden dem Hospitale zu Unterstützung der Hospitaliten gesichert. Am Tage der Gedächtnisfeier der am l. Oktober am Nervenfieber gestorbenen Kurfürstin Anna, den 12. Oktober, nachmittags, wo alles in Trauer erschien, verteilte der Rat den Ratsherren, Viertelsherren, Fronen u. a. 99 Ellen schwarzen Kartek, den die Kämmereikasse mit 29 Talern bezahlte; die Schullehrer aber erhielten ihn von der Kirche. Den Städten Halle, Eilenburg und Düben wärd der Krankheit wegen der hiesige Allerheiligenmarkt abgesagt, hier aber, weil die Gefahr derzeit. vorüber war, gehalten. Die Zahl der Toten stieg zwar auch in diesem Jahre auf 196, doch waren sie größtenteils ein Opfer der ersten Monate des Jahres. Ein Stempel zu Bezeichnung der zinnernen Gefäße kostete 8 Groschen. Der Scheffel Weizen galt 13-17, Roggen 10-12, Gerste 8, Hafer 6 Groschen.


1585

Der Rat wünschte die Pfarrstelle mit dem Sohne des Dr. Nicolaus Selnecker, Mr. George Seinecker zu besetzen, schrieb deshalb am 10. Januar an den Vater und bat, auf den Fall, daß der Sohn zur Annahme geneigt wäre, um die Probepredigt. Er predigte am 13. Januar mit ungemeinem Beifall und erhielt sogleich ohne weitere Abstimmung die Vocation, welche am 24. Februar zugleich mit der ihm zugesagten Gehaltserhöhung von 25 Gulden bestätigt ward. Zur Verrichtung der nötigsten Amtsgeschäfte und Predigten kam er von Zeit zu Zeit von Leipzig, bis man die Amtswohnung gereinigt hatte, die er am 23. Juni bezog. Seine Einweisung erfolgte am 28. Juni durch den Wittenberger Superintendenten Dr. Polycarp Lyser in Gegenwart des Vaters und einiger Freunde, die der Rat anständig bewirtete. Am 23. Oktober entzündeten sich die Bohlen der Richterstube des Rathauses, die man sogleich löschte, die Stelle aber bewachen ließ. Joachim Rapsilber, Ratsherr seit 1569, starb am 2. November am Nervenfleber, das in der Umgegend verbreitet und gefährlich; hier nur noch auf wenige Häuser beschränkt war. Des Sterbens wegen ward die Obersteuereinnahme in Leipzig nach Wurzen verlegt und die hiesigen Steuergaben gingen dahin. Kollekten wegen Feuer brachte man aus für Dessau, Klitzschen und Triptis. Simon Parreidt, welcher gegen die Willkür einen Teil des Schuppendaches an seinem Hofe mit Stroh deckte, verbüßte es mit 9 Groschen. Die diesjährige Fischerei gab 36 Schocke Ertrag. Der Scheffel Weizen galt 22-20, Roggen 19, Gerste 16, Hafer 10 Groschen.


1586

Der 60jährige Kurfürst, welcher sich wenige Tage nach der Bestattung seiner Gemahlin auf Vermittlung des Kurfürsten. Johann Georg zu Brandenburg am 8. November vorigen Jahres in Torgau mit, der 13jährigen Tochter des Fürsten von Anhalt Joachim Ernst, Agnes Hedwig verlobt und am 3. Januar d. J. vermählt hatte, ward am 11. Februar auf der Moritzburg vom Schlag getroffen, nach Dresden gebracht und starb an diesem Tage noch. Die geheimen Räte., des neuen Kurfürsten Christian nahmen vom Amte und Rate am 11, 12. und 13. Mai die Erbhuldigung. Die Bewirtung hatte der Amtsschösser Fiedler, der Rat vergütete aber 117 Gulden 7 Gr. 9 Pfg. und hatte dabei noch mit Einrichtung des Rathauses, Anschaffung neuer Tische und Stühle bedeutenden Aufwand. Man verzehrte aber nach dem Rate gelegten Rechnung des Schössers 100 Pfund Rindfleisch, 3 gemästete Schöpee, 3 gemästete Lämmer, 4 Kälber mit Kleinoden, 57 Pfund Schweinefleisch, mehrere Schinken, Wurst, 7 Kapaunen, 35 alte Hühner, 32 junge Hühner, 4 gemästete Gänse, 27 Paar Tauben, 74 Pfund Karpfen, 52 Pfund Hechte, 20 Pfund Karauschen und Barsche, 2 Aale, 1 Lamprete, für 1 Taler 9 Groschen Krebse, 10 Schock Eier, 18 Pfund Speck, 31 Pfund Butter, 120 Pfund Pflaumen und getrocknete Apfel - überdies Bratfische, geräucherte Rindszungen, Pomeranzen, Limonien, Kapern, Kirschen, Mandeln, Rosinen, Konfekt, Nürnbergische Pfefferkuchen, dünne Kuchen, Holländische Käse, verschiedene Salate etc., für 4 Taler Brot und Semmeln und brauchte dabei für 10 Gulden 6 Gr. 6 Pfg. feines Gewürz. Auch für dieses Mahl schlug der Rat eine besondere Küche auf und verehrte den Räten noch 5 Eimer Rheinischen Wein, auch hiesiges Bier. Ein schweres Wetter, das sich am 16. Juli nachmittags gegen vier Uhr über der Stadt zusammenzog und sich mit Hagel entlud, zerschlug die meisten Fenster, beschädigte die Dächer und vernichtete Getreide und Grummet. Auch traf der Blitz den breiten Turm, doch ohne Entzündung, indem er durch den Klingeldraht, den er herabschlug, glücklich abgeleitet ward. Die Herstellung der Fenster des Rathauses, der übrigen öffentlichen und geistlichen Gebäude kostete dem Rate viel; die Kirchenvorsteher sorgten für die der Kirche, ihre Glasgemälde aber im Chore blieben unersetzt. Alexander von Miltitz auf Schenkenberg ward von dem abgehenden Hauptmann von Carlowitz als Hauptmann der Ämter Delitzsch, Bitterfeld und Zörbig hier eingewiesen und verehrte der Stadt 16 Kannen Wein. Der Rat kaufte zu Vergrößerung seines Scheunhofes von Georg Steiner einen Raum, 30 Ellen breit und 33 Ellen lang. hinter dessen Hofe für 50 Gulden und baute darauf in diesem Jahre noch ein neues Scheunengebäude. Durch die Kommissarien Abraham Runge und hiesigen Schösser Gregor Fiedler ward der Vertrag mit Heinrich von Pak auf Döbernitz wegen der Trift über Elberitz und Rubach unwiderruflich festgesetzt, niedergeschrieben und dem Rate eine versiegelte Abschrift zugefertigt. Schon im November begann einer der kältesten Winter, der den Verlust vieler Bäume und Weinstöcke nach sich zog und erst Ostern künftigen Jahres Abschied nahm. Es war am 1. Advent, Sonntag, den 27. November, so kalt, daß man sich auf dem Schülerchore zu dem Orgelund Instrumentalspiele an Glutpfannen erwärmen mußte. Am 6. Dezember fand man in dem Hause der Margarete Köthe auf der Gerbergasse, welche der Mann Stephan Köthe seit drei Jahren verlassen, auf Anzeige der Hausgenossin Margarethe Lehmer unter Buchenholze mit wenig Erde bedeckt, ein totes Kind, welches gerichtlich besichtigt und von den zugezogenen Wundärzten als ein völlig ausgetragenes neugeborenes, aber durch gewaltsamen Druck umgebrachtes Mädchen erkannt ward. Die beiden Hausgenossen der Köthe, die Lehmer und Prisca Brade wußten, daß die Köthe dieses Kind am 23. November, nachmittags 2 Uhr geboren, tages darauf aber verscharrt und sich auf die Flucht begeben habe, gestanden dieses offen und kamen zur Untersuchung, die Köthe aber war nicht zu erlangen, der Prozeß aber gegen sie im Gange. Ein Scheffel Weizen galt 20 bis 22, Roggen 10 1/2 bis 15, Gerste 8-10, Hafer 10 Groschen.


1587

Am Anfang des Monat März mußte gegen den bedrohlichen Andrang des ungewöhnlich steigenden Loberbaches an den Wällen, hauptsächlich aber an den Mühlen, hier in Elberitz und Naundorf mit großem Aufwande gedämmt werden. Man verlangte, daß die Güter der Stadt, Gertitz, Werben und Benndorf, da ritterlicher Abkunft, mit Pferden verdient werden sollten, der Rat bewies aber, daß die früheren Besitzer den Ritterdienst dieser Güter vor der Veräußerung an die Stadt auf ihre Güter genommen, der Landeslehnsherr sie daher dienstfrei und als Stadtgut verliehen habe mit den Erwerbsurkunden und sonst unwiderleglich. Die Furth am Nixtümpel nahe an Döbernitz, vom Oberhofgericht halb der Stadt halb dem Rittergut Döbernitz zugesprochen, ward am 20. April besichtigt und vermahlet und so der vieljährige kostspielige Streit beigelegt. Die Stadt Brehna suchte bei dem Kurfürsten um zwei Jahrmärkte nach.. Dagegen sprach die hiesige Stadt und da sie wahrscheinlich ihren Widerspruch auf das Privilegium der Meile gründete, so ließ man am 12. Mai die Entfernung messen und fand vom hiesigen Rathause bis zu dem in Brehna 37 Gewende 40 Ruten, mithin nur wenig über eine halbe Meile. Der Administrator von Halle, welcher zu der Taufe der kurfürstlichen Tochter nach Dresden reiste, übernachtete hier am 23. Mai. Man hatte den Weg vom Ende der Hallischen Scheunengasse bis zum Rathause mit Sand befahren und mit Maien aus der Spröde besetzt, auch im Ratshofe eine Küche aufgeschlagen. Unwetter und starke Regengüsse waren in den Sommermonaten häufig, es erreichte daher im Juli der Getreidepreis eine ungewöhnliche Höhe. Die breite Gasse nach ihrer ganzen Länge und 64 Ruten des Marktes wurden umgepflastert und auf Gerlitz die Gerichtsstätte erneuert. Die peinlichen Prozesse, welche der Rat gegen die des Kindesmordes beschuldigte, flüchtige Köthe, gegen den Stadtmüller Ambrosius Elteste, ehebrecherischen Umgangs mit ihr verdächtig und gegen Anna Klepzigin, des verstorbenen Gutsbesitzers Blasius Klepzig in Gertitz Tochter, welche sich von Gregor Stertzel aus Kertitz, einem Witwer, ihrer Mutter Bruders Tochter gewesenen Ehemann außerehelich schwängern lassen, zu führen hatte, verursachten einen Aufwand von 325 Talern und gab man überdies dem Advokaten Georg Wagner in Leipzig, bei dem man sich beriet, einen silbernen Becher Hochzeitsgeschenk, ungeachtet man sich in seinen Kostenforderungen überteuert hielt. Die Klepzigin, gegen welche der Schöppenstuhl ewige Verweisung. erkannte, geriet wegen dieses Urteils in Verzweiflung und mußte 14 Wochen bewahrt werden Kollekten brachte man u. a. aus für Markkirchen, welche Stadt der Türke jüngst den 25. Juni überfallen und als die Stadt gesperrt gewesen, in den Vorstädten zu beiden Teilen der Stadt Feuer eingelegt und 156 Häuser zu Grunde weggebrannt, 70 Personen verwundet und da er, weil man sich zur Gegenwehr gerüstet und er über 400 Mann nicht stark gewesen, sich auf die Flucht begeben, 9 Bürger mit Weib und Kindern mit sich hinweg gen Ofen geführt. Der Schaden wurde auf 3000 Gulden geschätzt. Eine weitere Kollekte für Martin Thieme, Gutsbesitzer in Zschortau, dessen Gut in Feuer aufging, wobei er so verbrannte, daß man ihn nicht erkannte. Der Scheffel Weizen galt vor der Ernte 27 1/2, Roggen 25, Gerste 13, im Oktober aber 18'/; 173/4, 9 Groschen.


1588

Die durch Aufnahme des Kantors Hieronymus Heydenreich und dritten Lehrers Daniel Scheuchler in den Rat erledigten Schulstellen besetzte man mit Valentin Heyner und Johann Felgner. Heyner war der Sohn des hiesigen Hufschmieds, Valentin Heyner, geboren am 9. März 1555, studierte von 1577 in Leipzig und lebte als Hauslehrer in Halle, als er zu der Kantorstelle den Ruf erhielt, Auch er kam 1611 in den Rat und starb am 13. Oktober 1616. Felgner, auch eines hier wohnenden Hufschmieds Sohn, hatte von 1579 ab in Leipzig studiert, ward 1590 Konrektor und starb am 4. Februar 1619. Die vierte Schulstelle übertrug man dem Johann Rapsilber, einem Sohn des vormaligen Ratsherren Joachim Rapsilber, geboren am 10. März 1564, welcher von 1582 ab in Leipzig studierte, das Schulamt zwar antrat, im folgenden Jahre aber das Pfarramt in Spröda annahm, wo er am Ostertage 1625 gestorben ist. Der Superintendent Sehecker entwarf bei Gelegenheit dieser Veränderungen eine. neue Schulordnung, welche auf einer Tafel geschrieben und in der großen Schulstube zur Beachtung aufgehängt ward. Am 17. Februar überfielen zwei Umschweifer, Bartholomäus Mitweide und Matthäus Werner den Gutsbesitzer Veit Großmann aus Queis und den Küster von Klepzig, Valentin Rügezelt, den jüngeren Bruder des hier verstorbenen Stadtschreibers und Ratsherren Ambrosius Rügezelt, als sie aus der Stadt nach Hause gehen wollten, auf offener Straße in Gertitzer Mark, schlugen jenen besinnungslos, diesen aber mit einer Spießstange so, daß er, als man ihn. zu Wagen ins Dorf brachte, schon gestorben war. Die flüchtigen Verbrecher ergriff man in Giebichenstein und da sich ergab, daß Werner den Rügezelt getötet, auch 9 Jahre früher in Lützen gemordet hatte, so ward er am 3. Mai mit dem Schwerte hingerichtet, Mitweide aber zur Staupe geschlagen. Der Sohn des Schenkwirtes in Kletzen, Peter Apitzsch, ward' am 13. März um 10 Uhr mit dem Rade am Leben bestraft. Auf Befehl des Kurfürsten veranstaltete man eine Musterung der Bürger und berichtete den Erfolg. Der Kurfürst verordnete hierauf unterm 11. April, von den bezeichneten 80 Schützen mit langen Rohren die vorzüglicheren, die mit dem Büchsenschießen recht und wohl umgehen können und für tüchtige Schützen gehalten werden, anzuzeigen, daß man sie im Notfalle brauchen könne, welches denn auch geschah. Heinrich Pak auf Döbernitz starb am 1. Juni im 35. Lebensjahr und ward in hiesiger Kirche neben dem Taufstein gegen Mittag, wo sich sein Denkmal von Stein an der Mauer findet, beigesetzt. Am 16. und 17. Juni war eine Loberbesichtigung von Zschölkau bis zur Naundorfer Mühle und fand sich, daß der Bach von Zschölkau bis Güntheritz ungeachtet des Befehls von 1576 nicht gehoben, von Lemsel bis Zschortau nicht, von da bis Brodau teilweise geräumt, von Brodau bis Zschepen zwar breit genug aber verwachsen war. Max Risch, ein armer Knabe, welcher bei dem Kleinschmiede Johann Pak am 14. August eine Büchse ausfeuern sollte, ergriff eine unrechte, geladene, deren Sc huß ihm das Kinn wegnahm, die Zunge zerriß und den größten Teil der rechten Kfnnladezerstörte, Der Rat bezahlte das Arztlohn und er blieb am Leben. Am 28, August erschien der kurfürstliche Befehl wegen des leidenschaftlichen Gezänkes der Geistlichen auf der Kanzel über Lehren der Schule und unschickliche Einmischung von Persönlichkeiten - im Grunde eine Wiederholung der väterlichen. Verordnung vom 18. Juli 1566, nur durch Bedrohung der Amtsentsetzung schärfer gefaßt. In die Gottesackerkirche brachte man Pulte auf die Emporkirche für die. Schüler und füllte mit Männer- und Weiberstühlen den noch übrigen Raum. Durch die Liebhaberei des Kurfürsten an der Jagd regte sich in dieser Beziehung die Gesetzgebung, die Jagddienste der Untertanen wurden häufiger in Anspruch genommen und sollten auch die Ratsdörfer dazugezogen werden, welchem Ansinnen man jedoch mit Erfolg widersprach. Melchior Kühn, Sohn des vormaligen Ratsherrn Joachim Thomas Kühn, Schullehrer von 1556 ab und seit 1567 Ratsherr, starb am 3. November und hinterließ acht Kinder, von welchen ein Sohn,. Melchior, Magister und hier Ratsherr, Ambrosius, ebenfalls Magister und Pfarrer in Kiebitz ward. Der Bürger Martin Bornack schoß auf dem Stadtgraben unvorsichtig die Büchse ab, kam in den Bürgergehorsam, verlor die Büchse und gab Strafe ein Schock. Hans Zscherndorf von Gertitz, welcher sich wörtlich und sonst an seiner Mutter verging, fiel in zehntägige Strafe der Lauke [eines unterirdischen Gefängnisses], lag aber wegen der Kälte in der Wachstube an Ketten, mußte der Mutter öffentlich Abbitte tun und Besserung geloben. Schmiedeberg,. welches sich gegen das Privilegium hiesiger Biermeile auflehnte und hier bei den kurfürstlichen Kommissarien, dem Hauptmann Alexander von Miltitz und Sctösser Gregor Fiedler durch dasigen Rat sein Widerspruchsrecht geltend machen sollte, vermochte es nicht und ward zur Ruhe verwiesen. Die früher geschehene Eichung und Maßfeststellung der Biergefäße wurde wiederholt und strafte man die, die sich beleidigend gegen die Ansteller dieser Einrichtung ausgesprochen hatten. Der Scheffel Weizen galt 10, Roggen 8, Gerste 5 Groschen.


1589

Der Abgang des Rektors Rhodius, welcher aus den 1573 bemerkten Ursachen dem Rufe zu dem Diakonat in Eisenburg folgte und des vierten Schullehrers Rapsilber, welcher als Pfarrer nach Spröda zog, veranlaßte neue Anderungen im Schulwesen. Der bisherige Konrektor Magister Johann Stoi ward Rektor, der dritte Lehrer, Johann Felgner Konrektor und an ihre Stelle traten Gregorius Grashof als dritter und Georg Krause als vierter Lehrer, welch letzterer am 28. Februar von Leipzig, wo er studiert hatte, anzog. Grashof war der Sohn des hiesigen Bürgers Matthäus Grashof. Georg Krause aus Oberrödern gebürtig, kam 1622 in den Rat und starb am 3. Januar 1632 mit Hinterlassung einer für seine Umstände ansehnlichen Bibliothek. Durch die häufigen Regengüsse im Mai ergossen sich Flüsse und Bäche mehrere Male und hatte die Stadt auf den Wiesen des Altenhöfischen Werders bei Düben durch die Überschwemmungen der Mulde großen Verlust, auch beschädigte Ufer des Loben mußten gebessert werden. Christoph von Gröpzig auf Zschortau forderte am Tage Petri Pauli, als der Adel auf dem Rathause seinen Tanz hielt, den Moritz von Nischwitz auf die bloße Wehr, verursachte auf dem Markte, wo man sich schlug, großen Auflauf, ward aber, um Unglück zu vermeiden, weggebracht und mit 48 Groschen bestraft. Derselbe schlug sich am 19. Juli mit Heinrich von Maschwitz auf Selben vor dem breiten Tore, die Bürgerwehr brachte sie jedoch auseinander, wobei sich der Tischler Thomas Bergmann, welcher seine Büchse in der Nähe der mit Stroh gedeckten Ratsscheune losschoß, weil er leichtfertig darüber sprach und die Strafe der Willkür nicht zahlen konnte, ein und einen halben Tag Gefängnis zuzog. In Landsberg, wo am 15. September abends nach 8 Uhr im Gasthofe durch einen Kärner, welcher mit dem Stallicht unvorsichtig umging, Feuer auskam, brannten 27 Wohnhäuser und 16 mit Getreide angefüllte Scheunen und in Zörbig am 13. Oktober 8 Häuser und 4 Scheunen nieder. Der Rat gab aus der Kasse zu der Kollekte 3 Taler 9 Groschen. Auch hier entstand dreimal Feuerlärm: Es brannte eine Esse in der Vorstadt; in dem Hause der Witwe des Bürgermeisters Tham entzündete sich am 26. September Biergefäß und am 9. November, nachts 11 Uhr eine Säule in der Küche Valentin Stocks und verdankte man es den Wächtern, daß kein erheblicher Schaden entstand. Thomas Kretzschmar, des verstorbenen Schaafmeisters Sohn, war von der. französischen Krankheit so ergriffen, daß er, von allen gemieden, in der Vorstadt unter der Bedachung der Leitern lag. Auf die erhaltene Nachricht ließ ihm der Rat einen abgesonderten kleinen Schuppen auf dem Gottesacker bauen, die Totengräber aber, denen man die Versorgung übertrug, konnten zu Wegbringung desselben und Verbrennung des Lagerstrohs im Felde nur durch Androhung des Dienstverlustes gezwungen werden. Die Heilung besorgte ein Zörbiger Arzt Lamprecht Helwig, dem der Rat für dieses Jahr aus der Kasse drei Dicktaler Arztlohn gab. Neben der jährlichen Rechnung über Verwaltung des Stadtvermögens verlangte man nun auch die über den seit 1558 bestehenden wieder erneuerten Pacht des Geleites und sie ward in diesem Jahre zum ersten Male eingeschickt. Die Einnahme dieses Jahres von hiesigem Pferde- und Dammgeleite und von den Beigeleiten in Zwochau und Landsberg war 467 Schock 44 Gr. 11 Pfg. Die Ausgabe aber an Pachtgelde [900 Gulden] und Aufwand für die Gleitsmänner in Delitzsch, Zwochau, Landsberg, für den Gleitsbereiter, die Torwärter, für Beaufsichtigung, Versäumnis, Rechnungsführung und Wegebesserung 393 Schock 49 Gr. 7 Pfg. und hatte man also 73 Schock 55 Gr. 4 Pfg. Überschuß. Daß der Überschuß und Gewinn wegen der kostspieligen Unterhaltung der Straßen nur bei trockenen Jahren günstig ausfallen konnte, wußte man wohl und es war der Grund zur Verlängerung des Vertrages. Kollekten brachte man u. a. aus für Künsdorf in der Grafschaft Henneberg, wo am 22. Februar abends 10 Uhr durch Feueranlegung 33 Häuser mit Scheunen und Nebengebäuden niederbrannten, auf Kundschaft des Amtmannes Otto von Ostheim und Erbsassen Caspar von Bibra, deren Überbringer versicherte, daß einer der aufgegriffenen Mordbrenner nach seinem Geständnis dafür bezahlt und ein Haufe in drei Abteilungen, vom Papste gesendet sei, um Deutschland zu schädigen. Weitere Kollekten erhielten Rehwalde, Roßwein, das Dorf Lausitz bei Liebenwerda, Hermsdorf, wo am 6. Oktober ein ungeratener Sohn seine Mutter erschlug, dann das Haus ansteckte und 25 Häuser verunglückten und die Stadt Hirschberg, wo in der Nacht vom 9. bis 10. November drei Fremde im Gasthofe, wo sie herbergten, Kleider und anderes Gerät stahlen, sich vor Anbruch des Tages entfernten, verfolgt und zwei davon zurückgebracht wurden, der dritte aber bei dem Aufläufe sich in den Gasthof schlich, Pulver in den Ofen warf, welches beim Einheizen den Ofen sprengte, das Haus in Flammen setzte, die sich über 76 Wohnungen verbreiteten und 11 Personen, jung und alt, tödlich verletzten. Die diesjährige Fischerei gab 29 Schock 35 Groschen Ertrag. Der Scheffel Weizen galt 21-15, Roggen 13-8, Wintergerste 6 Groschen.


1590

Es war ein heißer trockener Frühling und Sommer, das Getreide verdarb, stieg zu hohem Werte und mußte fernher angeschafft werden. Thomas Kirchhof, der in einem Prozesse begriffen, mit der Entscheidung des Rates nicht zufrieden war, schrieb Drohbriefe, weshalb man die Torwachen eine Zeitlang verdoppelte. Am 3. April starb Gall Böttcher, Ratsherr seit 1568. Er war Lehnsträger bezüglich auf die Naundorfer Mühle und trat Gregor Kirchhof an seine Stelle. Das Lehngeld an Schenkenberg betrug 3 Schock, der Lehnschein kostete 12 Groschen. Zu dem diesjährigen Baue der Mühlen Naundorf und Elberitz hatte der Rat vom Hauptmann Wolf von Pack 299 Stück Eichen gekauft und verkaufte die Rinde derselben, an die Leipziger Gerber für 9 Schock. Durch Verwahrlosung eines Häuslers brannten am 24. April das Bittergut Lemsel und 8 Wohnhäuser des Dorfes nieder. Außer der Kollekte für die beschädigten Häusler gab der Rat 3000 Stück Steine an den Besitzer des Rittergutes Peter von Crostewitz. Am il. Mai starb der Ratsherr und Kämmerer Michael Winkler. Er war der Sohn eines hiesigen Bürgers, geboren 1541, hatte von 1557 ab in Leipzig die Rechte studiert und lebte als Notar und praktischer Jurist in Halle, als man ihn 1576 wegen seiner Kenntisse in das hiesige Ratskollegium nahm, wo man ihn für einen der Gelehrtesten hielt. Die Gutsbesitzer Urban Brand von Sietzsch und Philipp Fritzsche von Quering gerieten am 6. Juni, als sie abends von der Stadt gingen, auf dem Gertitzer Wege in Streit, dann in Schlägerei, wobei Fritzsche tödlich verwundet und tages darauf begraben wurde. Am 24. Juli kam in dem nahen Dorfe Radefeld, mittags gegen 12 Uhr, in dem Hirtenhause Feuer aus und brannten 12 Häuser und Güter weg. Der Rat zahlte 100 Gulden im Jahre 1427, 50 Gulden 1473 und 50 Gulen 1475 vom Hospitale erborgte Kapitale zurück. Im Monat Juli und August ließ er das Tafelwerk in der Ratsstube von dem Maler Hans Bußmann mit schönen Figuren und Bildern malen, grün anstreichen und das Schnitzwerk an Rosen und Löwenköpfen vergolden. Dieser Maler war aus Mecheln in Brabant gebürtig, lebte früher in Frankenhausen und ward hier 1584 Bürger, wo man ihn die Fertigung dreier Bilder in der Ratsstube und die Staffierung des Selmnitzischen Denkmales in der Kirche übertrug. Die jetzige Arbeit unterbrach sein am 30. September erfolgter Tod und der hiesige Maler Eberhard vollendete sie. Drei Männern, die am 31. Dezember in der Verkleidung der drei Könige mit dem Stern in der Stadt umherlaufen wollten, gab man aus der Kasse 3 Groschen mit der Weisung wegzugehen und die Leute unbeschwert zu lassen. Kollekten für Brandschäden brachte man aus für die Stadt Schlüssel feld, den Flecken Langenberg im Hennebergischen, Falkenberg bei Weirnar, Harndorf, Suhl, Hohensandau, Grüneburg und Braunsburg. Der Scheffel Weizen galt 18-23, Roggen 18-22, Wintergerste 12-16, Hafer 11-14 Groschen.


1591

Am 17. Januar fand man den Leichnam des Matthäus Hauke, eines Einwohners in der Grünstraße, welcher neun Tage vor Weihnachten 1590, abends aus der Stadt gegangen war, im Stadtgraben bei der Mühle und überließ ihn der Tochter zum Begräbnis. Der Superintendent, Licentiat Gregorius Schönfeld erlangte am 25. Januar in. Wittenberg mit dem Pastor und Professor Christoph Gundermann in Leipzig, Professor der Theologie und Schloßprediger Petrus Calamin in Wittenberg, Petrus Streuher, Pfarrer in Sorau und dem Professor der Logik und Ethik Paulus Auleander in Wittenberg die theologische Doktorwürde. Auf sein Ansuchen nahmen Abgesandte des Rates an der Feierlichkeit teil, und der Rat verehrte ihm bei dieser Gelegenheit 20 Rheinische Goldgulden und 36 Kannen Wein. Bald darauf beschied man ihn nach Dresden und trug ihm dasige Superintendentur an, die er anfänglich zwar ablehnte, doch auf Verlangen des Kurfür sten endlich übernahm. Als kluger Mann übersah er die bedenkliche Lage, in die er kam, auch mochte es ihm unangenehm sein, hiesigen Ort, wo man ihm anhing und mit Ehrenbezeigungen überhäufte, so schnell zu verlassen, allein man hielt ihn fest, weil seine Rede der Kurfürstin, einer strengen Lutheranerin, gefiel. Man wollte sie für den melanchthonistischen jüngsten, vermittelnden und der gemeinsamen Fortbildung günstig scheinenden Unterricht, von den Gegnern Kryptocalvinismus genannt, gewinnen. Er empfahl dem Rate zum Nachfolger seinen Freund, den Licentigten der Theologie, Johann Christoph Flurer aus Steinach am Neckar, welcher in Wittenberg studiert hatte. In seiner Gastpredigt am 2. Mai vermißte man zwar Schönfelds kräftige Stimme, die Rede an sich aber, wie seine Probepredigt am 13. Juni fand allgemeinen Beifall und am 21. Juni vollzog der Superintendent Harder aus Leipzig die Investitur. Er war wirklich, was man ihm von Wittenberg aus bezeugte, ein frommer, eingezogener, stiller, sittiger, mäßiger, gottesfürchtiger Mann, der aber bei seinem Antritte schon in den Ketzerregistem pöbelhafter Sprecher stand und leider von einem derselben bei einer Hochzeit durch Absingen liederlicher Reime zum größten Verdrusse des Rates, der den Täter auch nachdrücklich strafte, geschmähet ward. Dergleichen liederliche Reime, in der Regel Karten, kamen häufig aus dem Brandenburgischen in das Land und der Rat nahm am 30. Januar einen Berlinischen Bücherhändler, Friedrich Trummer, der auf- den Kryptocalvinismus und hiesige Landeszustände Bezug habende Schmähschriften zu verbreiten suchte, gesetzlicher Vorschrift zufolge in Haft. Zum Beiweis mögen hier Stellen einer Karte stehen, die auch Delitzsch berührt und im Spätherbst dieses Jahres im Druck erschien mit dem Titel: Ein gute Caluinische Karten, in welcher einem jeden Caluinisten ein Blatt zugeeignet wird, fein lustig und kurzweilig zu lesen. - Gedruckt in Schlappershausen, da die Hunde tun mausen, bei Matz Gurge Flederwisch, vor der Tür steht ein Caluinischer Fisch. Sie beginnt mit der roten Farbe und deren Könige so:

Nachdem Peucer, der ehrlose Mann,
Mit Gewalt sich wolt unterstahn
Zu suchen neuen Menschentand
Drum ist er der rote König genannt.
Der von Kleberg, der falsche Mann,
Tat auch Caluinum beten an,
Christum hieß er ein Baderknecht,
Ist mir zur roten Sechse recht.
Der Herr Pfarrer von Bischofswerd
Setzt sich auf ein Caluinisch Pferd,
Zu reiten nach den Galgen zu,
So schlage die rote Fünfe zu.
Schönfeld zu Delitzsch, hochgeborn,
Ward gestochen mit eim Caluinischen Sporn,
Hats aber nicht geführet aus,
Ist der rote Calluinisch Daus.
Ein stolzer Doctor ist der Krell,
Immer mit dem Schalk in die Hell.
Straf hat er verdienet nicht wenig,
Ist gut und recht zum Eckern König.
Noch eins fehlt mit in meinem Mut,
Zu Delitzsch der jetzige Superindent gut,
Hat sich auch unterschrieben frei,
Wirf her die Caluinisch Eckerdrey.
Zu Delitzsch Herr Peter, der alte Mann,
Ist auch ein rechter Wetterhan,
Ich hatte denselben vergessen schier,
Bis mir willkommen du Lauben Vier.

Auch in Leipzig erschienen lateinische und deutsche, namentlich gegen D. Gundermann gerichtete Schmähschriften der gemeinsten Art und in Dresden hing man sie sogar an das kurfürstliche Schloß. Dieses theologische Zerwürfnis, die Freude Roms, störten den Plan einer protestantischen Einheit durch Frankreich und Deutschland und bereitete Häuptern und Förderern den Untergang. Des Kurfürsten Unterstützung Heinrich IV. war sein Tod. Hans Schenkwald aus Liebstadt unterstand sich am 30. Januar auf dem Markte, den Leuten wahrzusagen, vorgebend, daß er diese Kunst vom D. Paulus in Halle erlernt habe, es ward ihm aber, nachdem man ihn eine Nacht gefänglich gehalten, die fernere Betreibung seiner vermeintlichen Kunst in hiesigem Orte bei längerer Gefängnisstrafe untersagt. Ein Einbruch in die Stadtschreiberei, mit Entwendung einiger Kleider und Speisen, nachts am Ostertage, veranlaßte, daß man vier Fenster derselben im Hofe mit eisernen Gittern versah. Am 7. Juli ward der neue Hauptmann Hans Gregor von Ponikau auf Pomsen durch den Rat und Hauptmann zu Torgau, Otto von Starschedel, hier eingewiesen und gab der Rat nicht nur diesen Herren mit ihren Freunden, sondern auch den gegenwärtigen Räten von Zörbig und Brehna, den Ehrenwein. Den am 25. September früh 1/4 7 Uhr erfolgten Tod des Kurfürsten Christian meldeten die hinterlassenen Räte dem hiesigen Rate schriftlich, verordneten zugleich die gewöhnliche Trauer und empfahlen unter Bezugnahme auf die dem Verstorbenen und dessen Erben geleistete Pflicht die Sicherung der Stadt. Die Gedächtnisfeier hielt man am 26. Oktober, der Rat kleidete Kanzel und Altar mit neuem schwarzen Behänge und verbrauchte außer dem Zindel für die Bedienung zu Trauerbinden 110 Ellen schwarzen Kartek. Die Schuhmacher und Bäcker, welche bei ihren Versammlungen während der Trauerzeit bis in die Nacht zechten, bestrafte man mit einem Schock. Am 5. November, mittags zwischen 11 und 12 Uhr brach in dem benachbarten Landsberg Feuer aus und brannten binnen 2 Stunden 20 Häuser mit vollen Scheunen und Ställen nieder. Der Rat schickte den Beschädigten Getreide, Stroh und 31/a Taler aus der Kasse, auch sammelte man für sie Haus für Haus. Außerdem erhielten über 20 durch Feuer verunglückte Ortschaften milde Beiträge, unter anderem Hochkirchen, Luckenwalde, Langenbach im Hennebergischen, Wernsdorf, Alsleben, Wiesenburg, Wartenberg, Greiffenhagen, Possegk bei Plauen, Harsefeld und Freiberg. Der Scheffel Weizen galt l Taler bis 16 Groschen, Roggen 21-9, Gerste 12-6, Hafer 12-10 Groschen.


1592

Der häufige Schnee im Januar und Februar und anhaltende Regen im Frühling schadeten den Saaten und die Wege wurden so böse, daß man nur auf Rubach mit 600 erlenen Stangen bessern und darauf über 30 Taler verwenden mußte. Auch der Fasten- öder Rettichmarkt blieb wegen großen Schnees und ungestümen Wetters urbesucht. Am 6. Januar starb Ambrosius Große in Werben an einem Sturze in der Scheune und am 9. Februar fand man auf Elberitzmark einen armen Hutmann, Kuhmichel genannt, erfroren. Paul Franke und Johann Richter erlangten in Leipzig die Magisterwürde und der Rat verehrte jedem 5 Rheinische Gulden. Franke, der Sohn des hiesigen Bürgers Paul Franke, welcher von 1581 in Pforte, von 1584 ab in Leipzig Theologie studiert hatte, starb bald nach der diesjährigen Promotion 1595; Richter aber, der Sohn des vormaligen Amtsschössers, jetzt Bürgermeisters Mr. Esaias Richter, -geboren am 4. Februar 1570, Student der Rechte in Leipzig, ward 1597 hier Stadtschreiber, ein gelehrter- und in jeder amtlichen Beziehung tüchtiger Mann. Über die drei, vom Kurfürsten minderjährig verlassenen Söhne, Christian, geboren am 23. September 1583, Johann Georg, geboren am 5. März 1585, und August, geboren am 7. September 1589, führte, nach des Vaters letztem Willen der mütterliche Großvater Kurfürst Johann Georg zu Brandenburg die Obervormundschaft, die Mitvormundschaft und Administration der Kursachsen aber der Herzog zu Weimar, Friedrich Wilhelm, ein weiser, kräftiger, deutscher Fürst von rücksichtsloser Treue, der sich durch glückliche Führung dieses oft peinlich beschwerten Amtes nächst dem Danke des Landes auch geschichtlich bewährten Ruhm erwarb. Den von ihm ausgeschriebenen Landtag in Torgau vom 22. Februar bis 3. März besuchten von hier die Bürgermeister Georg Kirchhof, Mr. Esaias Richter und der Stadtschreiber mit einem Aufwande von 12 Schocken und fuhren mit zwei Knechten und vier Pferden dahin. Die Beruhigung des durch zanksüchtige Theologen bis zu Freveln gereizten Pöbels war der Hauptgegenstand der Beratung. Da nach den Reichsverträgen nur das Festhalten an der Augsburgischen Konfession den Frieden sicherte, jede Abweichung davon der Willkür preisgegeben war, so gab es für den Augenblick kein greiflicheres Mittel als die Unterdrückung der Sonderlinge, von denen Ärgernis kam. Die Landschaft genehmigte daher die in Vorschlag gebrachten Visitationen mit ihren Folgen unbedingt. Wie weit es hier mit dem theologischen Ur fuge gekommen war, zeigt eine schändliche, mit den offenbarsten Lügen bis zum Ekel angefüllte, wohl gar durch Brotneid veranlaßte Schrift [Pasquill] gegen den Notar Christoph Homagk, den man auch des Kryptocalvinismus beschuldigte, ihm dadurch die Stadt verleidete und in die Fremde trieb. Der Verfasser hängte sie auf die frechste Weise an das Rathaus und span höre ihren an den gewiß achtbaren Rat gerichteten Schluß:

„Schande ist's, daß ihr Herren im Rat
ihn leidet in der Stadt!
Werdet ihr ihn nicht jagen aus,
so werden wir stürmen sein Haus,
oder acht haben, daß wir ihn nachts erjagen,
da wollen wir ihm den Hals zerschlagen,
oder wollen ihn erschießen,
das soll uns nicht verdrießen.
Auch euch wollen wir so mitfahren,
denn ihr seid auch Calvinischer Haaren,
nicht wert einer welken Rübe,
Calvinische Schelmen und Diebe;
seid dem Teufel bas denn der Gemeine,
habt das Unser gestohlen alleine,
und in euern Nutzen verwandt,
der Teufel hat euer Seelen zu Pfand.
Den Calvinischen Pfaffen (Diakon Repphun) schafft auch weg,
oder wir werfen ihn mit Dreck
zur Stadt hinaus;
Tut ihrs nicht, so stürmen wirr Rathaus!"

Welche Troßbuben für einen vorgeblich heiligen Kampf! Der dritte Lehrer hiesiger Schule, Gregor Graßhof, verehelichte sich mit Benigna, des Schössers in Ostrau, Nicol. Schlössers hinterlassener Tochter und ging als Pfarrer nach Pristäblich. Sein Nachfolger im Schulamte war Andreas Fischer, ein Sohn des Pfarrers Andreas Fischer in Radefeld und Enkel des vormaligen hiesigen Ratsherren gleichen Namens, der im Jahr 1600 ebenfalls in den Rat kam, aber noch in demselben Jahre starb. Man unterhandelte wegen des Dübenschen Werders, der gegen das Kohlgehäuig bei Tiefensee an die Dübensche Amtsschösserei abgegeben werden sollte,. das Geschäft kam aber nicht zustande. Am 20. Juni ward der Rat vom Administrator mit den von den Paken 1530 und 1544 erkauften Lehngütern beliehen. Die auf dem Landtage festgesetzte, für hiesige Stadt durch Befehl vom 10. Juni auf den 25. September angeordnete Visitation nahm an diesem Tage durch die höchsten Orts beauftragten, hier eingetroffenen Visitatoren Hans Löser, Erbmarsch all, Hans Friedrich von Schönberg, Hofrichter; und Hauptmann von -Wittenberg Dr. Georg Müller und Dr. Burkhard Harbart ihren Anfang. Die Wortführer der Bürgerschaft hatten schon vorher den Superintendenten Flurer und Diakon Repphun als der Lehre Verdächtige angezeigt, dringend ihre Absetzung verlangt und für diesen Fall die Rückkehr des nach Schlackenwalde gegangenen Selnecker nachgesucht. Der Rat erhielt daher sogleich folgende vier Artikel zu pflichtgemäßer Beantwortung: 1. Was die Herren Prädikanten allhier bei Abschaffung des Exorcismi de facto oder sonsten getan? 2. Ob der Rat der Prädikanten Lehre halben, so von der Kanzel geschehen, sich etwas über dieselben zu beschweren? 3. Ob sie in conuiuiis oder conuenticulis, disputando oder sonsten falsche verführerische Lehre verteidigt? 4. Welche unter den Schuldienern oder der Bürgerschaft von ihnen verdächtig gehalten werden? Ob nun schon dessen Mitglieder, 18 an der Zahl, in ihren, unabhängig voneinander gegebenen, von den Gelehrten hinsichtlich der entscheidenden Lehren auf das gründlichste gefaßten Schriften, daß Flurer anfänglich wohl, man wisse nicht, ob aus eigenem Antriebe oder in höherem Auftrage, über den Exotzismus als ein unwesentliches Stück der Taufe gesprochen habe. Damals habe er auch die bedenkliche Lehre von der Person und dem Amte Christi in vier von dem Text abweichenden Predigten behandelt, keineswegs aber die Abschaffung des Exorzismus empfohlen oder betrieben, wie er denn bis zu diesem Augenblick auch unverändert bestehe. Ebenso wenig habe er in den betreffenden Predigten und sonst eine störende Abweichung von der Augsburgischen Konfession verraten. Der Diakon Repphun, von dem Verdachte einer Anhänglichkeit, an den Calvinismus gänzlich freizusprechen sei; so entließ man doch beide auf das ungestüme Verlangen der aufgeregten Bürgerschaft, berechtigte sie aber, um anderer Amter im Lande nachzusuchen als Anerkennung ihrer Schuldlosigkeit. Gegen die Schullehrer und den alten Archidiakon Planitz, ungeachtet er in Flugschriften als heimlicher Calvinist angegeben war, hatte man keinen Einwand. An dem Diakon Repphun, welcher in dem gefährlichen Krankheitsjahr 1584 hierher kam, eine zeitlang die erledigte Superintendentur und den durch Alter und Anstrengung geschwächten Archidiakon amtlich vertreten mußte, verging sich die Bürgerschaft mit ihren Wortführern unverantwortlich, er erhielt aber auch, zu ihrer Beschämung, mit dem Rufe zu dem nahen Pfarramte Hohenleina reichliche Entschädigung. Flurer, mit einem ehrlichen Zeugnisse des Rates versehen, fand in Franken eine neue Anstellung und seine hier zurückgebliebene Familie, die nur Rohheit niedrigster Art noch verhöhnen konnte, folgte ihm. Der Ratsherr Daniel Scheuchler und Notar Christoph Homagk, welche sich auch im Gespräche vergangen, gegen die Notwendigkeit des Exorzismus erklärt und nur einen geistigen Genuß des Leibes und Blutes Christi im Abendmahl behauptet haben sollten, verließen, Mißhandlungen befürchtend, freiwillig die Stadt. Durch den Visitator Dr. Müller erfuhr der Rat, daß der 1590 von hier nach Schlackenwalde gegangene Superintendent Mr. Selnecker, weil seine Mutter Witwe geworden, die Rückkehr in das Vaterland wünsche und es erging sogleich der Ruf an ihn. Seine Wiederkehr im Dezember dieses Jahres war ein Festtag. Die Bürgerschaft machte ihm ein großes Geschenk und der Rat, der ihn durch zwei Mitglieder des Mittels einholte, mit seinen Freunden anständig bewirtete, verehrte ihm noch 20 Rheinische Goldgulden, als er ihm seine am 3. Advent gehaltene, in Halle gedruckte Abgangspredigt übergab. Otto Spiegel, der Jüngere und Mechthilde, dessen Hausfrau, baten den Rat bei der Taufe ihrer Tochter, Elisabeth, zu Gevattern. Das Werk verrichteten die drei Bürgermeister am 15. Dezember und gaben 10 Rheinische Goldgulden und 10 Taler Patengeschenk. Hallknechte, die in der Stadt umsingen wollten, erhielten 3 Groschen vom Rate, damit die Stadt unbeschwert bliebe. Der in den vorigen Jahren erwähnte, an der französischen Krankheit leidende Schaafmeisters Sohn, Kretzschmar, kam nach dem Tode des Arztes Heller in Zörbig wieder hierher. Der Rat kaufte für die Armen viel Roggen auf den Wochenmärkten für 7 1/2 bis 9 Groschen. Der Scheffel Weizen galt 16, Roggen 10, neuere Wintergerste 6 und Hafer 5 Groschen. Gegen vierzig durch Feuer und Wasser verunglückte Ortschaften erhielten Unterstützungen, u. a. Neidenstein in Hessen, wo am 16. August, nachts zwischen 12 und 1 Uhr 3 fremde Männer und 2 Weiber, die sich für Krämer ausgaben und bei einem Bürger herbergten, an drei Orten Feuer anlegten und in der Zeit von drei Stunden 145 Häuser mit allen Nebengebäuden niederbrannten, auch dabei 8 Männer, 3 schwangere Weiber und 5 Kinder den Tod fanden. Es war seit 12 Jahren das dritte Brandunglück des Ortes.


1593

Wegen des Fürsten von Anhalt Ankunft schlug man am 5. Januar im Ratshofe eine Küche auf und der Kammerschreiber Martin Liebezeit in Leipzig schickte Wein hierher, den der Rat, weil er nicht gebraucht wurde (2 Eimer 6 Kannen) für sich kaufte. Am 24. Januar beschädigte der ausgetretene Lober den Steindamm und die kaum fahrbaren Straßen verursachten manchen Aufwand. In Schenkenberg brannten am 5. April 5 Häuser weg. Am 30. Mai ward die Witwe des vormaligen Stadtschreibers und Ratsherren Ambrosius Rügezelt, Elisabeth, welche sich eine lange Zeit mit dem Unterrichte der Töchter hiesiger Stadt rühmlichst beschäftigt hatte, mit dem ganzen Chore begraben und ihr vom Superintendenten, ob sie schon arm war, eine Leichenpredigt gehalten. Am 10. Juni fand man auf dem Damme, unter Amtsgericht, ein ausgesetztes Kind, welches nach einem dabeiliegenden Schreiben Elisabeth Dauthin von Eckartsberga mit. dem hiesigen Bader, Hans Fargel, gezeugt haben wollte. Die Mutter war flüchtig, auf Fürgel konnte nichts gebracht werden und mußte das Kind, welches den Namen Zacharias erhielt, auf öffentliche Kosten erzogen werden. Es starb aber im folgenden Jahre. Dem Gutsbesitzer Urban Brand aus Sietzsch, welcher 1590 den Philipp Fritzsche von Quering in einer Schlägerei tödlich beschädigt hatte, ward ewige Verweisung zuerkannt, auf Interzession erhielt er jedoch gegen Erlegung von 100 Gulden zu wohltätigen Zwecken, nach der Bestimmung des Rates und Erstattung der Kosten vom Administrator Begnadigung. Die Ehefrau des Joachim Uebermann fand man am 3. Juli mit einer Hucke Gras tot am Naundorfer Mühlwehr und überließ sie den Angehörigen zum Begräbnis. Am B. Juli, sonntagabends erschoß der hiesige Kramer Bernhard Ihanstein den Fron Georg Malentz, welcher vor dem Torwärterhaus des breiten Tores wehrlos saß und ihn freundlich anredete, mit der Büchse, die er ihm auf die Brust setzte. In der Tortur gestand er, daß er den Mord aus einem alten Hasse begangen habe und ward zum Schwert verurteilt. Bei Hegung des Halsgerichts nahm er aber das Geständnis zurück, gab vor, daß es durch Zufall geschehen sei, verfiel aber, da er Beweise nicht aufbringen konnte, abermals der Tortur und auf Geständnis und Widerrufung einer dritten, am 23. Mai folgenden Jahres, wo er sich endlich überwunden gab und am 18. Juni mit dem Schwerte sein Recht erhielt. Er saß in dem Hallischen Torgefängnisse, wo man häufige, zum Teil gewaltsame Versuche, ihn zu befreien, durch Verstärkung der Wachen zu vereiteln wußte., Sein Leichnam ward, von der Geistlichkeit begleitet, auf dem Gottesacker bestattet. Der Rat verkaufte während des Sommers 225 Scheffel Roggen, die er im vorigen Jahre aus Besorgnis künftigen Mangels gekauft und auf dem Schulbaden gelagert hatte, weil es länger nicht gut zu erhalten war, den Scheffel zu 12 1/2 Groschen, in Summe für 47 Schock. Mit Alexander von Miltitz auf Schenkenberg, welcher die Naundorfer Mark widerrechtlich behüten ließ und den Kosebruchteich zur Ungebühr staute, hatte man Prozeß vor dem Oberhofgericht und in dessen Folge am 15. April, 15. August und 9. November kommissarische Besichtigungen durch Otto Spiegel auf Neuhaus und dem hiesigen Amtsschösser Gregor Fiedler, deren gütliche Vorschläge jedoch der Verklagte hartnäckig zurückwies. Der Rat von Wittenberg zahlte die von hiesiger Stadt 1576 geliehenen 1000 Gulden wieder ab. Man verteilte wie bisher auch in diesem Jahre 7 Landtuche, am Werte 12 Schock 27 Groschen aus den Testamenten der Sebastian Sandderin, des Martin Koch, der Hans Krügerin, des Donat Findeisen, der Heinrich Grünthalin und Lorenz Eckartin an arme Schüler und Hausarme. Bedeutende Bau hatte man an den Mühlen, auch waren die durch den. Lober beschädigten Brücken am Kohltore und über den Gertitzer Bach herzustellen und das Türmchen auf dem Bauhofe zu bessern. Am 14. November starb hier der alte Pfarrer in Lissa, Donat Kötzschke, und ward am 16. begraben. Lorenz Walter von Mühlhausen wollte etliche biblische Historien auf dem Rathause mit Bildern spielen, der Rat trug aber Bedenken, es ihm zu gestatten und gab ihm 2 1/2 Groschen. Dr. Andreas Langner, welcher dem Rate sein Buch Contra pestem zuschickte, erhielt ein ansehnliches Geschenk und viele in Frankreich gediente Militärpersonen höheren und niederen Standes, auch von Jesuiten vertriebene Geistliche Unterstützungen. Kollekten brachte man aus für Wallrode wegen Feuer und Müllendorf, wo am 7. Januar ein ungeratener Sohn, Hans Gottfried, der sich im Lande umtrieb, als er von seines Vateras, eines ehrlichen Mannes, Tod hörte, zurückkam, mit der Mutter, von der er vermutete, daß sie Geld habe und sich wieder verehelichen werde, ein Gezänk anfing, sie mit Prügel tötete, das Haus ansteckte in der Hoffnung, daß der Leichnam. verbrennen solle und entfloh. Ein heftiger Wind aber trieb die Flamme ab und verbrannten zwar 39 Häuser, das der Mutter aber blieb, wie der Leichnam unversehrt, daher das Verbrechen entdeckt und der Mörder verfolgt, gefangen und am 19. desselben Monats hingerichtet ward. Der Scheffel Weizen galt 19 und 20, Roggen 21-18, neue Wintergerste 7, Hafer 7 und 8 Groschen.


1594

Im Februar und März befanden sich Kriegsvölker in der Nähe der Stadt, die nach Ungarn gegen die Türken zogen. Der Rat erkundigte sich fleißig nach Stärke und Betragen derselben und besetzte die Tore der Stadt. Der Gutsbesitzer Tobias Brand in Gertitz starb am 16. März am Bisse eines wütenden Hundes. George Hofmann, ein Salzmann in der Grünstraße und Elisabeth, Daniel Hechts daselbst Eheweib, wurden wegen Ehebruchs am 14. Mai vormittags 9 Uhr von Blasius Heinz aus Leipzig mit dem Schwerte hingerichtet und mit Begleitung der Geistlichen und Schüler begraben. Ein Edelmann Ratzenberger-erstach am 22. Mai auf des Rates Acker vor dem Rosentale den Schneider Hans Wicht aus Schenkenberg, von einer Untersuchung gegen den Täter findet sich keine Spur. In diesem Monat hielt man auch Heerschau über die waffenfähige Bürgerschaft und erhielt der Hausmann [Türmer und Musikusl, welcher dabei die Trommel schlug, 6 Groschen. Ein Schloßenwetter zerstörte am 30. Juni in hiesigen und nachbarlichen Fluren fast die ganze Ernte. Der Rat schenkte den verunglückten Untertanen in Benndorf den notdürftigsten Bedarf an Roggen und verlieh 209 Scheffel desgleichen den Einwohnern in Beerendorf. Alexander von Miltitz auf Schenkenberg, der etwas darin suchte, den Rat mit Angriffen auf die Rechte der Stadt zu beschäftigen, machte in seinem Holze zum Nachteile der Naundorfer Mühle einen Graben und veranlaßte zu dem schon gangbaren noch einen neuen Prozeß. Die im vorigen Jahre vom Rate in Wittenberg zurückgezahlten 1000 Gulden nahm der Rat in Bitterfeld als Darlehen zu Erkaufung des Gutes Greppin. Blasius Förster, ein Zimmergeselle, fiel am 7. November in der Nähe der Pfarre den Michael Kippold, welcher drei Jungfrauen von einer mit einem scharfen Brotmesser über dem rechten Ohr drei Schnitte bei, Wirtschaft nach Hause führte, an, warf ihn nieder und brachte ihm deren einer die Schlagader verletzte. Der Verwundete ward gerettet und Förster, der etwas trunken gewesen war, mußte sich, nachdem er einen Monat lang gefänglich gesessen, auf .6 Jahre aus der Stadt entfernen und sollte auch dann nicht eingelassen werden, bevor er nicht Arzt- und Untersuchungskosten bezahlt und die ihm zugesprochene Leibesstrafe verbüßt hätte. Kuno von Crostewitz überfiel ohne Ursache und beschädigte vor dem breiten Tore den Bürger George Nagel und ein Gleiches tat Abraham Schiecke, der Jüngere, an Ambrosius Lucke aus Kattersnaundorf. Man beschied beide vor Gericht, die Sache wurde aber vermittelt. Das Bürgerrecht empfing unter anderem der Amtsschreiber Matthias Pirner, gebürtig aus Roitzschitz, der Maler Hans Eberhard aus Mühlhausen, der Pfarrer in Selben Mr. Erhard Bundmann und der Apotheker Georg Hartmann von Eisleben gebürtig, welcher zugleich dem Rate für sich und sein Gesinde mit der Apotheke aufrichtig und reinlich zu handeln, eidlich zusagen mußte. Das Fluchen, Sakramentieren bestrafte man mit dem Halseisen und jungen Bürgern, die sich unsittlich betrugen, legte man außer der Gefängnisstrafe noch eine zweijährige Wanderung als Buße auf. Der Küster Nicolaus Roitzsch verließ sein Amt und folgte dem Zuge nach Ungarn, auch gingen die Bierschröter Bachmann und Bröse freiwillig dahin. Der Scheffel Weizen galt 20-18, Roggen 17-16, Wintergerste 7 und Hafer 6'/x Groschen.


1595

Der zwischen der Stadt und Alexander von Miltitz auf Schenkenbag streitige Teich im Kosebruch wurde unter Aufsicht der Kommissarien auf dem Eise gemessen und fand sich, daß der von Miltitz den Teich gegen Vertrag vom 11. Dezember 1581 weit über die Grenze gestaut hatte. Er widersprach der Messung, behauptend, daß sie im Herbste bei abgelassenem Wasser geschehen müsse, starb aber am 31. März d. J. und die verlangte Messung unterblieb. Im Januar und Februar war bei vielem Schnee große Kälte, in den letzten Tagen des Februar aber taute es schnell unter heftigen Regengüssen, die Flüsse stiegen zu ungewöhnlicher Höhe, verwüsteten die Dorfschaften und brachten viele um Leben, Habe und Gut. Auch hier tat das Wasser an Brücken, Schützen und Wegen ungemeinen Schaden und waren die Straßen im April und Mai wegen großer Nässe kaum zu bereisen. Am 22. Januar, gegen 10 Uhr vormittags, ward Hans Spange aus GroßKyhna, Stiefsohn Peter Stallbaums, in hiesiger Neustadt wegen Diebstahl aufgehängt. An die Stelle des im vorigen Jahre nach Ungarn in den Krieg gezogenen Küsters Nicolaus Roitzsch kam der hier geborene Bürgerssohn EIias Treintzsch. Der Bürger und Goldschmied Peter Naumann von Edenburg, gab hier am 28. Dezember vorigen Jahres zehn falsche Talerstücke aus. Man brachte sie auf das Rathaus und Naumann gestand, daß er sie ausgegeben habe. Als man ihn durchsuchte, fand man noch 24 Stück dergleichen Talar und drei falsche Guldenstücke und so kam er, weil er nicht erklären wollte, woher er diese Münzen genommen, in Haft und Untersuchung. Der um Nachsuchung in seiner Wohnung aufgeforderte Rat in Eilenburg sendete noch 30 aufgefundene Talerstücke von Kupfer mit Kurfürsten Christian Bilde, auch Stempel und anderes Prägegerät und leugnete zwar den Gebrauch, gestand aber in der Tortur, die ihm das erste Urteil brachte, Prägung und Ausgabe ohne Mitschuldige, daher ihm im zweiten Urteil der Tod durchs Feuer zugesprochen ward. Er hoffte und suchte zwar Milderung, da sich aber in Eilenburg noch mehr Münzgerät fand, er auch in Leipzig dergleichen Münzen ausgegeben und dieses Handwerk schon länger getrieben hatte, so blieb es bei der festgesetzten Strafe, die an' ihm am 28. März vor der Ziegelscheune vom Scharfrichter Blasius Heinz aus Leipzig und vier Gehilfen vollzogen ward. Man brauchte dazu 8 Klafter Fichtenscheite, viel Reisig und anderes Holz, eine Säule, Kette, eiserne Harken, zwei Spaten, zwei beschlagene Schippen, eine Rodehaue und ein Pfund Schießpulver. Münzen und Prägegeräte mußten auf Befehl an die Renterei in Leipzig abgeschickt werden. Das am 21. August im Stalle der Thomas Bornackin an der Stadtmauer ausgebrochene Feuer tat weiter keinen Schaden. Christoph Graßhof von Selben brachte das erste Sturmfaß und empfing 1 Talar Belohnung. Am 26. Oktober starb der Kämmerer Paul Hintzsche, Ratsherr seit 1577. Der Superintendent Mr. George Selnecker, welcher seines Vaters, Dr. Nicolaus Selneckers, Commentarii in Epistolas Pauli in den Druck gab und dem Rate ein gebundenes Exemplar überreichte, erhielt 10 Taler Gegengeschenk. Auch gab man den in Leipzig studierenden Theologen Andreas Landeck und George Nagel, von hier, einen Beitrag zu ihrem Bücherbedarf. Landeck war der Sohn des hiesigen armen Hausgenossen Martin Landeck, ward Feldprediger in Ungarn und 1604 Pfarrer in Altjeßnitz; Nagel, geb. 1570, 1599 Feldprediger unter dem Obersten Hans von Osterhausen, in Ungarn und von 1602 ab Pfarrer in Reuden. Liebhaber der Geschichte, schrieb er in Caspari Goldwurmii Calendarium historicum, 1554; Nachrichten von' Delitzsch, Zörbig, Bitterfeld, die der Pfarrer Mr. Herrmann in Altjeßnitz besaß und hbchschätzte, aber verloren sind. .Kollekten brachte man aus für mehrere Orte, u. a. für Reifenstein, wo drei ungeratene Söhne, die man wegen ihres Saufens und unsittlichen Lebens von der Kanzel gestraft hatte, ihren alten Vater, der sie darum schalt, bei den Haaren im Haus umschleppten und so mißhandelten, daß die Obrigkeit zugriff und zwei derselben, da einer sich durch einen Messerstich tötete, ins Gefängnis brachte, das sie jedoch am achten Tage, den 25. Juni, nachts durchbrachen und an drei Orten Feuer anlegten, welches 225 Häuser vernichtete und 9 Personen das Leben kostete. Der Scheffel Weizen galt 17, Roggen 15, Wintergerste 7, geringer Hafer 6 Groschen.


1596

Die Herde des Rittergutes Wölkau und der Gemeinde Kertitz weidete im Stadteigentum am Haine vor dem hallischen Tor und ward gepfändet, in der Schenke zu Kletzen aber fremdes Bier weggenommen. In Bischofswerda entstand am 28. April, mittwochvormittags zwischen 7 und 8 Uhr in dem Malzhause des Bürgers Christoph Daxfinger Feuer, welches bei starkem Wehen des Windes so schnell um sich griff, daß man nur auf Rettung des Lebens denken mußte und in kurzer Zeit die Stadt mit mehr als 300 Häusern, allen geistlichen und öffentlichen Gebäuden, Türmen, Toren, Mauern, neuem Rathause, ausgenommen das alte Rathaus, ein Gasthof, die Stadtmühle, das Hospital und neun kleine Häuser verwüstet lag. Es gab keine Glocke mehr und der Verlust ward 200 000 Gulden am Werte abgeschätzt. Der hiesige Rat überschickte 42 Gulden 17 Gr. 11 Pfg. milde Beiträge durch einen Boten und gab 3 Schocke 9 Gr. aus der Kasse dazu. Der Bürger Zacharias Walpurger und Junker Kuno von Crostewitz von Lemsel, welche sich auf die Klinge forderten, auf dem Markte schlugen und großen Auflauf verursachten, verbüßten es jeder mit 2 Schokken. Derselbe von Crostewitz geriet am Peter-Paulstage mit dem Bürger Arndt, in dessen Hause er eine Büchse abschoß, in Streit, kam aber,weil er vorgab, daß die Büchse wider seinen Willen losgegangen, mit einem Verweis davon. Dagegen strafte man den Christoph von Bölzig, der an demselben Tage seine Büchse auf öffentlicher Straße abbrannte, mit einem Schock. Leider gab zu diesen Unordnungen größtenteils das Ubermaß im Trunk Gelegenheit. Sämtliches Scheffelmaß der Bürger ward untersucht, geeicht und mit des Rates Zeichen versehen. Ein junges Mädchen und eine Witwe, die von fremden weggewanderten Handwerksgesellen geschwängert zu sein vorgaben, wurden aus der Stadt gewiesen. In dem Malzhause des Lorenz Ihbe entzündeten sich am 9. Dezember durch Vernachlässigung der Aufsicht Hürden, Spannriegel, Decke, die Nachbarschaft bemerkte es aber zeitig und das Feuer kam durch ihre Tätigkeit nicht zum Ausbruch. Es ward mit 4 Schocken bestraft und mußte, was der Rat nach Vorschrift der Feuemrdnung als Trinkgeld und sonst verwendet hatte, vergüten. Auch entzündete sich am 20. dieses Monats, nachts 2 Uhr in der Oberstube des Gasthofs zum Ringe, Stephan Beckers, eine Bohle durch eine in der Küche des Nachbars, George Sachse, nicht gut verwahrte Bratröhre, weiche aber die im Gasthofe eingekehrten Fremden bemerkten und löschten. Mehrere von Jesuiten und Reformierten vertriebene Lutheraner suchten und empfingen vom Rat Reisegeld. Kollekten brachte man u. a. aus für Gansberg in Böhmen, wo lm 28. Februar eine Diebesbande, früh gegen 5 Uhr, an zwei Orten Feuer anlegte und 113 Wohnhäuser mit der Pfarrkirche niederbrannten, auch 17 Personen, jung und alt, umkamen. Mehrere dieser Räuberbande hatten am 3. Februar des nachts die nahe Stadtmühle erbrochen, den Müller, sein Weib und Gesinde hart geknebelt, einen Mühlknecht aber unbeachtet gelassen, welcher in der Stadt Hilfe suchte, von da auch eine starke Wache abging und vier der Räuber gefänglich einbrachte. Sie bekannten in der Tortur, daß die Bande, zu der sie gehörten, 24 Männer stark sei und erlitten ihr Recht. Die Entkommenen aber schrieben Fehdebriefe und rächten ihre Kameraden auf die angezeigte Weise an der Stadt. Der Scheffel Weizen galt 16-22, Roggen 12-14, neue geringe Wintergerste 6, Hafer .4 Groschen.


1597

Der kurfürstliche Rat Andreas Caspar von Ebeleben ward am 22. Februar als Hauptmann der Ämter Delitzsch und Zörbig eingewiesen, hatte aber in Zörbig seinen Aufenthalt. Der Rat gab wie gewöhnlich den Ehrenwein. Am 20. März starb im 67. Lebensjahr der Bürgermeister und Stadtschreiber Johann Fischer. Es war der Sohn des vormaligen Ratsherren Andreas Fischer, geboren 1530, studierte in Pforte und Wittenberg, ward 1553 Rektor hiesiger Schule, 1572 Stadtschreiber, 1586 Bürgermeister und hin. terließ vier Söhne, Mr. Andreas, Elias, David, Johann, von welchen die drei älteren hier in den Rat kamen, der jüngste als Notar in Halle lebte. Der Verstorbene war wegen seiner Kenntnisse und Rechtlichkeit allgemein geachtet und der Rat verwendete bei seinem Begräbnis am 22. März 36 Taler auf Zindel und Kartek. An seine Stelle als Stadtschreiber kam Mr. Johann Richter, der Sohn des hiesigen Bürgermeisters, früher Amtsschösser, Mr. Esaias Richter. Er war geboren am 4. Februar 1570, hatte, nachdem er Pforte verlassen, in Leipzig die Rechte studiert und 1592 daselbst die Magisterwürde erlangt. Am 2. April starb Otto Spiegel auf Badrina und ward am 4. dieses Monats im Chore hiesiger Stadtkirche nahe dem Putte beigesetzt. Der Rat ließ, weil sich viel Volk zudrängte, die Tore mit doppelter Wache besetzen. Der Steinsetzer Joachim Uebermann legte an der Doktorei einen neuen Steinweg und trugen die anwohnenden Hausbesitzer 4 Schock 20 Groschen zu dem Lohne, von der Rute, deren etwas über 32, 8 Groschen bei. Hans George von Hügel, Gabriel von Braschwitz und andere Edelleute, die hier am Petri-Pauli-Markt ihren Tanz hielten, trieben mit Schießen, Reiten, Rennen in der Stadt solchen Unfug, daß der Rat, welcher fürchtete, daß es mit der so oft und gröblich gereizten Bürgerschaft zu gefährlichen Exzessen kommen möchte, an den Administrator berichtete. Der Administrator befahl zwar strenge Untersuchung, der Hauptmann von Ebeleben verglich aber die Sache dahin, daß dem von Hügel bei 1000 Taler Strafe aufgegeben ward, sich fortan nachbarlich, friedlich und bescheidentlich gegen den Rat und ganze Bürgerschaft zu verhalten, aufgetragen ward, er sich auch dazu den drei Bürgermeistern und Stadtrichter handgebend verpflichten mußte. Der Pfarrer in Werbelin, David Franke, welcher am 9. August sein Vieh auf Weißiger Mark bei den Mandeln an Stricken führen ließ, ward gepfändet und mußte das Pfand im Amte lösen. Wegen der aus dem Feldzuge in Ungarn zurückkommenden Krieger stellte man vom 27. Juli bis 7. Oktober in den Scheunen Wächter an. Mit ihnen traf auch der im vorigen Jahre weggegangene Küster Nicolaus Roitzsch wieder ein, dem man 12 Groschen Reisegeld gab. Leider verbreitete sich mit ihrer Ankunft viel Unsittliches und in dem Herbste eine gefährliche Krankheit, die zwar hiesige Stadt noch nicht berührte, aber in der Umgegend furchtbare Verwüstung anrichtete, weshalb man auch die Tore mit Aufsichtswachen besetzen ließ. Die Frau von Scheidingen auf Wölkau hatte gegen Hut und Trift auf Kertitzmark Einwendung und der Hauptmann von Ebeleben mit dem Amtsschösser Gregorius Fiedler zu gütlicher Verhandlung Auftrag. Am 31. August ward Bartholomäus Wittich von Kertitz mit dem Strange hingerichtet. Die Gemeinde Gertitz, welche sich auf Wilhelm Gablers Breite eine Trift anmaßte und ihr Vieh indessen Hafer trieb, verfiel in 4 Schock Strafe. Wegen der hohen Preise der Gerste suchte die Bürgerschaft bei dem Administrator um eine Erhöhung der Biertaxe nach. Dem Mr. Abraham Taurerus, Pfarrer in Schwerz [einem Delitzscher], welcher seine Druckschrift gegen die Anhaltischen Kalvinisten den drei Räten dedicierte, verehrte man einen Taler. Kollekten brachte man aus u. a. für Weydenburg, Fichtenhain in Hessen, wo am 5. Mai in einem furchtbaren Wetter, welches von früh 8 Uhr bis abends dauerte, der Blitz an drei Orten zündete, 131 Häuser, Kirche, Schule, Rathaus in Feuer aufgingen, 7 betagte Männer, 2 kleine Kinder verfielen und 3 Meilen im Umfange alles verhagelte, weiterhin für Kriebus bei Sagan, Schliebenitz, Brandau und Langenhausen. Auch empfing eine große Zahl der aus Ungarn heimziehenden Landsknechte Reisegeld, die man leider unbesoldet und ohne Aufsicht umschweifen ließ. Der Scheffel Weizen galt 22, Roggen 20, Gerste 15 Groschen.


1598

Der Orgelbaumeister Heinrich Compenius aus Halle übergab im Februar die im vorigen Jahre von ihm umgearbeitete, verbesserte und verstärkte Orgel der Stadtkirche und erhielt vom Rat 4 Taler, auch Wein als besonderer Geschenk. Er hatte sie einen halben Ton höher in den Chorton gestimmt und mit vier neuen Registern, Quintaton 8 Fuß, gelacktem Unterbasse 16 Fußton, Posaunenbasse 16 Fußton, Kornattbasse 2 Fuß, versehen. Das auf Gerlitz verfallene Gericht [Galgen] ward im März hergestellt und empfing jede dabei tätig gewesene. Gerichts- und Ratsperson eine Kanne Alandwein 4 Gr. am Werte. Das Freimannlehngut auf Schweissa-Mark fiel nach Gallus Hartmann Tode, welcher männliche Nachkommen nicht hinterließ, an den Rat. Er ließ es durch die Amtslandschöppen würdern, verkaufte das Schöppen-gut in Zschortau mit 2 Hufen Landes, 2 Wiesen und 21 wüsten Höfen für 850 Gulden an Thomas Dietze in Zschortau und verlieh einen wüsten Hof mit 5 Gr. Lehngeld an Matthäus Khöl, den Älteren in Selben; 1 ½ wüsten Hof mit 7 ½ Gr. Lehngeld an den Richter Matthäus Khöl, den Jüngeren daselbst; 1 Höfchen mit 5 Gr. Lehngeld an Martin Ohme zu Zschortau; ein halbes Höfchen mit 2 ½ Gr. Lehngeld an Hans Haupt daselbst; ein Höfchen mit 5 Gr. Lehnware an Matthäus Neumann daselbst; einen halben Hof mit 21/a Gr. Lehngeld an Melchior Biermann in Selben; einen Hof mit 5 Gr. Lehngeld an Gall Hartmanns Erben; ½ Hof mit 2 ½ Gr. Lehngeld an Wolf Bruder. Die Lehnsanmaßungen des Christoph von Gröpzig auf Zschortau, Alexander von Zwemen, Otto Spiegel und Otto von Crostewitz, bezüglich auf diese Grundstücke, wurden abgewiesen. Mit dem Frühling verbreitete sich auch hier die Pest, eine im höchsten Grade gefährliche Dysenterie. Alle Vorkehrungen und Anstalten zur Hemmung waren vergebens, und die Chirurgen lagen selbst hilflos. Es starben mehrere der vornehmsten Familien ganz aus, der Rat verlor fünf seiner Mitglieder und der in den nächsten Jahren erfolgte Tod der Geistlichen war Folge der Ansteckung. Den Anfang im Rat machte der Bürgermeister Mr. Esaias Richter [seit 1572 Ratsherr und von 1585 Bürgermeister), Er starb am 15, März im 63. Lebensjahr, gerühmt wegen treu geleisteter Dienste und der Rat verwendete 38 Täler auf die Trauer für sich und die Dienerschaft. Ihm folgte am 22. Juli Christoph Kippelt [Ratsherr seit 15941, am 9. August Mr. Benedict Jäger [Ratsherr seit 15901, dessen Gattin Elisabeth am 12. August, am 15. Oktober der Stadtrichter Herrmann Gurre [Ratsherr seit 15811 und dessen Sohn Student Andreas Gurre und am 1. November Hieronymus Heidenreich [Ratsherr seit 1588) mit sechs Kindern, Paulus, Rebecca, Hedwig, Anna, Johannes und Elisabeth. Nur ein Sohn blieb ihm, der später hier Konrektor ward, in dem schrecklichen Pestjahr 1626 aber ebenfalls mit seiner ganzen Familie unterging. Viele kranke Familien mußten unterstützt, viele elternlose Kinder versorgt werden. Die Wehmütter waren von der Krankheit ergriffen, die von Torgau verschriebene kam zwar an, durfte aber, weil ihre Kinder erkrankten, nicht ausgehen. Ärzte hatte man nicht und die Apotheken wurden erschöpft. Die Zahl der Gestorbenen war 712, der Verlust also gegen andere Jahre siebenfach und mit dem 15. Juli wurde ein neues Totenregister angefangen, das Superintendent Mr. Selnecker eigenhändig überschrieb. Bitterfeld verlor 400 seiner Einwohner und mehrere Dörfer starben bis auf wenige Familien aus. Es trat schon im Oktober harte Kälte ein und ein Knabe erfror am 17. dieses Monats. Einige Bürger bestrafte man, weil sie die Jahrmärkte in Landsberg und Brehna mit Waren bezogen und bauen halfen. Das Bürgerrecht erlangte unter anderen Christoph Greffe, ein Apotheker aus Zwickau, George Döring, der Sohn des verstorbenen Pfarrers in Brinnis, Christoph Döring und der Pfarrer in Wiedemar, Valentin Schütze, hiesiger Bürgerssohn. Dem Stadtschreiber Mr. Johann Richter gab man bei seiner Verehelichung mit Elisabeth, Andreas Stephan hinterlassener Tochter, 18 Täler, dem Professor der griechischen Sprache und Mathematik. Mr. Erasmus Schmidt in Wittenberg, einem Sohn des vormaligen hiesigen Lehrers und Bürgermeisters Thomas Schmidt, der sich mit Mr. Reinharts Witwe in Wittenberg am 30. September verband, 10 Täler Hochzeitsgeschenk. Auch verehrte man dem Superintendenten Mr. Selnecker, welcher dem Rate seine Druckschrift: Wie man sich in der Zeit der Ungnade (Pest) verhalten und bezeigen solle? zueignete, 11 Täler 6 Gr. Ein armer Mann, Paul Voigt aus Naundorf, welcher vom Hufschlag eines Pferdes in den Rücken die Sprache verlor, erhielt eine Beisteuer. Man brachte verschiedene Kollekten aus. Der Scheffel Weizen galt 20 und 21, Roggen 18-22, Hafer 10-11 ½ Groschen.


1599

Der Rat gab dem Hausmanne [Musikus] zum Neuen Jahre einen Taler aus der Kasse, damit er nicht von Haus zu Haus gehend, die Bürgerschaft, wie etwa vor Zeiten geschehen, beschweren dürfe und ebensoviel den beiden Fronen in gleicher Absicht. An Jahrlohn hatte der Stadtmusikus 15 Schocke 36 Groschen, für Abblasen, Kirchenmusik, Seigerziehen, Wache von früh 3 bis abends 9 Uhr und 4 Schocke 20 Gr. für die Nachtzeit, übrigens noch 25 Scheffel Roggen, Holz, ein Schock zum Geleuchte und zu Pfingsten ein Kleid. Christoph von Gröpzig auf Zschortau, welcher sich gegen den Rat mit Schmähreden verging, mußte diesem auf kurfürstlichen Befehl vor dem Hauptmanne von Ebeleben in Zörbig Abbitte tun. Das Ratsstipendium hatte Peter Schmidt, Sohn des hiesigen Bürgers Hans Schmidt, Student der Rechte in Leipzig. Er lebte später hier als praktischer Jurist und kam 1617 in den Rat. Die Trauung mit seiner zweiten Gattin, Sibylla, des Böttchers Andreas Berndts Witwe in Wittenberg am 3. März 1639, ward kriegerischer Unruhe wegen auf dem Kloster, in Dr. Luthers Stube, welche bis dahin Mr. Schmidt innegehabt, von dem Diakon Mr. Schmidt vollzogen, welches man in hiesigem Kirchenbuche besonders bemerkt hat. Das tägliche Aufziehen des Kircienseigers, welches bisher der Küster besorgt hatte, übertrug. man dem Schösser Hans Pak, welcher zugleich für die nötige Besserung zu sorgen hatte und gab ihm jährlich 4 Schocke 12 Gr. Lohn. Die Jahrmärkte Petei-Pauui wurden den Städten Bitterfeld, Düben, Leipzig, Halle, Eilenburg, Torgau, Schmiedeberg, des Sterbens wegen abgesetzt. Vom Juli an griff die Ruhr von neuem um sich verlor sich aber mit dem Eintritte des Spätherbstes und starben überhaupt nur 255 Personen. Am 7. Juli brannten in dem nahen Dorfe Kreuma vier Güter weg Auch der Superintendent Mr. George Selnecker ward ein Opfer der herrschenden Krankheit. Er starb am 25. September und man begrub ihn nach seiner Verordnung nicht in der Kirche, sondern auf dem Gottesacker zwischen den Eingangstüren der Kirche. Er hinterließ eine schöne größtenteils vom Vater geerbte Bibliothek und vier Söhne, deren einer Georg, geboren 1594, später hiesiger Bürger und Viertelsherr, sich im Anfange des Dreißigjährigen Krieges um die Stadt Verdienste erwarb. Die Wiederbesetzung der Stelle machte diesmal keine Schwierigkeit. Der von dem vortragenden Bürgermeister George Kirchhof in Vorschlag gebrachte Mr. Abraham Suarinus, Pfarrer in Schkeuditz, war hier als Gelehrter, geistreicher Prediger und liebenswürdig bescheidener Mann so bekannt, seine Erlangung so wünschenswert, daß man eine Abstimmung nicht nötig fand. Die Fleischer durften nach ihren Innungsartikeln Schafvieh, mit dem sie hiesige Wiesen betrieben hatten, bei namhafter Strafe nicht an Fremde verkaufen und zahlten deshalb Elias Behr und Bartholomäus Becker, welche 100 hier gehütete Schöpse nach Leipzig verhandelten, des Nachts heimlich wegtrieben, bei Schladitz aber von dem Gleitsbereiter getroffen wurden, außer 26 Taler 6 Gr. Geleite, 25 Taler Strafgeld. Unter anderen wurde eine Kollekte für Lindau ausgebracht, wo man vier Männer, die sich nach mehrtägigem Aufenthalt im Gasthofe beim Trunke und Spiele veruneinigten, Verräter und Kundschafter nannten, auf ihr Geständnis, daß sie der türkische Sultan ausgeschickt, den Christen durch Gift und Feuer möglichst zu schaden, sie auch dieses an verschiedenen Orten ins Werk gerichtet, am Leben strafte, darauf aber ihre Gesellen die Stadt am 16. September des Nachts an mehreren Orten ansteckten, 125 Häuser, Kirche, Pfarre, Schule, Rathaus, niederbrannten und dabei 17 Männer mit 3 Wöchnerinnen ihren Tod fanden. In dem Ratskeller verschenkte man 131 Eimer Wein, Aland, Rheinwein, Naumburger und Ketzschberger und 156 Kufen oder 234 Fässer Torgauisches Bier. Der Schenke erhielt vom Eimer Wein 2 Groschen, von der Kufe Bier 3, der regierende Bürgermeister aber von jedem Stücke Wein und jedem Faß ein Nösel. Die Ziegelscheune lieferte in 5 Bränden 118 225 Steine und verkaufte man das Hundert an Bürger für 5, an Fremde für 8 Groschen. Der Scheffel Weizen galt 19-22, Roggen 15 und 16, geringe Wintergerste 6 Groschen.


Delitzscher Stadtchronik - 1600-1649

(Quelle: Delitzscher Stadtchronik von Johann Gottlieb Lehmann, ausgewählt durch Christel Moltrecht; Teil V, 1600-1649; hrsg. vom Kreismuseum Delitzsch 1985.)

Vorwort

Das vorliegende Heft der Veröffentlichungsreihe des Kreismuseums zur De­litzscher Stadtgeschichte bildet die chronikalische Fortsetzung bereits erschie­nener Hefte über die Ereignisse der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, die Johann Gottlieb Lehmann vor 1850 aus archivalischen Quellen zusammenstellte. Vergegenwärtigt man sich diesen Zeitraum, so finden sich die darin geschilderten städtischen Begebenheiten von den Ereignissen des Dreißigjährigen Krieges überschattet. Im Laufe dieser drei Jahrzehnte steigerten sich die Belastungen durch diesen Krieg ins Unermeßliche, nahmen die Kriegswirren und Kriegsfolgen zu. Dies zeichnete der Chronist in aller Ausführlichkeit nach, denn er hatte im vorigen Jahrhundert noch zeitgenössische Quellen zur Verfügung, die eine durchgängige historische Darstellung ermöglichten. Das ist für uns. heute von unschätzbarem Wert. Dabei ist beachtlich, daß J. G. Lehmann vor über 140 Jah­ren, aus bürgerlichem Geschichtsverständnis heraus, bereits eine Fülle sozialer und ökonomischer Aussagen in seine historische Darstellung der Geschichte der Stadt Delitzsch aufnahm. So stellen sich viele dieser Ereignisse als sehr lebens­voll und überzeugend, nicht selten aber auch erschütternd, dar.
Bis zur Jahrhundertwende war die Stadt durch den handwerklichen Fleiß ihrer Bürger zu beachtlichem Wohlstand gelangt, was unter anderem die zahlreichen Landbesitzungen beweisen. Ferner läßt sich bis etwa zum Jahre 1624 verfolgen, wie der intensive Ausbau der Stadt erfolgreich vorangetrieben wurde. So wollten die Ratsherren eineh eigenen Turm mit Wendeltreppe und Stuben an das Rat­haus anbauen, um einen gesonderten Eingang für den Adelstanz zu haben. Aber dieser wohl zu umfänglich geplante Bau blieb unausgeführt. Man erweiterte das Rathaus nun lediglich nach dem Markte zu um einen massiven Anbau mit einer überwölbten Treppe und einem großen Zimmer in der ersten Etage. Dieser Raum wurde mit erheblichem finanziellen Aufwand ausgeschmückt und mit einem Pfeiferstuhl versehen. Der Hallesche Turm erhielt in dieser Zeit ein neues Uhrwerk und für Übungen der Schützen baute man ein neues Schießhaus. Erhebliche Mittel wurden auch für die Ausstattung der Stadtkirche, die sich über Jahrhunderte im Besitz der städtischen Kommune befand, ausgegeben. Als re­präsentativstes Bauwerk der Stadt war diese, Peter und Paul geweihte, Hallen­kirche für die Bürgerschaft von einiger Bedeutung. Im Jahre 1615 ließ der Rat von einem Freiberger Bildhauer einen neuen Taufstein anfertigen und die Orgel erfuhr eine gründliche Erneuerung. Man ließ 115 neue Kirchenstühle machen und schaffte einen großen messingenen Kronleuchter an. Auch wurden Verzie­rungen zwischen Chor und Schiff angebracht und die nach dem Markte zu ge­legene Peterskapelle neu eingedeckt. Der reiche Bürger und Getreidehändler Gregor Hochstetter stiftete für die Stadtkirche eine neue Kanzel, auch setzte er Gelder für kirchliche Nutzung und Gebrauch aus.
Neben Rathaus und Stadtkirche stand auch der Markt im Blickpunkt öffent­lichen Interesses. Für die Ausgestaltung dieses zentralen Platzes wurde 1619 ein künstlerisch anspruchsvoller Brunnen im Stile der Spätrenaissance errichtet. Weitere Geldmittel wurden erneut für begabte Schüler, die auf Fürstenschulen oder Universitäten ausgebildet werden sollten, bereitgestellt. Man gewährte ihnen die sogenannten Ratsstipendien. Die Erlangung der Magisterwürde und die dem Rate zugeeigneten wissenschaftlichen oder literarischen Werke wurden ebenfalls honoriert. Neue Festlegungen erfuhren in dieser Zeit auch die Besoldung des Bürgermeisters, der Ratsherren, des Bauherren und des Stadtschreibers. Bereits Jahrzehnte vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges machten sich parallel zur wirtschaftlichen Stabilisierung und dem erreichten Wohlstand Ein­schränkungen auf verschiedenen Gebieten bemerkbar. Der zu Beginn des Jahr­hunderts noch wohlhabende Rat zu Delitzsch hatte feudale Besitzungen wie die Rittergüter und Dörfer Paupitzsch, Petersroda, Holzweißig und Werbelin erwor­ben. Erhöhte Steuern sowie die maßloser. Forderungen der Kurfürsten Christian und Johann Georg für Soldgelder zwangen den Rat jedoch zu Verkäufen. So gingen von den Stadtfluren der Dübische Werder, Wiesen bei Spröda und Benn­dorf, aber auch die Naundorfer- (hinter der Kläranlage) und Elberitz-Mühle verloren. Das Dorf Gertitz mußte zudem verpfändet werden. Trotz aller fürst­lichen Beschwerungen achtete der Rat streng auf seine städtischen Vorteile und Rechte. So wurde die Biermeile neu ausgemessen, um Handhaben gegen die Dörfer zu besitzen, die anderes als Delitzscher Bier ausschenkten. Daraus ent­stand 1629 der sogenannte Brinniser Bierkrieg mit bewaffneten Auseinander­setzungen, da diese Gemeinde Eilenburger Bier eingelagert, hatte. Durch einen Leipziger Juristen ließ sich der Rat seine städtischen Privilegien aktualisieren und neu. bestätigen. Dennoch gingen solche Rechte wie die Kavillerei und das des Geleits. verloren. Auch erfolgten •. von landesherrlicher Seite Aufforderungen zur Einschränkung unnötiger Ausgaben, unter anderem mußte der Pferdebestand des Marstalles verringert werden.
Den wirtschaftlichen Bemühungen der Stadt standen die frühkapitalistischen Bestrebungen des Kaufmannes Gregor Hochstetter entgegen, der hier Getreide stapelte und durch billige Verkäufe die Einkünfte der Stadt und anderer Kauf­leute, vor allem aber die der Stadt Leipzig, schädigte. Zu Auseinandersetzungen führte 1606 auch die Errichtung einer neuen Herberge in der Neustadt, zum „Weißen Roß" genannt. Auch hierin sahen die Gastwirte und Herbergsbesitzer der Altstadt ihre Einkünfte geschmälert. Erst nach mehreren Einsprüchen seitens des Wirtes erhielt dieser die Erlaubnis, zu herbergen und auszuschenken. Das Abhalten von Wochenmärkten in diesen unsicheren Zeiten war oft nicht mög­lich. Auch brachte der schwache Besuch aus umliegenden Städten und Dörfern nicht die erwünschten Gewinne. Hieraus erklärt sich ein „Tumult der Fleischer", der sich gegen die Lesterer vom Lande, das sind Verkäufer minderwertigen Fleisches, wandte, die den Stadtfleischern den guten Gewinn streitig machten. Die vermehrte Aufnahme von Mietern durch die städtischen Hausbesitzer führte zu einem Zuzug von Fremden unsicheren Gewerbes. Das veranlaßte den Rat, eine besondere Hausgenossenordnung zu erlassen, die sich gegen die Abgabenfreiheit derselben, aber auch gegen Lohnsteigerung, Arbeitsscheu und sogar Bettelei durch deren Kinder richtete. Auch wurde streng auf Ordnung und Sitte geachtet und Vergehen wie Diebstahl häufig mit Todesstrafe oder Landesverweisung geahndet. Eine 1612 als kurfürstliches Mandat ergangene Kleiderordnung be­strafte übermäßigen Luxus und wies jedem sozialen Stand seine Kleidung zu.Neben den zahllosen Belastungen, die die Kriegsvorbereitungen mit sich brachten, fehlte es nicht an Übergriffen des hier ansässigen Adels in die Rechte und Ord­nungen der Stadt. Die bereits im Jahre 1601 von den Bürgern erwirkte kurfürst­liche Adelstanzordnung, die während dieses Festes auf dem Rathaus aushing, wurde von den Adligen mißachtet, denn die Chronik berichtet in den Jahren 1600 bis 1607 wiederholt von Duellen unter den Adligen, aber auch von Tumulten in der Stadt und von Überfällen auf Bürger. Erst die weiteren Kriegsjahre brachten diese Tradition zum Erliegen, denn 1624 wird der Adelstanz nicht mehr erwähnt. Auch die häufigen Eingriffe in die Delitzscher Hutungsgerechtigkeit führten häufig zu Prozessen zwischen den Adligen von Scheidingen auf Klein­Wölkau bei Kertitz und denen von Miltitz auf Schenkenberg, langjährigen Widersachern der Stadt. Letzterer störte die Loberfischerei und wegen der Viehtrift bei Naundorf (Naundorfer Mühle) und auf den Benndorfer Wiesen mußten mehrere Prozesse geführt werden. Daraus entstanden der Stadt laufende Ungelegenheiten und Kosten. Doch auch der Kurfürst erlaubte sich Eingriffe in die Rechte der Stadt, indem er von der Einsetzung der Pfarrer bis hin zum Entzug des Patronatsrechtes über die Kirche seine feudale Willkür ausspielte.
Die von Böhmen ausgehenden politischen Unruhen machten sich ab 1621 auch hier durch Verschlechterung der Münzen bemerkbar. Im ganzen Land fand eine Geldentwertung statt. Silbermünzen wurden an den Rändern beschnitten und neue durch Zusatz minderwertigen Metalls geprägt. Auch in Delitzsch wurde für drei Jahre eine kurfürstliche Münze eingerichtet, um den hohen Bedarf an derartigen Münzen - es waren Achtgroschenstücke - zu decken. Noch heute erinnern der Straßenname Münze und das stattliche Haus an der Stadtmauer an diese Zeit. Zu einer Überlebensfrage für das Gemeinwesen wurde in diesen Jahrzehnten die Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit der Delitzscher Altstadt mit ihren Mauern, Gräben, Wällen und Bastionen. Deshalb waren vielfältige Bauaktivi­täten an dieser Wehranlage notwendig. So wurde die Mauer in einigen Bereichen erhöht, die Gräben erweitert und überflüssige Brücken abgetragen. Die im Jahre 1631 beschädigten Mauerteile wurden umgehend ausgebessert. Auch nach der von den Schweden ausgeführten Niederlegung ganzer Mauerbereiche im Jahre 1644 erfolgte bald darauf deren Neuaufbau. Dazu lieferte die Ziegelscheune viele gebrannte Steine. Der Rat ließ die Wachen an den Toren verstärken, da die Ge fahr bestand, daß Mordbrenner Feuer legten. So wird an'vielen Beispielen die stets erneuerte Lebenskraft der Delitzscher Bürger in diesen Kriegszeiten deut­lich, die sich trotz unsäglicher Belastungen zu behaupten suchten. Bereits zu Beginn des Krieges mußte der Rat die Zimmerleute zum Festungsbau nach Dresden und. Wittenberg abstellen. Darüber hinaus wurden Kriegsbürger und ein Heerwagen dahin abgefordert. Seit 1623 hatte sich ein Fünftel der Bevölkerung ständig bewaffnet zu halten. Der Wert vieler Waren, besonders aber der von Nahrungsmitteln, stieg in unglaubliche Höhen. Das führte zur Verarmung der Bevölkerung. Die politischen wie militärischen Unsicherheiten dieses Krieges und die damit verbundenen finanziellen Belastungen durch Waffenkauf aus Suhl zur Ausrüstung der Brau­erben und Pfahlbürger sowie die Zahlung von Kriegsanleihen nach Grimma und Prag schwächten die Stadt erheblich. Auf den Ausschußtagen der Stände in Dresden wurde wiederholt über die Aushebung und Anwerbung von Soldaten sowie über deren Sold debattiert. Doch blieb es nicht dabei. Die Bürger der Stadt erlebten erste direkte Konfrontationen mit dem Kriegsgeschehen durch Einquartierung von Reiterei in die Ämter Zörbig, Petersberg und Delitzsch. Die Einwohner hatten die Soldaten nicht nur in ihre Häuser aufzunehmen, sondern auch für deren Verpflegung einschließlich der ihrer Pferde aufzukommen. Außerdem beanspruchten die Offiziere und Generäle aufwendigere Beköstigun­gen. Die Chronik überliefert dazu ausführliche Aufzählungen ausgesuchter Spei­sen, die auf der. Gelagen geboten werden mußten. Mehrfach hatten die Bürger von Delitzsch aus Brot, Bier und Hafer zu weit entfernt liegenden Heeresteilen zufahren.
Die hiesige Bevölkerung fühlte sich aufs höchste beunruhigt, als Wallensteinsche bzw. Tillysche Truppen 1625 und 1630 in die Städte Halle und Magdeburg ein­fielen. Zahlreiche Einwohner der Dörfer und umliegenden Rittergüter suchten daraufhin in der Stadt Zuflucht, während diese sich bemühte, durch militä­rischen Schutz vor Plünderungen anderer Söldnertruppen gesichert zu sein, denn es plünderten und brandschatzten Freund und Feind und kein Bürger oder Bauer war mehr seines Hab und Gutes oder seines Lebens sicher. Die Schilderungen der Kriegsgreuel durch Augenzeugen, denen sich wehrlose Frauen, Kinder und Greise ausgesetzt sahen, sind dafür beredte Zeugnisse. Das Pflügen der Felder, das Reisen und der Transport wertvoller Güter waren nur noch unter militä­rischem Schutz und Geleit möglich. Eine der bedeutendsten Schlachten dieses Krieges fand im Jahre 1631 bei Brei­tenfeld statt. Sie bezog Teile des Territoriums des heutigen Kreises Delitzsch ein, so die Loberniederung im Raum Zschölkau-Rackwitz-Schladitz-Lössen. In dieser Schlacht wurden die kaiserlichen Truppen unter Wallenstein von den Schweden unter Gustav Adolf besiegt. Eine Folge dieses Gemetzels war die Überflutung der Stadt mit zahllosen Verwundeten. Außerdem nahmen die durch Delitzsch ziehenden schwedischen Truppen kein Ende. Der Durchzug dieser Truppen, die Einquartierung von Soldaten und die Unter­bringung der Verwundeten, aber auch der Zuzug vieler Menschen aus der Um gebung brachte die Stadt an die Grenze ihres räumlichen Fassungsvermögens. Auch eine Versorgung dieser vielen Menschen mit dem Notwendigsten war nicht mehr gewährleistet. Die Landbevölkerung war in die Städte geflüchtet und der Boden jahrein-jahraus nicht mehr bestellt worden. So gab es keine Ernteerträge und Hungersnöte kamen auf. Auch ansteckende Krankheiten wie Pocken, Fieber mit tödlichem Ausgang, die Pest in der Grünstraße und Ausbruch von Typhus suchten die Bevölkerung heim und führten zur stärksten Dezimierung der Einwohnerschaft seit über 300 Jahren. Zahlenmäßige Vergleiche weisen nach, daß 1643 gegenüber 1602 nur noch 15,3 °„u der ehemaligen Bewohner existierten. Viele Tote konnten nicht mehr registriert werden und ganze Familien starben aus. Im Jahre 1630 wurde deshalb der Friedhof an der Marienkirche durch Landaufkauf erweitert, um den Toten eine letzte Ruhestätte zu schaffen. Als das schlimmste Jahr des Krieges für die Stadt wird in der Chronik das Jahr 1637 genannt. Die Neustadt, der Stadtteil zwischen Roßplatz-Bitterfelder Straße­Schäfergraben, Marienkirchhof-Stakenweg-Karl-Liebknecht-Straße, die nur durch Gräben und Palisaden geschützt war, wurde von 4000 schwedischen Rei­tern angegriffen,, die Häuser, Scheunen und Mühlen in Brand steckten und Schäden verursachten, die erst im 19. Jahrhundert wieder voll ausgeglichen waren.
Im Jahre 1642 fand erneut eine Schlacht bei Breitenfeld zwischen dem schwe­dischen Heer unter dem neuen Befehlshaber Torstenson und dem kaiserlichen Heer unter Piccolomini statt, in der das kaiserliche Heer wieder geschlagen wurde. Auch diese Schlacht brachte der Stadt starken Zuzug von Bewohnern aus den umliegenden Dörfern. Mehrere Kontributionen mußten in, Form von Naturalien an die Sieger geliefert werden und die Stadt sah sich deshalb ge­zwungen,ihre Ratsdörfer zu verpfänden. Obwohl bereits 1643 Friedensverhandlungen in Münster in Westfalen begonnen hatten, kam es zu keiner Einigung, vielmehr wurde vor allem das darauffolgende Jahr wieder ein schweres für die Stadt, weil ständig schwedische Besatzung auf­genommen werden mußte. Um die Stadt in ihrer Wehrhaftigkeit zu schädigen, wurden damals unter Torstensons Besatzung die Befestigungen am Schloß und die Bastionen der Stadtmauer niedergelegt. Ein separater 1/2-jähriger Waffenstillstand zwischen Sachsen und Schweden in Kötzschenbroda führte 1645 zu einer ersten Beruhigung der kriegerischen Ereig­nisse. Der Bevölkerung brachte dies aber noch keine Erholung. Auch als das eigentliche Friedensdekret Ende des Jahres 1648 verlesen wurde, war der Friede nicht sicher. Noch für Jahre blieb die schwedische Besatzung in deutschen Landen. Delitzsch mußte sich nicht nur mit 400 Talern an den Kriegs­kontributionen beteiligen, sondern eine schwedische Kompagnie aufnehmen und deren Verpflegungsgeld aufbringen. Es waren nur noch 145 bewohnbare Häuser gegenüber 394 vor dem Krieg vor­handen. Es dauerte Jahrzehnte, bis die ungeheuren Schäden wenigstens teilweise beseitigt waren. Einen angemessenen Wohlstand unter der Bevölkerung wie vor Ausbruch des Krieges gab es allerdings über Jahrhunderte nicht wieder. So jedenfalls schätzte es der Chronist Lehmann ein. Die Weiterführung der Chronik bis zum Jahre 1701 verdeutlicht dies anschaulich.
Christel Moltrecht


 1600
Mg. Andreas Fischer und Johann Barth, (Sohn des vormaligen Diakon Matthias Barth, geboren am 30. Juni 1575 und seit 1595 Student der Theologie in Wittenberg) kamen an die Stelle des Rektors Mr. Johann Stoie, und dritten Schullehrers Andreas Fischer, welchen man in den Rat zog. Die Stadt verlor den Stoie ungern, denn er war einer der Aus­gezeichnetsten, dessen Schüler in höheren Instituten Aufsehen machten, und sein Andenken in Ehren hielten. So erinnerte sich der berühmt gewordene Leipziger Theologe Dr. Heinrich Höpfner noch in den späten Lebensjahren mit Vergnügen des sechsjährigen Unterrichts dieses from­men, gelehrten Mannes, wie er ihn nannte, und der Mr. Hieronymus Heidenreich, hiesiger Konrektor, bekannt durch sein Lobgedicht auf die Stadt: Delitia Delitiarum, sprach sich über ihn mit nicht minderer Ach­tung und Liebe aus. Der ihm im Schulamte folgende Mr. Fischer, ein Sohn des 1591 gestorbenen Bürgermeisters Johann Fischer, geboren am 13. Juli 1568, verdankte der Pforte und Leipzig seine gelehrte Bildung und erlangte daselbst 1693 das Magisterium. Die bösartige Dysenterie, welche sich erst im Mai dieses Jahres beru­higte, ergriff noch die Familie des Diakon Drommer, und er selbst ward, nachdem ihm sein Sohn und die Gattin Eva vorangegangen, am 4. Ok­tober ihr Opfer. Der Landgraf Moritz zu Hessen übernachtete auf dem Schloß, und ward vom Amtmann bewirtet. Mehrere von den Bürgern zur Tafel gegebene zinnerne Gefäße kamen weg und der Rat zahlte, weil der Amtmann den Ersatz verweigerte. Der neue Superintendent Mr. Abraham Suarinus hielt am 4. April die Probepredigt, zog am 29. Mai an, und ward von dem Leipziger Super­intendenten Dr. Georg Weinrich eingewiesen. Heinrich Weißand, ein Apotheker aus Halle, erlangte das Bürgerrecht. Am 21. Mai starb Nicolaus Fritzsche, Ratsherr seit 1583 und Kämmerer. Seine Söhne, Johannes und Nicolaus, studierten von 1593 ab in Leipzig und erlangte Johannes 1601 das Baccalaureat der Philosophie daselbst. Die von Kattersnaundorf wollten sich am Kratzenpfuhle auf Weißiger Mark Hutung und Trift anmaßen, wurden aber nach Besichtigung am 28. Mai zurückgewiesen. Thomas Sparmann in Werben, den man wegen Gotteslästerung und Tumult mit Gefängnis bestraft hatte, erhing sich an einer Leiter im Hause seiner Mutter. Am 2. Juli erregten die Edelleute Leonhard und Hans Gebrüder von Scheidingen auf Wölkau, Otto von Gröpzig mit anderen nach gehaltenem Adelstanze Tumult, fuhren schnell auf den Straßen, schossen in der Stadt, besonders vor dem Hause des Bürgermeisters Gewehre ab, öff­neten mit Gewalt das Tor und beschädigten mehrere Bürger. Der Rat führte deshalb bei dem Administrator Beschwerde, und dieser befahl nach Berichterstattung der zur Untersuchung beauftragten Kommissarien, Hans George von Ponikau und hiesigen Amtsschössers, ihre Bestrickung. Man verglich sich aber durch Vermittlung des Otto von Scheidingen, Otto Spiegels zu Badrina, Otto von Maschwitz auf Lissa, Vollhard Rauchhaupts auf Hohenthurm, und gab die Beschädiger gegen Zahlung der Arztlöhne, Kostenversäumnisse und auf handschlägliche Zusicherung, sich künftig dergleichen Zunötigungen zu enthalten, wieder frei. Die Schützen empfingen zu ihrem Vorteile 7 Schock. Am 3. Dezember, nachmittags 2 Uhr, starb der Archidiakon Peter Pla­nitz am Schlage, der ihn bei dem Leichenbegängnisse der Tochter des Fabian Döring auf der Straße getroffen hatte. Er war 50 Jahre, hier 45 Jahre im Amte. Die Zwinger wurden auch in diesem Jahre mit viel jungen Obst­bäumen und Reben besetzt; der Rat brachte die Ausgaben, sogar für Abnahme des Obstes in Rechnung, welches lange nachher erst gerügt und abgeändert wurde. Einige Landsknechte, die in der Stadt herbergen wollten, fertigte man zu Verhütung allerlei Unglücks mit 24 Groschen ab. Auch gab man sechs armen Studenten, denen man das Umsingen nicht gestattete, ein Viaticum. Die Ziegelscheune lieferte 120 650 Steine. Aus der Fischerei des Grabens nahm man 20 Schock 30 Gr., 112 Eimer Wein und 813 Eimer Torgauisches Bier wurden im Ratskeller abgesetzt und vom Weine 350 Schocke, vom Biere 633 Schocke in Rechnung gebracht. Der Scheffel Weizen galt 23, Roggen 20, geringe Wintergerste 8, Hafer 8 Groschen, die Kanne Torgauisches Bier 9 Pfennige. Damit man aber wisse, wie weit man rechtlich bei Zunötigungen gehen und eingreifen dürfe, erbat man sich vom Administrator eine Verord­nung, welche auch im folgenden Jahre gegeben ward.


1601
Die Diakonenstellen wurden mit Eingebornen, die erste mit dem Mr. Balthasar Franke, die zweite mit Veit Börner besetzt. Franke verehelichte sich am 20. Oktober mit Sibylla, der Tochter des Bürgermeisters George Wend und empfing vom Rate 15 Taler und 16 Kannen Wein Hochzeits­geschenk. Börner, der Sohn des Bürgers Daniel Börner, geboren am 14. Juni 1565 und von 1586 Student in Leipzig, hatte das hiesige Friedericische Stipendium von 25 Gulden und war seit 1594 Prediger bei der deutschen Gemeinde in Stockholm, wo er 1598 der Herzogin von Meck­lenburg, Elisabeth, Gedächtnispredigt hielt, die in Rostock im Druck er­schien, wegen freimütiger Äußerungen über die Unzuverläßigkeit der Fürsten Aufsehen machte und gesuchet ward. Andreas Wald aus Quering, stach am 25. Januar beim Weggang aus der Stadt dem Bauer Michael Kirchhof aus Roitzsch ein Auge aus. Er ward, als es durch Zeugenaussage feststand, daß er trunken gewesen, in Arztlohn, Versäumniskosten, Zehrung verurteilt und mußte das verletzte Auge dem Beschädigten mit 50 Gulden verbüßen. Ein Schafknecht Peter Bürger, bei dem Amte wegen Diebstahls in Untersuchung, ward am 6. Februar vormittags 9 Uhr mit dem Strange hingerichtet. In Gertitz fand sich am 6. März' in der Backstube des Gutsbesitzers Martin Pötzsch ein weggesetztes, in Betten gewickeltes Kind von 8 bis 12 Wochen, welches der Rat einer Frau auf dem Gerberplan zur Er­ziehung gab. Man vermutete, daß das Kind einer jungen Weibsperson von Meißen, die ihrem Manne, einem Schneider Nitzsche im Anhal­tischen, nachgezogen und in Tornau bei Brehna niedergekommen, ange­höre, die dasige Wehmutter konnte aber nicht behaupten, daß es das von ihr in Tornau gehobene Kind sei und da das Kind bald starb, ward die Untersuchung eingestellt. Auch am 7. August fand man ein Kind am Kohltore, das aber bald an Krämpfen starb. Der Rat erhielt vom'Administrator die nachgesuchte, unterm 11. März erlassene Ordnung des Adelstanzes, auf Pergament geschrieben und mit dem Kanzleisecrete besiegelt, mit zwei Kopieen, deren eine den adelichen Vorstehern übergeben, die andere während des Tanzes auf dem Rathaussaal e an einer Kette befestiget, aufgehängt ward. Sie verursachte durch Abholung und Verehrungen an die Kanzlei einen Aufwand von 45 Talern und lautet wörtlich:
„Von Gottes gnaden wier Friedrich Wilhelm Hertzogk zu Sachsen Vormundt vndt der Chur Sachssen Administrator landgraff in Döringen vnde Marggraff zu Meissen, in Vormundschafft der Hochgebornen Fürsten vnserer freundtlichen lieben Jungen Vettern und Pflegesöhnen der Hertzogen zur Sachssen gebrüdern; Fuegen euch denen benachbarten vom Adell im Ampt Dölitzsch und anderen, so sich des adelichen Tantzes in der Stadt Dölitzsch, vff Petri Pauli-gebrauchenn, Kunth vndt zu wis­sen: Nachdeme vnß glaubwurdiger bericht ein und verbracht, Daß weil vber Menschengedenken die Ritterschafft im Ampt Dölitzsch beide Schrifft und Ambtsassen, auß sondern wohlmeinenden bedenken, einen ehrlichen, züchtigen adelichen Tantz in der Stadt Dölitzsch Jhärlichen vff Petri Pauli gehalten. dartzur dan der Rath daselbst auf nachbarlichen freundtlichen willen und tzuneigung der Ritterschaft sich hierinnen also bequemet, und gutwilligk betzeiget, daß ihnen das Rathauß doselbst tzu solchem tantz jedesmals drey tage langk eröffnet wirdt; Ob nuhn wohl diese Adeliche tzusammenkunfft, beneben ihren ehrenthugendsamen Frauentzimmer, besondern auch von. vielen frembden ortten ehrliche vom Adel, Frawen und Jungkfrauen antzukommen pflegen, und solches von den Vorfahrenden vom Adel tzur nichts anders, dan tzu erhaltung nachbarlichen freundlichen willens guetes vortrawlichen vornehmens vndt correspondents gemeinet, auff das im Jhahr dermahleins die benachbartem vndt Freunde tzusammen kommen, sich miteinander ersehen, freundlichen besprechen vndt in frohlichkeitt ergetzen mögen, Wan sich aber anjetzo durch die vngetzogene, freche vndt wilde Jugent, vff sol­chen Tantz vielfaltige vngelegenheit, durch Hader, tzangk, palgen, Spren­gen, Rennen, Schießen, und anderen dergleichen vnfugsamen beginnens (fast stetiges ereignen, Dahero sie auch niemandes, was alters und standes derselbe sei. auch des Frawentzimmers nicht verschonen, Sowohl gegen der Bürgerschafft vndt deren bestalte wache vil vnfugs anrichten und vornehmen, daraus künfftigk mordt und vngelick eruoigen könnte, Als haben wir tzu uorhuetung drauhenden gefahr vndt vnglücks, darauff nachfolgenden beuehlich und ordnung gethan, wie ein ieder sich vff solchen Tantz vndt anders nicht tzu uorhaltenn, hiermitt ernstlich beuehlende, das alle diejenigen, so sich dieses Adelichen Tantzes tzu gebrauchen in willens, Inhalts solcher ordnung vndt Satzung in allen Articuln und puncten, bei vormeidunge vnser vngnade, vndt der darin einuorleibten pöen vndt Straaffe, (die dan vff den tat ernstlich und vnnachläßigk von den Verbrechern eingebracht werden soll) gehorsam lieh ertzeigenn und vorhaltenn; Dieses gereicht tzu erhaltung dieses tantzes gebührliches Friedens vndt einigkeitt, tzu fortpflantzung Ade­lichen Wesens und thugent, euch auch selbesten tzu ehren, ruhm und bestenn. Darueber vier auch selbesten mit ernst tzu halten bedacht und entschlossen, Darnach sich ein jeder tzu richten, und vor vngnade, Straffe, Schaden und nachtheil tzu huetten. Volget die Ordnung.
Erstlichen, Es sit hiebeuorn bei diesem Tantz breuchlichen gewesen, daß die Platz­meistere, entweder den abend daruor, oder doch den Tagk Petri Pauli frue tzeitlichenn nach Dölitzsch sich begebenn, Ehrstlichen tzur Kirchen gegangen, und das Wort Gottes gehöret, Darnach der tzurkommenden Adelichen geselschafft erwartet, darbey sol es nochmals also beruhen, und bewendenn, Darmit vor allen Dingen dieser Tantz in der furcht Gottes angefangen, vndt also vollendet werde.
Vors Andere, Ehe man aber tzum tantze kömmt sei der Rath tzu eröffnung des Rat­hausses tzuuor freundlichen ersuchet werden, und sollen alsdann die anwesenden Jungkern und das Adeliche Frawenzimmer sich in der Platzmeister behausung vorsamlen, und mit dem Saitenspiel in gueter ordnung vff das Rathauß tzum Tantze gehen.
Vors Dritte, Weil auch hiebeuore das getrengk an Torgischen Bier jederzeidt aus des Raths tzu Dölitzsch keller genommen, Sal es hinfuro auch also gehalten, und dasselbe ehe dan denen vom Adel das Rathaus eröffnet, vndt also mit angehendem Tantz aus denen Ursachen, das sich die Zahlung hie­beuor von etzlichen tzu lange vortzogen, in billigem werth betzahlet werdenn.
Vors Vierte, Weil auch die Zusammenkunfft tzu anders nicht, dan tzu freundschafft, friedsamer einigkeit und frohlicher ergetzung gemeiner, So sei ein ieder, der mit einen andern ichtwas in vngutte zu schaffen hatte, solches an diesem ort nicht anten oder eyfern, Sondern bis zur anderer gelegenheit einstellen, Damit bei diesem Tantz vnglück vorhetet, Frawen und Jungk­frawen nicht erschreckt noch betruebet werden. Solle aber vber diese Vorwarnung iemandes so unbescheiden sein, aufbinden, einander aus­fordern, und sich mit bloßer wehre balgen, die sollen jeder fünf und zwantzigk gülden straaf vnnachläßigk entrichten, und vorfallen seinn.
Vors Fünffte, Weil auch den Platzmeistern die tzeidt vber des wehrendes tantzes viel vffgehet so hat die gantze geselschafft hiebeuorn sub dato den zwey und tzwantzigsten Junii Anno Sechs und Achtzigk vor gut geachtelt, und angesehen, vorwilliget, vorbriefet, und versiegelt, das ein ieder andert­halben thaler den Platzmeistern tzur steuer geben sei. Weyl aber den­selben bis anhero vbel nachgelebet, Sei ein ieder, der das seine nicht acht tage vor Petri Pauli richtigk machet, und den Platzmeistern tzu­schicket duppelte Anlage zu geben schuldigk sein, Er erscheine gleich uff den tantz, oder nicht.
Vors Sechste, Sol auch ein ieder im Tantzen sich tzuchtigk und sittlich halten, nicht mäntel abwerfen, lauffen noch schreiben, Frawen und Jungkfrawen auch nicht abreißen, oder sonsten unhöflich und vntzimblich gegen ihnen mit geberten oder reden sich gebahren oder ertzeigen, Sich auch nicht vordrehen, noch dergleichen vppigkeits beginnen, viel weniger auch einer den andern den Vortantz nehmen, oder sonsten am tantze ein­springen., oder anderer Leichtfertigkeit gegen den Frawentzimmer ge­brauchen, als mit Hauben abreißen, oder dergleichen.
Vors Siebende, Die Tantztzeitt vber, so wir hiebeuore drey tage gehalten worden, sol noch also gehalten werden, ihnen auch frey stehen, vfs Rathaus tzu gehen, so frue Sie wollen, Sollen aber lenger nicht, dan vmb acht vhr den abent tzue tantzen macht haben, Wurden auch die Spielleuthe deine tzue wieder vf dem Rathause sich lenger brauchen laben, dieselben sollen mit gefengnuß gestrafft, Die aber welche die Spielleuthe dartzur zwingenn und dringen, ieder drey Thaler vorfallen seinn.
Vors Achte, Weil auch die vom Adel ihre Herbergenn bei der Bürgerschafft haben müssen, Sei ein ieder sambt seinem gesinde gegen seinen Wirth sich beneben richtiger Zahlung freundlich, vnder ihnen selbest friedlich, gegen andere bescheidentlich und also ertzeigen, das vngelegeuheit ver­bleibe, Wurde aber dem Wirth zur clagen vrsach geben, Sei der vor­brecher fuenff thaler straff tzue geben, und do schaden geschehen, mit fenster ausschlagen, Ofen einwerfen, oder andere, tzue gelten schuldig sein.
Vors Neunde, Es pfleget auch die ungehaltene freche Jugent sich des nachts mit der Wache tzu ärgern, welche frieden tzu erhalten und vnglugk zu uorhueten angeordnet, derentwegen sol der, welcher die Wache anlauffen, und vorunruhigen wirdt, vngeacht er darueber tzue Vnglück keine, Zehen Thaler straaff vnnachlässigk abtragen, und erlegen, Welche vorgesetzten strafen alle in vnserer freundtlichen lieben Jungen Vettern und Pflege­söhne Rentkammer vorfallen und vnnachleßigk einbracht werden sol­len, doch dem Rathe an ihren habenden Gerichten, wan einer darnach verbrechen möchte, unschädlich.
Vors Zehende, Sintemahl auch an ietzo eine solche Verordnung und muthwill vnter knechten und Jungen ist, das sie fast die meiste Vnlust vf solchen und dergleichen Zusammenkünften antzurichten pflegenn, Do nuhn einer oder der ander in dießer Zusammenkunfft hader oder Zangk anrichten, oder sich mit vntzimblichen wortten vornehmen ließe, der sol alsobalde angenommen, zur Hafft gebracht und vier wochen mit gefengnus ge­strafft werden, der Jungker auch solches freuelers und muthwilligen Dieners sich nicht annehmen.
Vors Eilfte, Ob auch wohl nicht vormuthlich, das ein Adelich Ehrenthugentsames Frawenzimmer sich vngebuhrlich und vorweislich ertzeigen solte, den­noch aber, weyl es leider notorium und die erfahrung giebet, das sich auch tzue tzeidten, hin und wieder wilde, freche und vngeberdige Jungfrawen finden, Als sollen dieselben hiermit vorwarnet sein, ein ieder ehrlicher Vater und freundt seine Tochter und Freundin dahin ermah­nen und anhalten, das sie sich vf diesem tantz eingetzogenn, still und züchtigk vorhalten, Vnd allen vbelstand gentzlichen vormeiden, Mit den Mannespersohnen kein gereitz, zäcken und vberflüßig gewasch halten, und andern Adelichen, Ehrentugentsamen Frawenzimmer böse Exempel geben, und die liebe Jugent ärgern. Solte aber vber zuuorsicht eine oder die Andere sich vntzimblicher weiße ertzeigen, die wirdt und sei billich, wan kein vormahnen noch warnen helffen wolle, andern zur Abschew durch Gebührende mittel abgeschafft und nicht geduldet werden.
Vors Zwölfte, Die anwesenden vom Adel, die sich solches Tantzes gebraucht, sollen mit gueter bescheidenheit wiederumb abtzihen, alles rennen mit Kutzschen und pferden, vngewohnlichem geschrey, Schießens in der Stadt, und dergleichen vppigkeidt vermieden, Solte sich aber einer oder der ander des wiedrigen vnterfahen - So sollen alsobalde die Thör tzuge­schlagenn, die Verbrechern in Vorstrigkung genommen, und solches die hohe Obrigkeit vnderthenigst bericht werden.
Vors Dreitzehende, Schlißlichen und weil auch breuchlichen gewesen, Das man hiebeuorn den andern tagk in wehrenden tantz newe Platzmeistern geordenet, welchen man einen iedern durch eine Adeliche Ehrenthugendsame Jung­fraw ein Krantz oberreichen laßen, das volgende Jhar solchen tantz wiederumb tzuhalten und auszurichten, Als sol es ferner alß auch ge­halten werden, Vnd den Platzmeistern befreystehen, den andern oder dritten tagk abtzuziehenn, Jedoch welcher den andern tagk abzeucht, das er den dritten tagk vollends das getrencke den noch vorbleibenden vom Adel vorschaffe.
Zu vrkundt haben wier diese Ordnung mitt eigenen Handen vnderschriebenn und mitt vnseren Jungen Vettern anhangenden grösserm insigel wissendtlich besiegelt. Geschehen und geben zu Dreßden den eilfften Monatstagk Martii Nach Christi vnseres lieben Herrn und Selig­machers geburth im thausent sechs hundert vndt ehrstenn Jhare.
Friedrich Wilhelm Hz Sachssenn
David Peifer
D sst.
H Volhardt S."
Am 4. Februar starb der Ratsherr Andreas Fischer, am 21. März der Einwohner Hans Bayer, früher Hofmeister auf dem Rittergute Neuhaus, im 102. Lebensjahr, und am 20. Juli der Amtsschreiber Matthias Pirner. Ein Landsknecht, Elias Naumann, aus Cönnern, welcher ein Weib in Zschernitz erstochen hatte, ward am 13. Mai mit dem Schwerte, und Hans Rosenhain, aus Reideburg bei Halle, ein Dieb, am 11. September mit dem Strange hingerichtet. Am 23. September übergab der Herzog Friedrich Wilhelm, Administrator und seit dem Tode des Kurfürsten Johann Georg (1598) alleiniger Vor­mund, dem ältesten Sahne des verstorbenen Kurfürsten Christian, glei­chen Namens, welcher an diesem Tage das 19. Jahr antrat, mit der Re­gierung auch die noch über die jüngeren Geschwister zu führende Vor­mundschaft, und ging von Torgau, wo er bisher Hof gehalten, im Oktober nach Weimar zurück. Dem Kurfürsten Christian IL. huldigte am 18. und 19. November Amt und Stadt. Die Kommissarien waren Hans Löser aus Pretzsch, Domprobst zu Naumburg, Erzmarschall, Heinrich Abraham von Einsiedel, Geheimer Rat, Hans Friedrich von Schönberg, Hofrichter und Hauptmann zu Wit­tenberg, und Caspar von Schönberg aus Pulsritz, Hofrat zu Dresden, und kostete die Auslösung für drei Tage, den 17., 18. und 19. November der Stadt gegen 300 Taler. Man verbrauchte aber 12 Eimer diverse Weine (am Werte 148 Taler), 1 Kufe Torgauisches und 2 Faß hiesiges Bier, ein Schwein, 116 Pfund Rind-, 110 Pfund Schöps-, 103 Pfund Kalbfleisch, geräucherte Ochsenzungen, Kuheiter, 14 Gänse, 8 Kapaunen, 25 alte, 7 junge Hühner, 9 1/2 Schock Eier, 691/2 Pfund Karpfen, 461/2 Pfund Hecht, 43 Pfund Karauschen, Barse, Bratfische, 1/s Schock Brik­ken, 101/2 Schock kleine Vögel, für 18 Taler Gewürz und Honig, Konfect, Maronen, Borsdorfer und andere Apfel, Birnen pp., für 13 Taler Butter, Käse, Speck, Salz etc., für 14 Taler 17 Gr. Brod, Semmeln, Zwie­beln, Gurken, Gemüse pp., 3 Pfund Wachslicht, 1/Y Stein Unschlittlichte, 2 Fackeln pp. und gab mithin für diese Zeit einen nicht unansehnlichen Schmaus. Auf dem Landtage in Torgau vom B. bis 19. November waren von hier die Bürgermeister Gregor Kirchhof, George Wend, der Kämmerer David Holzmüller und der Stadtschreiber Richter. Der Kurfürst erließ der Landschaft die Weinsteuer, vom Eimer Rheinisch 10, vom Frankenwein 5 Groschen für dieses Jahr. Das Ratsstipendium hatte Paul Hintzsche, der Sohn des Ratsherren. gleichen Namens, geboren am 11. April 1582, welcher in Wittenberg Mathe­matik und Medizin studierte, später hier als praktischer Arzt lebte und 1627 in den Rat kam. Er schrieb die Kalender, welche in Halle bei Christoph Salfeld in Quart erschienen, und so beliebt waren, daß sie lange nach seinem (am 22. April 1633) erfolgten Tode auf seinem Namen fortgeführt wurden. In diesen Kalendern findet sich auch sein Bild im Holzschnitte mit der Umschrift: Paulus Hintzschius natur anno 1582 11. April. Deo et Proximo. Man gab einem Schieferdecker von Berlingeroda, Johann Brickmann, welcher von einem 109 Ellen hohen Kirchturm gestürzt war, und nur den rechten Arm gebrochen, auch darüber genügende Kundschaft hatte, und mehreren, der Religion wegen Vertriebenen Reisegeld. Der Scheffel Weizen galt 19, Roggen 20-18, Wintergerste 7, Hafer 6 Groschen. Zwei Diebe wurden gehängt.


1602
Es war Gewohnheit alter Zeit, daß die Viertelsmeister beim Ratswechsel den neuen Rat auf Mängel und Beschwerden aufmerksam machten, die man abgestellt wünschte, was früher mündlich, seit mehreren Jahren aber auch schriftlich geschah. Mit der Überschrift: Gravamina gemeiner Bürgerschaft übergab man nun auch in diesem Jahre (am 25. Januar) eine solche Schrift in 19 Sätzen, deren zweiter und elfter in Beziehung auf die Brauerei des Landsberger und den erhöhten Preis der Ziegel Anträge enthielt. Bei diesjähriger Überzählung der Häuser fanden sich 232 Brau- und andere Erben, überdies aber noch 35 unvererbte Miethäuser oder Mieten in der Stadt, in der Vorstadt aber 81 Häuser, 25 Mieten, 23 Scheunen (in früherer Zeit vererbte Wohnstätten), 15 Gerberwohnungen (auf dem Gerberplan), 5 Wohnstätten auf dem Damm und 1 im Ro­sentale. Am 14. Februar, abends sechs Uhr starb der Bürgermeister Christoph Jäger, seit 1558 Ratsherr, im 84. Lebensjahr, dessen Begräbnis wegen langer treuer Dienste mit 42 Talern aus der öffentlichen Kasse bestritten ward. Die Beleihung mit den Stadtgütern vom Kurfürsten Christian II. und die Bestätigung der Stadtprivilegien kostete gegen 72 Taler. Am 10. April starb der Kämmerer David Holzmüller, Ratsherr seit 1585. Alexander von Miltitz auf Schenkenberg, störte den Rat im Besitze der Loberfischerei bei dem Furte an der Schenkenberger Wiese nach der Stadt zu. Es war am 26. Mai Besichtigung und die Stadt blieb im Be­sitz. Matthäus Bunding in Gertitz, welcher unreines Schafvieh einbrachte, ward mit 2 1/2 Talern Strafe belegt. Sylvester Meyhe, ein Kriegshauptmann von Magdeburg, hatte mit seinen Gefährten im Amte Eilenburg Tumult erregt und war hierher nach Delitzsch gewichen. Auf Requisition des dasigen Amtsschössers Johann Winkler, sollte er ergriffen werden, der Rat nahm ihm aber nur ein Handgelöbnis ab, sich aus dem Hause nicht zu entfernen, und er ent­wich. Dieser böse, gefährliche Handel verursachte dem Rate, der bei höchster Ungnade und hoher Strafe den Entwichenen herbeischaffen sollte, schwere Kosten, ward aber durch vieles Rechten und Bitten bei dem Kurfürsten im folgenden Jahr begütiget, so daß man nicht mehr als 45 Taler Kosten an den Schösser zu Eilenburg zahlen durfte. Am 14. Dezember, abends zwischen 10 und 11 Uhr ging in der Witwe Berndtin Stalle, nach der Scheune gelegen, ein Feuer an, welches, weil der Hausmann (Türmer) unachtsam war und nicht gleich stürmte, schnell um sich griff. Es brannten drei Bürgerscheunen und die vier Getreide- und Heuscheunen des Rates mit allen Vorräten nieder, auch wurden zwei der Hilfeleistenden sehr geschädigt. Man entließ den Haus­mann Berthold des Dienstes, und der Bau der neuen Scheunen kostete dem Rate im folgenden Jahre 756 Taler 10 Gr. ohne das, was er aus seinen Vorräten gab. Der Arzt Andreas Montanus machte sich ansässig und ward Bürger. Der Scheffel Weizen galt 18 bis 16, Roggen 12, Wintergetreide 6, Hafer 7 Groschen. Der Rat hatte bei der Untersuchung seines Vorrates am 4. August d. J. bar 3048 Gulden, verwahrt in dem eisernen Kasten des Untergewölbes.


1603
Hans Weißig, ein Kürschner zu Murau in Steiermark ansässig, der Sohn eines hiesigen Messerschmieds gleichen Namens, mußte der Religion wegen sein Eigentum verkaufen, das Land verlassen und kam mit Weib und Kind hierher, wo er in Folge kurfürstlichen Befehls vom 4. Februar die Aufnahme und Unterstützung der vertriebenen Kärtner und Steier­märker betreffend, Bürger- und Meisterrecht unentgeltlich empfing. Der Rat verkaufte die Gerlitzer Laßfelder für 801 Gulden an die Wer­bener und 3 1/2 Hufe für 332 Gulden an Delitzscher Bürger. Zugleich belegte er die halbe Hufe Feld mit 20, die Wiese mit 10 und 8 Groschen Lehnware. An die Stelle des verabschiedeten Hausmannes und Musikus Berthold kam Matthias Bärtigen aus Löbejün. Seit einiger Zeit war man mit dem Amtsschösser in Düben wegen des Dübischen Werders zwistig, der ein Stück von 5 Ackern für das Amt in Anspruch nahm. Aus Ehre und Gehorsam (gegen den Kurfürsten und wahrscheinlich mit Rücksicht auf den Meyhischen Handel) trat man dieses Stück in diesem Jahre ab. Der Werder hielt bei der Ausmessung 293/4 Acker 20 Ruten, das abgeerntete Stück 51/2 Acker 65 Ruten. Beide Teile verrainten sich. Alexander von Miltitz auf Schenkenberg ließ die umzäunten Gärten bei Naundorf durchbrechen und in offenen Zeiten mit Vieh betreiben. In dem deshalb entstandenen Prozeße ver­glich man sich dahin, daß er das Hüten einstellte, der Rat jährlich dafür 8 Groschen zu geben versprach. Des Tischlers Andreas Hermann Witwe in der Kohlgasse hatte mit einem Tischlergesellen, der sie aber verließ, ein Kind gezeuget und dieses am 9. Mai in den Döbernitzischen Gerichten ausgesetzt. Nach dem Erkennt­nisse sollte sie ewig des Landes verwiesen werden, die Strafe ward aber auf Vorbitte guter Leute bis auf sechswöchentliches Gefängnis gemil­dert. Die Vogelstange auf dem Anger (Schießplatz), welche vor zwei Jah­ren ein heftiger Sturm niedergeworfen und zertrümmert hatte, ließ der Rat nicht aus Pflicht, sondern zu Erhaltung bürgerlicher Exekution unter hoffentlicher Genehmigung höherer Behörde mit einem Aufwand von 43 Talern 17 Groschen wieder aufrichten. Am 7. September, mittwochs, ward Dorothee Kyssin aus Landsberg, bei dem Amte in Untersuchung, mit dem Schwerte hingerichtet, und am 2. November der im Stadtgraben verunglückte Glaser Wilibald Walter aufgehoben. Der Rat. welchem der Stadtgraben mit dem Auswurf e, folglich auch das an diesem wachsende Holz gehörte, ließ die Erlen an dem Teile des Stadtgrabens, welcher vom hallischen Tore nach der Schloßmauer am Schießgraben hinfloß, schlagen, welches die Schützen nicht zugeben wollten und deshalb beim Amte Beschwerde führten. Der Rat-hatte aber verjährten Besitz und behielt das Holz. Am 11. Dezember starb Gregorius Fiedler, seit 1564 Amtsschösser, der aber schon beim Ablaufe vorigen Jahres wegen Schwäche des Alters abgegangen war. Er hinterließ an meistens ererbten Gütern das Haus Nr. 2 des ersten Viertels, 2 Hufen im Oberland, Wiesen, drei Scheunen und für seine Zeit eine nicht unbedeutende Bibliothek, welche dem ein­zigen Sohne, Balthasar, hiesigem Notare und praktischen Juristen, im Erbe zufiel. Seine Rechtlichkeit schützte die Stadt oft gegen die mut­willigen, verwegenen Eingriffe der Nachbarn, und der Rat hatte es zu rühmen, daß mancher weit aussehende Prozeß billig verglichen ward. An seine Stelle kam der bisherige Schösser in Leißnig, David Pfeffer. Wegen der Unruhen in Ungarn geschah ein Aufgebot der Bürgerschaft zur Ausrüstung und Heerfahrt. Der Scheffel Weizen galt 20, Roggen 13, Gerste und Hafer 7 Groschen.


1604
Elias Schmidt, eines Bürgers Sohn und ein Reiterjunge von Wölkau, welche am 17. Januar in Trunkenheit die Schüler beim Neujahres­singen störten und mit entblößter Wehr beschädigten, wurden auf ein Jahr verwiesen. Am 11. Februar verunglückte die Tochter des Schuhmischers Wicht, Barbara, im Wasser, und am 16. desselben Monats ward Simon Wasser­mann, Hutmann in Lissa, bei dem Amte in. Untersuchung, mit dem Schwerte hingerichtet. Der Bürgermeister George Wend, seit 32 Jahren Ratsherr, starb am 2. April und die Kämmereikasse hatte bei seinem Begräbnisse am 5. 45 Taler Aufwand. Am 27. April, nachmittags 1 Uhr, brach in der Wolkensteiner Gasse der Stadt Annaberg bei einem Uhrmacher Feuer aus und griff so um sich, daß nach wenigen Stunden nichts als die Kirche mit 12 Häusern übrig war. Die Verunglückten erhielten vom hiesigen Rate 56 Gülden 16 Gr. 9 Pf. und 106 Gulden 10 Gr. von dem Superintendenten in den Kirchen­büchsen gesammelte milde Beiträge nach des Rates in Annaberg darüber gestellten Quittung. Wegen Fährlichkeit der Zeiten und gedrohter Feu­ersgefahr mußte auf kurfürstlichen Befehl die Tage- und Nacht-wache durch die Bürgerschaft selbst versehen werden. Es ward bekannt„ daß bei Lucas Heiner im Rosenta1e, verdächtige Leute herbergten, Vieh stählen, verzehrten und verkauften. Die dahin geschickten Fronen trafen auch einen fremden Fleischerknecht Schmidt aus Eisenberg und es ergab sich in der Untersuchung, daß dieser Vieh eingefangen, geschlachtet, die Heinerin es teils verzehrt, teils verkauft und nicht nur mit diesem Schmidt, sondern auch mit dem vorigen, aus­getretenen Ratsfron, Michael Bretschneider, einem Ehemann und dem gleichfalls flüchtig gewordenen Nachbar Hans Hempel, Ehebruch ge­trieben hatte. Bretschneider ward in Merseburg ergriffen und auf Ge­ständnis am 22. Junius mit dem Schwerte hingerichtet; Schmidt an dem­selben' Tage zur Staupe geschlagen und verwiesen, die Todesstrafe der Heinerin aber, weil sie sich von dem Schmidt schwanger befand, erst im künftigen Jahr nach ihrer Niederkunft vollzogen. Auch das Amt hatte mehrere peinliche Untersuchungen, und ward am 15. August Christiane Heuber von Regelitz mit dem Schwerte, Stephan Frauendorf, Ursula Hessin und Walpurgis Berger mit dem Strange, am 5. September aber Agnes Mauer mit dem Rade bestraft. Am 24. August starb Otto Spiegel auf Neuhaus und fand am 27. in dem Erbbegräbnisse der Spiegel in hiesiger Stadtkirche sein Grab. Im Spätherbste starben in kurzer Zeit 126 Rinder, meistens die, welche der Dammhirte vor dem hallischen Tore auf einem Platze, wo auswärts gekauftes, wahrscheinlich angestecktes Fleischervieh gelegen, gehütet hatte. Auf Anordnung des Rates mußten tiefe Gruben gegraben und das Vieh ohne Ablederung sorgfältig verscharrt werden. Es erschien eine Karte, ein Pasquill in Versen auf die vornehmsten Männer, Frauen und Jungfrauen hiesiger Stadt. Man hielt den Studen­ten Nicolaus Döring, des verstorbenen Pfarrers in Brinnis, Christoph Döring Sohn für den Verfasser, verlangte auch von dem Konsil in Leip­zig seine Abhörung, unterließ aber eine ordentliche Klage, auf die man von daher verwies und beruhigte sich. Den auf Gerlitzer Mark mit der Lauischen Herde gepfändeten Hutmann aus Laue strafte man mit 30 Groschen ab. Das Stipendium des Rates hatte Elias Fischer, der Sohn des vormaligen Ratherren Johann Fischer, geboren 1585, welcher in Leipzig die Rechte studierte, 1622 Schösser des von Wrather auf Wrathershausen und von 1638 ab hier Ratsherr ward. Für 2 Pferde zahlte man 108 Taler oder 43 Schock 12 Groschen. Der Scheffel Weizen galt 16, Roggen 10 1/2 Wintergerste 6, Hafer 10 1/2 Groschen.


1605
Die Ehefrau des Urban Jost ertrank am 15. Februar und ward in der Stille begraben. Der Rat ließ die Statuten der Stadt durch den Doktor der Rechte, Jakob Schulze in Leipzig, durchsehen, mit dem allgemeinen und sächsischen Rechte einstimmen'und so ordnen, daß sie dem Kurfürsten zur Bestäti­gung übergeben werden konnten, für welche Geschäfte man ihm ein Honorar von 10 Talern 12 Groschen gab. An dem im Mai ausgeschriebenen, vom 9. bis 24. Juni dauernden Land­tage in Torgau nahmen die Bürgermeister Gregorius Kirchhof und Wolf­gang Holzmüller, der Ratsherr Mr. Andreas Fischer und der Stadtschrei­ber Mr. Richter teil. Hauptgegenstand 'war der Krieg in Ungarn, die bedrohte Stellung des Protestantismus und die Verwilligung einer doppelten Tranksteuer auf die nächsten 6 Jahre. Man. hatte die Absicht, am Rathaus einen Turm mit Wendeltreppe und Stuben, dem Leipziger ähnlich, aufzuführen, ließ auch durch den Leipziger Ratsbaumeister einen Riß fertigen, den man mit 17 Talern bezahlte, der Bau unterblieb aber, weil die Folgezeit mit ihren übermäßigen La­sten Unternehmungen der Art nicht mehr günstig war. Christoph von Crostewitz, der Sohn des Wolfgang von Crostewitz auf Lemsel, welcher nach dem Adelstanz am 30. Juni, des nachts mit einem Reiter das Torwärterhaus am breiten Tore anfiel, mit Gewalt öffnete, des Torwärters Weib mit bloßer Wehr ausjagte, die Schlösser am Tore abzuschlagen suchte, die Wache anrennte und mit Worten be­leidigte, kam in Haft und nur auf gütliche Verhandlung mit dessen Vater, der 50 Taler Schadenersatz und Kosten zahlte, wieder los. Die Viertelsmeister erinnerten an die lange Zeit unterbliebene Besichtigung der Grenzen des Stadtgebietes und sie vorzubereiten nahm am 3. September ein Landmesser der Stadt Weichbild auf. Der Scheffel Weizen galt 16-17 ½ , Roggen 10-11, Wintergerste 6 Groschen.


1606
Ein heftiger Sturm am 17. März riß Gebäude nieder und zerstörte die meisten Dächer, daher man fast alle öffentlichen Gebäude mit nicht geringen Kosten bessern ließ. Auch brannten durch Zündung des Blitzes am 6. Juni, mittags zwischen 11 und 12 Uhr in der Vorstadt 8 Scheunen nieder. Mit Alexander von Miltitz auf Schenkenberg, welcher die Gerichtsbar­keit über eine Wiese bei Benndorf verlangte, hatte man neuen Streit und `am 18. Juni kommissarische. Besichtigung. Am 30. Juni, nachmittags gegen 4 Uhr bei dem Adelstanze ward der Schlesier Brandanus von Zedlitz von Heinrich von Starschedel auf Kleberg vor dem breiten Tore im Duell erstochen. Die Freunde des Ermordeten besorgten Begräbnis, bezahlten dem Rate die Kosten und lösten das Heergerät mit 70 Talern, der Mörder entkam. Am 1. August untersuchte man die Lobergebrechen und am 15. Septem­ber die Grenzen des Stadtgebietes, welches seit 1569 nicht geschehen war. Bisher überließ man bei Adelstänzen und Wirtschaften (Hochzeiten) den Gästen auch die große Ratsstube, welche dabei nicht selten Beschädigungen erlitt. Diesen zu entgehen, kam man auf die Idee eines Turmes, in welchem, wie in Leipzig, Treppe und Stuben zu diesem Zwecke angebracht werden sollten, mit welchem Baue man sich jedoch wegen bedenklicher Zeit vor der Hand nicht bloß geben wollte. Es blieb also bei einem massiven Anbau gegen-den Markt, welchen der hiesige Maurer Jakob Gemeiner, unten mit überwölbter Treppe, in der 1. Etage mit einer geräumigen Stube in den Sommermonaten dieses Jahres auf­führte. Dieser Bau kostete ohne Material für dieses Jahr 188 Taler. Die Stube überließ man 1705 bei Einführung der Accise dem Accispersonal zur Einnahme, das Ganze aber ward im Jahre 1796, als man die Acciseinnahme in das neugebauete Hintergebäude verlegte und die Treppe innen anbrachte, niedergerissen. In der seit 1597 anhängigen Rechtssache der Stadt gegen die Gebrüder von Scheidingen auf Wölkau wegen der Hutung auf Kertitz Mark kam ein Endurteil, welches die Gegner im Quasiposeß ließ und die zu einer bedeutenden Höhe anwachsenden Kosten kompensierte. Georg Winkler in der Vorstadt fing an zu herbergen und auszuspan­nen, welches ihm der Rat bei 20 Talern Strafe verbot. Schon die Vorbe­sitzer, die Geritze, hatten Versuche gemacht, waren aber jedes Mal auf Beschwerde der Gasthofsbesitzer in der Stadt vom Rate gehindert wor­den. Jetzt appellierte er gegen das Verbot des Rates, erlangte aber bald nachher wie es scheint mit dessen Zustimmung das Gesuchte und sein Haus ward der Gasthof zum weißen Rosse, wie er noch heute bezeichnet ist. Der Rat bestand darauf, daß der. schlag des Rindes nicht mehr von Einzelnen der Reihe nach geschehen und dieser Artikel in der Innungs­urkunde wegen Mißbrauchs gestrichen werden sollte, man ließ ihn aber durch Vergleich bestehen und bestrafte von nun den verschuldeten Mangel an tüchtigem Fleische mit 10 Gulden, die man unnachsichtlich beitrieb. Das auf den Hallischen Turm beschaffte Uhrwerk übergab man dem Schlosser Hans Pak, dem Jüngeren zur Besorgung. George Hartmann, ein junger Bürger, welcher bei einer Hochzeit Rake­ten unter die Frauen warf, ward mit einem und einem halben Tage Gefängnis in der Lauke, Jakob Lange, ein Bürgerssohn, wegen Gotteslästerung mit dem Halseisen und ein Höke, der unter dem Wische kaufte, nach der Willkür der Stadt mit 10 Groschen 6 Pfennigen bestraft. Auch strafte man den Bürger Benjamin Richter, welcher ohne Vorwis­sen des Rates Hausgenossen eingenommen hatte, die Flachs am Ofen dörrten, durch dessen Entzündung Lärm entstand mit 2, den Schäfer des von Miltitz auf Schenkenberg Gregor Mebus aber, welcher mit der Herde auf Gertitzer Flur, wo er kein Recht hatte, hütete und sich dem Flurschützen, welcher ihn pfänden wollte, widersetzte, ihn sogar in Gemeinschaft seines Sohnes und Lämmerknechtes mit Knütteln und Steinen warf, daß er, wenn ihn nicht Gertitzer Bauern retteten, auf dem Platze geblieben wäre, mit 4 Schocken 16 Groschen, geschärfter als ge­wöhnlich wegen der Mißhandlung. Der Sohn des Ratsherren David Buße, Esaias Buße, geboren am 6. Julius 1581, erlangte in Leipzig, wo. er Theologie studierte, das Magisterium und empfing von hiesigem Rate 7 Taler Geschenk. Er hielt 1610 in der Paulinerkirche zu Leipzig die Fastnachtsrede, ward 1612 Pfarrer in Ra­defeld und 1622 in Wölkau, Eilenburger Diöces, wo er 1637 am Nervenfieber starb. Die Schäferei war seit 1602 an den Schafmeister Thomas Fritzsche für jährlich 200 Gulden verpachtet. Der Scheffel Weizen galt 15, Roggen 11, Wintergerste 5 Groschen.


1607
Am 9. März starb der Bürgermeister Mr. Johann Stoye und ward am 11. altem Brauche nach von gemeiner Stadt Vorrate ehrlich zur Erde bestattet. Das Begräbnis kostete der Kasse 42 Taler. Der alte Brauch war, daß man sämtliche Ratsmitglieder, auch Schuldiener mit Trauerbinden von Kartek, die Ratsdiener mit Zindel versah, neuerlich kamen aber nicht nur Trauerbinden für den Amtsschösser und die Geistlichen, son­dern auch noch folgende Ausgaben, 3 Taler dem Superintendenten für die Leichenpredigt, 3 Taler den beiden Diakonen und Pfarrer in Benn­dorf und 3 Taler den Schülern hinzu, was eine Erhöhung der Ausgabe verursachte, die in der beschwerlichen Gegenwart höchsten Orts miß­fällig bemerkt und 1611 abgestellt ward. Auch starb der Kämmerer Urban Richter, seit 1588 Ratsherr, am 11. April. Am dritten Mai ward ein französischer Edelmann Antonius de Bugoy von Moritz Dietrich v. Starschedel zu Kleberg bei Zschepen im Duell erstochen und am fünften auf dem Kirchhofs daselbst begraben. Donnerstags nach Pfingsten, am 28. Mai zerschlug ein Hagelwetter von Mitternacht her alles Getreide auf dem Felde und die meisten Fenster mitternachtswärts in der Stadt. Es war überhaupt ein nasses Jahr, Miß­wachs und Mangel. Den Notar Georg Blume von Halle, welcher den Rat in einer Schrift beschuldigte, daß er in einer Rechtssache aus Haß und willkürlich verfahren habe, widerlegte man auf der Stelle aus den Akten, bestrafte ihn mit Gefängnis in der Lauke und ließ ihn nur auf schriftlichen Urfrieden los. Der Hufschmidt George Winkler in der Vorstadt ward in der Ap­pellationsinstanz sachfällig und zahlte die ihm im vorigen Jahre wegen unbefugten Ausspannens und Herbergens aufgelegte Geldstrafe.
Zu Beaufsichtigung der Wochenmärkte setzte man einen Markt­meister, dem man wöchentlich 8 Groschen gab, wegen Unfleisses aber in diesem Jahre auch wieder entließ. Auf die Beschwerde des Rates zu Leipzig gegen die Eingriffe der um­liegenden Städte in die Stapelgerechtigkeit dieser Stadt befahl der Kurfürst, die Niederlage und den Stapel aller Seewaren zu Ballen, Lasten und Zentnern bei Vermeidung der Kaiserlichen Pön von 5 Mark lötigen Goldes einzustellen. Dieser Befehl traf hier den Kaufmann Gre­gorius Hochstetter, welcher sich von nun zwar der Niederlage enthielt, dagegen aber einen großartigen Getreidehandel anfing, in dem Anhäl­tischen Getreide aller Art zu 30, 40 und 50 Wispeln aufkaufte, aufschüt­tete, und in den Wochenmärkten wieder vertrieb. Weil hierdurch die Preise auf hiesigem Platze sanken, so wollte man den kurfürstlichen Be­fehl auch gegen diese Getreide-Aufhäufung als vermeintliche dem Leip­ziger Rechte nachteilige Stapelung geltend machen und verbot sie bei 100 Talern Strafe; er appellierte aber dagegen und erhielt vor der Hand so viel, daß er, bis der Rat bessere Rechte gegen ihn ausführe, im Be­sitze blieb. Weil der A d e 1 s t a n z in neuerer, Zeit und trotz der gegebenen Ordnung gewöhnlich mit Balgereien und Ausforderungen endete, die dem Rat viel Kosten verursachten, wie denn der peinliche Prozeß gegen den von Starschedel noch im Gange war, so suchte er bei dem Kurfürsten auf den Fall, daß dessen Aufhebung nicht zulässig, um strengere Befehle nach, die denn auch eingingen und Exzesse mit harten Pönen auch end­licher Auflösung solcher Zusammenkünfte ernstlich bedrohten. Einige Knaben von 13 bis 15 Jahren, Christian Arnold, ein Pfarrerssohn aus Bitterfeld, Johann Chemlin, Thomas Weiner, Clemens Schmidt und Benedict Binder, Kinder verstorbener Bürger, welche aus Häusern, die sie zum Teil nachts öffneten und von freistehenden Wagen Gerätschaf­ten entwendeten und an Einwohner verkauften, wurden nach eingehol­tem Erkenntnisse mit Stockschillingen bestraft, die Verweisung aber, welche dreien von ihnen zuerkannt war, wegen ihrer Jugend erlassen.  Margarethe, eine hinterlassene Tochter des vormaligen Einwohners Matthäus Korb in der Grünstraße, welche Kuren an Menschen und Vieh unternahm und vorgab, daß sie dabei eine Frau zu Rate zöge,. die ihr mittels eines Spiegels nicht nur den Grund der Krankheit, sondern auch das rechte Heilmittel entdecke, ward wegen dieses Betruges eingezogen und auf Geständnis des Landes ewig verwiesen. Philipp Ernst Graf zu Mansfeld, Amtshauptmann in Eilenburg, war am 9. November in Kommissionssache mit dem Rate von Grimma hier und empfing vom Rate einen Eimer Wein Verehrung. Wegen Sterbensgefahr wurden die Tore vom September bis November mit besonderen Wäch­tern besetzt, doch. starb hier nur ein armes Weib an der gefürchteten Krankheit, eine bösartige Seuche. Der Ausbau der neuen Stube des Rathauses kostete 83 Taler 20 Groschen. Der Scheffel Weizen galt 16, Roggen 11, Wintergerste 7 Groschen.


1608
Am 26. Februar starb der Stadtrichter Johann Stock, seit 1569 Ratsherr, im 84. Lebensjahr. Der Kaufmann Gregorius Hochstetter und Nicolaus Pfeil, welche mit dem Schlitten übermäßig schnell durch die Gassen fuhren und vor dem breiten Tore Unfug anrichteten, verbüßten es mit 5 Talern und Georg Hartmann, der bei einer Hochzeit als Narr gekleidet, eine Jungfrau zum Tanze auf das Rathaus führte, gab 42 Groschen Strafe. Am 26. April starb der Amtsschösser David Pfeffer, ein trefflicher Schiedsrichter im 45. Lebensjahr und ward am 29. nach gehaltener Leichpredigt des Superintendenten Suarinus (gedruckt in Leipzig) unter einem Schwibbogen des Gottesacker$ begraben. Er hinterließ seine Gat­tin Katharina, geboren 1570, vier in Oschatz erzeugte Söhne, Christian, Davis, Eusebius, Johannes und eine 1603 hier geborene Tochter Justina, über welche Kinder des Verstorbenen hier ansässiger Bruder, Matthäus Pfeffer. Gerichtsverwalter in Löbnitz, auch Döbernitz, die Vormund­schaft übernahm. Die Witwe verheiratete sich wieder mit dem Pacht­inhaber des Gutes Döbernitz und Laue, Philipp Jünger, erlebte aber nur an ihrem Sohn Eusebius und an der Tochter, welche sich 1620 mit dem Amtsschreiber und Notar Salomon Gerhard in Zwickau verehelichte, Freude. da sie den ältesten Sohn Christian, welcher als Studentin Hil­desheim zu den Jesuiten überging, zu enterben, David und Johannes, auch Studierende wegen ihrer Unarten im Testamente zurückzusetzen genötigt war. Auf Befehl des Kurfürsten vom 29. April mußten wegen der Unruhen in: Böhmen, wo sich bei Prag 20 000 zusammengerottet und Tätlichkeiten erlaubt hatten, 20 wohlgerüstete mit langen Spießen bewaffnete und mit Zehrung auf zwei Monate versehene Bürger zur Besatzung nach Dresden abgehen und am 12. Mai dort eintreffen. Hierauf sind 476 Täler 11 Gr. 6 Pf. verwendet worden und hat der Besitzer eines brauberechtigten Hauses 1 Taler, der Pfahlbürger 12 Groschen ausgebracht. Am 9. Juli erhielt der Rat einen schriftlichen Befehl des Kurfürsten und mit ihm die erste Einrichtung der L a n d w e h r. In Folge dieses Befehles kaufte der Rat von dem Bürger und Rohrschmiede Hans Sieben in Suhl 160 Stück Musketen mit zwei guten tüchtigen Hahnen versehenen Feuer­schlössern, Flaschen, Bandelieren, Gabeln und Kugelformen für 640 Gulden und gab sie den Bürgern zum Gebrauch. Die vor. dem Dr. Jakob Schulze entworfenen Statuten der Stadt wurden dem Kurfürsten durch Abgesandte des Rates zur Bestätigung übergeben. Dem Kaufmanne Gregorius Hochstetter untersagte eine kurfürstliche Verordnung Aufkauf und Aufschüttung des Getreides bei höchster Ungnade. Am 26. Dezember starb Peter Grosse, seit 1599 Ratsherr. Der Hausmann und Musikus Bärtigen wurde beurlaubt und an seine Stelle Christoph Neander von Schmiedeberg angenommen. In dem Scheuntor des Ratsherren Thornau am Graben fand man ein weggesetztes Kind, welches der Rat erziehen ließ. Der Scheffel Weizen galt 20, Roggen 16-20, Wintergerste 7 Groschen.


1609
Das Begräbnis des Bürgermeisters Gregorius Kirchhof (Ratsherr seit 1576), welcher am 1. Januar im 76. Lebensjahr starb, verursachte der Kämmerekasse abermals 55 1/2 Täler Traueraufwand. Am 23. Julius war Musterung der Bürgerschaft. Der Rat verwendete 12 Täler auf Feldzeichen von Zindel und Kartek und gab den fremden Hauptleuten, welche auf kurfürstlichen Befehl die Musterung mit ihm vollzogen, eine angemessene Auslösung. Daß die mit Abgaben überhäufte Bürgerschaft, welche sich zu diesem Dienste kleiden, rüsten, dabei versäumen, mußte, Schwierigkeiten erhoben, der Rat sie vorstellig machen werde, war natürlich, ebenso natürlich aber auch, daß die Regierung, unvermögend zu geben und zu erlassen, eine strengere Aufsicht auf Verwaltung des Kommunal-Vermögens für nötig fand, neben der möglichsten Benutzung der Hilfsquellen die größte Sparsamkeit zur Pflicht machte und nur dringliche Ausgaben hingehen ließ. Namentlich ver­langte sie die Abstellung des mit dem Erwerbe in keinem Verhältnisse stehenden Aufwandes auf den Marstall und die Ausleihung von 2000 Tälern vorrätigen Geldes, welches auch sofort den Bürgern gegen Sicher­heit auf Zins gegeben ward. Hinsichtlich des Marstalles (man hielt vier Pferde) hatte man zwar erhebliche Einreden, das Bedürfnis der Ökono­mie, die Straßenreinigung, Feuersgefahr, man versprach aber auch hier, so weit es leidlich, die verlangte Beschränkung. Überdies aber beschäftigte auch die Uberhandnahme schlechten Geldes, die wucherliche Aus­führung des inländischen, guten, dessen Wert von Tag zu Tag höher stieg, der nicht mehr zu bemächtigende Zudrang der Hausgenossen unge­wissen Erwerbes, übermäßiger, gesetzwidriger Aufwand bei Wirtschaf­ten, Kleiderpracht, Übermut und Auflehnung gegen Sitte und Sittlich­keit hauptsächlich der Jugend, die Amtstätigkeit des Rates auf eine ver­fängliche Art, wie es denn täglich sichtbarer ward, daß man einer lang gefürchteten Zeit der Heimsuchung stracks entgegen ging. Auf dem Landtage in Torgau, vom 3. bis 25. September, nahmen drei hiesige Ratsherren teil. Gegenstände der Beratung waren: besorg­licher Krieg, eine Polizeiordnung wegen übermäßiger Pracht, die Fort­dauer der doppelten Tranksteuer und die Erhöhung der Landsteuer um 2 Pfennige auf 6 Taler so, daß nun 10 Pfennige vom Schocke zu geben war. Zu den Schießübungen baute der Rat auf dem Anger ein neues Schützenhaus. Das Ratsstipendium hatte Tobias Echart, Student der Theologie in Wittenberg. Er war der Sohn eines hiesigen armen Braugesellen und Torwärters, Thomas Echart, geboren am 11. September 1586. Nach dem frühen Verluste seiner Eltern erzog ihn das Hospita1 als arme Waise, er tat sich aber in der Schule so hervor, daß er. bald vornehme Freunde fand, vom Rate mit Büchern unterstützt und 1603 der Pforte überlassen ward. Auch hier zählte man ihn zu den Vorzüglicheren, wie in Wittenberg, wohin der 1608 mit den besten Zeugnissen ging. Hier disputierte er 1611 unter Tilemann, unterrichtete-in den alten Sprachen. predigte und erlangte die Magisterwürde. Von 1614 ab war er Konrektor und Rektor der Schule zu Naumburg bis 1634, wo er, gerühmt, aber auch wegen seiner Geradheit angefeindet, das angetragene Pfarramt in Groß­jena und Zschellsitz übernahm und bis an seinen Tod unter großen Gefahren und harten Bedrängnissen des Krieges auf das Ehrenvollste ver­waltete. Er starb am 9. Mai 1652 mit dem Ruhme eines ausgezeichneten Philologen, tüchtigen Lehrers und ehrlichen Mannes, aber so arm, daß er kaum anständig begraben werden konnte. Der Scheffel Weizen galt 20-23, Roggen 16-20, Wintergerste 7 Groschen.


1610
Dem Sohne des verstorbenen Amtsschössers Pfeffer, David Pfeffer, welcher das Ratsstipendium nachsuchte, es aber nicht erhalten konnte, weil er im Bürgerrecht dieser Stadt nicht geboren war, gab man 4 Taler 9 Groschen aus der Kämmereikasse Unterstützung. Der Rat, welcher bei der Taufe des Sohnes Otto von Maschwitz auf Lissa und der Töchter des Otto Spiegel auf Neuhaus durch zwei Abgeordnete Patenstelle vertrat, verehrte bei der ersten 6 Dukaten dem Kinde, 3 Du­katen der Wöchnerin (auf das Bette), 1 Taler der Wehmutter, 10 Gro­schen der Wärterin; bei der zweiten 8 Reichstaler, jeder zu 30 Groschen (so hoch waren sie schon gestiegen) dem Kinde, 5 Reichstaler der Wöch­nerin, 24 Groschen der Wehmutter und 6 Groschen der Bedienung und ward diese Ausgabe nach altem Brauche in der Kämmerei-Rechnung verrechnet. Montags nach Misericordias Domini, den 23. April stieg der Lober plötz­lich zu einer außerordentlichen Höhe, schlug bei der Mühle über und verunreinigte das Wasser so, daß die Fische häufig starben und die Fischerei dieses Jahres geringen Nutzen gab. Am 26. Juni kaufte der Rat von den Gebrüdern Spiegel, Otto, Dietrich und Christian die Rittergüter Neuhaus Und Petersroda mit dazu gehö­rigen Dorfschaften Paupitzsch, Petersroda, Werbelin, Holzweißig und vier Pfarrleben für 31000 Gulden, zahlte auch 20 000 Gulden im Laufe dieses Jahres ab. Es gingen ihm 300 Gulden eine alte Schuld der Spiegel' an die Kommun, und 100 Gulden, welche die Stadt auf Spiegels Ver­bürgung dem Andreas Caspar von Ebeleben geliehen hatte, zugute, weil von diesem nichts zu erlangen war. Die Bürgerschaft hielt ein öffentliches Musketenschießen. Zacharias Eckart kaufte von der Kommun einen Raum hinter Paul Lehmanns Stalle am Mühldamme für 30 Gulden, welcher Raum spä­ter mit dem Lehmannischen Gehöfte, Num. 1 des vierten Viertels vereint ward. Die in diesem Jahre vorgenommene Räumung des Stadtgrabens kostete an Lohn 1170 Taler. Man gab den Arbeitern überdies 6 Faß Bier, Kovent, einen Wispel Roggen und das nötige Schlammgerät. Zu dieser Ausgabe nahm der Rat ein Darlehn von 1200 Gulden in Leipzig auf. Der Superintendent Suarinus, wahrscheinlich durch den von hier nach Altenburg gezogenen Rentmeister Hartmann zu der daselbst erledigten General-Superintendentur empfohlen, predigte am 28. September vor der fürstlichen Witwe, gefiel der Gemeinde und erhielt die Vocation. Er hatte schon vorher auf Veranlassung seines Freundes, des Dr. För­ster in Wittenberg, den er auf einer Erholungsreise besuchte, die theo­logische Doktorwürde daselbst gesucht, promovierte am 6. November und empfing durch Abgeordnete des Rates, welche auf seine Einladung bei der Promotion gegenwärtig waren, 43 Taler 18 Groschen Verehrung. Es verbreitete sich in den letzten Monaten des Jahres eine ansteckende Krankheit in der Umgegend. Man besetzte daher die Zugänge der Stadt mit Wächtern gegen den Andrang verdächtiger Personen, besonders von Halle her, doch zeigte sie sich schon im Dezember in der Grünstraße. Der Scheffel Weizen galt 29, Roggen 26, Wintergerste 8, Sommergerste 18 Groschen und wird dieser im Getreidehandel zum ersten Male gedacht.


1611
Die bei der Promotion des Suarinus und Strauch in. Wittenberg gegen­wärtigen Abgeordneten des Rates hatten Gelegenheit, Zeugen der unge­wöhnlichen geistigen Gaben zu sein, mit welcher der jugendliche Strauch in dem gelehrten Streite seine Ansprüche auf die gesuchte höchste Würde geltend machte und von dem Landsmann, Professor Erasmus Schmidt, der sie bewirtete, zu hören, welcher künftigen Stütze der Theologie er in diesem Würdigsten seiner Schüler entgegensah. In hohem Grade ein­genommen von seiner Persönlichkeit, war es kein Wunder, daß' man nach Suarinus Entsagung alles aufbot, den jungen allgeliebten Mann für hiesiges Amt zu gewinnen und es gelang durch Professor Schmidts Ein­reden und des Ober-Konsistoriums Begünstigung. Man verehrte ihm gleich bei seiner ersten Unterredung zehn Dukaten und fast ebensoviel bei Ahlegung der Probepredigt am 27. Januar, und Stadt und Diözes fühlte sich beglückt, als er ausgangs des Februar anzog und am 26. Juni , vom Dr. Weinrich investieret ward. Ein heftiger Sturm im Frühling stürzte und zerbrach die Vogelstange, die der Rat auf öffentliche Kosten wieder herstellen ließ. Der Rat hatte wieder zwei mit Aufwande verbundene Gevatterschaften bei Dietrich von Spiegel in Petersroda und des Stiftsrates von Magde­burg, Joachim von Randau, Hausfrau, welche hier in Hans Hildebrands Hause niederkam. Am 23. Juni starb der Kurfürst (Christian II.) an der Apoplexie und am 6. August hielt man sein Leichenbegängnis, wobei auf Trauer für das Ratspersonal 42 Taler verwendet ward. Die Huldigung: des neuen Kur­fürsten Johann Georg empfingen hier am 31. Oktober die Kommissarien Philipp Ernst Graf zu Mansfeld, Edler Herr zu Heldrungen, Otto von Dieskau auf Knauthain, Theodor Möstel, Doktor der Rechte und Bürger­meister zu Leipzig und Jakob Spieß, Amtsverwalter zu Pegau. Auf Befehl rüstete man einen Heerfahrtswagen und bestimmte eine Zahl zur Defension geeigneter Bürger, bereit zu dem Abgange auf den ersten Ruf. Am 30. August ward der im Amte gefänglich gehaltene Benedict Schumann mit dem Schwerte hingerichtet. Zacharias Stephan aus Lauchstädt, ein aus diesem Orte zum zweiten Male mit Verlust meineidiger Finger Verwiesener, stahl von neuem in Badrina und Pröttitz, ward hier ergriffen und zum Strange verurteilt, auf Vorbitte der Geistlichen mit dem Schwerte am Leben gestraft. Die Pest, denn dafür hielt man die bösartige Krankheit, welche sich am Ende des vorigen Jahres in der Grünstraße eingefunden, griff in diesem um sich, verbreitete sich trotz aller Vorsichtswachen in der Stadt, ward in den letzten Monaten gefährlicher und verursachte, daß die Zahl der Gestorbenen, in der Regel durchschnittlich gegen 100, auf 273 stieg. Ihr unterlag unter anderem am 5. November der Bürgermeister Mr. Johann Franz im 43. Lebensjahr mit vier Kindern und der Küster Elias Treitzsch, dessen Amt dem hiesigen Maler Johann Eberhard übertragen ward. Auf das Begräbnis des Bürgermeisters verwendete man aber nur 8 Taler 18 Gr. auf Trauer, weil ein größerer derartiger Aufwand höchsten Orts untersagt war. Dagegen verschrieb man in der Rechnung Ausgaben für Verwahrungs-Arznei und Räuchermittel, deren man sich wahrscheinlich bei den Ratssitzungen bediente und honorierte den Dok­tor und Professor der Arzneiwissenschaft Simon Landgraf in Leipzig, mit vier Talern für ein Regiment, wie man sich tempore pestis verhalten und präservieren soll. Christoph Marcus, Notar in Leipzig, welcher dem Rate die daselbst er­scheinenden Zeitungen schriftlich mitteilte, erhielt dafür 6 Taler 3 Gr. Jahreslohn. Der Weizen war in diesem Jahr sehr gering, unrein, der Scheffel Roggen aber galt 25, Wintergerste 8, Hafer 14 Groschen.


1612
Bei dem unter dem 17. Januar ausgeschriebenen vierzehntägigen Landtage in Torgau, vom B. März ab, waren drei Abgeordnete des Rats. Man verhandelte über Einrichtung der Defension, über verschiedene polizeiliche Einrichtungen, namentlich die Kleiderordnung und bewilligte ferner die erhöhte Steuer, weil sie unerläßlich war. Da bisher zu Unterhaltung der vier Marstallpferde nicht nur der erbaute Hafer, sondern noch für ansehnliche Summen angekaufter aufging, welches die revidierende Behörde rügte, so schaffte man zwei Pferde ab  und ersetzte sie im Notfalle durch Lohnfuhren. Heinrich von Starschedel verglich sich mit dem Rate in seiner Untersuchungssache (siehe 1606) und versprach 300 Gülden Kosten und 125 Taler Strafgeld zu zahlen, welchen Vergleich der Kurfürst genehmigte. Der Schuldner bezahlte aber erst auf Beschwerde im künftigen Jahre. George Nagel, ein armer alter Bürger, der sich in den Hopfgärten entleibte, ward aufgehoben und vom Scharfrichter bei dem Gerichte begraben. Gegen den Bürger, Jakob Hochüber, welcher aus angeborener Unart, Zanksucht, Haß und Rachgier wider den Rat anzeigte, daß er in den Jahren 1600, 1601 und 1602 mehr als 2000 Gülden Tranksteuer unter­schlagen habe, vor der Kommission aber nicht bewies, vielmehr aber überführt ward, daß er ein altes kassiertes Steuerregister, von dem das Siegel genommen, mit einem anderen Siegel des Rates bedruckt und so ein falsum begangen habe, wurde auf Erkenntnis des Schöppenstuhles die Untersuchung eingeleitet. Auch zog man von Gregorius Hochstetter, der von neuem zum Schaden der Wochenmärkte den Getreidehandel im Großen trieb, hauptsächlich auf Betrieb des benachbarten Adels die verwirkte Strafe der 100 Gülden ein und bedrohte ihn, auf den Wiederholungsfall mit der Verdoppelung. Seine Appellation ward zwar nicht angenommen, er brachte aber eine Kommission aus. Das Getreide auf dem Sande, auf Werben- und Gertitz-Mark ward kurz vor der Ernte vom Hagel niedergeschlagen. Die Schäferei, welche man im vorigen Jahre an den gewesenen Schafmeister zu Berndorf, Simon Weydiger, aufs Sechste eingetan hatte und aus 632 Stücken, 200 alten Schafen, 75 Zeitschafen, 41 alten Ham­meln, 92 Zeithammeln, 115 Kälberjährlingen, 108 alten Hammeln bestand, brachte in diesem Jahre 458 Taler 6 Gr. 6 Pf. und nach Abzug der Ab­gabe an das Amt und des Aufwandes von 348 Talern 19 Gr. -, 109 Taler 11 Gr. 6 Pf. reinen Gewinn. Hans Focke von Gertitz ward am 7. Dezember nahe dem großen Schütze im Stadtgraben tot gefunden und in der Stille begraben. Zwei Tagelöh­ner, Hans Rothe und Jakob Herrmann, bösen Rufes, hatten ihn, wie sich später ergab, abends vorher hineingestürzt und umgebracht. Die ansteckende Krankheit war zwar in diesem Jahre weniger heftig, doch starben 50 Personen über die gewöhnliche Zahl. Der Scheffel Weizen galt 31 1/2, Roggen 27, Wintergerste 10, Hafer 13 Groschen.


1613
Der Raum an der Mauer vom Pfarrhofe nach der Pforte, welchen man den Tuchmachern zu einem Rähmen auf Widerruf gegeben hatte, diese aber wenig benutzten, überließ man dem Superintendenten zu einem Wege nach der Pforte, auch legte man aus dem Hälter des Pfarr­hofes eine Wasserableitung von 14 Röhren in den Stadtgraben und ver­wandelte zu Besserung der Stelle das herabgekommene Pfarrholz in Wiese, die größeren Nutzen gab. Der gewesene Schösser in Löbnitz, Benedict Koch, verehelichte sich mit der Witwe des Bürgermeisters Stoye, ward Bürger und übernahm dessen hinterlassenes Haus. Die ergangene Kleiderordnung befolgte man streng, strafte Jung­frauen, die mit goldenen Kränzen zur Kirche gingen mit fünf Talern und der. Kürschner Zachäus Kohl, welcher am Mantel Aufschläge von Samt und . breite seidene Borten trug, mit dem Bürgergehorsam. Gregorius Hochstetter erhob, nachdem die Kommission in seiner Sache Bericht erstattet hatte, gegen den Adel und Rat Klage ex lege diffamari bei dem Appellationsgericht. Am 9. Juli fiel des Kürschners Andreas Friedrich Witwe, Elisabeth, vor dem Hallischen Pförtchen, wo sie Wasser schöpfen wollte, in den Graben und war tot, als auf ihren Ruf Hilfe kam. Man bestrafte den ledigen David Bricht, welcher mit der Tochter des Martin Albrecht, Sabine, bei hellem Tage hinter der Mauer Unzucht trieb, mit vierzehntätigem Gefängnis, das Mädchen aber entfernte sich freiwillig. Der Handarbeiter Jakob Herrmann, ein verdächtiger Betrüger, Dieb und Ehebrecher, trat aus, ward aber in Giebichenstein gefunden, einge­bracht und gestand in der ihm zuerkannten Tortur nicht nur mehrere Diebereien und Ehebrüche (er trieb es unter anderem mit der Ehefrau eines Zimmermanns und ihren beiden Töchtern), sondern gab auch an, daß der Leinewandhändler Martin Schindler aus Hohenleuben, den man vor sieben Jahren bei Wiederitzsch ermordet gefunden, von den hiesi­gen Bürgerssöhnen Hans Jude und Lorenz Parreidt in Gemeinschaft mit dem Handarbeiter Tobias Herrmann angefallen, getötet und beraubt worden sei. Die Beschuldigten waren abwesend, man erfuhr aber, daß  Jude im Amte Wurzen wegen eines gestohlenen Pferdes gefänglich sitze und forderte ihn, nachdem man durch das Amt Schkeuditz über den Mord Gewißheit hatte, gegen Revers. Er bekannte in der Tortur, daß er und Parreidt die Wegelagerung beredet, Parreidt den Herrmann zugezogen habe und so wären sie an einem Sonnabende, abends dem Schindler, von dem sie gewußt, daß er Geld bei sich habe, auf der Straße nach Leipzig nachgegangen, Parreidt habe mit einem Rapier den Anfall getan, Herrmann geholfen, er auf dem Grabenauswurfe Wache gestanden, den Mord angesehen und als Schindler gefallen, ihm das Geld, welches er in zwei Säcken und einer Rinderblase mit sich geführt, abgenommen und mit Parreidt und Herrmann geteilt. Bei diesem Geständnis blieb er und kam die Sache noch in diesem Jahre zum Verspruch. Parreidt und Herrmann waren nicht zu erlangen. Jakob Herrmann, durch den das Verbrechen von dem ihm früher der flüchtig umherschweifende Jude auf der Zerbster Straße in Kenntnis gesetzt, an das Licht kam, empfing am B. Dezember dieses Jahres mit dem Strange seinen Lohn. Abraham Voigt und Christian Ebert erregten am 6. August nachts zwischen 11 und 12 Uhr auf den Gassen Tumult, griffen die Wache mit bloßer Wehr an, lästerten Gott und schlitzten Christoph Jägern den Backen auf. Sie waren wegen der Gotteslästerung zur Ausstellung an den Pranger, wegen Beschimpfung des Rates zur Verweisung verurteilt, kamen aber auf Vorbitte und Vorschützung des Trunkes mit einer Geldstrafe davon. Es kam zur Anzeige, daß ein junges Mädchen im Rosentale, Anna, Valentin Stollens hinterlassene Tochter, von dem Studenten Christoph Jäger, dem Jüngeren, genotzüchtigt worden sei. Die Wehmütter, welche das Mädchen untersuchten, versicherten, daß ihm Gewalt geschehen, der Beschuldigte berief sich aber, als er vorgeladen ward, auf das privile­gierte Forum der Universität, an welche daher die Untersuchung überging. Als der Rat im Herbste, wie von jeher, geschehen, die   H a s e n j a g d   in der Spröde ausüben wollte, pfändete die Witwe des Heinrich von Pak auf Beerendorf und es entstand Prozeß. Der Kurfürst verlangt von der Stadt ein Darlehn von 4000 Gülden, am 13. August schriftlich durch den Oberkämmerer und Bergrat Sigmund von Berbisdorf, später durch den hiesigen Amtsschösser Großmann mündlich. Der Rat hatte soviel nicht vorrätig und nahm diese Summe von Hans von Scheiding auf Wölkau zu fünfen vom Hundert auf drei Jahre. Auch in den letzten Monaten dieses Jahres ergriff die seit zwei Jahren herrschende, ansteckende Krankheit mehrere, daher die gewöhnliche Zahl der Verstorbenen wieder, um 89 überstiegen ward. Das Amt wurde im November von dem kurfürstlichen Oberkämmerer und Bergrat Sigmund Berbisdorf visitieret und verehrte ihm der Rat vier Stübchen Wein. Die Schätzung des Fleisches durch die Viertelsmeister gab zu Unfuge mit den Fleischern Gelegenheit. Der hiesige Schullehrer Mr. Hieronymus Heidenreich überreichte dem Rate einige Exemplare seiner herausgegebenen Schrift und empfing 3 Taler 18 Gr. als Gegengeschenk. Ebensoviel gab man dem Tobias Eckart zu Erlangung der Magisterwürde in Wittenberg. Die diesjährige Ernte war sehr ergiebig und galt der Scheffel Weizen 26-28, Roggen 16, Gerste 6, Hafer 10 Groschen.


1614
Am 17. Januar ward Hans Jude, dem das Rad zuerkannt war, auf Vorbitte seines alten Vaters und etlicher Bürger mit dem Schwerte hinge­richtet, der Leichnam aber auf das Rad gelegt. Der Kantor Tobias Albrecht (Albertus) legte sein Amt nieder und ging nach Torgau. An seine Stelle kam Mr. Johann Alberus aus Großenhain gebürtig, welcher von 1604 ab in Pforte und Leipzig sich zum Gelehrten gebildet hatte und nach erlangter Magisterwürde in Leipzig privatim Unterricht gab. Georg Dietze, der sein Kind, der Landesordnung entgegen, nach dem grünen Donnerstag zu den Paten schickte, ward mit einem neuen Schocke straffällig. Der Kurfürst verordnete eine Spezial-Musterung über das Regiment Kriegsbürger (Defensioner), zu welchem die Delitzscher gehörten, welche am 11. Juni in Grimma unter Befehl des Obersten von Schlie­ben vorgenommen werden sollte. Es zogen von hier 40 Mann dahin, ein Fähnrich, ein gemeiner Webel, ein Büchsenmeister, ein Trommelschläger,  ein Pfeifer, zwei Rondasierer, acht Doppelsöldner mit ganzer Rüstung, Sturmhauben, langen Spießen und Seitengewehren und 15 Musketiere mit Röcken, Randalieren, Gabeln, Pulver, Blei und Seitenwehren. Dieser Zug kostete viel und gab der Rat aus der Kämmereikasse 210 Taler dazu. Der Webel Elias Guttenberg gab, als er abzog, ein Schreiben an den Rat, welches seiner Eigentümlichkeit wegen, stellenweise hier stehen mag. Anordnung wegen der itzo gekornen Kriegsbürger
1. Die elegierte Kriegsbürger einen jeden nach seiner Wehr auszurüsten. und zu bewehren,
2. Dieselben den Befehlshabern zu Gehorsam mit Ernst vermahnen und einbinden, auch bei Strafe denselben nachzusetzen, auferlegen,
3. daß ein jeder mit seiner Gewehr ordentlich und von Delitzsch bis nach Grimma ohne einige Rebellion, gehorsam und friedlich das Fähnlein begleite und als in ordentlicher Zugordnung sich gehorsamlieh verhalte.
4. Daß auf künftigen Freitag, wills Gott, wenn erstlich das Glöcklein auf dem Rathause geläutet worden und hernachmals die Trommel ge­schlagen wird, sich ein jeder vors Rathaus verfüge und ordentlich mit seiner Gewehr und Rüstung aufziehe.
5. Und damit einer oder der andere mit der Reise nicht übereilet werde, daß er darüber macht- und kraftlos werden möchte, und hernachmals den folgenden Tag, welcher zur Musterung angestellet, desto besser abwarten und Folge leisten könne, als wolle ein ehrbarer und weiser Rat großgünstiglichen obgedachten Kriegsbürgern zween Tagereisen von hinnen bis nach Grimma verstatten und dann am Sonntage da­selbst nach Vermöge des dritten Gebotes Gottes, den Feiertag zu hei­ligen, einen Rast- und Ruhetag vergünstigen und sich als christliche Obrigkeit hierinnen gebühret zu erzeigen und dann auch den Tag der Musterung, auch nach geschehener Musterung in gleichen zween Tage­reisen von Grimma bis wieder nach Delitzsch die angeordnete unseres gnädigsten Kurfürsten und Herrn Deputata günstiglich und mildiglich mitteilen und widerfahren lassen.
Diese obengezogene Anordnung bitte ich, Elias Guttenberg itzo zu diesen Kriegssachen verordneter gemeiner Webel, derweil mir am meisten da­ran gelegen und Hohn, Spott beneben andern Schimpf und Nachteil vorzukommen und zu verhüten, einen ehrbaren. und wohlweisen Rat wolle oberzählte Ordnung großgünstiglich nachsetzen pp. - und ich itzo hierinnen nicht mehr suche, denn was solcher Befehl mit sich bringet und wo ferner diese Ordnung nicht sollte nachgesetzt werden, ich auch meines Befehles keine Remission erlangen sollte, als wolle ein ehrbarer und wohlweiser Rat einen Ratsherren dazu ordinieren, der sich zum Führer möchte gebrauchen lassen bis nach Grimma vors Rathaus und uns daselbst präsentierte, so will ich meinen Befehl nachsetzen und die Zugordnung so viel mir gebühret in Acht nehmen und erkenne mich jederzeit pflichtschuldig zu gehorsamen nach allem meinem Vermögen zu tun, schuldig zu sein, jedoch conditionaliter, damit mir nicht etwa vorsätzlich aus verhaßtem Gemüte durch eines oder des anderen Miß­gunst, Nachteil, Schimpf, Hohn, Spott verursacht und zugezogen werden möchte, wie denn meiner Einfalt nach davon zu reden, itzo sehr leicht­lieh mir widerfahren kann, wofern nicht ordnung sollte gehalten werden, oder aber ein anderer vorhandener die Präsentierung zu Grimma ver­richtete und ich in aller Unordnung sollte daselbst aufgezogen kommen. Anbelangend den Wagen, da ein jeder sein Pack und Sack auflegen und aufwerfen möchte und könnte, kann derselbige auf Sonnabendfrüh hinwegfahren, daß er denselben Tag mit uns zugleich zu Grimma kann an­kommen, wenn er nicht mit uns zugleich soll fortziehen, welches in eines erbaren und wohlweisen Rats Willen und Gefallen anheim gestaltet wird. Desgleichen wird nochmals ein E. und wohlweiser Rat wegen einer Ver­ehrung den Befehlshabern beide, als dem Fähnrich und gemeinem Webel bittlichen ersuchet, welches dann in eines erbaren Rats Gefallen, auch wird anheim gestellt, nach dem gemeinen Sprichwort, wer ein schön Pferd will haben, der muß auch einen schönen Zaum haben, und wer nicht wirbet, der verdirbet. Dazu hat mich das Betteln mein Tage nicht verdrossen, aber das hat mich verdrossen, wenn ich nichts habe bekom­men können. Melius est ill, quam nll.
Die Sache wegen der Hasenjagd in der Spröde ward durch Kommissarien in dem Maße verglichen, daß dem Rate die Jagd auf zehn Jahre pachtweise gegen jährliche Lieferung von drei Hasen überlassen werden sollte. Der Vergleich kam aber, da Heinrich von Miltitz auf Döbernitz in diesem, die Pakische Witwe im folgenden Jahre starb, nicht zur Vollziehung und der Rat nahm die unterbrochene Jagd, die freilich von keiner großen Bedeutung war, wieder vor. Der Kurfürst übertrug die erledigte Stifts-Superindendentur in Merseburg dem hiesigen Dr. Strauch, dem dieser Ruf, wie dem Rate, un­erwartet kam. Fast zu gleicher Zeit und ehe man sich über diese Ver­änderung besprechen konnte, erhielt der Rat, dem Präsentation und Vocation des Pfarrers zustand, diesen plötzlichen Befehl: Von Gottes Gnaden Johanns Georg, Herzog zu Sachssen, Gülich, Cleve und Bergk etc. Churfürst etc.
„Liebe getreue, Euch ist vngetzweifelt wißendt, daß Wir den Wür­digen Hochgelarten vnsern lieben Andechtigen und getreuen, Herrn Egidius Strauchen, der Heiligen Schrifft Doctorn, zum Superinten­denten Ambt in vnser Stifft Merseburg bestellet haben. Begeren hierauf von vns und den Hochgebornen Fürstegen vnsern freundlichen lieben Brudergen und Gevattern, Herrn Augusten Hertzogen zu Sachssen, Gülich, Cleve und Bergk etc. Ihr wollet bis auf vnsere fernere verordnung mit furschlagung eigener anderen Person in ruhe stehen, Daran volbringet Ihr vnser meinung, Datum Dreßden, am 24. May 1614
J. Klunigenbergk mpr.
Unserm lieben getreuen dem Rathe zu Delitzsch."
Der Rat, nicht ahnend, was man dabei beabsichtigte, war daher nicht wenig betroffen, als ihm durch den Dr. Strauch die angekündigte, fer­nere Verordnung des Kurfürsten mitgeteilt wurde, in welcher die erledigte Stelle dem Superintendenten M. Felicianus Clarus von Herzberg übertragen war. Schwankend, wie er sich dabei nehmen sollte, war die Probepredigt des Clarus schon getan. Man fand sie annehmlich, übersah die dunkle Sprache und ob man schon den von Wittenbach empfohlnen Mr. Ernst Hettenbach gern gehabt hätte, sich in dem Rechte gekränkt sah, gab man doch die verlangte Vocation und nahm ihn" am 20. Oktober bei seinem Anzuge mit herzlicher Freude auf. Dieser Ein­griff in die Rechte des Rates war übrigens eigen Werk des Oberhofpre­digers Hoe von Hohegg, der den in den ärgerlichen Wucherstreit zu Herzberg geratenen Clarus, seinen Freund, von da entfernen wollte. Seine Kollegen, Knuppius und Thinaeus behaupteten nämlich, es sei Wucher, Geld auch gegen die billigsten Zinsen auszuleihen, sprachen leidenschaftlich darüber auf der Kanzel und trieben es so arg, daß das Konsistorium eingreifen und das Gezänk bei harten Drohungen untersagen mußte. Am 19. Oktober starb in Döbernitz Heinrich von Miltitz auf Döbernitz und Beerendorf, ward am 30. des Monats in den Chor hiesiger Stadt­kirche getragen und nach der Leichpredigt, welche der Superintendent Clarus hielt, in der Kreuz- oder Fronleichnams-Kapelle neben dem Denksteigen des von Selmnitz in das Grab des hier 1606 beigesetzten Hans Ernst von Miltitz gelegt. Der das Grab deckende Steigen, mit seinem Bilde in Lebensgröße hat die Umschrift: „Anno 1614 den 19 Octob. nachmittag zwischen 12 und 1 Uhr ist der weiland gestrenge edle und ehrnveste Heinrich von Miltitz ausm Hause Siebeneichen Churf. Kammer Juncker vff Doebernitz und Berndorf Erbsas seines Alters im 50 Jahre in wah­rem christlichen Glauben in Gott selig' entschlaffen dessen Seelegen der barmhertzig Gott gnedig sein wolle." Er war eigen Sohn des Nicolaus von Miltitz, Oberstallmeisters und Hof­meisters des Kurprinzen Christian. Der Rat verkaufte das Backhaus in der alten Zscherne, weil es zu dem Zwecke, den man bei dem Erbaue im Auge hatte, nicht benutzt wurde an Hans Wartmann, welcherin diesem Jahre 175 Gülden Angeld gab. Der Scheffel Weizen galt 28, Roggen 16-22, Gerste 8 Groschen.


1615
Am 18. April ward Dorothea, George Dietzens von Hohenrode Tochter, am 12. Juli George Guttenberg von Wiedemar und am 23. August Urban Nitzschmann von Werlitzsch (bei dem Amte in Untersuchung) mit dem Schwerte hingerichtet, die Dietze auf dem Gottesacker mit Zeremonien und Geläute begraben. Auch fand man eigen totes Mädchen von 7 Jahren bei der Eiche nahe der ersten Scheune am Graben gegen den Gerberplan. In der Nacht von 2. zum 3. Mai fiel nach ungewöhnlicher Kälte viel Schnee. Ambrosius Ihbe, der ohne Vorwissen des Rates eigene geschwängerte Dirne aufnahm, verfiel in 2 Schock Strafe. Am 7. Mai, sonntags früh 2 Uhr, starb der Bürgermeister Wolfgang Holzmüller, im 66. Lebensjahr, Ratsherr seit 1584. Sein Vater und Großvatei war Mitglied des Rates und sein Sohn Georg, praktischer Jurist, ward es 1639. Auf kurfürstlichen Befehl wurde die Zahl der hiesigen Defensioner von 40 auf 48 erhöht und am 5. Juni bei Mühlberg über sämtliche Regimenter Generalmusterung gehalten. Bei dieser Musterung erschien auch der Artikelbrief Zur Defensions - Ordnung aufgerichtet, 44 Artikel enthaltend, welche man in Gegenwart des Kurfürsten vorlas, beeiden ließ und dabei die Fähnlein verteilte. Die Defensions-Anstalt kostete in diesem Jahre hier 412 Taler dem Rate, 130 Taler der Bürgerschaft, die überdies auch Fähnrich, Pfeifer und Trommelschläger auf eigene Kosten hielt. Die Gemeinden Gertitz und Werbegen, die mit Benndorf zur Fortschaffurg der Bürgerschafts-Rüstung auf den Notfall einen Heerfahrtswagagen seit Menschengedenken halten müssen, verweigerten dem angenommenen Fuhrmann den für die Musterungsfuhre verspro­chenen Lohn und wurden ausgepfändet. Sie brachten aber bei dem Oberhofgericht eigene Pönal-Inhibition auf. Die in Dresden versammelten Städte bewilligten dem Kurfürsten 20 000 Gülden zur Soldatensteuer auf fünf Jahre. Der Bildhauer Gottfried Schlegel in Freyberg fertigte für 950 Gülden einen neuen Taufsteigen mit Bildwerk, dessen Decke an einem 37 Ellen langen mit gemaltem Blech überzogenen Seil hing. Überdies bezahlte man 13 Gülden für Beköstigung des Meisters. 3 Gülden dessen Gesellen, 10 Gülden für Seil und Blech und 3 Gülden dem Tischler für das Fußgestell. Hierzu gab das Hospital einen Beitrag von 100 Gülden. Am B. August starb Mr. Melchior Kühn, Ratsherr seit 1609. Er war der Sohn des hiesigen Schullehrers, später Ratherren Melchior Kühn, ge­boren am 18. Januar 1559 und Verdankte Leipzig seine gelehrte Bildung, von welcher sein schriftlicher und gedruckter Nachlaß (Briefe und Ge­legenheitsgedichte in lateinischer Sprache) ein rühmliches Zeugnis gibt. Für 10 Taler 12 Gr. löste Gregor Hochstetter den zweiten Schwibbogen rechts des Eingangs in den Gottesacker für sich und seine Ehefrau Euphemia, welche am 19. August starb, 47 Jahre alt und am 21. dahin begraben ward. Gegen die eingegangene Entscheidung in dessen Getreideprozeß, daß er in seinem behaupteten Besitze, vel quasi, bis er mit Recht daraus gesetzt würde, bleiben solle, appellierten die Gegner, Adel und Rat. Wegen der Belagerung von Braunschweig zogen viele Söldner hin und her und fielen den Almosen beschwerlich. Am 6. Dezember starb David Buße, Ratsherr geit 1595 und am 11. des­selben Monats Frau Sibylla, Witwe des 1588 verstorbenen Heinrich von Pak auf Sommerfeld und Döbernitz, eine geborne von Gleißenthal und fand am 27. in hiesiger Stadtkirche, doch nur auf anhaltenes Bitten der Freunde und gegen Erlegung von 20 Talern an den Gotteskasten, mit ihrem verstorbenen Eheherrn ein gemeinschaftliches Grab. Das beiden errichtete Denkmal hat bezüglich auf die Witwe diese Inschrift: „Anno 1615 den II Xbris ist die edle vil ehrn tugendsame Fraw Sibilla von Gleissenthal Heinrich von Pagks vf Sommerfelt und Dobernicz selige nachgelasne Witwe in Christo enschlafen." Die ansteckende Krankheit voriger Jahre forderte auch in diesem ihre Opfer und die Zahl der diesjährig Verstorbenen stieg bis 202. Zwölf Kannen Wein gab man aus des Rates Keller den drei Geistlichen und Herren des regierenden Rates für Mühe und Versäumnis bei dem Schulexamen. Der Scheffel Weizen galt 28, Roggen 23, Gerste 8 Groschen.


1616
Wegen des Verlustes, den der Rat seit einigen Jahren am Wein- und Bierschanke hatte (er betrug im vorigen Jahre 54 Taler), entschloß sich der Bürgermeister Esaias Wieprecht, den Schank auf seine Gefahr zu übernehmen und ihn auf diese Weise ganz von der Haushaltung des Rates zu trennen. Christoph Keller richtete ohne Vorwissen des Rates eine Branntweinblase an und ward deshalb mit 5 Talem bestraft. Am 6. Februar hielt man die Gedächtnisfeier des am 26. Dezember, abends 6 Uhr in Dresden gestorbenen Herzoges August, (Bruder des Kurfürsten), wobei der Rat in tiefer Trauer erschien und auf Kartek und Zindel 32 Taler verwendete. Die Kirche schaffte hierzu ein schwarzes Tuchbehang um Kanzel, Altar und Taufstein für 15 Gülden 15 Grosehen, welches später Armen zur Bekleidung gegeben ward. Am 4. Mai fand man an der Haustür des Heinrich Pfeil (Nr. 1 der breiten Gasse) ein lebendes Kind, welches der Rat auf Kosten der Kämmereikasse zur Erziehung gab. Gregorius Hochstetter ließ eine neue Kanzel in die Stadtkirche bauen, welche 600 Gülden kostete und am 19. Mai mit der ersten Predigt eingeweiht wurde. Über der Tür findet sich diese Inschrift: „Gregor Hochsteter hat diesen Predigt-Stul Gotte zu Ehren, dieser Kirche zur Zierde und seiner zum Gedaechtniss fertigen lassen 1616." Der Orgelbauer Heinrich Compenius besserte zu gleicher Zeit die Orgel und goß den Vogelgesang um. Am 29. Mai hielt der Leutnant Hans Hedler aus Grimma hier über die Defensioner Spezial-Musterung. Die Übungen der 48 Defensioner im Dienst- und Scheibenschießen dauerten ununterbrochen fort und koste­ten dem Rate 125 Taler. Es war ein so trockener Sommer, daß man gleich nach Johannis erntete. Der Roggen geriet zur Genüge, Sommergetreide und Heu verrchten. Am 9. August trafen der Kurfürst, Sigmund Kurfürst zu Brandenburg und Fürst Johann Ernst von Sachsen Eisenberg in Bitterfeld ein, wo sie am folgenden Tage große Jagd hielten und 15 Hirsche in der Goitzsche, 7 in der Beeren und 6 in der Saulage erlegten. Von hier aus mußten dahin Betten, Tische, Stühle usw. durch zwei Ratsherren besorgt und gebracht werden. Durch Unvorsichtigkeit einer Tagelöhnerin, Anna Böhme, brach am 18. August, nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr, in Zörbig Feuer aus, welches bei großer Dürre schnell um sich griff und 152 Wohngebäude mit 67 Scheunen gänzlich zerstörte. Dabei verunglückten mehrere Per­sonen, unter anderen ein adeliches Fräulein von Rechenberg, welche mit ihrer Magd im Keller erstickte und Hans Lendichs Weib, Katharina, welche zur Heilung in die Stadt gebracht worden war. Bei der ersten Nachricht führte der Rat für 33 Taler Bier und Brot dahin und folgte dieser Sendung bald eine reichliche Kollekte. Wegen der häufigen Feuersbrunst im Lande, die man Mordbren­nern zuschrieb, erließ der Kurfürst eine Warnung und bezog die Bür­gerschaft selbst die Wacht, die man sonst durch Lohnwächter verrichten ließ. Der Amtsschösser Georg Großmann wünschte den Schießgraben am hallischen Tore zu einem Schuppen oder Scheunengebäude für sich und bat bei dem Kurfürsten um Vererbung. Es kam deshalb Kom­mission, da jedoch die Armbrustschützen diesen Platz seit rechtsver­wahrter Zeit besaßen und man sie sonst nirgends hinzuweisen wußte, so nahm sich der Rat der Sache an und erhielt durch Bitten, daß der Platz den Schützen um ein gewisses Geld zugeschlagen und vererbt ward. Am 30. Oktober starb Valentin Hegner, Ratsherr seit 1611 und am 24. der Ratsherr Johann Winkler, seit 1606. Der Kurfürst speiste und übernachtete hier am 2. November auf dem Schlosse. Die Bürgermeister Mr. Andreas Fischer, Esaias Wiprecht und der Stadtschreiber Mr. Johann Richter überreichten ihm, nach des Orts armen Vermögen, einen silbernen, vergoldeten Kredenz in Form einer Weintraube, am Werte 50 Taler, ein Stück Wein (2 1/2 Eimer) an 40 Taler, und ein Faß Bier zu 6 Talern, welches Geschenk der Kurfürst durch den Rat und Obermarschall Hans Georg von Osterhausen sehr gnädig aufnahm und danken ließ. Die ihn begleitenden Trabanten er­hielten zu ihrer Ergötzlichkeit ein Faß Delitzscher Bier. Der Scheffel Weizen galt 26, Roggen 18-22, Gerste 7 Groschen. Die Kirchenvorsteher kauften in der Leipziger Michaelismesse einen messingenen Kron- oder Hängeleuchter, an Gewicht 75 Pfund für 36 Gülden, den man mitten in der Stadtkirche aufhängte. Das Seil von 27 Ellen und dessen überzinnte Bleche mit vergoldeten hölzernen Knöp­fen, das Gehäuse, an dem er herabhing, kostete mit Arbeitslöhnen noch gegen 10 Gülden und hat man ihn in. neuester Zeit in den Chor gebracht.


1617
An die Stelle des verstorbenen Amtsschössers Großmann kam Samuel Heller. Der Superintendent Clarus starb am 2. Januar dieses Jahres ohne sichtbaren Schmerz. Der Rat, welchem von Wittenberg aus der ihm schon bekannte Pfarrer an der St. Ulrichskirche zu Halle, Mr. Martin Röber, noch während der Krankheit des Clarus zum Pfarrer vorgeschlagen war, erstattete nun an den Kurfürsten, nachdem er sich der Zusage des Röber versichert, am 10. Januar folgenden Bericht:
„pp. E. Churf. Gn. sollen wir vnterthenigst nicht bergen, wie das Gott der Allmächtige nach seinem unwandelbaren Rat und Willen den wei­land Ehrwürdigen etc. Herrn Mr. Felicianum Clarum Pfarrherrn und Superintendenten alhier, den andren dieses durch den zeitlichen Tod von dieser Welt abgefordert, und hierdurch die Pfarre und Superinten­denzstelle vorledigt worden, Wenn denn erwehnter Herr Superintenden seliger wegen langwieriger Krankheit über ein halbes Jahr sein Amt bey dieser Gemeine nicht verrichten können und wir dahero gerne wünschen und sehen möchten, auch den lieben Gott hierumb teglich bitten, daß solche Stelle mit einer gottesfürchtigen, gelerten und friedliebenden Person, so viel möglich förderlichst ersetzt werden möchte,vnd aber Ew. Churf. Gn. wie auch derselben Hochlöblichsten Vorfahren Christ­mildester gedechmiß den Räthen in Städten und auch uns gnädigst nachgesehen, sich umb einen andern geschickten Mann vmzusehen, den­selben Ew. Churf. Gn. zuvor und ehe er beruffen, vnterthenigst anzu­geben, und alsdenn ferner mit Ew. Churf. G. Bewilligung zu erwehlen, Als haben wir auf vorgehende vleissige erkundigung in Erfahrung ge­bracht, Martin Röber etc. wegen seiner Gottesfurcht, Geschicklichkeit und anderen christlichen Tugenden bei männiglicher gut Zeugniß habe, und zu Ersetzung solcher Pfarr- bnd Superintendentenstelle tüchtig und geschickt gebraucht werden könne, derowegen Ew. Churf. Gn. erwähn­ten Herrn Mr. Martin Röbern wir hiermit vnterthenigst nominieren, und angeben sollen mit vnterthenigster Bitte, Ew. Churf. Gn. geruhen gne­digst, ihn in einer Probepredigt der Gemeine vorzustellen, nach Be­findung zu vociren und endlich zu solchem Ambt gnedigst zu confir­miren etc. (?)"
und empfahl diese Angelegenheit in einem besonderen Schreiben dem Ober-Hofprediger Hoe von Hoenegg(?) von welchem er denn schon am 13. desselben Monats diese nicht eben gewünschte Antwort erhielt:
„Meinen freundlichen groß und willige dienst, nechst wünschung viller glückseeliger Jhar, Jederzeit, zuvor, Ehrenveste fürsichtige, Erbare, und wolweise, besonders lieben Herrn und freunde, Derselben schreiben sambt beigefugter vnterthenigster Supplication, habe ich zu recht emp­fangen und den innhalt lesend vernommen, auch nicht vnterlaßen, ge­melte Supplication gebürlich vorzutragen; Will denen Herren darauff nicht verhalten, weile noch vier Wochen nicht verfloßen, das dahero der Zeit keine Resolution erfolgen mögen. Es wird auch nicht gar wol auf­genommen, weiln die Herren Ir Jemanden präsentiren wollen, das sie nur ein einige Persohn, und zwar eine solche, die Itzo hie zu Lande nicht in Diensten, Allein fürgeschlagen haben. Wollte derowegen Ihnen hiermit treulich, und dem zu mihr habenden Vertrauen nach, rathen, das sie je eher, je besser, anderweit vmb gnedigste Resolution also an­hielten, das sie zum wenigsten noch ein zwey Personen neben Mr. Rö­bern benennen theten, Inmaßen sie dann leichtlichen darzu kommen könnten, weil in der Nähe solcher Leute zu befinden, die zu dergleichen Aembtern füglich vorzuschlagen sein. Insonderheit der Pfarrer zu Zör­wig Herr Mr. Creutziger, welcher gute Gaben zu predigen hat, Darneben ein gelehrter, frommer, diemütiger, verträglicher und friedfertiger Mann, auch albereit der Superintendenz als ein Adiunctur kundig ist. Dieses wird darzu dienen, das wenn aus den dreien einem oder dem andern die Probepredigt zugelaßen würde, es auf vorher beschehene vnterthe­nigste Präsentation erfolgte, und die Herren zwar ihr Jus nominandi Pastorem exerciren, zugleich aber auch Ihrer Churfürstlichen Gnaden Gnedigster Landesväterlicher fürsorg sich vnterthenigst mit gebürlicher reverenz ergeben theten, Dahingegen, wann sie bei einer Person allein verharten, leichtlich und nicht ohne wichtige Ursachen andere anord­nung von hoff aus geschehen möchte. Welches ich wohlmeinend zur nachrichtung nicht bergen wollen, mit erbietung wann die Herren angedeuter maßen, sich in die such schicken, das ich so vill an mir ist, dieses Werk mihr wolle aufs best laßen bevolen sein? wie ich denn ohne das, Ihnen und gemeiner Stadt zu dienen willig bleibe, Gott mit vns allen, Datum Dreßden, den 13. Januarii Ao. 1617.
Mathias Hoc von Hohnegg, Doctor."
Der Rat, der sein besseres Recht entweder nicht kannte oder geltend zu machen nicht Mut genug hatte, beschloß nun zwar eine Präsentation von dreien mit Ausschluß des Röber, der sich unter diesen Umständen die Nomination verbitten mußte; doch ehe er dazu kam, nach wenigen Tagen schon, ward ihm durch den Pfarrer Cruciger (?) ein kurfürst­licher Befehl, der, als Endpunkt eines merkwürdigen höfischen Aktes, wörtlich hier noch aufgenommen wird.
„Von Gottes gnaden Johanns Georg, Hertzog zu Sachsen, Gülich, Cleue und Berg, Churfürst etc.
Liebe getreue, Vns ist Euer vnderthenigster Bericht daß der Allmech­tige Mr. Felicianum Clarum von dieser Welt seeliglichen abgefordert, gebürlich furgetragen worden, Wann Wir dann die verledigte Pfarr- und Superintendentenstell mit Mr. Andrea Crucigeri Pfarrers zu Zörwigk person (welcher Euch nicht vnbekannt und in vnser Schloß Kirchen zu vnsern gnedigsten gefallen geprediget, auch im Coloquio von vnsern Präsidenten und Räten deß Obern Consitorii tüchtig zu solchem Ambt befunden worden) zu ersetzen gemeinet, Alß begeren Wir hiermit gnedigst, Ihr wollet Ihn auf den Sontagk Sexagesimae mit einer Probepredigtt auch hören, und da Ihr, alß Vnß nicht zweiflet, wieder seine Per­son-, der Form wie seinem Antecessori zu stellen, Vnd vns dessen erin­nern, Wollen Wir vns darauf mit der Confirmation gnedigst zu betzeigen wißen, Daran volbringet Ihr vnsere gefellige meinung,
Datum Dreßden, am 5. Februarii Ao. 1617."
Es bedarf nur eines Blickes auf diese Schriften, um den Mann kennen zu lernen der hier, wie zuvor bei Clarus, so klüglich als entscheidend wirkte und der Rat bußete nun die berichtliche überhöfliche Zurück­stellung seines Rechtes, mit der er sich seinem klügeren Gegner, den er zu gewinnen dachte gefangen gab. Cruciger hielt an dem bestimmten Tage seine Probepredigt und empfing am 23. Februar die Vocation. Wilhelm Steuert, ein reisiger Knecht, sonst hiesiger Bürger, ward am 21. März im Stadtgraben tot gefunden und da sich ergab, daß er sich aus Verzweiflung ersäufet habe, auf dem Schindanger begraben. Am 4. Mai starb der Stadtrichter und Organist Heinrich Thornau. Die Organistenstelle übertrug man dem Sohn des Bürgermeisters Johann Rudel in Eilenburg, Gottfried Rudel, welcher am 18. Juli anzog und mit seinem Spiel Beifall fand. Der Oberst von Schlieben hielt hier am 28. Mai. über die Defensioner Musterung, welche dem Rate für dieses Jahr einen Aufwand von 124 Talern verursachten. Döbermtz maßte sich nach Absterben Heinrichs Kriemanns über dessen Breite auf Gertitzer und Rubacher Mark die Gerichtsbarkeit an und nötigte den Rat zum Prozeß. Der Tischler Anton Schwinze aus Düben fertigte 115 neue Kirchen - stähle, von welchen 5 Stück dem Amt, 3 Stück den Frauen und Töchtern wohlverdienter ehrlicher Männer zwei überlassen, die übri­gen 107 Stück aber (das Stück zu 18 Groschen) verlöset wurden. Der Tischler empfing 65, der Maler Eberhard für das Anstreichen grün und gelb 20, der Schlosser aber für Vorbänder und Klinken 8 1/2 Gülden. Auch ward die Peterskapelle nach dem Markte zu umgedeckt und mit Ziegeln belegt. Im August stellte der Bildhauer Schlegel den neuen Taufstein auf. Das letzte Kind, welches am 15. dieses Monats getauft wurde, war Susanna, des Tagelöhners Jacob Bucksdorf Tochter, das erste in dem neuen, am 28. Maria, des Ratsherren Peter Kirchhof Tochter. Der alte Taufstein kam in die Kirche zu Schrenz. Am 31. Oktober, ersten und zweiten November war die vom Kurfürsten geordnete Feier des Reformations-Jubiläum, an dessen erstem Tage Rat, Geistlichkeit, Schule, Amt in festlichen Anzügen unter Glockengeläut vom Rathause in die Kirche zog. Ein besonders gedrucktes Kirchenge­bet ward nach der Predigt verlesen und nach dem Gottesdienst des Einwohners Balthasar Regler in der Grünstraße Tochter, Anna, mit Blumen geschmückt,. an dem gleichfalls mit Kränzen behangenen Taufstein getauft. Der Amtsschösser Heller und der Notar Bartholomäus Fiedler, gebürtig aus Wiesenthal, erlangten am 5. Dezember das Bürgerrecht. Valentin Stoye, welcher am 23. November, sonntags, gegen die Willkür im Ma1zhause Feuer unterhielt, wobei sich des nachts das Ge­treide entzündete, ward mit 5 Talern bestraft. Der Scheffel Weizen galt 30, Roggen 22, Gerste 8 Groschen.


1618
In diesem Jahre kamen zwei Taufnamen in Gebrauch, da man bisher durchgängig nur einen führte. Am ersten Osterfeiertag, den 5. April, brannten bei der Schäferei sieben Scheunen nieder und das Haus des Matthäus Meise, dessen Stätte der Rat räumen ließ. Der Schullehrer Mr. Hiergnymus Heydenreich, welcher im vorigen Jahre seine Beschreibung hiesiger Stadt in lateinischen heroischen Versen: Opusculi Topographici, cui Titulus, Delitiae Delitiarum, siue Delitium in Misnia Libelli II. herausgegeben und dem Rate zugeeignet hatte, er­hielt 30 Taler Verehrung. Das neue, Chor und Schiff der Kirche teilende Gitter von gedrehten Säulen, mit Geschleife und Postament, auch das daran befindliche Pult, welches der Tischler Schuster fertigte, kostete 10, und das Malen des­selben 5 Gülden mit Vergoldung der Knöpfe. Jacob Hochüber (s. 1612) ward verurteilt, den beleidigten Personen öffentlichen Widerruf zu tun, die Kosten zu zahlen und das Land auf einige Zeit zu meiden. Er konnte aber die auf 100 Gülden herabgesetz­ten Kosten nicht zahlen und ging davon. Der Superintendent Dr. Vincentius Schmuck hielt eine Visitation und verehrte der Rat den Visitatoren und Eingeladenen ein Faß Bier und 123 Kannen Wein. Der Kantor Mr. Johann Alberus, welcher ansehnliche Güter besaß und dabei das Amt vernachläßigte, fand sich genötigt zu resignieren und kam der frühere Tobias Albertus, bisher in Torgau, am 11. September an seine Stelle. Den Kirchenvorstehern bestimmte man bei dieser Gelegenheit für Rechnungslegung dem ersten 10, dem zweiten 5 Gülden Gehalt. Auch hielt der Superintendent Cruciger Synode, welche der Rat ebenfalls nicht ohne Verehrung ließ. Die bisherigen Unruhen i n Böhmen nahmen im August dieses Jahres durch das Herabstürzen der Kaiserlichen Räte vom Prager Schloß, durch allgemeine Bewaffnung der Protestierenden und Vertreibung der Jesuiten, durch Einmischung der Schlesier und anderer eine Gefahr drohende Richtung, daher denn auch der Kurfürst das Militär verstärkte, die Defensioner zusammenzog und Dresden befestigte. Von hier mußten am 10. September die Zimmerleute dahin, welchen der Rat aus der Kasse Zehrung gab. Defension und Heerwagen ging schon am 7. ab. Man ließ die Krähen in der Samenzeit durch Schießen verscheuchen und gab für Pulver und Blei 20 Groschen aus. in Storckwitz, Leonhard von Schiedingen gehörig, ward ein Faß Dorfbier durch Amtsfolge weggenommen. Paul Hintzsche, Arzt und Astronom (s. 1601) eignete dem Rate seinen Ka1ender des künftigen Jahres mit Prognosticon zu und erhielt einen Dukaten Verehrung. Der Scheffel Weizen galt 26-24, Roggen 14 und 15, Gerste 7 Groschen.


1619
Am 4. Februar starb der Konrektor Johann Felgner (s. 1588) und rückte der bisher dritte Lehrer Mr. Hieronymus Heidenreich in dessen Stelle, die dritte aber ward dem Hauslehrer Johann Albert oder Albricht, Sohn des hiesigen Hausgenossen, geboren am 16. Februar 1590, welcher in Wittenberg Theologie studiert hatte, übertragen. Die Kantorei, welche von Gregor Hochstetter und seiner Gattin Euphemia mit wertvollen Leichentüchern beschenkt worden war, ver­schaffte sich nun auch einen Leichenwagen mit stattlichen Traueran­zügen für die Begleiter und der Diakon Börner, welcher am 19. März starb,. war der erste, den man auf diesen viel Aufsehen machenden Wa­gen zur Ruhe brachte. Nach dem am 10. März erfolgten Tode des Kaisers Matthias führte der Kurfürst bis zur Wahl des neuen Kaisers, Ferdinand II. das Reichs-Vikariat und weil sich die im vorigen Jahre bemerkten böhmischen Unruhen, welche ein strenges Verbot gegen fremde Werbung und den Eintritt der Untertanen in auswärtigen Kriegsdienst veranlaßt hatten, mit jedem Tage gefährlicher anließen, so erschien unterm 20. März in dieser Be­ziehung ein neues Mandat, welches nicht nur jenes Verbot wiederholte, sondern auch die im Lande reisenden Fremden durch in Toren aufzustel­lende Wachen und Untersuchung der Gasthöfe, Schenken und Herbergen in strenge Aufsicht zu nehmen befahl. Johann Richter, ein Badegeselle, welcher die Tochter des Drechslers Mar­tin Schloß unter dem Versprechen der Ehe schwängerte, aber flüchtete, ward ergriffen und mit der Geschwächten am 1. April in der Kirche, bis dahin ihn der Fron an der Kette führte, vom Archidiakon Franke ehelich verbunden. Der Orgelbaumeister Heinrich Compenius aus Halle hatte schon bei der letzten Reparatur der Orgel aufmerksam gemacht, daß das Werk bald einer größeren allgemeineren bedürfen würde und man entschloß sich dazu bei seiner eingetretenen Wandelbarkeit: Derselbe Künstler und sein Sohn Esaias, auch ein sehr geschickter Gehilfe, Johann Jäger von hier, vollendete den Umbau in diesem Jahre so weit, daß es gangbar ward und im Frühling des folgenden, nach Prüfung übergeben werden konnte. Diese Veränderung kostete der Kirche über 300 Gülden. Zu gleicher Zeit ließ man, weil die Geistlichen es wünschten und man es sonst bequemer achtete, in die Sakristei, welche von außen keinen Zu­gang hatte, zu einer Türe vom Kirchhofe die Mauer brechen, kaufte von dem Bildhauer Wolf Mönch in Torgau für 2 1/2 Gülden das steinerne Tür­gerüst, gab die Bretter zu der Türe und hatte dabei mehr als 15 Gülden sonstigen Aufwand. Am 6. Juni war ein Ausschußtag der Stände in Dresden, Gegenstand aber die unabweisliche Anwerbung von Mannschaft zu dem stehenden Heere und deren Sold. In Folge dieser Rüstung, welche die möglichste Anstrengung der Staatseinkünfte dringend gebot, wurde die für Auf­hebung der ehemaligen Salzfuhren 1563 festgesetzte Abgabe von jähr lieh 70 Gülden zu großer Beschwerde auf 200 Gülden erhöht. Auch ver­lor der Rat das seit 15551m Pachte habende Geleite, welches man besonders austat und vererbte die AmtskaviI1erei, welche bisher mit der städtischen in einem Verbande war. Dieses nötigte den Rat, mit der städtischen ein gleiches vorzunehmen und ward sie in diesem Jahre noch an Daniel Dietrich von Jüterbogk für 262 1/2 Talar, Übernahme eines jährlichen Zinses von 10 Gülden und einigen Kannen Fettes abgetreten. Man verwendete das durch diese Veräußerung erlangte Geld an eine steinerne Verzierung des Marktbrunnens, welche der Bildhauer Wolf Mönch aus Torgau nach einem Risse des Malers und Küsters Eber­hard von Pirnaischen Sandstein für 200 Gülden arbeitete und Johannis künftigen Jahres aufstellte: Sie bestand aus vier, 33/4 Elle getrennten ionischen Säulen mit Postamenten und Hauptsimsen, vier Gesprengen und Pyramiden (auf den Säulen) und einem deckenden Bogen, auf des­sen Höhe ein römisch gekleideter Krieger mit dem Wappen der Stadt gestellt war. Stete Regengüsse im Juli verursachten Überschwemmungen und hielten die Ernte auf. Sie waren zugleich mit den heftigsten Stürmen begleitet und richtete besonders einer an Gebäuden und Bäumen ungemeinen Schaden an. Namentlich hatte das Kirchendach gelitten und bezahlten die Vorsteher nur dem Schieferdecker 15 Gülden Lohn. Achtunddreißig Rüstern., welche hinter der Scharfrichterei auf dem Auswurfe des Stadtgrabens standen und der Sturm in das Amtsgebiet warf, wollte das Amt an sich nehmen, sie wurden aber im Prozesse der Stadt zugesprochen. Auch stürzte die Vöge1stange, um deren Herstellung die Schützen 1621 schriftlich baten, und in ihrem Schreiben dieses Sturmes mit den Worten: „Es erinnern sich dieselben sonder allen Zweifels des unversehenen großen Sturmwindes, so im Juli des verflossenen 1619 Jahres erstanden, nicht allein viel große Hauptgebäude, Scheunen und Bäume niedergerissen, sondern auch unsere Vogelstange niedergeworfen und zerschmettert hat," gedachten. Am 22. Oktober entzündete sich in der Küche der Witwe des Andreas Becker Stroh, es entstand ein Auflauf und verfiel sie, obschon Feuer nicht zum Ausbruch kam, der Buße von einem neuen Schock. Ebensoviel gab Paul Schuster Strafe, der sich, ohne seinen Kindern ein Mutterteil auszusetzen, zum zweiten Male ehelich verband. Am 7. Dezember jagte der Kurfürst bei Bitterfeld und mußte der hie­sige Rat abermals Betten und anderes Gerät der Bürger in das Hoflager dahin bringen lassen. Obschon die Mulde ausgetreten war, fing man doch 99 Schweine in der Goitzsche, 29 Stück in der Beeren und 14 Stück bei Greppin. Die Großstücken, Flemmings-, Mühl- und Tamm­holz mit der Saulage konnten wegen des Wassers nichtumstellt werden. Bei dieser Gelegenheit wurde dem Kurfürsten ein silberner und vergoldeter Becher überreicht. Der Scheffel Weizen galt 27, Roggen 21, Sommergerste 10 1/2, Winter­gerste 6 Groschen. 1177 Scheffel Hafer wurden im Marstalle verfüttert.


1620
Der Stadtrichter Johann Barth, früher Schullehrer und seit 1606 Ratsherr, starb am 14. Januar im 45. Lebensjahr und ward am 16. als Mitglied der Kantoreigesellschaft auf dem Wagen derselben und begleitet von ihr zu seiner Ruhestätte gebracht. Ein gleiches geschah dem am 10. März gestorbenen Stadtmusikus Christoph Neander und kam an dessen Stelle der 1608 entlassene Matthias Bärtigen, jetzt in Altenburg, auf sein Gesuch wieder in den Dienst. Am 25. Januar fand man vor dem Kohltore ein fremdes, ungefähr neun Monate altes Kind männlichen Geschlechts, in einem Korbe an einer Weide hängend, welches Christian getauft und einer Frau auf öffentliche Kosten zur Erziehung überlassen ward. An demselben Tage verwundete ein Soldat, Peter Schönbrod aus Zschortau einen hiesigen Töpfer' gefährlich und mußte das Land meiden. Am 25. März, mittags zwischen 11 und 12 Uhr brach in der Scheune des Ratsherren George Wend Feuer aus und brannte die Hälfte der Scheungasse nach dem Kohltor zu nieder. Die Vermutung, daß das Feuer durch Unvorsichtigkeit der Mägde, welche Asche in einem Kerbe dahin getragen, entstanden sei, ward durch die Untersuchung widerlegt. In Lorenz Ibens Gehöfte, Nr. 161 der Hallischen Gasse, wühlte am 27. April eine Sau unter dem Torwege Steine und mit diesen ein neu­geborenes totes Kind auf. Der Verdacht des Kindermordes traf die älteste Tochter des Paul Grimmer, Elisabeth und deren Mutter; sie blieben aber bei Vorzeigung der Marterinstrumente dabei, daß das Kind tot zur Welt geboren sei und brachte das, Urteil der Mutter zeitige dreijährige, der Tochter ewige Landesverweisung. Der in der Untersuchung mitbefangene Sehneidergeselle Gottfried Schoppen entkam aus dem Gefängnis des Hallischen Turmes und konnte nicht erlangt werden. Am 11. Mai betagten sich auf dem Sch1osse der Kammerrat Wolf von Rabiel und der Appellationsrat und Bürgermeister zu Leipzig Theodor Möstel, wahrscheinlich in Beziehung auf Gregorius Hochstetter, der bald darauf bestrickt und am 17. Juni auf besonderen Befehl durch den Hauptmann der Feste Pleißenburg in Leipzig, Johann Vopelius, ab­geführt ward. Der Rat gab ihnen den üblichen Ehrenwein. Der hiesige Bürger und Büchsenmeister der Defensioner, Johann Pak, ward nach Dresden zur Arbeit im Zeughause gerufen, erhielt aber Sold und Kost in Gelde von hiesigem Rate und zahlte man für dieses Jahr 139 Taler an ihn. Er zeigte sich bei der diesjährigen Belagerung der Stadt Bautzen durch geschickte Behandlung und Richtung des Ge­schützes sehr aus, warf am 1. Oktober die Wasserkunst, von welcher den Belagerern viel Schaden zugefügt ward, mit einem großen Stücke Mauer nieder und erhielt ein großes Geschenk, starb aber bald nachher. In einem Bittschreiben hiesiger Schützen an den Kurfürsten vom 9. September 1622 wird seiner in dieser Beziehung mit folgenden Worten: „was gleichwohl unser Mitbürger Hans Pak, nunmehr seliger, als Büchsenmeister in Niederlegung der Wasserkunst am Weinberge vor Ehr und Ruhm auch Geschenk erlangt, haben wir noch im frischen Gedächtnis", rühmlich gedacht. Die 48 hiesigen Bürger, welche zur Defension gehörten, gingen auf kur­fürstlichen Befehl am 3. September nach Bautzen, wo einer derselben, der Seiler Thomas Wange, am 10. Oktober, mittags 12 Uhr, bei einem Überfalle erschossen ward. Der Kaufmann Gregor Hochstetter kam am 21. August aus Leip­zig, wo er seit dem 17. Juni, man erfährt nicht aus welchem Grunde, auf der Festung Pleißenburg gefangen gehalten worden, zurück, starb aber am dritten Tage darauf, 45 Jahre alt und die Kantorei, die er zu wiederholten Malen beschenkt hatte, begleitete am 5. September seinen Sarg. Bei seinem Leben hatte er schon die Denksteine für sich und seine erste Gattin mit beider Bildnissen besorgt. Sie lagen auf den Gräbern ihres Erbbegräbnisses, von wo sie aber, nach Verwüstung des Schwib­bogens durch den Krieg, zum Andenken mit Beachtung seiner Wohl­tätigkeit gegen Kirche und Schule, in die Gottesackerkirche ge­bracht und an der mitternächtlichen Wand aufgestellt worden sind. Auch in der Stadtkirche findet sich hinter des Rats Betstube ein Denkmal von Bildhauerarbeit mit Gemälde an der Wand. Den letzten Beweis seiner guten Gesinnung gegen Kirche und Schule gab er durch eine Stiftung vom 13. März dieses Jahres, in welcher er die Zinsen von 550 Gülden, welche bei dem Rate in Eilenburg unablöslich stehen, für Geistliche, Schullehrer, Schüler in der Maße bestimmte, daß an seinem Namenstage, Gregorius, den 12. März, der Super­intendent 4, jeder Diakon 2, jeder Schullehrer 1 Gülden, ebensoviel die Mägdlein - Schulmeisterin, jeder Schüler 1 und ist er in der Kantorei, 2 Groschen empfängt. Dem Küster sollen für Reinigung der Kanzel und des Denkmals an den Festen Ostern, Pfingsten, Michaelis und Weihnachten 2 Gülden, im Fall er sie aber nicht besorgen will oder vernachläßigt, nichts gegeben werden. Der Superintendent hat die Auf­sicht über diese Stiftung und besorgt die Verteilung, wobei des Stifters Andenken in einer kurzen Rede erneuert wird. Er war hier geboren am 26. Februar 1574, der Sohn eines Kranvers gleichen Namens, der aber verarmte und sein Haus den Gläubigern überlassen mußte. Anfänglich hatte er eine Mietwohnung in der Vorstadt und hökte, erwarb sich aber bald im Handel mit Viktualien, Heringen, Getreide usw. ein Haus in der Vorstadt und brachte es durch richtige Spekulationen dahin, daß er im 24. Jahre seines Alters für den angesehensten Kaufmann des Ortes galt, der sich in der Stadt mit einem der besten Häuser (Num. 248) an­kaufte und ansehnliche Summen verleihen konnte. Da er Waren im Großen kaufte und auflagerte, so geriet er erst (wie früher bemerkt worden) mit der Stadt Leipzig in Reibung, auf deren Beschwerde bei dem Fürsten (wegen des Stapels) er den Warenhandel im Großen unterlassen mußte. Er trieb nun einen lebhaften Getreide­handel mit Anhalt, dem sich zwar die Städte und Edlen wegen Schwä­chung der Märkte und Niederdrückung der Preise widersetzten, Be­schwerden und Prozesse führten, im Ganzen aber doch nicht viel ausrichteten. Seine erste Gattin, Euphemia, starb am 21. August 1615, er verband sich aber wieder am 9. November 1616 mit Maria, Martin Marcus, Handelsmannes in Magdeburg Witwe und diese, und der Vater, welcher in Landsberg lebte (die Kinder waren vor ihm gestorben) be­erbten ihn. Sein ansehnliches Vermögen zerfloß in kurzer Zeit. Bartholomäus Hofmann, welcher wider Ratsverbot und Gerber - ordnung Leder vor der Türe walkte, ward mit einem neuen Schocke bestraft. Am 24. Dezember starb der Bürgermeister Christoph Feger der Jüngere, Ratsherr seit 1591. Er hatte von 1572 ab in Leipzig studiert, war be­gütert, beliebt und geachtet. Sein Sohn Elias ward hiesiger Stadtschrei­ber, Johann, der auch hier lebte, als geschickter Orgelbaumeister gerühmt. Zwei Taler sechs Groschen kostete ein Kupferstich, das kurfürstliche Erbbegräbnis in Freiberg vorstellend, welchen die Kirche auf sonder­lichen Befehl des Konsistoriums anschaffen mußte und zwei Taler das neue Kirchensiegel. Antonius Dulingius, Komponist von Magdeburg, welcher dem Rate sein Opus musicum von 12, 10 und 8 Stimmen ver­ehrte, erhielt 2 Taler Gegengeschenk. Der Scheffel Weizen galt 29, Roggen 26, Wintergerste 9 Groschen.


1621
In dem harten Winter dieses Jahres verdarb Weizen und Wintergerste größtenteils. Die böhmischen Unruhen ergriffen mehrere Länder. Alles warb Söldner und verschlechterte die Münze. Afterwechsler (Kipper und Wipper) ent­zogen die einheimische, gute und brachten die fremde, schlechtere in Lauf. Es stieg daher der sächsische Taler in diesem Jahre bis 8, 10, 12 und mehre Gülden, der Wert des Scheffels Weizen von 25 Groschen auf 5 Gülden, Roggen von 24 auf 4 1/2, Gerste bis 3 Gülden. Die Kanne Wein mußte von den Kirchenvorstehern mit 3, der Stein Seife zu Reinigung des Kirchengerätes mit 12, ein Fuder Kohlen mit 6 Gülden bezahlt werden. Indessen gab der Rat armen Bürgern 832 Scheffel Roggen seines Vor­rates um billige Preise hin. Die hiesigen Defensioner blieben in der Lausitz und kosteten dem Rate seit dem 3. Dezember vorigen Jahres bis Ende dieses 230 Taler. Die für sie bestimmten Kontributionen der Bürger betrugen aber weit mehr. Es entstand in diesem Jahre auch hier, wie in anderen Städten, eine kurfürstliche Münze, in welcher Achtgroschenstücke, Groschen, vielleicht auch kleinere Münzen ausgeprägt wurden. Unter dem dabei tätigen Personal wird erwähnt: Stephan Almar, Münzmeister aus Mecklenburg, Gerhard Schirm von Hildesheim, Münzohm; ein zweiter Ohm, Heinrich Rösser, Arnold und Jacob Teupler, Ernst Reinhold und Bernhard Bühne Eisenschläger. Meister und Ohm waren reiche Leute und heiratete der Ohm Schirm am 19. Februar des folgenden Jahres des hiesigen Ratsherren Balthasar Fiedlers Tochter Maria. Sie trieben das Geschäft doch nur zwei Jahre lang in dem Hause Num. 202 des vierten Viertels, welches daher den Namen Münze behielt.  Christoph Weber, eines Hausgenossen Sohn von 15 Jahren, ward wegen wiederholten Stehlens mit Ruten gezüchtigt, weil er jedoch nicht ab­ließ, ewig verwiesen. Als er demungeachtet wieder kam, legte man ihn gefesselt in das Gefängnis, wo er starb. Der Amtsschösser Samuel Heller suchte bei dem Kurfürsten um einen Raum vor dem Viehtore zu Erbauung einiger Häuser nach. Der Rat willigte gegen Revers darein, das Vorhaben blieb aber unausgeführt. Alexander von Miltitz auf Schenkenberg und Hans von Schidingen auf Wölkau drangen ihren Untertanen in Beerendorf und Sietzsch zu Pfingsten Hofbier auf, welches die Bürger wegnahmen. Beide verloren den deshalb vor dem Oberhofgerichte geführten Prozeß. Auch dem Bürger Gregor Hochstetter in Landsberg, des hier jüngst verstorbenen Hochstetters Vater nahm man ohne Vorwissen des Amtes ein­gelegtes Zerbster Bier weg, verfiel aber, weil man den Rat daselbst übergangen hatte, in Kosten und Verweis. Am 6. Juni wollte der bei hiesiger Münze angestellte Eisenschläger Heinrich Rösser aus Mecklenburg im Freien ein Rohr abschießen, es sprang aber und tötete ihn die in den Kopf geschlagene Schwanz­schraube auf der Stelle. In diesem Jahre ließ der Rat von dem Drechsler Michael Kirchhof die Cancellen vor der Ratsstube aus 37 gedrehten Stäben bestehend, fertiger., welcher beschlossene Platz auch den Musikanten bei den Adels­tänzen und Hochzeiten überlassen ward. Sie sind in dem 19. Jahrhundert erst entfernt und in zeitgemäße Form ersetzt worden.


1622
Paul Schäfer, der hier Butter aufkaufte und in das Dessauische führte, ward mit 21 und Weiland, der seine Kinder mit auf die Hochzeit nahm, mit 20 Groschen bestraft. Am 16. Februar gingen die Abgeordneten des Rates, die Bürgermeister Esaias Wiprecht und Mr. Andreas Fischer mit dem Stadtschreiber Mr. Richter auf den Landtag nach Torgau, der vom 17. Februar bis 20. März dauerte, wo hauptsächlich über das Münzunwesen verhandelt und dabei die bisherige Land- und Tranksteuer von neuem auf sechs Jahre bewilligt, die Landsteuer aber wegen des Kriegsaufwandes von 12 auf 18 Pfennige erhöht ward. Reise und Aufenthalt dieser drei Herren verursachte der Kasse 499 Taler 6 Gr. Aufwand. Vor Bautzen war manches Gerät der Defensioner verloren gegangen, welches wieder ersetzt werden mußte. Es war eine reichliche Ernte, doch stieg durch den schändlichen Geld­wucher der Scheffel Weizen hiesigen Maßes von 8 bis 13, der Roggen von 7 bis 12, die Gerste von 5 bis 8 Gülden, die Kanne Bier bis 3 Gro­schen und entstanden deshalb in den Städten bedenkliche Unruhen. Der Rat verpachtete' die Güter Neuhaus und Petersrode an den Mr. Gre­gor Luppe am 24. August.


1623
Die gute Münze war Anfang des Jahres fast nicht zu haben, daher der Wert der Dinge zu einer unglaublichen Höhe stieg. Die Fleischer konnten und wollten das Fleisch selbst nicht um die erhöhte Taxe geben und blieben, ungeachtet man sie mit 8 neuen Schocken strafte, bei ihrer Weigerung. Ebenso vergeblich war die Bestrafung eines Bauern aus Sietzsch, welcher eine Mandel Eier für einen Taler ausbot. Zu dieser Not und Verwirrung kam noch, daß man infolge der vorjährigen Land­tagsverhandlungen ein Verbot der geringen fürchtete und viele, die es erzwingen konnten, die geringe nicht nahmen. Endlich kam am 22. Juli in einem kurfürstlichen Befehle ihre Herabsetzung von zehn, acht auf eins und. am 2. September ein strenges Verbot der Wertübersetzung der alten. Jeder Groschen Übersatz (Agio) auf den Taler sollte mit einem Taler bestraft werden. Viele, selbst wohlhabende Familien gerieten da­durch in Armut, besonders litten dabei die Unmündigen, die Vormünder und Besoldeten. Die geringe Münze verlor sich, die gute blieb selten. Auf kurfürstlichen Befehl vom 21. Februar mußte sich der fünfte Teil der Bürgerschaft gehörig bewaffnet, bereit zum Abgang halten und ein anderer Befehl vom 19. März verlangte von hier Fische für das fürst­liche Hoflager in Leipzig, weshalb der Rat im Stadtgraben fischen ließ. Die Schützen erregten wegen des Fischens in dem an den Schützenhof stoßenden Graben und der Erlen daran neuen Streit (s. 1603). Bei­des wurde ihnen aber, ungeachtet das Amt sich ihrer annahm, vom Hof­gerichte zu Wittenberg abgesprochen. Gregor Hochstetters zweite Gattin, die sich vor kurzem mit Caspar Elias von Clausberg verehelicht hatte, starb am 17. April und ward in dem Hochstetterschen Erbbegräbnisse beigesetzt. Der Kämmerer Elias Kirchhof, Ratsherr seit 1603, starb am 28. Juli und am B. August der kurfürstliche Lautenist Nicolaus Hauptvogel. Auf Befehl vom 2. Juli wurden die Ämter De1itzsch, Zörbig und Petersberg mit 1000 Reitern belegt. Der Stab unter Befehl des Oberstleutnants Wolf, Grafen zu Mansfeld mit 120 Pferden kam am 5. Juli in hiesige Stadt. Die erste Anlage der Bürgerschaft für ihre Bedürfnisse 24 Groschen von einem Brauerbe, 12 Groschen von anderen Häusern, 8 Groschen von Pfahlbürgern und 4 Groschen von Hausgenossen, langte nicht, und da eine zweite gemacht werden sollte, protestierten die Bürger gegen diese Art Ausbringung und ward sie daher von den Gütern nach dem Landsteuerfuße erhoben. Von den Ratsgütern betrug sie 367 Taler 7 Gr. 1 Pf. Bei diesem Stabe befand sich unter anderen Hans Ernst von Miltitz, Quartiermeister, Hans Ludwig von Rungen, Kapitänleutnant, Christoph Friedrich von Trettau, reformierter Leutnant und Hans von Canitz. Die 172 Kannen Wein, welche der Rat Ostern und Pfingsten dem Schösser, Geistlichen, Mitgliedern des Rates etc. zum Geschenke gab, kosteten 451 Taler 12 Gr.. Die Kanne 3 Gülden (geringer Münze). Der Scheffel Weizen, nach gutem Gelde, galt 38, Roggen 35, Sommergerste 11 Groschen, Hafer 15. Wintergerste erbaute man in diesem Jahre nicht.


1624
Kurz vor Weihnachten vorigen Jahres kamen die kurfürstlichen Kom­missarien Dr. David Döring, geheimer Kämmerer und Hofrat, Heinrich von Friesen auf Rötha und Mr. Christoph Funke, Amtsschösser in Leip­zig hierher, gaben vor, daß der Kurfürst das Kriegsvolk abzudanken Willen sei, aber nicht zahlen könne und daher zu seiner getreuen Land­schaft Zuflucht nehmen müsse. Sie verlangten von der Stadt ein Anlehn von 6000 Gülden, welche aus der Kammer verzinst werden sollten, schilderten den Vorteil, den das Land, namentlich die Städte von der Entfernung des beschwerlichen Volks haben würden und erklärten end­lich rund, als der Rat das Unvermögen der Stadt bei der bisherigen starken Einlegung des Mansfeldischen Stabes vorstellte, daß jetzt Not an den Mann gehe und man entweder Hilfe tun oder eine Anzahl Soldaten aufnehmen müsse, worauf man einen Vorschuß von 2000 Gülden verwilligte. Da diese 2000 Gülden nicht aufgebracht werden konnten, so mußte man zu Veräußerungen der Grundstücke Zuflucht nehmen und man brachte die Summe in der Maße auf. 245 Schock erhielt man für den Dübischen Werder, den man an den Amtsschösspr Johann Schu­bert und Gastwirt Christopis Thiele in Düben um diesen Preis versetzte. Das bisherige Pachtgeld von demselben betrug jährlich 15 Schock 45 Groschen; 70 Schock oder 200 Gülden gab Martin Karrbaum für die an ihn verkaufte Wiese bei Spröde; 241/2 Schock oder 70 Gülden George Weber von Bendorf für 1/2 Acker Wiese; 21 Schocke George Schreiber daselbst'auch für 1/2 Acker Wiese; 399 Schocke 57 Gr. mußten die Bürger der altert und neuen Stadt, auf dem Damme, Rosenthale und Gerberp1an, inhalts besonderer Register contribuiren und 70 Schocke des Rats Dorfschaften als Gertitz 35, Werben 341/2, Bendorf 101/2 Schock, summarisch 847 Schocke 57 Groschen. An diesem Darlehne ver­lor der Rat, weil kurz nachher im Erzstifte Magdeburg die neuen Dreier angesetzt und andere Sorten gültig wurden, 21 Schocke 10 Groschen, am Achter. 2, am Fünfer 2, am Dreier 1 Pfennig. Es war ein harter Winter und erfror hier ein Soldat und ein armes Weib. Durch plötzliches Auftauen verdarben die Wege so, daß die Amts­bauern zu Bestreuung derselben (mit Holz) angehalten werden mußten. Die Defension kostete dem Rat 105 Taler 10 Gr. 3 Pf. Hauptmann war Johann Schenk, dessen Bruder Fährich, Robenbach Webel und David Silber Büchsenmeister. Sie hatten am dritten Osterfeiertage und 12. No­vember große Übung und Musterung und der Rat hielt sie jedesmal frei. Der Superintendent hielt am 27. März die Leichenpredigt des Tischlers George Schuster, auf dem Damme, in der Hospitalkirche, die erste in dieser Kirche und die zweite am 2. Oktober bei dem Begräbnisse des Lorenz Grimmer von Gertitz. Hans Spiegel zu Zschortau erklärte am 11. Juni vor dem sitzenden Rat, er und Jeremias Götze hätten im vorigen Jahre den Ade1stanz ihrem Vermögen nach, hoffentlich zu allgemeiner Zufriedenheit angerichtet, darauf den Kranz in Schachteln an Otto von Crostewitz und Otto Hagken geschickt, welche ihn aber nicht angenommen. Weil nun wegen Kürze der Zeit keine Anderung zu treffen sei, so wolle er gegen alle Anrech­nung unangenehmer Erfolge protestieren. Der Adelstanz wurde also in diesem Jahre zum ersten Male nicht gehalten und hörte auch wegen der immer mehr sich häufenden Kriegslasten gänzlich auf. Am 2. September ließ der Rat, sein Recht zu sichern, die Spröde bejagen. Der Bürgermeister Esaias Wieprecht starb am 17. September und ward am 19. mit einem Traueraufwande der Ratskasse von 22 Talern solenn begraben. Er war hier geboren, hatte von 1572 ab in Leipzig die Rechte studiert und 1590 eine Stelle im Rate erlangt, dem er seit 1613 als Bür­germeister mit nicht geringem Ansehen und Einflusse vorstand. Am 29. November traf der Kurfürst zur Jagd in Bitterfeld ein. Diese Jagd dauerte bei ungestümem Regenwetter bis 11. Dezember und wurden 160 Sauen erlegt. Auch diesmal mußten von hiesiger Bürgerschaft Betten zusammengebracht und durch Ratsherren dahin geschafft werden. Die Professoren von Wittenberg Dr. Balduin und Mr. Erasmus Schmidt, gemeiner Stadt Förderer, waren hier und erhielten vom Rate 7 Taler Auslösung. Der Nachrichter Daniel Dietrich in Jüterbogk, auch Besitzer der hiesigen Scharfrichterei seit 1619, starb und kaufte .sie von den Erben der Sohn Hans Dietrich, welcher 10 Taler 12 Gr. Gesamtlohn der Erben und ebensoviel Annahmelohn für sich zahlte, übrigens aber 10 Gülden Erbzins jährlich mit etlichen Kannen Fett zu geben hatte. Der Scheffel Weizen galt 30, Rogen 26, Wintergerste 24, Sommergerste 101/2 Groschen.


1625
Dem neuen Büchsenmeister, Gottfried Krumbiegel, den man am 14. Januar annahm, gab man 60 Taler jährlichen Lohn. Man fing an statt ganzer nur halbe Biere zu brauen. Am 10. Februar beschädigte ein ungewöhnlicher Sturm viele. Gebäude und am 15. Juni wo ein heftiges Donnerwetter dem anderen folgte, sah man ringsumher in der Nähe und Ferne brennende Ortschaften, denen man, wegen eigener Gefahr, nicht helfen konnte. An demselben 10. Februar erschoß ein Soldat, Georg Jahn von Belgern der Bürgermeisterin Wieprecht, Knecht, Martin Kühne von Naundorf, bei der Kämmerei gelegen, auf Gertitzer Mark und raubte die Pferde. Am Osterheiligenabend hielten sieben Lesterer feil. Im Februar und März verbreitete sich die Pockenkrankheit und starben Kinder und Erwachsene daran. Der Mangel an Gelde erzeugte Zinswucher, daher die alte Verordnung des Herzogs Georg, welche den Zins auf Fünf vom Hundert festsetzte, in einem Befehle vom 28. April erneuert, und die Übertretung mit har­ter Strafe bedroht ward. Da auch bei den übermäßigen Lasten Wohlhabendere Kapitale einzu­ziehen genötigt waren, so kam der Rat als man ihm einige für den Kurfürsten und sich, namentlich auf Neuhaus und Petersrode erborgte kündigte, in.große Verlegenheit. Es schien nicht geraten, diese Ritter­güter in so gefährlicher Zeit zu halten und da der Pächter derselben, Mr. Luppe, Lust zeigte, sie zu kaufen, trat man mit ihm in Unterhandlungen. Über den Gottesdienst in der Hospitalkirche war seit der Reformation nichts bestimmt, der frühere Fonds dazu dem Gotteskasten zugeschlagen. Das Hospital gab dem Geistlichen, der auf Verlangen von Zeit zu Zeit den Hospitaliten predigte und Kommunion hielt, ein willkürliches Geschenk. In diesem Jahre aber, am 18. Mai, setzte man die Zahl der Predigten fest und jedem der drei Geistlichen, bis die Visita­toren oder das Konsistorium etwas anders verordnen würden, für jedesmalige Predigt und Kommunion einen Taler aus. Der ungebührlichen Steigerung der Zimmerer- und Maurerlöhne suchte man dadurch zu steuern, daß man dem Meister täglich 6, dem Gesellen 5, dem Tagelöhner 2 Groschen, dem Boten aber für die Meile I Gr. 9 Pfg. verstattete. Die Drescher sollten um den dreizehnten dreschen oder vom Scheffel Wintergetreide 2, vom Sommergetreide 1 Gro­schen erhalten. Durch die streifenden Heere verbreitete sich ein gefährliches Fieber (febris maligna.), dem hier vom Eintritte des Herbstes an gegen 150 Personen unterlagen. Unter anderem starb daran der gelehrte in Geschäften gewandte und für den Augenblick nicht zu ersetzende Stadtschreiber Mr. Johann Richter am 17. Oktober. Die Zahl der diesjährigen Verstorbenen stieg bis 206 und es schien, wie man bemerkt hat, daß jede andere Krankheit mit dieser ihren Ausgang nahm, womit man wohl sagen wollte, daß sie vorherrschend war. Auch ward es im Oktober mit der Ankunft des kaiserlichen Heeres unter Wallenstein in Halle so unsicher, daß die Feldbestellung unter­blieb und das Landvolk sich von den Wochenmärkten zurückhielt. Der Scheffel Weizen galt 36, Roggen 30, Gerste 28, Hafer 18 Groschen.


1626
Am 6. Januar verkaufte der Rat die Rittergüter Neuhaus und Petersrode an Mr. Gregorius Luppe, bisherigen Pächter derselben, für 47 000 Gülden, den Gülden zu 20 Groschen gerechnet. Ungewöhnliche Stürme im Januar beschädigten die öffentlichen Gebäude und hatte Kirche und Rat für Wiederherstellung derselben be­deutenden Aufwand. Die 1619 für jeden Wochentag angeordnete, bisher aber nicht zum fleißigsten besuchte Betstunde, ward durch einen kurfürstlichen Befehl vom 10. März ernstlich erinnert, eine neue Buß- und Betordnung be­kannt gemacht und das-Tanzen auf Adelstänze und Wirtschaften beschränkt. Die kaiserlichen Söldner im Magdeburgischen streiften und beschädigten die Umgegend und als am 15. April ihr Anführer Wa11enstein den Grafen von Mansfeld bei der Dessauer Brücke schlug, flüchtete viel Volk vom Lande in hiesige Stadt. Auf einen starken Schnee am 16. Mai folgte des Nachts ein harter Frost, dann aber jähe Wärme und so viel Ungeziefer, daß man in wenigen Tagen fast nichts vom jungen Laub der Bäume übrig sah. Der Typhus vorigen Jahres zeigte sich in den Winter- und Frühlingsmonaten minder heftig, nahm aber mit dem Eintritte des Juni so überhand, daß die Stadt 830 Einwohner verlor und 50 Verstorbene, weil die Totengräber ihre Namen vergaßen, in das Totenbuch der Kirche namentlich nicht eingetragen werden konnten. In dem einzigen Monate September starben 229, an einzelnen Tagen 20 bis 30, und man bemerkte als etwas Auffallendes, wenn ein Tag ohne Leiche blieb. Zahlreiche Familien starben mit ihrem Namen aus. So folgte dem am 2. August gestorbenen Konrektor Mr. Heinrich Heidenreich in vierzehn Tagen sein Weib mit vier Kindern und die Familie erlosch. Kein Haus war ohne Trauer. Das Ratskollegium verlor drei seiner Mitglieder, David Gerhard, den Käm­merer Johann Burgmann und den Stadtrichter Johann Kirchhof. Der gefährlichen Krankheit ungeachtet hielt der Kurfürst in den Ge­hölzen bei Bitterfeld Hirschjagd, blieb aber, weil auch dieser Ort an­gesteckt war, bei Hans von Schönfeld in Löbnitz und mußten von hier, aus nicht infizierten Häusern, Betten dahin geschafft werden. Der Scheffel Weizen galt 24-30, Roggen 18-22, Gerste 16, Hafer 30 Groschen.


1627
Ein sächsischer Soldat ward auf der Leipziger Straße von einem kaiserlichen verwundet und starb am 15. Januar im hiesigen Hospitale an seinen Wunden. Drei Knaben, Andreas Fischer, Peter Petzsche und Christian Fischer, gingen im Mai, Februar und Juli von hier nach Pforte ab. Am 4. März stürzte ein Stück der Stadtmauer ein und ward auf Befehl eiligst hergestellt. Sieben Dorffleischer, Lästerer, hielten am Osterheiligenabende auf hiesigem Markte feil. Am 6. April starb der Bürgermeister Urban Kirchhof, Ratsherr seit 1600, und die Kasse bezahlte mit 21 Talern den Traueraufwand. Der Maler Peter Hellender aus Chemnitz verehrte dem Rate, als er das Bürgerrecht empfing, des Kurfürsten Bild, welches man in der Ratsstube aufhängen ließ. Abgaben und Lasten wurden täglich drückender und fast unerschwinglich. Außer der hohen Land- und Tranksteuer hatte man das Soldatengeld, welches jährlich viermal, jedes Mal 6 Groschen von einem Brauerbe, 3 Groschen von einem Pfahlhause gegeben werden mußte; die Unterhaltung der Defension und die schwere Verzinsung der für den Kurfürsten und sonst aufgenommenen großen Darlehne, die ge­kündigt und eingeklagt wurden, durch neue aber in dieser gefährlichen Zeit nicht gedeckt werden konnten. So verklagte Hans von Scheidingen den Rat bei dem Oberhofgerichte wegen der für den Kurfürsten 1613 geliehenen 4000 Gülden, man erlangte aber auf Bericht kaum die rück­ständigen Zinsen dieses Jahres. Nur bei der Defension erhielt man durch Zuschlagung von 65 Talern aus dem Amte und 9 Talern von der Stadt Taucha für den Fähnrich, welcher 100 Taler und den Trommelschläger, welcher 12 Taler Gehalt empfing, einige Erleichterung. Sie kostete dennoch dem Rate, außer 38 Talern zu Erfüllung des Soldes dieser bei­den, 75 Taler (nicht gerechnet den Aufwand bei der Musterung am 13. und 14. Juli) und weit mehr der Bürgerschaft. Der Rat war in solcher Verlegenheit, daß der Verkauf der Rodeländer auf Görlitz, der Naundorfer und,Elberitzer Mühle und die Verpfändung des Dorfes Gertitz zum Vorschlage kam. Namentlich drückte ihn der Umstand, daß derKäufer derRittergüter Neuhaus und Petersrode die terminlich bestimmten Kaufgelder, mit welchen man die beim Er­kaufe derselben aufgenommenen Darlehne decken wollte, nicht zahlte, zu zahlen nicht vermochte und in Konkurs geriet. Hans von Scheidingen, der eine Nachsuchung der Bürger in Sietzsch wegen fremden Bieres nicht dulden wollte, behauptend, daß es außerhalb der Mei1e liege und deshalb Prozeß anfing, veranlaßte eine Ausmessung, welche der Amtsschösser Philipp Pastor in Zörbig als Kommissarius mit Urban Franz, einem öffentlichen Notare, dem Land­richter, zwei Landschöppen in Beisein zweier Ratsherren und sieben Bürgern am 17. Oktober d. J. vornahm. Man fand aber von der Halb­sehen, Mansfeldischen Brücke bis Quering 15 Schock, von Quering bis Peterwitz 11 Schock, von Peterwitz bis Klitzschmar gleich der Kirche 4 Schock, von da bis Sietzsch an den großen Stein bei der Küsterei 15 Schock Ruten und fehlten so nach an der Meile, welche 60 Schock Ruten hält, 15 Schock. Hiermit war die Sache gegen den von Scheidingen entschieden, da man aber gern wissen wollte, wie weit sich eigentlich die Meile erstreckte, so fuhr man gegen Klepzig fort zu messen, erreichte aber dieses Dorf nicht, sondern die 15 Schock Ruten endeten ungefähr 300 Schritte vor dem Dorfe, wo man die Grenze der Meile mit einem eingesenkten: Steine bezeichnete. Man brauchte zu der Ausmessung eine Kalesche mit einem angesteckten Vorderrade von 71/2 Elle Weite, welches bei jedem Umtriebe klappte. Ein Landschöppe, der vorn aufsaß, rief den jedesmaligen Umlauf aus, alle Übrigen schrie­ben, die Kommissarien ausgenommen, welche von Zeit zu Zeit halten . ließen und fragten, ob die Zuschläge bei allen übereinstimmen. Zu gleicher Zeit maß man auch die Entfernung bis Kletzen, Hohenossig, Lehelitz, Rabutz, Reußen, Radefeld, Werlitzsch und fand von der Brücke des breiten Tores bis Kletzen in die Schenke 45 Schock, von da bis Hohenossig 3 Schock 30 Ruten, vom breiten Tore bis Lehelitz vor die Schenke 43 Schock, von der ha11ischen Brücke bis Radefeld 50 Schock, bis Werlitzsch 58 Schock, nämlich von der hallischen Brücke bis Naundorf (Kattersnaundorf) 191/2, von Naundorf bis Grabschütz 8, von Grabschütz bis Zwochau 41/2, von Zwochau bis Gre­behna 5, von Grebehna bis Glesien, dem Schenken unter die Fenster 12, von Glesien bis Werlitzsch 9 Schock Ruten, von der hallischen Brücke bis Reußen 1 Meile, nämlich bis Zschernitz 27, von Zschernitz bis Reins­dorf 22, von Reinsdorf bis Reußen, dem Schöppen in den Hof 11 Schock Ruten. Bei der Messung nach Rabutz fand man von der hallischen Brücke bis Gertitz 4 Schock, von Gertitz bis Lissa an die Mühle 18, von da bis Kölsa 14, von da bis Wiedemar in die Schenke 7 Schock 30 Ruten, von da bis Wiesenena 11 Schock und von da bis Rabutz an die Weiden 5 Schock 30 Ruten, von da bis in das Dorf 1 Schock 15 Ruten. Die Zimmerleute mußten losen, in welcher Ordnung sie auf Befehl des Kurfürsten die Feldzüge begleiten sollten. Das Baden und Schröpfen wurde nur dem Bader gestattet, allen übrigen bei Strafe untersagt. Der Scheffel Weizen galt 21-24, Roggen 17-15, Wintergerste 10, Sommergerste 9, guter Hafer 12-15 Groschen.


1628
Mit diesem Jahr trat bei der Kämmerei und Kirche statt der bisherigen Rechnung nach Neuschocken die nach Gülden ein. Am 28. Januar verordnete der Rat, daß der übergangen werden solle, welcher zum Brauen, wenn ihn die Reihe trifft, nicht fertig ist. Zugleich wurden die übermäßigen Löhne der Brauarbeiter herabgesetzt. Dem Kantor Alberus und dritten Lehrer Keilenberg verwies man ihre Amtsvernachlässigungen und drohte dem letzteren mit Absetzung. Der Kurfürst schenkte der Kirche 200 Gülden Strafgelder, welche dafür zwei silberne Kannen zum Gebrauche bei der Kommunion fertigen ließ, welche noch im Gebrauch sind. Zu dem Fähnrichtsgelde mußte von jedem Brauerbe 3 Groschen, vom Pfahlhause die Hälfte gegeben werden. Fähnrich der Defensioner aber war Wolf Balzer von Crostewitz. Zu dem Landtage in Torgau, welcher vom 17. Februar ab vier Wochen. dauerte, gingen die Bürgermeister Fischer und Richter mit dem Stadtschreiber. Die bisherige Tranksteuer blieb, die Landsteuer aber ward von 18 Pfennigen auf 22 erhöht und sollte das Mehr zu Tilgung der Kammerschulden, von denen die Stände überdies einen Teil über­nehmen mußten, verwendet werden, ein guter Vorsatz, den aber die böse Zeit nicht zur Anwendung kommen ließ. Auch ward eine Fleischsteuer, vom Pfunde ein Pfennig, bewilligt, welche bei der Bekannt­machung am 9. Juni Unruhen erregte. Die Fleischer wurden vereidet, das Gewicht des man ihnen für die Bank und in den Häusern der Ein. wohnen geschlachteten Viehes gewissenhaft anzuzeigen und bei dem Gleitsmanne zu vergeben. Die Fleischer tumultierten gegen die Lästerer. und verbüßten es mit 28 Gülden. Am 7. Mai, nachmittags zwischen 5 und 6 Uhr schoß Erasmus von Schönfeld auf Sömmeritz die hinterlassene Tochter des Wolf Rudolph von Ende auf Zschepplin, Sausedlitz und Badrin, Susanne, in ihrer Mut­ter Sidonia Stube zu Badrin, vorsätzlich mit einem Pistol in die linke Brust, daß sie auf der Stelle tot blieb. Gegen den Flüchtigen wurde der peinliche Prozeß eingeleitet und die Ladung am 31. Dezember hier angeschlagen. Am ersten Sonntag nach Trinitatis ward auf Begehren des Rates, daß die zur zweiten Ehe Schreitenden, bevor sie nicht die Auseinander­setzung mit ihren Kindern erster Ehe durch einen Schein des Rates nachgewiesen, nicht aufgeboten und getraut werden könnten, von den Kanzeln verkündigt. Es war Gewohnheitsrecht, daß die Witwe von aller fahrenden Habe ihres Mannes die Hälfte erbte. Ein Gleiches fand statt bei den liegenden Gründen in der Stadt; dahingegen kamen alle liegenden Güter des Ver­storbenen außerhalb der Ringmauer an die Kinder oder sonstigen Erben. Über dieses Gewohnheitsrecht stellte der Rat in diesem Jahre nach ge­meinschaftlicher Beratung Atteste aus. Michael Stoie aus Zwochau, ein Bruder des Kreumaischen Pfarrers Zacharias Stoie, ward am 18. Dezember auf Rubach Mark ermordert und sein Körper vom Bruder zur Beerdigung in Zwochau erbeten. Die Ratsherren hatten jetzt folgenden jährlichen Sold:
43 Gülden 5 Gr. der Bürgermeister, als
26 Gülden 14 Gr. beim Jahresschlusse,
4       „     12   „   am Ostermarkt,
2       „       6   „   am Michaelismarkt,
4       „     12   „   zu Weihnachten,
1       „       3   „   Küchengeld,
4       „        -   „   Holzfuhre.

24 Gülden 7 Gr. jeder Ratsherr, als
13 Gülden 7 Gr. beim Jahresschlusse,
2       „     6 „   am Ostermarkte,
1       „     3 „   am Michaelismarkt,
2       „     6 „   zu Weihnachten,
1       „     3 „   Küchengeld,
4       „     -   „   Holzfuhre.

5 Gülden 15 Gr. der Jungherr als Schenke,
13     „     7   „   der Bauherr,
20     „     -   ,,   der Stadtrichter mit den Beisitzern;
80     „     -   „   der Stadtschreiber, für Kost, Kleidung und Mühe bei den Einnahme-Registern aller Art;
8       „     12 „   derselbe für Licht. Er hat überdies freie Wohnung und 12 Klaftern Scheite aus der Spröde.

Der Musikus und Türmer erhielt jährlich 64 Gülden 15 Gr., zum Neuen Jahre 1 Scheffel Roggen und 6 Gülden 3 Gr. zur Bekleidung. Der Kantorei gab man zu ihrem Schmause 5 Kannen Wein, am Werte 1 G. 19 Gr. -, 5 fl. 15 gr. bar und erließ ihr an ihrem aus dem Rats­keller genommenen Biere 5 G. 15 gr. Der Schmaus beim Ratswechsel kostete 45 G. 14 Gr.10 Pf. Die Dreherschen Erben erhielten wegen 1000 Gülden Kapital, die Wein­richschen wegen 500 Gülden, Schuld des Rates, auf die Dörfer Gertitz, Werben und Benndorf Einweisung. Der Scheffel Weizen galt 21, Roggen 12, Gerste 7-10, Hafer 7 Groschen.


1629
Als der Rat Superintendent Dr. Strauch im Jahre 1618 das Pfarrholz roden ließ, um es zu Wiese zu machen, so gab ihm der Rat, der ihm ge­wogen war, bis die Wiese tragbar würde, jährlich 10 Schock Reisigholz aus der Spröde. Diese Wiese war seit mehreren Jahren in dem besten Stande, gab reichlicheren Ertrag als das vorige Holz und wollte der Rat die 10 aus der Spröde jährlich gegebenen Schocke in diesem Jahre zu­rückhalten, der Superintendent widersprach aber, es entstand deshalb Prozeß und verlor ihn der Rat, weil man diese 10 Schock ohne Vorbehalt der Rückforderung matrikuliert fand. Die Rechnung der Kirche in Benndorf war von jeher auf dem Rathause abgenommen worden, daher man auch diesmal darauf drang. Am 5. Mai war ein starkes Schloßenwetter, welches dem Getreide viel schadete. Die Brauerschaft machte an der Pfingstmittwoch einen Ausfall nach Brinnis, wo die Bauern Eilenburger Bier eingelegt hatten. Sie wider­setzten sich der Wegnahme des Bieres, läuteten Sturm, die Nachbarn von Luckowehne und Hohenrode eilten zu Hilfe und entstand ein sol­cher Aufruhr, daß drei Bauern erschossen und mehrere Bürger tödlich verwundet wurden. Der Rat publizierte am B. Mai eine Hausgenossen-Ordnung die­ses Inhalts:
1. Welcher zum Hausgenossen in oder vor der Stadt unter E. E. Rats Botmäßigkeit ziehen will, soll sich auf dem Rathause bei dem Rate angeben, seinen Wirt und Kundschaft mitbringen und wegen der Anmeldung Bescheids erwarten.
2. Wenn er nun auf seine Kundschaft angenommen wird, soll er ein gut Schock Anzugsgeld niederlegen, ehe und zuvor er seinen Haus­rat hereinschafft.
3. Und darauf dem regierenden Bürgermeister angeloben, daß er sich E. E. Rates Gebot und Verbot unterwerfen, auch also verhalten wolle, daß über ihn keine Klage kommen möge.
4. Und daß er den Bürgern auf ihr Begehren um einen billigen Lohn arbeiten und seine Kinder nicht zum Betteln ziehen wolle.
5. Hierüber soll er jährlich acht Groschen Schutzgeld geben, da es aber eine einzelne Person, vier Groschen.
6. Mehr soll er 6 Schock Reisholz in der Spröde hauen, oder dafür 8 Groschen auf Walpurgis, eine einzelne Weibsperson aber vier, Groschen einbringen, doch soll bei dem Rate stehen, die Dienste oder Geld zu fordern.
7. Endlich soll er helfen ohne Entgelt auf des Rates Wiesen das Heu und Grummet machen und den Markt, so oft es nötig, kehren, auch zur Besserung der Wege Schutt einwerfen, bei dem Fischen das Schilf aushauen, im Petri Pauli Markte wachen und was der­gleichen geringe Arbeit mehr ist.
8. Auch für dieses alles dem Wirt, daß er dafür gut sage, zum Bür­gen vorstellen.
Veranlassung zu dieser Ordnung gab ihr besorgliches, durch Vermeh­rung der Mieten erleichtertes Eindringen, ihre Abgabenfreiheit, unbillige Lohnsteigerung, Arbeitsscheu und Anhaltung der Kinder zur Bette­lei. Am 3. Juli ward Elias Naumann von Gollm mit dem Schwerte hingerichtet. Die Scharfrichterei kam von Hans Dietrich an Frau Esther, Valentin Heilands Tochter. Sie soll nach dem Lehnschein vom 30. März d. J. im Ratsprotokolle dieses Jahr geben: 10 Mfl. jährlichen Erbzins, halb zu Ostern und halb zu Michaelis, 12 Mfl. Lohn auf den Fall, 5 Pfund Fett in die Mühle, eine tüchtige Haut zu Ausbesserung des Geschirres im Marstalle, 8 Paar Handschuhe jährlich; von den Tieren der Bürger die Haut für 1/2 Mfl. abziehen und zurückgeben. Der Kantor Alberus ward wegen Unfleißes abgesetzt und an seine Stelle Christoph Kohl, ob er gleich in der Musik nicht allzu stark war, doch wegen seiner Sprachenkenntnis und Lehrtätigkeit am 11. November an­genommen. Bei dem kurfürstlichen Jagdlager in Bitterfeld (im Dezember) gingen viele von hier dahin geschaffte Betten verloren. Der Scheffel Weizen galt 30, Roggen 18-26 Groschen. Das am 6. März veröffentlichte kaiserliche Religionsedikt, welches ver­langte, daß die von den Verwandten der Augsburgischen Konfession nach. dem Passauer Vertrage (1552) eingezogenen Kirchengüter den Katholischen zurückgegeben, von Kommissarien ermittelt, übernommen und diese im Weigerungsfalle von kaiserlichen Heerabteilungen unterstützt werden sollten, kam in den letzten Monaten zur allgemeinen Sprache, erregte ungemeine Erbitterung im Volke und dringende Auf­forderung zu allgemeiner Bewaffnung für die augenscheinlich gefährdete Landes-Religion.


1630
Der Gottesacker, durch die ansteckenden Krankheiten der letzten Jahre überfüllt, mußte vergrößert werden. Der Rat kaufte daher Hans Mahns Haus für 170 Gülden am B. Februar, Mr. Georg Frankens Scheune für 40 Gülden am B. April und von Georg Kirchhof einen Raum für 30 Mfl. und vergrößerte ihn. Es ist der tiefer liegende Teil gegen Westen, von dem jedoch in neuerer Zeit ein Stück Garten der Ökonomie geworden ist. Zu gleicher Zeit versah man ihn mit neuen Ringswänden und führte die Löschung der Grabstätten ein. Am 7. Juni ward Elias Naumann von Wölkau, bei dem Amte verhaftet, mit dem Schwerte hingerichtet. Am 25., 26. und 27 Juni feierte man zum Andenken der Überreichung Augsburgischer Konfession das Jubelfest. Rat, Amt, Geistlichkeit, Knaben, Mädchen und Bürger zogen unter Glockengeläut in die mit Blumen und Zweigen geschmückte Kirche, wo der Gottesdienst nach allgemeiner Vorschrift gehalten ward. Zugleich hielt der Superintendent Synode und verehrte der Rat der versammelten Geistlichkeit 3 Täler 8 Gr. an Wein. Ein Mühlknappe erhing sich bei Hans List, dem Stadtmü11er und ein Fuhrmann in Stephan Beckers Garten. Beide begrub des Nachrichters Knecht an einem besonderen Ort und er empfing dafür 5 Täler. Am 22. August starb die Gattin des Dr. Georg Kirchhof, Magdalena und ward gegen Erledigung von 20 Tälern im Chor der Gottesackerkirche begraben. Der Schenke von Sietzsch fuhr mit einem schwer beladenen Wagen am 16. Oktober dem Zimmergesellen Johann Sander aus Wiedemar über den Leib. daß er sogleich starb. Wegen der Einfälle der Kaiserlichen in das Erzstift Magdeburg und der Unsicherheit mußten auf kurfürstlichen Befehl die Tore stark mit Wache besetzt werden. Weil sich zu gleicher Zeit viele Flüchtende eindrängten, so machte der Rat unterm 20. Oktober bekannt, daß keiner ohne Vor­wissen des Rates einen Fremden, der nicht auf der Durchreise begriffen, bei Strafe einnehmen solle. Der von Halle flüchtende wohlhabende Goldschmidt Christoph Becker machte sich ansässig und ward am 15. November Bürger. Der Pfarrer zu Gollm, Paul Richter, trieb in der Pfarre Bierschenk, was ihm auf Beschwerde verwiesen ward. Der Scheffel Weizen galt 30-24, Roggen 28-24, Sommergerste 21, Wintergorste 6, Hafer 15 Groschen, der Stein Wolle 3 Taler.


1631
Der Superintendent Mr. Cruciger verglich sich am 18. Januar mit dem Rate und nahm für die verstrittenen 10 Schock Reisig jährlich 8 Taler. Die Defension kostete gegen 500 Gülden. Der Hauptmann Hans Schenk ward mit allen Bedürfnissen von der Stadt versehen. Sie bestand aus Bürgern mehrerer Städte, lag hier in den ersten drei Monaten des Jahres und ging am 1. April nach Wittenberg. Die Mitweidische und Döbelnsche, welche schon auf dem Wege war, hier einzurücken und die hiesige zu verstärken, erhielt daher Weisung zum Rückgang. Anfang des Februar fanden sich auf Einladung des Kurfürsten vom 29. Dezember vorigen Jahres die der Augsburgischen Konfession ver­wandten Fürsten, meistens persönlich, zu gemeinschaftlicher Beratung wegen des nunmehr durch das Heer des Tilly im Erzstifte Magdeburg und sonst in Ausführung gesetzten Religions-Ediktes und der bedenk­lichen Vorschritte Schwedens in Leipzig ein, wo man dann nach langer Beratung (unter abwechselnden Vergnügungen aller Art) und von den zugleich dahin berufenen Geistlichen erlangter Überzeugung, daß man von der Augsburgischen Konfession nicht abgewichen, dieses vielmehr ein leeres Vorgeben der katholischen Gegner sei, am 2. April zu dem Entschlusse kam, sich zwar kräftigst zu rüsten, die angebotene Hilfe Schwedens aber abzulehnen und den Kaiser mit dieser Nachricht zu friedlichen Unterhandlungen aufzufordern. Hier rüstete sich nun die gesamte Bürgerschaft. Man befestigte die Stadt nach Möglichkeit, trug die alte Ziegelscheune ab, erhöhte die Mauer und erweiterte die Graben, wo es nötig schien. Der Rat suchte in Leipzig Musketen, sie waren aber nicht verkäuflich - es fehlte an Kraut und Loth. Man kaufte für die kaiserlichen Heere in dem Magdeburgischen in hie­siger Gegend viel Getreide auf, der Kurfürst untersagte aber bei harter Strafe die Ablaßung. Vom 2. bis 27. Mai lag der Rittmeister Cositz hier, dessen Reiter die Straßen und Dörfer gegen die Umschweif er sichern sollten, am 29. Mai aber rückte der General-Wachtmeister Hans Rudolff von Bindhauff mit seinem Reiter-Regiment ein und hielt die Stadt bis zum 20. August be­setzt. Sein Regiment bestand aus vier weißen Corneten Kürassierer und fünf grünen Arquebusirer und war 1200 Pferde stark. Es war für ihn eine Küche und Sommerlaube auf dem Markte errichtet, auch stand da­selbst Stockhaus, Justiz und Esel. Er hielt, so viel es sein konnte, gute Manneszucht und verbot seinen Leuten am 4. Juni das Abhauen des Wiesengrases und das Fischen im Lobergraben bei Leib- und Lebens­strafe, es wurden ihm aber auch vom Rate große Geschenke vorzüglich an Wein gemacht. Vom 15. Juni bis 12. Juli war eine Ständeversammlung in Dresden. Es wurden zu der Defension noch 2 Pfenninge auf die ohnehin schon hohe Landsteuer von den Erbgütern, von der Ritterschaft 200 000 Gülden Donativ- und Präsentgeld, übrigens aber noch von gesamter Landschaft auf 16 neue Schocke 1 Metze Roggen und 1 Metze Hafer bewilligt. Am 22. Juli ward ein Korporal und Gemeiner wegen verübter Gewalt­tätigkeiten in Mitte des Marktes auf einem Fuder Sand, welchen der, Rat anfahren ließ, hingerichtet. Die beispiellose Grausamkeit, die man an den Einwohnern der am 10. Mai erstürmten festen Stadt Magdeburg verübte und die Androhung gleicher Behandlung, die man überall offen aussprach, verbunden mit den Plünderungen und Mißhandlungen der in das Land schweifenden kaiserlichen Söldner und der Bekanntwerdung des kaiserlichen Mißfallens an dem Leipziger Beschlusse und der in die­ser Beziehung gegen den Kurfürsten geführten bedrohlichen Sprache, brachte in hiesige, dem Magdeburgischen nächste Gegend ungemeine Furcht, die Vornehmsten aus den nächsten Städten und Dörfern flüch­teten mit ihrer besten Habe hierher und die Landgeistlichen unter, stützten das hiesige Ministerium in der Amtsausführung. Am 20. August des Nachts brach Bindhauff mit seinem Regiment auf nach Leipzig, wo das ganze sächsische Heer auf der Fläche vor dem Hallischen Tore am 22. Musterung hatte und am 24. durch die Stadt nach Torgau zog. Durch den Abzug des Bindhauff war die Stadt ohne alle Bedeckung. Der Rat schrieb daher am 25. August an den Hofmarschall und Obersten von Starschedel und bat, daß man wenigstens zu Anführung der Bürger den bei der Delitzscher Defension in Wittenberg angestellten gefreiten Korporal Abraham Voigt hierher schicken möchte, welcher sich indessen heimlich mit anderen aus der Festung entfernt hatte und auf dem Wege hierher begriffen war. Am 7. September traf das bei Düben vereinigte, schwedisch-sächsische Heer mit dem des Tilly auf der Fläche zwischen Breitenfeld und Seehausen zusammen. Die Sachsen, welche auf dem linken Flügel des Heeres für sich kämpften, hatten, weil man sie als nur geworbene, unerfahrene Krieger für die leicht werflichsten hielt, den heftigsten Andrang, wurden umgangen und bis auf einen Abteil, der sich in Ord­nung zurück, und nach dem schwedischen, linken Flügel zog, zerstreut. Für diesen leicht vorher zu sehenden Fall hatte der König durch gnügliche Deckung seines linken Flügels gesorgt, und da der verfolgende Feind, siegestrunken, teils durch Abgang der Plünderer, teils durch ge­wagtes Vordringen günstige Blöße gab, so warf er schnell seinen Rück­halt dahin, gewann ihm mit den übrigen Sachsen die rechte Seite ab, brachte dadurch den Kern des feindlichen Heeres, da auch sein rechter Flügel vordrang, zwischen zwei Feuer und erhielt in wenigen Stunden den vollständigen Sieg. Die Schlacht, welche nachmittags zwei Uhr be­gann, endete mit der Abenddämmerung. Tilly entging nur durch Zufall der Gefangenschaft. Was sich von seinem Heere nicht zeitig entfernt, nach Leipzig, Merseburg, Halle geflüchtet hatte, ward von verfolgenden Reitern und mehr noch von erbitterten Bauern, welche Sturm lauteten, umgebracht. In dieser Schlacht blieb der General-Wachtmeister von Bindhauff, früher Oberstleutnant und Anführer des altsächsischen Regiments im kaiser­lichen Heer, dessen wohlmeinender Gesinnung die Stadt viel zu verdanken hatte. Der hiesige Bürger und Landrichter Stroh, welcher auf kurfürst­lichen Befehl von Düben aus eine starke Brotlieferung dem Heer zu­führen sollte, geriet bei Podelwitz in das Treffen, ward geplündert, vom Rate aber entschädigt. Gleich nach der Schlacht brachte man gegen 300, größtenteils Schwer­verwundete, ein, die in Bürgerhäusern, in die Gottesackerkirche und Siechhäuser gelegt wurden. Die meisten waren aus schwedi­schen Regimentern, aber Deutsche. Eine große Zahl Leichtverwundeter ging ab und zu. Man machte zu ihrem Unterhalte von Zeit zu Zeit An­lagen und gab jedesmal der Besitzer des Brauerbes 12, der Pfahlbürger 6, der Hausgenosse 3 Groschen. Der Ratsherr Lizentiat Bartholomäus Fiedler, der Vierte1sherr Georg Selnecker (ein Sohn des vormaligen hiesigen Superintendenten Selnecker) und der Bader Christoph Schneider, der einzige Chirurg, welcher dem Heere nicht gefolgt war, erwar­ben sich bei dieser Gelegenheit durch angestrengte, aufopfernde Tätig­keit ungemeines Verdienst um Kranke und Bürgerschaft. Daß die Mehr­zahl der Verwundeten geheilt entlassen werden konnte, gibt von der Geschicklichkeit des letzteren rühmlichen Beweis. Unter anderen verließ Erasmus von Manteufel auf Wispona in Pommern, dem ein Schuß in die linke Seite Mastdarm und Hüfte verletzt hatte, am 17. März folgenden Jahres völlig hergestellt die Stadt. Auch in dem Treffen Gebliebene höheren Ranges begrub man hier, die schwedischen Offiziere Wolf Martin Stieber, Ewald Hase und Henning Hase, am 17. September, mittags 12 Uhr, solenn in die Gottesackerk i r c h e nahe der großen Türe, die meisten auf den Gottesacker in der Stille. Eine starke Brot1ieferung ging am 9. September nach Eilenburg, welches für den Augenblick mit einer größeren Zahl sächsischer Verwundeter und mit Gefangenen des kaiserlichen Heeres belegt, zur Unter­haltung derselben nicht bemittelt war. Der Stadtschreiber Elias Jäger, welcher in der bedrängtesten Zeit die Stadt verließ und die Schlüssel zu den ihm anvertrauten Behältnissen mit sich nahm, ward vom Amte entfernt und dieses einstweilen dem Ratsherren Bartholomäus Fiedler übertragen. Er hatte zwar Freunde in den Räten und machte Versuche zu Wiedererlangung der Stelle, sie schlugen aber, weil die Gewichtigeren urteilten, daß er nachlässig, in zweifelhaften Fällen und Abfassung bedeutender Berichte nicht Mannes genug sei, die Herren mithin, wenn die Sachen nicht liegen bleiben soll­ten, selbst Hand anlegen mußten, gänzlich fehl. Nach der Schlacht gingen viele schwedische Truppenteile hier durch, die aber den Kaiserlichen an Erpressungen und Plünderungen wenig nachgaben, daher vom Rate an den Kurfürsten ein beschwerender Be­richt. Am 14. Oktober mußten die hiesigen Zimmerleute und Maurer auf kurfürstlichen Befehl zum Festungsbaue nach Wittenberg. Die hiesigen Defensioner gingen mit dem Kurfürsten von Wittenberg in die Lausitz und nach Böhmen, wo zwei, Gregor Liebezeit und Veit Schulze. Schuhmacher, bei der Eroberung von Prag blieben. über die Stipendien machte der alte Bürgermeister Mr. Fischer dem Rat diese Anzeige: Das Gotteshaus hat vier volle Stipendien, die vom Rate und Gottesvätern verliehen werden. Das erste hat Johann Luppens Sohn, das zweite Esaias Kleinschmidt, das dritte Elias Kühn, das vierte Elias Fischer. Ein fünftes hat Mr. Johann Wieprecht. Hierzu gibt der Rat jährlich 25, die Kirche 5 Gülden, das sechste hat Georg Großmann und gibt der Rat ebenfalls 25, die Kirche 5 Gülden. Die Zahl der in diesem Jahre Gestorbenen war 200 einschließlich der Gebliebenen und an den Wunden Gestorbenen. Es sind aber gegen 50 derselben nicht bekannt geworden.


1632
Die Verwundeten, welche bis zum Juni hier lagen, kosteten der Bürger­schaft und Ratskasse viel, die Bedürfnisse, die man aus der Ökonomie nahm, nicht gerechnet. Die alte, aber seit längerer Zeit vernachlässigte Ordnung, nach welcher Fuhrleute, welche hier Getreide kauften, nicht leer einfahren, sondern Holz, Brot, Viktualien, Leinwand und andere Waren zum Verkaufe mitbringen sollten, ward am 25. Februar erneuert und auf Nichtbeachtung ein Neuschock Strafe gelegt. Die Frau von Ende auf Badrina maßte sich ein Bierzwangsrecht über die Schenke daselbst an, welchem der Rat mit Erfolg widersprach. Auch der Herrschaft in Brodau untersagte man auf Beschwerde der Stadt die Einlegung fremden Bieres. Vom 7. Juni bis 20. August lagen fünf Kompagnien des Löserschen Regimentes hier (die übrigen in Pegau), welche von den Hauptleuten Hans Caspar von Brettin, Lorenz Neumann, Wolf Meurer und Georg Rabe nur geworben worden. Vor diesen Menschen war nichts sicher, ob ihnen gleich Brot, Fleisch, Bier, Butter, Käse täglich in Menge gegeben werden mußte. Eine Vorstellung von ihrer lästigen Gegenwart gibt die Nachricht, daß der Hauptmann von Brettin allein wöchentlich für seine Tafel verlangte: 1 Eimer Wein, 1 Kufe Eilenburgisches Bier, 1 Rind, 4 Schöpse, 1 Kalb, 6 alte Hühner, 10 junge Hühner, 4 Gänse, 6 Eßfische, 1 Hasen, 1 kalekutschen Hahn etc., 7 Pfund Konfekt, 22 Pfund Butter etc. Der König, welcher sich nach der Leipziger Schlacht von den Sachsen, welchen er die Räumung Leipzigs, des Landes und das Vordringen nach Böhmen überließ, getrennt, im Fluge den Rhein und bis dahin alles für sich gewonnen hatte, zog in diesem Jahre gegen Tilly, der mit den Bayern bei Nürnberg hielt, verdrängte ihn, nahm Donauwörth, erzwang den Paß über den Lech bei Rain, wo Tilly tödlich verwundet ward und besetzte das Bayernland. Hätte er sich ebenso schnell der festen Plätze daselbst bemächtigen, Sachsen über die Sicherheit seines protestantischen Vorzugsrechts beruhigen und der neutralisierenden Halbheit entreißen können, so war er jetzt der Kaiserkrone, wenn er sie suchte, näher als je. Es gelang aber dem Kaiser, den einzig möglichen Retter, den verab­schiedeten Wallenstein durch beschwerliche, fast erniedrigende Zu­geständnisse zu gewinnen, der denn auch in kurzer Frist ein ansehn­liches Heer aufstellte und tätig ward. Anfangs beschäftigte er sich mit den Sachsen, die er mit sichtbarer Schonung aus Böhmen entfernte, dann aber und auf Beschwerde des Kurfürsten von Bayern bei dem Kaiser, näherte er sich dem Könige bei Nürnberg, dem er aber nichts abgewinnen konnte und fiel endlich, um ihn von der bedrohten Donau abzuziehen, mit ganzer Macht in Sachsen ein, welches, weil der Kurfürst mit dem Heere in Schlesien hielt, ohne Verteidiger war. Der König war nun gezwungen, ihm dahin zu folgen, traf ihn am 6. November bei Lützen, wo er noch einmal des Landes Freiheit siegend erkämpfte, aber auch, unentschieden, ob durch Freundes oder Feindes Hand, sein Leben verlor. Die Vortraber des Wallensteinischen Heeres, ungefähr 7000 Mann, unter Hulk (Holck) und Gallas kamen, nachdem sie das Vogtland durchzogen und die meisten Städte am Wege genommen hatten, am 16. Oktober un­gehindert bei Leipzig an. Denn nur ein kleiner Haufe Sachsen hielt Torgau und Wittenberg besetzt. Die schändlichste Rohheit bezeichnete ihren Weg und alles vom Lande flüchtete den Städten zu. Adlige Fa­milien, Geistliche, Schullehrer, Bauern aus weiter Ferne bezogen hier die Frauen- und Hospitalkirche und schlugen auf freien Plätzen, Gassen, auch auf dem Gottesacker Hütten auf. Gefährliche Krankheiten, die sie mitbrachten, griffen um sich und ganze Familien fanden ihr Grab. Das Hauptheer mit Wallenstein näherte sich am 16. Oktober der Stadt Leipzig, welche sich, aufgefordert am 18. weil man ihr bestes Geschütz nach Torgau gebracht, ihr nur eine geringe Zahl Defensioner gelassen hatte, schon am 22. ergeben mußte. Während dieser Tage schickte der Rat fast stündlich Boten nach Kundschaft aus, die Unsicherheit war aber so groß, daß er am 25. erst von Leipzigs Übergabe Nachricht erhielt. Zu gleicher Zeit forderte der Oberste Bredaw (unter Colloredo), welcher Eilenburg gegen 2000 Gülden Auslösung besetzt hatte, eine gleich große Summe von hiesiger Stadt. Man versprach und suchte sie durch Auf­nahme von Darlehen, freiwillige Beiträge, Vorschußnahme von der Tranksteuer und Hilfsgelde von der eingeflüchteten Landschaft aufzu­bringen, schützte aber, als man die Annäherung der Schweden und Lüneburgischen Hilfsvölker erfuhr, die Unsicherheit des Transportes vor, bat um sicheres Geleit, welches bei dem wichtigeren Geschäfte des Bredaw, das Heer gegen den vermutlichen Einfall der Sachsen und zu ihnen stoßenden Lüneburger von Torgau aus zu decken, vor der Hand unbeachtet blieb und kam, da inmittelst die Schlacht bei Lützen einfiel, mit Behaltung des Geldes glücklich durch. Die sächsisch-, lauen- und lüneburgischen Völker in Torgau waren be­rechnet, es galt einer zweiten Schlacht bei Leipzig, sie trafen aber zur bestimmten Zeit in Torgau nicht ein und Wallenstein drang daher gegen den König vor. Am 15. November mußten für die sächsisch-lüneburgischen Truppen, die von Torgau kamen, 32 000 Brote, jedes zu 2 Pfund und 60 Faß Bier ge­liefert werden und am 21., 22., 24. und 25. hatte man schwedische Mannschaften zu verpflegen, die mit Geschütz und Munition nach Zwickau zogen. Vom 27. November bis 11. Dezember lag das schwedische Leibregiment zu Roß, Herzog Bernhard, unter Befehl des Oberstleutnant Daniel Bul­lion hier, welches sich selbst einquartierte, nach Eroberung der Stadt und des Schlosses Zwickau aber, vom 28. Dezember mehrere Wochen ein schwedisches Regiment zu Fuß unter General-Feldwachtmeister Knyp­hausen, 1187 Mann stark. In der Stadt befand sich zwar nur der Stab, aber die Bedrückung war unglaublich. Dem General Knyphausen mußte wöchentlich geliefert werden 5 Rinder, 24 Schöpse, 3 Kälber, 6 Gänse, 24 Hühner, 1 Schwein, 10 Paar junge Hühner, 6 kalekutische Hühner, 2 Ferkel, 2 Lämmer, 30 Pfund Speck, 2 Hosen Butter, 2 Schock Eier, 3 Hüte Zucker, zu jeder Mahlzeit 10 Schalen Konfekt, 30 Pfund frische Fische, 3 Schock Schnecken, 1 Schock Salzheringe, 10 Pfund Stockfische, 2 Schinken, 1 Füßchen Kapern und Oliven, 1 Füßchen Senf, 4 Pfund große Rosinen, 4 Pfund kleine, 4 Pfund Mandeln, 8 Pfund Pflaumen, 4 Pfund Reis, 2 Pfund Baumöl, 1 Kanne Rosenwasser, 2 Dutzend Nürnberger Pfefferkuchen, 8 Klaftern Holz, 10 Körbe Kohlen, Wein, Bier, Brot, Salz, Gemüs, Milch, Essig, Gewürz nach Notdurft.
Freund und Feind unterschied sich durch nichts. Zweihundert Gülden zahlte der Rat nur für Bier, das bei außerordentlichen Gelegenheiten vertrunken ward und für 60 Gülden Wein nahm Bullion bei seinem Ab­gange mit. Das überhand genommene Nervenfieber machte die Abnahme von Totengräber-Gehilfen und Krankenwärtern nötig, denen man 22 Wochen lang. doppelten Lohn gab. Das Kirchenbuch zählt 361 Verstorbene, doch blieben viele, die man in der Stille begrub, ungemeldet. Von Fremden starb unter anderem Martha, Witwe des Christoph von Gröpzig auf Zschortau, eine geborene von Plaußig, am 22. Oktober; Georg Thomas, des vor. Zaschwitz auf Reibitz Hofmeister, den ein kaiserlicher Soldat tödlich verwundete, am 11. November, Peter Hempel aus Wiedemar, ebenfalls tödlich verwundet an demselben Tage; von hier am 17. Sep­tember Christoph Ohme, Anführer der Ohmischen Musikgesellschaft, welche mit dem Stadtmusikus die musikalische Aufwartung am Amte hatte, seit dem Ausbruche des Krieges aber müßig war und am 1. Okto­ber der Stadtrichter Benjamin Richter, seit 1611 Mitglied des Rates. Den Leichnam des Königs, welcher am 26. November in Eilenburg, tags darauf in Wittenberg eintraf, begleiteten mehr als 1000 Mann. Die Königin übernachtete am 7. Dezember in Bitterfeld. Es ist oben bemerkt, daß der Oberste Bredaw, als sich Eilenburg erge­ben, hiesiger Stadt gleichen Akkord zusagte und es dürfte der Erhal­tung wert sein, was der Rat in Eilenburg auf Bredaws Befehl dem hie­sigen schriftlich zukommen ließ. „Unsere freundliche Dienste bevor. Ehrenveste, Achtbare, Wolgelarte und Wolweise besonders großgünstige liebe Nachbarn, Denenselben sol­len und können wir auf heutiges Tages von der Röm. Kays. Maj. unsers allergnädigsten Herren Generalwachtmeisters ihr Gnaden Herren Graf­fen Colloredo etc. empfangenen gnädigen befehlich unangedeutet nicht laßen, Nachdem wir von der Kays. Armee nechstverwichenen Sonn­abends den 20. dieses um 7 Uhr gegen Abend attaquirt und solcher Be­stalt aufgefordert worden, binnen 2 Stunden gegen den Herrn Obersten Hansen Rudolffen von Bredaw sich zu resolviren, und zu erklären, ob man das Schloß und die Stadt auf Akkord gutwillig aufgeben, oder eines andern gewärtig seyn wolle, und dieser Anstand zwar sich bis gegen Morgen verweilet, so hat uns doch von morgen früh an länger nicht als noch 2 Stunden Frist indulgiret werden wollen, das also, weil wir die große Menge Kriegsvolk und Macht vor uns gesehen, länger nicht auf­haben, sondern zu einem leidlichen Akkord schreiten und solchen mit obwohlgedachten Herrn Obersten über das Schloß, Amt und Stadt schließen und vollziehen müßen, auf Mas und Weise wie inliegend zu ersehen, hätten sonst unsere damals vor Augen schwebende Leibes und Lebens Gefahr und gänzliche Ruin auszustehen und zu erwarten gehabt; Wenn dann Ihr Gräfl. Gn. Herrn Generalwachmeisters aufs Begehren, uns hierinnen unterthaniges Gehorsams nachzukommen obgelegen, so haben wir euch diesen unsern Zustand zu erkennen geben, und erinnern sollen, ob durch euer Abgeordnete bey vorhochgedachter Gräfl. Gn. Herrn Generalwachmeister, so sein Quartier itzo am Markte bei der Frau Mr. Christoph Kempffen alhier hat, ihr euch je eher je besser angeben, und selbst um Gnade und Saluaguardi zu Verhütung sorglicher Gefahr gehörender Maßen anhalten laßen wollet, welches weil euer Wolfarth daran gelegen, zu euer aller Discretion und ferneren Nachdenken gestellet wird, und verbleiben euch sonsten zu angenehmen Diensten jeder­zeit ganz willig.
Datum den 24. Oktober An. 1632.
Der Herren
Dienstwillige
Bürgermeister und Rath zu Eilenburg."
„Nach Verlesung dieses werden die Herren es den andern zum nechsten benachbarten zuzuschicken, eine Recognition zu ertheilen, und dem Bothen sein Bothengeld von hieraus zu entrichten wißen. Denen Ehrenvesten, Achtbaren, Wolgelarten und Wolweisen Herrn Bür­germeister und Rathe der Stadt Delitzsch, Dieben, Bitterfeld, Zörwigk und Gräfenhainichen, vnsern besonders günstigen lieben Herren und freundlichen, lieben Nachbarn."
Beilage.
„Eilenburgischer Accord, geschloßen den 21. Octobris 1632. Demnach durch den von der Röm. Kays. Maj. unsers Allergnädigsten Herrn Gene­ralissimi, Abgeordneten, dem Woledlen, Gestrengen, Vesten und Man­haften Herrn Hannß Rudolffen von Bredaw, Kays. Wolbestalten Obersten Amt und Stadt durch das bei sich habende Kriegsvolk aufgefordert zu Kays. devotion; So ist hernach folgende Antwort aufgerichtet und bis auf Ratifikation des von hochgedachten Herrn Generalissimi von den Parteyen vollzogen worden; Als
1. Wie stark die Garnison aufs Schloß und in die Stadt eingelegt werden solle, würde bei des Herrn Generalissimi Anordnung gelaßen. Desgleichen
2. soll auch der Unterhalt für die Garnison auf Ratifikation des Herrn Generalis stehen.
3. Solche Garnison soll dergestalt in guter Disciplin gehalten werden, daß in Amt noch der Stadt weder Manns- noch Weibspersonen von ihnen einigerley Weise beleidiget, auch die Wirthe, alda die Einquartierten ihre Losire haben, mit Ueberführung der Gäste, oder anderen Molestien gänzlich verschonet werden.
4. Die Amtssassen und alle Unterthanen auch die Schriftsassen und Frei­güter darunter mit begriffen, sollen mit keinerley Incommodität bedrauet werden.
5. Sollen in den Quartieren mehr nicht als die sonst gewöhnlichen seruitia gereichet werden.
6. Die Bestellung der Wachen, ob sie von den Soldaten und Bürgern co­niunctim, auch die Schlüßel zu den Thoren in des Rathes Verwahrung zu laßen, soll von des Herrn Generalissimi Anordnung erwartet werden.
7. In der Religion und Exercition derselben in der reinen Augsburgischen Confession, sowohl auch in dem Ministerio und in Schulen soll im Ge­ringsten keine Neuerung, Aenderung und Eingriff zugemuthet, auch der Kirchenornat und was derselben anhängig und das Geläute unviolirt ge­laßen werden, und bei diesem Punct die ganze Diöces, sowohl alle itzo in der Stadt befindlichen Kirchen- und Schuldiener, so wohl welche alhier und auf dem Lande, unter Schrift und Amtssassen, bedienet seyn, gemeinet und begriffen seyn.
8. Bei dem iure patronatus soll auch. jedes Orts Obrigkeit verbleiben.
9. Die Amts- und Stadt-Policey belangend, so soll Amt und Rath bey vo­riger Administration allenthalben unperturbiret gelaßen werden.
10. Die Bürgerschaft soll ihre arma auf das Rathaus ins Raths-Verwahrung liefern, und wie es damit gehalten werden solle, auf Ratification des Herrn Generalissimi gestellet seyn.
11. Geistliche und andere privilegirte Personen, darneben Wittwen und Wai­sen sollen bei ihren Immunitäten und Exemtionen gelaßen werden.
12. Plünderung, Abnehmung der Pferde und Extorsion weniger Brand oder Abnehmung Geldes und Gutes und dergleichen Pressuren sollen gänzlich eingestellt, auch den Kirchen, Gotteshäusern und den Unterthanen unterm Amt und in der Stadt zusammt dem daselbst befindlichen Adel und Unadel, so ihren Recurs dahin genommen, einige Gewalt nicht ange muthet, auch der Soldatesca dergleichen nicht verstattet werden.
13. Allen denen in Amt und in der Stadt ab und zu, aus und einzureisen mit allen ihren Mobilien, Pferd und Wagen und allen andern damit zu handeln und zu wandeln ungehindert zugelaßen seyn, ihnen zum Bedarf Paß auch Convoy ohne Geld mitgetheilet werden.
14. Ein Jeder ohne Unterschied soll die völlige Administration aller seiner Güter wie zuvor behalten und von Plünderung und anderen gänzlich befreiet seyn.
15. Den Vorrath in den Scheunen an Früchten und Getraidicht, auch das Bier in den Bergkellern und alles andere Getränke soll von der Solda­teska ihres Gefallens nicht absumiret, sondern zu des Amts und der Stadt Nothdurft behalten, und einem Jeden des Amts und Stadt Unter­thanen das Seinige mit Frieden verbleiben.
16. Wenn die Kayserl. Guarnison in die Stadt introduciret wird, so sollen in dem Amt und der Stadt gelegene Güter, Rittersitze, Freie Güter, und Dorffschaften mit andern Guarnisonen nicht beleget, sondern verschonet bleiben, auch das Amt und die Stadt über die accordirte Guarnison, je­doch auf Ratification des Herrn Generalissimi.
17. Die Einquartierung des Capitains, Befehlshaber und Knechte soll von des Amts und Raths Anordnung und Discretion verbleiben.
18. Hiesige Defensioner und Officiere, Bürger und Bauern sollen ohne Ran­zion auf freien Fuß gelaßen werden.
19. Wenn die Soldaten gänzlich abziehen, sollen sie alle Amts- und Raths­unterthanen unbeleidiget laßen, dagegen auch das Amt und der Rath dafür seyn, daß dieselben mit alle dem, was sie bei sich haben, der Kai­serlichen Armee auch sicher und ungehindert folgen mögen.
20. Das Rath und das Amt erbieten sich, diesen Accordspuncten stets nach­zusetzen, auch die Guarnison alhier verbleibend mit denselben reciproce treulich und ohne Gefehrde umzugehen, vor Schaden zu warnen, und sollen die zwischen des Amts und Raths Unterthanen und Soldaten ent­standene Misverstände bey der ordentlichen militairischen, Amts- oder Rates-Obrigkeit, dahin ein jeder gehörig, Cognition und Rechtfertigung leiden.
Diesem allen soll aufrecht mit teutscher Treue und guten Glauben nach­gelebet und von allen Theilen, wie obstehet, darüber unverbrüchlich gehalten, und darwider kein einigerley Weise oder Wege nichts attentiret werden, und um beständiger vester Haltung willen haben diesen Accord allerseits Accordanten eigenhändig unterschrieben und mit ihrem re­spective angebornen, Amts und andern Siegel bekräftiget, Sonder Ge­fehrde, Actum und geschehen vt supra

(L. s.)
Hans Rudolf von
Bredaw, Obr. mp.

(L. s.)
Balzer Hellwig,
Lieutenant, mpr.

(L. s.)
Martin Frenzel,
N. P. und Amtsschr. in Abwesen des Herrn Amtsschössers mpr.

(L. s.)
Der Rath zu Eylenburgk.

 

       

Der Bote, welcher das Schreiben des Rates zu Eilenburg mit Beilage überbrachte, war mit folgendem Passe versehen: „Demnach Vorweiser dieser Bote Hans Mitzsch in umliegende Städte und Flecken in gewissen Verrichtungen zu verreisen befehlichet worden, als ist an Alle und Jede der Römisch Kaiserl. Mai. hohe und niedere Officiere und Befehlichshaber, wie'auch alle Soldaten ingemein mein Befehlich, daß sie gesagten Boten frei, sicher und ungehindert passieren und repassieren laßen wollen und sollen, Geben, im Quartier Eilenburg den 3. November 1632. Gregor. Kalenders, hier den 24. October.
Der Röm. Kaiserl. Maj. Hofkriegs Rath,
Cämmerer, bestellter Oberster und General
Wachmeister über derselben Armee zu Roß
und Fuß.
Rudolff v. Colloredo, Gr. mpr.
(L. S.)
Der Amtsschösser Heller mit dem beamteten Adel der Umgegend war in Wittenberg, den Rat drückte daher die ganze Last der Aufbrin­gung fast unerschwinglicher Anforderungen und die Gefahr möglicher Verantwortlichkeit. Das Rechnungswesen geriet dabei ins Stocken und die diesjährige Kämmerei-Rechnung ist erst 1660, 28 Jahre später, von den Erben des eigentlichen Rechnungsführers, wie sich denken läßt, nur oberflächlich abgelegt. Der Scheffel Weizen galt 24 und 25, Roggen 18 und 19, Gerstg 15-32, Hafer 13 und 14 Groschen.


1633
Von der Pest (Typhus) ergriffen starb am 5. Januar der Kantor Christoph Kohl und am B. die Mädchenschulmeisterin Anna, Jacob Reichsteins Witwe. Kohls Stelle übertrug man dem Kantor in der Vorstadt zu Halle, Christoph Schulze, welcher dort, aller Habe beraubt, Mißhandlungen nur durch Flucht entgangen und auf die­ser hierher gekommen war und Mädchenschulmeisterin ward Katharina, Witwe des Seidenkramers Zambsel, die aber schon am 28. August mit ihren drei Söhnen der Pest unterlag. Bei der Wahl des Kantors am 6. Februar setzte man zur Gehaltssiche­rung der Lehrer fest, daß in ganzen Schulen Rektor und Kantor jeder 6 Groschen, Tertius und Justimus 4 Groschen, in halben und Viertel­schulen jeder 4 Groschen, der Küster aber vom ganzen Geläute 6 Groschen, in particularibus aber 3 Groschen erhalten solle, welche zufällige Einnahme bei der Verarmung der Stadt spät erst eine Erhöhung fand. Am 16. März war ein heftiges Gewitter, am 15. Mai Schnee, übrigens fruchtbares Wetter und eine reiche Ernte. Die Hunde der vielen verwüsteten und verlaßenen Dörfer verwilderten aus Mangel an Nahrung, liefen in Haufen umher und fielen Menschen an. Am 4. August fiel der kaiserliche Feldmarschall, Graf Heinrich Holcke mit 12 000 Mann von Böhmen aus in das Land, besetzte an diesem Tage Schneeberg und forderte am 9. Leipzig auf, welches sich (die Pleißen­burg ausgenommen) am 12. ergeben mußte. Das ruchlose Verfahren die­ser zügellosen Menschen brandmarkt diesen Raubzug für alle Zeiten. In wenigen Tagen waren alle Straßen mit Leichnamen überraschter Flüchtlinge erfüllt und in Umkreisen von Meilen die Dörfer ohne ein lebendes Geschöpf. Die Ernte hatte keine Arbeiter, die Städte waren überfüllt und Herde unabläßig tötender Krankheiten. Sechzig bis siebzig Reiter sprengten am 9. August die Stadt an, verlang­ten Brot und Bier, hatten aber die Absicht einzudringen, lösten auf die Bürger, die mit ihnen sprechen wollten, unversehens die Pistolen, hie­ben einen alten Bürger Nicolaus Hauk nieder und nahmen zwei andere, von ihnen verwundete, gefangen. Einigen Ratsherren, die sich zu ihnen vor das Tor begeben wollten, ging es nicht besser, als sie aber über­fallen werden sollten, glaubten die Bürger, Gewalt mit Gewalt ver­treiben zu müssen, unterhielten ein gutes Musketenfeuer und vertrieben sie ins Freie, wo sie aus Rache die Windmühlen in Brand steckten. Tags darauf kamen 100 Reiter und forderten für den Stab des General Hatzfeld und drei Kompagnien Dragoner Quartier. Da sie keine Order aufweisen konnten, wurden sie abgewiesen und mit Brot und Bier ab­gefertigt. Zwanzig derselben umsprengten die Stadt, suchten in die Vor­stadt zu dringen und die Schäferei anzustecken, man trieb sie aber mit Musketenschüssen zurück. Hierauf fielen sie in die Dörfer, raubten, mordeten, berennten auch die Stadt des Nachts wohl dreimal noch, die Bürger machten aber einen Ausfall, verjagten sie von den Mühlen mit Hakenschüssen und nahmen einen Ungar gefangen. Mehrere Bauern, die einfluchten wollen, fand man hart verwundet, Egidius Sachsen von Benndorf tot vor der Stadt. Die Schäferei war bis auf wenige Stücke vernichtet. Am 15. August erhielt der Rat durch den Rittmeister des Obersten Bredaw, Schönecke, folgende Order des Feldmarschalles zur Ansicht und Abschrift:
„Der Römischen Kaiserlichen Majestät Herr Oberster Bredaw wird auf sich und seine Unterhaber des Regiments, auf daß sie zu leben und kein Ursach auszureiten haben, sondern bei ihrer Standara verbleiben müßen, hiermit angewiesen an die Stadt Delitzsch, deswegen er dahin kann schicken und kraft dieses Jemandes zu sich erfordern, der wegen des Unterhaltes mit ihm accordire; So fern sie sich beschweren, kann er Fußvolks mächtig werden, die sie dazu zwingen und auf so einen Fall mit ihnen, wie sechs gebüret, anderen zum Exempel procediren, Sollten sie aber einen, oder mehr zur Salvaguardia von ihm begehren, kann ers, nachdem sie sich accomodiren, geschehen laßen, doch daß er zweene Rathspersonen zu sich nehme zu deren Versicherung."
Geben zu Leipzigk, d.23/15 Augusti Ao. 1633,
(L. S.) H G Hulck mpr.
Die Ratsherren, der Bürgermeister Mr. Andreas Fischer und Mr. Franze, welche sich auf diese Schrift unter sicherer Bedeckung nach Leipzig begaben, wurden, weil sich Holke bei dem Gerücht von der Annäherung Tupadels und der Sachsen zurückzog, als Geisel zunächst nach Alten­burg mitgenommen. Hier verlangte Bredaw erst 12 000 Taler, erließ aber auf Vorbitte des Syndikus Johann George Bohse aus Halle, der sich auch als Geisel daselbst befand, 9000 Taler, erlaubte auch, daß Mr. Franze zurückgehen könne. Die erste Nachricht von ihnen gab Bohse. Franze wurde auf dem Rückwege vor Altenburg rein ausgeplündert und kam erst nach mehreren Tagen zurück. Unterm 28. August gab Bredaw dem Rate von Zwickau aus einen Sicherheitsbrief zu den Verhandlun­gen, die Annäherung der Schweden und Sachsen beschleunigte aber den Rückzug nach Böhmen und der Bürgermeister Fischer mußte bis Eger folgen, wo er dem Kommandanten Oberstleutnant Johann Gordon über­geben ward. Bredaw cedirte die Forderung an diesen und obgleich der Sächsische Ober-Kriegs-Kommissar Haubold von Schleinitz behilflich sein wollte, daß das Geld der Stadt erhalten würde, so geschah doch nichts und die 3 000 Taler, welche man mit Not aufbrachte, wurden dem Gordon durch Wechsel auf Hamburg gewährt. Am 24. November kam der Bürgermeister Fischer über Leipzig wieder an. Zu Deckung der er­borgten 3 000 Taler brachte man vom Brauerbe 10 Taler, vom Pfahl­hause 5 und 2 1/2, vom Hausgenossen 1 Taler aus. An die Sächsischen Truppen mußten im September 30 Ochsen und drei geschirrte Pferde zur Artillerie geliefert werden. Im Spätherbst rückte vom Vitzthumi­sehen Regiment (dessen Oberst Friedrich Wilhelm von Vitzthum) der Stab und eine Kompanie in die Stadt. Drei Kompagnien lagen in den Dörfern umher und sechs Kompagnien standen in Langensalza, erhiel­ten aber den Proviant von hier. Die Bürgerschaft beschwerte sich, daß der Küster keine Kinderlehre hielte, die er sonst alle vierzehn Tage gehalten hätte, auch rügte man, daß seit sechs Jahren keine Wochenpredigt, sonderlich aber keine Pas­sionspredigt gehalten worden sei. Der erste Groll gegen die Geistlich­keit, die ihre Lastenfreiheit zur Ungebühr in Anspruch nahm. Die Zahl der in diesem Jahr Verstorbenen war 435. Der Scheffel Weizen galt 16-21, Roggen 8-11, Gerste 6-10, Hafer 5-7 Groschen. Mädchenschulmeisterin ward Christine, Gattin des dritten Schullehrers Johann Albrecht, eine Tochter des gewesenen Kastenvor­stehers Martin Kohlmann.

1634
Die Behältnisse der Mädchenschu1e, in welcher nicht nur die Leh­rerin mit ihrer Familie, sondern auch eingeflüchtete Fremde am Typhus gestorben waren, mußte von Maurern gereinigt und erneuert werden. Zur Herstellung der zerstörten Schäferei kaufte der Rat von Hans von Schünfeld auf Löbnitz 3 Böcke und 100 Stück alte Schafe und be­zahlte 1 Taler 6 gr. für das Stück. Wallenstein, der Herzog von Friedland, welcher durch den Rückzug nach der Schlacht bei Lützen den Glauben an sein überwiegendes Feld­herrntaient geschwächt, durch das übermäßig strenge Kriegsgericht nach seiner Ankunft in Böhmen den Eifer vieler sein Anhänger erkal­tet, Bayern durch sichtliche Vernachlässigung erbittert und durch zwei­deutige Verhandlungen mit den feindlichen Mächten den Verdacht ehr­süchtiger Bestrebungen nach dem Besitze kaiserlicher Länder erweckt, überhaupt sich so gesetzt hatte, daß man in Wien die ihm vertraute Macht gefährlich hielt, ward erst in dieser, namentlich durch Aufstel­lung eines ansehnlichen, ihm nicht unterworfenen spanischen Heeres und heimliche Verlockung seiner Anhänger geschwächt, dann aber, als er zu seiner Rettung das werden mußte, was er geschienen hatte, am 15. März in Eger von einem irländischen Hauptmanne, Walter Devereux, des Nachts überfallen, mit einer Partisane durchstoßen und ermordet. Am 11. April brach das Vitzthumische Regiment auf, welches der Stadt, die Erpressungen der einzelnen Soldaten bei den Bürgern abgerechnet, genau angegeben 7779 Gülden 9 Gr. 3 Pf. gekostet hatte. 28,574 Pfund Brot mußten überdies bei ihrem Abgange geschafft und zum Teil von den Hausgenossen auf Schiebkarren nachgefahren werden. Wenige Tage nach dem am 3. Mai vor Liegnitz in Schlesien von Arn­heim gegen Colloredo gelieferten glücklichen Treffen am 8., rückte der Oberstleutnant Heinrich von Schleinitz mit einem Regimente zu Roß ein. Der Stab und eine Kompanie blieb, die übrigen vier Kompanien wurden nach Landsberg, Ostrau, Werlitzsch und Zschortau verlegt. Alle diese Truppen erhielten vom Staate weder Sold noch Unterhalt, sondern. mußten von den Städten und Ämtern, wohin sie gewiesen, be­friedigt werden. Ihr Betragen war dem feindlichen gleich und die Un­sicherheit außerhalb der Mauern so groß, daß man die Pferde beim Pflügen zu sichern, Reiter erkaufen und alle nach Leipzig zu leistende Steuergelder mit militärischer Bedeckung abschicken mußte. Im Juli hatte man eine starke Lieferung an Mehl und Bier nach Wittenberg. Am 27. August (alten Kalenders) verloren die Schweden unter Herzog Bernhard von Weimar und Gustav Horn die Schlacht bei Nördlingen und scheinbar mit ihr für immer das Übergewicht. Zum Glück für sie verteilte sich durch Frankreichs günstige Bewegungen das siegende Heer, Bauer aber, der mit einem kleinen Abteile in Böhmen stand, konnte dem mächtigeren Andrange der Gegner nicht widerstehen und zog sich in Mitte. Septembers, Sachsen preisgebend, nach Thüringen und weiter zurück. Bald kam die Nachricht, daß der Feind ihm folge und bei Leipzig streife, der Rat versah sich eiligst mit Kraut und Lot von Halle, alles flüchtete der Eibe zu und auch die wohlhabenden Bürger hiesiger Stadt zogen mit ihrer besten Habe dahin, daher der Rat in einem Programme vom 23. Oktober auf Erlegung von Kautionen zu dringen genötigt war. Indessen gelang es den kaiserlichen Unterhändlern am sächsischen Hofe, den über Oxenstiernas prädominierende Leitung mißvergnügten Kurfürsten bei sichtlicher Übermacht der Gegner und bedrohlicher Lebensgefahr, dem kaiserlichen Interesse zu gewinnen, der Friede war  auf sicherem Wege und das kaiserliche Heer verließ das Land.Am 9. Dezember kam Befehl, daß 13 Mann Schanzgräber nach Torgau gestellt werden sollen, es unterblieb aber, weil tags darauf das von Trautischische Regiment einrückte, welches drei Vierteljahre liegenblieb. Um Geld zu erlangen, bedienten sich die Herren Obersten unter anderen auch dieses Mittels, daß sie Hoffnung zum Wegzuge machten, die Soldaten anderswohin zu legen versprachen, Geld darauf nahmen, nachher aber entweder blieben oder, wenn sie ja weggingen, nach wenigen Tagen wiederkamen. So ließ sich der von Trautisch unter dem Vorwande, daß er Quartier in Düben nehmen werde, ein ziemliches Stück Geld geben, kam aber nach acht Tagen zurück und man war beschwerter als je. Man darf annehmen, daß jedem hier liegenden Befehlshaber mindestens 100 Gülden nur an Wein verehrt worden ist, welcher bei Berechnung des Aufwandes gar nicht in Anschlag kam und dennoch fielen die größten Ausschweifungen vor. Es fand sich aber bei der Berechnung am Schlusse dieses Jahres, daß vom Jahre 1631 ab bis zum Weggange des von Schleinitzschen Regi­mentes für das Militär eine Summe von 20 350 Gülden 16 Gr. verwendet worden war. Der Scheffel Weizen galt 16-19, Roggen 6 und 7, Gerste ebensoviel, Hafer 3 1/2 bis 4 1/2 Groschen.


1635
Eine übermäßige Kälte im Januar, die viele Personen beschädigte, war dem Verkehr sehr hinderlich. Am 18. Januar nahm der Landtag in Dresden den Anfang und endete am 13. März. Die Stände willigten vom Schocke 1 Gr. 6 Pf. auf zwei Jahre, die Tranksteuer auf dieselbe Zeit, die Fleischsteuer vom Pfunde einen Pfennig und 2000 Gülden zu Schickungen. Hauptgegenstand war der mit dem Kaiser zu verhandelnde Friede. Wegen der beschwerlichen Trautischischen Einquartierung konnte sich kein Ratsherr von hier entfernen, man schickte daher einen Bevollmächtigten, den Dr. Heydelberger und bezahlte aus der Kämmereikasse 248 Gülden 7 Gr. für ihn. Zum ersten Male findet sich Nachricht über den Betrag des Geldes, welches die Knaben bei ihrem Neuen-Jahres-Singen sammelten. Es fand sich für dieses Jahr die Summe von 39 Gülden 3 Gr. -, die unter Aufsicht und nach Bestimmung des besonders hierzu beauftragten Ratsmitgliedes verteilt ward. Damit die Mühle von den Soldaten nicht beschädigt würde, mußte Wache hingestellt werden und der Quartiermeister erhielt für Anstellung derselben ein besonderes Geschenk. Die Straßen waren so unsicher, daß kein Ratsherr in Geschäften ohne militärische Bedeckung reiste. Pässe achtete man nicht und Jahrmärkte, auch Wochenmärkte blieben unbesucht. Am 20. März stürzte das Haus des Elias Stoie (Num. 206 an der Münze) und die Soldaten verschleppten das Holz. Auf Befehl vom 15. und 18. Mai lieferte man 20 Faß Bier und 20 Dresdner Scheffel Roggen, auch von je 20 Hufen ein Rind, einen Schöps und 2 Dresdner Scheffel Hafer nach Wittenberg. Schon am 12. November vorigen Jahres hatte sich Sachsen in Pirna gegen die oft wiederholten feindlichen Anträge des Kaisers günstig er­klärt, man wollte aber die Stände. hören und da diese ohne Ausnahme für jeden die Religionsfreiheit und säkularisierten Landesteile sichern­den Frieden stimmten, der Kaiser aber noch überdies so manches Vor­teilhafte und namentlich den erblichen Besitz der Lausitz zusagte, so geschah es, daß das in so mancher Hinsicht bedenkliche Friedens-Geschäft dennoch und trotz aller Gegenbemühungen Frankreichs, Schwe­dens und einiger protestantischer Fürsten am 20. Mai in Prag zum Abschlusse kam. Das am 24. Juni nach Vorschrift gefeierte Friedensfest hatte als geson­dertes nicht ganz das Herz des Volks und kam, da sich die Bedrängnisse nicht minderten, sondern täglich mehrten, bald in Vergessenheit. Die Bedrängnisse mußten sich aber mehren, da das den allgemeinen Frieden. vermittelnde Sachsen Schweden mit Gelde abfinden wollte, dieses aber auf Frankreichs Unterstützung rechnend, nicht nur eine weit größere Summe als die angebotene, sondern auch den Besitz Pom­merns verlangte, worauf dieses nicht eingehen konnte, folglich die Waffen ergreifen und sich dem Kriegsspiel von neuem hingeben mußte, welches bei Banérs Feldherrntalent und Frankreichs vermehrter Tätigkeit bald wieder bedenklich ward. Dem Trautischischen Quartiermeister gab man am 13. Juli ein ansehnliches Geschenk, daß er nicht das ganze Regiment in die Stadt legte, als ihm, das Regiment zusammenzuhalten, Order kam. Am 6. August erhielt der Rat von dem kurfürstlichen Kommissariate in Torgau Befehl, den 10. dieses Monats Abgeordnete nach Torgau zu schicken, welche auch daselbst eintrafen. Man verlangte von der Stadt einen Vorschuß von 1000 Talern, die sie auch, obschon sie nur 500 willigte, geben mußte. Torgau mußte auf gleiche Weise 3000, Grimma 1000, ebensoviel Eilenburg und Oschatz, Pegau 500 aufbringen. Am 17. August ward ein Soldat, Philipp Sietzsch, welcher mit anderen in der Goitzsche überfallen und getötet worden, hier begraben. Es waren, der Sage nach, neun Reiter, welche die in der Leisingsschanze hausenden Räuber und Freischützen aufheben sollten. Sie fanden aber heftigen Widerstand, mußten zurück, wurden auf einer Lachenbrücke in der Neune der Amtsgoitzsche umringt und fielen daselbst nach lan­gem Kampfe. Der Aberglaube sah sie lange noch im Mondenscheine tanzen und gab dieser Brücke den Namen Tanzbrücke, mit welchem Namen sie noch bei gerichtlichen Verhandlungen des 18. Jahrhunderts bezeichnet ist. Das Trautischische Regiment ging endlich am 20. August nach Leipzig und am 24. von da mit dem ganzen, 32 000 Mann zu Roß und Fuß star­ken Heere zur Besetzung des Magdeburgischen nach Halle ab. Es war ein schöner Herbst und Überfluß an Obst und Wein. Der Bür­ger Kothe in der Vorstadt, welcher in der Michaelismesse gegen 40 Wagen ausspannen ließ, ward mit Geld bestraft. Am 29. September starb hier. Alexander von Miltitz auf Schenkenberg und Oberau, ward auf dem Leichenwagen nach Schenkenberg gebracht und daselbst am 21. Oktober beigesetzt.
Der Leichnam eines Soldaten von Reinsdorf, den die Bauern erschlagen hatten, kam am 24. November hier zur Beerdigung. Der Scheffel Weizen galt 16-18, Roggen 9-11, Gerste 8-10, Hafer 7-9 Groschen.


1636
Bande hatte sich zwar, weil auch Brandenburg dem Prager Frieden beitrat und der Waffenstillstand Schwedens mit Polen zu Ende lief, nach der Ostsee gewendet, da sich aber hauptsächlich durch Frankreichs Vermittlung Polen gegen Überlassung von Preußen zu einer 26-jährigen Längerung verstand und er von dieser Seite sicher war, verstärkte er sich, zog gegen die Sachsen, die von dem Magdeburgischen aus tätig werden wollten und streifte schon in den ersten Monaten des Jahres an der Saale, ja über die Grenzen hiesigen Landes, welches bei dem er­bitterten Abfalle auf Schonung verzichten mußte, die sogar der Willkür des Feldherrn durch Befehl entzogen war. Der Rat erhielt die erste Nachricht von seiner Nähe durch ausgeschickte Boten am 17. Januar und mit diesen kamen die ersten Flüchtenden in die Stadt. Sie mehrten sich bald zum Übermaße. Es verbreiteten sich Fleci:-, Faulfieber, Ruhren und es gab kein Dorf des Amtes, das nicht wenigstens einen Toten hier begraben ließ. Mehrere starben an Ver­wundungen der Plünderer freundlicher und feindlicher Parteien, die wechselnd die Amtsfläche durchstreiften. Sachsen mit Gallas ungefähr 25 Regimenter stark, drehten sich vom 27. Januar bis in den Mai dies­seits der Saale, Baner mit einem zwar schwächeren, aber belebteren Heere jenseits der Saale umher und das Land in ihrer Nähe glich einer Einöde. Was man von Mehl, Bier, Pferden, Viktualien nicht auf der Stelle zu liefern vermochte, wurde durch Einlegung in Gelde erpreßt, das offene Land unter abscheulichen Mißhandlungen beraubt, das weib­liche Geschlecht ohne Rücksicht auf Alter und Stand eine Beute der zügellosesten Wollust. Der Rat beschloß am 15. Januar, daß auch halbe Mittelbiere gebraut werden sollten. Am 16. Januar lagerte das Schleinitzische Dragoner-Regiment an der Vogelstange. Nur wenige Stunden verweilte es, verursachte aber der Stadt 224 Gülden Aufwand. Das von den Knaben durch Umsingen gesammelte Neue-Jahres-Geld betrug 38 Gülden und empfing bei der Verteilung am 18. Januar 1 Taler der Rektor, ebensoviel der Kantor, 16, Groschen der Tertius, ebensoviel der Quartus, 1 Taler der Präzentor, 10 Gr. 6 Pf. der Schreiber, ebenso­viel der Kassierer im voraus, die in der Kunst des Musizierens Voll­kommenen 2 Gülden, die mittleren 1 1/2 und die Neulinge 1 Gülden. Am 22. Februar waren die kaiserlichen und kurfürstlichen Räte hier und am 29. desselben Monats ward das gedruckte, vom Kurfürsten eigenhändig unterschriebene Avokations-Mandat, welches alle säch­sischen Untertanen vom schwedischen Heere abrief und den Schweden sehr ungelegen kam, bekannt gemacht und öffentlich angeschlagen. Dieses Mandat hatte anfangs Wirkung, sie verlor sich aber, als Baner mächtiger ward, der denn auch Sachsen den Nachteil, den er davon gehabt hatte, empfinden ließ. Die Banerschen Reiter hatten einen Anschlag auf die Vorstadt, sie wurden aber durch einen sächsischen Rittmeister, der hier mit seiner Mannschaft eintraf, abgetrieben und verfolgt, weshalb man dieser bei ihrer Rückkunft eine ansehnliche Verehrung gab. Die sächsischen Reiter brachen oft in die Scheunen und Häuser der Vorstadt, daher die Bürgerwachen Gewalt mit Gewalt vertreiben mußten und ward bei einem solchen Exzesse am 15. März, wo die auf dem Gerberplane plünderndenReiter auf dieWache am Viehtore Feuer gaben, der Bürger Leinichen am Fuße hart verletzt. Eine Partie sächsischer Reiter überfiel die Wache in der Vorstadt und schlug den Bürger Luft so, daß er am 11. April den Folgen der Mißhandlung unterlag. Am 26. April starb der Stadtmusikus Hans Bärtchen und am 1. Mai der als Lehrer, Ratsherr und Bürgermeister um die Stadt hochverdiente Mr. Andreas Fischer, auf dessen solennes Begräbnis am 3. aus der Kasse 41 Mfl. 15 Gr. verwendet ward. Diese Fischersche Familie war durch zwei Jahrhunderte eine der angesehensten der Stadt. Den Kriegsdrangsalen unterlag ferner der praktische Arzt Christoph Montanus, Ratsherr seit 1628, Sohn des vormaligen Arztes und Ratsherren Andreas Montanus am 2. Mai und am 13. desselben Monats der für das Beste der Stadt ungemein tätige Viertelsherr Georg Selnecker. Auch starb am 4. Juni Thomas Kuntzsch, Ratsherr seit 1633 am Nervenfieber, das von neuem in mehreren Häusern bemerklich ward. Ein Stück schadhafte Stadtmauer am Hallischen Tore mußte eiligst erneuert werden. Am 3. Juli ging Magdeburg, welches Mangel an Pulver litt, durch Akkord an Sachsen über und von demselben Tage erhielt hiesige Stadt einen Freibrief des Anführers General-Leutnant Wolf Heinrich von Baudissin, welchem Delitzsch zum Unterhalte angewiesen war des wörtlichen Inhalts:
„Der Churfürstl. Durchlaucht. zu Sachsen bestellter General-Leutnant, Ich Wolff Heinrich von Baudissin, fuege hiemit manniglich zu verneh­men, daß Ich die Statt Delitz nebst dazu gehöriger pertinenz aus diesen bewegenden Vrsachen, weiln es mir zu meinem Vnterhaltungs-Quartier assignirt worden, Inmittelst von anderer einquartirungen, Hülffgeldern, Brandschatzungen und mehren gewaltthetlichkeiten, wie die gentzlich mögen benahmet werden, befuegett Ist darauff an alle der Rom. Kayserl. Mayt. so wol höchstgemeldeter Ihr Churf. Durchl. hohe und niedere Offizierer und gantze Soldatesque zu Roß und Fuß, und sonsten menniglichen mein gepührendes ersuchen und ernster befehlich, Man wolle und solle diese Salveguardi, allermaßen es die schuldigkeit er­fordert in gepührenden respekt halten, der Statt Delitz noch den ihrigen darüber ein wiedriges zu fuegen, noch andern solches zu thun verstatten, besondern vielmehr dabey schützen, handthaben und also wirklich geniesen, bey höchster ohnnachlessiger Leib und Lebensstrafe, womit die Verbrecher andern zum Abschew nach befindung ohngesaumbt bestraftet werden sollen, Wornach sie menniglich zu achten, Vrkundlich habe ich mein großes Insiegel nebst meiner eignen Handvnterschreibung hiervor drucken laßen.
Geschehen Aken den 3. Julii Ao. 1636
(L.S.) W. H. Baudissin mpr."
Stadtmusikus ward Christoph Neander und der Rat verehrte den Schullehrern, die am 6. August die Probe in der Kirchen unterstützten, zwei Taler. In diesem Monate verbreitete sich das Nervenfieber durch die ganze Stadt und die Pesttotengräber traten ein. Auch übernachteten hier viele Beschädigte des Pfortischen Regiments, welche von Magdeburg nach Grimma zogen. Die Sachsen, welche nach der Besitzergreifung von Magdeburg in Ver­bindung mit einem Abteile Kaiserlicher unter Hatzfeld in Pommern vorgedrungen waren, lagerten, nachdem sie von Bauers Verstärkung und Annäherung Nachricht erhalten hatten, auf einer Erhöhung bei Wittstock so, daß ihr rechter Flügel durch einen Wald, Mitte und linker Flügel aber durch Geschütz in Feldschanzen gut gedeckt war. Dieser Wald, an den sie sich so sicher glaubten, war ihr Verderben. Bauer, der seinen Umfang besser kannte, schickte einen Abteil seines Heeres, ihn zu umgehen, er selbst mit der Hauptmacht zog sich rechts in die Fläche und verlockte zwar den Feind aus seinen Vorteilen, war aber auf dem Punkte, völlig geschlagen und vernichtet zu werden, als zur höchsten Zeit der von ihm zur Umgehung gesendete Haufe den Vor­gedrungenen plötzlich in den Rücken fiel, alles in Verwirrung und Flucht brachte und da unerwartet noch ein Abteil frischer Mannschaft bei dem Hauptheere eintraf, der vollständigste Sieg errungen ward. Was von seinen Gegnern nicht blieb oder in Gefangenschaft kam, flüchtete nach Sachsen und der Kurfürst traf schon am 7. Oktober (die Schlacht war am 24. September) begleitet von einer Kompagnie in Leipzig ein. Am 30. Oktober kam sichere Nachricht von Bauers Annäherung. Der Rat versah sich mit Pulver und Blei aus Leipzig und Halle, entließ die hier gefänglich gehaltenen Schweden und wies sie nach Bitterfeld. Was man von dem Banérschen Heere zu erwarten hatte, konnte man an-dem Befehle merken, den er aus dem Hauptquartiere Werningshau­sen bei Erfurt am B. November ergehen ließ. "Dero Königliche Mayestät und Reiche Schweden, wie auch der Conföderirten respective Raht, General und Feld Marschall Johan Banir, Herr zu Mühlhammer und Werder etc. Ritter etc. Demnach Hochgedachte S. Excell. mit großem Widerwillen, Ja höchster Bestürtzung und Commotion des Gemüths, annoch täglich er­fahren müßen, das ungeachtet dero vielfältigen ganz ernsten Verbots, sowohl als auch würcklichen exemplarischen Bestraffungen, bey dero sämptlichen Soldatesca zu Roß und Fuß biß dato die grausame exorbi­tantien Ja bey Türcken und Heyden nie erhörten Insolentien, Gewaltthä­tigkeiten, und muthwillige frevelhaffte Excessen nicht allein noch nicht auffhören, sondern das außplündern und in brandsteckunge der Städte, Flecken und Dörffern auch Fürstl. und Adelichen Heusern, Spolir- und Verwüstunge der Kirchen und Gottesheusern, Clöster, Hospitalen, und Mühlen beraubt: Wie auch Niederhaw- und Schießung der Reisigen, das Prügeln und Knebeln der Bürgern und Bawer, und sonsten Barbarische Tractirunge des Adels, der Priester und Landmans, Ja Schändung der Weiber und Jungfrawen, ohne respect des Standes und Alters und der­gleichen, und andere vnzehliche abschewliche Laster und Teuffelische Crudeliteten je lenger je mehr im schwang gehen, und vberhand neh­men thun, Also und der gestalt, das denselben durch keinen Gewaltiger noch Rumormeister mehr gesteuert werden kan, wodurch dann nicht allein das ganze Land, Ja Freund und Feind ohne unterscheid totaliter ruiniret und verderbet, sondern auch die Armee vnabwendlich außer mangelunge der nottürfftigen Lebensmittel entlieh zergehen muß, und also weder die Königlich-Schwedische Dienste gebührend verrichtet, noch das gemeine Evangelische Wesen conserviret werden können, Ja vielmehr Gottes gerechter Zorn vber die ganze Armee gereitzet wird: Als haben Ihr Excell. nachdem Gott der Allmächtige dieselbe nebenst dero Armee durch sonderbahren Siegreichen Beystandt wiedervmb in diese Landt gnädig verholffen, und S. Excell. aber die sämptlich Vnter­thanen, ob sie schon Feind, Jedoch als Freund tractiret willen, und das Land zu dero Armee Besten allermüglichst in Acht genommen haben wollen, Auß tragender hochrühmlicher trewer Sorgfalt nochmals Alle und jede Hohe und Niedere Officirer und sämmtliche Soldatesca zu Roß und Fuß, hiermit alles Ernsts und Fleißes zu erinnern, und ihnen zugleich bey vermeidung unausbleiblicher Leibs- und Lebens-Straff anzubefehlen, keinen vmbgang nehmen können, daß keiner, er sey, wer er wolle, Officirer, gemeine Reuter oder Knecht, sich hinfüro vnterstehen soll, von obgemelten unchristlichen beginnen das geringste zu verüben, noch andern und sonderlich dero vntergebenen zu verstatten, besondern solche Verbrechere und Vbelthäter, wo sie dieselben erdappen, alsofort festmachen, und entweder selbsten nach verbrechen abstraffen, oder zu gebührender Straff Ihr Excell. zu schicken soll: Vnd weil obgedachte Insolentien und Muthwill am allermeisten von den Freyreutern begangen werden, welche jederzeit voranziehen, durch das Land hin und wieder streiffen, und dem Feinde nur Kundschafft bringen, auch die Vntertha­nen in Städten und auff den Dörffern beschweren: Als ist zugleich S. Excell. expresser Befehl hiermit, daß weder hoher noch nieder Officirer ferner einigen dergleichen Freyreuter, Volontiers oder Adventiers bey sich, noch seinem Regiment, Truppen oder Compagnieen gedulten oder leiden soll, wo er sich S. Excell. höchste vngunst und verlustigung seiner Charge, ja ehrlichen Namens vorgewiß gewertig sein will. Wie dann solche Freyreuter auch vberall vnter der Armee zu jederzeit Vogel­frey gehalten werden sollen. Nachdem auch viel Officirer sich irer alten Quartier noch ferner anmassen, und wegen vor diesem empfangener Assignation darauf einige praetension zu haben vermeinen, So ermahnen S. Excell. auch dieselben hiermit gantz ernstlich, daß Sie sich dessen allerdings enthalten, und einiges Quartier, worauff sie von S. Excell. keine newe expresse Ordere oder Assignation auffzuweisen, durch Exa­tionen nicht molestiren noch beschweren sollen. Weil auch durch das unaufhörlich Streiffen der Ausreuter, und hin und wieder lauffenden Knecht nicht allein das Land durch auß ruiniret und zu grundgerichtet wird, sondern auch die Armee sich dergestalt schwechet und abnimbt, das auf£ den Nothfall dem Feind nicht gebührend wiederstanden, noch sonsten einiger desseing gegen denselben vorgenommen werden mag, Als werden gleichfals hierdurch alle Oberst und andere Officirer alles ernstes admoniret, daß sie ihre Regimenter, Trouppen und Compagnien jederzeit wohl beysammen halten, keinem voran zu reuten oder zu lauf­fen verstatten, noch sonsten ohne des Obersten Paß oder Schein sich zu absentiren, oder an einigen Orth, dahin er nicht beschieden, finden zu laßen erlauben, Besondern alle, die hier wider thun, in Hafft und zu gehörender Bestraffung ziehen, auch sonsten sowohl in Marchiren als in den Quartieren, stets gute Ordre und strenge disciplin halten, und also beydes ihre eigene, und ihrer Cammeraden Quartier, Ja alle und jede Länder, wohin die Armee kommen mag, zu deroselben und ihren eigen nothwendigen Vnterhalt conservieren und schützen helffen sollen, Wordurch denn S. Excell. respect vmb so viel mehr gebührend wird erhalten, auch ihre reputation selbsten mainteniret, der Armee auffneh­men befördert, 'auch die Königl. Schwedische Dienste in Deutschland stabilirt, Ja Gottes Segen und bestendiger Beystapd prolongirt werden können. Vnd weil dieses die Herrn Obersten und Officirer S. Excell. aufs new angelobet, daß sie vber der Justiz jetzterwehnter massen halten, und die disciplin bey der Soldatesca zu Roß und Fuß restauriren helffen wollen, Vnd verhoffen S. Excell. es solle dieses ein Mittel sein, dadurch der arme ausgejagte Landman wiederumb sicher bey den Seinigen verbleiben. und mit Ruhe unter seinem Dache gegen Darlegung einer leid­lichen quotae zu der Armee Unterhalt, wohnen, Zu forderst aber der Zorn vhd straff Gottes von der Armee abgewendet, und deren jämmer­liches hierauff folgendes verderben verhütet werden möge: Vnd hat die Soldatesca leicht zu erachten, daß des Mangels der Proviant an Brod und Bier keine andere Vrsache sey, als eben dieses streiffen, plündern und verwüsten, Vnd würde, wann solches vnterlassen, daran kein Man­gel erscheinen, sondern einem jeglichen seine Nothturfft gerechhet wer­den, und %eine Noth noch Mangel leiden dürffen, auch die Armee also besser gehalten werden, und in guter Ordre und disciplin stehen können. Vnd damit zum Vberfluß niemand von der Soldatesca sich der Vnwissenheit zu behelffen, noch zu entschuldigen haben möge, So haben S. Excell. dieses Patent bey der Cavallerie öffentlich ausblasen, und bey der Infanterie durch den Trommelschlag eröffnen und ausrufen lassen; Vnd hat ein Jeder bey der Soldatesca zu Roß und Fuß hiernach eigentlich, und bey vnabwendlicher Leib und Lebensstraffe zu richten. Gegeben im Haupt-Quartier Werningshausen bey Erffurdt am B. Novembr. Anno 1636.
(L. S.)
Dieser Befehl war gut, den Feldherrn ehrend, aber bei dem verwilderten, keinem außer sich dienenden Haufen allerlei Volkes, von geringer Wir­kung. Wegen der Unordnung der Kommun-Rechnungen beschloß der Rat, daß der folgende den abtretenden revidieren und das Ergebnis den Viertelsherren vorlegen sollte. Die diesjährige Zahl der größtenteils ah ansteckender Krankheit Gestor­benen betrug 357, und starben daran von Fremden unter anderen den 7. Oktober der Besitzer der Rittergüter Neuhaus Und Petersrode, Mr. Gregor Luppe, welcher nach Paupitzsch abgeführet ward. Sämtliche hiesige Zimmerleute arbeiteten gezwungen am Festungsbaue in Wittenberg. Der Scheffel Weizen galt 18-20, Roggen 9-11, Gerste 16 .-18, Hafer 10-12 Groschen.


1637
In den letzten Tagen des vorigen Jahres nahten die Schweden über Naumburg der Stadt Leipzig, welche, vergebens aufgefordert, sogleich berennet ward und am 2. Januar dieses Jahres rückte der Schwedische Oberst-Leutnant Christian Becker mit dem Duglasischen Regimente zu Roß in hiesige Stadt. Die drei stärksten Kompagnien mit dem Stabe blieben in der Stadt, eine Abteilung desselben Regimentes stand in Bitterfeld. Der hiesige Amtsschösser befand sich fortwährend in Witten­berg, Adel und Landvolk war auf der Flucht,und die Stadt mußte'daher allein tragen und leiden. Sie hat auf dieses Regiment, welches bis zum 12. Februar liegenblieb und teil nahm ah der Belagerung von Leipzig, 15 318 Taler 20 Gr. 7 Pf. und 3 560 1/z Scheffel Hafer verwendet, und dazu vom Amte nicht die mindeste Unterstützung gehabt, wo oft nie­mand war, der die Befehle öffnete. Becker hielt indessen leidliche Mannszucht und es fielen nur selten grobe Excesse vor. Das Geld wurde durch Kontributionen und Anleihen gedeckt, die Kontributionen durch militärische Exekutionen beigetrieben. Der Rat konnte bei diesen Be­drängnissen nicht wechseln und setzte daher der vorjährige das Amt bis zum 6. März fort. Ein heftiger Sturm am 23. Januar schadete den Gebäuden viel und stürzte das G a l g t o r , welches aber sogleich wieder hergestellt werden mußte Die Dämme wurden auf Befehl Beckers durch gezwungene Zimmerleute mit Palisaden versehen. Am 7. Februar geschah von Barer, der einiges Belagerungsgeschütz von Erfurt bezog, der heftigste Angriff auf das von Traatorf hartnäckigst und mit dem besten Erfolge verteidigte Leipzig, dann aber zog er ab, weil ein. kaiserlicher Heereabteil unter Hatzfeld nahte und setzte sich in Eilenburg. Der vereitelte Sturm auf Leipzig und der Verlust so naher'Beute, um die man. Wochen lang blutend kämpfte, empörte die Rachsucht der Rohen und Bitterfeld war der erste Ort, der es entgelten mußte, vom 13. Februar ab auf das Schrecklichste geplündert ward. Die mehrere Wochen lang daselbst gelegene Abteilung des Duglasischen Regiments war Tages vorher abgezogen, man glaubte aber fest, daß der einige Hundert starke Haufe, welcher Tages darauf, montags vor Estomihi, die Stadt überfiel, größtenteils aus Reitern dieses Regiments be­stand. Die Plünderung dauerte mehrere Tage mit Gewalttätigkeiten der schrecklichsten Art. Die Männer, auch die Vornehmsten, wurden gerötelt, mit Tränken gemartert, Weiber und Jungfrauen sogar öffentlich geschändet, gemordet und mit satanischer Wut der Raubsucht sonst ver­ächtliche Gegenstände aufgesucht und zerstört. Der Amtsschösser Jeremias Kayser, der mit Weib und Kindern nackend ausgezogen und ge­mißhandelt worden war, flüchtete, in Schaffelle gehüllt, nach Wittenberg und starb daselbst 1639. Der Bürgermeister Johann Burghard ward nach vielen Quälungen auf einen Wagen geschmiedet und fand in Torgau, wohin man ihn führte, sein Grab. Der Kantor Sebastian Säuberlich verlor am ersten Tag der Plünderung das Leben. Der durch Schläge übel zugerichtete Amtsschreiber Daniel Kaldenbach flüchtete zwar mit seiner Familie hierher, starb aber mit Weib und Kindern nach wenigen Wo­chen, dahingegen der gleichfalls zerschlagene Stadtschreiber Wolf oder Wolfgang Beyer in Eilenburg, wohin er geflüchtet, sich erholte und daselbst in den Rat gezogen ward. Von vielen blieb ihr Schicksal unbekannt. Die Stadt war eine Zeitlang so wüste, daß Fliederbäume auf den Straßen wuchsen und das Wild in die verödeten Häuser warf. Von hier aus unterstützte man die Flüchtigen mit Lebensmitteln und Geld und der Rat gab, ob er gleich in größtem Mangel war, doch einige zwanzig Gülden aus der Kasse hin. Zwei über diese Plünderung urschriftliche Nachrichten, ein Brief des wohlhabenden Bürgers und Ratmannes Werner an seinen hiesigen Schwager, Christoph Böttcher und ein gerichtliches Zeugnis mehrerer alter Bitterfelder Bürger in einer Streitsache des Gebhard Dietrich von Lochau und Frau Dorothea Sabina Witwe August Ernst von Hoyers zu Roitzsch v. J. 1682 folgen zu Beglaubigung des fast Unglaublichen hier' in treuer Abschrift.
„Mit Wünschung alles Liebs, und gutes freundlicher lieber Herr Schwa­ger und Bruder, Sein Schreiben habe ich empfangen, den traurigen Zu­stand, sey Gott geklaget, kann ich ihm durch großen Schmerz nicht ge­nugsam beklagen, daß ich vff den Montag zu Abendt vmb 4 Vhr. Aus Bitterfeld neben meinem Weib und Kindern und Mägden durch Hrn. Rittmeister Förster aus der Stadt biß vff Jeßnitz convoiret worden, und in aller Nacht hat mich der Herr Ambtmann von Deßau mit Weib und Kindern mit vff Deßau genommen, aber gantz nichts vmb vns als wie wir stehen und gehen, ohn einigen Pfennig, alles ausgezogen worden, das ich Handschuh, und einen alten Rock, und eine Mütze von guten Leuten habe leihen müßen, damit ich nur meinen Leib erwärmen kann, Wir haben auch nicht so viel, das wir vnsern kleinen Töchterlein eine Windel davon machen können, Mein Haus ist also ausgeplündert, wie ichs von Daniel Kaldenbach erfahren habe, das nicht eine Bohle in der Stuben, Tisch, Bänke, Thüren, Fenster, Ofen, Ziegel vff den Dächern alles ver­brannt und zerschlagen, In Summe wäre alles zu erleiden, mich haben sie aber an einen Strick gebunden, und in ein ander Losament geführet, mir mit drei Hüthen Wasser einen Schwedischen Trunk verehret, das ich des Todes darüber hätte seyn mögen, als habe ich ihnen müßen beken­nen, und ihnen, in mein Haus geführet, was ich verstecket übergeben. Alsdann haben sie mich zum zweiten Male an ihr Quartier geführt, mich wieder mit Stricken gemartert, daß ich noch mehr habe bekennen müßen, ob sie mir nun gleich Parole zugesagt, haben sie kein Treu und Glauben gehalten, mich zum dritten Male wieder gemartert, daß ich ihnen noch mehr habe zeigen müßen, Noch haben sie mich zum vierten Male nicht wollen gehen laßen, so sind sie vnter einander vneins worden, daß ich ihnen dadurch entlaufen, Ich bin itzund so arm daß ich nicht habe ein Paar Strümpfe zu bezahlen, ich Weib und Kinder haben nichts, als alte Lumpen, Wenn es nur geht will ich nach Delitzsch, damit ich alda Zu­flucht ferner suchen kann; Das Getraide, welches ich gehabt habe ist auf 500 Scheffel gewesen, ohne was noch im Strobe, alles ruinirt, 26 Stück Rindvieh, 18 Schweine, Schaafe, von 2 Ochsen treuge Fleisch, 1 Ochse im Salze, 3 Schweine im Salze, in Summe den Schaden kann ich mit 5000 Thalern nicht schaffen, Wenn mich Gott mit Feuer strafte, so weiß ich kein Mittel auf dieser Welt mehr, ich hoffe aber zu Gott er wird es nicht vngestrafft laßen, denn es ist nicht gnugsam zu beschrei­ben, wie sie mit den Leuten umgegangen sind mit martern und Weibs­schänden, Kinder gemartert, niedergehauen, das mans nie erfahren hat, wenns Türken wären, könntens so arg nicht machen als die Christen es gemacht haben, Ich bitte wenn der Herr Bruder und Schwager den Herrn Rittmeister Adair meinetwegen wolle zuschreiben und bitten, daß er mir doch wolle mit einem losen Pferde zu Hülfe kommen, damit ich wieder könne auf die Fasten, wenn mich Gott so lange leben läßet, wie­der den Acker bestellen, Er wolle doch auch sehen, daß er mir das wenige Korn erhalten könne, damit ich mich mit Weib und Kindern davon erhalten kann, auch von Saamengerste etwas. Ich kann ihm ferner nichts mehr schreiben durch große Angst. Wenn Gott das Volk wieder aus dem Lande schaffet, vnd wir, will es Gott, zusammenkommen, wol­len wir vns mit einander beklagen. So bald ich kann will ich mich auf Delitzsch machen, denn bei vns seit 6 Tagen kein Bißen Brod zu sehen, und die Kinder und Weiber, die beschädiget sind, mäßen alle Hungers sterben. Befehle euch alle in den Schutz des Allmächtigen.
Deßau d. 18. Februar 1637. '
Ch. W. (Christian Werner)."
„Der Stadtschreiber Wolf Behr, Daniel Kaldenbach und sein Vetter, sind ganz zerschlagen, der neue Schößer, ausgezogen ganz nackend, auch sein Weib, Bürgermeister Hans Burkhard und der Cantor weiß man nicht wo sie sind hingekommen."
Zeugniß der alten Bitterfelder Bürger.
„Als attestiren und bezeugen wir hiermit, unserm besten Wissen und Gewissen nach, daß von Anno 1630 bis 1637 schwere Einquartierungen, starke Märsche und sonst unerträgliche Pressuren gewesen, wir nacher Wittenberg an die große Schanze zu arbeiten geschickt worden, bis end­lich nach ausgestandenen, großen Troublen alles bunt über Eck gegangen und Anno 1637, den Montag vor Fastnachten, die Schwedische Plünde­rung ihren Anfang genommen, und 14 Tage gewähret, da hat dazwischen niemand das Geringste behalten, die Kirchen, Amt und Rathaus sind aufgeschlagen, und alles umgekehrt und spoliirt worden, die Gerichts­sachen, Acta und Protocolla, theils verbrannt, theils zerstreuet, und wohl gar salua venia in unsaubere Oerter geworfen worden. Bei anhal­tender Plünderung sind die Leute gerötelt, ihnen sogenannte Schwedische Tränke eingegeben, das Weibsvolk auf öffentlicher Gasse geschändet worden, sogar daß man so wenig der Obrigkeit, als der Unterthanen geschonet, allermaßen der damalige Amtsschößer alhier, Namens Kayser, mit allen den Seinigen nackend ausgezogen worden, und sich mit Schaaffellen bedecken müßen, welcher nachmals nach Wittenberg ge­zogen, und da gestorben. Inmittelst ist das fürstliche Amt wüste gestan­den und hat ein Soldat dem andern die Beute abzunehmen, im Amt­hause die Kehle abgeschnitten, daher solches mehr für eine Mördergrube. als so heilige Gerichtsstätte anzusehen gewesen, und unserm guten Ge­wissen, Wissenschaft und Wohlbewußt länger als zwei Jahre lang kein Schößer, ja kein Kläger, kein Richter gewesen, unser Rathaus hat aus Furcht nicht abgewartet werden können, sondern ist des Raubens und Plünderns kein Ende worden. Einen Bürgermeister Burkhard Hans hat man in solchen verderblichen Zeiten auf einen Wagen geschmiedet, und mit sich nach Torgau ins Lager geführet, da er sich mit einer starken Geldpost losmachen mäßen. Zwei Schwedische Schützen sind alhier ge­legen und haben dem General Wild schießen mäßen. Nachgehends in eben dem Jahre und zwar im Monat Augusto ist ein großes Sterben ge­kommen, das Jung und Alt weggestorben, auch Viele verhungert, und aus Mangel der ordentlichen Zukost Pferde-, Hunde- und Katzenfleisch gefressen, die Hungersnoth auch so groß geworden, daß sich zwo Weiber um Hund und Katze, so sie mit Schleifen gefangen gehabt, geraufet und geschlagen und fast umgebracht. Zwei Eheleute im nächsten Dorfe Niemeck haben ihren Kindern getrocknetes Obst im Hütlein vorgesetzt, haben sie verschlossen und sind davon gegangen, welche verhungert, von Hunden zerrissen und gefressen worden. Eheleute haben einander das Brod mit Gewichte zugewogen, und das Uebrige, wiewohl öfters wenig übrig geblieben, eingeschloßen. Das Gras ist so stark auf dem Markte gestanden, daß man es abmähen können. Gras und hohe Hollunderbäume sind vor den Häusern gewachsen, das Wild hat in den Häusern geworfen, ja es ist die Stadt einem wilden und wüsten Orte ganz gleich gewesen, und hat sich in vielen Wochen niemand dürfen sehen laßen. Zu beklagen ist es, daß damals das heilige Nachtmahl alhier auf gut Päbstisch von Harzfelder ausgespendet worden, ja wenn alle Noth, so alhier gewesen, beschrieben werden sollte, würden etliche Bogen Papier nicht zulangen, indem die Aelfern ihre Kinder selbst begraben, das Getreide auf dem Felde stehen bleiben und von Mäusen gefreßen worden, worauf sodann auch die obgedachte Theurung erfolgen müßen. Ihrer sehr viel, so es nicht bezahlen können, haben Hafer-, Ecker- und Klaien-Brod zu Stil­lung des Hungers gegessen, viel Leute um Gottes willen um einen Mund voll Brod gebeten, aber nicht erlangen können, weswegen ihrer viele in Misthaufen tod gefunden worden. Wenn sich ja noch einer oder der andere bei diesem Städtlein aufgehalten, haben sie ihr Stücklein Brod im Schubsacke oder. sonst kleinen Säcklein bei sich haben und tragen müßen, sobald man aber von zwei Soldaten gehöret, hat man sich versteckt, wiewohl die aufgesuchten und gefundenen Leute ins Lager vor Torgau tragen müßen, und was des Jammers mehr gewesen. Nachdem nun allenthalben nichts mehr zu finden gewesen, hat der Garaus mit diesen Städtlein gespielt und solches in Brand gesteckt werden sollen, sind auch bereits zwei Tore angesteckt und abgebrandt, allein der große Friedefürst Christus Jesus hat weitern Schaden verhütet.
Daß diesem nun in Allem also sey, wie es gehöret und gesehen, theils selbst erlitten, attestiren und bezeugen wir Unterschriebene mit gutem Gewißen, sind es auch auf bedürfenden Fall eidlich zu erhalten gemeinet.
Bitterfeld, am 29. August 1682.
Conrad Harting sen., Str.,
für mich und im Namen Miehaeli Liebezeiten,
und Sebald Kriebitzschen, weil dieselben
nicht schreiben können, alles Leute von
70 Jahren."
Am 15. Februar starb der Kaiser Ferdinand 11. und sein Sohn Ferdinand III., der ihn an Kraft und Milde übertraf, der Sieger bei Nördlingen, trat, im Vorteile kriegerisch günstiger Lage den Widerspruch Frank­reichs wenig achtend und fest entschlossen, der Hierarchie nicht mehr zu geben, als ihr gebühre, geräuschlos, wie es die schwere Zeit gebot, die Regierung an. Der Rat hatte sich vom Oberst-Leutnant Becker bei seinem Abgang am 12. einige Mannschaft zu Unterstützung der Bürgerschaft bei Überfällen erbeten und dieser sorgte auch, daß der Rittmeister Alexander Künigke  mit einer Kompagnie von 70 Mann, abends am 17. Februar einrückte. Ehe er kam, hatten schon gegen 1000 schwedische Reiter die Vorstadt überfallen und einige Häuser ausgeplündert, sich aber, weil man stark auf sie geschossen, wieder entfernt. Der Rittmeister Künigke, welcher einen wiederholten stärkeren Anfall vermutete, ordnete sogleich die wehrhafte Bürgerschaft und besetzte teils mit ihr, teils mit den Seinen die bedrohtesten Plätze, er selbst blieb in dem Wachhause des breiten Tores. Des andern Tages (am 18. Februar) früh gegen 7 Uhr, sah man schon große Haufen schwedischer Reiter bei Werben und Beerendorf und um 9 Uhr warf sich die ganze gegen 4000 Mann geschätzte Masse auf die Vorstadt, die, weil sie an fünf Stellen zu brennen anfing (es brannten 22 Häuser und 27 Scheunen nieder) der tapfersten Gegenwehr ungeachtet, nicht gehalten werden konnte. Soldaten'und Bürger zogen sich daher in die Stadt zurück, schlugen aber durch Künigke aufgemun­tert, durch sichtbar wirkende Schüsse aus Musketen, Doppelhaken und geschickte Ausfälle den zwar erbitterten, aber durch bedeutende Ver­luste geschreckten Feind völlig ab. Zwei Bürger, Carl Stellbogen und Abraham Voigt, zeichneten sich bei dieser Gelegenheit vorzüglich aus.. Nächst dem Rittmeister Künigke, der in dem nach Leipzig verlangten Berichte des Rates gerühmt, ein braver Mann, ein Kriegsmann von guter Diskretion genannt wird, war bei der Verteidigung ein Kapitän, Caspar Holzapfel und ein Leutnant, Proviantmeister, den man wegen seiner Verwegenheit nur den tollen Leutnant nannte, auch ein Quartiermeister tätig, der Proviant holen sollte, aber bei dem besten Willen mehr nicht als 450 Pfund Brot für den Oberst-Leutnant, 200 Pfund für den Major, 3 Faß Bier und etwas Hafer erlangen konnte. So gern der Rat diese Redlichen bei ihrem Abzuge, welcher auf Order noch am Abend dieses Tages erfolgte, nach Verdienst belohnt hätte, so konnte er doch in diesem Augenblicke der Not über nicht mehr als 68 Taler verfügen, die er so verteilte, daß 50 Taler der Rittmeister Künigke, 10 der Kapitän Holz­apfel, 3 der tolle Leutnant und 5 der Quartiermeister empfing. Sie ver­langten nichts, nahmen es aber als ein Andenken, das man ihnen mit tränenden Augen bot und gingen davon. Am 21. Februar brachten einige Reiter, die zum Kohltore hereinkamen, Weizen, den sie gegen Hafer umtauschen wollten. Dieser war nicht zu haben, sie verkauften daher den Weizen um ein geringes Geld, man bestrafte aber die Käufer mit der Lauke, weil der Ankauf von Waf­fen, Gerät, Getreide, überhaupt der Handel mit Soldaten bei Gefängnis­strafe verboten war. Tages darauf schlug man früh Lärm, weil sich eine starke Partie vor dem Hallischen und Viehtore zeigte, die. sich für Kaiserliche ausgab und Boten verlangte, welche ihnen Orter, wo sich Schweden aufhielten, nachweisen könnten. Man hatte aber des keine Kunde und sie zogen daher mit Glimpf gegen Schenkenberg. Zwei Stunden später meldeten sich schwedische Truppen. Erst des Oberst-Leutnants Becker Cornet durch einen Abgeschickten bei den Palisaden. Dieser gab vor, er hätte mündlichen Befehl, daß 60 Pferde zur Defension in die Stadt gelegt wer­den sollten, weil ein bedeutendes Korps vorbei nach Halle ginge. Man beschied ihn aber, daß man Bedenken trüge, bei der Nähe des kaiser­lichen Volkes ohne Order Schweden aufzunehmen und überzeugte ihn von der dadurch unverantwortlich herbeigeführten höchstgefährlichen Lage der Stadt. Bald darauf kam aber,ein Abgefertigter von der Artil­lerie mit einem Passe des Feldmarschalls Barer, Hauptquartier Eilen­burg, den 21. Februar und Befehl, alle in Delitzsch stehenden Pferde zum Vorspann der Stücke folgen zu lassen. indem nun dieser bei Samuel Richter Quartier nahm, seine Reiter eindrangen und die Pferde mit Gewalt suchen wollten, geriet die schwedische Partei von Beerendorf her mit den Kaiserlichen, die von Schenkenberg kamen, auf den Bürger­feldern von Schenkenberg aneinander, die schwedische wich, ließ Tote und Gefangene und ward bis an die Beerendorfer Windmühle verfolgt. Man war willens, das Ratsgetreide aus der Gottesackerkirche der Sicherheit wegen in die Stadt zu schaffen, unterließ es aber, weil, so gering der Vorrat war, es an Säcken mangelte und in der Nähe der Stadt ruhig ward. Der Rat, welcher außer der starken Bürgerwache in den Toren, auf den Türmen, an den Palisaden zur Sicherheit der eingeflüchteten Habe noch 36. gemietete Wächter hielt und deshalb von den Eigentümern ein mäßiges Wachgeld nahm, forderte nun auch auf Beschwerde der Bürgerschaft in einem Patente die sich hier befindenden fremden Geist­lichen zu einem Beitrage auf; sie verweigerten ihn aber in einem Schrei­ben vom 24. Februar aus verschiedenen Gründen, von denen, außer der Immunität der Geistlichen von öffentlichen Lasten, besonders einer:
„So ist aus Gottes Wort wissend, daß die Prediger von Gott selbsten zu wächtern verordnet und gesetzet sind, welche Wache die pastores so bey tag alß bey Nacht in den Kirchen alß zu Hauß, ohne sondern ruhm zu melden, eiverig vor der Stadt wohlfart verrichtet. Stellen es nun dem postulatori zu bedenken anheim, welche Wache bey Gott gültiger ge­wesen, vnd ob es nun recht, daß man von den geistlichen Wächtern, die augenblicklich vor dem Riß stehen, gelder fordern sollen;" zu bemerken Ist, beruften sich auf kurfürstliche Entscheidung, erboten sich aber doch am Schlusse, damit sie nicht für undankbar geachtet werden möchten, dafern es dem Rate nicht verschmälig, bei ihrem Abgange jeder einen Taler zu erlegen, welchen man jedoch, soviel ersichtlich, wohl mit Rück­sicht auf ihre bedrängte Lage nicht erhoben hat. Am 24., 25. und 26. Februar blieb es ruhig. Die ausgeschickten Boten brachten keine sichere Nachricht. Bald hieß es, Banér habe sich von Eilenburg nach Torgau begeben und Eilenburg sei nur noch schwach besetzt, bald am 26., daß er nach Eilenburg zurückgekommen sei und mit dem Heere seinen Weg über Delitzsch nehmen werde, daher große Furcht. Am 2. März erschienen, nachmittags gegen 3 Uhr,, gegen 660 schwedische Reiter von verschiedenen Regimentern unter Befehl eine Oberst-Leutnants und lagerten bei der Vogelstange. Ein Major des Duglasischen Regiments, der hier gelegen hatte, kam mit etlichen Offizieren an das Tor, besprach sich mit dem Rate und verlangte zwar nichts als'. Brot und Bier, sagte aber, daß man dem von Banér gesendeten Artillerie­Leutnant, welcher Artillerie-Pferde verlangen würde, bei Vermeidung Unglücks ja nicht entgegen sein solle, eine freundliche Warnung, die schmerzlich, der Stadt aber sehr heilsam war. ihre Absicht war, Salz von Halle zu decken und gab man ihnen, was man übrig hatte, 1 Faß Bier und gegen 300 Pfund Brot. Der Artillerie-Leutnant, welcher noch während ihres Daseins ankam, ward eingelassen und da ihn der vom Feldmarschall eigenhändig unterschriebene Paß vom 2. März, den er vorlegte, zu Übernahme aller tüchtigen Artillerie-Pferde in der Stadt und im Amte anwies, mußten ihm 30 Pferde mit Füllen, ungeachtet sie schlecht waren, ausgeliefert werden. Er zog damit, abends gegen 8 Uhr, wie man erfuhr, nach Holzweißig und nahm den Weg gegen Dessau.  Von den eingeflüchteten Mobilien mußte an die Wache gegeben. werden 12 Groschen von einem beladenen Wagen, 8 Gr. von einem ziemlich be­ladenen, 3 Gr. von einem Schiebkarren, 2 Gr. von einem Pferde oder einer Kuh, 1 Gr. von einem Schwein und 1 Gr. von einer Hucke. Diese Einnahme begann am 25. Februar und dauerte bis zur Ankunft des Oberst-Wachmeisters Köppe, welcher sie an sich zog. Vom 6. März. bis 15. April betrug sie für den Rat 106 Gülden 15 Gr. und man kann sich denken, wie sehr die vorher schon überfüllte Stadt beengt und beschwert war. Auch reichte es bei weitem nicht zu dem Lohne hin, den man den Wächtern gab. Am 19. März schlugen die Fronen des Nachts auf der breiten Gasse einen Soldaten, Peter, bei welchem man in zwei ledernen über dem lin­ken Ellenbogen und Knie fest anliegenden Banden 83 Gülden fand. Dem Entdecker, Abraham Voigt, gab man 2 Taler, die Fronen wurden verwiesen. Dem Scharfrichter, welcher bisher aus Furcht vor den streitenden Parteien das Aas in seinem Gehöfte vergraben ließ, untersagte man es bei Ahndung, auch die, welche den Kirchhof durch Düngerausbringen verunreinigten, wurden mit 20 Talern Strafe bedroht. Die am 23. März von Trautorf hierher geschickten Reiter, welche fleißig quartieren sollten, suchten leider nur ihren Nutzen und wurden den Bürgern so beschwerlich, daß der Rat, so ungern er es tat, über die Exzesse Bericht erstattete, in dessen Folge denn Trautorf am 3. April andere 20 Reiter als Salveguarde hierher schickte und jenen den Paß abnehmen ließ. Die abgerufenen Reiter verursachten auch durch freche Heraus­forderung, daß am 2. April, abends zwischen 9 und 10 Uhr zwei bis dreihundert schwedische Reiter, von einem Major des Duglasischen Regi­ments geführt, gegen die Stadt anrückten und durch Feueranlegung in der Vorstadt, wo 15 Mann durch ein Schleusenloch der Abdeckerei ein­gedrungen waren, sich rächten. Es brannten an diesem Abende 40 Häu­ser nieder und die Stadt verlor bei diesem und dem am 18. Februar geschehenen überfalle nach amtlichen Berichten 60 Wohnhäuser, 39 Scheunen, die Schäferei mit 600 Stück Schafen, die Ziegelscheune, auch wurden die Mühlen zerstört und könnte namentlich in der Naundorfer Müh1e lange nicht gemahlen werden. Man schlug den erlittenen Schaden zu 50 000 Talern an. Am 3. April kam ein Salveguarden-Brief von Trautorf, am 6. aber kur­fürstlicher Befehl, daß sogleich aus Stadt und Amt 70 Mann bei eigener Kost mit zwei bespannten Wagen auf einige Wochen zur Festungsarbeit nach Leipzig gestellt werden sollten - eine Unmöglichkeit, da alle Höfe auf dem Lande leer standen, nur des Nachts heimlich besucht, mit dem Morgen aber wieder verlassen wurden. Man versuchte daher diese Sen­dung in Leipzig mit Gelde abzumachen und sammelten die Viertelsherren Haus für Haus 88 Gülden zu diesem Zweck. überdies verlangte man zu diesem Festungsbaue 1000 Taler von der Stadt, weshalb man mit dem Kommandanten in Unterhandlung trat. Am 15. April rückte der Oberstwachmeister Köppe unter Hatzfeld mit Kroaten ein, befahl die Tore besser zu befestigen und das Hospital mit Palisaden zu versehen, wobei er das eben erwähnte Wachgeld für sich bezog. In diesem Monat verbreiteten sich die gefährlichsten Krankheiten. Ganze Familien, heimische und fremde, starben und die Vornehmeren verließen die Stadt. Die Stadt war erschöpft, auf das Äußerste gebracht und doch quälte man mit den größten Anforderungen. Dem General Dom von Vitzthum mußten am 3. 40 000 Pfund Brot und 40 Faß Bier oder 7 Taler für jedes geliefert werden. Die Kaiserlichen unter Hatzfeld erhielten starke Lieferungen und seine Küche in Eilenburg bezog von hier die Viktualien, für die auf einmal nur die Summe von 112 Gülden ausge­geben ward. Dabei hatte man kostspielige Einquartierungen, den Hatz­feld, den Obersten Karunski, den General Ktitzing mit Gemahlin, den Grafen Reheberg, einen General-Quartier-Meister, mehrere Proviant­und Rumor-Meister, auch lag der Kommissar Fischer mehrere Tage hier, der Getreide-Lieferungen für das kurfürstliche Magazin erhob. Am B. gingen Vitzthumische Reiter hier durch nach Aken und vom 10. ab quartierten 51 Mann 16 Wochen als Besatzung. Auf Befehl mußten der Stadtgraben am breiten Tore und die Teichgraben 18 Tage lang von den Bauern gereinigt werden. Am 23. Juli; starb auch der Schullehrer Johann Keilenberg am Nerven­fieber und nahm man an seine Stelle in der Not den Schulmeister in Kyhna, Christoph Rümpler, welcher sich in der Stadt befand. Er hatte nicht studiert, war aber ein geschickter Musikus, als Stadtpfeifergehi1fe 1617 in die Stadt gekommen und Bürger geworden. Im folgen­den Jahre übertrug man ihm nach Eberhards Tod den Küsterdienst und der bisherige Schulmeister in Schenkenberg, Conrad Casius, welcher die Universität aus Mangel an Unterhalt verlassen mußte, trat als Lehrer in seine Stelle.
Das Haus der Witwe des Ratsherren Jünger, in welchem mehrere Adlige wohnten und krank lagen. durfte bei 50 Talern Strafe nicht geöffnet werden. Am 18. September kam der General Gelren mit der Götzischen Armee hier an. Der Durchzug dauerte drei Tage und blieb der General mit Hofstaat und Stabe so lange in der Stadt. Dieser Durchzug kostete der Stadt mehrere Tausende, der Rat allein gab aus seinem Keller 3 Stück 12 Eimer Wein. Die Anforderung für die Küche des Generals ging ins Unglaubliche und bestach man den Koch, daß er sich mit dem begnügte, was man zu leisten vermögend war. Ein Pater, der durch Fürsprache wehrte, daß die Reiter die übrigen wenigen Schafe der Schäferei nicht raubten, erhielt 6 Gülden und Bier zum Geschenk. Am 22. September mußten sämtliche Zimmerleute der Stadt und Um­gegend zu Wiederherstellung der Muldenbrücke nach Bitterfeld. Der Rat gab jedem beim Abgange einen Taler mit. Die Zahl der in diesem Jahr Verstorbenen ist 881. Ganze Familien erloschen, kein Haus war ohne Trauer. Von Fremden finden sich im Totenverzeichnis: Ludwig von Bissing auf Löberitz etc., die Gattin des Cornelius von Bissing auf Laue; die Gattin des Erich von Rabiel, Dorothea auf Schköna; Martha Maria, die Toch­ter des Otto von Hake auf Zschepen und Selben; die Witwe des Wolf Rudolph von Ende auf Zschepplin, Sausedlitz, Badrina etc.; Hans von Scheidung auf Wölkau; Sophie, eine geborne von Schönfeld auf Löb­nitz; Heinrich von Crostewitz auf Biesen und die Tochter des Otto von Crostewitz auf Roitzsch. Dieses Jahr, unstreitig das traurigste in der Geschichte der Stadt, beschloß mit seinen Vorgängern eine Summe von Verlusten, die ihr allseitig von keiner Zeit ersetzt worden sind. Hin­sichtlich der Bevölkerung zwar trat sie in den vorgerückten Jahren des 19. Jahrhunderts, doch nur erst in diesem, in den alten Rang, sie hat aber noch Wüstungen statt der alten Fülle öffentlicher Kasse, aus der man Rittergüter kaufen und Tausende verleihen konnte, ein dürftiges Gemeingut und der bürgerliche Wohlstand der Gegenwart möchte schwerlich nur eines Jahres Prüfungen der Zeit gewachsen sein.


1638
Mit Baners Rückzuge nach Pommern entfernte sich zwar das vereinigte kaiserlich-sächsische Heer, das ihm folgte, das ausgesogene Land aber war mit nachziehenden wildem Horden angefüllt und um nichts sicherer. Die Städte blieben nach wie vor der Unglücklichen Zufluchtsort und gerieten, weil der Feldbau niederlag, auch wegen Unsicherheit und Mangel an Pferden, aus der Fremde Getreide nicht bezogen werden konnte, in Hungersnot. Die Getreidepreise stiegen anfangs des Jahres so hoch, daß viele Hungers starben, viele auswanderten. Der Scheffel Weizen galt 6, Roggen 5, Gerste 4 1/2, Hafer 1 ¾ Taler und ward oft verge­bens gesucht. Mit den vornehmeren Familien des Landes drängten sich auch viele Verarmte ein, die in den Brandstätten der Vorstadt hau­sten und, von Hunger und Seuchen ergriffen, untergingen.


1639
Auf die Nachricht von Bauers Annäherung entfernten sich in Leipzig die Messfremden und rückte daselbst am 31. Januar der sächsische General-Kriegs-Kommissarius von Schleinitz mit dem Oberst-Leutnant Röhrscheid und 700 Mann zur Besatzung ein. Schwedische Reiterei streifte schon über die Saale in hiesiges Amt. Bauer kam mit 18 000 Mann und 120 Stücken Geschütz über Eisleben, welches er am B. Februar be­setzte, den 14. nach Halle und Merseburg, wobei Landsberg rein aus­geplündert ward. Fünf sächsische Regimenter, die bei Taucha standen, zogen sich nach dem Gebirge. Am 22. Februar rückte das Duglasische Regiment hier ein, in Eilenburg das Dörflingische, welches dem Kommandanten in Leipzig viele Wagen und Pferde, die er um Bier zu holen, unter Bedeckung von Musketieren geschickt hatte, wegnahm. Der Oberstleutnant Lange in Halle bezog seinen Unterhalt meistens aus hiesigem Amte bis in den Mai, wo die Stadt wieder von einer Abteilung des Schleinitzschen Regimentes aus Leipzig besetzt ward. Ein Bittschreiben des Rates an Bauer vom 4. März gibt über den Not­stand der Stadt diesen treuen Bericht:
.,Der Königlichen Majestät und der Reiche Schweden, wie auch der conförderirten respective Rat Herr General und Feldmarschall etc." „Hochwohlgeborner, gnediger Herr, E. Gn. und Excell. sind unsers ganz willige Dienste treuen Fleißes jeder Zeit zuvor, Gnediger Herr, E. Gn. u. Excell. können wir arme hochbedrängte Leute, erheischender höchster vnsr notdurft nach in Vnterthenigkeit nicht vnberichtet laßen, wie daß Derosleben Obirstlieutnant vnter dem löblichen Douglasischen Regimente zu Roß, Herr William Barclay, am 21. jüngst abgewichenen Februarii mit 8 Compagnien zu Roß und 50 Mann zu Fuß vor der Stadt alhier ankommen, und vmb den vor 2 Jahren hinterstelligen Rest erstlich an­gehalten. Wiewohl wir uns nun jetzt gedachten Rests guter maßen er­innern, So können jedoch E. Gn. u. Excell. wir vnterthenig nicht ver­halten, daß hiesige Stadt vor sich denselben nicht schuldig, sondern des . Amts Vnterthanen und Bauern auf dem Lande verblieben, welcher willen wir solchen indebite uff uns zu nehmen gedrungen, von dem Oberstlieutnant Christian Beckern ex commiseratione in Ansehung vnsers erlittenen großen Schadens, weil er sich erinnert, daß ohn das die damals von E. Excell. verordnete Contribution über doppelt erpresset, per nouationem uff 2000 Taler gerichtet, und ihm alsbald 200 Taler laut seiner Quittung baar abgetragen, wie nicht weniger auch E. Excell. ge­strengen jetzt abgeordneten Oberst-Lieutenant Herrn Barclay über 1000 Taler entrichtet und den nächstens zu Erfüllung der 2000 Taler förder­lichst einzubringen höchlich bemühet haben, es ist aber vnsrer armen Bürgerschaft zu einer so hohen Summe zu gelangen aus vielen Vrsachen ganz unmöglich gewesen. Bevorab weile 1) vor 2 Jahren auf E. Gn. Douglasisches Regiment 15,308 Thaler 20 Gr. 7 Pf. an Gelde, außer was die Landschaft dieses und anderen Aemter zugeschoßen, item 3,5601/2 Scheffel an Habern vor dem Stab hergeben müßen, ohne was sonsten der Bürgerschaft von denen Soldaten abgenommen worden; Darzu vors 2) kommt, daß dieser hohen Contribution ungeachtet am 18. Februarii und 2. Apriiis des 1637. Jahres vnser Vorstädte zwey malen angesteckt, 69 wohlerbauete Wohnhäuser mit allen eingebäuden, 39 Scheunen mit allen Vorräthen und des Raths Schäferei, beneben 600 Stücken Schaf­vieh verbrandt, und also über 50,000 Thaler Schaden geschehen, Wollten , anitzo 3) geschweigen, daß uns etzliche Jahr her unterschiedene viel Durchmärsche betroffen, dadurch Getraide, Pferde, Schafe, Rinder-Vieh und andere Mobilien abgenommen. Dahero 4) der Ackerbau nicht fort­gestellt, sondern alles öde und wüste liegen geblieben, welches 5) die Vrsach ist, daß nunmehr innerhalb weniger Zeit bis in 300 Personen Hungers gestorben, und die annoch kümmerlich lebende arme Leute mit Kleien und Trebern, ja mit Hunden, Katzen, vmgefallenen Viehes Fleisch und anderen ungewöhnlichen Speisen den hungrichen Magen stillen müßen, gestalt solches alles E. Excell. Obrister Lieutenant Herr Barclay und seine Officirer und Soldatesca täglich vor Augen haben, und nicht ohn Bestürtzung erfahren, Anitzo auch 6) uff verpflegung der Soldatesca so ein hohes aufgewendet worden, daß uns dannenhero alle lebensmittel entzogen, und bei dieser armen Bürgerschaft nicht das ge­ringste mehr zu erhaben seyn will, wie solches alles die allhie anwesende Ober- und Vnterofficirer mit mehrern berichten können, Gelanget dero­wegen an E. Gn. u. Excell. vnser vntertheniges demüthiges und gantz dienstfleißiges bitten, Sie wollen aus angeborner löblicher gütigkeit und Milde uns arme leute in dieser vnser höchsten bedrengniß und Beschwe­rung mit Gnaden ansehen, eine christliche condolentz mit ihren Mit­christen und Glaubensgenoßen hegen, die obangeführten Motiven gnä­digst ponderiren, und verfügung thun wollen, damit die höchstbeschwer­liche Einquartierung von uns abgewendet, die völker mit guter ordre abgeführet, wie auch wir armen höchstverderbten Leute bei der einmal geschehenen transaction und vergleichung derer 2000 Thaler gelaßen, und mit einer gnädigen gewierigen resolution versehen laßen wolle. Solches vmb E. Gn. v. Excell. vnterthenig zu beschulden, wie auch den Rest in Jahr- und Tages-Frist auszubringen, vnterdessen aber des Raths und gemeiner Stadt bereiteste Güter pro hypotheca zu constituiren, und uns sonst nach möglichkeit willfährig zu bezeigen, wollen wir jeder Zeit geflissen erfunden werden, Göttlicher hohen Vffsicht und protection zu langwieriger guter gesundheit treulichst Deroselben aber zu beharrlichen gnaden und beförderunge uns vnterthenig befehlende,
Actum Delitzsch, den 4. Martii anno 1639."
Der Kommandant in Leipzig machte zwar am 18. März einen glück­lichen Ausfall auf Altenburg und Pegau, der am 28. März hiesiger Stadt zugedachte nächtliche überfall aber mißlang, weil das hier liegende Duglasische Regiment Nachricht hatte und die ankommenden 200 Reiter und Musketiere zurückwies. Durch diese räuberischen Streifzüge ging das wenige, zum Landbaue mit Anstrengung letzter Kräfte angeschaffte Vieh verloren und zogen Menschen den Pflug. Vom Mai bis September hatte die Stadt viel schwedische Verwundete zu verpflegen und am 1. Oktober rückte, da die Schweden jenseits der Elbe lagerten, das Regiment des kaiserlichen Obersten Ungar ein, wel­ches bis in den Januar künftigen Jahres liegen blieb. Die Einquartierung kostete manchem Hause 170 Täler und brachte nach der Anlage vom B. Oktober jedesmal das Brauerbe 1 Täler, der Pfahl­bürger 12 Groschen, der Bürger ohne Haus 6 Groschen, der Hausgenosse 3 Groschen, das Feld 4 Pfennige vom Schocke auf. Von allen Seiten zeigte sich die Geneigtheit zum Frieden. Baner selbst gab einige Vorschläge und im Dezember ward deshalb einkurfürstlicher Kollegialtag in Nürnberg angestellt. Mit Bezug auf diesen Kollegialtag vereinigte sich der sächsische Kommandant in Leipzig und der schwe­dische in Halle, Handel und Gewerbe beider Städte nicht zu stören, was den Bedrängnissen hiesiger Gegend wenigstens einige, wiewohl nur kurze Erleichterung gab. Das Getreide, welches bis zur Ernte im Werte stieg, sank zwar nach derselben bis zur Hälfte, war aber schwer zu erlangen und starben nach dem Kirchenbuche 157 Menschen meistens Hungers, die man nicht nannte und in der Stille begrub. Das meiste Brot lieferten noch die Platzbäcker (Bäcker vom Lande), die täglich feil hielten; es war aber selten Roggenbrot, in der Regel ein Gebäck von verschiedenen ge­ringeren Mehlarten und wohl auch mit der Gesundheit schädlichen Dingen betrügerisch vermischt. Die Stadt, obschon von gefährlichen Krankheiten ergriffen, zählte doch nur 57 Verstorbene, weil ihre Bevölkerung mehr als zur Hälfte gesunken war.


1640
Die Stadt war in dieser Zeit bald mit Sachsen aus Leipzig, bald mit Kaiserlichen belegt und den gröbsten Gewalttätigkeiten ausgesetzt. Die Ungarschen befreundeten Reiter heizten mit Türen, Tischen, Fenstern, tragbaren Obstbäumen und hüteten Gras und Getreide weg. Die Mühlen erhielt man nur durch teudrbezahlte Salveguarden, die Schäferei. aber, kaum wieder angelegt, war nicht zu retten. Die Kämmereikasse war ohne Einnahme, der Rat konnte nicht wechseln, keinen Diener be­solden, nicht einmal den Musikus und T ü r m e r erhalten, und rettete sich, von der Leipziger Kommandantur mit Anlagen und Verpflegungs­geldern bis auf das Blut gequält, nur durch ein Darlehn von 2000 Tälern, das ein edler Mann, der Bürgermeister Schwendendörfer in Leipzig, der Stadt aus Mitleid gab. Dabei geriet man mit den Geistlichen, die Privathäuser besaßen, und sich ihren Sold durch Kriegsabgaben nicht kürzen lassen wollten, in bittern Zwist und kaum zu lösende Rechnungs-Verwirrung.


1641
Baner, durch Frankreich und Hessen verstärkt und mit dem Herzoge von Braunschweigverbunden, suchte den Feind bei Saalfeld, der ihm aber entwich. Er wollte nun Regensburg, wo Kaiser und Kurfürsten sich berieten, überfallen, aber das eintretende Tauwetter und der Eisgang der Donau hinderten ihn. Jetzt verließen ihn die Hilfsvölker unter Guebriant, seine kleine Schar ward plötzlich von dem verstärkten Heere der Feinde umstellt und nur ein kühner, überraschender Rückzug durch die nach Böhmen führenden Wälder und der Mut des tapferen Obersten Schlange, der mit drei Regimentern in dem unbefestigten Neuburg den verfolgenden übermächtigen Feind vier Tage hielt, rettete ihn. Er kam glücklich durch den Paß bei Priesnitz, den ihm der auf einem kürzeren Wege nacheilende und nur um eine halbe Stunde zu spät kommende Piccolomini sperren wollte, nach Meißen und am 20. März in Zwickau an. Von hier zog er sich in das Braunschweigische und starb, nicht ohne Verdacht empfangenen Giftes, am 20. Mai in Halberstadt. Er war 1596 geboren, alten Geschlechts, Meister der Kriegskunst, tapfer und hielt nach den Umständen der Zeit auch Manneszucht. Sein Leichnam ward am 17. September in Stockholm feierlich beigesetzt, der Oberbefehl des in Deutschland befindlichen Heeres aber bis zu Torstensons Ankunft den Obersten Pfuhl, Wrangel und Wittenberg übertragen. Am 2. Januar wurden die Hamburger Kaufleute auf ihrer Reise zu der Leipziger Neujahrs-Messe in Landsberg geplündert und ihnen 70 Pferde genommen. In dem Gasthofe des Esaias Richter (im Ring am Markte) brach am 29. Januar Feuer aus, ward aber sogleich unterdrückt. Am 30. September endete der Reichstag in Regensburg und am 5. Dezember nahm der Ausschußtag in Dresden seinen Anfang. Die Sehnsucht nach Frieden war zwar allgemein, denn die Heere lebten größtenteils nur noch vom Raube, die Beteiligten aber hatten zu ver­schiedene Interessen, kaum vereinigte man sich über den Ort und An­fang der Friedensunterhandlungen und auch diese waren lange nichts als ein diplomatischer Krieg. Im November kam auch Linard Torstensen, der neue. Befehlshaber der Schweden mit 8000 Mann frischer Mannschaft aus Schweden nach Pommern, ging bei Boitzenburg über die Elbe in das schwedische Lager nach Wolfenbüttel und von da in die Lausitz. Außer dem Reste schwedischer Kontributionen nach Aschersleben mußte die Stadt geben Schleinitzisches Service, Unterhalt den Schleinitzischen Reitern (Dragonern), Brot und Fourage für das kaiserliche Heer, Ver­pflegung den streifenden Horden, oder, wie niedergeschrieben, den marschierenden zigeunerischen Völkern. Die in Leipzig und der Umgegend liegenden Sachsen kosteten oft mehr als der Feind und zeugte ihr Betragen in den Städten, ja in Leipzig selbst von großer Verwilderung. So erlaubte sich der hierher beorderte Leutnant, die Bürger durch Schläge und Schimpfreden zu mißhandeln, was sich aber die Bürgerschaft in Maße nachdrücklich verbat. Der Scheffel Weizen galt 38 Groschen vor, 30 Groschen nach der Ernte, der Roggen 18 bis 16 Groschen.


1642
Torstenson nahm im April mehrere Städte der Niederlausitz und Schlesiens und schlug die Kaiserlichen unter Franz Albrecht von Sachsen­Lauenburg, der verwundet starb bei Schweidnitz. Neuß und Oppeln mußten sich darauf ergeben. Im Oktober. zog er sich aus der ausgesoge­nen Gegend über Torgau in hiesige, war am 19. dieses Monats mit dem Heere in Eilenburg und am 20. vor Leipzig. Es ließ gegen das Pauliner­Kollegium nach dem Peterstor zu stürmen, die Stürmer aber hatten untaugliches Gerät, fanden kräftigen Widerstand und wichen. Indessen nahte Piccolomini mit einem kaiserlichen Heere über Grimma, worauf sich Torstensen in die Gegend von Breitenfeld zog, und am 23. den vollständigsten Sieg erhielt. Das kaiserliche Heer hatte 5 000 Tote, 4 500 gerieten in Gefangenschaft und viel wertvolles Gepäck, unter anderen das reiche Silbergerät des Erzherzogs Leopold Wilhelm, der nur durch Zufall dem Tode entging, fiel mit 46 Fahnen den Siegern zu. Piccolomini flüchtete mit dem Reste des Heeres über Eilenburg, Dresden nach Böhmen, Leipzig aber ward, nachdem man dem Schlosse so zugesetzt, daß es länger nicht gehalten werden konnte, am 29. November mit Akkord übergeben. Der in der Schlacht gebliebene General-Major Erich Schlange, einer der tapfersten schwedischen Krieger, fand in der Leipziger Nikolai­kirche ein ehrendes Grab. Torstenson zog mit dem Heere dem Gebirge zu. Die Stadt war in dieser Zeit auch mit flüchtigen Bewohnern der weiten Umgegend angefüllt. Mütter aus den Städten Brandis, Bitterfeld, Brehna, Eisleben etc. und fast allen Amtsdörfern ließen ihre Kinder hier taufen und die Bedrückung der ohnehin verarmten Stadt war umso größer, als das Heer in den durch Plünderung und Brand verwüsteten Dörfern keine Unterstützung fand. Sechs bis sieben Kontributionen an Geld muß­ten mit Naturallieferungen aller Art ausgebracht und die Ratsdörfer dem Oberst-Leutnant Schieke wegen der Duglasischen Reste verpfän­det werden. Wie es selbst in der weniger bedrängten Zeit des Jahres in den Dörfern der Gegend aussah, zeigt das Taufregister der Kirche, nach welchem eine Ehefrau aus Kitzen, die ihren Mann suchte und auf dem Wege niederkam, zur Taufe des Kindes in den Dörfern keinen Geistlichen finden konnte, sondern es hier am 9. Juli taufen ließ. Der Diakon Christmann Bornmann, dessen Besoldung infolge des Krie­ges ausblieb und gern zu seinem Unterhalt etwas Vieh halten wollte, doch ohne Feldbesitzung war, bat den Rat um Überlassung des Stücks Wiese in den Kohlgärten, welches man für die alte Leipziger Straße hielt, der Rat konnte sie ihm aber, weil es Gemeindeanger war, nicht gewähren und bemerkt dabei, daß es wenig nutzbar sei, weil wahrscheinlich unter der Decke Steinpflaster liege und das Gedeihen des Grase hindere.


1643
Am 3. Januar war ein heftiger Sturm, der die Gebäude sehr beschädigte. Am 22. März erließ Torstenson aus dem Hauptquartier Malschwitz einen strengen Befehl gegen die Abschweifer des Heeres, die das Land mit Rauben, Stehlen, Morden und anderen großen Insolentien unsicher machten. Nach Leipzig mußten von hier aus Schanzgräber zu Wiederherstellung der beschädigten Festungswerke gestellt werden und fanden sich bei damaliger Volkszählung
22 Männer und
12 Weiber über 60 Jahre;
141 Männer und
116 Frauenspersonen von 14 bis 60 Jahren;
40 Kinder von 10 bis 14 Jahren;
10 Knechte und
21 Mägde,
an Häusern aber 145 bewohnte und 111 Wüstungen.
Anfangs des Juni nahmen die Friedensverhandlungen zu Münster in Westfalen ihren Anfang, zu welchen der Kaiser auf einem Reichs­Deputationstage in Frankfurt die Einleitung getroffen hatte. Es war eine ausgezeichnete Heuernte und am 20. Juli ein heftiger Sturm. Am 27. August überfielen die Kaiserlichen und Sachsen Eilenburg, nah­men die Besatzung, welche aus 200 Pferden bestand, und töteten den Anführer Busch, flüchteten aber, als sie von Königsmarks Annäherung hörten, welcher am 1. September mit 7 000 Mann nach Leipzig kam und sogleich über Eilenburg, Torgau nach Pommern ging. Der verwitweten Magdalena Sibylla von Luckowen auf Döbernitz, welche vom Rate noch 148 Taler 6 Gr. Strafgelder aus der Brinniser Tumultsache (s. 1629.) zu fordern hatte, die dieser nicht zahlen konnte, mußte deshalb die Elberitzmüh1e versetzt werden, die man erst im Jahre 1653 wieder einzulösen vermochte. Die Witwe des Otto Klebe, Marie, eine Hospitalschwester, setzte in ihrem am 19. August errichteten Testamente das Hospital zum Erben ein. Sie besaß ein Haus mit Vorder- und Hintergarten auf dem D a m m e, das aber derzeit durch den Krieg verwüstet war.


1644
Dieses Jahr war wegen unablässiger, starker Besatzung der durch nahe Gefechte mit den umschweifenden Kaiserlichen und Sachsen erbitterten Schweden eines der beschwertesten des Krieges und eine schriftliche Nachricht des damaligen Kämmerers oder vielmehr dessen Schwieger­sohn, des Kantors Schulze, die sich erhielt, dürfte hier an ihrem Platze sein. „Bei Artretung des neuen Jahres war die Stadt mit vielen schwedischen Völkern überleget, die Einquartierungen überhäuften sich von Monate zu Monate so, daß die meisten von der Bürgerschaft davon gingen und ihre zerstörten Häuser mit' dem Rücken ansehen mußten, wie das in dem Ratsprotokolle vom 31. Mai 1644 ausführlicher zu befinden. Hierzu kamen des Landgrafen von Hessen, des General Königsmark und vieler anderen schwedischen Völker Märsche und Rückmärsche, wo der Rat alles, was. sich in der Scheune, dem Keller, der Schäferei, auf dem Boden oder in Kaße befand, angreifen und unentgeltlich hergeben müssen. Ja sie nahmen es mit Bedräuung selbst weg, daß man Gott ge­dankt, wenn man ohne Schläge und mit ganzer Haut vom Rathause kommen können. Ich aber, der Kämmerer, in Mangelung anderer Rathsmittel, zu Ver­hütung größeren Unglücks, mein bislein Armuth auf das Rathaus schleppen, hingeben müßen, damit mir und meinem Collegen Friede geschafft, und der bedrängten Bürgerschäft die fast unerträgliche Last gemindert würde, wie dies Alles aus den Kriegsaden mit Verwunderung zu. er­sehen seyn wird. Der Rath mußte den Bier- und Weinschank einstellen, weil in der Stadt nur wenig gebrauet, fremdes Bier aber wegen der streifenden Horden nicht eingebracht werden konnte. Der Rath büßete bei einer einzigen Bieranfuhre, die man versuchte, Bier, Wagen und Pferde, am Werthe 224 Thlr., ein. Der Wein wurde aus dem Keiler genommen, das Getraide auf dem Felde und in den Scheunen von den hin und her ziehenden Völkern verderbt und preisgegeben. Die Königsmärkischen vernichteten. beinahe die ganze Kornernte und mußte das Zerstreuete mit Mühe am 15. August wieder zusammen ge­bracht werden, vom Hafer aber ward nichts gerettet. Die Arbeiter an der Fortifikation (in Leipzig) erhielten Korn statt Gel­des, das man nicht hatte und als der Major Lange am 24. August die Pferde mit Gewalt nahm, pflügten die Marketender des Raths Felder, denen man statt Lohnes Getraide gab. Die Rathskasse war ohne Einnahme. Den Zoll erhob der jedesmalige Commandant für sich. Der Oberste Schieke, der einige Zeit den Oberbefehl hatte, stellte daher gewöhnlich zwei Reiter mit geladenen Pistolen vor das Rathhaus und die Schenk­stube, die die Gleitspflichtigen zu ihm weisen mußten, und die folgen­den thaten es ihm nach. An Schoß-, Bank- und anderen Zinsen war von der erschöpften, bis zur Hälfte geschwächten Bürgerschaft nichts zu erlangen, das geringe Stätte­geld aber ward dem Frohne, dem man sonst nichts geben konnte, zu seinem Unterhalte überlaßen. Die Mühle in Naundorf war verlaßen, die Stadtmühle wegen Verschüttung der Arche längere Zeit ungangbar, und nur durch ansehnliche Geschenke an den schottischen Major Dunbar, der sie gänzlich zerstören sollte, zu retten. Die Schäferei bestand beim Anfange des Jahres aus 311 Stück, der größte Theil mußte aber den bequartierten Bürgern zur Unterstützung gegeben werden, und das Uebrige ward von den Soldaten geraubt. Ein Hausmann (Musikus) konnten nicht gehalten werden, und ein verarmter Bürger versähe für einen Wochenlohn von 6 Groschen die Wache auf dem breiten Turm. Auch die Torwärter erhielten nichts, die Soldaten hatten die Torschlüssel. Nur den Nachtwächtern gab man geringen Lohn, den sie wegen öfterer Leibes- und Lebensgefahr wohl verdienten. 174 Gülden erhielten die Soldaten nur zu Licht, das Holz nahmen sie mit Gewalt, wo sie es fanden. Die Ziegelscheune war zerstört." Soweit die Nachricht des Kämmerers. Der Superintendent, Mr. Andreas Cruciger, starb am 11. März und ward am 13. in dem breiten Gange der Stadtkirche, nahe der Kanzel bei­gesetzt. An seine Stelle brachte der Rat den beliebten Archidiakon Mr. Gabriel Seholler in Vorschlag, welcher nach Dresden reisen und die Bittschrift dem Kurfürsten übergeben mußte. Dieser aber entschloß sich, kraft habenden Juris Patronatus, das vacierende Amt aus erheblichen Ursachen mit dem gewesenen Unterhofprediger der jüngst gestorbenen Kurf. Witwe in Lichtenburg, Mr. Christian Ilge, zu bestellen und so er­hielt dieser nach gehaltener Probepredigt die Vocation. Die seltsame Maßnahme, dem Rate das Patronatsrecht zu entziehen, ein Werk des Hoc von Hohenegg ist zu merkwürdig und verdient, daß ihr Andenken durch Abschrift der längst vergessenen Urkunde erhalten werde. Der Archidiakon Seholler und der Rat erhielten auf seine überreichte Bittschrift diesen Befehl. „Von Gottes Gnaden Johann Georg etc. Churfürst etc. Würdiger, Andächtiger und Liebe getreuen, Vns sind Euerr vnterthenigste schreiben, darinnen bey Vns Ihr der Rath, Euren Archidiaconum Mr. Gabriele Schollern zum verledigten Pastorat und Superintendens vnterthenigst verbeten, gebürlich fürgetragen worden, Demnach Wir aber, aus erheb­lichen Vrsachen, solch vacirendes Ambt mit M. Christian Ilgen, der jüngst seelig verstorbenen Churf. Sächs. Wittib zu Lichtenburg Liebden, gewesenen vnterhoffpredigern, crafft habenden Juris Patronatus, zu be­stellen entschlossen, Alß begehren Wir hiermit gnädigst, ihr der Archi­diaconus wollet gedachtem M. Christian Ilgen eine Zeit, zu verrichtung der Probepredigt, förderlichst bestimmen, die Cantzel eröffnen, und Ihr ingesambt, wann wieder seine person lehr und leben nichts erhebliches einzuwenden, an Vns ihn zu fernerer Verordnung remittiren und weisen, Daran geschieht Vnsere gefellige meinung,
Datum Dreßden, den 17. May 1644.
Friedrich Metzsch mpr.
B. Böhm, Secr.
Der Rat hatte in dieser schrecklichen entmutigenden Zeit, wo man alle Rechte mit Füßen trat, zu wenig Acht auf das „crafft habenden Juris Patronatus" und begnügte sich mit der ihm gnädigst verstatteten leeren Unterschrift der Vocation. Zum Glücke konnte er es diesmal unbedenk­lich, da der Berufene in jeder Amtsbeziehung ausgezeichnet und liebens­würdig war. Am 19. März ging die hiesige schwedische Besatzung nach Leipzig und am 9. April kam der Kommandant von Leipzig, Axel Lillie, mit seiner Familie, seinem Haushalt, 1000 Reitern und 60 Musketieren hierher und blieb sieben Wochen, das Kommando in Leipzig hatte indessen der Oberst Schullmann. Nach einen starken Nordlicht am 2. Mai trat große Trockenheit ein, die aber den Feld- und Gartenfrüchten eher nützlich als schädlich war, und man erntete reichlich, nur nicht in hiesiger Gegend, wo durch die Raub- und Zerstörungssucht der Heere das meiste verloren ging. in diesem Monat (Mai) mußten auch 1100 Taler an den hier liegenden schwedischen Obereinnehmer Harlin abgelielert werden. Am 21. Mai zog Königsmark von Leipzig nach der Weser und ließ in Leipzig den Obersten Candelberger den Oberbefehl. Nach seinem Weg­gange erschien Gallas wieder, verband sich mit Colloredo, Bruay und fünf Hatzfeldischen Regimentern so, daß sein Heer aus 12 000 Mann bestand und nahm Zeitz, dessen Schloß mit wenigen Schweden besetzt war, im Sturm. Am 11. Juni rückte dieses Heer vor Leipzig, drang am 13. in die Vor­städte, ward aber von den Basteien heftig beschossen, mußte sich mit Verlust nach Stötteritz ziehen, kam am 17. über Taucha hierher und nahm seinen Weg auf Bernburg, wo es über die Saale und bald darauf bei Werben über die Elbe ging. Bald nach diesem alles verheerenden Zuge kamen in der Mitte des Juli die Sachsen, nahmen Chemnitz, Grimma, Rochlitz und Leisnig, streiften auch in hiesige Gegend mit gleicher, beispielloser Plünderungs- und Zerstörungswut. Diese vertrieb der wiederkehrende Königsmark, wel­cher am 6. August mit den vornehmsten Führern von hier nach Torgau zog, diese Stadt nahm, am 25. aber wieder eintraf. Die Stadt mußte ihm bei seiner Ankunft 10000 Pfund Brot und 20 Faß Bier liefern, verlor alle Pferde und den Gebrauch der Mühlen, die man absichtlich ver­darb. Am beschwerlichsten war die Gegenwart des Obersten Schicke, welcher den größten Teil des Jahres mit seinem Regimente hier lag, sich alles erlaubte und zuletzt, im Dezember dieses Jahres, sogar Stücke der Stadtmauer niederriß. Um Abberufung desselben wendete man sich zu verschiedenen Malen an die schwedischen Befehlshaber in Leipzig, an Königsmark und Torstenson; die Umstände gestatteten aber keine Er­leichterung, weil bald die Kaiserlichen, bald die Sachsen, Königsmarks Abwesenheit benutzend, ihre Angriffe auf Leipzig und die Umgegend erneuerten und den Feind erbitterten. Wegen, dieser wiederholten An­fälle konnte auch die Leipziger Michaelismesse nicht gehalten werden, ungeachtet Torstenson dem Handel die möglichste Sicherheit ver­sprach. Am 28. Oktober starb der Aintsschösser Samuel Heller. Merkwürdig war, daß der Bürgermeister Bartholomäus Fiedler, welcher ihm die Abdankung hielt, bei seiner Rückkehr in die Wohnung vom Schlage getroffen wurde, nach wenigen Tagen starb und so die Stadt in wenigen Monaten die drei Vornehmsten verlor, von welchen namentlich Fiedler wegen seiner Gewandtheit in Behandlung der Kriegsangelegenheiten vor der Hand wenigstens nicht zu ersetzen war. Der Schösser Heller war einer der wohlhabendsten Bürger und verließ an Gütern das massive Haus der Rittergasse Num 113, 9 halbe Hufen Feld, 21/2 Acker auf Wiederkauf, 7 Acker Wiese, eine Scheune, 2 Miethäuser mit Weingarten an der Vogelstange, 2 unausgebaute Häuser mit Gärten in der Grünstraße, einen Hopfen- und Obst­garten im Rosentale nahe der Stadtmühle, 2 Krautgärten im Gut zu Kreuma und ein zweites abgebranntes daselbst, beide mit 7 Hufen Wiesen und Gärten. Torstenson, welcher anfangs des Dezembers in und um Schkeuditz la­gerte und den sächsischen Obersten von Gersdorf, welcher mit 300 Mann Sachsen Pegau besetzt hielt, um Einstellung seiner Streifzüge gegen Leipzig vergebens ersucht hatte, ging am 2. Dezember nach Pegau, beschoß die Stadt, die sich auf mehrmalige Aufforderung nicht ergeben wollte, bis sie in Feuer aufging und bis auf wenige Gebäude zerstört war. Zwei schwedische Trompeter brachten die Nachricht hierher. Eine Folge dieser unbesonnenen Verteidigung war, daß Torstenson in dem eroberten Zeitz das Schloß durch Sprengung vernichtete und auch andere um Leipzig liegende Städte auf diese Weise wehrlos zu machen befahl. Weißenfels, Eilenburg verloren dadurch ihre Schlösser und auch hier ward die Befestigung des Schlosses, ein Teil der Stadtmauer und Basteien niedergelegt.


1645
Königsmark, der in zwei Monaten das Erzbistum Bremen genommen hatte, kam nach Sachsen zurück und stieß in Schlesien zu Torstenson. Dieser rückte in Böhmen ein und erhielt am 24. Februar bei Jankau über das kaiserliche Heer, welches der Kaiser selbst und Hatzfeld an­führten, einen vollständigen Sieg. Der Kaiser flüchtete mit den Schätzen Wiens nach Graiz und alles bis zur Donau war Beute des Sieges. Fand er bei Krems Fahrzeuge, so war Wien verloren und blieb ihm Rakoczi, der mit 25 000 Mann zu ihm stieß, treu, der Krieg wahrscheinlich zu Ende. Der Kaiser gewann aber den Rakoczi durch große Versprechungen und da es dem Torstenson an Fahrzeugen fehlte, Krankheiten im Heere einrissen, er selbst ah der Gicht litt, so ließ er zu Krems und Korneuburg Besatzung, zog aber das Heer nach Böhmen zurück und ward, ärztliche Hilfe suchend, in einer Sänfte nach Leipzig gebracht, wo er am 18. in Eilenburg den Oberbefehl an Wrangel übertrug. Durch die Schlacht bei Jankau verlor Sachsen die letzte Hoffnung einer kaiserlichen Rettung und es gelang dem Axel Lillie und Königsmark durch absichtlich erhöhte Bedrückungen und Streifzüge gegen Dresden, welches man bisher verschont gelassen, mit Hilfe Herzogs August, Ad­ministrators des Erzstifts Magdeburg, den Kurfürsten zu einem Waffen­stillstand zu bringen, welcher am 27. August auf dem Pfarrhause in Kötzschenbroda auf sechs Monate abgeschlossen und von Zeit zu Zeit bis zum Frieden verlängert ward. In Folge dieses Vertrages gab Sachsen dem Kaiser nur drei Regimenter Reichshilfe, verstattete ihm keine Werbung, die Schweden hatten Leip­zig, freien Paß bis drei Meilen um Dresden und erhielten vom Lande monatlich 11000 Taler 3000 Scheffel Roggen und ebensoviel Hafer. Mit dem Abschluß des Waffenstillstandes ward es sicherer und hatte man zwar zu den verschiedenen Kontributionen an Geld, Bier und Getreide auch noch Armistitien-Geld und Getreide zu geben, konnte jedoch ruhiger nachdenken, auf welche Weise der so sehr verwilderte Acker des Gewerbes wieder zu befruchten sei. Man suchte die zerstörten Mühlen, die Okonomie und Schäferei wieder herzustellen, verwendete auf die Mühlen 64 Gülden, kaufte für 21 Gülden (die man aus altem Bruchsilber löste) Samenhafer und brachte die Schäferei auf 213 Stück. Auch fing man wieder an zu brauen, vermied aber die Einlegung fremden Bieres, weil die Zuführung gewagt schien. Die Ziegelei blieb in ihrer Verwüstung. Die Ratsmitglieder mußte man mit Roggen besolden, soweit es die Kontribution zuließ, doch zahlte man seit 1633 zum ersten Male etwas auf die Jahrrente ab. Der Scheffel Weizen galt 26-20, Roggen 15-11 Groschen.


1646
Der im vorigen Jahre zwischen Sachsen und Schweden geschlossene halbjährige Waffenstillstand wirkte zusichtlich auf Wiederbelebung des Landes, das Volk verlangte die Erneuerung um jeden Preis und so kam, weil auch Schweden es wünschte, in Eilenburg, wo man sich mehrere Wochen beriet, am 31. März, trotz den Gegenreden des österreichischen Gesandten von Lobkowitz, ein neuer Vertrag zur Unterschrift, den man als eins der erfreulichsten Ereignisse des Krieges mit großen Feierlichkeiten aufnahm, auch bis zum allgemeinen Frieden zu erhalten so glücklich war. Das schwedische Heer unter Wrangel und Königsmark kämpfte bald mit bald ohne Turenne glücklich in den entfernten Franken, Bayern und Schwaben, der kleine, in Leipzig gebliebene Abteil desselben hielt sich streng in den Schranken des Vertrages, der Armistitien Beitrag war gemäßigter als vorher, man hatte, obschon auf harter, wüster Stätte, doch Ruhe und konnte räumen und rüsten für die nahe bessere Zeit. Die Brauerei ward nach Kräften fortgesetzt, die Schäferei er­halten, die lang unterbrochenen, jetzt wieder regelmäßig gehaltenen Wochen- und Jahrmärkte fanden wenigstens einigen Besuch, auch rettete man aus den Trümmern des Kirchen- und Gemein­deschatzes, was noch zu retten, für den notdürftigsten Unterhalt des Lehrstandes dringend nötig war. Leider hatten die meisten Stipendien und Armenvermächtnisse mit den für ihre Sicherheit haftenden, längst wüst gewordenen Gütern und Häusern aufgehört. Vom 2. Mai bis 6. August waren Deputierte von hier auf dem Landtage in Dresden, wo zu Aufrichtung und Erhaltung des sächsischen Heeres außer den bisherigen Abgaben noch eine Kopf- und Gewerbe­steuer bewilligt werden mußte, welche monatlich von der Stadt 68 Taler 6 Gr. und bis zum 30. September 1650 von Stadt und Amt 20 321 Taler betrug. Jedes Haupt über 15 und unter 70 Jahr gab monatlich 1 Groschen. Der Scheffel Weizen galt 20, der Roggen 11 Groschen.


1647
Der im Jahre 1632 angestellte Rektor Mr. Christoph Schaarschmidt, welchen man 1638 in den Rat genommen, der Superintendent Cruciger aber, weil ein tüchtiger Lehrer an seine Stelle nicht zu erlangen war, zum Rücktritte in das vorige Amt bewogen hatte, übernahm aus Mangel, der ihn sogar zum Tanze zu spielen nötigte, das Pfarramt in Spröda und starb daselbst 1667. Das alte, 1606 gefertigte, im Kriege aber untauglich gewordene Uhr­werk des Hallischen Turmes, ward an die Kirche zu Golm für 22 Gülden 18 Gr. verkauft. Die Schäferei stieg bis 325 Stück, gab 31 Steine Wolle, und 139 Taler 12 Gr. Gewinn; aus dem Getreide aber löste man 240 Taler und verkaufte den Scheffel Weizen für 14, Roggen für 8, Gerste für 6 1/2, Hafer für 5 Groschen. Auch das Bierbrauen ward belebter und suchte man das in langer Not fast vergessene Bannrecht durch Wegnahme fremder Biere wieder vor. Doch gab es noch außer den ordentlichen folgende außerordentliche Aufgaben:
Kurfürstliche Kopf- und Gewerbesteuer,
Vitzthumische Kontributionen, Schleinitzische desgleichen,
Kontributionen zu des Oberstleutnants Anderson Auslösung,
Armistitien-Geld und Getreide,
Schwedische Executionsanlage,
308 Taler für den schwedischen Kornett,
Verpflegungstermin der Soldaten,
Service nach Meißen,
Dergleichen nach Wittenberg,
dergleichen nach Oschatz,
Verpflegungsgelder für die Oschatzer Soldaten,
und Ausgaben in Rechtssachen wegen der geistlichen Solde und des Oberstleutnants Schiecke (dem die Dörfer Gertitz und Werben verpfän­det waren) Ansprüchen an die Kommune.
Am 19. Mai brach in der langen Gasse in Zörbig bei einem Hufschmied Feuer aus, welches 40 Häuser und mehrere Scheunen zerstörte und mit der Bitte um Unterstützung von dem Rate daselbst hier angezeigt ward.


1648
Das Friedens-Instrument ward am 24. Oktober von 9 Uhr vormittags bis 5 Uhr nachmittags vorgelesen, mit Handschlag bekräftigt, unter­zeichnet' und tags darauf öffentlich kund gemacht. Frankreich und Schweden gaben den Ausschlag und man rühmte von den Schweden, daß es ungeachtet seines zeitigen, militärischen Übergewichts dennoch in seinen Forderungen bescheiden war. Es erhielt Vorpommern, Rügen, Stettin etc, Bremen, Verden, Wismar, Poel und fünf Millionen Taler, versprach, sobald drei Millionen gezahlt wären, Deutschland mit seinem Heere zu verlassen und mit den übrigen zwei Millionen ein Jahr zu warten, erklärte aber, als neue, in Nürnberg entstandene Hindernisse eintraten, daß es, bevor nicht alle den Evangelischen günstige Artikel vollzogen wären, in dem von ihm besetzten Ländern bliebe, wodurch die Freude über den kund gemachten Frieden gemäßigt und das eigent­liche Friedensfest bis 1650 verschoben ward. Die den Schweden, namentlich Oxenstierna so beschwerlich gewesene Politik des sächsischen Hofes war schuld, daß das bescheidene Sachsen für ungeheure Opfer, die es des Reiches Frieden gebracht, bei dieser Friedensbeute fast ohne Entschädigung blieb, Brandenburg aber bei ge­ringerer Anstrengung sehr begünstigt ward. Die Stadt Delitzsch hatte zu den fünf Millionen gegen 400 Taler beizu­tragen, erhielt zu den vielen gewöhnlichen und ungewöhnlichen Lasten noch das Einleger einer schwedischen Kompagnie mit Stabe und gab monatlich 320 Taler schwedisches Verpflegungsgeld. Bedenkt man, daß die Vorstädte in der Asche, innerhalb der Mauern viele Häuser wüst lagen, so erscheint die, pünktliche Ableistung ein Wunder, das nur durch die letzten Opfer früheren Wohlstandes, durch den Verkauf von Grundstücken der Stadt und die neu belebte, sichere Gewerbebetriebsamkeit einigermaßen erklärbar wird. Es hielten in diesem Jahre wieder Bank 3 Lohgerber, 11 Fleischer und Lästerer, 7 Bäcker, 4 Tuchmacher, 4 Böttcher und 9 Schumacher; die Schäferei kam auf 413 Stück und gab 127 Gülden Gewinn. Auch hatte man eine gute Ernte und verkaufte den Scheffel Weizen für 10 bis 12, Roggen für 8, Gerste für 5, Hafer für 4 Groschen. Die der Stadt gehörigen zwei Schöppenhufen auf Schweisser Mark bei Zschortau wurden am 16. Juni an Gregor Schönbrod verkauft und mit 1 Gülden 15 Gr. Lehnware belegt. Auf Bitte ward das im Jahre 1619 von 70 auf 200 Gülden erhöhte Dienstgeschirrgeld auf 100 Gülden ermäßigt durch kurfürstlichen Befehl vom 31. Oktober dieses Jahres, bei welcher Summe es geblieben ist.


1649
Die Stände des Leipziger Kreises kamen Ende des Januar in Leipzig zusammen, um sich über Verteilung der für diesen Kreis bestimmten schwedischen Mannschaft zu vergleichen. Diese bestand aus 10 Kompagnien zu Roß und 30 zu Fuß, wovon die Stadt Leipzig ihre 11 Kompagnien behielt, Delitzsch, Stadt und Amt aber mit 1 Kompagnie zu Roß und 11/2 Kompagnie zu Fuß belegt ward. Die Kompagnie der Stadt mit dem Stube bestand aus 104 Mann und 30 Pferden unter dem Major Liuen und erhielt ihre Verpflegung nach der Ordonnanz des Grafen Magnus de la Gardie vom 14. Januar dieses Jahres. Stadt und Amt, welches die Kompagnie-Reiterei und eine halbe Fußvolk hatte, war monatlich mit 700 Talern Geld, 110 Scheffel Hafer, 230 Zentner Heu und 650 Bund Stroh angesetzt. Der Kurfürst befahl am 25. August von Freiberg aus, das von den Schweden niedergerissene Torhaus und Mauerstück schleunigst her­zustellen. Fünfundzwanzig Ruten der Stadtmauer waren gänzlich, übrige Stücken teilweise zerstört. Der Scheffel Weizen galt 16-14, Roggen 8-13 nach der Ernte.


Delitzscher Stadtchronik - 1650-1701

(Quelle: Delitzscher Stadtchronik von Johann Gottlieb Lehmann, ausgewählt durch Christel Moltrecht; Teil VI, 1650-1701; hrsg. vom Kreismuseum Delitzsch 1988.)

Vorwort

Der hier vorgelegte Abschnitt der Delitzscher Stadtchronik umfaßt die fünfzig Jahre nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges. Dieses Ereignis war an der Stadt und den Dörfern der Umgebung nicht spurlos vorüber ge­gangen. Häufige militärische Überfälle hatten viele Häuser besonders in der Neustadt zerstört, Menschen getötet und der lebenden Bevölkerung große Beschwernisse gebracht. War doch die Versorgung der einquartierten Trup­pen von Freund und Feind nicht nur eine Sache des Rates, sondern vor allem der Einwohner. Aus der Eingabe analen Ausschußtag in Dresden 1653 werden die zahlreichen finanziellen und materiellen Belastungen, die der Stadt in Form von Steuern, Akzisen und Frondiensten auferlegt werden sowie die gravieren­den Beeinträchtigungen ihrer Rechte sichtbar. Diese Forderungen stehen im krassen Gegensatz zur Leistungsfähigkeit der verbliebenen Einwohner­schaft, die durch den Krieg stark dezimiert und außerstande ist, die hohen Steuergelder zu entrichten. Noch Jahre nach dem Kriege liegen zahlreiche Grundstücke wüst und erst 1697 sieht man sich in der Lage, der im Kriege aufgelösten Schützengesellschaft ein neues Schießhaus zu bauen. Über eine Erhöhung der Bevölke­rungszahl kann der Chronist erst 25 Jahre nach dem Krieg berichten. Die politischen Ereignisse der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts werden im Kurfürstentum Sachsen und damit in Amt und Stadt Delitzsch wesent­lich von den Auswirkungen des Testamentes des Kurfürsten von Sachsen, Johann Georg I. bestimmt. Nach diesem Dokument, das mit dem Tode des Kurfürsten im Jahre 1656 in Kraft tritt, kommt es zu einer unglücklichen Zersplitterung des Kurfürstentums Sachsen als Stammland durch die Bildung der drei Sekundogeniturherzogtümer Sachsen-Weißenfels, Sachsen­Zeitz und Sachsen-Merseburg. Letzteres entsteht aus den Ämtern De'litzsch, Bitterfeld und Zörbig sowie den Städten Doberlugk, Finsterwalde und Spiemberg mit einem Sohn Johann Georgs, Christian I., an der Spitze. Er hat seine Residenz in Merseburg. Ihm verdankt die Stadt Delitzsch den Wiederaufbau des Schlosses. Nach der Beseitigung der schweren Kriegs­schäden wird dieses Gebäude Witwensitz des Hauses Sachsen-Merseburg. Noch vor Abschluß der Bauarbeiten zieht Christiane von Holzstein-Glücksburg als Witwe des ein Jahr zuvor verstorbenen Herzogs Christian I. 1692 hier ein. Ihre Existenz in dieser kleinen Stadt bewirkt ein bescheidenes Hofleben, in dessen Rahmen bestimmte Handwerker zu attraktiven Lei­stungen motiviert und Künstler zur Ausschmückung von Schloß und Stadtkirche herangezogen werden.
Die heutige Löwenapotheke in der Breiten Straße wird 1699 zur Hof apo­theke„Zum goldenen Stern". Herr Christian Koberstein eröffnet im glei­chen Jahr seine Hofbuchdruckerei. Die neue Kapelle im Schloß weiht man im Jahre 1693 und die barocke Turmhaube sowie die Pyramiden auf der Brücke werden 1695 gesetzt. Im Jahre 1696 erhält das Schloß nach Norden einen neuen Wendelstein. Sind die baulichen und künstlerischen Aktivitäten in der Stadt' positiv zu werten, so bringen andererseits die häufigen fürstlichen Besuche auf dem Schlosse den Delitzscher Bürgern große zusätzliche Aufwendungen. Be­waffnet haben sie die Gäste zu empfangen, Spaliere zu bilden und Geleit­schutz zu geben. Zudem führt der häufige Wechsel der Herzöge durch rasch aufeinanderfolgende Todesfälle (1691 stirbt Christian I., 1694 sein ältester Sohn Christian II., dessen Sohn, der Erbprinz Christian Moritz im gleichen Jahr) dazu, daß der Rat laufend zu umständlichen Huldigungszeremonien verpflichtet wird. Die unglückliche Landesteilung bringt darüber hinaus Zerwürfnisse mit dem kurfürstlichen Haus in Dresden, war dort doch 1694 der Kurfürst Johann Georg IV. gestorben. In diesem Zusammenhang kommt es zur Besetzung der Stadt durch Truppen des kursächsischen Hofes, indem die Stadttore gewaltsam geöffnet werden, obwohl der regierende Herzog persönlich anwesend ist. Andererseits mischen sich diese Herzöge in angestammte Rechte der Stadt ein, so in das Patronatsrecht des Rates bei der Einsetzung des Pfarrers. Außer Unstimmigkeiten mit dem regierendQn Hause erfahren die Bürger weitere Beeinträchtigungen durch den umliegenden Adel und den hiesigen Amtsschösser, die beide zum Schaden städtischen Gewerbes in der Stadt mit dem Weißbierbrauen beginnen. Auch in diesem Jahrhundert führen die von Miltitz auf Schenkenberg ihren Dauerstreit wegen der Gertitzer Hu­tung. Alle diese Beschneidungen der Rechte der Stadt durch den Adel lassen sich im ausgehenden 17. Jahrhundert weder der Rat noch die Bürger bieten.
Das durch den Dreißigjährigen Krieg zerrüttete Wirtschaftsleben beginnt sich zögernd zu stabilisieren und der Rat bemüht sich'um die Wiederher­stellung der öffentlichen Ordnung. Das belegt der Chronist durch zahl­reiche Hinweise. So wird im Jahre 1694 eine neue Polizeiordnung erlassen, nach der den Handwerksgesellen das Tragen von Degen, Gewehren und anderen Waffen verboten ist. Auch die Arbeit an kirchlichen Feiertagen wird mit Geldstrafen belegt. Streng ahndet man Verbrechen gegen die Sicherheit der Bürger, wie die Verfolgung und Verurteilung von Räubern im Jahre 1687 zeigt. Zur Stärkung einheimischen Gewerbes wird das Einle­gen und Ausschenken des fremden Landsberger und Jeßnitzer Bieres verboten. Eine große Brandkatastrophe, von der die Stadt im Jahre 1661 heimgesucht wird, macht den Wiederaufbau erneut zunichte. Das im Haus Hallische - Ecke Milchgasse ausgebrochene Feuer erfaßt beide Seiten der- Hallischen Straße, die Schloßstraße, die dazwischenliegenden Häuser des Marktes und einen Teil der Ritterstraße. Insgesamt werden 70 Wohnhäuser mit allen Nebengebäuden vernichtet. Auch das Hospital und viele Scheunen der Vorstadt werden ein Opfer der Flammen. Um weitere derartige Katastrophen zu vermeiden, wird die bestehende Feuerordnung einer Revision unterzogen und als sie der Rat 1663 neu herausgibt, ist sie so vorbildlich, daß sie bis ins 18. Jahrhundert hinein gültig bleibt und mehrfach im Druck erscheint. Eine ebenfalls in dieser Zeit her­ausgegeben herzogliche Verordnung verbietet aus Gründen der Brandge­fahr. Strohdächer und Steckenzäune, die aber wegen der noch immer herr­schenden Armut unter den Bewohnern auch Jahrzehnte später noch anzutreffen sind. Außer dramatischen Ereignissen wie der Feuersbrunst hebt der Chronist auch immer wieder auftretende seuchenhafte Erkrankungen an Pest und Blattern mit Hinweisen auf die ungenügenden hygienischen Bedingungen in der Stadt hervor. Neben den Bemühungen des Rates zur völligen Wiederingangsetzung des bürgerlichen Lebens werden 1657 unsinnige Hexenprozesse gegen 6 un­schuldige Frauen umliegender Dörfer angestrengt, die, durch Verleumdung der Zauberei bezichtigt, ihr Leben in den Flammen lassen müssen. Der Chronist Lehmann berichtet weiterhin von der Förderung Delitzscher Tuche und hiesigen Tuchmachern, die sich gegen den fremden Wollhandel verwahren. Wir erfahren von sogenannten Platzbäckern, die zum Nachteile der Zunftbäcker außerhalb der Altstadt in der Grünstraße Mehl verkaufen. Das im 18. Jahrhundert für den Unterhalt der Einwohner entscheidend werdende Strumpf strickergewerbe wird im Jahre 1692 erstmalig erwähnt. Im Besitz der Stadt befinden sich die Natthdorfer Mühle, die Fischerei im Lober bei Benndorf und man bemüht sich auch, die im Krieg verlorenen Ratsdörfer wieder einzulösen. Bringen diese doch neben Fischerei und Schä­ferei ansehnliche finanzielle Gewinne. Die unter großen Teilen der Bevölkerung herrschende Armut sucht man zu bessern, indem an Stelle der Hausbettelei eine Hauskollekte erhoben wird.Die Insassen des Hospitals, die schlecht bezahlten Schullehrer und die Kan­toren erfahren durch großzügige testamentarische Verfügungen des her­zoglichen Kanzlers Wex und wohlhabender Bürger, wie Heinrich von Luk­kowenn, Bürgermeister Meischner und Hufschmied Voigt, finanzielle Aufbesserungen. Besonderes Augenmerk hat der Rat der Stadt nach kurfürstlicher Order von 1649 erneut auf die Instandsetzung der Wehranlagen zu richten. Zwar wird der kleine Schloßgraben zwischen der westlichen Altstadt und dem Schloßbereich aus hygienischen Gründen verfüllt, aber alle übrigen Anla­gen wie die Pforten- und Kohltorbrücke, das Hallische Torhaus und das Viehtor an der Bitterfelder Straße werden neu gebaut oder repariert. Von der Wiederaufsiedlung der Neustadt wird analog dem langsamen Be­völkerungswachstum erst im Jahre 1698 berichtet. Mit dem Jahre 1701 enden die Aufzeichnungen unseres Delitzscher Chroni­sten Johann Gottlieb Lehmann. Sie sind eine gelungene Darstellung annalistischer Aussagen in einer anspruchsvollen literarischen Form. Als er im Jahre 1852 stirbt, bleibt sein umfangreiches, detailgetreues und aufschlußreiches Werk einer Delitzscher Stadtchronik unvollendet. Spätere Chroni­sten setzen sein Werk nur unvollkommen fort. Eine ausführliche Wieder­gabe und Wertung überkommener historischer Urkunden der nachfolgen­den Jahrhunderte steht damit noch aus. So liegt mit dieser Veröffent­lichung der letzte Teil der Lehmannschen Chronik vor.
Christel Moltrecht


1650
Am 16. Juni kam endlich der Friedens-Executions-Haupt-Rezeß in Nürn­berg zur Vollziehung und die Schweden verließen das Land. Am 30. dieses Monats übergaben sie Leipzig an den sächsischen General Arnimb und am 1. Juli nahmen sie über die durch doppelten Sieg merkwürdige Walstatt bei Wiederitzsch, die sie durch Lösung des Geschützes und Abschießen der Gewehre feierlich begrüßten, in größter Ordnung ihren Rückzug zunächst hierher und nach Anschließung der hiesigen Kompagnien weiter nach Köthen. Auf kurfürstlichen Befehl vom 10. Juli ward nun auch das Friedensfest am 22. dieses Monats auf das Feierlichste begangen. Tages vorher läutete man von 1 Uhr nachmittags drei Viertelstunden lang mit allen Glocken, hielt Vesper und Beichte. Zum Feste selbst ward von früh 6 Uhr an mit allen Glocken dreimal geläutet. Rat, Amt, Geistlichkeit, Lehrer, Bürger, sämtlich schwarz gekleidet, die Kinder weiß mit grünen Zweigen, zo­gen vom Rathause unter Glockengeläute in die mit grünen Zweigen ge­schmückte Kirche, wo der Gottesdienst nach Anordnung gehalten und mit dem Gesange: Herr Gott dich loben wir geschlossen ward. Ebenso festlich war der Nachmittags-Gottesdienst, welcher mit einer Spende an die Armen endete. Vergnügungen aber an öffentlichen Orten waren streng untersagt. Zu Abdankung der kurfürstlich-sächsischen Völker mußten am 1. August zwei Termine Kurantsteuer aufgebracht werden. Sie betrugen bei der Stadt 243 Taler 20 Groschen. Die Bürgermeister Simon Parreidt und Jäger bemühten sich in Leipzig um Geld, die Ratsdörfer einzulösen, kamen aber nach einigen Talern Aufwand, ohne ihren Zweck erreicht zu haben, zurück Ein Scheffel Weizen galt 14 Groschen, Roggen ebensoviel, Gerste 9 Groschen.


 1651
Es hielten in den Bänken zwei Lohgerber, 11 Fleischer, 7 Bäcker, 5 Tuchmacher, 4 Böttcher, 11 Schuhmacher und 5 Leineweber feil. Die Schäferei kam auf 612 Stück, gab 52 Steine Wolle und 208 Gülden Lösung. Die Wolle lag auf dem Boden der Marienkirche. Die Getreideernte war gering, weil durch stete Regenwetter viel verdarb; daher galt der Scheffel Weizen 20-23, Roggen 16-20, Gerste 12-16 Groschen. Die im Kriege verwüstete Pfortenbrücke ward hergestellt und das Mitteltor des breiten Tores an die Stelle des ebenfalls im Kriege niedergebrannten Viehtores gebracht. Die in dem Stadtgraben liegenden spanischen Reiter verbrauchte man als Brennholz. Gertitz und Werben mußten, um den Oberst-Leutnant Georg Schiecke auf Quetz zu befriedigen, weiter verpfändet werden. Die halbe Hufe des Dr. Kirchhof auf Rubach, von welcher 69 Gülden Steuer zurückgeblieben waren, löste der Rat, und ward nun Eigentümer der ganzen Hufe; auch zahlte er von der Georg Holzmül­lerschen halben Hufe das Lehngeld. Die Besoldung der Ratsmitglieder ward jährlich auf 40 Gülden festgesetzt. Am Pfingstfeste stellte man seit dem Anfange des Krieges zum ersten Male wieder Maien in der Kirche auf. Am 3. September ward dem Bürger Christoph Ackermann eine am 1. September geborene Tochter getauft, am Tauftage aber abends 7 Uhr, gebar die Mutter noch einen toten Knaben. klein und verwest. einer Spielpuppe gleich. Für den Flurschützen, welchen beim Holzfällen ein starker eichener Ast hart beschädigte, zahlte der Rat an den Chirurgen Tobias Gotzsche 6 Gülden 12 Gr. Arztlohn. Durch milde Beiträge vornehmer Frauen erhielt die K i r c h e einen Schmuck von glattem, roten, genuesischen Sammet mit goldner Schrift an den Pfeiler der Kanzel, welcher 33 Gülden kostete und am Weihnachtsfeste an seinem Bestimmungsorte befestigt ward.


1652
Die Schäferei stieg auf 643 Stück, gab 65 Steine Wolle und 208 Gülden Gewinn. Vom Feldbaue hatte die Kommun 26 Schocke Wei­zen, 77 1/2 Roggen, 33 1/4 Gerste, 191/2 Hafer; an Körnern 81 Scheffel Weizen, 255 Roggen, 145 Gerste, 150 Hafer und galt der Scheffel Wei­zen 20, Roggen 19, Gerste 10 1/2, Hafer 8 Groschen. Man fing auch wieder an, fremdes Bier einzulegen und.verbrauchte 32. Kufen, die man von Torgau bezog. Die Brücke des breiten Tores wurde im Pfahlwerke gebessert, ganz mit neuen eichenen Bohlen belegt und gepflastert. Auch nahm man wieder einen Stadtmusikus an. Peter Carieß, der von Bitterfeld abgeholt ward. Der Sohn des hiesigen Ratsherren und Organisten Rudel, Siegfried, später Pfarrer in Lindenhayn, ward am 18. Januar Magister und er­hielt vom Rate 4 Taler zum Geschenke. Auch gab der Rat dem Sohne des hiesigen Bürgermeisters Wieprecht, Daniel, Protonotar des Kon­sistoriums und kurf. Geleitsschreiber in Leipzig, als er sich mit der Tochter des Stift-Sekretär Sommer in Merseburg verehelichte, 5 Ta­ler, dem Rektor der Schule Pforte aber, Mr. Johann Kühn, einem Delitzscher, um die Pförtner Schüler hiesiger Stadt sehr verdienten Manne, am 15. September 6 Taler Hochzeitsgeschenk. Am 28. April ward der Superintendent, Lizentiat Clauder, vom Super­int. Dr. Christian Lange aus Leipzig, investiert. Der Superint. Clauder erbat sich bei dieser Gelegenheit, die Graben bei der Pfarrwiese im Rosentale auf seine Kosten zu erhalten. Am 18. September war der Administrator des Erzstiftes'Magdeburg, August, auf seiner Reise hier und speiste in der R a t s s t u b e. Die Bürgerschaft, welche vor dem Rathause und in den Toren aufwartete. erhielt Torgauer Bier. Am 16. November ward der praktische Jurist, Notar und Ratsherr ,(seit 1629) Gottfried Voigt begraben, eins der brauchbarsten und tä­tigsten Mitglieder des Rates während der Kriegszeit. Die Witwe des Hans Münch hatte den Schullehrern ihr Haus in der Vorstadt als Vermächtsnis ausgesetzt, zu welchem sich An­dreas Albrecht als Käufer meldete und 80 Gülden bot. Sie suchten deshalb am 29. November die Abschließung des Kaufes bei dem Rate nach.


1653
Auf dem Ausschußtage in Dresden, den 29. Januar trugen die Ver­ordneten der Stadt bei,ihrem christlichen Gewissen und Pflichten, wörtlich diese Bitten und Beschwerden vor:
1. Die Stadt innerhalb und außerhalb der Mauer hat nicht mehr als: 128 angesessene Bürger, 27 Witwen mit eigenen Häusern, und 38 hausarme Bürger: 260 Häuser. in und vor der Stadt, auch fast alle Scheunen sind von Feinden abgebrannt und niedergerissen, deren Besitzer teils von großem Herzeleid gestorben, teils sich in andere Städte und Länder gewendet haben.
2. Die noch gebliebenen Häuser sind an Eingebäuden über alle Ma­ßen beschädigt so, daß bei vielen weder Malzhaus, Stall, noch sonst ein Nebengebäude zu finden ist, und mit mehr als 20 000 Gülden verschuldet, an deren Zinsen Kirche, Prediger. Lehrer und Arme gewiesen sind.
3. Die Armut der Stadt ist leicht zu ermessen, wenn man bedenkt, daß sie den Walstätten am nächsten gewesen, von den geschlage­nen Völkern und sonderlich hohen Offizieren jederzeit hart be­legt worden, und dennoch unerträglich und ganz ungleiche Kon­tributionen aufbringen müssen, wie solches auf der Stelle bewie­sen werden kann, und der Ruin der Stadt genugsam beweiset. Sie bäten deshalb
4.die Stadt bei ihren, durch ihre Vorfahren teuer und mit Blute erworbenen Immunitäten, Freiheiten, Privilegien zu schützen, der Ritterschaft das seit etlichen Jahren zum Nachteile der Stadt und der Steuer gegen Landtagsabschiede und Polizeiordnung unter­fangene Bnauen des Bieres und dessen Vertrieb des Landsberger und Brehnaischen Bieres außerhalb an die Zwangspflichtigen hiesiger Stadt, auch den Priestern, Bauern und Schenken in der Pflege Delitzsch das Verzapfen des Weines und Anhaltischen Bieres streng zu verbieten.
5. Die Anlagen zwischen Amt und Stadt entweder nach Steuerschocken oder sonst nach Billigkeit einzurichten, weil der bisher angenommene Maßstab der Stadt sehr beschwerlich ist, aber auch die Steuerschock wegen der Menge Caduzitäten zu ermäßigen. Es hatte aber das Amt 99 318 Steuerschocke, als:
49 066 das Amt,
35 000 der Kanzlei Schriftsassen,
15 252 der Amtssassen Besitzungen,
31 058 die Stadt.
6. um Verschonung mit Frondiensten und Vorspann bei Durchzügen, die bisher der Polizeiordnung zuwider ohne Entgelt von den Beamteten verlangt worden sind,
7. um Erlaß der doppelten Fleischsteuer vom Hausschlachten.
8. mit der Accisesteuer eine Änderung zu treffen, weil hiesiger Scheffel mehr nicht als einen halben Dresdener und ein Dritteil des Leipziger Scheffels beträgt.
9. um Ersatz des Vorschusses von vielen tausend Talern, die die Stadt dem Leipziger, Kur- und Thüringischen Kreise neben dem Amte leisten müssen. 18 998 Taler 17 Gr. sind 1640-42 für die Ungarschen und andere kurfürstlichen Völker, 11 146 Taler dem Leipziger Kur- und Thüringischen Kreise und 10 096 Taler 16 Gr. dem Kurkreise vorgeschossen worden, welche, so wie 719 Taler 12 Gr., die beim Abzug der Schweden aus Leipzig gegeben wer­den müssen, billig erstattet werden sollten.
Nur die Eingriffe in die Rechte der Biermeile wurden beschränkt, an Milderung der Abgaben, an Vergütungen war nicht zu denken und spät erst setzte man das Schockquantum der Stadt der Caduzitäten wegen, auf einen, wenn auch nicht angemessenen, doch minderbe­schwerlichen Fuß. Der Tuchhänd1er Georg Dietze, verehelichte sich mit der Enkelin des vormaligen Superintendenten Selnecker, der Tochter des Stadtschreibers Mr. Nicolaus Selnecker in Düben und der Amtsschösser Christoph Mayer mit der Tochter des Archidiakon Seholler, Johanne Marie, die vom Vater in des Schössers Wohnung kirchlich verbunden ward. Beiden gab der Rat ein Hochzeitsgeschenk. Am 13. Dezember fand sich im Brunnen des Cyriakus Kothe in der breiten Gasse ein toter Mann, ein Einwohner in Frankenthal bei Bischofswerda, ohne merkliche Beschädigung und blieb die Veranlassung bei gerichtlicher Untersuchung unermittelt. Johann Spieler, Bür­ger und Handelsmann und seine Gattin Anna, schenkten der Kirche den großen Kronleuchter, einen Altarschmuck und Cymbeln in das Orgelwerk.


1654
Die Schäferei hatte 634 Stück Schafe und gab 42 Steine Wolle, am Werte 144 Gülden. Im Feldbau aber war Mißwachs (viel taubes Getreide, Rade, Vogelwicken) und galt der Scheffel Weizen 8-10, Roggen 7, Gerste und Hafer 4 Groschen. Die Gerichtsstätte ward anfangs des April erneuert. Sämtliche Maurer und Zimmerleute arbeiteten daran und wurden mit einer Trommel an- und abgeführt. Der Stadtrichter legte, wie gebräuchlich zuerst Hand an das Werk. Die während des Krieges auf dem Markte errichtete Justiz ward durch den Nachrichter weggeschafft. Auf der erneuerten Gerichtsstätte ward zuerst am 25. April ein Schuhmacher von Dessau, Hans Hoyer, mit dem Strange hinge­richtet. Die verwüsteten Zwinger besetzte man wieder mit Fruchtbäumen und der Superintendent, Lizentiat Clauder entwarf eine neue Schulordnung , die, nach reiflicher Überlegung mit dem Rate dem Konsistorium zugesendet und von diesem unbedenklich geneh­migt ward. Nach einer Aufforderung der kurfürstlichen Kommissarien an die Stände des Leipziger Kreises, vom B. Juli, versammelten sich diese am 29. August in der Renterei zu Leipzig, wo man von ihnen freiwillige Beiträge zur Reparatur der Feste Pleißenburg und der Mauern um Leipzig verlangte, die aber die Abgeordneten hiesiger Stadt, weil die Reparatur der Festen Sache des Landes, nicht eines einzelnen Kreises sei, Delitzsch seine eigenen Mauern und Gebäude herzustellen habe, verweigerten. Doch gab man eine extraordinäre Defensions-Steuer - Römerzug. Da in der neuen Schu1ordnung, Kap. XII, § 9 zwei examina publica, das erste nach Misericordias Domini, das zweite in der Woche nach der Leipziger Michaelis-Messe angesetzt waren, und nach § 10 die Inspektoren unter die fleißigen Schüler nach des Rates Gutwillig­keit etliche Buch Papier austeilen sollten, so wurde nach dem Mi­chaelis-Examen zum ersten Male ein halbes Ries Papier an die Kna­ben verteilt.


1655
Am 6. Februar stieg der Lober zu einer ungewöhnlichen Höhe, zerriß den Damm (Steinweg) von dem Hallischen Tore, den Weg an der Stadtmühle, nahm die Brücke am Gerberplan oder Mühltore weg und führte verschiedenes Holz in den Stadtgraben. Man hatte daher Aufwand für Wächter in der Mühle, lohnte sieben Männer, welche acht Tage an Ausfüllung der Löcher arbeiteten und führte am Gerberp1ane eine neue Brücke auf. Der Amtsschösser verlangte zwar, daß die Stadt auch den verwüsteten .D a m m oder Steinweg, welcher nach einer Messung vom Jahre 1570 263 Ruten in der Länge und eine in der Breite hielt, mit dem Amte auf gleiche Kosten bauen sollte, diese widersprach aber und verlangte mit Anziehung eines gün­stigen Befehles des Kurfürsten August vom 26. Dezember 1570, in einer kurfürstlichen Verordnung vom 20. April, bis man ein Besseres gegen sie ausführe, völlige Befreiung. Die Appellation der Schullehrer gegen die am 14. Februar bekannt­gemachte, bestätigte Schu1ordnung hatte keine Wirkung. Die Orge1 der Stadtkirche. welche während der Kriegszeit durch Pfuscher und Tischler behandelt, sehr herabgekommen, ward durch den Orgelbauer Wend aus Halle leidlich hergestellt. Am 25. September feierte man das Andenken des vor hundert Jahren erlangten Religionsfriedens mit einem Festzuge in die Kirche. Ein Bürger, welcher während der Predigt des. dritten Pfingstfeier­tages bei einem Brenner Branntwein trank, verbüßte es mit einem Taler, der Wirt mit 15 Gr. Strafe; der Leineweber Säuberlich aber, welcher das Handwerk gescholten hatte, zahlte 1 Taler 4 Gr. und war ihm dabei der Betrieb des Handwerks auf zwei Jahre untersagt. Man traf Vorbereitungen zu dem künftigen Landtage, auf welchem namentlich die Beschwerden erörtert, das, seit 1613 bestehende De­fensionswerk als unhaltbar aufgehoben, dagegen die Werbung und Einrichtung eines stehenden Heeres beraten werden sollten und stellte vorläufig ein Verzeichnis der vorhandenen Mannschaft auf. Der Scheffel Weizen galt 14-12, Roggen 12-10 Groschen.


1656
Am 24. März starb Andreas Wieprecht, Notar, kurf. Kornschreiber und Fleisch-Steuer-Einnehmer in Leipzig. Er war hier geboren, ein Sohn des ehemaligen Bürgermeisters Esaias Wieprecht und der Stadt im Kriege sehr nützlich. Die Verwilligung der Stände am Ausschußtag 1653 lief mit dem Bar­tholomäustage dieses Jahres zu Ende. Man erwartete das Ausschrei­ben eines Land- oder Ausschußtages, der Mangel an Gelde aber er­laubte den Aufwand nicht, es war in bezug auf die vielen und mannig­fachen Beschwerden und das umzugestaltende Defensions-Werk nicht alles vorbereitet, auch stand ein Reichstag bevor, dessen Ergebnisse ein Gegenstand allgemeiner Beratung werden mußten, daher erschien am 15. Juli ein kurfürstlicher Befehl zur Abhaltung von Kreistagen und es ward für den Leipziger Kreis der B. August zu einer Versamm­lung in der großen Oberhof-Gerichtsstube in Leipzig angesetzt. Man verlangte zu den dringendsten Bedürfnissen des Landes, zu Reichs­tagsspesen und Wiederherstellung der festen Plätze, die Land- und doppelte Tranksteuer Accise, doppelte Fleischsteuer, Quatember­steuer, Kontribution und Einbringung der Reste auf zwei Jahre bis    zum nächsten Landtage. mit der Versicherung. daß die Verwilligung dieser Abgaben weiter hinaus keine Wirkung haben solle. Das Bedürfnis war klar und so bewilligten die Abgeordneten hiesiger Stadt, der Bürgermeister Simon Parreidt und Stadtschreiber Elias Fischer, 1) die Landsteuer aber nur nach vorläufig auf 11834 1/2 her­abgesetzten Schocken; 2) die Kammerhilfe, jährlich 2 Pf. vom Schock; 3) die Festungssteuer, jährlich 1 Pfennig; 4) die Accise; 5) doppelte Fleischsteuer und 6) doppelte Tranksteuer, nur bittend, daß die über­mäßigen Freibiere der Beamteten eingeschränkt werden möchten. Am B. Oktober starb der Kurfürst Johann George. Infolge seines Testaments vom 20. Juli 1652 und Kodizilles vom 20. Juli 1653 ward das Land unter seine Söhne geteilt und erhielt der dritte Chri­stian das Stift Merseburg, die Markgrafschaft Niederlausitz, die Ämter und Städte Dobrilugk, Finsterwalde, Delitzsch, Zörbig, Bitterfeld (mit Brehna) zu seinem Teile und in Merseburg seinen Sitz. Gleich nach der Bekanntmachung des Todes begann das vierwöchent­liche Trauerläuten und die Landtrauer, zu welcher für 16 Taler Flor aus der Ratskasse gegeben ward. Am 17. Dezember, mittwochs zwischen 7 und 8 Uhr, wurde der Archi­diakon Mr. Gabriel Seholler auf der Kanzel, nach dem Eingange seiner Predigt vom Schlage getroffen, fiel die Kanzeltreppe herab, und alle Belebungs-Versuche, die man in der Küsterwohnung, wohin man ihn brachte, vornahm, blieben fruchtlos. Ein edler, um die Stadthoch-. verdienter Mann, den man auf allgemeines Verlangen wider Gewohn­heit in die Kirche begraben ließ. In die Archidiakonatsstelle rückte der Diakon Bornmann. Auch starb am 23. Dezember der Stadtmusikus Peter Carieß, dessen Stelle man dem Martin Ritter, bisherigen Stadtmusikus in Wurzen übertrug. Der Scheffel Weizen galt 12, Roggen 9-7 Groschen.


1657
Die Schäferei , aus 722 Stücken bestehend, gab 52 Stein Wolle und 272 Gülden Ertrag. Von der Getreideernte erhielt man 128 1/z Scheffel Weizen, 371 Roggen, 227 1/2 Gerste, 350 1/2 Hafer, der Scheffel Weizen 8, Roggen 5, Gerste 5, Hafer 3 1/z Groschen an Wert. Nach der am 2. Januar 1634 beliebten Vergleichung waren die Herren des Rates vom Schoße und Wächtergelde frei, und erhielten die Hälfte des Heergerätes, der Gerade und der Strafgelder als Accidens. Am 22. April vollzogen die fürstlichen Brüder über das Verhältnis der geschiedenen Landesteile zueinander einen Hauptrezeß, nach wel­chem Delitzsch in geistlichen Angelegenheiten an das Konsistorium in Leipzig, in rechtlicher an die Entscheidung des Oberhof- und Appellationsgerichts gewiesen, in militärischer Beziehung aber fast ganz vom Kurfürstentum abhängig ward. Die Schriftsassen des Amtes blieben ebenfalls diesem untertan. Der Kurfürst Johann Georg H., Reichsvikar, befahl (Dresden am 12. Juli) dem Amte und Rate, dem Herzoge Christian Huldigung zu leisten, vorher aber die Entlassung der Pflicht von den kurfürstlichen Kommissarien zu erwarten, und in einer Verordnung des Herzogs Christian, vom 16. Juli, ward zur Huldigung der Städte und Ämter Delitzsch und Zörbig der 24. dieses Monats in Delitzsch bestimmt. Das Rathaus ward sogleich zu dieser Feierlichkeit mit einer Bühne, Prachtsessel und Behängen versehen, im Hofe eine Küche aufgeschlagen, die Bürgerschaft erhielt eine neue Fahne, welche der Ma1er Eberhard zum Andenken ohne Entgelt machte, zwei neue Trom­meln und übte sich zum Aufzuge mit der Wehr. Am 23. abends gegen 6 Uhr kam der Herzog von Merseburg. Der Rat, welcher ihn vor der Stadt erwartet hatte, ging ihm, als er aus dem Wagen und zu Pferde gestiegen, nach der ersten Begrüßung in langen Trauermänteln mit entblößten Häuptern voran, an der Hospitalkirche empfingen ihn die Geistlichen, Schullehrer, und die Kantorei sang, weil die Landtrauer Instrumentalmusik nicht gestat­tete, eine von dem Kantor Schulze für diese Feierlichkeit eigens ge­setzte Motette ab. Die Bürgerschaft im Gewehr, war bis zum Schlosse aufgestellt. Tages darauf früh 8 Uhr fuhr der Herzog mit Gemahlin in die Kirche, wo der Superintendent Clauder die Hul­digungspredigt hielt. Nach dem Gottesdienst ritt er, von allen Behörden begleitet, durch die Reihen der Bürger vor das Rathaus, wo er von den kurfürstlichen Kommissarien empfangen und in den zur Huldigung bereiteten Saal eingeführt ward. Die kurfürstlichen Kommissarien entließen hierauf Delitzsch und Zörbig, Amt, Stadtund amtsässige Ritterschaft, mit Vorbehalt der im Vertrag vom 22. April fest­gesetzten Reservate, ihrer Pflicht, ermahnten zur Huldigung, die denn auch nach einer kurzen Anrede durch ein Mitglied der Ritterschaft, erst von den Behörden im Huldigungssaale mit Handschlag und An­gelobung der Treue, dann von der auf dem Markte befindlichen Bür­gerschaft durch Eidesleistung vollzogen ward. An die beflorten Schlüssel der Stadt, die man dem Herzoge über­reichte, war ein grün und rotseidenes Band geknüpft. Die Stadt Delitzsch verehrte dem Herzoge bei dieser Gelegenheit einen silbernen, vergoldeten Pokal, einen Eimer Rheinwein und eine Kufe Torgauer Bier, der Gemahlin des Herzoges ein vergoldetes Fläschchen, dem Hofmarschalle ein silbernes, knoppiges Becherlein, dem Kammerse­kretär ein vergoldetes Schälchen, den kurfürstlichen Kommissarien einen halben Eimer Wein, auch teilte man ansehnliche Geschenke an die Bedienung aus. Das Silbergerät wog 7 Mark 13 Lot und ward in Leipzig mit 94 Talern bezahlt. Auf das Geschwätz, daß eine Frau und ein junges Mädchen in Mo­cherwitz am Walpurgismorgen vor Sonnenaufgange mittels aufge­setzten Kränzen von neunerlei Blumen und verkehrt angezogener Kleider vier Weiber des Dorfes auf den Firsten ihrer Gebäude but­tern gesehen und der Abdecker ein schnell gefallenes Stück Vieh für bezaubert ausgegeben habe, begann vor hiesigem Amte eine Recht und Menschlichkeit schändende Untersuchung, ein hirnverrückender Hexenprozeß , in welchem ohne Erwägung der Zeugen und Zeugnisse, ohne Rücksicht auf Verteidigungsgründe, die offenbar unschuldigen Schlachtopfer durch wiederholte, schreckliche Martern, des qualvollen Lebens überdrüssig, zu den unsinnigsten Geständnissen gezwungen und auf diese Geständnisse dem Tode durch Feuer über­geben wurden. Drei derselben, Anna Stäter, Gertrud K1epzig und Anna Hennig verbrannte man am 26. November d. J. an der Gerichtsstätte, die vierte aber, Lorenz Stäters Ehefrau, weil sie schwanger war und am 6. Dezember im Gefängnis mit einem Knaben niederkam, erst im Februar des folgenden Jahres. Die Brand- und Schandsäulen, die das Gericht den Unglücklichen setzte, setzte es sich. Die im Kriege gänzlich verwüsteten Diakonatshäuser wurden neu erbaut. Der Kurfürst von Sachsen bewilligte hierzu im Kurfürstentum eine Kollekte. Auch den Abgebrannten in Rochlitz und Altenburg gab man eine ansehnliche Unterstützung. Der Scheffel Weizen galt 12-10, Roggen 7-6 Groschen.


1658
Es war ein harter Winter und viel Schnee. Am 13. Februar ward, wie im vorigen Jahre bemerkt, Lorenz Stäters Hausfrau von Mocherwitz wegen Hexerei verbrannt und in gleicher Verdammnis mit ihr Törners in Kletzen und Barths des Schöppen in Zwochau Eheweib. Die Witwe des 1639 gestorbenen Bürgermeisters Mr. Johann Franze, ' Maria, stürzte sich aus Schwermut in den Brunnen und ward am 30. März mit halber Schule und halbem Geläute begraben. Sie sollte auf Befehl des Konsistoriums an einen besonderen Ort gelegt wer­den, der Sohn aber, Johann Franze, praktischer Jurist und Gerichts­verwalter, der durch sein ordnungswidriges Leben wahrscheinlich ih­ren Tod beförderte, ließ sie neben den Vater legen und zahlte die Strafe, in die er deshalb verfiel. Bei Verlesung der Wi11kür am 21. Mai verlangte die Bürgerschaft, daß jedem Einzelnen Schafe zu halten und auf die Triften zu bringen erlaubt werde, welches aber abgeschlagen ward. Da man sich unbefugterweise erlaubte, die Keller der vorstädtischen Wüstungen auszubrechen und dadurch die Grenzen zu verdunkeln, so ward dieses in einer herzoglichen Verordnung vom 17. Juli streng untersagt. Am 15. August, nachmittags 3 Uhr kam bei großer Hitze ein Donnerwetter mit hellen Wolken, starken Regengüssen und Schloßen, gab einige starke Schläge, von denen einer den Hallischen T u r m traf und eine eichene Säule spaltete, aber nicht zündete. Ein abge­schlagener Splitter dieser Säule wird im Ratsarchiv verwahrt. Der Scheffel Weizen galt 12, Roggen 7 Groschen.


1659
Die Stadt Delitzsch ward auf Verordnung des Kurfürsten Johann Georg II. auf brüderliche Intercessionale des Herzogs Christian beim Anfange des Landtages von dem engen und weiten Ausschuße der Städte zum Mitgliede aufgenommen und ihr in dem weiten Aus­schusse die letzte Stelle eingeräumt, auch der Stadt Abgeordneten Sitz und Stimme bei den Landes-Konventen zugelassen, laut Attestes der Abgeordneten der Stadt Leipzig (als welche das Direktorium bei dem Kollegium der Städte hat). Dresden, d. 2. März 1659. Der Scheffel Weizen galt 11-14 Roggen 7-11 Groschen.


1660
Nach' einem Amtspatente vom 3. August waren in den unmittelbaren Amtsdörfern noch wüst und ohne Besitzer:
Bageritz 1 Gut mit 1/s Hufe, 1 Haus;
Beuden 1 Gut mit 4 ½ Hufe;
Brodenaundorf 1 Gut mit 4 Hufen, 1 wüster Hof und Garten;
Cletzen 1 Gut mit 1 1/2 Hufe, 1 Garten;
Creuma 2 Güter mit 4 1/2 Hufe, 2 wüste Höfe und Gärten;
Doberstau 1 Gut mit 6 Hufen;
Düringsdorf 2 Häuser;
Ettelwitz 1 Gut mit 1 1/z Hufe und Garten;
Flemsdorf 4 Güter mit 9 Hufen und 2 Gärten;
Gerbisdorf 1 Gut mit 1 1/2 Hufe;
Grebehna 6 Güter mit 6 1/2 Hufe,.l Haus;
Gollm 1 Gut mit 1/1 Hufe, 18 Häuser;
Grünstraße 10 Häuser;
Hohossig 9 Güter mit 15 1/z Hufe, 1 Oberland;
Kattersnaundorf 7 Güter mit 17 1/2 Hufe;
Klitzschmar, Gr. 4 Güter mit 13 Hufen;
Klitzschmar, Kl. 6 Güter mit 21 Hufen;
Kyhna, Kl. 2 Güter mit 5 1/2 Hufe, 1 Oberland;
Lissa, Gr. 4 Güter mit 2 3/4 Hufe;
Lissa, Kl. 1 Haus;
Mocherwitz 3 Güter mit 6 1/s Hufe;
Pfaffendorf 1 Haus;
Reisen 1 Gut mit 1 Hufe;
Radefeld 21 Güter mit 28 Hufen und Gärten;
Schladitz bei Zwochau 1 Gut mit 2 1/2 Hufe und wüstem Garten;
Serwitz 8 Güter mit 18 Hufen;
Thamm und Rosental 8 Häuser;
Werlitzsch 4 Güter mit 4 ¾ Hufe;
Wiedemar 5 Güter mit 10 Hufen, Gärten, Oberländern und 4 Häusern;
Zaasch 7 Güter mit 19 Hufen;
Zwochau 3 Güter mit 8 1/2 Hufe.
Außerdem 57 3/4 Hufen in verschiedenen Amtsmarken.
Die Ernte war nicht die günstigste, daher das Getreide im Preise stieg und im November der Scheffel Weizen 18, Roggen 16 Gr. galt. Der Superintendent erlaubte sich auf der Kanzel heftige Ausfälle ge­gen den Rat, der hinsichtlich der geistlichen Besoldungen Unmögliches leisten sollte, die man mit krankhafter Laune entschuldigend, für dieses Mal des lieben Friedens willen ungeahndet ließ. Das verwüstete Brauerbenhaus des Peter Poße an der Ecke der Schloßgasse und Pfarrwohnung erstand der Fleischer Samuel Heller für 100 Gülden, weil aber dem Superintendenten Clauder die Nachbarschaft eines Fleischers in mehrerer Beziehung unangenehm war, so trat er es dem Diakon Mr. Petermann ab, dem es um diesen Preis zugeschrieben ward. Der 75-jährige Obermeister des Schneiderhandwerks , Elias Stoye, verunglückte; als er am 10. Oktober früh gegen 6 Uhr wahr­scheinlich auf das Land gehen wollte, im Stadtgraben, ward gerichtlich aufgehoben und ihm vom Konsistorium ein ehrliches Begräbnis gestattet. Weil er unter den Händen des Gerichts gewesen, verwei­gerte ihm die Innung die handwerksübliche Bestattung, ungeachtet sie mit dem Verluste ihrer Rechte bedroht ward. Am 9. Dezember war ein heftiger Sturm, der viele Gebäude beschä­digte, sonst aber ein milder Herbst und trug man in den Weihnachtsfeiertagen Kränze von Veilchen und anderen Frühlingsblumen feil.


1661
Der Bürger Christian Winkler kam in Untersuchung, weil er vorge­geben, daß er in der Frühe des Walpurgistages H e x e n gesehen habe, man erwartete schon einen neuen Hexenprozeß, da er aber fest behauptete, er habe es im Scherze gesagt, brach man sie. ab auf herzoglichen Befehl. Die durch den unglücklichen Krieg herbeigeführte sittliche Verwil­des rung vieler Studierenden in Leipzig fand ihr Ende, als der Kurfürst in einem strengen Befehl den bis aufs Äußerste getriebenen Penna­lismus aufhob und das bisher herrschende Militär auf eine mäßige Schloßwache beschränkte, die Stadt mithin ihrer Torschlüssel und der alten Ordnung wieder mächtig ward. Am 10. Juli, vormittags 9 Uhr, kam in dem Hause des Fleischers Gott­fried Markart (im Eckhause der Hallischen Gasse, am Süßmilchgäßchen) durch Unschlittschmelzen Feuer aus, welches wegen großer Dürre und Ostwindes schnell um sich griff und die Hallische Gasse auf beiden Seiten, die Schloßgasse, die Häuser des Marktes zwischen diesen Gassen, einen Teil der Rittergasse und außerhalb der Ring­mauer das Hospita1 und 18 Scheunen in Asche legte. (Die Häuser der Vorstadt mit mehreren in dem abgebrannten Teile der Stadt la­gen noch wüst vom Kriege har). Bei diesem Feuer verunglückte die Ehefrau des Bürgers und Sattlers Thomas Horn, Besitzer des Hauses Num. 163 der Hallischen Gasse, Magdalena, welche im Keller verfiel und einige Arbeiter wurden beschädigt. Das Hospital und mehr als 70 Wohnhäuser mit allen Nebengebäuden waren vernichtet, nur der Hallische Turm und die Hospitalkirche blieben unversehrt. Der Scheffel Weizen galt 18-22, Roggen 16-22 Groschen.


1662
Am 3. Januar ward Martin Crack durch das"Amt mit dem Schwerte hingerichtet und der Leichnam auf die Leipziger Anatomie gebracht. Der alte Apotheker Barthol. Harke starb am 31. März. Er war aus Frankfurt an der Oder gebürtig, kam anfangs des Jahrhunderts nach Delitzsch und führte eine der im 16. Jahrhundert errichteten zwei Apotheken bis zum Kriege glücklich fort, wo 'sie in Verfall geriet. In der Nacht vor dem Himmelfahrtsfeste fror es so stark und warf einen so tiefen Schnee, daß Weinstöcke und Fruchtbäume verdarben. Nach Pfingsten aber entstanden durch. häufige Regengüsse Über­schwemmungen, welche Felder und Wiesen ungemein beschädigten. Da der Petri-Paulstag auf einen Sonntag fiel, so ward der Jahrmarkt auf den folgenden Tag den umliegenden Städten und Dörfern angesagt. Am 14. Juni ward ein großer Teil des Getreides hiesiger Flur durch Schloßschlag beschädigt, bis über Brinnis hinaus. Am 28. Juni starb der Kämmerer Gabriel Kirchhof, Ratsherr seit 1659 und am 11. November der Bürgermeister Simon Parreidt, Ratsherr seit 1626, Parreidt in der Kriegszeit ein der Stadt sehr nützlicher Mann. Zeitungsnachrichten erhielt man durch Abschriften von Leipzig und zahlte vierteljährlich 2 Taler dafür. Der älteste Sohn des vormaligen Superintendenten Ilgen, Friedrich August, Student in Leipzig, suchte um eins der Stipendien nach, die man vor dem Kriege aus der Trinitatis-Kommende und Fridericischen Stiftung gegeben hatte. Da aber die meisten Kapitale durch die Ver­wüstungen des Kriegs verloren gegangen, die übrigen nur zu dem dürftigsten Unterhalte der Geistlichen und Schullehrer ausreichten, so war kein Fonds zu Stipendien da, man gab aber um das Andenken der Stifter zu erhalten, nach einem Beschlusse vom 22. Dezember d. J. Studierenden, wenn sie eine akademische Würde erhielten, ein für allemal 30 Gulden, zu welchen der Rat wegen der Kommende und die Kirche wegen des Fridericischen Vermächtnis, die Hälfte beitrug. In der Ziege1scheune , welche man im vorigen Jahre von Grund aus neu gebaut hatte, brannte man zum ersten Male in vier Ofen Mauer-, Dach-, Forst-, Kehl- und halbe Dachsteine und verkaufte das Tausend Mauer- und Dachsteine für 5 Taler. Die Hallische Brücke ward erneuert und mit Bohlen belegt. Die Streitigkeiten mit dem Rate und der Geistlichkeit und die große Verwirrung, in welche das Kommun-Rechnungswesen durch den Krieg, durch die häufigen, schnellen Todesfälle der mit dem Rech­nungswesen beauftragten Ratspersonen, auch durch das vorjährige Feuerunglück gekommen war, Veranlaßte die Regierung, die Anstel­lung besonderer Rechnungsführer für das Kommun- und Kirchenver­mögen anzuordnen, eine nötige Einrichtung, die jedoch wegen Unzu­länglichkeit der Mittel zu ihrer Besoldung erst später ins Leben trat. Ebenso nahm die Regierung von dem großen Brandunglück Gelegen­heit, die bisherige Feuerordnung der Stadt einer Revision zu unterwerfen, und sie wurde daher eingeschickt. Dabei bat man drin­gend, daß die vielen, angemaßten Freibiere der Beamteten beschränkt werden möchten. Die Ehefrau des Hans Gradehand ward von dem Gemeindehouer be­schädigt und auf des Rates Kosten vom Chirurgen Esaias Hartmann geheilt. Die Kurrentknaben erhielten für acht Taler Tuch.


1663
Der Scheffel Weizen galt 1 Taler 3 Groschen, Roggen 21-1 Taler 3 . Groschen, Gerste 11 und 12 Groschen. Am 31. Mai starb der Küster Christoph Rümpler und der bisherige Schulmeister in Freiroda, Adam Lochner, erhielt das Amt. Im Juni, Juli und August starben gegen 40 Personen an einer bösar­tigen R u h r, und die Kämmerei-Rechnung hat eine Ausgabe von 2 Talern Arznei für den Rat. Mit herzoglichem Befehl zur Befolgung, vom 28. September, erschien die neue revidierte Feuerordnung der Stadt, welche sich vor vielen der Zeit auszeichnet und später im 18. Jahrhundert zu verschie­denen Malen gedruckt worden ist. Die Schäferei hielt 913 Stück, gab 77 Steine Wolle und nach Ab­zug des Schäferanteils 206 fl. 12 Groschen Gewinn. Die Getreideernte gab 33 Schock Weizen, 129 Schock 40 Garben Roggen, 45 1/4 Schock Gerste und 45 Schock Hafer, das Schock Weizen 2 r/4 Scheffel, Roggen 4 Scheffel, Gerste 7 1/2 und Hafer 8 Scheffel Delitzscher Maßes und galt 1 Scheffel Weizen 15-18, Roggen 10-11, Gerste 6, Hafer 5 Gro­schen.


1664
Die F1eischer baten, daß, wenn ein Meisterstück gemacht werde, welches im Schlachten eines Rindes, Schweines, Schöpses und Kalbes bestand, den übrigen Meistern der Rinderschlag, weil des Rindfleisches für das Bedürfnis zu viel, erlassen werden möchte. Man erließ ihn auch, nur unter der Bedingung, daß kein Mangel eintrete, weil dann die in den Innungsartikeln auf den Mangel gesetzte Strafe not­wendig zu erlegen sei. Der junge Meister, welcher hierzu Gelegenheit gabt' war Christian Gradehand und da ihn das Handwerk zum Meister sprach, ehe er das Bürgerrecht erlangt, er das Meisterrecht ohne dieses angenom­men hatte, ward jeder Teil mit 30 Groschen bestraft. Die in der Kriegsnot übersehenen polizeilichen Unordnungen rügte man nun nach erneuerter Po1izeiordnungstrenger und strafte den, der unter der Freitagskirche bei einem Schenken Branntwein trank mit 1 Taler 12 Groschen, den öffentlichen Fluchet mit 2 Talern, mit 30 Groschen aber den, der das Geleite auf verbotenen Wegen, na­mentlich durch das Rosental über den Grabendamm umfuhr. Zwei Landf1eischer aus Niederossig und Lindenhain erhielten die Erlaubnis zum Bankschlachten in der Stadt und gaben jeder 1/2 Stein Talg an den Bürgermeister und jedem Ratsherren eine Rindszunge. Der Schieferdecker Samuel Burkhard aus Torgau besserte die Turm­spitzen der Kirche und Kastenstube, und dem Zimmermeister Christoph Rudolph von Hainichen ward der Neubau des Hospita1 s übertragen. Dieses Gebäude sollte haben 38 Ellen in der Länge, 16 in der Breite, der Unterstuhl 5 1/2 Elle, der Oberstuhl 4 1/2 Elle auf­gehauen, unten im Haus 5 Kammern gegen den Hof und 3 gegen die Gasse so, daß ein Gang zwischen den Kammern zur Kirchtüre bleibt, eine Hängekammer über den Keller, an der Küche gegen die Gasse eine Speisekammer, eine Stube 13 Ellen breit, 12 Ellen lang, im Ober­stuhle über der Küche 2 Kammern gegen die Gasse, eine Badstube 8 Ellen lang mit einer Kammei, über der Badstube 2 Kammern, die Sparren mit einem liegenden Stuhle, die Giebel gegen den Damm wohl verbunden. Der Meister fertigte es bis Martini für 120 Gulden. Ein an den G a 1 g e n geschlagenes Pasquill ward wegen gemein­schaftlicher Gerichtsbarkeit vom Amte und Rate zugleich abgenom­men und dem gelassen, dessen Untertan darinnen angegriffen war. Der Bürgermeister Christian Jäger übergab die Kämmerei-Rechnun­gen der Jahre 1641 und 1644, in welchen Jahre er Kämmerer gewesen war, zur Prüfung und erbat sich darüber einen Empfangsschein. Die meisten Kämmerei- und Kirchenrechnungen der Kriegsjahre wurden jetzt erst abgelegt. Damit die Jagdgerechtigkeit in den Marken der Stadt erhal­ten werde, nahm der Rat am 22. August den Jäger Jonas Grosse an, welcher die Ratsfluren begehen, was zur Unterjagd gehört schießen und das Geschossene abliefern sollte. Er erhielt an Schießgelde 6 Gr. für einen Hasen, 2 Gr. für eine Ente, 1 1/2 Gr, für ein Rebhuhn, 8 Gr. für einen Fuchs und auf das lauf ende Jahr einen Taler, drei Scheffel Roggen und 1 Pfund Pulver Lohn. Ein Scheffel Weizen galt 14-15, Roggen 8-9, Gerste 7-8, Hafer 5-7 Gr.


1665
Der Uhrmacher Johann Ettmüller aus Leipzig besserte auf Ratsko­sten den Kirchenseiger für 20 Taler. Am 25. April starb der alte Apotheker, Gregor Weiland, der wie Herke im Kriege zurückgekommen war. Am 15. Oktober feierte man ein Dankfest wegen des mit den Türken abgeschlossenen Friedens. Das Jahr war übrigens, wenn man den letzten Monat des vorigen dazu nimmt, reich an feurigen Meteoren und ein Kometenjahr. Die Weilandische zu einem armseligen Würzkrame herabgesunkene A p o t h e k e übernahm der aus Torgau gebürtige, bisher als Provi­sor in Halle dienende nicht unbemittelte Johann Schaefer und setzte sie mit jugendlicher Tätigkeit, wie ihn die Folgezeit begünstigte, in einen besseren Stand. Die Stadt hatte, als er ankam, seit längerer Zeit für innere Krankheiten keinen Arzt, nur Chirurgen. Die Vornehmen brauchten Ärzte in Leipzig und Halle und bezogen die Arzneimittel daher. Die Armen behalfen sich mit Hausmitteln. Sein Anfang war also schwer und erleichterte sich nur durch das später eingeführte Physikat. 'Die vom Superintendenten in der Predigt des Michaelisfestes ausgestoßenen, unverantwortlichen Schmähreden gegen einen Ratsherren, der die Predigt nachschrieb und den Rat selbst, mußten, da sie allge­meinen Unwillen erregt hatten, dem Konsistorium berichtet werden.


1666
Der Superintendent Dr. Clauder, ob man ihn gleich wegen einer an­züglichen Predigt des vorigen Jahres vor dem Konsistorium verklaget,, und. er in einem Prozesse sich zu mäßigen versprochen hatte, ließ sich, weil er in der Meinung stand, daß die Kämmereikasse den geistlichen Kommunen viel schulde, in kränklichem Unmute, nicht nur zu einer übereilten Beschwerde gegen den Stadtschreiber an die Regierung, sondern auch als er über den ungerechten Haushalter predigte, zu neuen Schmähungen verleiten, die man mit einer Berechnung, nach welcher nicht die Kämmerei der geistlichen Kommune, sondern diese jener schuldete, an das Konsistorium brachte und Genugtuung erhielt. Auch die beiden Hälter an der Stadtmüh1e waren wegen Verschlammung seit. vielen Jahren unbrauchbar, und man überließ sie gegen die Ausschlämmung dem Stadtrichter Johann Christoph Fiedler auf 15 Jahre. Durch große Dürre und Mäuse litt das Getreide Schaden, es stieg da­her im Preise und galt der Scheffel Weizen 9-13, Roggen 7-9, Gerste 7-9, Hafer 5-7 Groschen. Man versuchte, die ehemalige Schütze,ngese11schaft, welche der Krieg aufgelöset und ihre ehemaligen Häuser am Gerberplan und Hospitale verwüstet hatte, wieder herzustellen, der Rat gab auch willig Steine zum Aufbaue eines Hauses auf dem Anger und verstat­tete das Brauen eines ganzen Bieres, es blieb aber, weil der größere Teil der Stadt noch im Schutte lag, bei dem guten Willen und dreißig Jahre gingen noch hin, ehe man dieses Vergnügens wieder mächtig ward. Der Jäger Jonas Grosse, den man im vorigen Jahre versuchsweise angenommen, ward nun völlig als Ratsschütze angestellt. Es waren 22 Branntweinblasen im Gange und von jeder gab der Ei­gentümer jährlich 2 Taler 12 Gr. än die Kommunkasse ab. Die Schäferei bestand aus 915 Stück und gab 448 Gülden 13 Gr. 2 Pf. Gewinn. In der Ziegelei wurden 74 022 Steine gebrannt. Der Küster Adam Lochner fand in der Stadtkirche ein verborgenes Kästchen, welches nebst alten Registern und Schriften auch einen reichlich mit Perlenbesetzten Kirchenschmuck von Goldstoff enthielt, den man auf Anordnung des Superintendenten Dr. Clauder in Ge­brauch nahm, aber so unvorsichtig behandelte, daß im Verlaufe von 20 Jahren von 102 Schocken 50 Stück größeren Perlen ein Abgang von 49 Schocken gefunden ward. Die Schriften behielt der Superinten­dent Clauder an sich und da er über den Inhalt schwieg, auch die Ab­gabe an den Rat verweigerte, so ist es ungewiß, ob sie bei der Super­intendentur geblieben oder in den Nachlaß desselben gekommen sind, jedenfalls aber für die Geschichte verloren. Die Stickerei des Schmuk­kes bestand aus den Namen Jesus, Maria, einem Wappen, großen Blu­menwerke, Kränzen, und zeigt der Name Maria, daß er der Zeit vor der Reformation gehört, so lässet der Wert auf ein fürstliches Ge­schenk schließen, daß man am füglichsten der Landesfürstin Agnes (1325-1345), deren Tochter Margarethe, Äbtissin des Klosters St. Clara bei Weißenfels war und hier das Patronatsrecht hatte, zuschrei­ben kann. Vielleicht hatte der Küster Selliche im Jahre 1547, wo auf herzoglichen Befehl alle heiligen Gerätschaften von Wert nach Leip­zig geliefert werden mußten, zu lässig oder für sich den Schmuck durch Verbergung zu retten gesucht, der ihn übereilende Tod aber (er starb in diesem Jahre) an der Benachrichtigung gehindert. (S.1689).


1667
Am 12. April starb der Bürgermeister Christian Jäger, seit 1633 Rats­herr und von 1646 an Bürgermeister, ein um die Stadt sehr verdienter Mann am Podagra. Die Strohdächer und Steckenzäune wurden durch herzogliche. Ver­ordnung vom 7. Juni streng untersagt. Die meisten Hintergebäude, Ställe, ja sogar Malz- und Darrhäuser waren mit Stroh gedeckt, ei­nige Gebäude sogar ohne Feueresse. Man zählte, ob schon viele Ne­bengebäude wüst lagen, dennoch im ersten Viertel 40, im zweiten 11, im vierten 39 Strohdächer und gab sich zwar alle Mühe, sie zu entfer­nen, die große Armut mehrerer Besitzer aber litte keine Anstrengung, daher man sie nach Jahrzehnten noch an mindergefährlichen Stellen fand. Das Gewölbe des B r e i t e n  T u r m e s unter des Hausmannes Woh­nung, welches dem Turme schädlich zu werden drohete, ward abge­tragen, an dessen Stelle ein Balkenlager angebracht und geankert, auch in diesem und folgendem Jahre die im Kriege zerschossene, nicht mehr haltbare Turmspitze erneuert, mit Schiefer gedeckt und einem vergoldeten Knopfe versehen. Man verwendete darauf außer einigen vom Herzoge geschenkten Strafgeldern und 56 Gülden, die man bei einem fremden, im Armenhause gestorbenen Tischler fand, mehr als 400 Gülden aus dem gemeinen Vermögen. Den Anschlag zum Baue machte der Angermüller aus Leipzig. Der Knopf ward im folgenden Jahre aufgesetzt und eine Denkschrift vom Stadtschreiber Mr. Cress eingelegt. Bei diesem Baue stürzte der Zimmermann Hans Schubart von einer beträchtlichen Höhe und ward auf Ratskosten geheilt. Das Amt bestritt vergebens die Gerichtsbarkeit des Rates über sechs Hufen auf Weißig Mark. Ein Bierausfall nach Poßdorf gab zu Streitigkeiten mit den Herrschaften in Löbnitz Gelegenheit. Die Schäferei bestand aus 921 Stück und gab 528 Gülden Gewinn. Ein Scheffel Weizen galt 10, ein Scheffel Roggen 6, ein Scheffel Gerste 6, ein Scheffel Hafer 5 Groschen.


1668
Ein zeitiger Frühling, der mit heftigen Donnerwettern schon im Fe­bruar eintrat und durch keine Nachtfröste unterbrochen ward. Der Türmer des Breiten Turmes erhielt ein kleines Horn, damit er dem zwischen den Stunden laufenden und am Turme bla­senden Wächter durch Blasen ein Zeichen seiner Wachsamkeit gebe. Die Brauerschaft nahm in Schadendorf fremdes Bier weg. Die meisten Sch1oßgebäude hatte der Krieg zerstört. Das Amt benutzte das Übrige, ward aber, weil dieses für den zufälligen Aufent, halt der Herrschaft eingerichtet werden mußte, in das Luppische Haus am Markte, neben dem Ratshause (Nr. 2 des zweiten Viertels) ver­legt, welches daher für diese Zeit den Namen Amthaus führt. Man verteilte an arme Knaben für 9 1/2 Gülden Tuch. 916 Stück Schafe gaben 424 2/3 Gülden Gewinn. Ein Scheffel Weizen galt 9, ein Scheffel Roggen 5, ein Scheffel Gerste 4 1/2-6, ein Scheffel Hafer 4 Groschen.


1669
Die Gesellen des Stadtmusikus, welche vermummt auf einem Schlitten dureh die Stadt fuhren, wurden mit 2 Talern, und einer, der , sich in ein altes Weib verkleidet, mit der Lauke bestraft. Die Regierung in Merseburg verlangte unterm 20. Januar Bericht über Exzesse von Ratspersonen, die wahrscheinlich durch den Super­intendenten angegeben waren und erhielt ihn. Sie betrafen haupt­sächlich den Stadtrichter Fiedler und Stadtschreiber Mr. Cress, die bei der Hochzeit des Apothekers Schaefer, vorigen Jahres, in der Nähe der Scheunen Raketen abgeschossen haben sollten, den Fiedler insbe­sondere, welcher trunken im Hemde umhergeritten, und den Rat ins­gemein, insofern er das Dreschen bei Laternen duldete - wurden aber sämtlich abgelehnt. Am 25. Mai starb der Städtschreiber Mr. Cress, als Rechtsge­lehrter und Beamteter gleich achtungswert, mit Hinterlassung an sehnlicher Güter und einer für die damalige Zeit schätzbaren Biblio­thek. An seine Stelle kam am 26. Juni Abraham Freyberg, Notar in Leipzig, welcher vom Geheimrat Luckowen dem Rate als fromm, got­tesfürchtig, legal und. der Stadt würdig empfohlen war. Es war eine reichliche, aber nasse Ernte und litt namentlich die Gerste durch Auswuchs. Die Koh1torbrücke wurde erneuert und mit Bohlen belegt. Die Einlegung des Weines ward dem Gastwirte Christian Gradehand, bei zehn Talern Strafe, untersagt. Den Vierte1smeistern gestattete man wegen ihrer Mühen, vorzüglich bei. Besichtigung der Feuerstätte, Schoßfreiheit. Die Garküche ward an Samuel Heller auf ein Jahr für 20 Gulden und eine Abgabe von 32 Groschen an die Kirche, für das Höfchen, verpachtet. Des Rates Pferdeknecht aber speisete er gegen Vergütung. Am 13. Oktober starb der Superintendent Dr. Clauder und ward in seines Vorgängers Cruciger Grab gelegt. Weil zum Schlachten untaugliches Fleisch auf die Bank gebracht Wor­den war, namentlich von trächtigen Kühen, so ward bei einem neuen Schock Strafe festgesetzt, daß die Geilen der Kühe (die Mütter) mit zur Bank gebracht und bei der Untersuchung und Schätzung des Flei­sches vorliegen müßten. Einer der härtesten Winter begann in der Mitte des Dezembers und viele verunglückten durch ihn. Die Schäferei gab 502 Gülden Gewinn und 70 550 Stück Steine lieferte die Ziege1scheune zum Verkauf. Der Scheffel Weizen galt 8-10, der Scheffel Roggen 5-6, der Scheffel Gerste 4-6, der Scheffel Hafer 4-4 1/2 Groschen.


1670
Am 6. Januar tauete es, der Lober schwoll an, die Kälte trat aber in erhöhtem Grade wieder ein und dauerte bis in den März, wo großes Gewässer viel Schaden tat. Der bisherige Schenke Wend wollte das Schenkenamt nicht behalten, man war willens zu verpachten, unterließ es aber, weil man verminderte Aufsicht und Verlust befürchtete. Weil mehrere Brauhäuser , namentlich in der Hallischen Gasse, verwüstet lagen und es wegen Aufrechterhaltung der Biermei1e darauf ankam, genug und gutes Bier zu liefern, so ward eine neue Brauordnung entworfen und am 19. Januar bekannt gemacht. Der Geheimrat von Luckowen (Georg Heinrich) auf Galitzsch, Reuse­litz und Ottenbach suchte durch die Regierung in Merseburg drei Grabstätten im Chore hiesiger Stadtkirche. Der Rat gestattete sie gern. Auf des Geheimrates Luckowen Empfehlung ward der bisherige Pfar­rer in Zschopau, Theophilus Pistorius, als Pfarrer und Superinten­dent, mit einem Aufwande von 190 Gülden, hierher berufen. Das Arbeiten an Sonn- und Festtagen auf den Dörfern, mit Pferden, Wagen, Ein- und Ausfahren, die Vernachlässigung des Nachmittags­Gottesdienstes - der schönen Katechismus-Predigten - das Fressen, Saufen, Spielen und liederliche Betragen an diesen Tagen ward durch einen öffentlichen Anschlag vom 7. Mai in den Ratsdörfern bei harter Strafe verboten. Auch erneuerte man am 14. Mai das alte. Verbot, daß Federvieh auf der Trift und auf den Straßen der Stadt nicht umherlaufen solle bei Pfändung und herkömmlicher Strafe. Das Essigbrauen aus Weizen verbot man als dem Staatsinter­esse und der Brauerschaft nachteilig bei 5 Talern Strafe, und den Höken ward von neuem der Einkauf von Viktualien vor Wegnahme des Wisches untersagt. Die Brauerschaft machte häufige Bierausfälle nach Golm, Reinsdorf, Einsdorf, Reißen, Werlitzsch - wo man Landsberger und Jesnitzer Bier fand, der Schösser aber den Landrichtern die Weg­nahme des Landsberger Bieres in den Amtsdörfern untersagte. Von Quasimodogeniti bis Crucis brauete man 47, von Crucis bis Luciä 53 ganze Biere und verschenkte in dieser Zeit 15 Eimer Franken- und 19 Eimer Landwein, von denen der Eimer 15 Groschen Steuer gab. Wegen der Baufuhren , die man von Gertitzer und Werbener Untertanen verlangte, gab es. viel Widersprüche, sie versprachen aber endlich am 5. Dezember, daß sie zu der gemeinen Stadt notwendigen Gebäuden eine und die andere Baufuhre tun wollten, man sollte sie aber über Gebühr nicht beschweren und jedem Wagenführer 1 Groschen Trinkgeld geben. Für 10 Gülden Tuch ward an arme Knaben verteilt. Von 900 Stück Schafen hatte man 555 Gülden Gewinn. Ein Scheffel Weizen galt 9=10, ein Scheffel Roggen galt 6-8, ein Scheffel Gerste galt 5-6, ein Scheffel Hafer galt 4-7 Groschen.


1671
Da sich die Stadt Landsberg alle Mühe gab, ihr Bier in die Ortschaften der Delitzscher Biermeile einzubringen, so nahm man bei einem Bierausfalle im Januar in den Dörfern Glesien, Wiesenena, Bageritz, Emsdorf, Sietzsch das Landsberger Bier in Beschlag. Der Müller Elias Kretzschmar pachtete beide Windmühlen der Stadt auf das laufende Jahr für 90 Scheffel Delitzscher Maßes Roggen. Die Delitzscher K1einschmiede wurden mit ihren Waren vom Fastenmarkte in Zörbig zurückgewiesen und der Rat daselbst erklärte auf Beschwerde hiesigen Rates, daß, weil der Fastenmarkt in Zörbig kein privilegierter Frei- und Jahrmarkt sei, die Schmiede ihres Orts infolge ihrer Artikel auswärtige Verkäufer nicht dulden wollten. Die Untertanen in Gertitz und Werben widersprachen in einer no tariellen Schrift dem Baufuhrenverg1eiche vorigen Jahres, vorgebend, daß sie sich zu Bitt- keineswegs aber zu Zwangsfuhren verständen hätten. Ein Streit der F1eischer mit dem Garkoch, der auch Fleischer war und rohes Fleisch im Hause verkaufte, gab Veranlassung, daß allen so viel zu schlachten als sie zu vertun dächten, gestattet, dem Garkoch aber, daß er kein rohes Fleisch zur Bank bringe, geboten ward. Dagegen durfte ein Fleischer, der Gasthofsbesitzer war, dem Garkoch zum Nachteile für und unter 6 Pfennigen gekochtes Fleisch nicht verkaufen und das Umherlaufen der Fleischerhunde an Markttagen ward, weil eine Frau von ihnen umgerissen worden war, mit 30 Groschen bestraft. Man bestrafte Realinjurien mit dem Kaiserhäuslein, das unbefugte Tragen eines Perlenschmucks mit 20 Taler 12 Gr. - und Dünger durfte bei 15 Gr. Strafe über Nacht auf der Straße nicht liegenbleiben. Da die meisten Mitglieder des vor drei Jahren tätig gewesenen, für das künftige Jahr wieder ins Amt tretenden R a t e s gestorben waren und der Bürgermeister Peter Kirchhof aus Altersschwäche das Rathaus nicht mehr besuchen konnte, so fand man es zeitgemäß, statt dreiei nur zwei Räte zu haben, und wollte deshalb. die herzogliche Genehmigung einholen. Diese Einrichtung trat jedoch erst nach mehreren Jahren in Wirklichkeit. Nach einer herzoglichen Bekanntmachung vom 4. Dezember sollte auf ausgeschickte gottlose Leute, die in Pilgerkleidern mit Blechflaschen und Geschirren, als Pomeranzen- und Zitronen-Krämer auch als Bettler umschweiften, giftige Salben bei sich führten, die Haustüren bestrichen mit unbekannten Charakteren, und Brunnen vergifteten, strenge Aufsicht geführt, die mit dergleichen Zeichen bestrichenen Türen aber, nach vorheriger Prüfung und Schädlichkeits-Erklärung der Ärzte verbrannt werden.


1672
In diesem Jahre geschah die dringend nötige Revision des Kämmerei­Vermögens durch den fürstlichen Kammerrat Johann Wilhelm Rein­hard aus Merseburg. Vor allem'ward ein Kommun-Einnehmer mit 100 Gülden jährlichem Gehalte und einem bestimmten Lohne für dem Rate zu leistende Kopialien eingesetzt - Christoph Trautvetter, der Sohn eines Steinmetzen aus Wellershausen in Thüringen, der, bisher bei der Regierung als Schreiber und Rechnungsführer tätig gewesen war. Da viele Rechnungen noch rückständig und nicht für richtig erkannt waren, die neuen von Michaelis zu Michaelis laufen sollten, so legte er von Lichtmeß (er erhielt am 2. Februar seine Instruktion) bis Mi­chaelis d. J. eine Rückrechnung nach einer zweckmäßigeren Ordnung, die auch in neuerer Zeit beibehalten worden ist. Auf herzogliche Verordnung mußte nun
1) das, was der Rat als einen Teil seiner Be­soldung angesehen, namentlich die Zwinger-, Krebsbach-, Jagd- und Lästerer-Nutzung in Einnahme gebracht;
2) die der Stadt für früher den Fürsten geliehene. Kapitale aus der Steuer zu leistende Zinsen, wenn auch nicht gangbar, aufgeführt;
3) manche Einnahme, z. B. der Marktzoll erhöhet oder genauer berechnet;
4) eine genaue, bisher ganz vernachläßigte Rechnung über Nutzung des Holzes der Spröde und anderer öffentlichen Plätze aufgestellt werden.
Auch verlangte man, daß Bürgerssöhne bei Erlangung. des Bürgerrechts gleich fremden geben sollten, was aber nicht zur Ausführung kam. Dabei wurde die Aufstellung rückständiger Rechnungen binnen einer gesetzten Fristbei Strafauflagen verlangt und dem Amtsschreiber Samuel Erdmann die Ausarbeitung eines Erbzins- und Schoßregisters übertragen, welcher es auch zur Zufriedenheit des Rates und der Regierung aus den alten Zins- und Schoßbüchern entworfen, die Regierung aber als für die Zukunft allein gültig bestätigt hat. Erst nach Beendung der Revision trat der neue Rat am 14. Februar in das Amt. Am 17. Januar gab'der in der Ratsstube hängende große messingene Kronleuchter während der Ratssitzung einen wiederholten lauten Klang, als wenn er mit einem Federmesser geschlagen würde und hat der Stadtschreiber, da man eine Veranlassung nicht entdecken konnte dieses der Aufzeichnung mit Folgendem wert gehalten. „d. 17. Jan. hat der große messingene Leuchter, welcher in der Ratsstuben hanget von sich selbsten, als wenn iemandt mit einem Federmesser etzliche mahl auff die Dillen schlüge, geklungen, worüber sich Herr Br. Nicol. Kleinschmidt, Herr Matthias Tietze, Herr Christoph Tzschautzsch und Herr Christoph Költzsch wie auch der Stadtschreiber, welche alle ge­gen Eilff Uhr in ihrer Ratsverrichtung gewesen. gar sehr verwundert; und ob man gleich vermeinet, es wäre vielleicht etwas von oben her­unter auff den Leuchter gefallen, so ist doch, als man danach gesehen. nichts darauff befunden worden. Der Allerhöchste behüte das Rat­haus und die ganze Stadt vor Feuer und allen anderen unglücklichen Fällen." Den Krebsbach in Benndorf, welcher auf Verordnung der Regierung für 5 Gülden und die Gräserei des Zwingers, welche für 1 Gülden 15 Gr. verpachtet werden sollte, versprach der Rat am 13. Mai für etwas höher zu behalten. Das Umlaufen der Gänse ward von neuem bei willkürlicher Strafe durch Patent vom 16. Juni verboten. Zu außerordentlicher Beratung für das Beste der Stadt, wo die Vierte1smeister bedenklich, die ganze Gemeinde aber zusam­men zu rufen wegen Versäumnis derselben und zu befürchtender Un­entschlüßigkeiten und Aufschiebungen, nicht zweckmäßig sein dürfte, ward den Viertelsmeistern noch ein Ausschuß von 24 Personen, 6 aus jedem Viertel,' an die Seite gesetzt, die mit den Viertelsmeistern, auch mit anderen Verständigen sich beraten, ihren Entschluß dem Rate zur Prüfung vortragen und nach dessen Genehmigung, die Vertre­tung des Rates erwarten sollten. Da der Superintendent von jedem, auch früher gelöseten Kirchen­stuhle 1 Groschen nahm, die Kirchenzeugnisse, welche bisher der Kü­ster für 2 Groschen ausgestellt hatte, selbst für 6 Groschen ausstellte, dazu die bisher in der Sakristei verwahrten Kirchenbücher in die un­sichere Pfarrwohnung nahm, so fanden die Viertelsmeister dieses be­schwerlich und machten deshalb Vorstellungen an den Rat. Am 13'. August ward George Jamm durch das Amt mit dem Strange bestrafet. Die durch den Tod des Lehrers Casens erledigte dritte Schulstelle ward mit Christian Behr, einem Sohn des hiesigen Fleischhauers Jo­hann Behr, geh. am 14. Februar 1644, welcher in Wittenberg studieret und sich in Roitzsch, auf dem Petersberg und in Merseburg als Haus­lehrer ausgezeichnet hatte, sehr glücklich besetzt. Im Juni d. J. ward auch der Lober geräumt und zu Räumung des Stadtgrabens Anstalt gemacht.


1673
Am 22. Januar trat der neue Rat an. Die alte Ordnung bei Trauungen und Taufen in der Kirche war im Kriege vernachlässigt worden. Man ließ Geistlichkeit und Schule oft zwei Stunden lang in Frost und Hitze warten und trieb während der feierlichen Handlung nicht selten den gröbsten Unfug. Der Rat befahl also, auf Anregung der Geistlichen und Lehrer, daß jede Trauung um 4 Uhr, die Taufe um 3 Uhr nachmittags beginnen und allen Verspäte­ten die Kirche geschlossen, die Nachlässigkeit aber überdies an dem Brautpaare mit 5 Talern, an.des Kindes Vater mit 1 Taler - Unfug mit dem Kaiserhäuschen und schändendes Betragen - Entweihung der Kirche - mit Anstellung am Pranger bestrafet werden sollte. Die Schafe der Herrschaft in Schenkenberg des Centurius von Mil­titz, welche die Saat des Rates und der Bürgerbeschädigten, wurden gepfändet, des Rechtes wegen, Schadenersatz verlangte man nicht. Dahingegen strafte man die Knechte des Ratsschäfers, welche auch zu Schaden gehütet um 8 Taler - und drohete den Gertitzern, welche sich ebenfalls Eingriffe in die Hutung der Stadt erlaubten mit Pfän­dung und Strafe. Die Grasentwendungen der Döbernitzer zeigte der Rat dem Besitzer des Rittergutes, dem Landkammerrat v. Luckowin, zur Ahndung an. Die Garküche ward an Georg Otto aus Rinkleben 5 Gülden höher, die Windmühle an Elias Kretzschmar für 75 Scheffel Getreide und der Krebsbach bei Benndorf für 4 Gülden auf ein Jahr verpachtet. Es schlachteten um Ostern 4 Lästerer in der Stadt. Zu den vorhabenden Bauen kaufte der Rat für 80 Taler - 52 Stück Eichen von Job. Gottfried v. Schoenfeld auf Loebnitz. Das hallische Torhaus ..mit einer Stube, zwei Kammern, einer Küche, stehendem Dachstuhle und Esse bauete ein Meister aus Düben, Christoph Poost, eine der Windmühlen der Müller Hans Nisske in Badrina, auch ward noch im Laufe des Sommers ein Lotterhaus und ein neues Tor am Körnitz hinter dem Bauhofe hergestellt. Auch machte man mit Räumung des Stadtgrabens den Anfang und hielt Schwäne zu dessen Erhaltung. Das überhand nehmende Branntweinbrennen und schenken ward auf die Ordnung von 1662 beschränkt. Der Schösser Freund ließ das Bier seines Tischtrunkes oder das Die­nerbier gegen die neue Erledigung ausschenken und sogar einen Wisch ausstecken, worüber die Vierte1smeister mit Erfolg Be­schwerde führten. Am 22. Juni starb der Stadtschreiber Abraham Freyberg und seine Stelle erhielt der bisherige Regierungs-Advokat Johann Balthasar Spitzner in Merseburg. Er war 1637 geboren, der Sohn des Pfarrers in Trünzig, später in Blankenhain. Bei dieser Gelegenheit verordnete die Regierung unterm 20. September, daß der gewählte Stadtschrei­ber jedesmal der Regierung zur Bestätigung vorgestellt werden, der Stadtschreiber aber, wenn er im Ratskollegium Parteilichkeit, Eigen­nutz, Zanksucht bemerke, erinnere und wenn Erinnerungen nicht fruchteten„der Regierung berichten solle. Die Schäferei gab 479 Gülden, der Fastenmarkt 4 Gülden, der Petri Pauli Markt 24 Gülden Ertrag. Der Scheffel Weizen galt 10, der Scheffel Gerste 11.


1674
Der bisherige Ratsherr, Gastwirt Bartholomäus John, kam in Verle­genheit, seinen Gasthof verkaufen zu müssen und da er außerdem nichts als eine Wiese und einen Garten besaß, von jeher aber nur mit Häusern Angesessene in den Rat kamen, so war man bedenklich, ihn für das laufende Jahr in den Rat zu wählen und berichtete deshalb an die Regierung. Diese entschied, wenn es Statut der Stadt oder her­kömmlich sei, daß nur mit Häusern Angesessene Ratsmitglieder sein könnten, so sollte man versuchen, ihn zu einer freiwilligen Entsa­gung zu vermögen und den Erfolg zu berichten.. Er wollte aber freiwillig nicht abgehen und verordnete daher die Regierung am 3. Januar daß er, da er als Angesessener in den Rat gekommen und im Rufe, eines rechtlichen Mannes stehe, im Rate behalten werden sollte. Er ging aber noch in diesem Jahrab und ward Schulmeister in Kyhna , und Klitzschmar. Dagegen untersagte sie, den, Bürgermeister Job. Christoph Fiedler als Bürgermeister für dieses Jahr zu wählen, weil er in Untersuchung sei (wegen Rechnungsmängeln) und so lange er nicht gerechtfertigt, seine Gegenwart bei dem bevorstehenden Land­tage der Stadt nachteilig werden möchte und verordnete, daß der ihm folgende Bürgermeister einstweilen bis zum Austrag der Sache eintrete. Die Naundorfer Mühle mit zwei Mahlgängen, Garten und Gräserei, welche Hans Kreisch im vorigen Jahre auf drei Jahre pach­te, übernahm in diesem Jahre dessen. Witwe Elisabeth. Sie gab 72 Scheffel Korn Amtsmaßes an das Amt, 20 Scheffel Korn Stadtmaßes an die Geistlichen der Stadt, die gewöhnlichen Gefälle nach Scheu­kenberg und trug die nötige Zimmer- und Schmiedearbeit. Zu dem Physikate der Städte und Ämter Delitzsch, Bitterfeld und Zörbig sollte Delitzsch jährlich 25 Gülden geben und es ward dazu nach dem Schlusse der Vierte1smeister und des Ausschusses die Ratskasse angewiesen., Die Lästerer gaben jeder an die Kämmereikasse 1/2 Stein Talg, zwei Rindszungen dem Bürgermeister, jedem der vier Ratsmitglieder aber und dem Stadtschreiber eine. Der alte Bürger Jeremias Hennig setzte das Hospita1 zu seinem Universalerben ein, die Zinsen des zu Gelde gemachten Nachlasses zu Besserung der Hospitaliten. Sein hinterlassenes Haus in der Hallisehen Gasse verkaufte das Hospital an Peter de Palmener für 650 Gül­den. Der Amtsschösser beschwerte sich bei dem Rate, daß die Einwohner der Schloßgasse zunächst des Schoßgrabens Wasserläufte und Abzüchte aus ihren unverwahrten Gehöften in den Schloßgraben führten, diesen und die Schloßbrücke durch Einwerfen toten Viehes und Unrat zur Kloake machten und trug auf Abstellung an. Der An­trag fruchtete aber wenig, ist im Jahre 1680 fast wörtlich wiederholt und der Übelstand wahrscheinlich erst durch Ausfüllung dieses Gra­bens, welcher vom äußern Schloßgraben durch die Stadtmauer hinter dem Pfarrgehöfte und einigen Höfen der Schloßgasse weg nach der Landvogtei geführt war, wo er seinen Ausgang durch die Mauer in den Stadtgraben fand, von dem Eingange zum Schloßplatze aber eine Brücke hatte, und in der Regel trocken war, gehoben worden. Die Torwärter erhielten Anweisung, die Tore sonntags während des Gottesdienstes zu schließen und ohne Erlaubnis des Bürgermei­sters keinem Einheimischen mit Wagen und Pferden, Amts- und Stadtgerichte in ihren Verrichtungen ausgenommen, zu öffnen. Auch fremdem Fuhrwerk von außen war unter der Predigt der Einlaß ver­sagt, vor und nachher aber gestattet. Apotheker durften zwar sonn­und festtags den Laden offen haben, aber kein Zeichen aussetzen; auch wenn sie dabei Materialkram trieben, Waren der Art bei Strafe nicht verkaufen. Die Arbeit an Bußtagen ward mit 1 Taler 6 gr. bestraft und die Strafe zu milden Zwecken verwendet; einer aber, der den andern in der Kirche vom Stande drängte, mußte es mit der Lauke verbüßen. Der Zimmermann Liebing legte vor seinem Hause im Rosenta1e zur Hinderung der Schaftrift einen Zaun an, es ward ihm untersagt und er nahm ihn hinweg unter der Bedingung, daß man ihn von Besserung des Weges und Steges freiließe, welches ihm der Rat zugestand. Den Handwerksgesellen ward auf herzoglichen Befehl das Tragen von. Degen, Äxten, Beilen, Streitäxten, Gewehren, außer bei Aufgeboten , zur Gerichtsfolge, auf das strengste untersagt. Die Volkszahl mehrte sich und man nahm wieder, wie vor dem Kriege, eine zweite Wehmutter an. Auf Räumung des Stadtgrabens verwendete man 495 Gülden 17 Gr., 6 Pf. Die Schäferei gab 525 Gülden 13 Gr. Gewinn, Zoll- und Pflastergeleite 178 Fl. 1 Gr. - für Zwingerobst vom breiten Tore bis zum Srhloßgraben 4 fl. 10 Gr. 6 Pf., vom breiten Tor bis zum Schloßgraben 2 fl. 6 Gr. - und vom Grase 2 fl. Pachtgeld, 3 fl. 15 Gr. 3 Pf. Stätte­geld am Fastenmarkte, 24 fl. 2 Gr. 3 Pf. dergleichen zu Petri Pauli und 2 fl. 2 Gr. 6 Pf. am Herbstmarkte. Aus dem Erkartschen, Grünthalschen und Findeisenschen Vermächt­nissen wurden 2 Stück Tücher,. eins zu 29, das andere zu 26 Ellen am Werte 12 Th. an 13 Kurrentknaben verteilt und erhielten zu gleichen Teilen 6 das erste, 7 das zweite Stück.


1675
Am 3. Februar brach in der Badstube des Christoph Schneider Feuer aus, welches bald gelöscht wurde. Die Weiß- und Küche1bäcker der Stadt verklagten die Platzbäcker der Grünstraße, welche anfingen, Brot in ihren Wohnungen zu verkaufen, welches ihnen nach den im Jahre 1668 konfirmierten Innungsartikeln untersagt war. Sie durften nur an Markttagen bis Mittag feilhalten. In diesem Jahr ward auch die Stadtmüh1e an Barthol. Hofmann von Osterfeld verpachtet. Er zog Johannis an, gab die Hälfte zum Steine, die halben Schmiedekosten und erhielt das Mühlzeug selbst gegen Empfang des Materials, empfing vom Getreide und Schrote die Viertelmetze, vom Braumalze 5 1/4 Gr., auch Beutelgeld. Die Reinigung des Stadtgrabens ward vollendet. Der ganze Auf­wand für Reinigung betrug 1200 Taler, die Arbeiter erhielten über­dies noch Kofent zum Getränke und das Holz, was sich im Graben vorfand. Sieben Tuchmacher lieferten jährlich 120 Stück Tuche, Hans Kühne, Gfrd. Petzsche, Gfrd. Hesse, Anton Schröter, Georg Dietze, Gfrd. Parreidt, Gfrd. Nöst; Petzsche und Nöst die meisten. Auch das Kastrieren der Schweine ward für 2 Gülden jährlich verpachtet. Die Witwe Albrecht war seit 1633 Mägdlein Schulmeisterin gewesen und hatte die Witwe des Rektors Eberhard in Bitterfeld, Sa­bine, zu ihrer Nachfolgerin. Im November d. J. galt der Scheffel Weizen 22 1/2, der Scheffel Rog­gen 21, der Scheffel Gerste 12 1/2, der Scheffel Hafer 9 Gr.


1676
Der drohende Krieg Frankreichs gegen das deutsche Reich verur­sachte Werbungen, Einquartierungen und drückende Lasten. Delitzsch hatte gleich anfangs dieses Jahres Brandenburgische Fußvölker vom Götzischen Regiment, die vorher in den Ämtern Bitterfeld und Zörbig gelegen hatten und unterhalten werden mußten. Die Oberst­leutnants von Kanne und von Lutteritz mit dem Stabe lagen in der Stadt und erhielten Verehrung an Bier und Wein, die Schönfeldische Kompagnie aber, welche am 1. Mai Maien vor das Rathaus setzte, einen Taler Geschenk. Im Herbste rückte das Kaiserlich Degenfeldische Regiment ein, welches bis zum August des folgenden Jahres liegen blieb und der Kommunkasse allein eine Ausgabe von 300 Gülden für Pulver, Blei, Holz, Licht etc. verursachte. Der Physikus Dr. Andreas Petermann trat sein Amt an und emp­fing jährlich die ihm durch Verordnung vom 22. Oktober 1675 bestimmten 25 Gülden von der Stadt. Wegen Mangel an Lehm in nahem Kommunfelde ward von der Witwe Franze ein Feldstück eingetauscht. Das Liegenlassen des Düngers über Nacht auf den Gassen und an der Mauer ward nochmals verboten, wegen Unzierde und Feuersgefahr und durch Patent bekannt gemacht, daß man ihn widrigenfalls anf die Kommunäcker fahren lassen werde. Man findet hier bemerkt, daß die Kirche in Kleinwölkau, 32 Ellen lang, 18 Ellen breit, mit Gewölbe ohne Pfeiler und schönem Turm von Christoph Vitzthum von Eckstädt in diesem Jahre und folgenden von Grund aus neu erbauet und 1684 geweiht worden ist. Die Schäferei gab 670 Gülden Gewinn. Ein Scheffel Weizen galt 23-20, ein Scheffel Roggen galt 22-18 Gr.


1677
Am 11. Januar ein Sturm, der viel Häuser beschädigte. Der Verkauf von Arzneimitteln an Markttagen durch Landstreicher und das innere Kurieren der Chirurgen ward auf Anregung des Phy­sikus vom Rate streng untersagt. Am 4. Februar starb der Bürgermeister Nicolaus Kleinschmidt. Der Rat ordnete ein ausgezeichnetes Begräbnis. Viertelsmeister und Ausschußpersonen trugen ihn am 7. Nachmittags 1 Uhr erst in die Kirche und nach der Predigt auf den Gottesacker und acht Ratsherren be­gleiteten in langen Trauermänteln und Hüten auf beiden Seiten den Sarg. Den Trägern gab man aus der Ratskasse 2 Taler 12 Gr. zu einer Ergötzlichkeit. In diesem Monate lieferte des Rates Keller und Boden ungewöhnlich viel Bier und Heu an den Obersten von Degenfeld, am 24. Mai, als der Herzog hier durchging, 22 Gülden 8 Gr. an Wein und Bier, die Einquartierung verlangte täglich Ausgaben so wie die Auslösung Für­sten General-Wachtmeisters im November dieses Jahres. Die Bürgerschaft bewilligte zur Einquartierung einen ganzen Quatember, wollte aber dem Einnehmer der Kontribution überhaupt nur 15 Taler Einnehmergebühren gestatten. Dieser verlangte aber 24 Ta­ler für beide Einnahmen und da man diese nicht geben wollte, so sollten die Bürger der Reihe nach gegen 12 Groschen für den Termin die Einnahme besorgen, was aber, da sich der Ratsherr Hiersebrod freiwillig dazu erbot, unterblieb. Im April erschien ein Komet. Am 30. Mai wurden drei mit dem Strange hingerichtet und ein Brand­bettler Meyer zur Staupe geschlagen. Der Neubau der Koh1torbrücke mit dem äußeren Brückchen ward dem Zimmermeister Liebing für 40 Gülden überlassen. Die Hospitaliten beschwerten sich, daß sie mit 3 1/2 Groschen wöchent­lichen Kostgelde nicht auskommen könnten und baten, daß man sie nicht Not leiden lassen möchte, da man zumal vor diesem die Brüder und Schwestern gespeiset und die Speisung durch Stiftungen angeordnet sei. Vom Obste im Garten erhielten sie auch nichts und nah­men solches die Vorsteher. Man gab ihnen zur Antwort. daß mit dem Superintendenten darüber kommuniziert werden solle. Der Rat vermietete die Bäckerei am Damme an Schwarze für 8 Gülden auf ein Jahr, Gras und Grummet des Stellbogenschen Gartens im Hain an Werner in Kattersnaundorf für 4 Gülden, das Zwingerobst für 4, das Zwingergras für 2 Gülden und die Naundorfer Mühle an Barth. Hofmann unter den vorigen Bedingungen. Die Vierte1smeister verlangten, daß in dem Ratskeller kein Eilenburger Bier geschenkt werden möchte und nahmen in der Schenke zu Zwochau Eilenburger Bier weg. Tobias Renner stürzte im Hallischen Tore vom Gerüste und erhielt 4 Taler Almosen. 914 Stück Schafe gaben 707 Gülden Nutzung. Das Stättegeld am Petri Pauli Jahrmarkt betrug 30 Gülden 15 Gr. 10 Pf. und 1208 Gülden 16 Gr. $ Pf. hatte die Kasse beim Anfange des Jahres Vorrat. Ein Scheffel Weizen galt 14-18, ein Scheffel Roggen 13-16, ein Schef­fel Gerste 12 Gr.


1678
Im Anfang des Jahres war das Wetter mild, später rauh und in den Osterfeiertagen lag tiefer Schnee. Der Mai und Anfang des Juni be­günstigte den Getreidewuchs, dann trat aber ungewöhnliche Dürre ein. Der Weizen und Roggen geriet noch ziemlich, der Wein sogar vortrefflich, die Sommerfrucht aber mit Futterpflanzen kam zurück und das Vieh litt, da zumal in der Mitte Dezember ein langer, harter Winter folgte, außerordentlich. Der Oberstleutnant von Luttritz erhielt im Februar eine ahnsehnliche Auslösung, im März 31 Kannen Wein aus des Rates Keller und ein kommissarischer Befehl vom B. Mai bestimmte die Grenzen der lästigen Einquartierung. Am 10. März starb der Bürgermeister Wolfgang Sigmund Schmidt und erhielten die Vierte1smeister, die ihn trugen, 2 Taler zu ihrer Ergötzlichkeit. Man sammelte Unterstützungen für Rostock, wo am 11. August vori­gen Jahres Wagehaus, St. Katharinen Kirche, zwei Armenhäuser und 400 Wohnungen innerhalb wenig Stunden niederbrannten, Rathaus und Hauptkirche nur mit Mühe gerettet wurde. Am 4. Mai, nachmit­tags 2 Uhr, zog man den Bürger Georg Kade sterbend aus dem Stadt­graben, oberhalb des breiten Tores und geriet zwar der Hirt Christoph Voigt aus Zschortau in Verdacht, ihn in das Wasser gestoßen zu haben, man konnte ihn aber nicht überführen. Der Physikus, Dr. Petermann, ging nach Torgau und der Dr. Westphal, der in dem Rufe eines geschickten, tätigen Arztes stand, kam als Physikus in Vorschlag. Die Vierte1smeister rügten dabei, daß der Dr. Petermann bald nach dem Antritte seines Amtes ein Freibier in Döbernitz zu brauen versucht hätte. Auch sprachen sie gegen das Freibier des Amtsschössers, der nicht nach dem Lose brauen wollte und protestierten, als er mit einem herzoglichen Befehle vortrat, nach welchem ihm willkürliches Ein­brauen gestattet war. Veit Richter, der Stadtmü11er, verlangte, daß ihn bei dem Malz­schroten die Läufte der Mühle zu beschütten und dasselbe wieder zu nutzen erlaubt sein möchte, die Vierte1smeister wollten aber darauf nicht eingehen. Der SchuImeisterin in Zwochau wurden Brote, die sie zum Verkaufe in die. Stadt schickte, weggenommen und dem Hospital gegeben. Dem Zimmermann und Fischhänd1er Andreas Liebing überließ man den diesjährigtkn Fischereiertrag zu Bartholomäi, den Zentner für 5 Gülden 13 Gr. 6 Pf. ohne Auswahl und erhielt 159 Gülden 8 Gr. 2 Pf. Den F1eischern untersagte man bei zwei neuen Schocken Strafe ihr Vieh vor Jakobi auf die gemeine Weide zu treiben, sie widerspra­chen aber, weil in dem 22. ihrer Innungs-Artikel von Jakobi nicht die Rede sei. Der Ratsherr Johann Schaefer übernahm den Kellerschank. Dem Lohgerber Jeremias Hortleder, welcher das Haus des Stadt­richters Christian Dietze kaufte, verbot man, darinnen eine Gerber­werkstätte anzulegen. Er versprach auch, Kälkerei oder Kalkgruben nicht anzubringen, erbat sich aber den Gebrauch der Lohfässer, mit welchem eher ein guter als schlechter Geruch verbunden sei. Den P1atzbäckern der Grünstraße ward der Mehlhandel untersagt. Man versuchte die E1beritzmüh1e von den Sauerschen Erben wieder einzulösen, denn sie stand auf Wiederkauf. Sauer hatte 150 Taler gegeben, die Erben verlangten aber 400 Taler und man bot 250 Gülden mit Berücksichtigung, daß sie vom Rate vertreten werde und der Kontribution unterworfen sei. Am Jahresschlusse hatte die Kasse 1208 Gülden 16 Gr. 3 Pf. Vorrat und von der Schäferei 587 Gülden 14 Gr. 6 Pf. Gewinn. Ein Scheffel Weizen galt 141/2, ein Scheffel Roggen 11, ein Scheffel Gerste 9 Gr.


1679
Für die Ordonnanz-Reiter bauete man im vorigen und vollendete in diesem Jahre das Ordonnanz - Haus an dem freien Platze der Pforte, welcher nun den Namen Reiterp1atz erhielt. Dem Gastwirte im weißen Rosse, Peter Richter, ward das Aus­geben des Bieres über die Gasse bei Strafe untersagt. Man nahm an vielen Orten der Meile, unter anderem auch in Lehelitz, Bier weg, geriet aber wegen Lehelitz in Prozeß, der gegen die Brauerschaft entschieden ward. Am 6. November starb der Superintendent Theophilus Pistorius und ward am 11. in die Stadtkirche unter dem alten Schülerchore begra­ben, wo unter hölzerner Decke sein Denkstein mit lateinischer In­schrift zu finden ist. Auf Veredlung des Zwingerobstes verwendete man Fleiß und Geld. Die Schäferei gab 616 Gülden 13 Gr. 6 Pf. Gewinn. Ein Scheffel Weizen galt 13-15, ein Scheffel Roggen 11, ein Scheffel Gerste 10-12 Gr.


1680
Es war ein zeitiger Frühling und schon im Anfange des April die lebhafteste Vegetation, aber auch Räupenfraß. Am 9. März brannte das Dorf Wiederitzsch bei Leipzig nieder und brachte man für die Verunglückten eine reichliche Kollekte aus. Am 25. April fand man den alten Bürger Christoph. Heinrich im Stadtgraben.nahe dem Schlosse, ein vermutlicher Selbstmörder aus Melancholie. Es ward festgesetzt, daß außerhalb der Ringmauern das Essigbrauen nicht gestattet werden solle und den Brauberechtigten das Übertragen des Essigbrauens an andere nur ungern erlaubt. Auch ward denen, die in den Feldmarken der Stadt kein Feld hatten, Rindvieh auf die gemeine Weide zu treiben, untersagt. Ferner verbot man den Weißgerberei, Kalkgruben in der Stadt anzulegen und die sie schon hatten, binnen Sächsischer Frist zu räu- men, wogegen sich zwar Gerber und Weißgerber bei der Regierung beschwerten, aber abschlägige Antwort erhielten. Im Juni näherte sich eine gefährliche ansteckende Krankheit von Böhmen her. Man traf zwar die möglichsten Sicherungs-Anstalten, sie ward aber doch durch eine Verwandte des Bürgers Heinrich Pretzsch­mann, welche von Bautzen kam, und nach wenigen Tagen starb, eingebracht und Pretzschmann mit seinem Kinde ihr erstes Opfer. Sie ergriff vorzüglich die Bewohner der Grünstraße und Siechhäuser auf dem Gottesacker, weniger die Vorstadt, und die Stadt in den Ring­mauern blieb fast ganz verschont. Von 240 Verstorbenen dieses Jah­res kamen 121 und davon nur 6 aus der Stadt und 10 aus der Vorstadt auf ihre Rechnung. Der Fleischer Hans Baer, welcher Schmiervieh auf die Weide brachte, mußte 10 Taler Strafe erlegen und für den möglichen Schaden haften. Der Kommun-Einnehmer Trautvetter war mit Ablegung der Rech­nungen schon seit vier Jahren säumig gewesen, man vermutete, daß er, durch den Kauf und Ausbau seines Hauses in Verlegenheit gekom­men, damit Defekte zu verbergen suche und drang auf Untersuchung. Die diesjährige Rechnung ist daher mit dem 30. März geschlossen, die Defekte fänden sich, sein Haus auf der Doktorei nahm der Rat und Gottfried Schulze kam als Einnehmer an seine Statt. Von der Mitte des Dezember an zeigte sich vier Wochen lang einer der größten Kometen, dessen Schweif von mehr als 70 Graden Länge und 1 1/2 Grad Breite auch nach dem Untergange des Hauptes meh­rere Stunden noch sichtbar war. Ein Scheffel Weizen galt 20-18, ein Scheffel Roggen galt 12-10 1/2 Gr.


1681
In der Vorstadt und Grünstraße war Johann Kegel als Pesti1enziarbarbier angestellt, die Stadt im Anfange des Jahres noch streng gesperrt. Den Landfleischern, welche wegen der ansteckenden Krankheit im vorigen Jahre nicht in die Stadt geschlachtet hatten, ward die Abgabe an die Ratskasse erlassen. Die Erlaubnis, Bier einzulegen und zu. verzapfen, welche man während der Krankheit dem Töpfer Horn und dem Gastwirt Peter Rich­ter in der Vorstadt gegeben hatte, ward im April d. J. wieder aufge­hoben. Dieser Richter hatte den im Kriege wüst gewordenen Gasthof des Bopifacius Thier, zum weißen Rosse, wieder aufgebaut, auch die Wiederaufnahme der Wirtschaft vom Herzoge in der Verordnung vom 20. Juni 1661 doch nur unter der Bedingung, daß er den Bedarf des Bieres aus der Stadt beziehe und nichts außer dem Hause oder über die Gasse verkaufe, erlaubt erhalten. Die Bäcker verlangten zwar den Mehlhandel ausschließlich gegen die Mü11er und beruften sich auf ihre Artikel, da sich aber diese nicht klar genug hierüber aussprachen, so behielten ihn die Müller und schützten Näherrecht, Herkommen und Gewohnheiten vor. Man mutete der Witwe des Schuhmachers Steubler zu, daß sie ihren Hausgenossen, den Rechtsgelehrten Mr. Christian Schulze, mit dem sie vertraut zu sein schiene, binnen 8 Tagen aus dem Hause entferne, wenn sie nicht eidlich erkläre, daß sie mit ihm nichts Verbind­liches. habe und bezog sich dabei auf die Eheordnung; die Steubler widersprach. aber und berufte sich auf den Ausspruch der Regierung. Ehe jedoch diese entschied, war sie schon mit dem Schulze ehelich verbunden. Vor wenigen Jahren noch ein armes Dienstmädchen unter dem Namen Richter, stand sie jetzt unter den angesehensten Frauen der Stadt und starb im Jahre 1718 auf dem Rittergute Niemegk, das mit anderen Besitzungen in hiesiger Stadt ihrem Manne eigen war. Der Kamnierherr Christian Vitzthum von Eckstädt auf Tiefensee ver­langte, daß' man seinen verstorbenen Bruder Friedrich Wilhelm auf Neuhaus, in Benndorf beläuten sollte, der Rat aber untersagte es. Auch ward des Pfarrers Verbot, die Musik während des Kirchweihfestes in Benndorf einzustellen, nicht beachtet und erlaubte sie der Rat, doch in den Schranken der Ordnung.


1682
Auf Beschwerde der Tuchmacher, gegründet auf die Landesord­nung, mußte der Wollhandel denen, die dieser Profession nicht ange­hörten, untersagt werden. Auch zeigten die Vierte1smeister an, daß der Hofmeister in Stockwitz Jeßnitzer Bier verschenke, welches der Ratsherr Christoph Parreidt, Justitiar in Stockwitz, abzustellen versprach. Die 13 Kurrentknaben baten um Tuch, welches sie seit drei Jahren nicht erhalten hatten und verteilte hierauf der Rat zwei Stück Roßweinische Tuche zu 56 Ellen 14 Tlr. 18 Gr. am Werte. Im Juli erlitten Kyhna, Lissa und andere Marken der Umgegend einen bedeutenden Hagelschlag, auch zündete der Blitz am 15. August des Nachts in Benndorf und brannte dieses Dorf fast ganz aus. Zum Baue der Kirche in Grebehna ward eine Kollekte aufgebracht. Andreas Schilling, ein Go1darbeiter aus Halle gebürtig, vormals Quartiermeister im brandenburgischen Kriegswesen, seit 1661 hiesi­ger Bürger guter Führung ward für das künftige Jahr zum Ratsherren gewählt. 809 fl. 13 Gr. 1 Pf. gab die Schäferei Gewinn von 149 Steinen Wolle. Der Scheffel Weizen galt im Durchschnitte 11, der Roggen 8 Gr. Der herzogliche Kanzler Johann Christoph Wex in Merseburg, setzte in seinem Testamente vom 31. Oktober ein Kapital von 2000 Gülden als Vermächtnis, dessen Zinsen „zu etwas Erweiterung und Verbesse­rung des publice eingeführten Armenrechts", worüber er sich in ei­nem Codizille vom 31. Mai 1684 bestimmter aussprach, im Bereiche des Herzogtums Merseburg verwendet werden sollten. Der Anteil des Genusses an dieser durch Zinshäufung beträchtlich gewordenen Stif­tung ist nach Auflösung des Herzogtums von der Königlich-Sächsischen Regierung zwischen dem Stifte Merseburg und den ehemaligen Ämtern des Herzogtums, Delitzsch, Zörbig, Bitterfeld, Dobrilugk und Finsterwalde gesetzlich festgestellt.


1683
Am 26. Januar untersagte der Rat den Bürgern der Vorstadt, Fremde ohne Erlaubnis aufzunehmen bei 10 Talern Strafe, und in gefähr­licher Zeit bei Verlust des Bürgerrechts. Der Stadtmusikus Trebeljan bat, daß die Hochzeiten in der Stadt, mit Abendessen und Tanz, wegen der Hochzeiten auf dem Lande, die er mit seinen Leuten zu bestreiten habe, an gewissen Wo­chentagen gehalten werden möchten, was man ihm natürlich nicht bewilligen konnte. Dem Müller Barth. Hofmann ward die Naundorfer Müh1e mit der Bedingung, daß er bei großem Wasser alle drei Gerinne öffne,.auf drei Jahre verpachtet, und dem Essenkehrer, Adam Schatz in Eilenburg, das Reinigen der Essen hiesiger Stadt überlassen. Für sämtliche öffentliche Gebäude der Stadt, die er jährlich dreimal rei­nigen sollte, gab man ihm aus der Ratskasse ein neues Schock. Die Ratskasse in Schkeuditz, erschöpft durch den Aufwand, welche die ansteckende Krankheit voriger Jahre verursacht hatte, war unfähig, die Geistlichkeit zu besolden und ward daher für diese auch hier eine Kollekte ausgebracht. Am 12. Mai starb der Bürgermeister Matthäus Tietze, 82 Jahre alt, Ratsherr seit 1638 und seit 1673 Bürgermeister, ein erfahrener und im Kriege bewährter Mann und wenige Tage darauf auch der Kämmerer Christoph Koeltzsch. Bei dem Leichenbegängnisse des Tietze gab die Kasse den Viertelsmeistern die gewöhnliche Ergötzlichkeit, hinsichtlich des Trauerflores aber, den man früher für die Herren des Rates mit 30, 40 und mehr Talern bei Todesfällen der Bürgermeister in Rechnung brachte, beschränkte man sich, diesmal, wahrscheinlich auf höhere Veranlassung, auf 10 fl. 14 Gr. und bemerkte der Rechnungsführer, daß der Flor zu künftigem Gebrauche aufgehoben worden sei. Der Herzog Christian II. traf mit Familie und Gefolge am 13. August hier ein. Der Rat machte ihm ein ansehnliches Geschenk an Wein, die Bürgerschaft aber bezeigte ihm ihre Verehrung durch einen Fackelaufzug. Am 28. August starb der Kantor Christoph Schultze, Jubilar, ein in jeder Beziehung seiner Amtspflichten achtbarer und um die Stadt hochverdienter Mann, der in den schweren Kriegsjahren fast allein die ihm anvertraute Schule aufrecht hielt. Sein Leichenbegängnis war daher auch an Volksbegleitung das Ausgezeichnetste dieser Zeit. Zu Sorau, in der Niederlausitz, 1606 geboren, der Sohn eines armen Leinewebers, welcher im Sorauischen Brande hilfeleistend verun­glückte, bildete er sich, in drückendster Lage, auf dem Gymnasium in Wittenberg und"Torgau, wo er Chorpräfekt war und Unterricht in der Musik gab für den gelehrten Stand, hörte dann in Leipzig, wo sein Bruder Mr. George S. als Konrektor an der Thomasschule lebte, philo­sophische und medizinisch-theoretische Vorlesungen, vereinte damit den musikalischen Unterricht des Hermann Schein und war willens, in dieser Stadt als Arzt zu wirken, als ihn der Weggang des Bruders, welcher dem Rufe zur mathematischen Professur in Erfurt folgte, und der in Folge des Geldwuchers und drohenden Krieges täglich sinkende musikalische Erwerb, die nötige Unterstützung entzog und ihm in so verhängnisvoller Zeit die Aufsuchung einer sichernden Stellung, wo möglich eines Kantorats, zu dem er vorzüglich geschickt sich fühlte, auf das Dringendste anriet. Es gelang ihm auch, am 5. April 1628 das Kantorat am Neumarkte in Halle zu erlangen, er ver­lor aber beim Ausbruche des Krieges, weil seine Wohnung offen lag,. zweimal durch Plünderung seine ganze Habe, musikalische Instrumente, Bücher und Kleider, mußte 1632 während der Lützener Schlacht, von den Pappenheimischen verfolgt, fast unbekleidet flüch­ten und kam in diesem hilflosen Zustande hier her. Man riet ihm, die Stelle in Halle aufzugeben und um die hiesige, eben erledigte, ein­träglichere anzuhalten, er gab Gehör, bat um die Stelle und erhielt sie am 12. Februar 1633, bei der Prüfung alle für sich gewinnend, durch einstimmige Wahl. Er zeigte sich bald als Komponist von Sym­phonien, Motetten und Melodien geistlicher Lieder, hauptsächlich aber als Musik- und Schullehrer, als Stilist und Geschäftsmann nach Zeit und Umständen auf das Vorteilhafteste, schrieb ein Diarium De­litianum, das leider verschwunden ist, und bildete statt der ehemali­gen Kantorei-Gesellschaft, die mit ihrem Vermögen bei dem Aus­brüche des Krieges ihr Ende fand, einen neuen, tüchtigen Gesang­Verein. Einige seiner Kompositionen sind gedruckt. An dem Zuge gegen die Türken, welche bis Wien vordrangen und diese Stadt hart belagerten, nahm auch hiesige Mannschaft teil. Die Sachsen, in Eil aufgeboten, kamen unter Anführung des Kurfürsten am 28. August dahin und erkämpften am 2. September, vor mehreren Hilfsvölkern sich auszeichnend, einen herrlichen, gegen die Über­macht des Türkischen Reiches für immer entscheidenden Sieg. Das stählerne neue Ratssiege1 kostete 16 Gr. Ein Scheffel Weizen galt 8-9, ein Scheffel Roggen 6-7 Gr.


1684
Am 15. Februar war großes Wasser und die Pfortenbrücke in Gefahr. Der Superintendent Dr. Bilefeld führte Beschwerde gegen den Rat, daß man ihn bei der Wahl eines Schulvorstehers, des Christoph Parreidt übergangen habe. Da der Rat selbst eigentlich Schulvorsteher war und nur einem seines Mittels, einem Gelehrten; die besondere Aufsicht auf die Schule, nach der von ihm selbst gesetzten Schulordnung übertrug, so war diese Beschwerde eine ganz unnütze Querel. Am 10. März kam die Gemahling des Erbprinzen, Herzogs, Christian II., welcher das Haus des Esaias Hartmann am Markte (Num. 168) be­wohnte, mit dem dritten Sohne nieder, der in der Taufe den Namen Friedrich August erhielt. Der eine Totengräber, Michael Schneider, welcher sich den Trunk angewöhnt und schon einmal bei dem Begräbnisse einer Kanzelei­dienerin eine grobe Unvorsichtigkeit begangen hatte, ließ am 1. Juni bei dem Begräbnis der Elberitzmüllerin, einer Wöchnerin, den Sarg fallen, der sich öffnete und die Verstorbene in unanständiger Entblö­ßung sehen ließ, weshalb er mit Gefängnisstrafe belegt und abgesetzt ward. Es war ein trockener Sommer, das Sommergetreide mißriet, auch fehlte es an Fütterung für das Vieh, daher in der Spröde trotz der angedrohten Strafen häufig Laub gestmifet ward. Wegen Teuerung der Gerste und des Hopfens erhöhte man den Preis des Bieres bis 7 Pfennige die Kanne und 7 Taler das Faß. Der Archidiakon Bornmann, welcher wegen hohen Alters sein Amt nicht mehr versehen konnte, suchte um einen Substituten nach. Es predigte hierauf der Mr. Schiff und der Diakon in Zörbig, Mr. Daniel Ilgen, ein Sohn des ehemaligen hiesigen Superintendenten, welcher Letzterer die Vocation empfing und im Oktober die Anzugspredigt hielt. Am 23. August, nachts halb 1.1 Uhr, brach in der Vorstadt am Galg­tore auf unbekannte Weise Feuer aus, welches schnell um sich griff und 9 Häuser vernichtete. Der Hausgenosse Barth. Pfeifer, zunächst dem Ausbruche, rettete sein Weib, eine Wöchnerin und drei Kinder, nackt und bloß nur mit Mühe, das vierte, beinahe zwei Jahre alt, ver­lor er. Er erhielt reichlich Unterstützung. Bei Löschung des Feuers zeichnete sich ein Musketier und Zimmergeselle vorzüglich aus, dem man aus öffentlicher Kasse 1 Taler Belohnung gab. Dem Physikus D. Westphal ward für Medizin, die er in dem Pestjahr 1680 und nachher verwendet hatte, auf Kammer Verordnung vom 4. März 5 Taler 4 Gr. aus der Ratskasse gezahlt. Die Kurrentknaben erhielten für 15 Taler 3 Gr. Roßweinisches Tuch. Auf Anzeige des Ratseinnehmers, daß die Regierung bei Durchgehung der Rechnungen 1681 und 1682 die Marktpfennige, Nutzungen des Zwingers und Krebsbaches bei Benndorf als Accidenz der Rats­mitglieder nicht genehmigen wolle, wurden diese wieder in Rechnung gebracht. Der Seiler und Viertelsmeister Tobias Richter ward für das künftige Jahr in den Rat gewählt. Die Schäferei litt an Pocken und verlor 40 Stück. 1 Scheffel Weizen galt 12-23, 1 Scheffel Roggen galt 9-21 Gr. Der Gold- und Silberarbeiter Johann Wilhelm Bergdorff bestimmte in seinem am 1. Mai d. J. eröffneten Testament dem Hospitale dreißig Taler als Vermächtnis.


1685
Der Totengräber Michael Poeschel, welcher am Weihnachts-Heiligen Abend auf dem Gottesacker abergläubische Gebräuche getrieben hatte, angeblich zur Sicherung gegen die Maulwürfe, ward mit der Lauke bestraft. Die Stadt hatte eine große Feuerspritze, deren Leitung man, mit der Aufsicht über 10 kleinere, dem Tischler Graefe übertrug, dem man bei jedesmaligem Gebrauche 12 Groschen gab und Schoß- und Wächtergeld erließ. Der bisherigeGarkoch, Georg Otto, wollte Pachterlaß, weil die Soldaten selbst schlachteten, es erbot sich aber der Fleischer Johann Heller zur Übernahme, welcher für Speisung der beiden Ratsknechte 1 Wispel Roggen, 6 Schfl. Weizen, 1/2 Schock Langstroh und 2 Gülden für Getränke erhielt. Es war ein trockener Sommer und Wassermangel in den Mühlen, aber eine reiche Ernte, in deren Folge der Preis des Bieres wieder, das Faß auf 4 1/2 Taler, die Kanne auf 5 Pfennige, herabgesetzt ward. Seit einigen Jahren zeigte sich bei dem Volke ein Hang zum Getränke süßer Biere, welche unter dem Namen Weißbier, Breihan, im Magdeburgischen und Anhaltischen aus Weizen und Gerste bereitet und von da nach-allen Seiten verbreitet wurden. In hiesigem Lande fand man jedoch diese Brauerei, weil man für die Tranksteuer Abbruch fürchtete und mit Feststellung einer Ausgleichung sich nicht befassen konnte oder wollte„ beschwerlich und hinderte sie. Indessen erlaubten sich die Rittergüter, aus der täglich steigenden Vorliebe des Volks für dieses Getränk zum Schaden der Städte, die unter scharfer Aufsicht der Steuer standen, den möglichsten Nutzen zu ziehen. Es lieferte der v. Pful auf Mildenstein, der v. Zanthier auf Salzfurt und v. Vitzthum auf Wölkau dieses beliebte Getränk und fuhr es der erste sogar bis in die Stadt, wo es von den im Quartier liegenden Unteroffi­zieren und Fourieren, die überhaupt das bürgerliche Gewerbe viel­seitig verletzten, öffentlich, von den Gastwirten aber heimlich verschenket ward. Auch vertrieb man es in den Schenken der Dörfer und zogen oft ganze Gesellschaften Bürger zum Nachteile des städtischen Gewerbes und der Sittlichkeit dahin. Dieses bewog den Rat und die Brauerschaft, auch hier das Brauen eines Weißbieres zu versuchen und hierzu, auch im Falle des Gelingens zu der Fortsetzung die fürst­liche Genehmigung sich zu erbitten. Sie erhielten sie unterm 10. März dieses Jahres. Der Rat verschrieb nun, voraussetzend, daß die Fortsetzung nicht verweigert werde, einen Brauer, Curt Rosenthal aus Halberstadt, gab das Getreide zu dem halben Probe-Gebräude und da es gelang, sogar vor einigen Vorzüge hatte, so zahlte man die Steuer 11 Taler 6 Gr. mit Vergnügen, mehrere Bürger entschlossen sich zu Fortsetzung und setzten in diesem und folgendem Jahre, mit ziemlichem Gewinne, 20 halbe Gebräude ab. Am 4. November ward Marie Elisabeth Steterin,'eine Kindesmör­derin, durch das Amt mit dem Schwerte hingerichtet. Ein Scheffel Weizen galt 27-16, ein Scheffel Roggen galt 27-13 Gr. Der hiesige Bürger und H u f s c h m i e d Samuel Voigt setzte in sei­nem Testament, welches am 3. Februar d. J. eröffnet ward, ein Legat von sechs Gülden zu Besserung der untersten Schullehrerstelle, hof­fend, daß sich dieses kleine Kapital künftig durch guttätige Menschen verstärken werde.


1686
Das 1606 eingerichtete Schlaguhrwerk des Hallischen Turmes war im Kriege zerstört, die Glocke beschädigt worden. Man verkaufte das Uhrwerk, weil es an Gelde zur Herstellung fehlte, 1647 an die Kirche zu Gollme, behielt aber die Glocke bis auf bessere Zeit. Erst in diesem Jahre konnte man sie wieder lautbar werden lassen, doch nicht wie früher durch ein mechanisches Werk, sondern, wie auf dem breiten Turme, durch eines Türmers Hand, dem man eine neue Wohnung gab. Der Rot- und Glockengießer Peter Stengel in Leipzig, erhielt für Umgießung der Glocke und 1 Zentner 10 1/2 Pfund Metallzusatz 55 Fl. 4 Gr. Die alte wog nach dem Leipziger Wagezettel 3 Zentner 62 Pfund, die neue 4 Zentner 72 1/2 Pfund. Sie ward am 16. Juni in Leipzig abgeholt und am 16. August durch den Zimmer­meister Martin Leschke auf den Turm gebracht. Den Einband und Hammer derselben fertigte der Schmidt Michael Saupe für 9 fl. Lohn, die Maurerarbeit besorgte Gottfried Golde. Das Ganze kostete gegen 200 Gülden. Der erste Türmer, ein Nadler Andreas Korb, ward am 15. August folgenden Jahres verpflichtet und ihm für dieses Jahr 5 fl. an Gelde, 12 Schfl. Korn, 6 Schock Holz, das nötige Öl zum Geleuchte und Freiheit von allen Bürgerbeschwerden zugesagt. Drei Landf1eischer, Runge aus Löbnitz, Schmidt aus Linden­hain und Schleicher aus Zschortau, meldeten sich für dieses Jahr zum Bankschlachten in die Stadt. Um das vernachläßigte Weingewächs des Zwingers zu bessern, übergab man es einem geschickten Manne für den halben Nutzen und Gewährung von Dünger, Pfählen, Stangen auf drei Jahre. Für die Stadt Schkeuditz, wo im vorigen Jahre am 3. September, abends nach 8 Uhr, bei heftigem Winde in 1 1/2 Stunde 132 Häuser, 54 Scheunen und sämtliche geistliche Gebäude niederbrannten, brachte man auf Verordnung der Regierung ansehnliche Unterstüt­zungen auf. Die Räumung des Lobers von der Naundorfer Mühle bis Schenken­berg, 204 Ruten, verursachte einen Aufwand von 29 fl. 3 Gr. und nahm man Beiträge der Auswärtigen in Anspruch. Wegen steigenden Preises des Weizens wollte man den Wert des Weißbieres erhöhen, man unterließ es aber, weil die Auswär­tigen den alten Preis hielten und noch wohlfeile Malze da waren. Dagegen erhob man im Oktober den Preis des Bieres von 5 bis 6 Pfennige die Kanne, von 5 bis 5 1/4 Taler das Faß. Dem Pfarrer Weyse in Werbelin nahm man fremdes Bier weg und zahlte 1 fl. 15 gr. Gebühren an das Landgericht. Ein Gleiches geschah in Freiroda. Die jährliche Besoldung des Pfennig-Steuer-Einnehmers Samuel Elias Fischer betrug 15 fl.-, der jährliche Ertrag des vom Rate wieder eingelösten Dübischen Werders war 35 fl. Die Schäferei gab 566 ?4 fl., die Fischerei 99 1/2 fl. Ge­winn. Ein Scheffel Weizen galt 12-18, ein Scheffel Roggen 8-14, ein Scheffel Gerste 10, ein Scheffel Hafer 7 Gr.


1687
Am 1. Februar abends gegen 10 Uhr fielen sechs Räuber in die Schenke zu Lemsel, erbrachen des Wirtes Peter Grietner Schlaf­kammer, verlangten sein Geld, schlugen ihn, sein Weib, Knecht und Magd jämmerlich, öffneten Kisten und Kasten, töteten endlich den Wirt durch einen Schuß und gingen davon. Der auf dem Heuboden liegende Hausknecht allein blieb unbemerkt und. dieser verriet sie. Er beschrieb dem Dorfrichter ihre Gestalt, ihre Kleidung, zeigte den Weg, den sie genommen hatten und dieser brachte sogleich die Nach­richt in das Amt. Acht berittene. und bewehrte Bürger, die ihnen folgten, von denen sich zwei Fleischer, Elias und Tobias Baer, durch Mut auszeichneten, ergriffen sie bei Bitterfeld und Jeßnitz und über­gaben sie in sichere Haft. Der Anführer, Hans Gebhard, war ein Zeugdrucker aus Sayda, der auch bei einem nächtlichen Einfalle in das Vorwerk Pfaffendorf bei Leipzig (19. 5. 1665) nach dem Hof­meister und Knechten geschossen, die Mägde aber bis zur Betäubung geschlagen zu haben, eingestand. Die Untersuchung (durch das Amt) endete schnell und schon am 18. März wurden fünf derselben teils mit dem Rade, teils mit dem Schwerte hingerichtet, der sechste aber, Johann Bischoff, ein Fleischer von Bernburg, fiel in Wahnsinn, wes-. halb man der Vollziehung des Todesurteils bis zu seiner Herstellung Anstand gab. Der Rat sorgte, weil es dem Amte an Gefängnissen mangelte, für Unterbringung und sichere Haft der Gefangenen fast allein, und doch versuchte es der übermütige Amtmann, als man ihm ein un­entbehrliches Behältnis des Rathauses nicht einräumen konnte, son­dern ein anderes anwies, einen der beschwerlichsten Gefangenen mit Gewalt in die Schenkstube zu legen und sich über Teilnahmslosigkeit des Rates bei so gefährlichen Umständen auf das Leidenschaftlichste zu beschweren. Dieses Mal aber fand er nicht den nachgebenden, friedliebenden Rat, sondern in dem Berichte des Syndikus einen Gegendruck, der ihn für immer zur Ruhe verwies. Die Stadt hatte fortwährend eine (sehr beschwerliche) Kompagnie Soldaten im Quartier und ward die des Oberst-Leutnants v. Walden, vom Regimente des General-Feldmarschalls v. Flemming, von der des Hauptmann Pforte (Kapferschen Regiments) abgelöset. Auch lebte der Oberstleutnant v. Goldstein und Wolf Rudolph v. Schoen­berg in der Stadt. An Getreide und Obst war Überfluß und in dieser Beziehung eine wohlfeile Zeit. Der streitige Wechsel der Töpferstätten an Markttagen durchs Los ward vom Rate festgesetzt. Im Oktober nahm der Landtag in Dresden seinen Anfang, auf wel­chem außer den gewöhnlichen Abgaben die Summe von 700 000 Ta­lern und der Betrag von zwei Quatembern für den Unterhalt des Heeres auf zwei Jahre bewilliget ward. Zugleich kam eine Revision der Steuer-Kataster in Vorschlag und erging zu örtlicher Vorberei­tung derselben der nötige Befehl. Von hier nahmen an diesem Landtage die erkornen Ratsherren Gott­fried'Bornmann und Samuel Elias Fischer teil.


1688
Auf dem Landtage war die Ritterschaft des weiten Ausschusses sehr bemüht, die 1676 zwischen Ritterschaft und Städten aufgerichtete Braukonvention rückgängig zu machen. Sie übergab dem Erbmarschalle und engem Ausschusse der Ritterschaft Beschwerden, und die Städte, ob sie schon für Erhaltung derselben schriftlich alles aufboten, befürchteten doch ihre Auflösung, welche durch die Resolu­tion vom 5. Februar 1688 erfolgte. Die Ritterschaft verlangte auch das Recht, ein oder zwei steuerfreie Biere in den Städten außer dem Lose zu ihrem Tischtrunke brauen zu dürfen und Delitzsch, welches irr dieser Beziehung mit dem Besitzer des Rittergutes Zschepen im Streite lag und sich auf sein Privilegium und die vom Herzog bestätigte Brauordnung stützte, fand im Laufe des Prozesses ungemeinen Widerstand. Der Rat eiferte in einem Patente vom 16. März gegen die eingerissene Kleiderhoffart im Bürgerstande, namentlich gegen das Tragen seidener Kleider und vierzehn Frauen und Mädchen wurde auf dem Rathause das Tragen solcher Kleider mit der Drohung, daß der Fron sie auf der Gasse zum Ablegen nötigen werde, untersagt. Christoph Loeschke aus Hoyerswerda ward als Flurschütze angenommen, hatte zugleich die Beaufsichtigung der Ratsknechte und erhielt jährlich 12 fl. Geld„ 12 Scheffel Roggen, 4 Schock Reisig­holz und 5 Gr. für das Pfand, auch gab man ihm zwei Personen Frone frei. Am 9. Juni starb bei dem Amtschirurg ein Knecht aus Zwochau, Hans Knobloch, welchen ein Reiter beim Pfingstbiere in Zwochau tödlich durch einen Schuß verwundet hatte. Der Sommer brachte heftige" Gewitter, der Winter aber trat zeitig, im Gebirge gleich nach Michaelis ein, stieg im Dezember bei tiefem Schnee zu einer bedeutenden für den Verkehr sehr beschwerlichen Höhe und gab nur erst im Maimonate künftigen Jahres dem Frühling Raum. Wegen der französischen Einfälle in das Reich ward im Dezember vorigen Jahres das Defensionswerk von 1681 wieder aufge­nommen, nach dessen Verteilungs-Art, vom Tausend 12 Mann, De­litzsch jetzt mit 72 Mann in Rechnung kam. Dem Schuhmacher Johann Angelrath, welcher unter dem Sonntags­frühgottesdienste Schweine schlachtete, löschte der Fron das Feuer aus, die Strafe von 12 gr. ward ihm auf sein Bitten erlassen. Der Scheffel Weizen galt 15-12, der Scheffel Roggen galt 10-8 Gr.


1689
Mit den Schullehrern, die freie Wohnungen (oder abgabenfreie Pri­vatwohnungen) verlangten, hatte man Prozeß und übergab am 22. Januar die Läuterung. Der Hirte von Quering, welcher auf den der Gerichtsbarkeit des Rates unterworfenen Weißiger Hufen hütete, ward gepfändet und vom Rate bestraft. Am 28. September nachts zwischen 11 und 12 Uhr brannte das Kü­chengerät des Hausgenossen Keppel im Hause des Samuel Freund, das Feuer wurde aber gedämpft und Keppel mit drei Tagen Ge­fängnis in der Lauke bestraft. Schon im November trat heftige Kälte ein mit häufigem' Schnee und am 21. Dezember beschädigte ein ungewöhnlicher Sturm viele Gebäude. Der Scheffel Weizen galt 9-10, der Scheffel Roggen galt 7-8 Gr. Als an dem im Jahre 1666 aufgefundenen und daselbst beschriebe­nen Kirchenschmucke der Abgang und Verlust. der Perlen fast zur Hälfte gestiegen war, entschloß man sich endlich zur Veräußerung. Man fand noch 5 Lot 1/2 Quentchen größere und 16 Lot 1 Quentchen kleinere, nach der Schätzung des Juweliers Joh. Andr. Rosenthal in Leipzig, das Lot der größeren 8 Taler, der kleineren 4 bis 5 Taler am Werte und gaben nach der Quittung des Kirchenvorstehers und der Kirchrechnung dieses Jahres zwei jüdische Käufer 111 Taler dafür.


1690
Das hiesige Sch1oß (Haus), welches im 14. Jahrhunderte, bei längerem Aufenthalte der Fürsten, namentlich der Witwe des Mark­grafen Heinrich, Agnes und des Markgrafen Wilhelm des Einäugigen, nach Maßgabe der Zeit gut befestiget und mit allen fürstlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden versehen war, hatte in der zweiten Hälfte des 15., als die Fürsten anfingen zu residieren, ihre Besuche in den kleineren Städten seltner wurden, an Gebäuden noch einen Turm mit Zinnen, das Obergeschoß mit Ritterkammer, die Kan­zellei mit Keller, das Kornhaus, ein Mushaus (Vorratshaus), den Marstall, das Viehhaus mit Milchkammer, die Wohnung des Lands­knechts mit Gefängnissen, die Kapelle mit einer Glocke. Die Fürstenwohnung befand sich in dem Oberschlosse und ihre Fen­ster waren mit venedigischem Glase versehen. Die ältere (die alte Hofstube oder das alte Haus) war zu der Zeit schon verfallen und man verwendete 1466 einen Teil der Steine zu dem Neubaue der Kanzellei. Diese Gebäude waren mit einer hohen starken Mauer umgeben und hatten die Herren von Spiegel innerhalb derselben ein Burglehn, ein festes Haus (caminata) mit Garten, der Spitzberg genannt, welches aber schon zu der Zeit bis zu einer ärmlichen Hütte zurückgekommen war. Außerhalb der Mauer gehörte dazu die Schä­ferei und eine sehr beschränkte Ziegelscheune, der Dübische Werder, die Schloßhufen, die Wiese am Schloßgraben und die größere bei Grabschütz. Oberaufseher des Schlosses war der Amt - oder Hauptmann, weil aber dieser in der Regel einen größeren Di­strikt als den des Amtes rechtlich und militärisch zu überwachen hatte, häufig in Fehden lag und nur ausnahmsweise heimisch war, so vertrat der G1eitsmann (Rentbeamtete) seine Stelle, dem die Erhaltung der Gebäude und die Wirtschaftsführung besonders oblag. Er hatte aber nicht nur für den Unterhalt des Fürsten und dessen Gefolge, für die Fremden, der Fehden wegen häufig ankommenden, übernachtenden, auch längere Zeit bleibenden Ritter, sondern auch des Schloßpersonals selbst zu sorgen und täglich aus der .Schloßküche, welcher ein Koch und eine Köchin vorstand, zu beköstigen - sich selbst, den Kornschreiber, den Küchenschreiber, den Kapellan, den Kantor der Schule, wegen des Gesanges beim Gottesdienste in der Kapelle (oder wie es in den Urkunden heißt: Unsern Herrn Gott selbander), den Kellner, den Koch, den Schirrmeister, den Ober­enken, die Köchin, zwei Mägde, den Kuhhirten, den Landknecht für 1 1/2 Person und den Hausmann für 2 Personen, in Summe 15 1/2 Per­son. Diese Einrichtung lösete sich aber im 16. Jahrhunderte, wo der kriegerische Aufwand, namentlich unter dem Kurfürsten Moritz, Summen heischte, die nur der Verkauf entbehrlich scheinender Staatsgüter schnell gewähren konnte, gänzlich auf.. Die Ländereien des Amtes wurden vererbt, die Ökonomie mit ihren Gebäuden hatte ein Ende und selbst zu Aufrechterhaltung der unentbehrlichsten Ge­bäude fehlte oft das Geld. Von den Ruinen bauten sich die Beamten Häuser in der Stadt. Schlimmer noch sah es im 17. Jahrhunderte aus, wo im Laufe des Dreißigjährigen Krieges der obere Teil des Turmes mit einem großen Stücke Mauer 1644 auf Torstensons Befehl zer­stört, das Übrige sonst hinfällig ward und bis zum letzten Jahrzehnt auf der ganzen Räumlichkeit nichts als der mit einem Schindeldache bedeckte Turm, die Landvogtei und ein altes Gebäude zur Aufbe­wahrung des Zinsgetreides sichtbar war.' Für das Amtsgericht hatte man in der Stadt am Markt ein gemietetes Haus. Diese traurige Ver­wüstung und der Umstand, daß für den Aufenthalt des Erbprinzen mit seiner Familie und des Herzogs bei seiner Anwesenheit kein Bürgerhaus recht geeignet, das Gerichtsamt in einem Privathause der Stadt nicht recht heimisch war, bewog den Herzog zur Wiederherstellung des Kanzelleigebäudes für das Gericht und des Fürsten­hauses neben dem Turme des Schlosses, welches seit einiger Zeit im Baue, in diesem Jahre, wie es noch stehet, vollendet und über dem Portale mit dieser Inschrift:

„Wer mich sonst hieß ein Schloß, der irrte trefflich sehr,
Denn mein ganz Ansehn war ein Turm und alte Steine.
Wer aber, da ich jetzt aus andern Augen scheine,
Mich also nennen wird, der irret nun nicht mehr;
Warum? Es sahe mich ein gnädiger Bauherr an,
Und zwar mein Landes Fürst, der theure Christian. 1690."

versehen ward. Das neuerbaute Kanzelleigebäude erhielt den Namen Amtshaus und kam noch im Laufe dieses Jahres in Gebrauch. Am 4. Mai hielt der Sohn des Superintendenten Dr. Bilefeld, Mr. Johann Christoph Bilefeld, als Amtsgehilfe des Vaters, seine Anzugs­predigt, ein in jeder Beziehung tüchtiger Theolog und ausgezeichneter Prediger, der aber, nachdem er im Oktober dieses Jahres die theologische Doktorwürde erlangt hatte, schon im Jahre 1692 als Oberhofprediger und Konsistorial- Assessor nach Darmstadt abge­rufen ward. Mit der Stelle des Hospita1voigts ward eine zweckmäßigere Einrichtung, getroffen und Christoph Richter von Großtrebnitz bei Bischofswerda, 61 Jahre alt, hiesiger Einwohner, am 5. Mai dazu verpflichtet. Am 24. Mai, sonnabends 13 Uhr, wurden zwei französische Soldaten, Sebastian Martin und •Franc. Echol, die bei Schmiedeberg einen Mann ermordet hatten, an der Paupitzscher Straße mit dem Rade hingerichtet. Den dritten Teilnehmer begnadigte man. Durch die Bemühungen des Mr. Bilefeld, welcher der französischen `Sprache ._mächtig war, bekannten sie sich öffentlich zu den Lehrsätzen des Protestantismus und starben darauf. Am 29. Mai starb der seit einigen Jahren wegen Kassenmängeln in Untersuchung befangene, im Bürgermeister-Amte vertretene Johann Christoph Fiedler, nachdem die Untersuchung, wie es scheint, glück­lich für ihn beendet war, und sein bisheriger Adjunkt, Hiersebrod, versah das Amt nun unbeschränkt. Für Heilbronn, welches die Franzosen friedbrüchig überfielen, zwölf Wochen lang besetzten, die Bürgerschaft durch unmenschliche Be­handlung aufs Äußerste brachten, beim Aufbruche eine Kirche in Brand steckten und wegen geforderter Brandschatzung von 50 000 Talern fünf Ratspersonen mit sich nahmen, in elende Gefängnisse setzten und bis auf den Tod ängstigten - und für Worms, welches sie am 27. September 1688 besetzt, die Bürger mißhandelt und er­schöpft, Mauern, Wälle, Türme und Pforten demoliert, beim Ab­gange am 18. Mai 1689 in Brand gesteckt, gänzlich niedergebrannt und die unglücklichen Einwohner bis zur Auswanderung gebracht hatten, wurden auf herzogliche Anordnung ansehnliche Kollekten ausgebracht. George Teichert, ein Bürger und Gemüsehändler von Zörbig, erhielt auf sein Gesuch an Wochenmärkten einen festen Stand an der Plumpe des Marktes, machte sich aber verbindlich, bei Einbringung der ersten Krauthäupter drei derselben an den regierenden Bürger­meister abzuliefern. Der hier liegende Kapitän-Leutnant schickte einen verkleideten Sol­daten abends in ein Bierhaus und ließ, da er durch diesen erfahren, daß sich Handwerksburschen daselbst befänden, diese wegnehmen. Der Rat nahm sich nun zwar ihrer an und erklärte dieses Unterneh­men als einen Eingriff in seine Rechte, erhielt aber die Antwort: Er (der Kapitän-Leutnant) gebe sie nicht los, es wären Handwerksbursche. Er hätte von kurfürstlicher Durchlaucht Befehl, das Regi­ment komplett zu machen, so müßte man die Vögel fangen. Sie soll­ten Kerle schaffen oder Soldaten werden. Wenns Bürger wären, wollte er sie losgeben; er wollte dem Rate hierinnen keinen Eintrag tun. Maria, des Drechslers Diemichen Ehefrau, verehrte der Kirche eine Hostienschachtel von 10 lötigem Silber, 1 Mark 5 1/4 Lot an Gewicht. Ein Scheffel Weizen galt 11-12, ein Scheffel Roggen 10-11 Groschen.


1691
Die Gemahlin des geheimen Rates George Heinrich von Luckowen, Anna Dorothea, geb. von Krosigk, kaufte am 12. Februar das Haus der Witwe des Superintendenten Clauder, Anna Barbara, Num.. 228 der Hintergasse und Luckowen, der sich 1677 vom Hofe zurückge­zogen, dann auf seinem Gute gelebt, aber auch dieses verkauft hatte, wohnte hier bis an seinen Tod. Auf herzogliche Verordnung vom 13. Februar brachte man für die. Stadt Schalkau im Hildburghausischen, welche am 18. August vorigen Jahres; nachmittags 1 Uhr, bis auf wenige geringe Hütten nieder­brannte, die nur vor kurzem neugebaute Kirche, Pfarre und Schul­gebäude, das Raulaus und ganze Ernte verlor, eine dem Unglück angemessene Kollekte aus. So sammelte man auch für das Dorf Klein-Wiederitzsch bei Leipzig, wo am 16. April durch Unvorsichtigkeit einer Magd Feuer entstand und fast alles ein Raub der Flammen ward. Zeitige Donnerwetter, denen Kälte folgte, schadeten dem Getreide, der Roggen litt hier. und da durch Frost in der Blüte und der Hafer mißriet. Die Turmspitzen der Stadtkirche erforderten einen Umbau, welcher am 19. August begann und am 2. September mit Aufsetzung der Knöpfe vollendet ward. Am 12. September starb der Kurfürst Georg III., welcher am 27. August im Feldlager bei Termenitz an der Enns erkrankt war, an einem nervösen Fieber in Tübingen; er ward am 20. September hier abgekündigt, die Gedächtnispredigt aber erst am 11. Dezember gehalten. Ihm folgte bald, am 18. Oktober, vormittags 11 Uhr der Landesherr, Herzog Christian in Merseburg, ein friedliebender, um des Lan­des Wohl eifrig besorgter Fürst. Er war geboren am 27. Oktober 1615, postulierter Administrator des Stiftes Merseburg seit 1650, vermählt mit der Tochter des Herzogs zu Holstein-Glücksburg, Christiana, und Vater von sechs Söhnen, deren drei, Christian II., August und Heinrich ihn überlebten.' Philipp, sein Liebling, blieb am 21. Juni vorigen Jahres in der Schlacht bei Fleury und zwei waren in früher Jugend gestorben. Noch am Todestage des Herzogs, abends 6 Uhr, traf der Hofrat Georg Abraham von Brandenstein, zu Zöschen, in hiesigem Schlosse ein mit Befehl des Herzogs Christian II., die Beamteten, amtssäßige Ritter­schaft, Rat, Bürgerschaft und Amtsuntertanen als Kommissarius in Pflicht zu nehmen. Er ließ sogleich den regierenden Bürgermeister und Stadtschreiber, Syndikus Spitzner, auf das Rathaus fordern, machte sie durch Vorlegung herzoglichen Befehls mit seinem Auf­trage bekannt und um 7 Uhr gelobten die Herren sämtlicher drei Räte Treue mit Handschlage an Eides statt. Die Erbhu1digung geschah Tages darauf. Schon um 7 Uhr früh war die Bürgerschaft auf dem Markte, der Rat auf dem Rathause, wo man den Tisch der Ratsstube schwarz bedeckte und an einem Saalfenster gegen den Markt einen erhöhten Stuhl, ebenfalls mit schwarzem Tuche behan­gen, eingerichtet hatte. Um 9 Uhr überreichte der Syndikus Spitzner die Torschlüssel und um 10 Uhr kam der Hofrat von Brandenstein in einem herzoglichen Wagen, den vier Ratsherren in langen Trauer­mänteln begleiteten, vor dem Rathause an. Nach einer kurzen aber gehaltvollen Anrede des Abgeordneten, die der Syndikus Spitzner beantwortete, huldigte der Rat in der Stube, sodann die vom Saale herab angesprochene, auf dem Markte versammelte Bürgerschaft. Vorhaltung und Eidesformel las der dem Kommissarius zur Seite stehende Lehnssekretär Nahrendorf. Auf dem Saale des Amtshau­ses, wohin die vier Ratsherren den Kommissarius begleiteten, huldig­ten nun die amtssäßigen Ritter und die Beamteten, der Rat zu Lands­berg aber, die Landgerichte und hiesigen Amtsuntertanen vor dem Amtshause nach Anrede und Aufforderung des Kommissarius vom Saalfenster herab. Ritterschaft und Beamte genossen dann ein für sie im Schlosse bereitetes Mahl. Die Geistlichen legten erst am 23., vormittags 11 Uhr, nach vielen Einwendungen und Remonstrationen, und die Schullehrer nach ihnen, den Handschlag ab. Am 25. früh, bei dem Anfange des Gottesdienste kam unangemeldet kursächsisches Militär zu Fuß kriegsfertig vor das geschlossene breite Tor, begehrte Einlaß. und drohte der Wache, die sich zu öffnen wei­gerte, mit Zerstörung des Tores durch Äxte oder Geschütz. Auf Mel­dung begab sich sogleich der Amtsschösser und Bürgermeister an den Schlag und hörte nun von dem Anführer, dem General-Wacht­meister und Kommandanten Dresdens, Hans Rudolph von M i n k - w itz, der seine Order vorzeigte, daß er die Stadt zu besetzen be­fehligt sei. Man protestierte nun zwar gegen Gewalt, öffnete aber, als man Ernst, Äxte und Geschütze vor Augen sah, das Tor. 380 Mann zogen ein, besetzten gemeinschaftlich mit der Bürgerwache die Tore, lagerten auf dem Markte und verlangten vorläufig nichts als ein Stück Brot und eine Kanne Bier. Der Oberst-Wachtmeister nahm sein Einlager im Gasthof der drei Schwäne, der Oberst-Leutnant -Burgk aber ging mit einem Abteile von 50 Mann nach Bitterfeld. Die Gemeinen erhielten erst später Verpflegung und Quartier. Der Befehl des Herzoges, welcher abends 5 Uhr einging, vermehrte des Rates Verlegenheit, denn er lautete so:
„Von Gottes Gnaden Christian, der Ander, Herzog zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen etc. Liebe Getreue, Es will verlauten, es solle ein Theil der Churf. Miliz beordret seyn, in Unsere Stadt Delitzsch zu marschiren, und daselbst Posseß zu nehmen, Nun wollen Wir uns zwar dergleichen gewalt­samen Verfahrens nicht vorsehen, könnten auch nicht begreiffen, wie solches mit dem geringsten Schein des Rechten geschehen und justificiret werden möchte, Dieweil Uns aber nicht zu verdenken, daß Wir disfalls auf der Huth stehen, und Unsere gerechtsame be­obachten, So wollen Wir Euch euere Uns vormals geleisteten even­tual und itzo aufs neue wirklich abgelegten Pflicht und Eydes er­innert haben, daß Ihr in solcher treue gegen Uns standhafft verharret, und Euch von niemanden' irre machen laßet, gestalt Ihr denn auch, da einige Völker sich melden sollten, solche nicht einzulaßen, die Thore mit gnugsamer Mannschafft zu besetzen, und zuzuhalten es auch allenfalls uf gewalt ankommen zu laßen, jedoch daß von Euch und der Bürger keine Gegengewalt gebraucht werde, wovon Ihr in allen umbständlichen ausführlichen bericht zu erstatten, Daran geschieht Unser Will und meinung, Datum Merßburgk am 25. Okto­ber 1691. Christian HzS."
Der Rat berichtete hierauf am 26., der Kommandant aber, welcher früh mit 6 Vorspannpferden nach Leipzig fuhr, und von da gegen zehn Uhr mit zwei kurfürstlichen Kommissarien zurückkam, befahl sogleich eine Versammlung der drei Räte, erschien mit den Kommissarien in der Ratsstube und verlangte, den im Vergleiche der fürstlichen Brüder vom Jahre 1657 dem kurfürstlichen Hause zu­gestandenen Reservaten gemäß des Kurfürsten Huldigung. Der Rat entgegnete zwar, daß er von diesen Reservaten nichts wisse, und bat um Zeit zu Berichtserstattung an den Herzog, man bestand aber auf unverzüglicher Erklärung und versprach um 1 Uhr den versam­melten Räten die Vorlegung der Reservaten und über alles genügend Vortrag. Die Kommissarien erschienen um 1 Uhr mit 2 Notarien in der Ratsstube, trugen vor, daß sich der Kurfürst, weil nach Ableben des Herzoges Christian dessen ältester Prinz wider die Reservate von 1657 zugefahren und in aller Eil sich von dem Rate und der Bürgerschaft einseitig huldigen lassen, genötigt sehe, die Huldigung auf die Reservate, mit Vorbehalt der Ahndung und verwirkten Strafe, besonders zu verlangen, in welcher Absicht sie hier wären und nicht nur ihre Vollmacht, sondern auch, weil der Rat sich mit Unwissen­heit entschuldige, die Reservate vorlegen und mit der Eidesnotul ablesen wollten. Die Ablesung geschah, man trat mehrere Male ab zu geheimer Beratung, verweigerte aber die Huldigung, selbst bei der Drohung augenblicklicher Gefangenschaft und Abführung nach der Feste Pleißenburg und verstand sich nur erst dann dazu, als die Bedingung, daß diese Huldigung der Huldigung des Herzogs und dessen Rechten nicht nachteilig sei, Rat und Bürgerschaft nach wie vor Untertanen des Herzogs blieben, eine Bedingung, welche die Kommissarien nach ihrer Instruktion eingehen konnten, festgestellt war. Der Gedanke, daß die Bürgerschaft bei längerer Weigerung der Last der Einquartierung unterliegen müsse, trug vielleicht auch etwas zu dieser Entscheidung bei. Während der Verhandlung war die Rathaustreppe mit Militär besetzt, so, daß kein Zu- und Abgang möglich war. Die Bürgerschaft huldigte um 4 Uhr auf dem Markte und der Rat erstattete Tages darauf ausführlichen Bericht. Am 3. November gab man dem Kommandanten von Minkwitz auf sein Gesuch ein Attest über seine Führung und am 4. verließ er mit dem Militär die Stadt. Der Aufwand, welcher ihr Aufenthalt der Stadt verursacht hatte, betrug nach dem niedrigsten Ansatze, denn vieles war nicht zu berechnen, 363 Taler 13 Gr. 6 Pf. und ward auf Verlangen dem Herzoge angezeigt. Auch dieser: Vorfall war eine Folge der unglücklichen Landesteilung; die freilich dem Kurhause von Jahr zu Jahr fühlbarer ward. Die Sache glich sich zwar diesmal friedlich aus, gedieh aber bei der näch­sten ähnlichen Veranlassung an das Reichs-Kammergericht und ward nur dann beigelegt, als man die Merseburgisehe Linie mählich ver­löschen und den nahen Anfall des Landes an das Kurhaus vor Augen sah. Zwei Stücke schwarze Delitzscher Tuche, von 58 Ellen, wurden aus der Grünthal-Findeisenschen Stiftung für 18 fl. 18 Gr. gekauft und unter 15 Kurrentknaben verteilt. Am 14. Oktober galt der Scheffel Weizen 16-17. der Roggen 14-15 Groschen.


1692
Im Januar und Februar war strenge Kälte mit tiefem Schnee und Unglücksfällen, am 21. März aber, nachts gegen 1 Uhr, nach einem auffallend warmen Tage ein starkes Donnerwetter mit Erderschütterung, welches von neuem Kälte und Schnee nach sich zog, der lange liegen blieb. Kälte und Nässe blieb auch im Frühling und Sommer vorherrschend, daher an der Ernte und Herbsteinsaat viel verloren ging. Milder zeigten sich die beiden letzten Herbstmonate, aber so feucht, daß man die Wege kaum befahren konnte und der Verkehr höchst schwierig war. Regine, die Tochter des Christoph Staeter in Schwätz bei Landsberg, welche auf dem adeligen Hofe in Gollm Feuer angelegt hatte, ward am 19. Januar mit dem Schwerte hingerichtet und der Leichnam .auf die Leipziger Anatomie gebracht. Am 27. Januar starb der Organist Christoph Gressel. Die Organisten­stelle erhielt der Hauslehrer des Herrn von Krosigk auf Queis, Jo­hann Daniel Bertram. Man verband mit der seit langer Zeit für sich bestehenden Stelle, wie in früherer Zeit, einige Stunden Schulunterricht und legte dem bisherigen Gehalte jährlich 16 Gülden zu. Am 11. Februar war des verstorbenen Herzoges Leichenbegängnis. Die Verordnung kam an den Superintendenten und dieser teilte sie dem Rate mit. Da nach dieser Verordnung der feierliche Zug zur Kirche nicht wie früher vom Rathause, sondern vom Schlosse ausgehen sollte, der Rat aber fürchtete, daß der Schösser, wie jüngst bei ähnlichen Aufzügen wiederholt geschehen, durch Rangerniedrigung des Rates und der Bürgerschaft auffallende Störungen ver­anlassen möchte, so hielt er es für Schuldigkeit, seine Bedenken der Regierung. vorzulegen, die zwar, weil man das Schloß als schon be­stätigten Witwensitz der Herzogin auszeichnen wollte, bei der Verordnung blieb, dem Schösser aber jede Neuerung, die zu Beschwerden führen könnte, streng verbot. An dem L a n d t a g e in Dresden vom 14. Februar bis 3. April nah­men wechselnd zwei Ratsherren teil und bewilligte man außer den gewöhnlichen Abgaben noch eine bedeutende Summe für das Militär. Bald nach dessen Schlosse, am 17. April, vermählte sich der Kurfürst J. Georg IV. mit Eleonore Erdmuthe Louise, verwitwete Markgräfin von Anspach, zu Leipzig, in, des Kurfürsten von Brandenburg, dessen Gemahlin und anderer befreundeten Fürsten Gegenwart. Am 7. Mai erhielt der Hofrat von Brandenstein in einem herzoglichen Reskripte dieses Tages Auftrag, den Rat zu handschläglicher Verpflichtung gegen die Herzogin Mutter, Christiana, sobald sie das Schloß als ihren Witwensitz bezlehen würde, aufzufordern. Der Einzug der Herzogin geschah am 31. Mai. Der Sohn, Herzog Christian II., begleitete sie von Merseburg bis Schkeuditz, vor Zwochau aber, nach einer glückwünschenden Anrede des von Krosigk auf Queis, die der Herzogin Hofmeister, Otto Erdmann von Dieskau, dankend beantwortete, die amtssässige Ritterschaft mit Gleitsbereitern und Ausreitern bis an das breite Tor der Stadt. Hier begrüßte sie der Rat, führte sie durch die Reihen der bewehrt auf­gestellten Bürgerschaft, vorüber der auf dem Markte paradierenden Kompagnie kurfürstlichen Fußvolks auf das von den Amtsunter­tanen umgebene Schloß, wo er der Herzogin auf ihrem Zimmer, nach Ableistung des Handschlags, als Geschenk ein silbernes Kästchen übergab. Ritter, Geistliche, Beamtete und der die Garnison kommandierende von Trützschler wurden dann zur Tafel gezogen, die vor dem Schlosse aufgestellte Bürgerschaft aber mit. einer Dankrede des von Dieskau entlassen. Mit der Herzogin und ihrem Hofstaate, mit den häufigen. Besuchen fürstlicher Verwandten, kam ein regeres Leben, ein erhöhter Ge­werbebetrieb in die Stadt. Höhere. und niedere Bedienung derselben bezog Mietwohnungen in den Häusern der, Bürger, Handwerker, die für das Bedürfnis arbeiteten, waren beschäftigter mit besserem. Lohne und bisher unbekannte Künstler, durch den Aufwand der Fürstin auf Verschönerung des Schlosses, der Stadtkirche und sonst angezogen, suchten das Bürgerrecht. Der jüngere Dr. Bilefeld, bisher Amtsgehilfe des Vaters, ging, nach­dem er am Sonntag Lätare über Hebe. III, 12=14 die Abschiedspre­digt gehalten und sich am 24. Juni in Merseburg mit der nachgelas­senen Tochter des vormaligen Hofpredigers in Lichtenburg Schlaf, Anna Sabina, ehelich verbunden hatte, als berufener Oberhofpredi­ger, Konsistorial-Assessor, Superintendent und fürstlicher Beicht­vater nach Darmstadt. Seine Stelle erhielt durch Vermittlung der Herzdgin Witwe der Superintendent in Pegau, Dr. Johann Conrad Sittig, ein Sohn des im fürstlichen Hause in Merseburg sehr geliebten Hofpredigers Dr. Valentin Sittig, mit Zusicherung der Amtsfolge und besonderer herzoglicher Unterstützung. Er. traf am 1. Junt als Hofprediger, Vizesuperintendent und Beichtvater der Herzogin hier ein und predigte am 3. zum ersten Male auf dem Schlosse in ihrer Gegenwart. Am 28. Juni kam der Herzog Christian II. mit Gemahlin, zwei Prin­zen und der Witwe des Herzogs Philipp von Dobrilugk und blieb bis zum 30. früh auf hiesigem Schlosse. Er war seit dem Antritt der Regierung noch nicht hier gewesen, darum ward er festlich empfan­gen und vom Rate mit drei silbernen Leuchtern, die Herzogin mit drei silbernen, getriebenen Schalen beschenkt. Auf das Schreiben der Herzogin Witwe an den Kurfürsten wegen Verlegung hiesiger Garnison, vom 5. Juni, rückte der Hauptmann von Trützschler mit seiner Kompagnie nach Großenhain und der Oberst-Leutnant Rodewitz mit dem Stabe des Birkholzischen In­fanterie-Regiments hier ein. In hiesiger Stadtkirche ward für die Fürstin das Betstübchen und für die. Bedienung neben diesem ein Teil der Emporkirche eingerichtet. Auch fing man an, den fast wasserlosen, schmutzigen und oft übel­riechenden Teil des Sch1oßgrabens innerhalb der Stadt aus­zufüllen, trug die alte Landsknechtei auf dem Schloßplatze ab und brachte sie auf den, durch Ausfüllung des Grabens außerhalb der Mauer gewonnenen Raum. Am 4. August, vormittags 10 Uhr, wurden wegen Desertion zwei Soldaten, Georg Schal, ein Zimmermann von Wirliss bei Heilbronn und Nikolaus Zibelt, ein Tischler von Ilmenau und am 10. Dezember wegen ähnlichen Vergehens, Chph. Rille aus Ehrenfriedersdorf und Chn. Pessler aus Crottendorf bei Annaberg mit dem Strange hingerichtet. Am 22. September trafen mehrere fürstliche Personen mit Beglei­tung zur Feier des Geburtstages der Herzogin hier ein. Der J a h r - k u c h en, den man aufsetzte, stellte das Delitzscher Schloß in Zy­pressen vor, und Bilder von Strumpfstrickern zeigten sich auf Marzipan. Seit einigen Jahren beschäftigten sich eigennützige Kaufleute und andere mit Einbringung und Verbreitung geringhaltiger Münzen des Auslandes und wucherlichem Verkehr. mit den inländischen echten zu des Volkes höchstem Nachteil, welches mit echten nur mit Zulage habbaren Sorten steuern mußte. Es erging daher am 15. Juni ein Münz-Edikt, welches dergleichen Kipper mit harten Strafen bedrohte und die Obrigkeiten aller Art zu strenger Aufsicht und Untersuchung aufforderte. Die wertlosen und geringhaltigen Münzen wurden zugleich mit Holz­schnitten, die freilich den früheren des 16. Jahrhunderts weit nach­standen, bezeichnet und in diesem und nachträglichem Edikte vom 9. Dezember dieses Jahres verrufen oder herabgesetzt. Ein Stück Roßweinisches Tuch von 22 Ellen und die während der Trauerzeit gebrauchten schwarzen Altar-, Kanzel- und Taufsteinbehänge wur­den unter 19 Kurrentknaben verteilt. Die Taufhandlungen, sonntags, setzte man wegen des ernstlich be­triebenen Katechismus-Examens um 4 Uhr an. Der Scheffel Weizen galt im Oktober 22-24, der Scheffel Roggen 21-23 Gr.


1693
Vom 11. bis 14. Januar war der Herzog (Christian II.) mit Gemahlin, ältestem Sohn und Gefolge hier, zugleich die Witwe Herzogs Philipp, 41 Personen, 7 Diener, 39 Pferde. Der Oberst Mörbitz wurde mit 4 Kompagnien kurfürstlichen Fuß­. olkes nach Merseburg in Garnison geschickt und ließ. weil man ihn nicht gleich annehmen wollte, das Tor aufhauen, die Tore be­setzen ohne Rücksicht auf die Anwesenheit des Herzogs und der städtischen Wache des Tores, eine Handlung, die von neuem Zwist zwischen die verwandten fürstlichen Häuser warf. Der Herzog zu Württemberg und Teck, auch zu Oels und Bernstädt in Schlesien, Christian Ulrich, traf mit seiner Gemahlin, Sibylla Marie, der hiesigen Herzogin Witwe Tochter und der Witwe Herzogs Philipp (Tochter erster Ehe des Herzoges Christian Ulrich) am 15. Fe­bruar mit Gefolge (27 Personen 25 Pferde) hier ein und blieb bis zum 21., ließ aber seine der Entbindung nahen Gemahlin bei der Mutter zurück. Der bisherige Kontributions-Einnehmer Schaarschmidt gab die Ein­nahme auf wegen beschwerlicher Aufbringung der Reste und über­nahm sie der Viertelsmeister Johann Koeltzsch gegen einen jährlichen Lohn von 33 Talern- mit Einschluß der Schreiberei. Der Zimmermeister Leschke erhielt vom Rate Auftrag zum Beschlage des Bauholzes in Srhkönaischer Waldung zu einer Wohnung für die Schullehrer bestimmt. Die hier bei der Herzogin Mutter gebliebene Herzogin zu Württemberg kam am 9. März mit einer Tochter glücklich nieder, welche Tages darauf in dem Tafelgemache des Schlosses von dem Hofprediger Dr. Sittig getauft ward und den Namen Sibylla Elisabeth erhielt. Die Wöchnerin besuchte zum ersten Male am Osterfeste die Stadtkirche, in welcher für dieses frohe Ereignis ein• Dankgebet verlesen und das "Herr Gott dich loben wir" gesungen ward. Ein mit der Herzogin angekommener Hofgärtner hatte den verwilderten Sch1oßgarten im vorigen Jahre und Spätherbste neu, in französischem Geschmacke angelegt und die Herzogin beging ihn am 16. März zum ersten Male. Am 22. März verpachtete der Rat den ihm zustehenden Sa1zschank , welchen bisher mit seiner Erlaubnis mehrere Höken gegen 6 Gr. jährlichen Abtrag trieben, weil sie mit Zahlung dieser Ab­gabe nicht innehielten, an die Witwe Fraehnert auf ein Jahr für 5 fl. Pachtgeld, wobei ihr ein richtiges Maß und billiger Preis, nach Befinden durch Festsetzung des Verpachters zur Bedingung gemacht ward. Im Monate März sammelte man auch milde Beiträge für die deutsche und wendische Kirche zu Vetschau in der Niederlausitz. Im Frühling. Sommer und noch im Herbst waren häufige schwere Donnerwetter mit verheerenden Stürmen und starken Regengüssen, die der Ernte nachteilig waren, daher denn auch das Getreide im Preise zu ungewöhnlicher Höhe stieg. Der Herzog (Christian II.) war am 7. und 27. Juni mit Gefolge der fremden verwandten Gäste wegen hier, am 3. Juli aber ging der Herzog zu Württemberg nach Bernstadt zurück und hielt die Bürger­schaft, ihn zu ehren, einen festlichen Aufzug. Die hier geborene Toch­ter und zwei Prinzen blieben bei der Herzogin Mutter. Am 22. September feierte man den Geburtstag der Herzogin unter anderem auch mit Einweihung der neuen S c h 1 o ß k a p e 11 e durch den Hofprediger Dr. Sittig. Am 16. Oktober gelangte die Nachricht an, daß die Herzogin zu Würt­temberg, der Herzogin Witwe letzte und liebste Tochter, am 9. Okto­ber in Bernstadt verschieden sei. Um diesen schmerzlichen und Ge­sundheit bedrohlichen Todesfall der Herzogin Mutter anzuzeigen,. rief man den von ihr hochgeachteten Hofprediger und früheren Beichtvater Dr. Valentin Sittig von Merseburg, der zwar viel über sie vermochte, aber doch nicht hindern konnte, daß sie bettlägerig ward. Vom 23. Oktober begann um 10 Uhr das Glockengeläut der Trauerzeit und die Musik ward eingestellt. Die Krankheit der Herzo­gin gab übrigens Gelegenheit, daß der damals ausgezeichnete Arzt Dr. David Lichtenhahn, welcher durch glückliche Heilung eines Gau­mengeschwüres der Herzogin, Gemahlin Augusts in Zörbig, den ge­samten herzoglich merseburgischen Familienmitgliedern sich empfoh­len hatte und auch bei der Herzogin Witwe zu Rate gezogen ward, von Schneeberg nach Delitzsch zog, wo ihm im folgenden Jahre, als Leibmedikus der Fürstin, das Physikat'der Städte und Ämter Delitzsch und Bitterfeld übertragen ward. Am 1. November kam die herzogliche Familie von Merseburg mit Gefolge hierher zum Besuche der kranken Herzogin Witwe. Der Herzog besichtigte am 3. das Innere der Stadtkirche und gab Hoffnung zu ihrer Verschönerung. Die Brauordnung erlitt durch Kommissarien einige Änderun­gen und wurden die Brauer Martin Brand, Andreas Grasshof, jener für das Brauhaus hinter dem Rathause und der Schule. dieser für das am Markte, Buchholz aber für das Breihahnbrauen verpflichtet. Am Schlosse des Jahres war keine Ratswah1 und. blieb der dies­jährige Rat auch in den Jahren 1694, 95 und 96 im Amte, wahrschein­lich auf höhern Befehl. Der Scheffel Weizen galt 30-32, der Scheffel Roggen 25-26 Gr.


1694
Im Anfange des Jahres ward die einige Wochen früher schon bemerkte Blattern - Krankheit allgemeiner und gefährlicher. In hiesiger Stadt und Umgegend kam dazu ein epidemischer Spei­chelfluß (den durch Quecksilber erregten völlig gleich), welcher Personen jeden Alters, auch Hunde und Katzen ergriff und nach der Meinung des hiesigen Arztes Dr. Westphal ebenfalls Wirkung des Blattern-Miasma war. Er machte seine Ansicht in den Ephemeriden der Naturforschenden Gesellschaft (Cent. 1 und 2, Obs. 137) bekannt und der Dresdner Arzt Dr. Schurig hat sie in seiner Sialogia histori­comedica, Dresd. 1723, 4, Cap. II § 9.p. 73 wiederholt. ; Der täglich höher steigende Preis der Lebensmittel erschwerte noch diese Krankheitsnot und man darf sich nicht wundern, wenn die Unvorsichtigkeit des Hauptmannes Ganss, welcher seine Kompagnie ohne weiteres selbst einquartierte, einen Aufstand der Bürger nach sich zog. Die Sache ward zwar am 1. Februar. durch kurfürst­liche und herzogliche Abgeordnete schiedlich hier abgetan, das Militär blieb aber wegen seiner Unbürgerlichkeit, Rohheit und Anmas­sung auf längere Zeit verhaßt. Am 10. Februar ward des Vizesuperintendenten Dr. Sittig Sohn in der Sch1oßkape11e getauft, erhielt den Namen Johann Conrad und vertrat die Herzogin Witwe Patenstelle. Am 20. des Monats be­suchte dieselbe zum ersten Male ihr erkauftes Vorwerk Sch1aditz bei Kömmlitz, wo man sie festlich empfing, vier Tage darauf aber starb ihre Enkelin, die hier gebliebene Prinzessin Sibylla Elisa­beth, deren Verlust sie heftig erschütterte und eine mehrwöchige Krankheit nach sich zog, zu welcher der herzogliche Leibarzt Dr. Glass aus Merseburg gerufen ward. Der Leichnam des Kindes kam am 1. März in die herrschaftliche Gruft zu Merseburg. Zu der durch Brand beschädigten Glocke in Landsberg ward eine Kollekte ausgebracht. Am 7. März starb der Bürgermeister Balthasar Gurre, seit 1664 Rats­herr und seit 1686 Bürgermeister, 85 1/2 Jahr alt und am 31. desselben Monats der Amtsschösser Johann Balthasar Freund, welcher am 3. April in der Kirche zu Brodau, wo er das Rittergut besaß, begraben ward. An seine Stelle kam der Rat und bisherige Rentmeister in Merseburg Christian Wankheim. Die von dem Hayne aufgegebene Organistenstelle übertrug man dem bei dem Amtsschösser Freund als Hauslehrer und Kopist ge­dienten Immanuel Koenig. Er schrieb für die damalige Zeit eine gute Hand, ward mit Beibehaltung des Organistendienstes Hof-Amts-Ko­pist, auch Kellerschreiber der Herzogin und veranlaßte durch diese den Bau der neuen O r g e 1, zu dem sie selbst einen ansehnlichen Beitrag gab. Ein Bürger und Fleischer, Hans Heilwage, der Kirche und Abend­mahl verachtete, und im Siechhause starb, ward heimlich von den Totengräbern verscharrt und nicht abgekündigt. Am 27. April starb der Kurfürst Johann George IV. an den Blattern, ein Fürst von guter Anlage und feiner Bildung, den aber der Umgang mit einem Fräulein von Neidschütz, die der Kaiser auf sein Verlan­gen im vorigen Jahre zur Gräfin von Rochlitz erhob, in Schatten setzte. Sie starb kurz vor ihm an derselben Krankheit. Folgende notariell beglaubigte Abschrift herzoglicher Verordnung vom 10. Juli d. J. ward mit gleichfalls beglaubigter Abschrift kaiser­lichen Befehls vom 10. Oktober 1692 dem Bürgermeister Balthasar Gurre eingehändigt (diesem nur der kaiserliche Befehl vom Notar Becker und zwei Zeugen) mit der Weisung, daß es auf herzoglichen Befehl geschehe, aber erst später zu den Akten gebracht.
„Von Gottes Gnaden Wir Christian der Andere, Herzog zu Sachßen, Jülich, Cleve und Berg etc. Fügen Euch Unsern in dem Ambte Dölizsch einbezirkten nachverzeichneten Schriftsassen hiermit zu wißen, was gestalt wir mit sonderlicher Befremdung vernehmen, ob soltet Ihr von des Herrn Kurfürstens zu Sachßen, Unsers freundlich viel­gesiebten und hochgeehrten Herrn Vetters und Gevatters Ldn. zu der bevorstehenden Huldigung gleich Dero eigenen Unterthanen mit citiret worden sein. Wenn Euch aber erinnerlich, daß vermöge Ihrer Röm. Kaiserl. Ma­jestät Unsers allergnädigsten Herrns den 10. Octobris Anno 1692 an Euch ergangenen Decretes, so Euch durch geschworne Notarien und Zeugen nach Ausweis des darüber aufgenommenen Instruments rich­tig insinuiret worden, an Uns, als Euren rechtmäßigen Landesfürsten und Erbherrn und Unser Fürstliches Haus Ihr hinwieder angewie­sen, und dahero niemanden anders als Uns die Huldigung zu leisten schuldig seyd - Alß wollen Wir Euch nicht allein der Schuldigkeit gegen Uns erinnert, sondern auch die Erscheinung und Einlaßung zur Huldigung an Hochgedachte des Churfürsten Ldn. hierdurch in­hibiret und zugleich befohlen haben, daß Ihr weiter keine Verord­nung von daher, sondern allein die Unsere annehmet, und derselben gebührend nachlebet. Wie Ihr hierdurch allerhöchstgedachter Ihrer Kaiserl. Maj. Euch intimirten allergnädigsten Intentionen ein Genüge thut, Also volbringet Ihr daran Unsern ernsten Willen und Meinung, Es wird auch ein jeder der Insinuation halber sich zu unterschreiben wißen.
Datum Merseburgk, den 10. Julii Ao. 1694.
Christian HZS."

.,Leopold, (tit.) Uns hat des Herzogs Christian des Anderten postulir­ten Administratoris des Stifts Merseburg Ldn. in Unterthänigkeit zu vernehmen gegeben, wie daß Sie, nachdeme die vorhin von Uns in­tendirte gütliche Beilegung deren zwischen Ihrer und des Herzogs zu Sachßen Naumburg Ldn. Ldn. an einem, sodann des Churfürstens zu Sachßen Ldn. am andern Theile geraume Zeit obschwebenden Differentien nunmehro ganz außer Hoffnung gestellet worden, resolviret seye, den Weg Rechtens hinwieder zu ergreifen und die vor­hin wegen Euch eingereichte Klage zu reassumieren, sich dahero auff Ihre bei Uns dießfalls unterm acht und zwanzigsten Maii sechzehn Hundert fünff und achtzig überreichte Klage beziehend, mit gehor­samster Bitte, Wir Ihrem darinnen gethanem petito zu deferiren und sowohl an obgedachten Churfürstens zu Sachsen Ldn. alß Euch Unsere gemessene Kaiserliche Verordnung ergehen zu laßen, gnä­digst geruheten; Wie Wir nun. nicht umhin gekont, solch Ihrer Ldn. gethanem, billigen Ansuchen in Gnaden zu deferiren, und zu dem Ende an mehr gedachten Churfürstens zu Sachsen Ldn. dahin zu rescribiren, daß Sie krafft des den zwey und zwanzigsten Apriles sech­zehen Hundert sieben und funfzig, wie auch den funfzehnten Augusti Anno sechzehen Hundert und sechzig gefolgten Vergleichs Euch wie­der an supplicirenden Administratoris Lden. überlaßen und anwei­sen, Euch von denen geleisteten Pflichten relaxiren, jetztgedachte Ihre Lden. in Dero vorige und in etlich und zwanzig Jahre gehabte Possession restituiren, und also denen obbemeldeten Vergleichen sich gemäß bezeigen wollen, damit fernere Klage verhütet werden möge, Alß ist benebens auch Unser gnädigster Befehl an Euch hier­mit, daß Ihr alles dasjenige an Ihre des Administratoris zu Merse­burg Lden. leistet, wozu ihr den 9. Anno sechzehen Hundert ein und sechzig von denen damaligen Chursächsischen Commissarien ange­wiesen und etlich und zwanzig Jahr"beobachtet worden, damit Wir in widrigen wider Euch schärfere Process zu erkennen nicht nöthig haben. Hieran beschicht Unser ernstlicher Wille und Meinung. Und Wir seynd Euch mit etc. Eberstorff den 10. Oetobris Anno 1692."

Am 22. Juli starb Johann Kippolt, dem das Kinderlehren in hiesiger Vorstadt vom Rate verstattet war. Frühling und Sommer war den Feld- und Gartenfrüchten überaus günstig, daher eine reiche Ernte und Sinken der übermäßig gestiegenen Getreidepreise: Die Kanne Bier, welche man schon auf sieben Pfennige von sechs erhöhen wollte, ward im September wieder auf fünf herabgesetzt. Auf Kosten der Herzogin Witwe war schon im vorigen Jahre die Kirche geweißt und die Fertigung eines neuen Altares durch Künstler des Hofes in Merseburg vorbereitet worden. Er kam anfangs des September zur Aufstellung und ward am 22. dieses Mo­nats in Gegenwart des Herzoges von Merseburg und seiner Gemahlin, des Herzoges Heinrich von Dobrilugk und seiner Gemahlin, des Her­zoges August von Zörbig, der Witwe des Herzoges Philipp und vieler anderen, vornehmen Personen mit einer Predigt des Dr. Sittig festlich eingeweiht. An demselben Tage machte die Herzogin noch mit dem purpurfarbenen geblümten Altar- und Kanzelschmucke und mit dem vergoldeten Seiger der Kanzel ein erfreuliches Geschenk. Bisher waren die Schieferdächer der Kirche ohne besondere Auf­sicht und man brauchte den Schieferdecker nur dann, wenn durch Vernachlässigung kleiner Schäden ein großer, kostspieliger entstand. Am 3. Oktober aber übertrug man dem Schieferdecker Johann Deyacke von Merseburg die jährliche Besteigung und Besserung der Dächer für einen jährlichen Lohn von 6 Gülden. Man gab ihm hierzu das Material, den Handlanger aber lohnte er. Hauptreparaturen wur­den nach besonderen Verträgen gelohnt. Am 19. Oktober, nachts zwischen 11 und 12 Uhr, starb nach kurzer Krankheit der Herzog und Landesfürst Christian II. in Merse­burg. Die verwitwete Herzogin Erdmuthe Dorothee forderte gleich tages darauf von den Behörden, daß sie eventuell dem Erbprinzen Christian Moritz mit verpflichtet, sich treu bezeigen, nichts Widri­ges und Nachteiliges vorgehen lassen, im Gegenteil unverrückten Stand halten sollten, bis man der Vormundschaft halber die nötige Anstalt getroffen und machte ihnen die Meldung bedenklicher Ereig­nisse zu besonderer Pflicht. Da nun fast zur gleichen Zeit von Leipzig aus durch die kurfürstli­chen Kommissarien, welche 1691 die Huldigung für den Kurfürsten auf dem Reservate angenommen hatten, Erinnerungen an den Rat eingingen, bei vorkommenden, den kurfürstlichen Rechten zu nähe tretenden Fällen bei schwerer Ahndung ja der Pflicht eingedenk zu sein und dieser entgegen nichts zu verhängen, so berichtete dieser zwar treulichst, erhielt aber wegen vieler anderer mit dem kurfürst­liehen Gesandten und dem Domkapitel vorkommenden Affären, wie es in einem Schreiben der Geheimen Kammer-Kanzlei vom 30. Okto­ber ausgesprochen, keine fürstliche Resolution, die auch, weil bald darauf, (am 14. November, abends nach 6 Uhr) der Erbprinz Christian Moritz an den Blattern starb und mit seinem Tode neue, viel bedenk­lichere Besorgnisse eintraten, zu erlangen nicht möglich war. Nach langer Unpäßlichkeit erschien die Herzogin Witwe am 2. Dezember zum ersten Mal wieder bei Tafel und am 24. dieses Monats ging die Nachricht ein, daß der älteste Prinz, Moritz Wilhelm, in Merseburg tages vorher zum Administrator des Stiftes postuliert worden sei. Der Bürger -und Weißgerber Christian Leschke, 35 Jahre alt, ließ durch sein Dienstmädchen für Waren falsche Nordhäusische Dreier ausgeben und kam in Untersuchung. Man fand bei ihm mehrere falsche Dreier, zum Prägen abgerundete Kupferbleche, zwei Prägestöcke und eine Prägezange in einem alten Tornister und er­hielt er zwar in der am 15. Februar des folgenden Jahres an ihm vollzogene Tortur, daß er diesen Tornister mit seinem ganzen Inhalte von einem unbekannten Graveur aus Freiberg gekauft, die Prägeinstrumente weder gefertigt noch gebraucht habe, war aber bei dem Geständnisse der Ausgabe mehrerer der angeblich erkauften von ihm als falsch erkannten Dreier, deren Wert er selbst auf 7 1/2 Gr. bestimmte, durch das am 28. Februar 1695 eröffnete Endurteil des Leipziger Schöppenstuhles des Landes auf ewig verwiesen. Der Scheffel Weizen galt 23, der Roggen 18 Groschen.


1695
In Februar waren Unterhandlungen zwischen der kurfürstlichen Obervormundschaft und der hiesigen Herzogin Witwe in Merseburg wegen Feststellung künftiger Verpflegung der Herzogin. Die Bevollmächtigten, von kurfürstlicher Seite der Baron von Friesen auf Rötha, von herzoglicher der Hofmeister von Dieskau mit dem Wit­tums-Sekretär Schatter, einigten sich am Ende des Monats in einem Rezesse, den die Herzogin Witwe am 15. März unterzeichnete und ihr am 21. desselben Monats vom Kurfürsten vollzogen durch den Kammerdiener des von Friesen überreicht ward. Einer Waschmagd des Schlosses, die sich am 9. April mit dem hiesigen Schlosser Carnal verehelichte, gab die Herzogin in dem neuen Waschhause des Schlosses einen Hochzeitsschmaus. Der Herzog Heinrich kam am 24. April mit der P o s t von Leipzig zum Besuche der Herzogin Mutter und reiste tages darauf nach Leip­zig zurück. Ihn begleitete der Wittums-Sekretär, Schatter, welcher an diesem Tage daselbst 6 000 Gülden Deputat der Herzogin Witwe zu erheben hatte. Am 20. Mai ging der fürstliche Hofmeister von Dieskau nach Merse­burg zu der Huldigung und gleich darauf angesetztem. Stiftstage. In der Nacht vom 23. zum 24. Mai fror es so stark, daß Weinstöcke, Nußbäume, alle Gartenfrüchte verloren gingen, auch viel Roggen zu schaden kam. Überhaupt hatte man sich bis dahin weniger warmer Tage zu erfreuen gehabt. Bis zum Mai war fast keine Nacht ohne Frost und in diesem Monate fast kein Morgen ohne Reif, der Tag in der Regel kalt. Alles blühte und reifte um einige Wochen später und das Getreide erlangte im Spätjahre von neuem einen hohen Preis. Der Küster Adam Lochner, seit 32 Jahren hier und vorher 12 Jahre in Freiroda -als Schulmeister im Amte, starb am 7. Juni und sein Sohn Daniel, der ihn seit einiger Zeit unterstützt hatte, erhielt den Dienst. Am 8. Juni starb der Superintenderit Dr. Bilefeld in Wernigerode, wohin er wenige Tage vorher zum Besuche seiner Tochter, der ver­ehelichten Pfarrer Bodinus gereist war, im 76. Jahre am Schlage. Der Superintendent Dr. Sittig verehelichte sich wieder mit der Toch­ter des Kammer-Direktors Reinhard in Merseburg am 10. September, sie kam am 30. des Monats hierher und gab am 1. Oktober ein Gastmahl, bei welchem auch die Herzogin mit ihrem Hofstaate zugegen war. Sittig bewohnte aber damals des Chirurgen Hartmanns am Markte gelegenes Haus. Der Herzogin Geburtstag, der 22. September, ward auch in diesem Jahre wie immer festlich begangen. Außer den verwandten fürstlichen Personen nahm dieses Mal auch noch der Geheimrat Stryck und der berühmte Arzt Friedrich Hofmann von Halle daran teil. Früh um vier Uhr brachte der Hofmeister v. Dieskau und Haupt­mann v. Harling, begleitet von 24 Fackelträgern, auf der Schloß­brücke eine Musik mit Flöten und Rogal zum Fundamente, auch sang man eine Arie ab. Die Hoftrauer nahm an diesem Tage ihr Ende und das Militär paradierte auf dem Sch1oßp1atze mit voller Musik. Der seit einigen Jahren eingerichteten, von Leipzig auslaufenden Fahr - Posten bedienten sich auch fürstliche Personen, die zum Besuche hierher kamen und wurden im Oktober dieses Jahres zuerst in Leipzig und Dresden eichene Spitzsäulen gesetzt, auf welchen die Entfernung der im Laufe der postliegenden Ortschaften nach Meilen angegeben war. Am 24. Oktober fing man an, die Sch1oßturmhaube zu richten und am 30. dieses Monats wurden an der Brücke die Pyramiden gesetzt. Der Stadtrichter, Land- und Tranksteuer-Einnehmer Samuel Elias Fischer, ein Sohn des ehemaligen hiesigen Stadtschreibers Elias Fischer, seit 1675 ein ehrenwertes Mitglied des Rates, starb am 15. Dezember und am 22. desselben Monats begrub man den hiesigen, aus Löbnitz gebürtigen Fleischerlehrling Michael Krause, welcher auf dem Rückwege vom Viehhandel, in strenger Kälte, nahe der Stadt sich niedergesetzt und erfroren war. Der Scheffel Weizen galt im Juni 24-26, im Dezember 21-23, der, Scheffel Roggen im Juni 18-21, im Dezember 15-17 Groschen.


1696
Der Stadtschreiber und Syndikus Spitzner, dessen Arbeiten sich durch die Geschäftsverbindungen mit zweien, sich argwöhnisch beobachtenden Höfen, durch die Beeinträchtigungen des Militärs, durch den Einfluß des hiesigen Hofstaates, durch Wiederaneignung und Anbau der Wüstungen, steigende Volkszahl, erhöhten Gewerbsbe­trieb, schärfere polizeiliche Aufsicht usw.. über das Doppelte bis zur Ermüdung vermehrt hatten, erhielt einen Gehilfen, Johann Hart­mann, den Sohn des Tuchmachers Heinrich H. in Merseburg, welcher in Leipzig die Rechte studiert hatte, in Anwendung derselben aber Anfänger und deshalb vor. der Hand kein besonderer Förderer war. Im Januar, der wie der Februar'viele heitere milde Tage hatte und den Reisenden günstig war, trafen, die Herzogin glückwünschend zu begrüßen, nicht nur die Söhne mit ihren Familien, der Herzog von Wolfenbüttel, Anton Ulrich mit starkem Gefolge (32 Personen und 25 Pferden), sondern auch andere vornehme Personen hier zusam­men, deren Unterkommen und Besorgung auch des Rates Tätigkeit vielseitig in Anspruch nahm, Für den Hufschmied Christoph Carnal, welcher nach Halle zog, hier aber im Defensionswerke als Defensioner begriffen war, mußte sein Schwager, der Ratherr Reineccius, bürgen, daß er sich hier einfinden wolle, so oft es erforderlich sei. Der Rat übertrug dem Bürgermeister Hiersebrod die Aufsicht über die S c h u l e, und dem Ratherren Gottfried Schulze die Einnahme der Pfennigsteuer, die er wegen der Verdrießlichkeiten bei der Erhebung nur auf vieles Zureden übernahm. Man legte dem bisherigen Gehalte von 15 Gülden noch neun Gülden zu, solange diese Abgabe bestehe und nicht etwa durch Einführung der Akzise beseitigt werde. Am 18. Februar, vormittags 11 Uhr, starb der Besitzer des Ritter­gutes Lemsel, von Crostewitz, ohne Lehnserben und setzte sich so­gleich hiesiges Amt in den Besitz dieses Gutes für die Herzogin Witwe, an die es vermöge eines Exspektanzscheins verfallen war. Den fünf Landfleischern, Lästerern, aus Löbnitz, Linden­hain, Zschortau, Lemsel und Brodau ward anbefohlen, wöchentlich ein Rind der Reihe nach zu schlachten und auf die Bank zu bringen, damit die Stadtfleischer bei strafbar verhängtem Mangel an Rindfleische in dieser Beziehung keine Entschuldigung hätten. Nach Übergabe des Rittergutes Lemsel vom Amte an die Herzogin Witwe ward am 31. März der Gleitsmann Christoph Seholler als Gerichtsverwalter daselbst verpflichtet, durch die Kommissarien, den Hofrat Dr. Krausold aus Merseburg und hiesigen Amtmann Rat Wankheim nicht nur das Inventarium von den Landerben erhandelt, sondern auch Lehn und Erbe getrennt und wegen der haftenden Schulden das Nötigste festgesetzt. Im April und Mai waren die Söhne der Herzogin, August und Hein­rich mit Gefolge vier Wochen fast anwesend und ward am 28. Mai dem wiederherstellten Sch1oßturme der neue Knopf mit Fahne aufgesetzt. In den Knopf legte man einige Verse und kurfürstliche Münzen vom Taler bis zum Pfennige herab. In demselben Monate baute man auch die Wendeltreppe des Schlosses und nahm einen Boten an nach Leipzig, der wöchentlich zweimal dahin­ging und mit einem Schilde bezeichnet war. Am 8. Juni kam die Herzogin Witwe, Erdmuthe Dorothee mit ihren Söhnen Moritz Wilhelm und Friedrich Erdmann von Merseburg, auch ansehnlichem Gefolge hier an. Der Hofmeister von Dieskau fuhr eine halbe Meile entgegen, die Bürgerschaft war im Gewehr und der Rat empfing sie im Tor. Bei ihrem Abgang erhielt sie dieselbe Ehrenbezeigung. Am 30. Juni entstand zwischen dem Militär und der Bürgerschaft ein Tumult, wo, wie es scheint, der Bürger Wend als Anreger beschuldigt ward. Die Untersuchung begann am 21. Juli durch die Kommissarien von Fulde, Oberst-Leutnant Wustromerski und Hauptmann von Möllendorf und ward in Beziehung auf die Bürgerschaft nur durch vielseitige Verwendungen und Bitten mit einem Aufwande von mindestens 200 Talern beigelegt. Bei dem im Hospitale versorgten Haas Loth, welcher am 2. September starb, fand man 200 Taler, weshalb er nicht wie ein Hospitalit, sondern mit einer Leichenpredigt beerdigt ward. Am 27. Oktober war die Herzogin von Zeitz, Marie Amalie, mit 26 Personen und 20 Pferden hier, vom 28. November an aber vier Tage die Herzogin Witwe von Merseburg, doch traten dieses Mal nur 50 Bürger ins Gewehr. Der Diakon Mr. Adam Schumann, welcher mit dem Archidiakon Mr. Ilgen am zweiten Pfingstfeiertage in der Sakristei einen unan­genehmen Auftritt gehabt hatte, der zur Kenntnis des Konsistoriums kam, suchte Zeugnisse über sein Leben und Amtsführung bei der Bürgerschaft, fiel, weil man dieses ungehörig fand, in Schwermut und endete, als ihn diese verließ, am 23. Dezember an Entkräftung. Seine Leipziger Verwandten und Freunde, unter welchen auch der Rektor der Universität, sprachen ihre Teilnahme in gedruckten Ge­dichten aus. Die Stelle ward erst im künftigen Jahre besetzt. Im Dezember galt der Scheffel Weizen 20-23, Roggen 11-12 Gro­schen.


1697
Der Januar und Februar hatte im hohen Grade Kälte und viel Schnee, der Frühling meistens kalte Nächte, doch günstige Tage für die Frucht. Die Mühle zu Benndorf ward am 10. Februar von dem Stadtmüller Hofmann, Müller Graupner in Naundorf und dem Richter Hammer in Benndorf gewürdert und Haus mit Mühlwerk 450 Gülden, die dabei befindliche 1 1/2 Hufe in drei Feldern 150 Gülden, die Wiese aber von ungefähr 3 Ackern 350 Gülden, das Ganze mithin 950 Gülden abgeschätzt. Zu der Stelle des im vorigen Jahre gestorbenen Diakon Schumann erhielt am 19. April den Ruf der Kandidat der Theologie Mr. Chri­stian Doebler in Leipzig, welcher am 9. Juniseine Anzugspredigt hielt. Er war der Sohn des Kaufmannes David Doebler in Danzig, geboren 1669, hatte die dasige Schule besucht, in Leipzig Theologie studiert und die Magisterwürde erlangt. Die Herzogin empfahl zwar den Kandidaten Bach und Pfarrer Koeppe und der Superintendent gab sich alle Mühe, die Wahl auf den Pfarrer Koeppe hinzuleiten, der Rat aber, welcher fürchtete, daß durch Eingehen auf die fürstlichen Vorschläge das freie Patronatsrecht künftig gebunden werden möchte, was hier nicht ohne Beispiel war, blieb, ungeachtet des Urteils des Sittig über die Probepredigt des Doebler - der Mr. Doebler sey zwar ein feiner Mensch - habe auch eine feine Predigt gethan - sie hätte aber doch beßer celebriret werden können - hätte ein vitium lin­guae - indem er schnarrte - übrigens aber eine feine Ausrede - ein­stimmig auf ihn stehen, uni gab ihm den Vorzug. Am 11. April starb der Kramer Jonas Grosse auf dem Gerberplane im 92. Lebensjahr, ein Alter, das hier nur selten erreicht wird. Eine junge Türkin, Mepha, welche ein kursächsischer Reiter, Hans Bettmann, nach Eroberung der Festung Ofen, (1686) als sechsjähriges Kind mit sich genommen, hierher gebracht und erzogen, der Archidiakon aber in der christlichen Religion unterrichtet hatte, ward am 25. April in der Stadtkirche getauft, und Christiane Sophie ge­nannt. Sämtliche Ratsherren waren Taufzeugen und die Getaufte empfing außer den Geschenken der einzelnen noch aus der Kommunkasse 6 Taler als Patenpfennig. Am 23. Mai trat der Kurfürst Friedrich August in Baden (Nieder­österreichischen) zur katholischen Kirche und ward am 17. Juni zum Könige von Polen gewählt. Er gab in einem Patente vom 27. Juli (7. August), welches man auch hier öffentlich anschlug, das könig­liche Versprechen, daß dieser Rücktritt zu dem religiösen Bekennt­nisse der Vorfahren an den Privilegien der Stände nichts ändere, Landstände und Untertanen bei der Augsburgischen Konfession, her­gebrachten Gewissensfreiheit, bei ihren Kirchen, Gottesdiensten, Zeremonien, Universitäten, Schulen usw. kräftigst geschützt und erhalten werden sollten. Diese offene Erklärung des Königs, dessen Ritterlichkeit man ehrte, kam zu rechter Zeit und wirkte, daß die von Dresden aus unter den Vornehmen des Landes verbreitete seltsame und den Protestantis­mus bedrohende Geheimnachricht (Arcana) ihren Stachel verlor und man in den Schranken der Besonderheit blieb. Eine Mitteilung der Art, die sich im Originale erhielt, mag der Seltenheit wegen in treuer Abschrift hier eine Stelle finden.

„Arcana
1. Daß der Pabst durch seine Creaturen in Leipzig suchet eine Banke - von 12 Millionen aufzurichten und hierzu Gelder schon parat, auch die Päpstlichen Banquirer schon in Dresden, ea conditione, daß von diesen 12 Millionen 6 in Banco stehen bleiben, 6 aber dem Könige in Pohlen vorgeschoßen werden sollen, doch gegen der Churfürstl. Hertzoge von Sachsen assecurirte Guarantie, worunter man suchet Bisthümer Naumburg Merseburg Meissen und etliche Hauptstifte sich Päpstlicher Seite zu versichern, welches aber unter Kaufman­nes und Banquirer Prätext sehr secretiret wird und von Fürstlicher Seiten resoluiret.
2. Daß schon würklich Päpstliche Plenipotentiarii in Dreßden seynd, welche Königliche und Churfürstliche Ordre an den Inspector der Schul Pforte Herrn von Rockhausen item an den Amtmann zu Meißen ausgeliefert um einen gewißen bey der Reformation in den Kirchen und Begräbniß Grufften in der Schul Pforten im Dohm und unter dem Schloßgange zu Meissen, item im Chor der Hauptkirchen zu Wittenberg vergrabenen Kirchen Ornat, auch In­fuln, Caseln, Kelch, Patenen, Bischoffstäben, Leuchtern, Ampeln und andern dergleichen auszugraben, wovon die Specification durch einen in Dreßden sich befindenden Dominicaner, Böhmi­scher Provinz in secretis gezeiget, auch ferner gemeldet worden ist, daß seit der Reformation alle 5 Jahr von Rom und Prage aus 4 Patres unter weltlichem Habit gesandt worden da denn es die alten den jungen, wo dieses Schatzes Ort wäre gezeiget, und also die Sicherheit, wo dieses vermauert worden, beybehalten.
3. Daß man bei Hebung dieses Ornats in Wittenberg dahin trachten sollte, wie man ein Sceleton aus der Kirchen mit weg bringe, was für eines es sey und daß man in Rom den 15. Junius vermittelst eines Consistorial Schlußes decretiret, solch Sceleton zu Rom unter dem Namen des Erzketzers Lutheri verbrennen und die Asche aus einem Mörser in die Luft verstreuen zu laßen und des Lutheri Adhärenten hierdurch ein Schämen zu verursachen, die Wider­spenstigen aber zur Beschimpfung und Raison zu bringen.
4. Wird für den Prälaten in Bautzen, vermöge versprochenen Bünd­nißes selbigen nebenst dem ganzen Catholischen Kirchenwesen in Statu quo zu laßen, sessio, praecedentia et votum im oberen Mini­strial Consistoria praetendiret, alias contra Pactum stratas quo solenniter protestiret und mit Aufhebung des Pacti gedrohet.
5. Denen Jesuiten soll das Jägerhaus in Alten Dreßden vermöge Pacti, sub nomine missionariorum sedis Apostolicae zu ihrer Residenz übergeben, auch in Leipzig das Barfußer Kloster armen Catholischen Studenten überliefert werden, welchen der Pabst unter dem Titel Hospitulariorum St. Johannis Dei eine Pension zu machen versprochen, um bey denen in Meßzeiten aldort kränkenden Ita­lienern Guisons, Milonesern und anderen halbwellischen oder Wal­Ionen eine brüderliche und christliche Liebe durch seinen Dienst zu erwecken.
6. Daß die Patres der Böhmischen Provinz sub Auspicio beatissimae virginis Mariae et St. Johannis etc. Nepomuceni, welcher von Wen­zeslao in die Moldau gestürzet und bis ins Meer soll geschwommen, auch erstlich bei dem Heiligen Lande unter Ditmarschen soll aufge­fangen und begraben seyn, welcher auch des Erzketzers Lutheri künftigen Schwarm, den großen Abfall und die zukünftige Be­kehrung vorhero prophezeyet haben soll, und dahero vor einen Patron der Verschwiegenheit und der glücklichen Hinausführung verborgener Sachen eifrigst verehret, und in allen Böhmischen, Oesterreichischen und Ungarischen Kirchen publice exponiret wird, ,daß, sage ich, bemeldte Patres, wenn solche von dem Schul-Inspectore Rockhausen in der Schul Pforta zu Hebung des Ornats, item in dem Dohm zu Meißen durch Amtmann Beckern zu Hebung des Bischöfflichen Schatzes introduciret worden, den verborgenen Or­nat eilfertigst heben, an den Erzbischoff in Prag, als Vicarium Papalem Prouincia generalem verwahrlichst sub inuentario posses­sionirte in loco bleiben und wider allen Anfall martyrica constan­tia tanquam a sanctissima matre Ecclesia sponsa Christi oblati, auch des Todes als des Ausgangs gewärtig seyn sollen.
7. Daß der Bischoff von Raab als wirklicher Meißnischer Bischoff die Schul Pforte zu ehren der Heiligen einzuweihen, den Prämon­stratenser Orden alda einzuführen, und sich selbst als Prälaten vorzustellen und nebst dem Cardinalat die Benediction zu Rom empfangen sollte, welcher denn zu dem Ende würklich nach Rom aufgebrochen, um das Angefangene zum effect zu bringen, und ehestens wieder erwartet werde.
8. Daß der Cammer Rath Delow, so des Bischof fs zu Raab und Meissen Confident und Rath eine Liste aller Klöster in Sachsen, wo sie gelegen, was deren Revenuen, zu welchem Orden sie gehören, auch was selbe vor dependentien und Fundations Gründe gehabt, nach Rom einsenden müßen, um in der Camera fisci St. Petri nachzu­sehen, in was vor Stande selbige für dem gewesen, und ietzo nutz­bar genoßen werden, auch wie etliche selbiger ietzo zu Lehn ver­geben, und Adelichen Dominate unterworfen, reduciret werden können, um den Bischoff durch ein Breve an die Hand zu gehen, was hierinnen zu thun oder zu laßen."

Ein junger Bürger und Bäcker, Gottfried Petsche, der am 28. Juli 'spät von einer Hochzeit mit der Musik nach Hause über den Kirchhof ging, äußerte gegen den Küster Lochner in einer etwas schwermüti­gen Stimmung, daß er eine große Sünde getan und getanzt habe, sprach auf die ihn beruhigen sollende Einrede desselben, er solle kein Narr werden und seine Familie beschämen, - ob er irgend in Halle bei den Atheisten gewesen und sich was vorsagen lassen? - „Herzer Bruder, wenn du nur eine Predigt daselbst hören solltest, sie würde dich gleich von der Welt abziehen - sie sind nicht Atheisten, sondern Pietisten - Hier sind die Atheisten - die Weltkinder!" - und antwortete endlich auf die Frage: Was den Geistlichen fehle, ob sie nicht Gottes Wort lehrten? „Sie predigen wohl, sie tun aber nicht danach - wie der Doktor (Superint. Sittig), der predigt von der De­mut, ist aber selbst ein hoffärtiger, aufgeblasener Mann." Der Küster hielt es für seine Schuldigkeit, diese beleidigende Rede, die er von den Begleitern gehört glaubte, seinem Vorgesetzten anzuzeigen und die­ser veranlaßte einen mündlichen Bericht des Vorgefallenen an den Rat. Der Verklagte gestand aber die persönliche Beleidigung nicht zu, wollte nur von Hoffart im Hause des Superintendenten gespro­chen haben und da die angegebenen Zeugen versicherten, daß das Ge.spräch zwischen Petsche und Lochner innerhalb der Küsterwohnung vorgefallen, sie aber sich außerhalb befunden und deshalb von den geführten Reden nichts; nur beim Herausgehen aus dem Hause von Petsch, daß er, der Küster, alles angeben könne, gehört hätten, so blieb die Sache liegen, die zwar an sich unerheblich, doch zum Be­weise dient, daß auch hier der Pietismus Anklang fand, und der Name Pietist verbreitet war. Im Juli und August war unter anderen Besuchen bei der Herzogin auch die Komtesse von Schwarzburg, Marie Magdalene, Kanonissin des. Stifts Quedlinburg und der Herzog von Sachsen-Saalfeld, Chri­stian Ernst mit seiner Schwester Charlotte Wilhelmine und Gefolge (13 Personen und 11 Pferde). Der Rat, verpachtete dep Hälter an der Stadtmühle mit dem neuen zwiefachen Fischkasten unterhalb der Mühlräder um 4 Gülden an den Fischer Conrad Krause auf ein Jahr, auch die Garküche gegen Beköstigung der beiden Ratsstallknechte und Zahlung des Erbzinses an 1 Gülden 11 Gr. - an die Kirche, an Christian Heller, welchem jedoch zum Unterhalte der Knechte noch 1 Wispel Korn, 6 Scheffel Weizen, 1 1/2 Schock Stroh und 2 Gülden für Getränke gegeben ward, auch überließ man dem Brauer Andreas Grasshof das alte Hirtenhaus, sonst Terminei genannt, mietweise auf ein Jahr. Der Wert eines Bierloses zu 1/2 Gebräude (Ganze braute man schon seit längerer Zeit nicht mehr) war 12 Taler; 1/z Weißbiergebräude 8 Tlr., und so viel erhielt die Kommun für die Lose des Trautvette­rischen Hauses, welches für Schuld an sie gekommen war. Am 3. September ward zum Bedürfnisse der Ziegelscheune von dem Tuchmacher Christian Tietze ein Stück seines Hospitalfeldes von 62 1/2 Ruten an der Eilenburger Straße gegen Werben gelegen, gegen ein gleichgroßes der Kommun nach Döbernitz zu, umgetauscht. Die Viertelsmeister bewilligten zu dem Mustermonat wegen der Defensioner und zu Bezahlung der Einkleidung dreier neuer Defensioner am 18. Oktober die Anlage eines Quatembers. Schon im Jahre 1666 dachte man die durch den Dreißigjährigen Krieg aufgelöste Schützengese11schaft zu neuen Schießübungen wieder aufzurichten, der Rat war auch behilflich undversprach den Aufbau eines neuen Schießhaus e s auf dem Anger, die Bürgerschaft war aber zu entkräftet, es fanden sich nur wenige Teilnehmer und das Vorhaben. ruhte bis auf eine bessere Zeit. Im Jahre 1675 kam es jedoch, hauptsächlich auf den Betrieb des Kaufmannes Michael Mehner, eines geübten Schützen, wieder in Anregung und suchte der Rat zuvörderst die herzogliche Vergünstigung und das vordem genossene ganze steuerfreie Königsbier. Die Gesellschaft trat nun in diesem Jahre (1697) zusammen, wählte den Kaufmann Mehner zum Hauptmanne und der Rat beschaffte zum Baue des S c h i e ß - h a u s e s das nötige Holz, welches am 25. Oktober dem Zimmermeister Martin Weickard zum Beschlagen verdingt ward. Der Scheffel Weizen galt im Juni 24-26, der Scheffel Roggen 18-20 Groschen.


1698
Haubold von Schönfeld, auf Löbnitz, trat als Kammerjunker in den Dienst der Herzogin. Auf die im vorigen Jahre eingegebene Bittschrift der Bürger und Vorsteher der Schützengesellschaft kam nun am 23. März an den Rat folgender günstiger Befehl: „Von Gottes Gnaden Friedrich Augustus König in Pohlen, Hertzog zu Sachsen, Jülich Cleve, Berg, Engern und Westphalen, Churfürst etc. vor Uns. in Obervormundschafft, wie auch wegen Hertzog Augusti zu Sachsen Lbdn. in übertragener Mitvormundschafft unseres Vetters Hertzog Moritz Wilhelms zu Sachsen, postulirten Administratoris des Stiffts Merseburg Lbdn. Lieben Getreuer, Was an Uns die Bürger und Vorsteher der Schützen-Gesellschaft zu Delitzsch wegen Aufbauung des hie-bevor eingegangenen Schießhauses unterthänigst gelangen laßen und darbey angeführet, solches erhellet aus der Original-Inlage mit mehren; Wie nun dieses sehr nöthige und nützliche Werk mehr zu befördern als zu verhindern seyn will, zumahlen da das Holz bereits die Schützen mit ihren eigenen Pferten von weitem angeführet, Sie sich auch anheischig gemacht, wann berührtes Schieshaus in Dach und Fach gebracht worden, auf ihre Kosten auszubauen, auch kein ander Bier darin zu schenken, Als befehlen wir euch hiermit gnädigst, Ihr wollet nicht allein zum Baue dergestalt schleunige Anstalten machen, daß längstens auf näclistkünfftige Pfingsten mit dem Schießen der Anfang gemacht werden könne, sondern auch Inhalts des aus Unser Ober-Steuer-Einnahme ergangenen Befehls, Supplicanten Selbsten das Bier jährlich abbrauen laßen. Wornach Ihr Euch zu achten und geschieht hieran Unsere Meinung. Datum Merseburg am 21. Martii Ao: 1698.
Johann Wilhelm Reinhardt
Johann Jacob Languth S.
Unserm Lieben getreuen dem
Rathe zu Delitzsch.

Als dieser Befehl kam, war das Haus schon zum Aufrichten fertig, die Gesellschaft erhielt von Merseburg aus eine neue seidene Fahne, vom Hofmaler eine allgemein bewunderte Scheibe und so feierte sie in der Pfingstwoche nach fast siebzigjähriger Unterbrechung zu großer Freude der Stadt und Umgebung ihr erneuertes Bürger- und Schützenfest. Auch die vordem gewöhnlichen Sonntags-Schießübun­gen hielt man und als beim Abschießen die Kompagnie der Herzogin in einer Parade ihren Dank bewies, ward ihr der große silberne Becher geschenkt, den sie noch besitzt. Im Monate September fing man an, den Schloßhof zu pflastern, auch ward das Schloßtor neu in schönerer Form ausgeführt und der Garten mit drei neuen Toren und zwei Türen versehen. Um der überhand genommenen Straßenbettelei um und in der Stadt zu steuern, verordnete der Rat in einem Patente vom 10. Oktober eine monatliche Hauskollekte, die der Bürger August Herker zu erheben beauftragt war. Die Gemeinde Grabschütz, welche sich seit mehreren Jahren erlaubt hatte, die Grabschützer Wiese der Kommun nach abgebrachten Grummet mit ihrem Vieh zu behüten, verlangte diese Hutung, als der Rat sie der Aufseherei über die Wiese verstattete und diese pfändete, als ein Recht,. welchem zwar der Rat entgegentrat, doch aber auf Zurede des Amtmannes Wankheim insofern aufgab, daß er der Gemeinde die Hutung 14 Tage nach Abbringung des Grummets, während welcher Zeit die Aufseherin allein hüten sollte, doch nur in trockener Zeit mit dem Hornvieh und Eintriebe desselben auf der ordentlichen Brücke, nicht als Recht, sondern als jederzeit widerrufliche Verwilligung zugestand. Am t. November ward die Naundorfer Mühle von neuem auf drei Jahre'an den Müller Georg Graupner verpachtet. Die Orgel der Stadtkirche, welche Hans Beck aus Hayn, der Vater des berühmten Orgelbauers Esaias Beck in Halle, 1557 mit 20 klingenden Stimmen gebaut, Heinrich Compenius aber 1596 in den Chorton gestimmt und mit vier neuen Stimmen, Quintaton 8 Fuß, gedecktem Unterbasse 16 Fuß, Posaunenbasse 16 Fuß und Kornett­hasse 2 Fuß, verstärkt hatte, war. später, als das Kirchenvermögen im Kriege schwand und man oft nur Tischler zu ihrer Besserung annehmen konnte, sehr herabgekommen. Dieses veranlaßte den Organisten König, welcher zugleich Küchenschreiber der Herzogin war, sowohl bei dieser als dem Rate den Bau einer neuen in Anregung zu bringen, der denn auch, weil der berech­nete Beitrag der Gemeinde nur 150 Taler betrug, beschlossen und am 5. Januar dieses Jahres dem Orgelbaumeister Severin Holbeck von Zwickau übertragen ward. Er arbeitete daran im Laufe des Jahres mit seinem Gehilfen Peter Pönicke und dem Tischlergesellen Andreas Langbein und schon am 4. Adventsonntage ward sie mit einer Pre­digt des Superintendenten Dr. Sittig eingeweiht. Sie hatte in 28 Re­gistern 1670 Pfeifen und kostete bei Zugabe der alten 1070 Taler, mit dem Chore aber, der umgebaut und in die Form des halben Mondes gebracht wurde, 1143 Taler 18 Gr. Hierzu gab 200 Taler die Herzogin, 200 Taler die Kirche, 200 Taler das Hospital, 150 Taler die Gemeinde, 87 Taler 12 Gr. der Geheimrat von Luckowen, 43 Taler 18 Gr. der Bürgermeister Meischner und 262 Täler 12 Gr. der Rat an verjährten Diebs-Depositen-Geldern. Der Meister Holbeck fiel bei der Übergabe von den Bälgen, zwar ohne sichtbare Beschädigung, kränkelte aber, und starb bald nachher. Die durch Leipziger Revisoren gerügten Mängel besserte der Meister Donath, dessen Schwiegersohn. Für die äußere Verzierung des Werkes und Vergoldung erhielt der Hofmaler George Winkler 175 Täler, größtenteils von der Herzogin ausgezahlt. Das im Inneren angeschriebene lateinische Chronostichon:

„En! opVs hoC CIarVs ConstrVXIt SeVerin HoLbeC
InsIgul stVDIo seDVLItate CIta."
hat wahrscheinlich den Rektor Barth, der deutsche fromme Wunsch:
"Gott helfe, daß ich mag zu seinem Wohlgefallen
Bis an den jüngsten Tag in Ruh und Friede schallen;
Er schütze fernerhin mit seiner Gnadenhand
Die Kirch' in der ich bin, für Irrtum, Krieg und Brand."
den Organisten König zum Verfasser.

Die Schäferei gab 1026 Gülden 11 Gr. 8 Pf. Gewinn und galt der Stein Wolle 8 Gülden. An die Kurrentknaben ward für 23 Gülden 9 Gr. 3 Pf. Tuch verteilt. Der Scheffel Weizen galt im Oktober 30-32, der,Scheffel Roggen 25-26 Gr. 12 Scheffel Rübsaat wurden für 16 Gülden verkauft.


1699
Der Rat verpachtete am 11. März die Fischerei im Lober bei Benndorf an zwei Benndorfer Einwohner auf ein Jahr für 21/z Gülden mit der Bedingung, Fische und Krebse dem Rate anzubieten und die Mandel bester Krebse für 1 Groschen zu überlassen. Der Herzog Philipp Ernst von Holstein-Glücksburg traf mit Gemahlin und Gefolge am 5. April hier ein und die Bürgerschaft war im Gewehr. Im August ließ die Herzogin die Emporkirchen und Stühle der Stadt­kirche auf ihre Kosten durch den Hofmaler Winkler weiß anstreichen, den für die Dienerschaft bestimmten Teil des Fürstenchores vergrö­ßern und die Emporkirche über demselben, welche höher als der Schülerchor war, mit diesem in Gleichheit bringen. Derselbe Maler fertigte die Bibelverse an dem Fürstenchore und die Tafel bei der Sakristei mit goldener Schrift folgenden Inhalts:
„Hier Leser
Ist des Himmels Pforte
Die Gott nun fast 300 Jahr
Beschirmet hat an diesem Orte
Bey Feuer, Krieg und viel Gefahr.
Was aber macht nicht alt die Zeit?
Drum ist sie völlig renoviret,
Mit Orgel und Altar gezieret,
Durch uns'rer Fürstin Mildigkeit.
Ja was hier schönes nur zu nennen,
Das alles wieder siehet neu,
Legt man mit dankbarem Erkennen
Der großen Christiana bey.
Gott schreibe in dem Himmel an
Den theuren Nahmen dieser Frommen,
So wird auch auf die Nachwelt kommen
Was sie an ihm und uns gethan.
Und dir, du Wohnung der Gerechten,
Entzieh Gott nicht sein reines Wort,
Steht er bei seinen treuen Knechten,
Bleibt Delitzsch ein gewünschter Ort."

Im Jahre Christi 1406 hat man angefangen diese Kirche zu bauen und solchen Bau 1463 vollbracht. Zu der Zeit ist Pfarrherr allhier gewesen Hermann Westphal und Vorsteher Johann Schade und Mar­tin Halle. Ao. 1693 hat unsere alhier residirende gnädigste Herzogin, die Durchlauchtigste Fürstin und Frau, Frau Christiane, Herzogin zu Sachsen, Jülich, Cleve, Berg, Engern und Wesetphalen, geh. Her­zogin zu Schleswig-Holstein, des weiland Hochwürdigsten, Durch­lauchtigsten und Herrn, Herrn Christian des Aeltern, unsers Gott und Gerechtigkeit liebenden Landesvaters hinterbliebene Hochfürst­liche Frau Witwe auf eigene Unkosten die ganze Kirche renoviren, ihr fürstlich Kirchstübchen hereinbauen, und einen neuen kostbaren Altar verfertigen laßen. Ao. 1698 haben höchstgedachte Ihro Durch­laucht ein Großes zu Erbauung der großen Orgel beigetragen. Ao. 1699 haben Ihro Durchlaucht alle Emporkirchen und Stühle auf das Neue malen laßen. Zu der Zeit war Pastor und Superintendent Dr. Johann Conrad Sittig, Ihro Durchlaucht verordneter Hofprediger und Beichtvater, und Kirchenvorsteher Christian Hiersebrod, Bürgermeister."

Ein Einwohner von Jeßnitz, Martin Moritz, ward am 5. August von der Herzogin zu Fahung der Rebhühner in den Ämtern Delitzsch und Bitterfeld angenommen und erhielt zwei Groschen für das Stück. Der Apotheker Daniel Franke, des Chirurgen Georg Franke Sohn, ward von der Herzogin zum Hofapotheker ernannt, richtete die verschollene Herker'sche Apotheke wieder an und führte zur Abzeichnung das herzogliche Wappen mit goldenem Stern. Die zweite des Johann Schäfer hatte statt der vier Engelsköpfe in vier Schilden, deren sich die Seyfert'sche im 16. Jahrhundert bediente, den goldenen Engel gewählt. Der Besitzer der zweiten, Schäfer, widersprach zwar der Anlage dieser zweiten Apotheke und schützte vor, daß zwei Offizinen für den Ort zu viel wären, sich notwendig aufrieben, es blieb aber bei der dem Franke gegebenen Konzession und hatte dabei der Umstand, daß man in der Schäfer'schen Apotheke bei, der Re-, vision gerügte Mängel wiederfand, einen bemerklichen Einfluß. Zu gleicher Zeit entstand eine Druckerei, die der Hof ebenfalls begünstigte, angelegt von dem Buchdrucker Christian Koberstein, einem Sohne des Hufschmieds Georg Koberstein in Brehna, der sich auch Fürstlich-Sächsischer Hofbuchdrucker nannte und sein Geschäft mit dem Passions-Büchlein, darinnen enthalten die Historia des allerheiligsten Leidens und Sterbens Jesu Christi Aus denen vier Evangelisten, nebenst denen Passions-Gesängen, geistreichen Liedern, und hierzu erlesenen Seufzern, wie sie jährlich in den Kirchen abge­lesen und abgesungen werden. Delitzsch Verlegts Gottfried Fiedler Buchb. Gedruckt bey Christ. Koberstein, Fürstl. Sächs. Hofbuch­drucker daselbst. Im Jahr Christi 1700 (länglicht 120), begann, welches man zugleich für das erste, hiesige Gesangbuch annehmen kann. Im September war der Brigadier von Krah, der Geheimrat Stryck und der Prof. D. Hofmann bei der Herzogin und zu dem Geburtstage derselben fanden sich ein am 19. die regierende Herzogin von Zeitz, Marie Amalie mit Tochter (26 Personen und 23 Pferde). Die Söhne der Herzogin und die Merseburgische Herrschaft mit Gefolge (35 Per­sonen und 26 Pferde), welche sämtlich von der bewehrten Bürgerschaft empfangen wurde. An dem festlichen Mahle nahm dieses Mal auch der hiesige Geheimrat von Luckowen teil und stellte der Jahreskuchen einen Wald von 66 Tannenbäumen vor. Am 20. Oktober ward der Tagelöhner Martin Franze wegen Bigamie mit dem Schwerte hingerichtet. Im November erhielt die Herzogin von der Prinzessin Magdalene Si­bylle von Sachsen-Weißenfels Besuch, und zum Silvesterabend kam der Herzog Heinrich von Spremberg mit Gemahlin, Prinzessin und ungewöhnlich starkem Gefolge (29 Personen und 25 Pferde), der sonst und in der Regel fast ohne Bedienung war. Am 4. Dezember starb der Unterkämmerer Tobias Richter, 77 3/4 Jahr alt, Ratsherr seit 1685. Da man sich auf dem Reichstage vereinigt hatte, den bisher in den protestantischen Ländern beibehaltenen Julianischen Kalender mit dem besseren Gregorianischen durch Weglassung von 11 Tagen, vom 18. Februar künftigen Jahres ab, in Einklang zu bringen, so hielt man es für nötig, das Volk über diese auffallende Veränderung von den Kanzeln, zu belehren was denn auch hier am 4. Advents-Sonntage bei dem Früh- und Nachmittags-Gottesdienst geschehen ist. Der neue Schülerchor ward mit einem roten Tuche behangen, 7 Taler an Werte und aus der Kommpnkasse bezahlt. Die Fischerei gab 68 Gülden 1 Gr. 6 Pf., die Schäferei 773 Gülden 11 Gr. 3 Pf. Gewinn. Mehrere wüste Stellen der Vorstadt erhielten wieder Be­sitzer und wurden aufgebaut. An die Kurrentknaben verteilte man für 29 Gülden 7 Gr. schwarzes Tuch. Der Scheffel Weizen galt am 20. September 36 bis 37, der Scheffel Roggen 35-36 Groschen.


1700
An die Stelle des am 9. Januar gestorbenen Stadtmusikus David Wiederauf trat am 5. Februar der bisherige Stadtmusikus in 'Bitterfeld, Samuel Gressel, ein Sohn des vormaligen Organisten Gressel und erlangte, was seinem Vorgänger verweigert worden war, den Neujahrs-Umgang, erst in der Amtsvorstadt, später aber auch in der Stadt, nachdem der Widerspruch der Viertelsmeister, welche fürchteten, daß dieser Umgang, wie der dritte des Küsters, ein Recht werden möchte, durch herzogliche Verordnung beseitigt war. Da mit Einführung des verbesserten Kalenders in diesem Jahre nach dem 18. Februar 11 Tage ausfielen und nach diesem Tage gleich der erste März eintrat, so suchte das Mandat vom 6. März den möglichen daher entstehenden Irrungen in Rechts- und anderen Händeln vorzubeugen, wobei jedoch die mit einem bestimmten Tage anhe­bende und endende Trift und Hutung auf fremder Besitzung nicht ganz richtig auf 10 Tage verlängert ward. Auf dem Ausschußtage in Dresden vom 27. März. ab nahmen auch hiesige Abgeordnete teil. Am 2. Juni starb der Kaufmann Johann Christoph Meischner, seit 1679 Ratsmitglied und von 1697 an Bürgermeister, 60 1/2 Jahr alt an der Gicht, ein Biedermann, milder Geber und Wohltäter der Stadt. Man verstattete ihm eine' Grabstätte in der Stadtkirche vor dem Ratsstuhle, wo auch sein Denkstein am Pfeiler befindlich ist, und die Witwe zahlte für diese Auszeichnung der Kirche 100 Gülden aus. Er war in der Meißnischen Gebirgsstadt Stollberg am 27. Dezember 1639 geboren, Sohn des dasigen Kirchenvorstehers Gabriel M. und Enkel des Bürgermeisters Niedner, erlernte in Annaberg die Handlung unter beschwerlichen Umständen, ging, nachdem er sich durch Geschäftsreisen nach Böhmen, Schlesien und Ungarn tüchtig herangebildet , hatte, mit vorzüglichem Zeugnis nach Hamburg in eine Leinwand­handlung und unternahm im Jahre 1663, als man wegen Stockung des Handels die meisten Diener. auch ihn entließ, mit erspartem Gelde und Kredit gewonnener Gönner, ein eigenes Geschäft zur See, wobei er sich, ungeachtet zweimaliger Verunglückung, am Jahres­schlusse überraschend reicher sah. Wegen erbschaftlicher Angelegenheiten, die er in seiner Vaterstadt und hier mit dem Bruder, Johann Meischner, zu besprechen hatte, kam er im August 1664 hier an und da ihm der Ort, auch in kaufmännischer Hinsicht, gefiel, der Bruder zu bleiben nötigte, so gab er Gehör und war schon im Oktober ange­sessener Bürger, auch mit der Tochter des Ratmannes Gurre, Doro­thee, verbunden, glücklicher Ehemann. Er betrieb ein ansehnliches Geschäft, übergab es aber, als er sein einziges Kind, den Sohn Chri­stian, im siebenten Jahr verlor und nach einer Fußbeschädigung an öfteren Gichtanfällen kränkelte, seinem Diener, Michael Mehner, sich ausschließlich mit dem beschäftigend, was seiner Pflicht als Ratmann anvertraut war. In diesem anvertrauten Amte nützte er ungemein durch vielseitige Erfahrung, richtigen Blick in das Gewerbe- und Rechnungswesen,. durch Gerechtigkeit, Wahrheitsliebe und men­schenfreundlichen Sinn. Er stand deshalb bei den Vornehmsten und Ärmsten in hoher Achtung, die Fürstin nahm an seiner schmerz­haften Krankheit den innigsten Anteil und bei dem Begängnisse führte ihr Abgeordneter im Trauerwagen den Zug. In seinem eigen­händig geschriebenen Testamente vom 2. Mai 1699 stiftete er, um gewissen Personen jährlich zu Gottes Lobe, Christus und seines Vor­läufers Johannes Ehre einige Erquickstunden zu geben, ein Vermächtnis von 1100 Gülden, von dessen jährlichem Zinsbetrage nach seiner Vorschrift 4 fl. der Superintendent, 3 fl. jeder Diakon, 3 fl. jeder der vier Schullehrer, 8 fl. 12 Gr. die Schulknaben, jeder 1 Gr., 5 fl. der regierende Rat, 5 fl. die Kirche, 3 fl. der Kirchenvorsteher, 1 1/a fl. die Hospitalbrüder, 2 1/2 fl. der Organist, 2 1/2 fl. der Haus­mann (Stadtmusikus), 1 fl. 3 Gr. der Küster, 1 fl. 3 Gr. die Mägdlein Schulmeisterin, 2 fl. 3 Gr. die Schulmägdlein, 1/2 fl. die Gottesacker-. Armen (Armen des Siechhauses) jedesmal am Abende vor dem Johannisfest erhalten soll. Auch seiner Väterstadt Stollberg setzte er ein Legat von 240 Gülden, zu ähnlicher Verteilung der Zinsen aus. In der Gedächtnispredigt des Dr. Sittig: Die selige Herzensbefesti­gung der Gläubigen über Joh. 3, 16 (Delitzsch, 1700 Fol.), sowohl als in dem nach damaliger Sitte angehängten Gedichten wird ihm des­halb der gebührende Ruhm, doch hat der Nachruf des Rates:

So ist ein Regiment recht in der Stadt bestellet,
Wenn Gott Personen,setzt, die fromm und redlich sind.
Wo sich Gerechtigkeit mit Frömmigkeit gesellet,
Ein edles Haus sich selbst die Tugend Krpne windt.
Herr Meischner war der Art, von redlichem Gemüte.
Ein Mann von Gottesfurcht, ein Haupt und Zierd der Stadt.
Den Gott und die Natur aus ungemeiner Güte
Das Bild der Mildigkeit ins Herz gepräget hat.
Wer mehr von seinem Ruhm und Lebens-Lauf will wissen.
Der seh nur Kirch und Schul, benebst der Orgel an.
Ach! daß die Bürgerschaft dies Kleinod soll vermissen.
Ach daß der freche Tod hat diesen Riß getan!
Das ganze Rathaus kann wahrhaftig von Ihm zeugen.
Wie er den Ehren-Ruhm mit in die Grube nimmt
Daß er nicht wie ein Rohr sich ließ vom Winde beugen,
Daß die Aufrichtigkeit in seiner Brust geglimmt.
Was aber^werden wir, zum guten Angedenken,
Dir, aufgelöster Geist, zuletzt noch schuldig seyn?
Wir wollen unser Herz mit in die Gruft versenken,
Und dieses ist für dich der beste Leichenstein:
Geh', Ehrenvoller Mann, die reinen Himmelsgeister
Stehn da und warten Dein, sie wollen Dich erhöhn,
Wir wünschen, Delitzsch, dir viel solche Bürgermeister,
So wird dein Regiment in stetem Flor bestehn.
den Vorzug der Herzlichkeit.

Ein Dieb, Andreas Berger, ward am 13. Juli mit dem Strange hingerichtet. Am 31. Juli, abends, traf die Herzogin von Wolfenbüttel, Elisabeth Juliane, mit Gefolge (24 Personen 13 Pferde) hier ein und die Bürger­schaft war im Gewehr. Der Geburtstag der Herzogin ward dieses Mal am Michaelisfeste ge­feiert. Die Herzogin fuhr zum Frühgottesdienste in die Kirche, ihre Söhne, die Herzöge August und Heinrich mit ihren Gemahlinnen, der Herzog Christian Ulrich von Oelß und Abgeordnete des Hofes in Merseburg folgten ihr in Wagen und die Bürgerschaft stand auf dem Markte in Gewehr. Am 6. Oktober, abends nach 9 Uhr stach der Kammerjunker des Zörbiger Hofes Johann Eberhard von Hornegk den Kammerjunker hiesiger Herzogin Jobst Ernst von Reizenstein vor dem Amtshause meuchlerisch in die linke Seite. Der Verwundete starb noch in der­selben Nacht und ward am B. in der Gottesackerkirche links des Ein­gangs beigesetzt. Die schändliche Tat empörte allgemein, doch verhaftete man den Mörder erst am vierten Tage, verurteilte ihn in Ko­sten und Geldstrafe und gab ihn am 2. April des folgenden Jahres wiederfrei. Am 27. November, mittags nach 10 Uhr, starb an den Folgen wieder­holten Schlages der Geheimrat Georg Heinrich von Luckowenn im 73. Lebensjahr und ward am 3. Dezember in der ihm irüher schon verstatteten Begräbnisstätte vor dem Predigerstuhle der Stadtkirche beigesetzt. Er war am 25. Mai 1628 auf dem Rittergute Döbernitz, welches sein Vater Abraham von Luckowen besaß, geboren, erhielt bis zum 11. Jahre im elterlichen Hause Unterricht, kam aber, da sein Vater 1639 bei Oberau von Räubern erschossen ward, und der Mutter Magdalene Sibylle, einer geborenen von Miltitz aus dem Hause Schenkenberg in schwerer Kriegszeit elf unerzogene Kinder hinter­ließ, zu dem Bruder derselben, den Hof- und Justitien, später Ge­heimrat Haubold von Miltitz auf Scharfenberg, wo er mit zwei an­deren Miltitzen auf Siebeneichen und Burkersdorf, in Oberau erzogen und von dem, vorzüglich in Sprachen sich auszeichnenden Theophilus PistoAus, nachherigen Superintendenten hiesiger Stadt unterrichtet ward. Er studierte darauf vom achtzehnten Jahre an unter Führung des Mr. Lautenschlaeger, nachherigen Dekans in Mansfeld, der den Unterricht in griechischer und lateinischer Sprache fortsetzte, fünf Jahre in Leipzig und Straßburg die Rechte mit den Hilfswissen­schaften, in Straßburg hauptsächlich Geschichte und Politik. unter Bökler, Bernegger, Freinsheim, übte sich in Gerif ein halbes Jahr im Sprechen des Französischen und kam nach einer Reise durch Frankreich und Holland 1652 in seihe Heimat zurück, wo er der Mütter bei Wiedereinrichtung des durch den Krieg verwüsteten Gutes be­hilflich war. Bald, im Jahre 1654 übertrug man ihm die Erziehung der Söhne des Herzogs August, Administrators des Erzstiftes Magdeburg, wobei er auch bei der Regierung zu Halle als ernannter Hof­und Justitien-Rat tätig war. Er verwaltete dieses Amt mit Geschick­lichkeit und Treue, gab es aber im fünften Jahre auf, weil seine Gesundheit gänzlich zerrüttet war. In den Bädern hergestellt, trat er als Appellationsrat in den kurfürstlichen Dienst und auf Verlangen des Herzogs Christian in Merseburg 1663 als dessen Geheimrat an die Stelle des verstorbenen Geheimrates Stirling, wobei zugleich das schwierige Direktorium des damals gänzlich zerrütteten Kammerwe­sens seiner Einsicht, gewohnten Ordnungsliebe und Treue empfohlen ward. Er führte es, den widrigen Bestrebungen verkürzter Höflinge zum Trutz dem Ziele zu und konnte er auch Unmögliches nicht leisten, den erstorbenen Wohlstand zauberisch mit einem Schlage nicht erwecken, so gab er doch zu allmählicher Belebung wirksame Mittel an die Hand und stützte, was durch Unterstützung noch zu retten war. Auch hiesige, ihm von Kindheit an befreundete, durch Krieg und Brand verarmte Stadt war Gegenstand seiner Aufmerksamkeit, er erleichterte, was er rechtlich nur erleichtern konnte und half ihr im Jahre 1671 mit einem Darlehn von 1500 Gülden, auf das er im Geiste schon verzichtete, aus größter Verlegenheit. Neue Anfälle von Hypo­chondrie nötigten ihn, auch dieses Amt niederzulegen, wozu ihm der Herzog nur auf wiederholtes dringliches Anliegen Erlaubnis gab. Mit dem rühmlichsten Zeugnisse über seine Amtsführung ging er nun in den Privatstand über und lebte erst in Bitterfeld, dann auf seinem, ihm vom Herzoge geschenkten Gute Roitzsch und als er dieses wegen Verdrießlichkeiten mit den Nachbarn verkauft hatte, ein musterhaftes Leben in hiesiger Stadt. Zu jeder heilsamen Anstalt gab er reichliche Beiträge, zu dem Orgelbaue allein 100 Gülden und endlich setzte er in seinem Testament und Kodizille vom 1. Juli und 27. September 1699 für den Lehrstand der Stadt ein Legat, das wegen seiner Größe, an Betrage 6219 Gülden 1 Gr. Staunen erregte und bei der ersten Nachricht bezweifelt ward. Nach der Stiftung sollen von den Zinsen 100 Gülden die beiden Diakonen, 50 Gülden ein anzustellender fünfter Schullehrer, das übrige die vier älteren Schullehrer haben, dem Rate und Kirchenvorstehern aber die Verwaltung überlassen sein. Das Kapital hat sich in neuerer Zeit durch Agiotierung auf 6136 Taler 16 Gr. erhöht, sonst aber ist man durch Einziehung der fünften Lehrerstelle von der ursprünglichen Stiftung wesentlich gewichen. Er vermählte sich 1660 mit Magdalene Sophie Marschallin von Biberstein und, als diese 1684 starb, 1686 mit Anna Dorothea verwitweter von Lochau, geh. von Krosigk, lebte mit beiden glücklich,, hatte zwar keine Kinder, erzog. aber fremde und sein Vermögen fiel der Witwe und Seitenverwandten zu.. Die ihm am 29. Dezember gehaltene Gedächtnispredigt des Dr. Sittig: Der vergnügte Heimzug der Frommen über Apostel-Gesch.8, 39 ist hier bei Koberstein in größerem Formate gedruckt und derselben angehängt ein aus 4034 gereimten Versen bestehendes und mit vielen An­merkungen versehenes Gedicht des bekannten Liederdichters, Landesältesten und Bürgermeisters in Guben, Johann Francke, aus wel­chem der Schluß, welcher die Verdienste des Verstorbenen kürzlich fassen soll, zum Andenken beider eine Stelle hier finden mag.

„Er war wie Atticus
Auf Eintracht, gute Zucht und Mäßigkeit beflissen
Wo Schwelgerey sich fand, das war ihm ein Verdruß
Dem Ehrgeitz war er gram; der Hoffart noch weit darüber;
Von Heuchlern hielt er nichts, auch nichts von Streit und Zank;
Verläumdung war sein Feind, und war ihm niemand lieber,
Als der nach Gottesfurcht, und Ehr und Tugend rang.
In seiner Wirthschaft war er emsig und geflissen;
(Wenn ihm sein schweres Amt hieran nicht hätt geirrt)
Wer ganzen Ländern soll wohl vorzustehen wissen,
Derselb ist auch für sich zu Hauß ein guter Wirth.
So macht es Unsrer nun! und ließ Ihm drauf vergnügen,
Was Gottes Segen Ihm von Jahr auf Jahre gab,
Hat also Pilgrims-Art. Denn der ist schon gediegen,
Wenn er nur Zehrung hat, und Mantel, Hut und Stab.
Insonderheit den Geitz, die Wurzel alles Bösen,
Den hasset Unsrer mehr, als Ottern und als Gift,
Weil dieser Pest oft kann ein ganzes Land vernösen,
Und nichts als Unheil nur an hohen Höfen stifft.
Drum unser Pilgrim hielt nichts von Geschenk und Gaben,
hat auch die Seinigen hiervon stets abgewöhnt:
Denn (wo mans sagen darf) die schnöde Lust zu haben
Hat einen Nebenweg den Lastern vorgebähnt.
Das Bild der Redlichkeit, wenns bei Thebaner Helden
Ward künstlich ausgeschnitzt; das mußt ohn Hände seyn.
Wie Deutung ist bekannt. Soll ich die Wahrheit melden?
So trifft daßelbe Bild recht mit dem Unsern ein."

Das Haus des Luckowenn in der Hintergasse erbte der Bru­der, der Geheimrat, Landeshauptmann der Markgrafschaft Niederlausitz und Ober-Steuereinnehmer Cornelius von Luckowenn, auf, Döbernitz und Görsdorf, welcher es im folgenden Jahre an den Diakon Mr. Doebler verkaufte. Für die Kirche in Dommitzsch ward eine Kollekte ausgebracht und den in den Häusern gesammelten Beiträgen ein Taler aus der Kommunkasse zugelegt. Der Rat ließ den Weg im Rosentale bessern, kaufte in kur­fürstlicher Heide 104 Stämme zu nötigen Bauen und gab dem Musikdirektor. und Kantor Johann Schelle in Leipzig für einen Jahrgang kirchlicher Musikstücke ein ansehnliches Geschenk. Für 26 1/2 fl. Tuch ward an die Kurrentknaben verteilt. Die Schäferei gab in diesem Jahre 1009 Gülden Ertrag, die Fischerei 69 1/4 Gülden, 409 1/2 Gülden betrug der Erbzins von Stadt und Dörfern, 43 Gülden das Stättegeld der drei Jahrmärkte, 80 Gülden der Pacht des Dübischen Werders und 5 Gülden der Salzzoll. In den Bänken hielten feil 11 Fleischer, 13 Bäcker. 20 Schuhmacher, 7 Tuchmacher, 1 Lohgerber und zwei Böttcher. Der Scheffel Weizen galt im August 28, im September 27 Groschen und soviel auch am 23. Dezember; der Scheffel Roggen im August 25. im Dezember 19 Groschen.


1701
Seit dem Jahre 1699 stritt man viel über den Eintritt des neuen Jahrhunderts, mündlich und schriftlich, festlich empfangen ward es nicht. Die Zinsen von den Kapitalen, welche die Stadt früher auf ihren Namen für die Fürsten erborgen mußten, betrugen jährlich 515 Gülden 5 Gr. 6 Pf. und wurden vor dem Kriege aus der Steuer vergütet, während des Krieges im Rückstande gelassen, nach dem Kriege aber der Stadt verweigert. Man wendete sich deshalb am 7. März an die Herzogin in Merseburg und bat um Vermittlung, daß diese der Stadt zur Ungebühr aufgelegte Last entnommen, die Steuer zu Annahme einer Kompensation angehalten werde, es war aber auch dieses Un­ternehmen, wie alle frühere bittliche und rechtliche Anstrebungen, bei Unzulänglichkeit der Steuer zu den täglich höher steigenden Bedürfnissen des Staates, gänzlich fruchtlos. Am 20. Mai, nachmittags 5 Uhr, starb nach mehrwöchentlicher Kränklichkeit, auf hiesigem Schlosse die Herzogin Witwe Christiana, in Gegenwart des Herzoges August, dessen Gemahlin, der Witwe Herzoges Philipp und der Prinzen von Merseburg, die einige Tage vorher schon hier eingetroffen waren. Sie war die Tochter des Her­zoges Philipp von Holstein-Glücksburg, am 22. September 1634 in Dänemark geboren, Seit 1650 vermählt und bis zu ihrem Witwen­stande eine glückliche Gattin und Mutter, am Abende des Lebens aber durch den Verlust der Geliebtesten, wie sie im Bilde der Kirche sich ausgesprochen, vom Schwerte, das durch die Seele dringt, un­heilbar verwundet. Die Leiche ward am 22. in der schwarzbehangenen Schloß-Kapelle bei Wachskerzen-Beleuchtung und Wappenverzierung zur Schau gestellt, Hofdiener höheren Ranges und Damen bewachten das In­nere, zwei in Trauermäntel verhüllte Bürger mit Partisanen die Tür. Das Trauerläuten zwischen 10 und 11 Uhr' dauerte bis zur Gedächtnisfeier am 4. Juli und am 5. begleiteten Bürger die irdische Hülle der hochachtbaren Wohltäterin nach Merseburg. Mit dem Abschiede dieser Fürstin, die ihr Bild der Kirche, die ihr so viel verdankte, doppelt hinterließ, ward es zwar still in der Stadt, es blieben aber geschickte Künstler und Handwerker und schon die Druckerei mit ihrem Bücherkrame war etwas, war ihr vor vielen Orten gleicher Größe ein Ansehen gab. Wegen Abführung der fürstlichen Leiche ward der Fahrweg vor dem Kohltore und gleich darauf der Steinweg vom breiten bis zum Galgtore mit einem Aufwande von 367 1/4 Gülden neu gepflastert. Der Superintendent Dr. Sittig, welcher mir der Fürstin wegen hier­her kam, ging nun als Konsistorial-Rat und wirklicher Assessor des Stifts-Konsistorium zur Unterstützung seines Vaters nach Merse­burg zurück und die Stadt war so glücklich, daß ihr, auf des Rates Gesuch, der ihm vom Dr. Krausold angepriesene, schon damals zu den vorzüglicheren Theologen gezählte Dr. Valentin Ernst Löscher, Superintendent in Jüterbog, zu dessen Nachfolger gegeben ward. Er hielt am 17. Sonntage die Probepredigt zur allgemeinen Freude, wo­bei sich jedoch die Bürgerschaft, der es geschienen hatte, als ob ihn das Sprechen auf der Kanzel anstrenge, durch ihre Stellvertreter besorglich aussprach. In diesem Jahre errichtete auch der bisherige Gehilfe des Buchdrukkers Koberstein, Christian Vogelsang, in Seyda eine eigene Officin, die sich später durch gute Drucke für Leipziger Buchhändler auszeichnete und nicht nur der Kobersteinischen, sondern auch einer dritten, die sich hier ansiedeln wollte, verderblich ward. Die Kurrentknaben erhielten für 25 Gülden Tuch. Die Schäferei gab 894 Gülden-Gewinn. Der Scheffel Weizen galt im März 20, im Juni 25, der Scheffel Roggen im März 16 auch, 17, im Juli 14 und 15 Groschen.


Delitzscher Stadtchronik - 1702-1934

(Quelle: Delitzscher Stadtchronik, bearbeitet von Prof. Dr. Schirmer nach August Reulecke; Teil VII, 1700-1934; hrsg. vom Kreismuseum Delitzsch 1991.)

Einleitung

Nach den unerhörten Opfern unserer Stadt im 17. Jahrhundert und besonders im Dreißigjährigen Krieg, durch den die Bürger sehr zu leiden hatten und Jahrzehnte benötigten, um das Delitzscher Gemeinwesen wieder zur Blüte zu bringen, erfuhren sie auch im 18. Jahrhundert erneut schwere Belastungen. Die Ursachen dafür waren vor allem die ständigen kriegerischen Auseinandersetzungen insbesondere für Sachsen, be idenen von de rStadt Kontributionen verlangt wurden. Ganze Regimenter und größere militärische Verbände nahmen in Delitzsch Quartier. Sie waren sowohl kurzfristig als auch über längere Zeiträume durch die Stadtbevölkerung zu versorgen. Dafür sprechen die in dieser Chronik ausgewiesenen Tatsachen, von denen zusammenfassend hier einige genannt werden sollen:
Im großen Nordischen Krieg von 1700 bis 1721 beherbergte die Stadt ein schwedisches Dragonerregiment für ein volles Jahr, mußte dafür 31 000 Taler aufbringen und   zusammen mit der dem Lande Sachsen auferlegten Kontribution nochmals 31 000 Taler. Im 1. und 2. Schlesischen Krieg unter Friedrich II. von Preußen mußte Delitzsch neben der zeitweisen Versorgung mehrerer Regimenter auch Soldaten und Pferde stellen. Im Siebenjährigen Krieg steigerten sich dann die Anforderungen nochmals erheblich. Neben der Versorgung hier stationierter Regimenter wurden unerschwingliche Kriegssteuern verlangt. Zeitweise waren 15 000 Preußen in und um Delitzsch einquartiert. 1760 und in den folgenden Jahren waren sowohl Österreicher als auch Preußen zu versorgen und darüber hinaus große Summen an Kriegskosten aufzubringen, so 1760 15 000 Taler und 1762 nochmals 15 000 Taler. Die Stadt mußte die Summen zum großen Teil borgen und war stark verschuldet. Auch im Bayrischen Erbfolgekrieg 1778/79 gab es neuerliche Belastungen durch Kriegsschulden und Stationierungskosten. Es nötigt großen Respekt ab, wie die Bürger der Stadt mit diesen hohen Lasten fertig wurden, bis dann der Magistrat 1786 erklären konnte: "Das Kriegsschuldentilgungssystem ist beendet!". Im gleichen Jahrhundert traten noch andere Probleme auf, die Reulecke sorgsam zusammengetragen hat. Seine Feststellungen nennen Wetterkatastrophen, schlechte Ernten durch Dürre und Hitzeperioden, mehrfache Überschwemmungen bis hin zur Hungersnot wie im Jahre 1720. Der Blitzschlag traf mehrere Male wichtige Gebäude, so den Breiten Turm 1707 und den Schloßturm im Jahre 1789. Zum Glück zündeten die Einschläge nicht. Herausragende Ereignisse dieses Jahrhunderts waren für die Stadt u.a. die Wiederherstellung der Marienkirche 1721; die Errichtung der Postsäule auf dem Roßplatz 1730; das Einebnen des um die Altstadt herum führenden Walles zur Promenade, wie sie noch heute besteht und die Instandsetzung der Stadtmauer. 
Wesentlich für die Stadt dürfte auch gewesen sein, daß sie nach dem Wiederaufbau des Schlosses hohe Persönlichkeiten damaliger Zeit beherbergte, so die Herzoginwitwe Henriette Charlotte, die bis 1734 hier wohnte und hier verstarb. Teilweise nahmen Quartier oder rasteten bei der Durchfahrt Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Merseburg mit Gemahlin, Herzog Heinrich von Merseburg, der russische Großfürst Alexius Petrowich und Prinz Heinrich von Preußen. Im 19. Jahrhundert hatte die Stadt im Zusammenhang mit dem Freiheitskrieg gegen Napoleon sehr viele Truppendurchmärsche erlebt und Kontributionen zu erbringen, die in ihrer Summe über die Möglichkeiten der Stadt hinausgingen und erneut zu enormen Verschuldungen führten. Gefordert wurden z. B. von den preußischen und russischen Truppen 1813 100 Pferde, 20.000 Pfund Fleisch, große Mengen an Korn, Hafer, Heu, Branntwein, Hülsenfrüchte. Als französische Truppen in Delitzsch einquartiert waren, gab es unerschwingliche Forderungen an Lebensmitteln. Dann verlangte auch noch die königlich-sächsische Armee vielfältige Lieferungen zur Versorgung ihrer Truppen. Mit jeder dieser Lieferungen geriet die Stadt tiefer in die Schulden. Unmittelbar vor der Entscheidungsschlacht bei Leipzig besetzten drei französische Korps die Stadt. Das führte zu besonders schweren Belastungen. Nach dem Abzug der Franzosen waren fast alle Getreidevorräte sowie alles Vieh verloren. Hinzu kam die Versorgung sehr vieler Verwundeter, ganz Delitzsch glich einem Lazarett. Erneut muß man bewundern, wie die Stadt mit all diesen Problemen fertig wurde, bis 1839 der letzte Rest der Kriegsschulden abgetragen war. Jahre nach dem Befreiungskrieg trat ein enormer Aufschwung in unserem Gemeinwesen ein. Das hing damit zusammen, daß sich die Technik auf Grund zahlreicher Entdeckungen stark entwickelte und sich ein Aufschwung in der kapitalistischen Produktionsweise vollzog. Am 1. Februar 1859 wurde die Eisenbahnlinie Berlin-Magdeburg-Leipzig in Betrieb genommen, der Berliner Bahnhof entstand an der ehemaligen Richtstätte. 1872 kam die Eisenbahnverbindung Halle-SorauGuben hinzu und es entstand der Sorauer Bahnhof. Für die industrielle Entwicklung war bedeutsam, - daß Karl August Freyberg im Jahre 1817 die Apotheke "Zum Weißen Adler" als Keimzelle der späteren chemischen Fabrik übernahm; - daß in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Kreissparkasse, eine Stadtsparkasse und der Vorschußverein, die spätere Vereinsbank gegründet werden; - daß ferner die Walzenmühle entsteht, eine Gasanstalt gebaut wird, die Schokoladenfabrik Böhme-AG 1894 in Erscheinung tritt und 1896 die Dampfmolkerei. Dennoch waren es im Vergleich zu anderen Städten wie z.B. Eilenburg erst bescheidene Anfänge einer industriellen Entwicklung in Delitzsch, aber sie waren von nachhaltiger Bedeutung. Die Stadt erlebte einen beachtlichen Aufschwung. Vieles wurde neu gebaut, so vier Schulen, das Postamt, das Lehrerseminar, das Krankenhaus, die städtische Badeanstalt, die "Herberge zur Heimat". Man befestigte die Straßen, nahm die Straßenbeleuchtung in Angriff, desgleichen die Kanalisation. Das Rathaus erhielt ein 2. Obergeschoß und die "schiefe Brücke" über den Stadtgraben wurde geschaffen. Die Einwohnerzahl erhöhte sich, 1841 betrug ihre Zahl 4533, der Wohlstand wuchs. Beispiele des allgemeinen Aufschwungs waren: der Bau des Forsthauses in der Spröde; zu den 1841 bestehenden 39 Schankstätten, Kaffee- und Weinhäusern, Restaurationen und Gasthöfen kamen hinzu der Gasthof "Zur Grünen Linde", "Stadt Leipzig", "Stadt Berlin" und der "Schützenhof" mit den Schießständen; das "Birkenwäldchen" wurde angepflanzt; der neue Friedhof eröffnet; die Linden auf dem Markt wurden gepflanzt; der Heiligbrunnen wurde erneuert, die Quelle gefaßt, so daß es nun ununterbrochen fließen konnte; das Denkmal des berühmten Sohnes der Stadt Hermann Schulze-Delitzsch, hier 1808 geboren, wurde am 13. September 1891 enthüllt.
Mehrfach trat wieder Hochwasser auf, Stürme und Witterungsunbilden waren zu verzeichnen, zweimal schlug der Blitz in die Stadtkirche ein, ein entstehender Brand konnte gelöscht werden. Durch die Cholera wurden 1866 einundzwanzig Personen dahingerafft. 1845 wurden der erste Turnverein und der erste Gesangsverein gegründet. Das 20. Jahrhundert begann für die Stadt recht verheißungsvoll. Es wurden das Wasserwerk, der Wasserturm und das Rohrnetz für die Wasserversorgung, die Friedhofskapelle sowie die Kläranlage an der Naundorfer Mühle gebaut. Das Reichsbahnausbesserungswerk entstand und bot vielen Arbeitern neue Verdienstmöglichkeiten. Man baute Wohnungen, so im Norden der Stadt (Bläkendorf), in der Bitterfelder Straße, der Angerstraße. Man setzte die Straßenpflasterungen fort, erneuerte die Hospitalkirche, baute die Luisenschule und die Kohltorbrücke. Diese günstige Entwicklung wurde 1914 durch den Ausbruch des ersten Weltkrieges unterbrochen. Menschenverluste, Hunger und Not waren die Folgen. Die weiteren Ereignisse bestimmten maßgebend das Geschehen in unserer Stadt: Die Revolution von 1918 mit der Abdankung des Kaisers Wilhelm II. von Preußen sowie die krisenhafte Entwicklung bis hin zur Inflation. Die einfachen Bürger der Stadt verloren ihre Ersparnisse, das Arbeitslosenheer wuchs an, die Weltwirtschaftskrise hatte verheerende Auswirkungen und schließlich begann 1933 die Herrschaft der Nationalsozialisten. Vor allem durch die zu zahlende "Wohlfahrtsunterstützung" für die Arbeitslosen verschuldete die Stadt erneut. Im Jahre 1932 waren 346.000 Mark im Haushalt ungedeckt, davon allein 312.000 Mark für Wohlfahrtszwecke. Mit dem Jahre 1934 enden die Aufzeichnungen Reuleckes, dem wir für seine verantwortungsvolle Arbeit viel verdanken. Künftigen Heimatforschern und Chronisten wird es obliegen, die Chronik über das Jahr 1934 hinaus fortzuführen.
Alfred Schirmer
Hinweis: Reulecke hat den vorliegenden Chronikteil 1933 geschrieben. Unter diesem Aspekt muß beachtet werden, wenn er von "heute" spricht.


1700
Der große Nordische Krieg. Rußland unter Peter dem Großen, Polen-Sachsen unter August dem Starken, ferner Dänemark und von 1713 an auch Preußenunter Friedrich Wilhelm l. gegen Schweden unter dem jungen, aber kriegsgewaltigen König Karl XII. Dieser besiegt zunächst die Dänen und zwingt sie zum Frieden, besiegt dann die Russen bei Narva und wendet sich hierauf gegen König August II., genannt der Starke, von Polen, Kurfürsten von Sachsen, schlägt diesen in mehreren Schlachten, dringt durch Schlesien in Sachsen ein und erzwingt 1706 den Frieden zu Altranstädt bei Leipzig, worin August Il. auf Polen verzichtet. Kursachsen hat den Winter über für Unterhalt und Sold des schwedischen Heeres zu sorgen. Delitzsch muß aufgrund dieses Vertrages ein schwedisches Dragonerregiment, das in die Stadt einrückt, ein volles Jahr lang unterhalten, über 31 000 Taler aufbringen und die gleiche Summe zu der dem Kurfürstentum von Karl XII. auferlegten Kontribution zahlen.


1702
Die Ernte verregnet im Sommer dieses Jahres vollkommen, so daß das Getreide auswächst. - König August der Starke wird bei Klissow vom König Karl XII. von Schweden geschlagen.


1703
Karl XII. siegt abermals über August den Starken, bei Pultusk, worauf letzterer als König von Polen für abgesetzt erklärt wird.


1705
Der Monat Mai ist ungewöhnlich kalt. Am 25. und 26. genannten Monats fallen solche Unmassen Schnee, daß das schon in Ähren geschossene Korn zu Boden gedrückt und so bedeckt wird, daß nichts mehr davon zu sehen ist. In den Wäldern werden durch die Schneelast den belaubten Bäumen die Äste herabgebrochen. Trotzdem jedoch ist die Ernte sehr reichlich.


1706
Der Sommer bringt eine langanhaltende Hitze. Fast alle Gewässer trocknen ein, und die Wassermühlen stehen still. An verschiedenen Orten kann man ungehindert durch Mulde und Elbe gehen. - Superintendent Löscher verordnet am 16. September, daß die Pfarrer seiner Ephorie die Kelche, Pateneu, Kirchenrechnungen und neuangeschaffte Bücher in die hiesige Stadtkirche zu bringen haben. Auch die Akten der Superintendentur werden in das Feuergewölbe der Stadtkirchegebracht. Tags darauf (am 17.) rückt unter dem Obersten Dücker ein schwedisches Dragonerregiment in Delitzsch ein und bleibt fast ein ganzes Jahr lang hier liegen. Oberst Dücker nimmt auf dem Schlosse Quartier und brandschatzt die Stadt in empfindlicher Weise. Am 30. Dezember werden einige gestorbene Schweden von ihren Kameraden auf dem Friedhofe verscharrt.


1707
Der Superintendent Dr. Löscher geht als Professor an die Universität Wittenberg. 1709 wird er als Superintendent an die Kreuzkirche nach Dresden berufen. Am 12. Februar 1749 stirbt er dort als Konsistorialrat. Der Blitz schlägt in den Breiten Turm und richtet großen Schaden bei dem Tümer (Stadtpfeifer) und dessen Gesellen an. Am 7. und B. Juni kommt König Karl XII. von Schweden nach Delitzsch zur Besichtigung seines Dragonerregiments Dücker, die auf dem Schützenplatze stattfindet. Einem im hiesigen Ratsarchive aufbewahrten Berichte über des Monarchen Person ist folgendes zu entnehmen: "Aus des Königs kurzem krausem mit kleiner Permque bedecktem Haupthaare, aus seiner sonderbaren Kleidung (Indem er einen schwarzen Flor um den Halß und einen geringen blautuchenen Rock am Leibe, darunter ein gemein ledernes Camisohl und lederne Hosen trog) item seinen sonderlichen Geberden, Reden und Gesichtslineamenten spürte man einen hohen, sonderlichen Humour und Geist in ihm, welchen der Strafhand Gottes seithero zur Zornrute wider Sachsen gebraucht hat" Am 1. September rückt das Dragoner-Regiment Dücker aus Delitzsch ab. Karl XII. wendet sich zurück nach Rußland, wird aber am B. Juli 1709 in der Schlacht bei Pultawa von dem russischen Zaren Peter dem Großen vernichtend geschlagen. Er flüchtet nach der Türkei und bleibt dort 5 Jahre, während welcher Zeit der Krieg im Norden weitergeführt wird. Auch Sachsen beteiligt sich wieder.


1709
Johann Friedrich Böttcher erfindet das Porzellan. Im Januar dieses Jahres tritt eine ungewöhnliche Kälte ein, die vier Monate andauert. Vielen Menschen erfrieren teils Nase und Ohren, teils Hände und Füße. In den Wäldern geht das Wild zugrunde, ebenso Vögel in der Luft und Fische im Wasser.


1710
Gründung der Porzellanmanufaktur Meißen.


1711
Der russische Großfürst Alexius Petrowitz kommt am 19. September nach Delitzsch und wohnt dort im "Goldenen Ring" auf dem Markte. Nach eintägigem Aufenthalte reist er nach Hannover weiter.


1712
Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Merseburg, der sich am 2. November 1711 mit der Prinzessin Henriette Charlotte von Nassau-Idstein vermählte, wird mündig und übernimmt die Regierung. Er geht mit seiner Gemahlin nach Delitzsch und verbringt dort den Herbst und Winter. Der sächsische Kurprinz tritt wie sein Vaterzum katholischen Glauben über.


1713
Das junge Herzogspaar reist im Frühjahr nach Dobrilugk in der Niederlausitz und macht von da aus einen Besuch bei seinem Oheim, dem Herzog Heinrich von Spremberg, begibt sich aber bald wieder nach Dobrilugk, und nach einem Aufenthalte von wenigen Wochen im dortigen Schlosse kehrt er nach Delitzsch zurück, wo er den ganzen Rest des Jahres verbleibt.


1714
Im Frühjahr gehen Herzog Moritz Wilhelm und Gemahlin wieder nach Merseburg und bleiben dort ständig, abgesehen von noch einigen Reisen, die sie nach der Lausitz, nach Schkeuditz, Lauchstedt, Lützen und Karlsbad unternehmen.


1715
Am 27. März stirbt Herzog August, der älteste der beiden noch lebenden Oheime des regierenden Herzogs Moritz Wilhelm, in Zörbig ohne männliche Nachkommen.


1716
Am 17. März erscheint ein Nordlicht, das längere Zeit des Nachts sichtbar bleibt und die Häuser rot erleuchtet. Allgemein glaubt man, da man von einer solchen Erscheinung bis dahin nichts gehört und gesehen, der jüngste Tag breche an. Ein von Schönfeld auf Beerendorf zahlt in diesem Jahre 6 Gulden Pacht für Benutzung eines Schüttbodens auf hiesiger Gottesackerkirche.


1717
Von Lindenau auf Döbernitz pachtet den zweiten Schüttboden dieser Kirche.


1718/19
Im Sommer 1718 macht sich eine furchbare Hitze geltend. Fünf Monate lang fällt kein Regen. Im Mai 1719 tritt ebenfalls große Dürre ein, die bis Juli anhält, weshalb ein großer Teil der Ernte verloren geht und die Getreidepreise zu ungewöhnlicher Höhe ansteigen. Jedoch ist der Wein sehr gut.


1720
Estritt in diesem Jahre eine schreckliche Hungersnot ein. Der Scheffel Kom (Delitzseher Maß) gilt 2 Taler 12 Gr. Die Brauerei stellt eine Zeitlang das Brauen ein, da es an Malz fehlt. Viele Arme gehen aufs Land betteln.


1721
Die Stadt wird von einer Heimsuchung betroffen, wie solche seit 60 Jahren nicht erhört wurde. Von einer sehr erheblichen Wasserflut werden ganze Stadtteile überschwemmt, wodurch viele Gebäude zu Schaden kommen.


1722
Der Januar ist so außergewöhnlch warm, daß man in unserer Gegend überhaupt nicht einzuheizen braucht. Im Februar blühen sämtliche Bäume.


1726
In den ersten Monaten herrscht große Kälte vor; dann aber folgt ein sehr dürrer und heißer Sommer, so daß es im Mai heißer ist, als es in den Hundstagen zu sein pflegt. Da es auch den ganzen Sommer über nicht regnet, gibt es einen starken Mißwachs, vornehmlich an Sommergetreide. Dagegen ist wieder ein gutes Weinjahr.


1729
Die nach Angabe von Zeitgenossen damals fast einem finsteren Schafstalle gleichende Marienkirche (heute Kriegergedächtniskirche) wird von dem Dr. jur. utr. Christian Schultze, Syndikus der Ritterschaft in den Aemtern Delitzsch, Bitterfeld und Zörbig, Erbherm auf Niemegk, unter Aufwendung von 2000 Talern vollkommen wiederhergestellt. In seinem Testamente vom 29. März 1729 setzt Dr. Schultze zugleich ein Legat von 6000 Talem aus zum Besten der studierenden Jugend, des Hospitals und der Armen.


1730
Die wiederhergestellt Gottesackerkirche wird am 2. Februar, dem Feste Mariä Reinigung, mit Musik, Gesang und Predigt geweiht. In einem Kodizille vom 16. Februar bedenkt Dr. Schulze die Kirche noch mit 500 Tälern zu einem Baufonds. Am 1. Oktober stirbt dieser freigebige Wohltäter der Kirchengemeinde bereits auf seinem Rittergute Niemegk an Blutsturz. Seine Leiche wird am 4. Oktober mit einem Fackelzuge, jedoch in aller Stille, in dem Erbbegräbnis beigesetzt, daß er sich in der Marienkirche errichtete. Am Hauptportale der Kirche befindet sich sein künstlerisch ausgestaltetes, für unsere Begriffe freilich etwas überladenes Epitaphium. - Inmitten der Esplanade (heute Roßplatz) wird aus Sandstein eine Postsäule errichtet, die den Reisenden als Wegweiser mit Angabe der Orte nach Stundenentfernung dienen soll. Der Platz erhält von da an den Namen "Platz an der Postsäule". (Erst später, im Laufe des vorigen Jahrhunderts, wird dieser Name in "Roßplatz" umgetauft, weil dort die Pferde der Leipzig-Zerbst-Wittenberger Post ausgewechselt wurden, "derweil die Reisenden im "Weißen Roß" zur Weiterfahrt sich stärkten".)


1731
Herzog Moritz Wilhelm stirbt vorzeitig und kinderlos, erst 43 Jahre alt. Im Volke hieß er der "Geigenherzog" wegen seiner Leidenschaft für Geigen allerArt, wovon ereine reichhaltige Sammlung besaß. Seine hinterlasseneGemahlin, die Herzoginwitwe Henriette Charlotte, erwählt sich ebenso wie die Großmutter des Herzogs Schloß Delitzsch zum Witwensitz und bezieht dieses am 30. November.


1732
Der in Leipzig als Lohnkutscher in Diensten stehende Handarbeiter Görlitz aus Holzweißig, der mit 4 Pferden den Obersten de Caila von Leipzig nach Delitzsch gefahren und in der Nacht (vom 24. zum 25. November) zurück reitet, gerät vom Wege ab und im B rodenaundorfer Grunde in die sumpfige Tiefe, noch heute, obwohl vor länger als einem Jahrhundert schon ausgefüllt, genannt "der tote Mann", und versinkt darin mit allen vier Pferden. Letztere zieht man am anderen Morgen heraus, was nur mit Hilfe anderer Pferde geschehen kann. Der Kutscher wird zwar auch dem saugenden Moraste entrissen, stirbt aber, tödlich verletzt, unter den Händen seiner Retter. Das zuständige Gericht (Zschortau) läßt ihn, da seine hinterlassene Witwe und sonstigen Verwandten die Begräbniskosten scheuen, im Beisein vieler Leute unter einem Weidenbaume begraben.


1733
Der Blitz schlägt am Bußtag ein die Hofmeisterei eines Gertitzer Gutes, das dem derzeitigen Superintendenten, Mr. Streng, Nachfolger des 1707 verstorbenen Superintendenten Dr. Löscher, zugehört. Außer der Hofmeisterei brennen auch die Ställe und Scheune nieder.


1734
Am B. April stirbt, erst 40 1/2 Jahre alt, auf hiesigem Schlosse die um ihres wohltätigen Sinnes willen im Volke sehr verehrte Herzoginwitwe Henriette Charlotte. Am 4. Mai, abends, wird sie, ihrem letzten Willen entsprechend, ohne alles Gepränge in der hiesigen Stadtkirche am Altare beigesetzt. Die Kirche erhält bei ihrem Begräbnisse 200 Täler, und die gleiche Summe wirdunter die Armen verteilt- Außerdem macht sie in Gemäßheit eines ihren letztwilligen Verfügungen angehängten Kodizills vom 11. Februar 1734 eine Stiftung von 4000 Talern,deren Zinsen zur Errichtung der Stelle eines Katechismuspredigers dienen sollen.


1735
Am 15. Juni trifft der 71jährige Herzog Heinrich von Merseburg mit seiner Gemahlin Elisabeth in Delitzsch ein, um hier die Brunnenkur zu gebrauchen. Er wird mit großem Gepränge von den Spitzen der Bürgerschaft und den Schützen eingeholt. An einer zu Ehren des Herzogspaars errichteten, 26 Ellen hohen Ehrenpforte stehen 76 festlich geschmücktejunge Mädchen zum Empfange bereit, desgleichen 84 Knaben, letztere mit Gewehr, fliegender Fahne und Musik. Der von sechs Rappen gezogene herzogliche Wagen wird unter schallender Musik von Bürgern, Schützen, Knaben und Mädchen bis auf den Schloßplatz begleitet, wo die Bürger drei Salven abgeben. Hierauf machen die Behörden ihre Aufwartung, und das Kollegium Musicum (Kantorei) bringt eine Abendmusik. Das Fürstenpaar weilt bis zum B. Juli hier, und während dieser Zeit jagt ein Fest das andere. Insbesondere das am 21. Juni veranstaltete Schützenfest, an dem der Herzog teilnimmt und den Königsschuß abgibt, verläuft glanzvoll. Der um die Altstadt herumführende Wall wird zur heutigen Promenade eingeebnet. Sie führt zunächst den Namen "Stadtgrabenweg". Später "Ernteund Heuweg", auch "Stadtgrabenallee", "Lindenallee" oder kurz "Allee".


1738
Herzog Heinrich stirbt auf seinem Lieblingsschlosse Dobrilugk, 77 Jahre alt, am 28. Juli. Vier Wochen darauf folgt ihm seine Gemahlin nach. Mit ihm erlöscht das Herzoglich-Sächsisch-Merseburgische Haus. Stadt und Schloß Delitzsch fallen damit wieder an Kursachsen zurück, wo nach dem 1733 erfolgten Tode August des Starken dessen Sohn Friedrich August Il. Herrscher ist, zugleich auch wie sein Vater König von Polen.


1739/40
Entsetzlicher eisiger Winter. Am 18. November 1739 beginnt es so zu stürmen und zu schneien, daß am nächsten Tage tiefere Stellen manneshoch mit Schneebedeckt und alle Verkehrswege gehemmt sind. Zugleich tritt harter Frost ein, der sich nach dem Weihnachtsfeste verstärkt. Am 9. 11. Januar steigt die Kälte bis zum Unerträglichen. DiehärtestenTage dieses furchtbaren Winters sind 24.-27. Januar und 23.-28. Februar. Vom 29. November 1739 bis in den März 1740 kommt es nicht ein einziges Mal zum Tauen. Zur Erinnerung an diese Notzeit wird eine Denkmünze geprägt.


1740/42
Erster schlesischer Krieg und im Anschlusse an das preußische Vorgehen der Österreichische Erbfolgekrieg, der bis 1748 dauert und dadurch hervorgerufen wird, daß die Kurfürsten von Bayern und Sachsen sowie König Phillipp von Spanien, für den als Sproß des französischen Hauses Bourbon Frankreich eintritt, die sogenannte "Pragmatische Sanktion°, durch die der letzte deutsche Kaiser aus dem Hause Habsburg, Karl VII., in Ermangelung eines männlichen Erben seiner Tochter Maria Theresia die Nachfolge in der Herrschaft über die österreichischen Erblande sichern gewollt, nachdem im Oktober 1740 erfolgten Tode dieses Kaisers nicht anerkennen und selbst Erbansprüche erheben, Kurfürst Friedrich August von Sachsen, z.B. als Gemahl von Maria Josepha, einer Tochter des früheren Kaisers Joseph I. So geschieht es, daß Sachsen zunächst an der Seite des Preußenkönigs steht nach dessen Siege über die Österreicher bei Mollwitz die sächsischen Truppen gleichzeitig mit den Preußen in Böhmen einrücken. Zu diesem kriegerischen Vorgehen müssen auch die Untertanen des Amtes Delitzsch 30 Pferde stellen, und 14 Knechte werden ausgelöst. Da Maria Theresia jedoch mit den Preußen am 9. Oktober 1741 einen Waffenstillstand schließt, vereinigen sich die Sachsen alsbald mit den auch in Böhmen eingedrungenen Franzosen und Bayern und erobern gemeinsam mit denen Prag, wo sich der bayrische Kurfürst Karl Albert als König von Böhmen huldigen läßt. Dieser wird bald darauf (am 24. Januar 1742) auf Betreiben Preußens und Frankreichs in Frankfurt a.M. zum deutschen Kaiser gewählt unter dem Namen Karl Vif. Der Kurfürst von Sachsen und König von Polen, Friedrich August 11., wünscht nun, da der bayrische Kurfürst ihm zuvorgekommen und Böhmen weggeschnappt, wenigstens Mähren für sich zu retten und dessen König zu werden. Der Preußenkönig Friedrich zeigt sich nach Ablauf des Waffenstillstands bereit, dorthin vorzudringen, und die drei Bastardprinzen, natürl iche Söhne August des Starken (Graf Moritz von Sachsen, Graf von Rutowski und Ritter von Sachsen) als Führer der etwa 20 000 Mann starken sächsischen Truppen erhalten durch den allmächtigen Minister Friedrich Augusts, Grafen Brühl, den Auftrag, sich diesem Vorgehen anzuschließen. Auch die Franzosen wollen teilnehmen, bleibenjedoch schon an der Grenze zurück. Die Sachsen folgen langsam und zögernd und beschweren sich fortgesetzt über die Preußen, die immer voran seien und alles aufzehren, so daß sie hungern müssen. Schließlich kehren sie um und erreichen, nur noch 8000 Mann stark, die Grenze. Friedrich schließt bald darauf, nach einem zweiten Siege über die Österreicher, mit Maria Theresia den für ihn günstigen Frieden von Breslau, worin ihm Schlesien zugesprochen wird.


1744/45
Zweiter schlesischer Krieg. Sachsen hat mit Österreich gleichfalls Frieden gemacht und sogar einen Bündnisvertrag geschlossen in der Erkenntnis, daß es nunmehr, nachdem Schlesien in preußischen Besitz gelangt, endgültig von Polen getrennt bleiben werden. Friedrich IL aber verfolgt mit Besorgnis die seit seinem Fernbleiben vom Kriegsschauplatz in für ihngefährlicher Weise wachsenden Fortschritte der Österreicher, die nicht bloß in Bayern einrücken und den neuen deutschen Kaiser Karl VII. aus seiner Residenz München vertreiben, sondern sogar die französischen Heere über den Rhein zurückdrängen und unter Beistand des mit ihnen verbündeten Königs von England mehrfach besiegen. Nach emster Erwägung entschließt er sich auf dringende Bitten des als Flüchtling in Frankfurt lebenden Kaisers Karl VII. wieder zu den Waffen zu greifen und rückt mit 80 000 Mann, die er als "kaiserliche Hilfstmppen" bezeichnet in Eilmärschen durch Sachsen in Böhmen ein. Sachsen muß wohl oder übel als ein Teil des deutschen Reiches den "reichsverfassungsmäßigen ohnschädlichen" Durchmarsch gestatten. Auch durch Delitzsch geht ein Teil des preußischen Heeres. Am 15. August rückt ein preußisches Kürassierregiment hier ein, muß "mit allem von der Bürgerschaft versehen" werden, bezieht Quartiere und marschiert am anderen Tage erst über Eilenburg weiter, um sich mit andem preußischen Truppen zu vereinigen. Friedrich erobert zwar Prag, muß sich aber aus Mangel an Proviant nach Schlesien zurückziehen. 1745 am 4. Juni schlägt erjedoch die Sachsen und Österreicher entscheidend bei Hohenfriedberg und etliche Monate darauf die Österreicher bei Soor in Nordböhmen. Einen Versuch der Sachsen und Österreicher, durch die Lausitz nach Frankfurt a.0. und Berlin vorzustoßen, vereitelter durch einen glänzenden Sieg bei KatholischHennersdorf, wo er die Sachsen vollständig zersprengt. Ein zweites sächsisches Heer unter dem Herzog von Weißenfels, das vor Leipzig zusammengezogen ist, wird von Großkugel bei Halle aus durch den bewährten Preußenführer, den alten Dessauer, der dort mit etwa 30 000 Preußen steht, in Schach gehalten. Ein sächsischer Oberstleutnant kommt im November in Eile nach Delitzsch und läßt die Stadt in Verteidigungszustand setzen. Das Mauerwerk wird ausgebessert uns soweit nötig mit Schießscharten versehen. Schanzpfähle werden an verschiedenen Stellen aufgepflanzt, z.B. am Schloßpförtchen, an der Hospitalbrücke und der Eckreihe hinterm Gerberplan, die Außenposten von Mitgliedern der Schützengilde besetzt und überhaupt alle waffenfähigen Bürger im Waffenhandwerke geübt. Preußischerseits erfolgt indes kein Angriff auf Delitzsch. Nur nachdem die Preußen endlich am 30. November auf Leipzig vorgerückt und die Sachsen von dort abgezogen sind, kommt plötzlich eine Streifschar von fünf Husaren nach Delitzsch, um, wie sie sagt, den Amtmann von dort gefangen abzuführen. Dajedoch die nunmehr waffengeübte und natürlich stark überlegene Bürgerschaft eine allzu drohende Haltung einnimmt, lassen sich die fünf Mann herbei, mit dem Bürgermeister Seitz zu paktieren, werden auf Kosten der Stadt im "Weißen Roß" bewirtet und ziehen wieder ab, nachdem jeder von ihnen noch ein Geschenk erhalten. Am 15. Dezember tragen die Preußen, diesmal befehligt vom alten Dessauer, über die mit einer österreichischen Heeresabteilung vereinigten Sachsen (bei Kesseldorf unweit Dresden) abermals einen Sieg davon, und hierauf kommt am ersten Weihnachtsfeiertage zu Dresden ein Friede mit Friedrich II. zustande, wonach dieser im ungeschmälerten Besitze von Schlesien bleibt, dafür aber, da Karl VII. inzwischen gestorben, den Gemahl Maria Theresias als Kaiseranerkennt. Sachsen muß für seine Bundeshilfe eine Million Taler Kriegskosten zahlen.


1745
Am 23. Juni geht König Friedrich II. von Preußen durch die hiesige Stadt im Begriffe, seiner Schwester der Markgräfin von Bayreuth, einen Besuch abzustatten.


 1746
Gleich am Neujahrstag (1. Januar) Iangt auf dem Rückmarsche von Dresden ein preußisches Reiterregiment hier an, geht aber am selben Tage noch nach kurzem Aufenthalte weiter. Mit des Herzogs Johann Adolf von Weißenfels Tode, der in diesem Jahre eintritt, stirbt auch diese herzogliche Nebenlinie der Wettiner aus, und das Land wird mit dem Kurfürstentume wieder vereinigt.


1748
Am Ostrande des Schützenplatzes, bisher unbebaut, enisteht, an der Bitterfelder Landstraße vor dem Viehtore gelegen, schon im Vorjahre ein neues Gehöft, dessen Besitzer Koppe alsbald die Erlaubnis zum Gasthalten nachsucht. Vom Rate der Stadt abgewiesen, wendet er sich an den Kurfürsten und erlangt durch höchstes Reskript vom 11. Januar 1748 die nachgesuchte Erlaubnis. Er benennt das Lokal "Wirtshaus zur Weintraube".


1750
Todesjahr des Superintendenten Mg. Johann Paul Streng, der sich durch die Begründung einer Kirchenbibliothek und als Verfasser der ersten Chronik von Delitzsch verdient gemacht hat. Allerdings blieb die Chronik im Beginne stecken, ihr Wert beruht in einer Darstellung der von den Uranfängen der Stadthandelnden Überlieferung. Sein Nachfolger wird 1751 Superintendent Mg. Johannes Christlan Mehlhomaus Weida (+ 1758). In diesem Jahretritt große Hochwassergefahr ein. Die Flüsse schwellen im Juni infolge starker und anhaltender Regengüsse zu beträchtlicher Höhe an und treten über die Ufer. Auch in Delitzsch richten die Wasserfluten großen Schaden an, mehr aber noch in den Muldenstädten, vornehmlich in Grimma, wo ganze Häuser, wie z.B. das des Kornschreibers Körner, der sich mit den Seinen gerade noch im Kahne retten kann, fortgerissen werden.


1755
In kursächsischen Landen wird am 17. Juni das "Commercium" (Handelsverbindung) mit Brandenburg-Preußen verboten, ein Beweis, wie gespannt zwischen beiden Ländern damals schon, ein Jahr vor Ausbruch des Siebenjährigen Krieges, die Beziehungen waren. Friedrich IL rächt sich dadurch, daß er von jedem Frachtpferde, das durch Preußen nach Sachsen geht, 22 Groschen Geleitssteuer erheben läßt. Die Folge ist, daß viele Kaufleute den Handelsverkehr durch preußisches Gebiet meiden und eine neue Straße von Hamburg nach Leipzig über den Harz benutzen.


1756-1763
Der Siebenjährige Krieg, veranlaßt durch die Eifersucht der Hauptmächte des europäischen Kontinents (Österreichs, Rußlands, Frankreichs, Sachsens, Polens und Schwedens sowie der meisten übrigen Länder des deutschen Reiches) richtete sich gegen das Emporkommen Preußens. Friedrich der Große, von der Absicht seiner Gegner unterrichtet, spätestens im Frühjahre 1757 über ihn herzufallen, kommt ihnen zuvor und fällt gegen Ende des August 1756 mit 67 000 Mann in Sachsen ein, das nun die ganzen Kriegsjahre über Operationsgebiet bleibt. Er erobert Dresden und schließt das sächsische Heer bei Pima ein. Im Verlaufe des Krieges gewinnt er acht Schlachten (bei Lowositz, Prag, Roßbach, Leuthen, Zorndorf, Liegnitz, Torgau und Burkersdorf), und erleidet drei Niederlagen (bei Kolin, Hochkirch und die schwerste bei Kunersdort). Auch seine Unterfeldherren werden mehrfach geschlagen, siegen aber über die Franzosen bei Krefeld und Minden unter Führung des Herzogs Ferdinand von Braunschweig und am 29. Oktober 1762 (letzte Schlacht des ganzen Krieges) über die Österreicher und Reichstruppen bei Freiberg unter Führung des Prinzen Heinrich.-Am Sonntag, dem 29. August 1756, kommt auch nach Delitzsch -unter der Nachmittagskirche" eine Abteilung des preußischen Heeres, nämlich der größte Teil (2500 Mann) des von Wietersheim'schen Infanterieregiments und bezieht auf zwei Tage Quartier. Sie gehört zur Kolonne des Herzogs von Braunschweig. Der Aufenthalt kostet der Stadt 143 Taler 23 Groschen 7 Pfg.


1758
Am 10. November (einige Wochen nach der Niederlage bei Hochkirch) nachts gegen 2 Uhr, rücken in Delitzsch etwa 300 Mann Preußen ein. Fußvolk mit 10 Mann schwarzen Husaren und einem Geschütz. Da sie Kriegskassengelder nach Düben zu bringen haben, gehen sie dorthin weiter und kehren 5'/2 Uhr über Delitzsch nach Leipzig zurück, das auch nach Hochkirch in Händen der Preußen geblieben ist, und an dessen Festungswerken die letzteren sehr ernstlich arbeiten. Am 1. Dezember geht das ganze Dohna'sche Korps, 15 000 Mann stark, durch die Stadt, dessen gesamte Feldequipage schon am Tage vorher hier eingetroffen war. In diesen Tagen muß es gewesen sein, daß vor den hier anwesenden Offizieren die schwedischen Reitersignale vom Breiten Turnte herab geblasen wurden. Nach Mitteilung von Dr. Bitthorn in dessen "Geschichte der Schwedischen Reitersignale" steht in einem Almanach aus jenem Jahre zu lesen: "Die preisische Offisiers machte die Schwedische Musike auff den breitte Thurm vill Pläsir". Delitzsch wird in dieser Zeit ganz besonders stark und mit fast unerschwinglichen Kriegssteuern belastet.


1759
Im Beginne des August langen Reichstruppen und Österreicher vor Leipzig an, um dieser Stadt Entsatz zu bringen. Da deren preußische Besatzung nur noch sehr gering ist, weicht diese in der Tat dem feindlichen Andrange und zieht ab, nicht ohne jedoch, daß es beim Abzuge zu einem kleinen Gefechte zwischen den Preußen und den zwangsweise bei ihnen dienenden Sachsen, die heidenweise davonlaufen, gekommen wäre. Am 30. August kommt der österreichische General Ried mit 2500 Kroaten und Husaren in die Delitzscher Pflege. Er schlägt sein Lagerbei Döbemitz auf, wo ein Kroat stirbt, den man an einem Feldraine begräbt. Die in Leipzig freudig begrüßten Befreier erfreuen sich aber nicht lange des Besitzes der Stadt. Am 13. September schon kehren die Preußen zurück und verjagen die feindliche Besatzung. Leipzig wird nun aufs empfindlichste gestraft und mit erheblicher Kriegssteuerbelegt. Es wird auch dort ein preußisches Magazin eingerichtet, wohin unter andem Städten auch Delitzsch Fouragelieferungen zu leisten hat. Die preußische "Prästanda" (Abgabe) beträgt für unsere Stadt 557 Taler 19 Gr., darunter 223 Taler 6 Gr. an den Deputierten "des Leipziger Kreises" Heinrich von Witzleben.


1760
Nach Delitzsch kommen in diesem Jahre Truppen aus aller Herren Länder. Zuerst im September der österreichische Oberst Fetzer mit 3000 Württembergern und Pfälzern, Infanterie und Kavallerie. Sie beziehen ein Lager bei den Windmühlen nordöstlich der Stadt und rücken dann auf Düben ab. Diese Truppen treten am bescheidensten von all den die Stadt berührenden Kriegsleuten auf. Sie kaufen alles, was sie nötig haben, für ihr eigenes Geld. Nur Holz muß die Stadt liefern. Etliche Wochen danach findet sich der österreichische General Wetzey mit 12 000 Panduren ein, die vor dem Kohltore ein Lager beziehen. Sie betragen sich weit anmaßender, hauen die Bäume um, und man ist froh, sie anderen Tags wieder los zu werden, da sie, obwohl Bundesgenossen der Sachsen, sich viel schlimmer betragen als die Feinde. Die Stadt Leipzig gerät wieder in die Hände der Österreicher und Reichstruppen. Letztere denken bereits daran, hier ihre Winterquartiere aufzuschlagen. Doch Friedrich vereitelt diese Absicht, indem er den General Hülsen, mit ausreichender Truppenmacht versehen, nach Leipzig entsendet. Seine Annäherung wirkt so entmutigend auf die Reichstruppen ein, daß sie ohne Schwertstreich die Stadt preisgeben und den Preußen wieder überlassen. Nach der siegreichen Schlacht bei Torgau (3. November) kommt Friedrich selbst am B. Dezember nach Leipzig und bleibt dort bis zum 17. März des nächsten Jahres. Mehr als je wird die Stadt jetzt mit Kriegssteuern belastet. Sie so] I in Kürze außer den Mitteln für Gefangenenernährung und Verwundetenpflege noch eine Million Taler in bar zahlen. Da die Stadt sich weigert, werden die strengsten Gewaltmaßnahmen angedroht. Doch bringt der Berliner Großkaufmann Gotzkowsky Rettung. Auf seine Verwendung setzt Friedrich die geforderte Summe herab und nimmt seine Bürgschaft für die Zahlung an. In Delitzsch erscheint am 3. Dezember ein preußischer Kommissar mit mehreren Reitern und fordert eine Brandschatzung von 15 000 Talern, von der man nicht weiß, wie sie aufgebracht werden soll. In diesem Jahre findet in der Stadt eine Besichtigung sämtlicher vorhandener Privatmalzdarren statt, weil man beabsichtigt, zur Vermeidung von Feuersgefahr an einem abseits der Häuser gelegenen Ort eine gemeinschaftliche Malzdarre zu erbauen. Eine bei dieser Besichtigung vorgenommene Zählung der mit Malzdarre versehenen brauberechtigten Bürger ergibt die Zahl 78.


1761
Am 30. Juni, "dem zweiten Petri-Pauli-Jahrmarktstage", treffen an 500 preußische Jäger hier ein. Um ihre Forderungen zu erfüllen, muß der Rat 1783 Taler borgen. Die sonstige preußische Prästanda (Kriegsabgabe) beträgt noch 1659 Taler 8 Gr. 4 Pfg. Bei einem furchtbaren Unwetter, das gegen Mittag des 7. August entsteht, werden im Kosebruch von der dort weidenden Vieherde der Frau Becker aus Delitzsch, jedenfalls der Witwe des verstorbenen Besitzers der Gastwirtschaft "Zu den drei Schwänen" (heute "Zum Schwan"), wozu damals eine große Ökonomie gehörte, 75 Schafe erschlagen.


1762
Im Januar soll die Stadt abermals 15 000 Taler Brandschatzung beschaffen, was sich als völlig unmöglich erweist. Jedoch erborgt sie, was zu erlangen möglich ist. Auch muß der Rat einen Wagen mit vier Pferden nach Torgau stellen, ferner Korn von Leipzig nach Oschatz fahren und 640 Rationen Heu und Stroh für ein Dragonerbataillon beschaffen. In der Stadt selbst liegt ein preußisches Karabinierregiment, das gleichfalls erhebliche Aufwendungen erfordert.


1763
Der Friedensschluß nach so langjährigem Ringen kommt endlich am 15. Februar dieses Jahres im sächsischen Jagdschlosse Hubertusburg zustande. Ein paar Wochen vorher schon wird der Deützscher Bürgerschaft bekannt, daß dieser Abschluß nahe sei. Am 1. Februar, nachts um 1 Uhr, nämlich erhält der hier mit etwa 40 Mann einquartierte Leutnant von Schlichting diese Nachricht mit der Weisung, jede weitere Exekution einzustellen und nach Leipzig abzurücken. Amtlich wird der erfolgte Friedensschluß der hiesigen Bürgerschaft erst am 21. Februar auf dem Rathause mitgeteilt, während er in Leipzig bereits am Abend des Abschlusses durch den um 7 Uhr eintreffenden preußischen Postkommissarius Bertram, dem etliche zwanzig blasende Postillone voranreiten, bei brennenden Fackeln verkündet wird. Die Feier des Friedensdankfestes findet am 21. März in hiesiger Stadtkirche statt unter Veranstaltung einer Kollekte für die zerstörten Städte Dresden, Wittenberg und Zittau, die den Betrag von 151 Talem 12 Gr. 8 Pfg. ergibt. Ein besonderer Festgottesdienst ist für die Jungend angeordnet, und Kinder, Jungfrauen und Jünglinge ziehen in Reih und Glied festlich geschmückt zur Kirche. Nach Ausweis einer im hiesigen Ratsarchive befindlichen "Specifieation derer währenden Krieges zu denen Kriegs-Prästationen von der Stadt Delitzsch und Commun, ingleichen von der Raths-und Communkasse erborgten aufgenommenen und verzinsten Capitalien" sind Stadt und Bürgerschaft am Schlüsse des Kriegs verschuldet gewesen mit insgesamt 20 895 Talem 18 Gr. 4 Pfg. In der Erkenntnis, daß man zur Hebung des zu jener Zeit in Delitzsch sehr darniederliegenden Brauereigewerbes etwas Ernstliches tun müsse, schreitet man in diesem Jahre zurErrichung eines Brauerschaftssyndikats, dessen Bemühungen es auch allmählich gelingt, den Ruf des Delitzscher Kuhschwanzbiers wieder etwas zu heben und den Absatz zu steigern. Bald nach seiner Errichtung leitet das Syndikat eine Zählung sämtlicher Brauerbenhäuser in die Wege. Danach gibt es in Delitzsch damals 160 solcher Häuser, deren Besitzer in einem noch vorhandenen Aktenstücke alle namentlich aufgeführt sind. Am 5. Oktober stirbt, an der Hoftafel vom Schlage gerührt, der erst nach dem Friedensschlüsse von Warschau nach Dresden zurückgekehrte Kurfürst Friedrich August II., König von Polen, als solcher der letzte aus dem sächsischen Fürstenhause. Sein ältester Sohn Friedrich Christian übernimmt die Regierung, folgt aber leider nach wenigen Monaten schon seinem Vater im Tode nach. Für den noch nicht dreizehnjährigen Kurprinzen übernimmt seines Vaters ältester Brudcr Xaverals Vormund und Amtsverweser die Regierung. Er führt diese bis 1768 und macht sich verdient durch die Reformen des Heereswesens nach preußischem Muster und durch Verbesserung der Schafzucht. Die von ihm 1765 in Sachsen eingeführten Merinoschafe werden nach ihm Elektoralschafe genannt (vom lateinischen Worte elector-Kurfürst).


1765
Der Rat führt öffentliche Klage über die vielen Schulden, von denen nicht abzusehen, wie sie bezahlt werden sollen. Es erscheint eine landesherrliche Bekanntmachung über Besprechung der Verordnung: "Wiedererhebung der Städte zu ihrem vorigen Flor". Bei der Besprechung führen Rat, Viertelsmeisterund Ausschußpersonen bittere Klage, daß die bürgerliche Nahrung durch Professionisten und Krämer des platten Landes allzu stark beeinträchtigt werde. Die meisten Schwierigkeiten aber entstehen durch das Vorhandensein der vielen Caducitäten (Wüstungen) in der Stadt und den Ratsdörfern. Da genug bereits erbaute Häuser um wenig Geld zu haben sind, so finden sich für ganz wüste, nur mit großen Kosten neu zu errichtende Hausstätten keine Liebhaber.


1766
In diesem Jahr gibt es weder Schnee noch Eis und die Herden können den ganzen Winter über (1765/66) auf der Weide bleiben, weshalb 1 Pfd. Butter nur 2 Gr. kostet. Am 9. April haben die Obstbäume abgeblüht, und der Rog gen hat 4 Wochen später in voller Blüte gestanden. Der Sommer ist sehr warm. Es ist solcher Überfluß an Getreide und Obst, daß man es nicht hat Ioswerden können, und konnten die Bauern die Steuern nicht entrichten.


1768/69
Am 15. September 1768 tritt der Regent Prinz. Xaver zurück und der noch nicht 18jährige Friedrich August III. übernimmt die Regierung. Die Erbhuldigung findet in Delitzsch jedoch erst am 27. September 1769 statt. Vorgenommen wird sie von dem als Kommissar entsandten Reichsgrafen von Einsiedel auf dem hiesigen Schlosse. Die Bürgerschaft hat sich auf dem Schloßhofe versammelt und leistet dort den Eid.


1770/72
In allen dre iJahren Hungerzeit und dürftige Ernte. 1771 mißrät die Ernte infolge anhaltender Nässe und Kälte gänzlich. Mulde und Saale übersteigen ihre Ufer. In Eilenburg kann man nicht in die Kirche und muß den Gottesd ienst auf dem Rathause halten. Durch Bersten des Muldendammes stehen die Post-und Landstraßen unter Wasser. Die Hauptverkehrsstraße zwischen Leipzig und Delitzsch wird vernichtet. Große Teuerung tritt ein. 1772 abermals große Teuerung. Auf der Vorderseite einer Denkmünze neben einer Säule liest man: Sachsens Denkmal 1771 bis 1772; auf der Rückseite: In Sachsen galt 1 Sch. Korn 15 Th., 1 Sch. Weizen 16 Th., 1 Sch. Gerste 12 Th., 1 Sch. Haber 6 TI., l Pfund Butter 8 Gr. Die Teuerung entsteht in diesem dritten Notjahre durch furchtbare Wetterschläge, die im Erzgebirge, wo damals der stärkste Ackerbau des Landes betrieben wurde, niedergingen und so den Erntesegen vernichteten.


1773
Im Sommer dieses Jahres macht sich eine große Mäuseplage geltend. Ein von dem Bauer Bettzieche aus Werben mit Korn bestelltes größeres Ackerstück auf der Gertitzmarkt, wird von den Mäusen vollständig kahl gefressen. Die Ratsgerichte, die auf Verlangen den Acker besichtigen, schätzen den Erntebestand auf eine Garbe, von der sich aber erweist, daß. sie ohne Körner ist.


1774
Am 26. Januar erhält die "Witwe Elisabeth Sophie Riedelin" nach vielen vergeblichen Bemühungen endlich die beschränkte Erlaubnis zu Bier- und Branntweinausschank in ihrem "auf dem Damme, vor dem Hallischen Thore gelegenene Hause". Sie gibt dieser neuen Schankwirtschaft den Namen "Blaue Taube". Diese Erlaubnis wird ihr nicht vom Rat der Stadt zuteil, vielmehr nur gegen dessen stärksten Widerspruch auf Verwendung des damaligen Amtmanns in Delitzsch, des Kammer-Kommissionsrats Sucker, der zunächst vergeblich geltend macht, daß das Haus der Riedelin"unter Amts-Jurisdiktion" stehe und die Bittstellerin, "wenn von denen bey ihr einsprechenden Gästen einige Wein verlangen sollten, sich das Bedürfnis hierzu von dem Raths-Keller erholen und in ihrem Hause ausschenken" werden. Trotz diesem Zugeständnisse verharrt der Rat in seiner abweisenden Haltung. Erst im Jahre 1836 erlangt das Lokal unter dem Besitzer Christian Karl Schmidt die vollen Gasthofsgerechtsame. Mitte der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts wird das Lokal umgetauft auf den Namen "Bürgergarten". (In den zwanziger Jahren des neuen Jahrhunderts geht diese immerhin alte Gaststätte ein, ebenso wie das Gasthaus "Zur Weintraube". Beide werden ein Opfer der so überaus schwierigen Zeitläufe nach dem Weltkriege.)


1776
Wieder ein sehr strenger und schneereicher Winter. Am 20. Januar übersteigt die Kälte den härtesten Tag des so außerordentlich kalten Winters von 1740 um 3 1/2 Grad. Es kann keine Kommunion gehalten werden. Der Lachsfang in der Mulde und der Lerchenfang sind in diesem Jahre ausgezeichnet. Ein Pfund besten Lachses kostet 8 Pfg. und eine Mandel Lerchen 1 Gr. 6 Pf.


1778/79
Bayrischer Erbfolgekrieg. Veranlassung ist Aussterben der bayrischen Kurlinie mit Max Joseph (1777). Der gleichfalls kinderlose Karl Theodor, Kurfürst von der Pfalz, als Haupt der älteren Linie des Hauses Wittelsbach rechtmäßiger Erbe der bayrischen Länder, läßt sich vom Kaiser Joseph 11. bewegen, alte Ansprüche Osterreichs auf Niederbayern und Teile der Oberpfalz anzuerkennen. Dagegen tritt Friedrich der Große auf, der den Erben Karl Theodors, den Herzog von Pfalz-Zweibrücken, zum Widerstande gegen die österreichischen Ansprüche ermutigt. Auch Sachsen wird mit in den Krieg hineingezogen und steht diesmal auf der Seite der Preußen. Der Grund zu den Streitigkeiten zwischen Dresden und Wien ist jedoch ein andrer und schreibt sich daher, daß das reichsgräfliche Haus Schönburg sich für seine in Sachsen gelegenen Herrschaften "als böhmisches Afterlehen" der sächsischen Lehn shoheit zu entziehen sucht und in diesem Bestreben von Österreich unterstützt wird. Ein Nebengrund ist, daß Kurfürst Friedrich Augusts Mutter die einzige Schwester des verstorbenen bayrischen Kurfürsten ist und Erbrecht auf die Wittelsbach'schen Allodien hat, die Österreich für sich beansprucht. Delitzsch erlebt infolgedessen im Zeitraume dieser beiden Jahre fortgesetzt sehr viele Einquartierungen und Truppendurchmärsche. Am 2. Juli 1778 rücken von Halle her 2500 Preußen ein, die tags darauf nach Eilenburg und Torgau gehen. Am 18. Februar 1779 treffen 250 preußische blaue Husaren unter dem Rittermeister Wogatzsch ein, bleiben 10 Wochen hier und rücken dann über Taucha auf Dresden zu. Nach dem am 13. Mai 1779 erfolgten Friedensschlusse (zu Teschen), worin Österreich allen seinen Ansprüchen entsagt, kommen auf dem Rückmarsche abermals starke preußische Truppenteile durch Delitzsch. So am 21. Mai das Niederwesel'sche InfanterieRegiment, das zwei Tage bleibt und dann nach Halle geht. Dafür rückt an diesem Tage noch (1. Pfingstfeiertag) ein anderes Regiment ein, 1900 Mann stark. Es bleibt eine Nacht. Kaum ist es abmarschiert, so folgt, 1500 Mann stark, das Halberstädtische und Braunschweigische Inf.-Regiment, bleibt zwei Nächte, macht in der Stadt Janitscharenmusik und geht nach Zörbig weiter. Am 30. Mai treffen von Eilenburg her 300 Stückknechte ein, bleiben nur eine Nacht und gehen gleichfalls nach Zörbig. Einen Tag später kommt von Eilenburg her auf zwei Nächte das Kalksteinsche Inf.-Regiment nach Delitzsch und Raguhn. Diese vielen Durchzüge verursachen großen Geldaufwand. Am 6. Juni (I.n.Tr.) wird das Friedensdankfest im ganzen Lande gefeiert. Drei Tage vorher, am 3. Juni ziehen die beiden Grenadierkompagnien des sächsischen Musketierregiments "Churfürstin" in Delitzsch ein, das ihnen als Gamisonsort zugewiesen worden ist. Ihre Uniform ist: Weiße Röcke, Westen und Beinkleider, weiße Knöpfe und hellblaue Kragen. Rabatten und Aufschläge.


1782/83
Der Blitz schlägt am 23. August in das Rößlersche Haus hinter der Schule (am Kirchpiatze), zerschmettert einen Sparren und auch einen solchen in dem anliegenden Brauhause, zündet aber nicht. Der Winter von 1782 zu 1783 ist außerordentlich mild. Im darauffolgenden Sommer, von Juni bis Mitte August, zeigt sich unausgesetzt Höhenrauch und trockener Nebel, wobei die Sonne beim Auf- und Niedergange blutig-rot und strahlenlos erscheint. Die Luft ist erschlaffend.


1784
Ende Februar großes Wasser. Es steigt über den Halleschen Steinweg, weshalb der Fastenmarkt auf den 19. und 20. März verlegt werden muß. Am 2. Juli trifft Prinz Heinrich von Preußen auf einer Reise nach Dieskau und Lauchstedt hier ein.


1786
Der Rat macht öffentlich bekannt: "Das Kriegsschulden Tilgungswesen aus der Zeit des siebenjährigen Krieges ist beendet".


1787
Nachdem im Jahre vorher der kurfürstliche Befehl ergangen, "daß alle Weinhändler und Weinschenken des Landes alljährlich einmal ihre Weinvorräte von der betreffenden Stadtbehörde unter Zuziehung des Amts-, Land- und Stadtphysikus probieren lassen sollen, um Verfälschungen vorzubeugen", wird in diesem Jahre vom Physikus Dr. med. Karl Christlieb Bethke eine solche Weinbrobe bei den hiesigen Weinhändlern vorgenommen, nämlich dem Weinschankpächter des hiesigen Rats, Johann Adolf Parthaune und dem Gastwirt zum "Weißen Roß" allhier, Johann Christoph Thielemann. Nach Abgabe der Versicherung, daß die Untersuchung "derer blanken Weine aufs genaueste unternommen", wird beiden Wirten das Zeugnis ausgestellt, daß deren Wein "ächt und ohne beygemischte schädliche Metall-Theilchen gefunden" worden seien.


1788
Am 20. Oktober kommt Prinz Heinrich von Preußen abermals nach Delitzsch, umvon hier die Reise nach Dieskaufortzusetzen. Er reist diesmal mit größerem Gefolge und benutzt eine von 6 Pferden gezogene Extrapost. Während des Pferdewechsels nimmt ereinen kurzen Aufenthalt im "Weißen Roß".


1789
Ein Blitz schlägt am 14. August nachts zwischen 1 und 2 Uhr in den hiesigen Schloßturm. Die meisten Zimmer werden beschädigt, doch zündet der Blitz nicht. Eine halbe Stunde später wird auch das Volkmann'sche Rittergut in Zschortau kurz nacheinander zweimal vom Blitzstrahl getroffen, das erstemal schlägt er ohne Schaden in das Herrenhaus, das zweitemal in den Schafstall, wo er zündet und den Schäfer Kummer erschlägt nebst 199 Schafen. Der Rat gerät in Streitigkeiten und mit dem alten und kränklichen Superintendenten von Wichmannshausen, der in der alten Superintendentur wohnen geblieben ist, sich schon beinahe 30 Jahre lang hier im Amte befindet, nachdem sein Vorgänger, Superintendent Mehlhorn, der Nachfolger des unter 1733 erwähnten Superintendenten Strenge, verstorben. Von Wichmannshausen hat infolge gichtischer Beschwerden seit dem Jahre 1779, also seit 10 Jahren, keine Kanzel mehr betreten und wird von dem Vizesuperintendenten Magister Crüger vertreten, welch letzterer die neue Superintendentur, das vom Rate 1787 erkaufte Amtshaus, bewohnt. Da der Rat den alten Herrn von Wichmannshausen irrtümlich für emeritiert ansieht, will er ihm die Amtswohnung entziehen und läßt ihm auch das Beschneiden der Obstbäume im Garten der alten Superintendentur untersagen. Auf eine Beschwerde des alten Herrn wird dieser jedoch von der Behörde in Schutz genommen und die Stadt durch kurfürstliches Reskript angewiesen, den alten Superintendenten unangefochten in seiner Wohnung zu belassen, da er keineswegs aus dem Amte ausgeschieden und in den Ruhestand versetzt sei, die Stadt also ihm gegenüber zur Belassung der Amtswohnung verpflichtet sei.


1791
Der Kommuneeinnehmer Wecke hat aus seit 48 Jahren geführten Rechnungen schon 1790 nachgewiesen, "daß die Instandhaltung der Elberitzmühle und die auf derselben ruhenden Onera (Lasten) das baare Pachtgeld ganz absorbieren": Da in einem weitern Berichte aus demselben Jahre erklärt wird, daß diese Mühle "an Reparaturen der Stadt viel gekostet und die Einnahmen daraus nicht im Vergleich zu den Kosten stehen, sie also mehr schädlich wie nützlich", so stehn dem Verkauf keine Schwierigkeiten im Wege. Daher wird es dem damaligen Pächter der Mühle, Johann Andreas Freywald, in diesem Jahre nicht schwer, gegen das Angebot einer Kaufsumme von 700 Talern nebst Übernahme aller auf der Mühle haftenden Steuerlasten das ganze Anwesen erb-und eigentümlich zu erstehen. Der Verkauf findet am 4. Juli statt; die Auflassung erfolgt jedoch erst 12 Jahre später.


1792
Die Stadt gerät auch in Mißhelligkeiten mit dem Nachfolger des im Jahre vorher verstorbenen alten Herrn von Wichmannshausen, des Superintendenten Mg. Samuel Gottlieb Crüger, der den "netto 300 schritte" von seiner neuen Amtswohnung bis zur Kirche betragenen Weg zu weit findet und geltend macht, daß "kein Stadt-Geistlicher viel weniger Superintendent in ganz Sachsen zu seiner gewöhnlichen Amtsverrichtung soweit zu gehen" habe und außerdem °der Weg durch die Schloßgasse wegen des vor manchen Häusern sehr abschüssigen Pflasters und der in einer engen Gasse fließenden Rinne bey schlüpfrigem Wetter und besonders im Winter so gefährlich", daß er lieber "durch den tiefen Schnee im Garten" (nämlich der alten Superintendentur) "als jenen unsicheren weg gehen wollen". Er beantragt deshalb, ihm innerhalb der Südseite des Gartens der alten Superintendentur einen gepflasterten Weg herrichten zu lassen, was aber der Rat verweigert. Um zum Ziele zu gelangen, muß der Superintendent das alte Superintendenturgebäude nebst dazugehörigem Garten zum Preise von 450 Talern erkaufen.


1793
Die beiden Delitzscher Grenadierkompagnien rücken zum Reichskriege aus gegen das revolutionäre Frankreich, das sein Königspaar hingerichtet hat. Das Regiment "Churfürstin" zeichnet sich in diesem Kriege mehrfach besonders aus und trägt vornehmlich zu dem glücklichen Ausgange des Treffens bei Wetzlar (15. Juni 1796) sehr viel bei. Mit Ruhm bedeckt kehren die beiden Grenadierkompagnien nach Delitzsch zurück.


1795
Am 19. April. Der Naturforscher Christian Gottfried Ehrenberg in Delitzsch geboren. Er unternahm 1820-26 mit Hemprich Forschungsreisen in Ägypten und dessen Nachbarländern, 1829 mit A.v.Humboldt in Asien, wurde 1839 ord. Prof. in Berlin, wo er am 27. Juni 1876 starb. Namentlich machte er sich verdient um die Erforschung der kleinsten Lebewesen. Eins seiner Hauptwerke: "Mikrogeologie". Nach ihm ist die Ehrenbergpromenade benannt.


1796
Allmählich tritt wieder ein Verfall der sogenannten "Braunahrung" ein. Die bisherige Menge des Breihahn genannten Weißbiers muß in diesem Jahre auf die Hälfte herabgesetzt werden, nämlich von 11 auf 5 1/2 Faß, weil, wie es in dem Beschlusse heißt, zu wenig verschenkt wird, insofern die Umwohner an das Braubier seiner guten Beschaffenheit wegen mehr gewöhnt sind.


1798, 1800 und 1801/02
Der Winter ist in jedem dieser drei Jahre sehr streng und anhaltend, so daß 1798 viele Menschen erfrieren und die Leute im Juni 1800 noch Winterpelze tragen.


 1803-1808
Das Brauereigewerbe gerät wieder von Jahr zu Jahr mehr in Verfall. Fortgesetzt werden Klagen geführt über die schlechte Beschaffenheit des Bierstoffs. Viele Bewohner der innerhalb der Biermeile gelegenen Dörfer suchen sich an Rittergutsbieren der Umgebung schadlos zu halten, was eine Unzahl von Prozessen zur Folge hat.


1806/07
Auf Beschluß des Ratskollegiums vom 14. Mai 1806 und in Übereinstimmung mit den Viertelsmeistem der Stadt werden die Schlagbäume "an den beyden äußeren Thoren, dem Kohl- und Viehthore, allhier, da solche ohnedies, weil doch Thorwärter da sind, keinen Nutzen, vielmehr so manchen Schaden, wie hier allgemein bekannt ist, gehabt haben, ganz hinweggenommen und nach dem Ratsbauhofe gebracht". Unmittelbaren Anlaß zu dieser Maßregel hatte ein Unfall gegeben, den der von Leipzig zu Pferde rückkehrende Bürgermeister Friedrich Christian Schulze, der Großvater des nachmals berühmt gewordenen Schulze-Delitzsch, am Abend vorher nach eben eingetretener Dunkelheit vor dem Kohltore durch zu frühzeitiges Schließen des Schlagbaumes in Beisein des hier gamisonierenden Leutnants von Lichtenhayn erlitten. Im Kriege Preußens gegen Frankreich steht das Kurfürstentum Sachsen anfangs auf preußischer Seite, weshalb die beiden Delitzscher Grenadierkompanien am 14. Oktober unter ihren "Capitainen" von Schönfeld und Woher bei Jena gegen die Franzosen kämpfen. Die Getreidepreise sind sehr niedrig, da die Landleute aus Furcht vor französischer Plünderung ihre Vorräte umjeden Preis verkaufen. Es gibt fast keinen Winter. Um Neujahr 1807 blühen die Kirschbäume. Im Dezember schließt der Kurfürst von Sachsen mit Frankreich Frieden. Sachsen wird Königreich und tritt zum Rheinbund über, wird aber dadurch französischer Vasallenstaat.


1808
Wegen schlechter Beschaffenheit des Delitzscher Biers kommt es in diesem Jahre zu einer aufsehenerregenden Beschwerde. Deren Verfasser ist wohl der damalige Ratskellerwirt, Apotheker Leonhard, dessen Name an der Spitze der Beschwerdeführenden steht. Außer ihm haben nocht unterschrieben die Gastwirte aus Zschernitz und Zschemdorf sowie die Ortsrichter aus Groß- und Klein-Kyhna, Groß- und Klein-Lissa, Doberstau, Klitzschmar, Zwochau, Grabschütz, Kattersnaundorf, Quering, Zaasch, Serbitz, Brodau, Zschortau und Creuma. In der Beschwerde heißt es unter anderm: "Sonst war das Delitzscher Bier von besserer Güte als jetzt, so daß es an weit entlegene Orte abgefahren wurde, jetzt aber ist es in den Kellern der Vervielfältigung und Verwandlung so sehr unterworfen, daß es seine Kraft und Güte verliehrt, und wenn solches, wie gewöhnlich der Fall ist, schon Wochen lang im Keller gelegen hat, alsdann auf dem Fasse sowohl, als auch Bouteillen, welches auch der Landmann jetzt weit lieber trinkt, sich nicht mehr hält, sondern gar bald sauer wird, und sogar der Landmann selbiges nicht mehr trinken kann, daher denn wir, die Schenk- und Hauswirthe, gewöhnlich Delitzscher saure Biere haben und davon großen Schaden leiden". Am 29. August wird der später so berühmt gewordene Politiker und Volkswirt Hermann Schulze, genannt Schulze-Delitzsch, hierselbst geboren. Er studiert in Leipzig Rechtswissenschaft, wird in Naumburg Auskulkator und als Assessor in Dehtzsch zunächst Gehilfe seines Vaters, der Richter an verschiedenen ländlichen sogenannten Patrimonialgerichten war. Zugleich wird er Ratsassessor beim Magistrat der Stadt. Gegen Ende der vierziger Jahre tritt er in den Staatsdienst zurück und wird als Kreisrichter in der Provinz Posen angestellt. Infolge seiner politischen Einstellungverliert er dieses Amt im Jahre 1850 und kehrt alsbald nach Delitzsch zurück, wo er sich sogleich sehr lebhaft sowohl volkswirtschaftlich als auch schriftstellerisch betätigt. Noch 1850 begründet er den ersten Vorschußverein in Delitzsch, und zwei Jahre darauf gibt er auszugsweise die von dem Aktuar G. Lehmann hinterlassene Chronik der Stadt Delitzsch heraus. Auch tritt er als Dichter hervor und veröffentlicht einen Band Gedichte. Seine fachwissenschaftlichen Kenntnisse aber vermag er nur noch als Winkeladvokat auszuüben, da ihm verwehrt wird, als Rechtsanwalt zu praktizieren. Seine große rednerische Begabung läßt ihn 1861 Mitglied des Abgeordnetenhauses werden, von 1867 an auch des Reichstags, wo er der Fortschrittspartei angehört. 1863 siedelt er von Delitzsch nach Potsdam über und stirbt dort am 29. April 1883. Hauptwerke von ihm sind: "Vorschuß-und Kreditvereine als Volksbanken", "Schriften und Reden". Seine Eltern liegen auf dem hiesigen alten Friedhofe begraben.


1809
Am 1. Januar tritt Mg. Friedrich Heinrich Starcke sein neues Amt als Superintendent in Delitzsch an, nachdem dieses im Herbste vorher durch den Tod des Superintendenten Mg. Crüger erledigt war. Vorher war Mg. Starcke mehrere Jahre lang als Superintendent in Bitterfeld tätig. Er war in der ganzen Gegend bekannt nicht nur als hervorragender Theologe und Gelehrter, insbesondere guter Lateiner, sondern vielmehr noch als ein tatkräftiger Vertreter des Deutschtums und grimmiger Franzosenfeind, nebenbei noch und bei Gelegenheit auch als Dichter. In dem Büchlein "Erlebnisse eines sächsischen Landpredigers in den Kriegsjahren 1806-1815", verfaßt von dem damaligen Pfarrer in Großzschocher, wird erwähnt, daß nach der Schlacht bei Leipzig, im November 1813 "auf die Verwendung des herzhaften Superintendenten Starcke in Delitzsch" von dem russischen Generalgouverneur Fürsten Repnin den sächsischen Pfarrern die außerordentlich drückenden Lasten und Kriegssteuern erlassen wurden, "während der altersschwache Rosenmüller" (Superintendent in Leipzig) "seine Pfarrer preisgegeben hatte". Feierlich eingeführt in sein Amt wird er jedoch erst am 16. Oktober 1809, und zwar von den vorbenannt "Domherrn Seiner Hochwürden Magnifizenz, Konsistorial-Assessor und Superintendent in Leipzig. Dr. Rosenmüller".


1810
Die beiden Grenadierkompagnien des Regiments "Churfürstin" wurden aufgelöst. Sie verlassen die Stadt. Vordem Scheiden läßt der eine der beiden Hauptleute von Schönfeld eine Gedenktafel anfertigen, die zunächst an einer Linde am Stadtgraben vor dem Breiten Tore befestigt wird und auf schwarzem Grunde in goldener Schrift folgende Verse aufweist:

So lebt denn wohl, ihr angenehmen Fluren,
Nicht lange wart ihr uns die Wohnungen der Ruh.
Das Schicksal führt uns auf entfernte Spuren
Und deckt uns eure Reize zu.
So oft ihr grünt, wird der Verlust uns kränken
Gleich einem Liebenden, der die Geliebte mißt,
Bei derem Schwur er hofft, daß sie sein Angedenken
Bei fremden Küssen nie vergißt.
Nachhall froh verklungener Stunden;
Die der Stadt Delitzsch stets ergebenen
Grenadier-Compagnien 1810.

Im Frühjahr 1863, als diese Linde umgeschlagen werden muß, befestigt man eine neue Tafel an einer Linde des kleinen Schutzes, diesmal von Weißblech mit schwarzer Schrift auf weißem Grunde. Da diese im Laufe der Zeit verwittert, wird sie in den achtziger Jahren entfernt und erst 1910 am hundertjährigen Jubiläum in der ursprünglichen Form wiederhergestellt.


1811
Als Kometenjahr ist dieses Jahr außerordentlich fruchtbar. Besonders der Wein ist reichlich und gut. Der Rat der Stadt zieht die Anstellung eines Stadtförsters, dem die Aufsicht über den Forst in der Spröde unterliegen soll, in Erwägung. Bisher hatte diese Aufsicht derjedesmalige Rittergutspächter in Beerendorf zu führen gehabt. Im Beginne des neuen Jahrhunderts ist Pächter dieses Ritterguts ein Herr mit Namen Kohlmann. Dieser kümmert sich fastgar nicht um den Delitzscher Stadtforst, so daß sich dort in unheimlicher Weise die Holzdiebstähle mehren. Verdächtig dieser Diebstähle sind hauptsächlich zahlreiche Bewohner der Grünstraße sowie "die liederliche Möbsin allhier", die, wie ein Ratsmitglied ausführt, `egen dieser straffälligen Holzdeuben und Holzhandels schon mit Gefängniß bey -Wasser und Brod von uns bestraft worden ist". Der Rat beschließt daher, von dem Anerbieten eines im Forstwesen von Jugend auf bewanderten wohlhabenden Delitzscher Bürger namentlich Karl Wilhelm Becker Gebrauch zu machen, wonach der Stadt zum Bau eines Forsthauses auf dem Gelände der wüsten Mark Görlitz die Summe von 800 Tälern vorgeschossen werden soll, die im Zeitraume von 18 Jahren (bis 1828) abzutragen wäre. Als Gegenleistung begehrt Becker neben der Anstellung als Stadtförster bei einer Besoldung von 25 Gulden in bar, freier Bewirtschaftung von 8 Morgen Ackerland sowie dem Ertrage einer an der Straße anzulegenden Kirschallee und sonstiger aus der Forsthegung sich ergebender Deputate - vor allem auch die Übertragung der auf der einstigen Schenke des wüsten Dorfes Görlitz noch ruhende Schankgerechtigkeit von Bier und Branntwein auf das Forsthaus. (Schreiben Beckers vom Heiligabend - 24. Dezember).


1812
Bei dem sogenannten Augustusbüschchen wird auf Grund und Boden in Görlitzmark das Forsthaus erbaut, wo es heute noch steht. Dem Bürger Bekker, der seinem Wunsche gemäß dort als Stadtförster einzieht, wird die gewünschte Schankgerechtigkeit erteilt.- Es tritt ein kalter und früher Winter ein, wodurch die große in Rußland auf dem Rückzuge befindliche französische Armee vernichtet wird.


1813
Während des ersten der Freiheitskriege hat Delitzsch außerordentlich viel unter Truppendurchmärschen, gewaltsamen Beitreibungen und Quartierlasten zu leiden. Schon in den ersten Tagen des April rücken Russen in Delitzsch ein, die anfänglich in der Hoffnung, den sächsischen König zu gewinnen, strengste Manneszucht beobachten. Am 25. April halten diese Truppen in der hiesigen Stadtkirche ihr Osterfest nach griechischem Ritus. Der Gottesdienst beginnt früh 5 Uhr und dauert bis 11 Uhr, wobei die Russen Ostereier in den Händen tragen. Die Einwohnerschaft bemüht sich den russischen Ostergruß: "Cristos wos kres!" (Christ ist erstanden), auswendig zu lernen, um von den Russen den Gegengruß zu erhalten: "Wo istinoi wos kres!" (Er ist wahrhaftig auferstanden), verbunden mit Umarmung und Kuß und Beschenkung mit einem Osterei. Manche Härte macht sich jedoch schon fühlbar. In der Nacht zum 18. April erhält der auf dem Schlosse wohnhafte Justizamtmann Wendler den Befehl, der Amtbezirk Delitzsch solle sofort, lieferbar bis zum 20. April nach Borna, 100 Pferde stellen, unter Androhung schwerer Strafe bei Nichtausführung des Befehls. Am 21. April treffen preußische und russische Truppen hier ein "zur Übung". Für sie wird gefordert, das Amt habe binnen 24 Stunden zu liefern: 600 Scheffel Korn, 3000 Scheffel Hafer, 2000 Zentner Heu, 8000 Quart Branntwein, 30 000 Pfund Erbsen, Grütze und Graupen, 40 000 Pfund Salz und 20 000 Pfund Fleisch. Ein hier zu Tode kommender vornehmer Kosak wird auf einem Hügel vor dem Kohltore (Ecke Wiesen-und Elberitzstraße) begraben. Der Hügel erhält den Namen Kosakenberg. Das Grab wird gekennzeichnet durch drei Steine. Nach Erbauung der Chausseestraße (heute Hindenburgstraße) führt die heutige Wiesenstraße eine Zeitlang den Namen "Weg nach dem Kosakenberge". Kurze Zeit vor der Schlachtbei Großgörschen hat der Führer des russisch-preußischen Heeres, Fürst Wittgenstein, sein Hauptquartier auf hiesigem Schlosse. Nach dieser Schlacht rücken Franzosen in Delitzsch ein. Und nun folgt eine Bedrückung der andern. Unerschwinglich hohe Lieferungen an Hornvieh, Getreide aller Art, Erbsen und Graupen, Heu und Stroh, sowie an Branntwein sollen erfolgen zunächst in der Zeit vom 16.-18. Mai nach Torgau, sodann Ende Mai an das Kommando der Kgl. sächsischen Armee, das außerdem noch 19 Pferde fordert, ferner im Juni zur Auffüllung eines beträchtlichen Magazins in der Pleißenburg zu Leipzig. Am 28. Mai ergeht ein 'Allerhöchster" Befehl, wonach vonjeder sog. Magazinhufe (genannt nach der Getreideabgabe - eine Metze - im Gegensatz zu Spann- bzw. Marschhufen) 2 Taler 16 Gr. in bar aufzubringen sind und 'im niedem Distrikte des Leipziger Kreises"durch Major und Kreiskommissar von Bünau erhoben werden. Um das Unglück voll zu machen, langt am 29. Mai, als die Franzosen eben die Stadt verlassen haben, ein Exekutionskommando von 50 Kosaken an, abgesandt von dem russischen General Graf von Orowk, der mit einer größeren Heeresabteilung in und um Roßlau stand, und verlangt gleichfalls unerschwingliche Lieferungen, die bis zum 1. Juni in dem Proviant- und Fouragemagazin eintreffen sollen. Man glaubt jedoch, diesen Befehl umgehen zu können, da man die Franzosen in der Nähe weiß. Kurzerhand aber ergreifen die Kosaken den Amts-Vizeaktuar Claus und führen ihn als Geisel mit nach Roßlau. Einige Tage später, am 5. Juni, früh 4 Uhr kommt ein erneuter Befehl des russischen Oberkommandos an das Amt, ohne den mindesten Verzug 40 vierspännige Wagen, auf 4 Tage mit Munition versehen, nach Roßlau zu stellen. Im Weigerungsfalle wird strenge Strafe angedroht. Diese russisch-braunschweigische Heeresabteilung kommt schließlich gar am 7. Juni, dem ersten Pfingstfeiertage, in voller Stärke durch Delitzsch marschiert in der Absicht, auf Leipzig vorzustoßen, um die französische Verbindungslinie zwischen Dresden und Erfurt zu durchbrechen. Der Vorstoß gelingt auch vollkommen. Mit Mühe rettet sich der zum Stadtkommandanten Leipzig ernannte gewalttätige Herzog von Padua Arrighi, Verwandter der Bonaparte, vor den unvermutet andringenden Russen. Dagegen wird Marschall Marmont, Herzog von Ragusa, gefangengenommen und nach Delitzsch abgeführt. Er muß aber wieder freigegeben werden, und die ganze Unternehmung verläuft ohne Wirkung, weil inzwischen der russische Führer, General Graf von Woronzow, die ihm bis dahin noch nicht übermittelte Nachricht erhält, daß am 5. Juni bereits zu Poischwitz (Schlesien) ein Waffenstillstand abgeschlossen worden sei. Die russisch-braunschweigische Heeresabteilung zieht sich darauf in ihre frühere Stellung zurück. Während des Waffenstillstands, der bis zum 15. August dauert, hat die Stadt einigermaßen Ruhe. Nur einige Pferdelieferungen, desgleichen solche an Heu und Stroh müssen vom Amtsbezirke ausgeführt werden. Laut Amtspatent vom 2. August werden zur "Peräquation" (Ausgleichung derSchulden) aufjede Hufe 2 Taler 16 Groschen an das Kreiskommissariat eingezahlt. Der auf den 15. August fallende Geburtstag Napoleons, der in diesem Jahre laut Verordnung wegen der bevorstehenden Wiedereröffnung der Feindseligkeiten bereits am 10. August gefeiert wird, vereinigt mehrere französische Truppenteile auf dem hiesigen Schützenplatze, wo seit etlichen Tagen eine Abteilung Infanterie in Biwak liegt. Auch die in Bitterfeld liegenden französischen Truppen werden dorthin befehligt. Vom Oberbefehlshaber dieser Truppen ergeht an die hiesige Geistlichkeit der Befehl, einen Feldgottesdienst abzuhalten, und zwar in lateinischer Sprache. Superintendent Starcke als großer Franzosenfeind wünscht die Predigt dem Archidiakonus Mg. Morgenstern zu überlassen. Beide kommen überein zu losen, und das Los fällt auf den letztern, der wohl oder übel den Gottesdienst abhalten muß. Vorahnend hatte Sup. Starcke, der die beiden Lose gemacht, auf das mit seinem Namen versehene geschrieben: "Sup. Starke silebit" (wird schweigen), auf das andere: "M. Morgenstern praedicabit" (wird den Lobredner machen). Nach Ablauf des Waffenstillstands tritt auch Österreich auf die Seite der Verbündeten, und der Krieg entbrennt heftiger als vorher. Von Einquartierungslast bleibt Delitzsch zwar vorerst verschont, bekommt dagegen die Lieferungslast um so schlimmer zu kosten. Ein Amtspatent jagt das andere. In der Zeit von MitteAugustbis Ende September müssen gehefertwerden nach Wittenberg je 2800 Zentner Heu und Stroh; am 23. August nach Leipzig an das Lazarettkomitee 32 1/2 Zentner Fleisch in lebendem Vieh ('/, Zentner auf die Hufe, wovon Delitzsch 130 besaß); am gleichen Tage nachTorgau an denfranzösischen Gouverneur General Lebrun gegen Bezahlung von 2 Tlr. 8 Gr. pro Scheffel 1190 Scheffel Hafer; am 25. Aug. nach Leipzig, Pleißenburg, pro Hufe 1/2 Scheffel Hafer und'/, Scheffel Korn; am 4. September nach Torgau pro Hufe 1 Scheffel Korn oder 126 Pfund Mehl, 2 Metzen trockenes Gemüse, 1 Scheffel Hafer und 10 Pfund eßbares Fleisch in lebendem Schlachtvieh; am B. Sept. nach Dresden an die kaiserl. franz. Amee-Administration 4900 Ztr. Roggenmehl, 1650 Ztr. Weizenmehl gegen Bezahlung; am 18. September nach Torgau an General Lebrun je 1190 Scheffel Korn und Hafer, 1190 Ztr. Heu, 119 Schütten Stroh und 119 Stück Schlachtochsen, zu deren Transport 50 Mann der Besatzung beordert sind; am 30. September nach Leipzig in das Etappenmagazin pro Hufe 1 Scheffel Hafer und 1/2 Schock Stroh. Da Delitzsch den größten Teil dieser Proviantlieferungen auf dem Lande zusammenkaufen muß, so gerät die Stadt mitjeder Lieferung tiefer in Schulden, zumal die Kreisdeputation die Zahlung für die gelieferten Vorräte schuldig bleibt. Ende August beträgt die Schuld bereits mehr als 5200 Taler. Der Rat sendet daher schließlich den Kämmerer Weidenhammer nach Leipzig, um bei der Kreisdeputation bzw. dem Steuerrevisor Kraft endliche Bezahlung zu erwirken. Die Herren erklären jedoch, für Delitzsch kein Geld übrig zu haben; man habe kaum genug, um die täglichen Bedürfnisse der Stadt Leipzig zu bestreiten. Oberhaupt sei Delitzsch noch lange nicht am Ende seiner Leistungsfähigkeit. Es habe gute Nahrung, starken Ackerbau und im Beginne des Krieges wenig gelitten. Weidenhammer bestreitet dies alles, erklärt die Nahrungszweige für gänzlich gesunken und die Bürger infolge der schweren Kontributionen und unaufhörlichen Einquartierung für völlig verarmt. Er erreicht jedoch nichts, nicht einmal das Zugeständnis, daß man es bei Unerfüllbarkeit der Forderungen nicht zur Exekution kommen lassen werde. Es muß also weitergeliefert werden. Die Folge ist: Aufnahme neuer Anleihen. Weidenhammer bemerkt in seinen Aufzeichnung: "Stündlich dachte ein jeder, die Masse des Elends sei nun auf den Gipfel gestiegen, und dabei wuchs sie stündlich höher und immer höher bis ins Ungeheure". Die schlimmste Zeit beginnt erst, als die Franzosen unter General Bertrand, am 3. Oktober bei Wartenburg von General York geschlagen, auf dem Rückzuge der am 4. Oktober über Gräfenhainichen und Jeßnitz-Raguhn geht, in größeren Massen unter Marschall Ney ihren Marsch durch Bitterfeld nehmen und Delitzsch überfluten. Zwei Divisionen biwakieren zwischen Holzweißig und Delitzsch, die sächsische Division lagert bei Benndorf, Kavallerie zwischen Zsehernitz und Landsberg. Glücklicherweise verweilen diese Truppen nicht lange in der Gegend. Beunruhigt durch die Vortruppen des russischen Korps von Wintzingerode, die sogar in den Rücken der Franzosen gelangen, zieht Marschall Ney seine ganze Armee, darunter auch die bei Cletzen im Biwak gelegene württembergische Division, bei Delitzsch zusammen und verläßt noch in der folgenden Nacht auf Befehl Napoleons zur großen Erleichterung der Delitzscher Bürgerschaft die Stadt und ihre Umgebung, um zunächst nach Eilenburg zu gehen und die bereits gegen Düben vordringende Blücher'sche Armee wo möglich zurückzuwerfen. Die nachstenTage über, bis zum 12. Oktober, wird Delitzsch fortgesetzt durch kleinere, zur Aufklärung vorgeschickte Abteilungen der verbündeten Heeresgruppen beunruhigt. Diese Streifscharen halten sich nie lange in der Stadt auf, ersteigen gelegentlich die höchsten Türme, um von dort aus etwaige feindliche Bewegungen festzustellen und streifen weiter, meist nach den östlich gelegenen Dörfern, ihr Erkundigungsgeschäft fortzusetzen. Am 10. ist Delitzsch von Kosaken und preußischen Husaren besetzt. Von vorgeschobenen Streifscharen wird festgestellt, daß auf der Leipzig-Dübener Straße ein starkes feindliches Korps heranzieht, sich am Posthof Roten hahn (Crensitz) teilt, wovon die eine Hälfte auf Düben weitermarschiert, die andere sich über Hohenroda nach Delitzsch wendet. Da in unmittelbarer Nähe der Stadt gerade beim Herannahen des Feindes ein russisches Korps unter General Emanuel vorbeizieht, daß sich auf dem Marsche nach Zorbig befindet, stellt der Feind zwische Beerendorf und Delitzsch seinen Vormarsch ein, begnügt sich, einige Kanonenkugeln nach der Stadt zu schicken, und zieht sich zurück. Etliche der Kugeln, sowie das in einer Vorstadtscheune steckengebliebene Stück einer Granate werden im hiesigen Heimatmuseum aufbewahrt. Not und Elend erreichenden Höhepunkt, als am 12. Oktober drei französische Korps in Delitzsch einfallen, teils dort Quartier beziehen, teils auch in den Straßen der Stadt sowie in der Umgebung biwakieren. Zuerst kommt in zwei Kolonnen, die eine über Sausedlitz und Laue, die andere über Lindenhayn, Brinnis und Spröda, das mehr als 20 000 Mann starke 6. Korps unter Marschall Marmont, Herzogvon Ragusa, an. Der Marschall nimmt Quartier in dem Huske'schen Mühlengrundstücke, an dessen Stelle heute das Haus Bitterfelderstraße 39 steht. Seine Truppen liegen in Biwak auf dem Schützenplatze und nach Westen zu bis Kühnes Garten, nach Osten hin gar bis nach Werben. Chausseurs werden einquartiert auf dem Gerberplane, jedoch ohne die Pferde, die im Biwak untergebracht werden. Nicht lange danach trifft das unter Führung des Fürsten Poniatowski stehende, rein polnisehe achte Korps ein, das zwar kaum halb so stark ist wie das sechste, aber durch sein Erscheinen die Not auf das äußerste steigert. Der edelgesinnte Fürst quartiert sich im Gasthaus zur Weintraube ein, wo der die Nacht angekleidet auf Stroh verbringt. Außerdem kommen auch starke Abteilungen des aus neun schwachen Regimentern in Gesamtstärke von etwa 3000 Mann bestehenden dritten Kavalleriekorps, die der schon länger auf Rittgut Döbernitz liegende General Arrighi, Herzog von Padua, als deren Führer zwischen der Spröde und Beerendorf aufgestellt hat, um über sie Musterung zu halten, als schlimme Quälgeister in die Stadt, hierin ihrem gewalttätigen Führer ähnlich. Die hungernde Soldateska quält und mißhandelt die bürgerlichen Quartiergeber häufig auf unerträgliche Art. Unter Anwendung brutaler Gewalt werden alle erreichbaren Lebensmittel geraubt, alle Holzbestände, auch die Möbel, Bettstellen nicht ausgeschlossen, sogar Dielen und Holztreppen, desgleichen Türen, Fensterrahmen und Dachsparren aus den Gehöften entnommen und als Brennstoff für die Wachfeuer verwertet. Aus den Scheunen werden nicht nur alle noch vorhandenen Stroh und Heuvorräte entfernt, sondern auch die noch unausgedroschenen Getreidegarben, um sich damit im Biwak Strohhütten herzurichten und sie als Lagerstätte zu benutzen oder den Pferden unterzustreuen. Dabei liegen in allen Wohnräumen bis in die Dachböden hinauf die ungebetenen Gäste wie die Heringe dicht nebeneinander, sogar in den Schlafzimmern der unglücklichen Hausbewohner, die sich auf dem kalten, oft der Dielen beraubten Erdboden zu Bett legen müssen, dicht neben sich auf Strohschütten die wilden, in ihre Mäntel gehüllten Kriegergestalten. In und um die Dörfchenmühle haben sich um die gleiche Zeit übrigens Kosaken cingenistet, die am Abend die feindlichen Vorposten beunruhigen, ,ja keck bis in die vorderen Linien des Franzosenheeres eindringen. Fürst Poniatowski sendet ihnen eine Abteilung polnischer Lanciers entgegen, die an der "Kosebruch" mit ihnen ein Scharmützel haben und sie vertreiben. In der Nacht zum 13. geht dem Marschall Marmont von Napoleon, der von Dresden aus über Wurzen und Eilenburg Blücher nachgefolgt war und sich seit dem 10. in dem von Blücher rechtzeitig geräumten Düben aufhält, der Befehl zu, sich mit allen in und um Delitzsch befindlichen Truppen auf Leipzig zu ziehen, um seinen Schwager Murat, den König von Neapel, zu verstärken, der dort der aus Böhmen heranrückenden Hauptarmee der Verbündeten gegenübersteht. Demgemäß rückt Marmont mit den gesamten Scharen des Franzosenheeres, die Delitzsch wie ein Schwarm Heuschrecken überfallen haben, auf Taucha zu am 13. vormittags ab. Die Stadt kann aufatmen, hat aber fast alle Getreidevorräte sowie alles Vieh verloren. Die sonst so sauberen Straßen sind mit verschmutztem Stroh und, was das Ärgste ist, mit gänzlich verdorbenen, noch unausgedroschenen Getreidegarben, deren abgeknickte Ähren im Straßenschmutz verkommen, fußhoch bedeckt. Viele Wohngebäude sind des nötigsten Hausrats beraubt, und es fehlen ihnen die Haus-und Zimmertüren, deren Öffnungen die Bewohner durch Vorhänge zu schließen suchen. Wochenlang ist in der Stadt kein Brot mehr zu haben. Man nährt sich eine Zeitlang von den elendsten Speisen. Aus den Dörfern ringsum sind Schafe und Rindvieh zur Seltenheit geworden. An Pferden fehlt es ganz. Am 14.,16.und 18. ,ja auch noch am Vormittagedes 19. Oktober durchdröhnt der furchtbare Schlachtendonner von Leipzig her die Stadt. Am schlimmsten macht er sich den 18. bemerkbar, an dem auf beiden Seiten fast 2000 Feuerschlünde stundenlang in Tätigkeit sind. Die Erde scheint zu beben, die Häuser schüttern, und Fensterscheiben klirren leise. Bereits nach dem zweiten der Schlachttage langen von Leipzig her auf Leiter- und Kastenwagen lange Verwundetentransporte in derStadt an, wo schon seit dem Mai drei Lazarette eingerichtet sind, die gerade damals mit 366 französischen Soldaten belegt waren. Nunmehr müssen aufs schleunigste noch drei neue Lazarette hergerichtet werden, und man sieht sich zur Anstellung eines besonderen Lazarettarztes genötigt. Nach dem letzten Tage der Schlacht mehren sich die Verwundetentransporte derart, daß man alle öffentlichen Gebäude und leeren Bürgerhäuser mit wunden und kranken Soldaten belegen muß, von letzteren auch das leere Haus des Bürgers Rohr, in der Leipziger Straße gelegen (heute Nr. 3, Eisenhandlung Apitzsch), und dies gegen den Willen des Inhabers. Auch sieht sich der Rat schon am 18. und 19. gezwungen, von jeder Hufe die Lieferung eines halben Dresdner Scheffels "Erdbirnen" (Kartoffeln) auszuschreiben, "da zur Verpflegung der sich stündlich mehrenden Blessierten und Gefangenen täglich eine beträchtliche Quantität Zugemüse erforderlich ist, die Dorfschäften aber ausfouragiert sind". Allein der Unterhalt der Lazarette in den Jahren 1813-1815 verursacht der Stadt einen Aufwand von 3 306 Talem 1 Gr. 6 Pfg. In dieser Zeit tun sich die Frauen und Jungfrauen der Stadt durch ihre opferwillige Tätigkeit besonders rühmenswert hervor. Selbst solche von "Disünktion zupften Scharpie und lieferten Leinwand zu Verbänden". Zwei Tage nach der furchtbaren Schlacht wird von Kosaken und Preußen begleitet, neben zahlreichen Verwundeten auch eine größere Schar französischer Gefangener, bestehend aus 1500 Mann und 200 Stabsoffizieren vorübergehend hierher gebracht. Ohne auch nur ein Strohlager zu haben, müssen sie auf dem Schloßplatze kampieren, von Preußen bewacht. Die Bewohner der Stadt müssen ihnen gekochte Speisen liefern, die von den Halbverhungerten gierig verschlungen werden. Ihre unter Geldangebot vorgebrachte Bitte um ein Stück Brot kann frei lich nicht erfüllt werden, da seit dem unglücksehgen 12. in der ganzen Stadt noch immer kein Brot vorhanden ist. Etwas besser daran als diese Unglücklichen ist der auch in Gefangenschaft geratene und auf kurze Zeit hier untergebrachte General Arrighi, Herzog von Padua. Man hat ihn in der Marktapotheke einquartiert, wo er aber auf Streu inmitten zweier ihn bewachender Kosaken schlafen muß. Eine größere Zahl von in der Gottesackerkirche auf Stroh gebetteten verwundeten Franzosen wird von Kosaken bewacht. Diese verzehren die für die Verwundeten bestimmten Speiseportionen meist selbst und lassen die Bejammernswerten hungern. Die Preise der aus größerer Ferne von Landleuten und spekulierenden Marketendern herangebrachten Lebensmittel sind übrigens in den ersten Wochen nach der Schlacht unerschwinglich hoch. Ein Stück Butter, sonst für 2 Groschen zu haben, beispielsweise muß mit 10 Groschen bezahlt werden. Auch die Holzbauern aus der Dübener Heide bringen ihr Holz zu Wucherpreisen in Handel und nehmen für ein Fuder 26 Täler, während vorher eine Klafter Kiefernholz 3 und eine solche Buchenholz 4 Täler kostete. Am 22. Oktober wird von den verbündeten Mächten der russische Generalmajor Fürst Reprint zum Generalgouverneur im Königreiche Sachsen, Herzogtume Altenburg und den Preußischen Landen ernannt. Der König von Sachsen, der sich während der Schlacht in Leipzig aufgehalten, war schon gleich nach der Flucht der Franzosen und der Einnahme der Stadt durch die Verbündeten zum Gefangenen des Königs von Preußen erklärt worden. Er wird am 23. frühmorgens 4 Uhr mit seiner Gemahlin und der PrinzessinTochter nebst einigen Herren seines Hofstaates unter Begleitung von 120 Kosaken in zwei Karossen von Leipzig nach Berlin abgeführt. Schon am 25. Oktober findet sich preußische Landwehr in Delitzsch ein, und nun beginnt wieder eine Kette von Fouragelieferungen einzusetzen. Zunächst werden zur Verpflegung des preußischen 4. Armeekorps, das Torgau belagert, vom Amte Delitzsch verlangt: 40 000 Pfd. Brot, 10 000 Pfd. Gemüse, 1250 Pfd. Salz, 10 000 Pfd. Fleisch in lebendem Vieh, 2000 Quart Branntwein, 888 Scheffel Hafer, 100 Zentner Heu, 13 3/4 Schock Stroh. Alles soll binnen 2 bis 3 Tagen an das in Düben eingerichtete Proviant-und Fourage-Magazin abgeliefert werden. Eineweitere Lieferung an Korn, Mehl, Hafer, Heu und Stroh, wird soweit entbehrlich, am 9. November von Leipzig an ein von Vorräten gänzlich entblößtes Magazin verlangt. Kurz darauf werden auf Befehl des Kommandeurs der Belagerungsgruppe von Torgau, Generalleutnants von Tauentzien, angefordert: 34 zweispännige und 17 vierspännige mit Lebensmitteln und Futter auf drei Tage versehene Wagen, ohne den geringsten Verzug nach Dommitzsch in das preußische Hauptquartier zu gestellen. Bereits am 16. November muß auf Verlangen des Generalgouverneurs ein stehender Wagenpark errichtet werden zur Erleichterung des Fuhrwesens im Leipziger Kreise. Daher sollen im ganzen Kreise von je 15 zu 15 Hufen zwei Pferde, ein Wagen und ein Knecht gestellt werden, die bis zum Friedensschlusse an den Etappenorten zur Ausführung der Etappenfuhren zu stehen haben. Außerdem wird bald darauf dem Amte Delitzsch im besondern auferlegt, zur "Evacuation" (Räumung) der Leipziger Lazarette, "um die sich verbreitenden Epidemien zu unterdrücken", 100 zweispännige Wagen zu stellen, übrigens unter Verschonung der Gegend von Landsberg. Desgleichen befiehlt Graf Hohenthal dem Amte, sofort 22 zweispännige Wagen und 4 Holzleiterwagen nach Süptitz bei Torgau zu schaffen, auch muß das Amt wieder einmal nach Dommitzsch liefern, diesmal 14 250 Rationen und 43 973 Portionen, zugleich 180 Spaten, 20 Beile, 5 Äxte, 30 Schlägel und 4 große Holzsägen. Da die Stadt mit zwei Lieferungen im Rückstande bleibt, rücken nach vergeblicher Androhung des Justizamtmanns Wendler (Amtshauptmann auf dem Schlosse) mit Zwangsbeitreibung am 30. November gleich zwei Exekutionskommandos ein, die bis zur vollkommenen Entrichtung des Geforderten die Lieferungspflichtigen belästigen. Noch einletztes Mal vor der Einnahme von Torgau, die am 16. Dezember erfolgt, müssen von der Stadt nach Dommitzsch 30 Scheffel Kohlen geliefert werden. Da nach dem Fall von Torgau das Tauentziensche Korps sofort auf Wittenberg abrückt, das dortige Belagerungskorps (von Dobschütz) zu verstärken, wird aber das Amt schon am 2. Weihnachtsfeiertage angewiesen, 185 vierspännige große und breite Lieferwagen mit Körben, und auf wenigstens 6 Tage mit Futter versehen, nach Kemberg zu stellen. Errichtet wird am 31. Oktober das sogenannte "Banner der freiwilligen Sachsen", daja der Krieg gegen Napoleon fortdauert. Den Freiwilligen wird zugesagt, sie sollen Gefreitenrang einnehmen, mit "Sie" angeredet werden und von körperlichen Strafen befreit sein. Außerdem erhalten sie das Vorrecht, daß nur Leute aus ihren Reihen zu Offizieren bzw. Unteroffizieren der Landwehr befördert werden können. Sie haben sich im allgemeinen selbst auszurüsten (grüner Waffenrock) und zu bewaffnen. Für unbemittelte soll gesammelt werden. Durch Patent vom 9. November wird auch die Errichtung einer Landwehr verlangt. Alle wehrbaren Männer vom 18. bis zum 45. Lebensjahre einschließlich, ohne Rücksicht auf Stand, haben sich zu melden. Auch sie sollen sich selbst kleiden (mit dunkelblauem Uniformrock). Nur im Unvermögensfalle haben Stände der Gemeinden für sie einzutreten. Waffen und Munition erhalten sie, sofern sie nicht in den Kreisen beschafft werden können, vom General Gouvernement überwiesen. In Delitzsch geht die Meldung der Freiwilligen und Aushebung der Landwehr am Freitag, dem 3. Dezember, vonstatten, und zwar unter großer Feierlichkeit. Vom Rathause, auf dessen Hofe sich die Stellungspflichtigen früh um 8 Uhr versammelt haben, zieht man nach einem vom Balkon gegebenen Trompetensignale um 9 Uhr unter dem Geläute aller Glocken in die Kirche, und zwar in folgender Ordnung: 1. Ein Kommando Jäger von der Schützenkompanie, 2. die auswärtige Zivilobrigkeit, 3. die auswärtigen Geistlichen, 4. das hiesige Amts-und Ratspersonal, 5. die Diakonen, 6. das Expeditionspersonal, 7. die Deputierten, in deren Mitte der Superintendent, B. Gendarmen, 9. ein Detachement Jäger, 10. die einberufenen Landwehrpflichtigen von Delitzsch und Landsberg sowie aus den Dorfschaften. In der Kirche spricht nach dem Choralgesange zuerst der Superintendent vom Altar aus, sodann nach einem weiteren Gesange der Deputierte, der am Schlüsse seiner Rede zur freiwilligen Gestellung aufruft. Es melden sich 18 Mann, die an den Altar herantreten und dort laut ihre Erklärung abgeben. Der Deputierte hält an sie eine kurze Ansprache und übergibt ihnen das grüne Kreuz, womit jeder Freiwillige geziert sein soll. Sodann werden sie sogleich vereidet, dies unter dem Geläute aller Glocken. Nach einem Schlußworte des Deputanten und dem Absingen eines Schlußchorals kehrt der Zug in der vorigen Ordnung unter klingender, vom Balkon herabschallender Musik zum Rathause zurück, wo die Aushebung der Landwehrleute vor sich geht. Deren Zahl beläuft sich auf 376 Mann. Zur Ausrüstung der Delitzscher Landwehr hat die Bürgerschaft 978 Taler gesammelt, wozu die Bewohner der Amtsvorstadt Grünstraße noch 165 Taler 14 Gr. beisteuern. Ohne Entgelt liefern die Frauen und Mädchen der Stadt außerdem der auszurüstenden Mannschaft 189 Paar Socken von bester Beschaffenheit. Die Geistlichkeit des Delitzscher Kirchenkreises sammelt 220 Taler. Im ganzen Amte Delitzsch kommen zum Zwecke der Landwehrausrüstung ein 10 857 Taler. Leider werden von den in Delitzsch Ausgehobenen später 13 Mann, wahrscheinlich aus Treue zu ihrem gefangenen König, fahnenflüchtig, darunter 3 Freiwillige.


1814
Obwohl die Stadt Delitzsch durch die Truppenmassen der Marschälle Ney (4. u. 5. Oktober) und Marmont (12. u. 13. Oktober) völlig ausgesogen ist und der Krieg nunmehr fernab im Feindeslande geführt wird,bedrängt man noch fortgesetzt die Stadt mit Lieferungsforderungen. Auch hat sie noch viel unter Truppendurchmärschen zu leiden, insbesondere von russischen Ersatzmannschaften, die nach dem Kriegsschauplatze herangezogen werden. Um die bei den starken Durchmärschen erforderlichen Vorspanne bezahlen zu können, läßt man ein Steuerausschreiben auf das andere folgen. So wird einmal von jeder Hufe 1 Taler 12 Groschen verlangt, ein andermal 2 Taler, und dann wieder gar 3 Taler. Dem durch die massenhaften Truppenansammlungen und gewaltigen Kampfhandlungen völlig erschöpften Sachsenlande springt man jedoch nunmehr von allen Seiten bei, um der großen Not zu steuern. Im Lande selbst bildet sich die "Hilfs- und Wiederherstellungskommission", der viele Gaben von mildtätiger Hand aus dem Inlande zufließen. Ferner wird in einzelnen deutschen Städten außerhalb Sachsens für dieses unglückliche Land gesammelt. Aus Wien und Bremen senden die Vereine edler Frauen namhafte Beiträge zur Linderung der Nöte, desgleichen die Stadt Oldenburg. Und das britische Parlament bewilligt "für die in dem letzen Krieg Verunglückten Sachsens" 100 000 Pfund Sterling (2 Millionen Mark). Von dieser Summe werden der Stadt Delitzsch 100 Pfund zugebilligt. (Als Verunglückter gilt, wer durch den Krieg in Armut und Not geraten ist.) Vom General-Gouverneur wird als "angenehme Nachricht" bekanntgemacht, daß am 13. Januar früh um 2 Uhr die Festung Wittenberg mit Sturm genommen und die ganze Besatzung kriegsgefangen sei. Das Ergebnis der Einnahme von Paris (31. März) wird auf Anordnung des General-Gouvernements am 17. April "in sämtlichen hiesigen Landen durch ein allgemeines Dankfest gefeiert und in allen sächsischen Kirchen der Ambrosianische Lobgesang angestimmt". Auch ordnet der General-Gouverneur Fürst Repnin an, daß der erste Jahrestag der Schlacht bei Leipzig (18. Oktober) als eine Totenfeier zum Gedächtnis der im Kampfe um Deutschlands Freiheit Gefallenen, der 19. Oktober aber in den Kirchen als ein religiöses Dank-und Siegesfest feierlichst begangen werden soll. Einige Wochen vorher, noch im September, erfolgt von seiten der Leipziger Kreisdeputation eine letze große Ausschreibung auf Getreidelieferung an alle 112 Hufenbesitzer der Stadt, deren Grundbesitz allein 22 5/6 Hufen beträgt. Diese bitten, da das Ausdreschen des Getreides noch nicht erledigt, um Aufschub und schließen mit den beweglichen Worten: "Wir wollen liefern, schenken Sie, Hochwohlgeborene Herren, schenken Sie uns nur vier Wochen Zeit. Wir wollen alles, alles nachtragen". - Im November geht die Verwaltung des Sachsenlandes an den König von Preußen über. Mit der Verwaltung wird der Staatsminister Freiherr v.d. Reck betraut. Die Militärgewalt erhält Generalmajor Freiherr von Gaudi. In den Kirchen muß fortan im allgemeinen Kirchengebete für die "Hohe Landesherrschaft" gebetet werden, was eine "grenzenlose Aufregung der Gemüter" hervorruft.


1815
Durch Beschluß des schon seit dem Vorjahre in Wien tagenden Kongresses wird dem König von Preußen die nördliche Hälfte des Königreichs Sachsen, darunter auch Delitzsch, zugesprochen nebst einem großen Teile der sächsischen Oberlausitz im ganzen 397 Quadratmeilen mit damals 864 000 Seelen. König Friedrich August von Sachsen muß sich fügen, um wenigstens den Rest seines Landes für sich zu retten, und verabschiedet sich von seinen bisherigen Untertanen durch die Abschiedsproklamation vom 22. Mai. Am gleichen Tage erläßt König Friedrich Wilhelm von Preußen einen "Zuruf` an die neuen Untertanen. Die Erbhuldigung des preußischen Königs findet an dessen Geburtstage (3. August) in Merseburg statt. Entsandt sind von Delitzsch dazu die von der gesamten Bürgerschaft am Sonntag, dem 16. Juli, gewählten zwei Deputierten, der Gerichtsdirektor und Advokat Hildebrandt und der Viertelsmeister Depalmer. Die Huldigung nimmt nach einem im Dome abgehaltenen Gottesdienste auf dem Schlosse der Kriegsrat Mey entgegen, der die Huldigungsformel und den Treueid verliest. Auch die Delitzscher Bürgerschaft feiert diesen Tag zunächst frühmorgens durch feierlichen Gottesdienst in der festlich geschmückten Kirche und sodann des Nachmittags durch große Schützenparade nebst angeschlossenem Lustschießen nach einer mit passenden Sinnbildern bemalten Scheibe, wobei sich auch die Einwohnerschaft in buntem Treiben auf dem Schützenplatze ergeht. Am Abend ist Zapfenstreich und Illumination sämtlicher Häuser der Stadt. Am 8. Oktober erfolgt unter besonderer Feierlichkeit die Befestigung des preußischen Adlers nach Beseitigung des sächsischen Wappens an den beiden Toren der Stadt. Die Weihe empfangen die Wappenadler vor dem Rathause, wo auch die Schützenkompanie ihnen ihre "Honneurs macht". Hierauf geht es im Zuge nach dem Breiten Tore, wo der Adler an der Ostseite des Turms befestigt wird und Bürgermeister Ideler eine kurze, in einem Hoch auf den König ausklingende Ansprache hält. Sodann bewegt sich der Zug nach dem Halleschen Tore, wo das Anbringendes Wappenadlers in gleicher Weise erfolgt. Auf Betreiben des seit mehreren Jahren schon an die Spitze des Brauereisyndikats, das sich jetzt "Brauerschaftsdeputation" nennt, getretenen Senators Johann Gottfried Ehrenberg, des Vaters des berühmt gewordenen Weltreisenden und Naturforschers Prof. Dr. Christian Ehrenberg, wird von der Brauerschaft das der Kirche gehörige Marktbrauhaus am B. September zum Preise von 500 Talern preuß. Kurant erkauft und mit vollständig neuzeitlichen Werkzeugen und Öfen versehen unter Einbau eines neuen Kühlschiffs sowie einer Malztenne. Das Brauwesen nimmt infolge dieser Bemühungen, leider wieder nur vorübergehend, einen erneuten Aufschwung, zumal Senator Ehrenberg als bisher in Norddeutschland noch wenig geübte Neuerung durch einen von Erlangen herangezogenen Braumeister ein tiefgekühltes untergäriges Bier nach Erlanger Art brauen läßt. Von Mitte des Jahres an kommt das 7. preußische Ersatzbataillon vorübergehend hier in Garnison.


1816
Das Friedensdankfest wird an dem für den preußischen Staat denkwürdigen 18. Januar auch in Delitzsch sehr feierlich begangen. Schon am Tage zuvor hat man Feierlichkeiten stattfinden lassen, nachmittags Gottesdienst und am Abend einen glänzenden Fackelzug der Schützengilde, der vor dem Rathause mit dem Gesange der Nationalhymne "Heil dir im Siegerkranz" endet. Am Festtage selbst wird schon um 4 Uhr morgens, also bei herrschendem Nachtdunkel, mit allen Glocken geläutet, worauf große Reveille der Schützenkompagnie folgt. Zwei Stunden darauf, um 6 Uhr, werden dreimaldrei Böllerschüsse abgefeuert. Und bei eintretender Morgendämmerung versammelt sich alles Volk auf dem Markte, wo unter Musikbegleitung der auf dem Balkon befindlichen Stadtkapelle der Choral "Nun danket alle Gott" gesungen wird. Um 8 Uhr großer Festzug vom Rathause nach der Kirche. Voran ziehen die Schulkinder, auch die der drei Ratsdörfer Werben, Gertitz und Kertitz. Daran anschließend folgen die Geistlichkeit, die Beamten der Stadt und des Amtes, die Offiziere der Garnison sowie auch die Bürger unter Führung ihrer Viertelsmeister. Die Schützen bilden Spalier, und es wird wieder mit allen Glocken geläutet. In der Kirche wird ein von dem Stadtkantor Ahner eigens vertontes Tedeum von einem gemischten Chore vierstimmig gesungen, währenddessen von der Garnison auf dem Marktplatze eine dreimalige Salve abgegeben wird. Der Festgottesdienst, währenddessen das Tedeum nochmals gesungen wird, ist auf den Nachmittag verlegt worden. Die Festpredigt hält Superintendent Starcke. Von abends 6 Uhr an findet große Festtafel in dem vor mehr als einem Jahrzehnte von dem damaligen Ratskellerwirte und Apothekenbesitzer Leonhardt hinter dessen Hause, der Apotheke zum weißen Adler, erbauten Saale statt, wobei Bürgermeister Ideler die Festansprache hält und nach der Melodie "Bekränzt mit Laub" ein noch heute erhaltenes, im Heimatmuseum aufbewahrtes Tafellied gesungen wird. Der Gastwirt Becker, Besitzer des Gasthofes "zu den drei Schwanen" (heute "zum Schwan"), erbaut, nachdem er mehrere Jahre vor den Freiheitskriegen sein im Jahre 1806 vollständig niedergebranntes Haus neuerrichtet, für seinen jüngeren Sohn Gottlob auf seinem mit ausreichender Schankgerechtigkeit versehenen Grund und Boden ein weiteres Schanklokal, das er "Gasthof zum goldenen Löwen benennt. Der junge Gottlob Becker richtet hier als gelernter Kaufmann zugleich ein Kolonialwarengeschäft ein. Am 13. November, abends 7 Uhr, ereignet sich ein schwerer Unglücksfall. Der 52 Jahre alte Diakonus Möhring befindet sich bei sehr stürmischen Wetter und dicker Finsternis vom Gerberplane her auf dem Wege nach seiner Wohnung. Auf der damals "Allee" genannten Promenade kommt er dem Stadtgraben zu nahe, und das dessen Ufer ohne Schutzschranke, stürzt er den steilen Abhang hinab und ertrinkt.


1817
Die (Leonhardt'sche) Apotheke zum weißen Adler geht durch Kauf in die Hände von Karl August Christian Freyberg über, der auch in den ersten Jahren nach dem Kaufe (bis 1825) die Ratskellerwirtschaft pachtweise übernimmt. Nach Auflösung des 7. Ersatzbataillons kommt im Mai dieses Jahres der Stamm des 1. Bataillons 32. Landwehrregiments nach Delitzsch in Garnison. Sein Befehlshaber ist in diesem ersten Jahre der alte, an der Gicht leidende Oberst Graf von Schönburg. Drei Wochen später (am 31. Mai) folgt ihm der Kommandeur der dem Bataillon beigegebenen Eskadron, Major von Dietz, nach mit dem Stamm von 5 Unteroffizieren und Gemeinen. Oberst Graf von Schönburg stirbt freilich noch im selben Jahre an einem Gichtleiden. Sein Nachfolger wird Oberst Schlegell.


1818
Der Rat der Stadt führt bittere Klage: mit demVerfall des bürgerlichen Gewerbes, insbesondere der Haupnahrungszweige der Stadt, der Brauerei, Strumpfwirkerei und Tuchmacherei, sei auch der Verfall der Häuser verbunden. Esentstehen immer neue Wüstungen. So seien zwei Häuser subhastiert, und nicht eins sei an den Mann gekommen. Man werde sie nun abtragen lassen, die Baumaterialien verauktionieren und das gelöste Geld zur Bezahlungvon Schulden verwenden. DieUrsache zu der Unlust, W üstungen zu erwerben, liege lediglich im Verfall der bürgerlichen Nahrung. Man kaufe lieber für 1500 Taler ein bewohnbares Haus, das zu bauen vielleicht 5000 Taler gekostet habe, als daß man selber baue. Die Kgl. preußische Regierung schlägt zwar die aus der Franzosenzeit noch zu liefernden jedoch immer noch rückständigen Kontributionsteste nieder. Es lastet aber auf der Stadt noch weiter eine Kriegsschuld von rund 22 000 Tälern, die in Teilzahlungen von Jahr zu Jahr abgetragen werden muß.-Bei dem Übergange in preußische Oberhoheit macht die Stadt auf vielfache, in sächsischer Zeit den Fürstlichkeiten geleisteten Vorschüsse eine Restforderung von 9402 Tälern 2 Gr. 6 Pfg. beim preußischen Fiskus geltend. Dieser zeigt sich zur Deckung bereit und trägtnunmehrdie fremde Schuldsumme in zwei Raten ab. Auch ein der Leipziger Universität auf alte Kapitalien (von 1501 und 1505) gezahltes Agio im Betrage von 711 Talern 16 Gr. 3 Pfg. wird infolge einer an den König gerichteten Immediateingabe aus der Staatsschulden-Tilgungskasse voll und ganz zurückgezahlt. In diesem Jahre wird der Galgen, der an der Stelle des heutigen Berliner Bahnhofs stand, weggenommen.


1819
Inder Nacht vom B. zum 9. Juli, zwischen 11 und 12 Uhr, geht ein furchtbares Gewitter über die Stadt nieder. Der ganze Himmel scheint ständig in Flammen zu stehen. vor den krachenden Donnerschlägen erzittern die Fenster, und der Boden scheint zu wanken. Dazu setzt plötzlich ein orkanartiger Sturm ein, der die stärksten Linden entwurzelt und ganze Scheunen umwirft und Windmühlen. Man schreibt diese von den ältesten Leuten nicht erlebte grausige Naturerscheinung einem damals sichtbaren Kometen zu, von dem die Gelehrten behaupten, er sei der Sonne zu nahe gekommen und verursache so die in diesentJahre übrigens vielfach auftretenden schweren Gewitter. In der Amtsvorstadt Grünstraße, wo bisher, und zwar seit unvordenklichen Zeiten, von je zweien der 72 Hausbesitzer durch das Los erwählten Berechtigten ständig auf ein Jahr (von Pfingsten bis wieder Pfingsten) sogenannter Reihenausschank von Bier, Wein, Branntwein und andern Getränken ausgeübt wurde, wird in diesem Jahre auf Vorschlag des derzeitigen Schulzen Märtzschke in dem üblichen Verlosungstermine (3. Osterfeiertage) dem Reihenschank dadurch ein Ende bereitet, daß man, da gerade das 36. Jahr abgelaufen, sämtliche noch vorhandene 70 Lose (zwei Häuser waren wüste geworden) an einen einzelnen Hausbesitzer, den Gärtner Bretschneider, vorläufig auf 10 Jahre verpachtet. Die Pachtsumme wird festgesetzt auf 10 Täler nebst einer Tonne Freibier, welch letztere am Freitag nach Pfingsten bei Gelegenheit des in der Grünstraße üblichen sogenannten Lindentanzes zum besten gegeben werden soll. (Der Lindentanz, das einstige Volksfest der Grünstraßenbewohner, ging um die Dorflinde herum vor sich, die sich am Eingange der Querstraße befand, und an der der Bäckermeister der Straße eine Würfelbude unterhielt. Dem Tanze voraus ging stets ein Umzug durch die ganze Amtsvorstadt, wobei ein mitjungen Mädchen und Burschen sowie einer Musikkapelle überladener Lastwagen voranfuhren. Vorjedem Hause, dessen Besitzer eine Geldspende opferte, wurde Halt gemacht und der Spender durch eine in einem "Hoch" gipfelnde Ansprache geehrt). In diesem Jahr wird in Preußen eine gesetzmäßige starke Versteuerung des Malzschrotes festgesetzt (der Zentner mit 16 guten Groschen = 20 Gr.= 2/3 Talern), was sich für das Brauereigewerbe als verhängnisvoll erweist und das Eingehen vieler Brauerschaften zur Folge hat.


1820
Am 10. Mai zwischen 3 und 4 Uhr nachmittags wird die Stadt wieder von einem schweren Unwetter heimgesucht. Ein Blitz schlägt in die nördliche Turmspitze der Stadtkirche, geht auf dem Kirchenfirst entlang und entzün det auf dem Dache über dem Altare ein Dohlennest. Die benachbarten Holzteile fangen Feuer, indes geistesgegenwärtig erstickt dieses der zum Brandherde schnell hinaufgeeilte Maurermeister Rose mit einem "Hute" (d.h. einem ledernen Feuereimer) voll Wasser.


1821
Durch Versetzung des seit 1812 in Delitzsch amtierenden Rektors Georg Erdmann Ebeling zum Pfarrerin Balgstedt wird Ende 1820 die Rektorstelle an der Knabenschule in Delitzsch frei. Neubesetzt wird diese durch den bisherigen Stadtkantor Friedrich Wilhelm Ahner, der letzteres Amt bereits seit 21 Jahren versehen und sich als Vertoner von kirchlichen Gesängen mehrfach hervorgetan hat, am 1. April dieses Jahres. Auf Betreiben des Vorsitzenden der Brauerschafts-Deputation, des Senators Ehrenberg, erwirbt die Brauerschaft in diesem Jahre zu dem schon 1815 erkauften Marktbrauhause auch das "hinter den Bänken" gelegene sog. Kommunebrauhaus, wohin alsbald die Braupfanne zum Weißbierbrauen verlegt wird, zum Preise von gleichfalls 500 Talern. Desgleichen wird in diesem Jahre von der Brauerschaft auch noch die Kommune-Malzdarre (heute Mauergasse 19) erworben. Der Magistrat, gewarnt durch den tödlichen Unglücksfall des im Stadtgraben ertrunkenen Diakonus Möhring, läßt am östlichen Ufer des Stadtgrabens und einem Teile des nördlichen Ufers, vom kleinen Schutz bis zum Breiten Tore und von da bis zur Stadtmühle hölzerne Schutzschranken, Barrieren genannt, auf der Promenade anbringen.


1822
Der Nachfolger des nunmehrigen Rektors Ahner im Kantoramte, Karl August Christian Golz, begründet am 31. August eine neue "Cantorey-Gesellschaft", die als erster moderner Gesangsverein von Delitzsch anzusehen ist. Ihre Satzungen sind außer von Kantor Golz von noch folgenden aktiven Mitgliedern unterzeichnet: Friedr. Wilh. Delzner, Friedr. Aug. Lorenz, Joh. Gott]. Zieger, Organist. Gottfr. Benj. Hoffmann, Wolfg. Heinr. Braune, Christian August Preil, Aug. Wilh. Kühne, Joh. Sigism. Kühne jun., Joh. Christ. Mülzierstadt, Joh. Benj. Krippner, Friedr. Meißner, Christian Karl Schmidt, Joh. Christ. Heinr. Heinze.


1823
Die königliche Regierung in Merseburg erklärt das alte, in unmittelbarer Nähe der Kirche schon vor 1446 erbaute Knabenschulhaus für unzureichend und fordert einen Neubau. Der Rat und die sogenannten Kommunerepräsentanten (Stadtverordnete) erklären sich mit der Forderung grundsätzlich einverstanden, werden aber von vornherein dahin vorstellig, angesichts der üblen Finanzlage der Stadt von der bisher fünfklassigen Knabenschule eine Klasse einzuziehen, im Neubau also nur vier Klassen herrichten zu dürfen, was die Regierung genehmigt, da geltend gemacht wird, die Zahl der Schüler betrage nicht mehr als 240, und es könne vier tüchtigen Lehrkräften wohl zugemutet werden, diese Zahl in vier Klassen zu unterrichten. Die Beratungen über den Neubau ziehen sieh trotzdem noch sehr in die Länge, und es verstreichen Jahre, ehe er in Angriff genommen wird. Der Breite Turm wird ausgebessert und bis zur Bedachung angestrichen. Die Breitetorbrücke, von der am ersten Fastenmarkttage ein Teil eines Bogens einstürzt, wird im April und Mai neuerbaut. Dies geschieht in der Weise, daß sie in gerader Richtung aufgeführt und auf Pfahlrost erbaut wird, während die alte Brücke krumm verlief und auf zwei Bogen errichtet war. Auch wird das Wachhaus, das auf der letzten stand, abgerissen und nicht wiedererrichtet. Die Kostendes Baues betragen 1149 Täler 9 gute Groschen.


1825
Die Beratungen über den Schulbau treten insofern in ein neues Stadium, als beschlossen wird, als Baustelle die in der Hintergasse (heute Schulstraße) gelegene Walter'sche Wüstung in Verbindung mit dem angrenzenden, den Eheleuten Schumann gehörigen Hause, das die Stadt erkaufen will, der Königlichen Regierung in Vorschlag zu bringen. Letzterezeigtsich auch diesem Ansinnen geneigt, obschon sich Superintendent Starcke, der den Neubau an der Stelle der alten Schuleerrichtet sehen möchte, dagegen erklärt, wobei er leider verspätet auch geltend macht, daß es bedenklich sei, vom füntklassigen auf ein vierklassiges Schulsystem zurückzugehen, da 1826 nach dem Urteil des Rektors Ahner die Schülerzahl sichbereits auf etwa 290 erhöhen werde. Das Jahr ist außerordentlich fruchtbar wie auch schon das vorhergehende 1824 gewesen. Es waren die fruchtbarsten seit der Jahrhundertwende.


1826
Ein sehr heißer Sommer mit vielen Gewittern und Hagelschlag. Der von ängstlichen Gemütern sehr gefürchtete Bielasche Komet erscheint in diesem Jahre. Selbst in der Gelehrtenwelt waren etliche des Glaubens, daß er einen Weltuntergang veranlassen werde. Zu Michaelis dieses Jahres sieht sich die Brauerschaft in der Nachbarstadt Bitterfeld gezwungen, ihr Brauwesen an einen einzelnen Pächter in Pacht zu geben, was die Städte Zorbig und Schkeuditz schon im Jahre vorher tun mußten, um nicht rettungslos in Schulden zu geraten. Dank der durch Senator Ehrenberg getroffenen zeitgemäßen Einrichtungen vermag die Delitzscher Brauerschaft die Selbstverwaltung trotz der hohen Steuerlast vorderhand noch aufrecht zu erhalten.


1827
Die Wintermonate Januar, Februar und März sind streng und hart. Im April erreichen die Getreidepreise fast die doppelte Höhe wie die früherer Jahre. Der Scheffel Weizen kostet 1 TIr. r. 21 Gr., Roggen 1 TIr.15 Gr., Gerste 1 Tlr., Hafer 28 Gr. Den gleichen Preis hat ein Zentner Heu, das Schock Stroh zu 1200 Pfund dagegen 3 TIr. 15 Gr. In diesem Jahre wird endlich auf der Walther'schen Wüstung in der Hintergasse unter Einbeziehung des nebenstehenden, von der Stadt erkauften Schumannschen Hauses, das aber fast ganz abgetragen werden muß, der Neubau der Knabenschule in Angriff genommen. Ausgeführt wird der Bau von den Maurermeistern Rose und Meieund dem Zimmermeister Friedrich August Holzweißig. Zur Deckung der Baukosten hat der Rat neben der Aufnahme verschiedener Darlehn aus Privathänden auch die Versteigerung mehrerer städtischer Gebäude vorgenommen, insbesondere die der vormaligen, jetzt vom Rektor der Knabenschule bewohnten Stadtschreiberwohnung in der Ritterstraße, sowie die der alten Knabenschule. Die bereits am 22. Dezember des Vorjahres erfolgte Versteigerung hat das Ergebnis, daß der damalige Kreissekretär Securius, der spätere Bürgermeister der Stadt, zum Preise von 975 Tälern das Stadtschreiberhaus und der Maurermeister Gottsching aus Selben für 350 Täler die alte Knabenschule erwirbt, letztere mit der Verbindlichkeit, sie alsbald abzutragen. Die Auflassung geht den neuen Besitzern schon am 13. Februar des neuen Jahres zu. Der Schulneubau wird so rasch gefördert, daß am 2. Juli bereits die Einweihung der neuen Schule erfolgen kann. Sie wird vom Superintendenten Starcke vollzogen in Gegenwart der übrigen Geistlichen der Stadt, der Lehrerschaft, des Stadtrats und der Kommunerepräsenlanten sowie sämtlicher Schüler. Eröffnet wird der Weiheakt durch einen Chorgesang der neugegründeten Kantoreigesellschaft, und im Anschluß an die Weiherede des Superintendenten werden nach einem gemeinsam gesungenen Festliede noch Ansprachen gehalten von Rektor Ahner, dem Ratsdeputierten, der Schulinspektion Dr. med. Gerber, sowie dem ersten Schüler der Schule Karl Robert Parreidt. Vor diesem feierlichen Akte war unter Ansprachen des Superintendenten und des Kantors Golz Abschied genommen worden von der alten Schule, von wo sich die ganze Teilnehmerschaft in feierlichem Zuge nach dem neuen Schulgebäude begab. Die zu der Feier des Abschieds von der alten Schule sowie zum Weiheaktus der neuen gedichteten, gedruckt vorliegenden Festlieder haben den Superintendenten Starcke zum Verfasser. Die Kosten des Schulhausbaus betragen 8202 Tlr. 28 Sgr. 2 Pfg., die der Nebengebäude und des Pflasters 555 Tlr. 7 Sgr. 9 Pfg., insgesamt also 8758 Tlr. 5 Sgr. 11 Pfg.


1828
Während der Baumblüte im Mai fällt ein anhaltender Frost ein, so daß sie fast ganz verdirbt und nach vielen vergeblichen Bemühungen, für die städtischen Obstpflanzungen einen Pächter zu finden, einem Öbster die gesamte Obsternte für 3 Taler Pacht überlassen werden muß. Auch verregnet die Getreideernte. Am 18. Juni, abends 9 Uhr, trifft der am Tage zuvor schon angemeldete Leichenzug des in Graditz bei Torgau verstorbenen Großherzogs Karl August von Sachsen-Weimar, begleitet von Eskadron Husaren, einem Weimarischen Major und Kammerherrn (von Germer) nebst dessen Adjutanten, dem Leibarzt und dem Leibchirurgus des Verstorbenen, ferner dem preuß. Oberzeremonienmeister v. Buch und dem preuß. General von Krauseneck unter dem Geläute aller Glocken in Delitzsch ein, wo in der "Breiten Gasse" das gerade zur Übung eingezogene 1. Bataillon des 32. Landwehrregiments spalierbildend mit präsentiertem Gewehr aufgestellt ist und der Trauerzug an der Kirche von den beiden preußischen Generalen von Jagow und von Natzmer, dem Landrat von Pfannenberg und sämtlichen Ratsmitgliedern der Stadt empfangen und zum westlichen Hauptportale der Kirche geleitet wird. Hier wird der Sarg durch Unteroffiziere der Landwehr vom Leichenwagen genommen, durch den schwarzverhangenen Eingang in die mit schwarzen Teppichen ausgelegte und mit weißen Rosen bestreute Vorhalle getragen und in deren Mitte beigesetzt. Vor dem Eingange wird eine militärische Ehrenwache aufgestellt, die, mehrfach abgelöst, die ganze Nachtunterhalten wird. Des anderen Morgens um 5 Uhr bricht der Zugwieder auf, um die Trauerfahrt nach Weimar über Schkeuditz, Naumburg, Ekkartsberga fortzusetzen. Und solange er vom Turme aus sichtbar ist, tönt ihn das Geläut aller Glocken der Stadtkirche nach. Der neue Großherzog, Karl Friedrich, läßt zum Danke für die weihevolle Aufnahme der väterlichen Leiche der Delitzscher Stadtkirche ein bei der Merseburger RegierungsHauptkasse zu erhebendes Geschenk von 100 Talern anweisen.


1829
Der Winter ist härter und anhaltender als der von 1827. Zur Steuerung der drohenden Hungersnot läßt der Pächter des Kommunegutes Einwald an die Armen Kartoffeln austeilen. Das gleiche tun die Rittergüter Storckwitz und Schenkenberg. Die Gemeinde Beerendorf sammelt für die Armen Geld. Das Erntewetter ist auch in diesem Jahre ungünstig. Der preußische Staat übernimmt die durch die hiesige Vorstadt führende Landstraße (heutige Bitterfelder-Kohlstraße), wodurch die Erhebung von Pflastergeleit an den beiden Hebestellen (Vieh- und Kohltor) endlich in Wegfall kommt und die im Jahre 1815 auf Veranlassung des General-Akzise- Ober- und Haupt-Gleits Einnehmers Franke wiederhergestellten Schlagbäume nunmehr endgültig entfernt werden. Von den Anwohnern der Viehgasse wird die Straße an den Seiten mit Bäumen bepflanzt. Am 11. Dezember wird gelegentlich einer vom Delitzscher Postmeister Hauptmann a.D. von Bünau veranstalteten Treibjagd in der Nähe von Gertitz der dem 20. Inf.-Rgt. in Torgau angehörige Sekonde-Leutnant von Mauderode durch Unvorsichtigkeit beim Aufsteigen auf den Wagen von den gleich ihm hier auf Besuch weilenden Hauptmann von Griesheim, seinem Freunde, infolge von Kopfschuß erschossen. Die Beerdigung findet am 14. abends unter Beteiligung der hier befindlichen Militärpersonen, der Geistlichkeit und der Zivilbehörden statt. Dem Trauerzuge geschlossen voran geht die Schützengilde. Der Sarg wird von den Gefreiten des Landwehrstammes aus der Kirchenhalle auf den Friedhof getragen. Am 26. und 27. August brennen durch mutmaßliche Brandstiftung drei mit Getreide gefüllte Scheunen am Gerberplane ab- desgleichen am 4.Oktober ein Schuppen und am 30. November der "Kommune-Schafstall" am Viehtore (dem heutigen Armenhaus). 300 Schafe kommen dabei um und verbrennen.


1830
Der schon gleich nach Beendigung des in der Hintergasse zur Ausführung gebrachten Schulneubaus ins Auge gefaßte Erweiterungsbau des ebenso wie die einstige alte Knabenschule an der Stadtkirche gelegenen Mädchenschulhauses, erhält in diesem Jahre festere Gestalt. Die bisher nur von einem Lehrer betreute Kinderschar dieser Schule (annähernd 300) soll künftig in zwei Klassen unterrichtet und dazu noch eine Schulklasse und eine Amtswohnung für den neuen Lehrer eingefügt werden. Nach Einholung eines Gutachtens des Bauinspektors Flachmann werden die Vorarbeiten zur Ausführung des Baues dem Zimmermeister Krause in Verbindung mit Maurermeister Meie übertragen. Die Ausführungzieht sichjedoch sehrin die Länge und kommt erst nach mehreren Jahren zustande. Der Winter des Jahres ist in seiner ersten Hälfte wieder hart (meist 16 bis 21 Grad Reaumur), der Sommer ist naß. Im Oktober beschließt in einer Vollversammlung die Brauerschaft, nach dem Vorgange der Nachbarstädte vom Beginne des nächsten Jahres an, ihre Braugerechtsame an einen Braumeister zu verpachten. Zugleich wird beschlossen,beim Magistrat die Schankerlaubnis für noch etliche brauberechtigte Bürger der Stadt nachzusuchen, damit der Ausschank in der Stadt dem Brauer nicht allein überlassen bleibe. Der Rat leistet dem Ansuchen Folge und erteilt die gewünschte Erlaubnis dem Böttcher Beyer und der Böttcherswitwe Dietzel, beiden gegen die Verpflichtung, einen jährlichen Pachtpreis von je 30 Talern zu entrichten.


1831
Am 16. Januar erläßt die Brauerschafts-Deputation im "Nachrichtenblatte für den Delitzscher und Bitterfelder Kreis" eine Bekanntmachung, worin mitgeteilt wird, daß die Brauerei hierselbst an den Braumeister Joh. Kaspar Gürth auf 6 Jahre verpachtet und diesem Pächter die Ausübung der Bier zwangsgerechtsame auf seine Pachtzeit übertragen worden sei. Brauereipächter Gürth, der aus Landsberg stammt, hat dem Pachtvertrage gemäß eine Pachtsumme von 825 Talern zu zahlen und eine Kaution von 600 Talern zu stellen. Der bisherige Kommandant der Stadt und Befehlshaber des hiesigen Landwehrbataillons, Oberstvon Schlegell, verläßt Delitzsch und geht nach Halle. An seine Stelle tritt der Major v.d. Chevallerie, der sich aber nicht lange hier aufhält. Die Anwohner auf der Ostseite der Töpfergasse bitten um Erlaubnis, auf dem durch Schuttablagerungen seit 1816 beinahe zugefüllten Vorstadtgraben hinter ihren Häusern Gärten anlegen zu dürfen. Die Erlaubnis wird gegeben, gegen die Verpflichtung, den Graben vollständig auszufüllen, zu planieren, eine Wasserrinne zum Abfluß des Regenwassers nach dem Leber hinter der Scharfrichterei herzustellen, und jährlich 4 Taler Erbzins zu zahlen. Auf diese Weise entstehen die Gärten am Stakenwege.


1832
Am 1. Januar wird ein neugebildetes Ratskollegium, das gemäß der "revidierten" Städteverordnung vom 17. März 1831 nunmehr "Magistrat" heißen muß, durch den damaligen Landrat von Pfannenberg feierlich eingeführt. Vorerst besteht es aus 4 Mitgliedern, nämlich dem neugewählten Bürgermeister (frühern Kreissekretär) Securius und drei Stadtratsmitgliedern, diese zunächst noch Assessoren genannt. Schon im Vorjahre hatten die sogenannten Kommunerepräsentanten zurücktreten müssen, und die Bürger an deren Stelle am 9. und 10. Oktober Stadtverordnete gewählt. Im Mai wird die Kirschallee rings um die Stadt auf 10 Jahre verpachtet fürjährlich 38 Taler 15 Sgr. Im Juni setzt eine afrikanische Gluthitze ein. Es wird eine neue Militärordnung im ganzen preußischen Staate eingeführt, wonach jede Garnison eine besondere Militärgemeinde zu bilden hat. An die Stelle des mit einem andern Kommando betrauten Majors v.d. Chevallerie tritt Major Ehrhardt. Laut Bekanntmachung des Kommandos des Delitzscher Landwehrbataillons versteigert dieses am Freitag und Sonnabend, den 7. und B. Dezember "im Zeughaus-Lokale des Bataillons" (Schloß) mehrere ausrangierte Effekten, als Mäntel, Montierungen, Czakos, Überzüge, Brotbeutel, Tornister, Riemen, Patronentaschen, Säbel-Troddeln, Schuhe, Colletts, Reit-und Stallhosen, Cartouchen, Bandeliere, Kavallerie-Säbelgehenke usw. an den Meistbietenden gegen gleich bare Bezahlung". Der Bau einer "Kieschaussee" von Bitterfeld über Delitzsch bis an die sächsische Grenze wird vom Staate (Straßenbaufiskus) begonnen und die Straße zunächst bis Delitzsch geführt.


1833
In diesem Jahre treten sehr heftige und häufige Gewitter auf, verbunden mit orkanartigen Stürmen, so am 16., 17. und 18. Mai, wobei Torflügel und Torpfeiler zerbrochen, fast alle Dächer abgedeckt werden, die Schulwand umgeworfen, in der um die Stadt führenden Allee die größte Linde und an der Stadtmühle die stärkste Pappel entwurzelt wird. Am ersten der drei Tage fallen Hagelstücke von Walnußgröße und zertrümmern eine Menge Fensterscheiben. Gewaltige Stürme toben auch am 17. und 18. Dezember. Fast alle städtischen Gebäude bedürfen der Ausbesserung. Der Straßenbau nach der sächsischen Grenze wird beendet. In Delitzsch entsteht dadurch die (vorerst noch unbenannte) Chausseestraße, heute Hindenburgstraße. Die schon im Vorjahre baufällig gewordene und darum polizeilich gesperrte Brücke rechts von dem Halleschen Tore über den Flutgraben des Lober soll von der Stadt erneuert werden, was diese verweigert, da die Brücke bisher vom Königlichen Rentamte unterhalten wurde. Der Minister des Innern befiehlt aber die Herstellung seitens der Stadt. Diese läßt eine hölzerne Brücke erbauen. Auch der Neubau der Kohltorbrücke erfolgt in diesem Jahre. Am 10. September abends 10 Uhrwird Superintendent Starcke im Alter von 73 Jahren aus dieser Welt abgerufen und am 13. nachmittags 4 Uhr begraben. Sein Grab befindet sich am Westeingange der Kriegergedächtniskirche neben dem seiner im März des Vorjahres verstorbenen Gattin. Archidiakoaus Morgenstern hält ihm die Grabrede über das Bibelwort: "Ei, du frommer und getreuer Knecht' usw. Begleitet wird der Sarg von der Knabenschule mit Lehrern, von Geistlichen und Lehrern des Kirchenkreises, dem Magistrat, dem Gerichtsamtmann und Aktuarius. Am Breiten Turnte wird von der Stadtkapelle "Jesus, meine Zuversicht` geblasen und am Grabe "Auferstehen, ja auferstehen". Die Schützen machen die Honneurs. Am 23. des gleichen Monats, früh 10 Uhr, soll nach einer Bekanntmachung des Landrats von Bitterfeld, die dieser auch im Auftrage der Landräte des Delitzscher, Wittenberger und Torgauer Kreises erläßt, die Versteigerung von 80 Stück sehr guten Pferden, die zum Gebrauch der Delitzscher Landwehr-Eskadron während der diesjährigen Herbstmanöver von den genannten vier Kreisen angekauft wurden, in Delitzsch vorgenommen werden. Es ist dies das erste Mal, daß für die Eskadron Pferde für die Ubungszeit kauf lieh erworben werden. Bisher wurden sie alljährlich von Besitzern aus jenen Kreisen für täglich einen Taler gemietet und nach erfolgtem Gebrauche zurückgegeben. Ausgewählt wurden sie vom Kommando auf dem Delitzscher Marktplatze, wohin die angebotenen Tiere von den Besitzern zu bestimmten Terminen gebracht werden mußten.


1834
In der Neujahrsnacht tobt ein furchtbarer Orkan, der viele Gebäudebeschädigt und die Fahne des Breiten Turms in den Stadtgraben wirft. Das Kgl. Konsistorium in Magdeburg überträgt am 11. März dem Archidiakon Morgenstern die Seelsorge bei der hiesigen Militärgemeinde, wobei ihm die Parochialrechte eines Garnisonpredigers zugesichert werden. In der Kirche werden den Militärpersonen und deren Familien besondere Plätze eingeräumt. Die Offiziersfamilien benutzen wie die übrigen Kgl. Beamten das fürstliche Betstübchen oder die Amtskapelle; die Mannschaften erhalten Plätze auf dem oberen Chor hinter der Kanzel (letztere damals noch-bis zudem 1889/90 erfolgenden großen Umbau des Kircheninnern - an einem Pfeiler der Nordseite befindlich). Betreffs des Schulbesuchs der zur Militärgemeinde gehörigen Kinder bestimmt der Militäroberpfarrer des IV Armeekorps, Dr. Große, Magdeburg, daß künftighin kein Militärkind mehr in die so dürftige Hühnelsche (Privat-) Elementarschule oder gar in die vorstädtische Armenschule geschickt werden dürfe. Auf Betreiben des Garnisonpfarrers Morgenstern einigen sich Garnison- und Ortsschulinspektion dahin, daß gegen ein von der Garnisonskasse fürjedes schulpflichtige Militärkind zu erlegende Schulgeld vonjährlich 2 Talern diese Kinder die Stadtschule besuchen können. Als Personalbestand beim Stamm des Delitzscher Bataillons 32. Landwehr-Regiments werden nachgewiesen 29 Männer, darunter auch der in Bitterfeld wohnhafte Bezirksfeldwebel Gärtner und sein Schreiber, Gefreiter Albrecht, ferner 16 Frauen und 30 Kinder. Unter den Männern werden genannt Major Ehrhardt, verheiratet, kinderlos; Eskadronführer Premierleutnant von Strachwitz, unverheiratet, katholisch; Leutnant und Adjutant von Schmidt, unverheiratet, vom Befehlshaber zum Mitglied der Schulkommission ernannt; Bataillonsarzt Dr. Bertram, verheiratet, 3 Söhne und 1 Tochter u.a. Im Mai wird das Schlagzieherhaus am Kohltore, da es infolge staatlicher Übernahme des in die Bitterfeld-Leipziger Kieschaussee einbezogenen Wegs vom Vieh-bis zum Kohltore überflüssiggeworden ist, öffentlich meistbietend verkauft. Erstanden wird es für den Preis von 253 Talern von dem Kattunfabrikanten Seidel, der es noch vor der Übergabe an den Gürtler Auerbach abtritt. Auch dieser veräußert es noch im selben Jahre, und zwar an den Drechsler Petzsche. Das Schlagzieherhaus am Viehtore wird dem Pächter des "Kommungutes", Amtmann Küster, bis zu dessen 1848 erfolgten Tode zur Benutzung überlassen. Die bisher vom Straßenbaufiskus unterhaltene Gertitzer Straße wird der Stadt zugesprochen. Sie erhält zunächst den Namen "Weg vor den Hallischeu Scheunen". Dieses Jahr ist das Geburtsjahr des preußischen Zollvereins, der sich auch für Stadt und Kreis Delitzsch segensreich erweist. Die innerhalb des Kreises an der sächsischen Grenze (in Schladitz b.K. und Gordemitz) errichteten Hauptzollämter werden aufgehoben und ihre Gebäude öffentlich versteigert.


1835
Am 5. Juni, abends zwischen 6 und 7 Uhr, kommt Prinz Wilhelm, der nachmalige Kaiser Wilhelm I., damals 38 Jahre alt, nach Delitzsch, kehrt aber nirgends ein, sondern ergeht sich während des Pferdewechsels auf dem Roßplatze (zu jener Zeit noch "Platz an der Postsäule" genannt). Nach 1 '/, jähr. Vakanz., während der unter andern der Kandidat theol. Ahner, ein Sohn des derzeitigen Rektors, in der Kirche mehrfach predigt, wird im Mai Superintendent Dr. phil. Karl Friedrich Rudel nach Delitzsch berufen und hält am Sonntag Jubilate (10. Mai) seine Antrittspredigt, die er drucken läßt. Die neue Wetterfahne, die, an Stelle der sächsischen Kurschwerter mit dem preußischen Adler geziert, als Ersatz für die vom Sturm herabgerissene auf der Höhe des Breiten Turms schon im Vorjahre befestigt worden war, läßt ein Wiederabbrechen befürchten, da sie bei heftigem Winde immer bedenklich schwankt. Man nimmt sie daher wieder ab und befestigt sie besser durch eine hölzerne, mit vier Streben versehene Spindel. Und statt des (übrigens jetzt im Heimatmuseum befindlichen) Adlers, der sich für die leichte Fahne als zu schwer erwiesen, wird ein eisernes Kreuz angebracht.


1836
Als kommandierender General des vierten Armeekorps kommt am 22. Juni vormittags von Leipzig her, wo er mit seinem Bruder Wilhelm und seinerjüngeren Schwester, der Großherzogin von Mecklenburg, zusammengetroffen, Prinz Karl von Preußen nach Delitzsch, um vor seiner Weiterreise nach Magdeburg über das hiergerade zur Übungvollzählig versammelte Landwehrbataillon und die diesem angeschlossene Eskadron eine "Revue" (Besichtigung) abzuhalten. Nachdem diese beendet und auch auf dem Platze an der Postsäule (Roßplatz) der Vorbeimarsch der Truppen in Parade erfolgt, findet ein schon am Tage vorher bestelltes Diner im "Weißen Roß" statt, dessen Besitzer damals Friedrich Eduard Sänger war. Geladen sind dazu außer den Offizieren, dem Bataillonsarzt und dem Geistlichen (M. Morgenstern) der Garnison noch Bürgermeister Securius, die drei Ratsassessoren Trusther, Mehner und Meißner und desgleichen als ehemaliger Offizier der Postmeister von Bünau. Da dienstlich abwesend, ist Landrat von Pfannenberg nicht unter den Geladenen. in einem Trinkspruch gibt der Prinz seiner Freude Ausdruck über das gute Einvernehmen zwischen Militär und Stadtgemeinde. Der längst geplante Erweiterungsbau der Mädchenschule wird endlich in diesem Herbste in Angriff genommen, aber noch nicht zu Ende geführt. Den Bau führen aus Zimmermeister Krause und Maurermeister Meie. Es ist eine zweite Schulklasse herzurichten und in dem bisher von dem dritten Lehrer der Knabenschule, dem "Tertius" Lorenz, allein bewohnten anliegenden Hause eine Amtswohnung für den neuanzustellenden zweiten Mädchenlehrer einzubauen. Da in diesem Jahre drei Viertel der Einwohnerschaft vom Wechselfieber befallen werden und die Arzte der durch den Stadtgraben verursachten Sumpfluft die Schuld daran beimessen, ordnet die Königliche Regierung dessen Reinigung an. Maurermeister Meie und Kaufmann Hoffmann erbieten sich, die Schlämmung der südlichen Hälfte des Grabens gegen 50 Taler in bar und Überlassung des Schlammes vorzunehmen, finden aber trotz der Fürsprache des Bürgermeisters Securius bei den Stadtverordneten, denen die Schlämmung für Rechnung der Stadtkasse billiger erscheint, kein Entgegenkommen. Da nun aber gleich nach der am 5. Oktober begonnenen Arbeit sich herausstellt, daß, um den Wasserzufluß zu hindern, zwei Dämme gebaut werden müssen, nämlich einer am kleinen und einer am großen Schutz, was allein 70 Taler Kosten macht, und außerdem am Halleschen Tore, wo die Schleuse befindlich, zur Ableitung des allzu reichlich strömenden Quellwassers der Alleedamm durchstoßen werden muß, so stellt sich selbst nach Abrechnung der aus dem Schlammverkauf erzielten Einnahme, an Unkosten der erhebliche Betrag von 516 Talern 8 Sgr. 8 Pfg. heraus. Die Schlämmung des Stadtgrabens kann übrigens erst am 28. Januar des folgendenJahres beendet werden. Im Frühjahr entstehen in Delitzsch zwei neue Gasthöfe, am 20. März in der Halleschen Straße der "Gasthof zum Stern", dessen Besitzer Seilermeister Wilhelm Dörfel ist, und am 12. April in der damaligen Hintergasse (Ecke Pfortenstraße) der "Gasthof zur Stadt Berlin" (Besitzer Drechslermeister Johann Heinrich Ufer).


1837
Am 1.Januar übernimmt nach Ablauf der Pachtzeit des Braumeisters Gürth die Pachtung der hiesigen Genossenschaft-Brauerei der Brauerssohn Karl Adolf Hein aus Wittenberg. Er zahlt eine Pachtsumme von 835 Talern und muß eine Kaution von 1000 Talern stellen. Der Erweiterungsbau der Mädchenschule wird beendet Die Tafeln und Bänke für die neue Klasse fertigt der Tischlermeister Schultheis. Die Gesamtkosten des Baus belaufen sich auf 614 Taler 11 Gr. 1 Pfg. Zum zweiten Lehrer dieser Schule wird Lehrer Petermann berufen. Erster bleibt Lehrer Zieger, der zugleich Organist an der Stadtkirche ist. Im Herbst muß die Schlämmung auch der zweiten Hälfte des Stadtgrabens in Angriff genommen werden. Da innerhalb der Bürgerschaft der Unwille über die verkehrten Beschlüsse der Stadtverordneten, durch die der Stadt so erhebliche Mehrkosten erwachsen, außerordentlich groß ist und mehrfach erregte Auseinandersetzungen stattgefunden haben, wird nunmehr die Schlämmung dem Maurermeister Meie übertragen, der aber jetzt viel mehr fordert als im Vorjahre, nämlich 350 Taler nebst Überlassung des Schlamms und Darleihung der Schlämmungsgeräte. Dem Stadtmüller Trommler müssen außerdem für die während der Schlämmung von ihm benötigte Unterbrechung seiner Mahltätigkeit von der Lieferung seines Getreideerbzinses monatlich 4 Scheffel Roggen und 8 Metzen Weizen nachgelassen werden. Maurermeister Meie beginnt mit der Schlämmung am 13. November, beendet sie aber erst am 13. Februar des folgenden Jahres. Auf höhere Anordnung wird am 12. September die nächtliche Torsperre aufgehoben und damit zugleich die Erhebung des Toreinlaßgelds. Der Magistrat ersucht die Kgl. Regierung um Genehmigung, nunmehr die den Verkehr einengenden Torpfeiler abzutragen und die Torflügel wegnehmen zu dürfen.


1838
Die Genehmigung zur Beseitigung der Torpfeiler und Torflügel wird seitens des Kriegsministeriums erteilt, weshalb der Magistrat in den ersten Tagen des Mai die vierTor-und Türpfeiler am Breiten Tore, ferner die beiden Torpfeiler am Halleschen Tore sowie die Tor-und Türflügel, auch die des Pfortentores, wo aber die Pfeiler stehen bleiben, wegnehmen läßt. Die Eingänge der Altstadt werden dadurch ebenso wie die der Vorstadt vollkommen frei. Es bildet sich ein "Verein zur Erbauung eines neuen Tores auf der Mittagsseite der Stadt". Die Genehmigung zum Bau wird erteilt unter der Bedingung, daß der Verein für alle Kosten aufkommt, die durch den Bau entstehen, auch diesen selbst ausführt. Man will damit beginnen, nachdem auch das Kriegsministerium die Erlaubnis zur Niederlegung des notwendigen Stücks Stadtmauer erteilt. Da aber erheben die Bewohner der Vorstadt Einspruch, wie sie schon mehrere Jahre vorher beim ersten Auftauchen des Gedanken getan, "weil sie einen Nachteil für ihre Nahrung befürchteten". Mit ihrer Beschwerde wenden sie sich diesmal an das Ministerium. Infolgedessen vergeht das ganze Jahr, ohne das dem Bau nähergetreten werden kann. Der Winter ist sehrkaltund hält an vom 6. Januar bis Ende Februar. Auf dem Wege von Benndorf nach Werben wird am 21. Januar der 28 Jahre alteHausbesitzer Schütze erfroren aufgefunden. Der Schnee liegt sehr hoch und muß zur Stadt hinausgefahren werden. Die Armen der Stadt und Grünstraße werden reichlich unterstützt. In der Erntezeit herrscht so nasse Witterung, daß das Getreide auswächst. Am 23. Juli läßt der Magistrat die von den Toren weggenommenen Torflügel sowie die beiden Gattertüren des Breiten Tores und einige Schlösser mit Schlüsseln von nachmittags 4 Uhr an öffentlich versteigern. Im Barth'schen Saale (Gasthof zur Weintraube) findet zur 25. Wiederkehr des Jahrestages der Schlacht bei Leipzig (18. Oktober) eine einfache Feier statt bei Festessen, Tafelreden und Deklamationen.


1839
Mit Beginn dieses Jahres gibt der bisherige Braumeister Hein seine Tätigkeit auf und läßt an seiner Statt den Braumeister Georg Derbfuß aus Zöbigker als Unterpächter in sein Pachtverhältnis einsteigen. Nach Abweisung der Beschwerde der Vorstadtbewohner kann endlich mit dem Durchbruch der Stadtmauer zur Errichtung des neuen Tores sowie dem Bau der Brücken über Stadtgraben und Lober begonnen werden. Dies geschieht am 15. März. Doch bereits am 25. muß der Bau auf mehr als einen Monat unterbrochen werden, weil von den Gegnern bei der Kgl. Regierung Anzeige erstattet war, daß wider die Vorschrift das Kämmereivermögen zur Dekkung der Baukosten herangezogen worden sei. Erst als eine schleunige Untersuchung die Nichtigkeit dieser Beschwerde ergeben hat, kann am 29. April die Bauarbeit wieder aufgenommen werden. Der Verein hat, um die neue Straße breit genug anlegen zu können, das Georgi'sche Haus nebst Garten und eine Wiese gekauft und Stadtverordnetenvorsteher Kühne zum gleichen Zwecke einen Teil seines Zwingers unentgeltlich abgetreten. Am 13. Mai wird der Rost zu dem ersten Brückenpfeiler jenseits des Lobers eingesetzt, was von den beiden Baumeistern Meie und Krause ausgeführt wird. Diese Arbeit vollzieht sich unter einer gewissen Feierlichkeit. Das Nachrichtenblatt berichtet darüber: "Während der Grundstein des so wichtigen Baues gelegt und von den Komiteemitgliedem die drei Schläge mit dem Hammer auf demselben vollführt wurden, brachte Postkommissar Päßler (auch die Post hatte eine Beihilfe von 100 Tälern gewährt!) ein dreimaliges Lebehoch auf seine Maj. Friedrich Wilhelm 111. unter Abfeuerung der hiesigen Schützenkanonen und unter Trompeten-und Paukenschall aus. Diesem Trinkspruche folgten mehrere auf den Kgl. Landrath, den hiesigen Magistrat, wobei es an Jubel, Freude, Wein und Musik nicht fehlte". Die notwendigen Stein- und Schuttfuhren werden von "Pferde haltenden Bürgem der Stadt" sowie von Gutsbesitzern und Anspännern benachbarter Ortschaften, wobei sich besonders das Dorf Zaasch rühmlich hervortut, unentgeltlich ausgeführt. Jedoch vergehen 1 1/2 Jahre, bis der Straßenbau zu Ende gebracht werden kann. Von der Kgl. Regierung wird nunmehr auch das alte Schulgebäude der Vorstadt, das außer den Kindern dieses Stadtteils zugleich noch von den Schulkindern der Grünstraße (Knaben und Mädchen ungetrennt) besucht wird und daher von der Amtsvorstadt Grünstraße mitunterhalten werden muß, als nicht mehrgebrauchsfähig beanstandet und der Bau eines neuen Schulhauses gefordert. Stadt und Grünstraße zeigen sich auch dazu bereit. Indes dauert es auch diesmal wieder mehrere Jahre, bis der Bau zur Ausführung kommt. In diesem Jahr wird der letzte Rest derKriegsschuld abgetragen, und zwar in der Weise, daß jeder Bürger auf je 100 Taler Einkommen 34 Silbergroschen abführen muß. Bürgermeister Securius bemerkt dazu: "Wir wurden mit diesem Jahre eine Last Ios, welche für unsere Stadt sehr drückend gewesen war." Der Winter ist weniger streng als der des Vorjahres, dauert aber bis Anfang Mai. Der Sommer bringt viele Gewitter mit sich, zum Teil mit Hagelschlag. Auch macht sich eine furchtbare Raupenplage geltend. Die Vertilgung dieses Ungeziefers auf dem Pflaumenanger erfordert allein einen Kostenaufwand von 162'/2 Tälern. Am 18. Dezember feiert der hier allgemein verehrte und hochgeschätzte Dr. med. Ideler sen. sein 50jähriges Doktorjubiläum, bei welcher Gelegenheit dem Jubilar vielfache Ehrungen und Huldigungen zuteil werden. Einer seiner Verehrer widmet ihm im Nachrichtenblatte folgenden gutgemeinten Vierzeiler:

Wer so wie Du der Welt genützt,
Mit Wissenschaft und Kraft und Zeit.
Hat schönsten Nachruhm fest gestützt,
Gewirket für die Ewigkeit.


1840
Superintendent Dr. Rudel stirbt nach längerem Kranksein an einem schweren Leberleiden irr eben vollendeten 59. Lebensjahre am 4. Januar und wird am 7., jedenfalls auf seinen Wunsch, in aller Stille beigesetzt. Die Amtsgeschäfte des Superintendenten werden in Vertretung dem Pfarrer Krüger in Schenkenberg übertragen. Am 12. Januar werden dem Hausbesitzer Johann Traugott Götsching, dem jüngsten Sohne des Maurermeisters Götsching in Gertitz, auf sein am Platze an der Postsäule, Ecke Steinweg, gelegenes neuerrichtetes Haus von der Merseburger Regierung und gegen den Widerspruch des Magistrats die vollen Gasthofsgerechtsame zuerteilt. Götsching gibt dem Neubau den Namen "Gasthof zum eisernen Kreuz". Im Mai dieses Jahres wird zum ersten Male die Vereinigung der Grünstraße mit der Stadt angeregt. Man kommt aber nicht zum Ziele, weil hauptsächlich der Ortsschutze der Amtsvorstadt, Gerichtsexpedient Schulze, sich als Gegner der Einverleibung erweist.


1841
Nach einer von der Kgl. Regierung verlangten Zusammenstellung aller öffentlichen Lokale ergibt sich der Nachweis, daß die Stadt am 1. Januar dieses Jahres besitzt: 10 Schankstätten (Branntwein und Bier), 14 Kaffee-und Weinhäuser, 2 Schankstätten mit ausschließlichem Bierausschank, 4 Restaurationen bzw. Konditoreien, 9 Gasthöfe mit Ausspannung. Die Einwohnerzahl beträgt demselben Nachweis zufolge bei Ausschluß der Grünstraße damals 4533. Am 2. Februar nachmittags trifft der neue Superintendent, Karl Friedrich Förster aus Lützen, über Leipzig kommend, hier ein. In Lemsel, wo sich das Grenzpostamt befand, wird er von einigen vierzig Personen des Kirchenkreises empfangen und nach einem im dortigen Gasthofe eingenommenen Frühstück zur Stadt geleitet. Man hat sich in sechszehn Kutschen verteilt. Vor Beginn des Frühstücks begrüßt ihn Postkommissarius Päßler mit kurzer Anrede. Unter Vorritt von zwei Postillonen kommt die Gesellschaft, den Gefeierten in der Mitte, um 5 Uhr nachmittags in Delitzsch an. Von der Kantorei wird der neue Geistliche im Flur der Superimendentur mit einem passenden Gesänge empfangen, worauf er von den gleichfalls erschienenen Magistratspersonen und Stadtverordneten begrüßt und jeder von diesen Körperschaften ihm durch Bürgermeister Securius vorgestellt wird. Wie gut er sich einzuführen versteht, wird aus folgendem im Nachrichtenblatte vom 13. Februar erschienenen Inserate deutlich: Frommer Wunsch. Daß unser hochverehrter Herr Superintendent Förster die am vergangenen Sonntag gehaltene Antrittspredigt drucken lassen möchte, wünschen viele, welche dieselbe gehört haben; aber auch Mehrere, welche durch Unpäßlichkeit und durch die strenge Kälte abgehalten wurden. Im Anfange des März tritt auf fast eine Woche Hochwassergefahr ein, wodurch die Schafbrücke fortgerissen wird. Orkanartige Stürme toben am B. Juni und am 28. Juli und entwurzeln Pappeln und Obstbäume. Im Juli stirbt der um die Wohlfahrt des Kreises Delitzsch hochverdiente Landrat von Pfannenberg. Mehrere Ortsschulzen des Kreises widmen ihm im Nachrichtenblatte vom 17. Juli einen warmempfundenen Nachruf. Der Herbst erweist sich als außergewöhnlich reich an Pflaumen, deren Verpachtung 195 Taler einbringt. Am 12. November nachmittags 3 Uhr erfolgt die Abnahme der endlich ausgebauten neuen Leipzigerstraße in Gegenwart des Landratsverwesers von Schönfeld, des Bauinspektors Müller, des Magistrats und der Stadtverordneten. Da fast alle Baufuhren kostenlos geleistet wurden, betragen die Kosten dieses Straßenbaus nicht mehr als 4 187 Täler, 29 Sgr. 3 Pfg. Das vom Straßenbauvereine miterbaute Pflastergeleitshäuschen am neuen Tore wird vom Magistrat dem Pflastergeleitspächter Hoffmann gegen einejährlich zur Kommunkasse zu entrichtende Pachtsumme von 15 Talern überwiesen.


1842
Das Jahr ist ein sehr trockenes, weshalb infolge schlimmsten Futtermangels das Vieh in Massen zum Verkauf angeboten wird. Schon für einen Silbergroschen ist ein Pfund Rindfleisch zu haben. Schafe sind überhaupt nicht los zu werden, der mangelnden Käufer wegen. Dank der Trockenheit und Hitze gerät aber der Wein besonders gut. Anstelle des ausscheidenden Majors Ehrhardt tritt als Kommandeur des Landwehrbataillons Major von Beczwarzewsky hierein. Die erste Kompanie des Bataillons hält gemäß einer Bekanntmachung des Landratsverwesers von Schönfeld ihre diesjährigen Schießübungen bei Delitzsch am 17. April und B. Mai, von 6 bis 8 und 10 bis 12, bei Klitzschmar am 24. April und 22. Mai von 6 bis 10 und bei Klein-Wölkau am 1. Mai und 19. Juni von 6 bis 10 Uhr ab, für welche Zeiträume vor der Annäherung an die Schießstände gewarnt wird. Desgleichen macht die Kgl. Res.-Magazin-Verwaltung zu Weißenfels bekannt, daß für die zur 14tägigen Übung nach Delitzsch eingezogenen Mannschaften und Pferde an den Mindestfordemden verdungen werden sollen: 21 000 Stück Brote zu je 10 Pfund, 10 Wispel Hafer zu je 24 Scheffel, 70 Zentner Heu- und 10 Schock Stroh, das Bund zu 20 Pfund. Termin dazu wird anberaumt auf dem Rathause zu Delitzsch am 4. April, vorm. 10 Uhr. Nach beendeter Übung der Landwehr-Eskadron findet, wie der Bitterfelder Landrat von Stülpnagel bekannt gibt, eine Versteigerung von 18, in diesem Jahr wieder einmal gekauften und nicht gemieteten Pferden statt, am 6. Juni vormittags 9 Uhr im "Weißen Roß". Am 1. August beginnt, nachdem Rektor Ahner schon am 1. April wegen Altersschwäche in den Ruhestand getreten, der von Mücheln hierher berufene Rektor Feodor Alexander Stützer seine schulamtliche Tätigkeit in Delitzsch. Vier Tage später, am 4. August, wird Artur von Pfannenberg, Sohn des im Vorjahre verstorbenen Landrats, durch den Oberregiernngsrat von Hinckeldey aus Merseburg in sein neues Amt als Landrat des Kreises Delitzsch eingeführt. Am 29. September kann endlich die Einweihung des schon im Vorjahre begonnenen Schulneubaus in der Vorstadt erfolgen. Schüler und Schülerinnen dieser von den Kindern der Grünstraße sowie von unbemittelten Schulkindern der Stadt besuchten Schule (daher auch Armenschule genannt) sind vormittags mit ihrem Lehrer (Haase) zu einem Gottesdienste in der Stadtkirche gewesen und sodann in der Begleitung sämtlicher Lehrer der Stadt zunächst nach der alten Vorstadtschule gezogen. Diesem Zuge schließen sich unmittelbar an die Geistlichkeit der Stadt, der Magistrat und die Stadtverordneten, desgleichen der Schulvorstand und die Vorsteher der Gemeinde Grünstraße, voran die Stadtmusikkapelle, einen Choral blasend. Die Abschiedsrede am alten Schulhause hält nach einem Scheidegesänge der Ortsschulinspektor Archidiakonus Walcker. Hierauf begeben sich alle Festteilnehmer in der frühern Ordnung zum nahegelegenen, von den Schulkindern mit Blumen, Kränzen und Girlanden festlich geschmückten neuen Schulhause, wo nach einem Weihgesange Superintendent Förster die Weihrede hält und nach dem Gesange der Schlußstrophen des Weihliedes Bürgermeister Securius unter kurzer Ansprache dem "treuverdienten" Lehrer Haase im Namen der beiden Gemeinden den Hausschlüssel übergibt und damit das Haus unter dessen spezielle Aufsicht stellt. Die Feier endet mit einem von Archidiakonus Walcker gesprochenen Gebete und eine daran angeschlossenen, dem Berichte nach "sehr ergreifenden" Schluß- und Wechselgesänge. Mittags werden dann noch sämtliche 123 Schulkinder auf Kosten von Schul- und Kinderfreunden gespeist und schließlich gar noch unter den Klängen heiterer Tanzweisen mit einigen Scheffeln Pflaumen herrlich bewirtet. Die Kosten für die Musik und den Druck des Festliedes gehen zu Lasten der Stadtkasse. Die Brauereigenossenschaft legt im Herbst auf Betreiben des Unterpächters Derbfuß hinter Kühnes Garten an der Stelle des heutigen Judenkirchhofs einen Eiskeller an.


1843
Mit Jahresbeginn übernimmt der bisherige Unterpächter derm Brauerei, Georg Derbfuß, die Pachtung als vollberechtigter Eigenpächter. Er muß wieder mit 1000 Tälern Sicherheit leisten, zahlt aber nur noch 655 Täler Pacht. Gemäß höherer Anordnung wird eine neue Einteilung der Kompaniebezirke des Delitzscher Landwehrbataillons vorgenommen. Künftighin werden hiernach die zum Kreise Delitzsch gehörenden Ortschaften östlich der Mulde, einschließlich der Stadt Eilenburg, zum 2. Kompaniebezirk geschlagen, wogegen sämtliche Ortschaften westlich der Mulde dem 1. Kompaniebezirk verbleiben. Schießplätze der 1. Kompanie sind von nun an Beerendorf, das zugleich Kontrollpaltz wird, Sietzsch und Klein-Wölkau b.E. Im Juli wird ein von dem Böttchermeister Gottfried Schumann und dessen Ehefrau Marie Rosine in deren neben der neuen Knabenschule gelegenem Wohnhause zu ebener Erde hergerichtetes Klassenzimmer seitens der Stadt mietweise übernommen. Desgleichen ein im Oberstocke dieses Hauses gelegenes geräumiges Zimmer mit Alkoven und Kochgelegenheit, was als Lehrerwohnung dienen soll. Der Mietspreis für diese Wohnung und das Klassenzimmer wird auf 60 Talerjährlich festgesetzt. Der Magistrat beabsichtigt, auf diese Weise unter Anstellung eines neuen Lehrers eine gemischte Elementarklasse einzurichten, da sich herausgestellt hat, daß die unteren Klassen der beiden städtischen Schulen überfüllt sind. Das so erhebliche Anwachsen der Schülerzahl in den städtischen Schulen wird zum Teil auf den Umstand zurückgeführt, "daß der Privatlehrer Hühnel alhier seine concessionirte Schule (wie er am 27. März bekannt gibt) aus freier Entschließung Ostern dJ. aufgeben und von seiner Concession keinen weitern Gebrauch machen wil I,"Die Kinder, die dieser Privatschule angehörten, müssen also in den verschiedenen Klassen der Stadtschulen untergebracht werden. Der im Jahre darauf berufene Lehrer dieser gemischten Klasse heißt Robert Hoffmann.


1844
Der Magistrat der Stadt verliert zu seiner Genugtuung die im Jahre 1819 verliehene Polizeigewalt über die Amtsvorstadt Grünstraße. Der Wonnemonat zeitigt eine schlimme Maikäferplage. Die Schädlinge fressen die Bäume kahl wie Besenreis. Der nasse und kalte Sommer schädigt die Ernte des Getreides, weshalb dieses im Preise steigt. Am Himmel wird ein Komet sichtbar. Am 23. August wird das bisher im Ordonnanzhause untergebrachte Militärlazarett in das obere Stockwerk des Pfortenwärterhauses verlegt und dem hiesigen Bataillon übergeben.


1845
Am 10. Januar stirbt der hier wohnhafte pensionierte Gendarm Stroy den Hungertod. Der Winter ist in seiner zweiten Hälfte streng. Noch am 2. März beträgt die Kälte 14 Grad Reaumur. Hunger treibt die Hasen in die Gehöfte. Durch einen am 1. Osterfeiertage (23. März) einsetzenden anhaltenden Regen kommt der fußhohe Schnee plötzlich zum Schmelzen. Infolgedessen entsteht in der Zeit vom 25. zum 29. März großes Wasser, das die Dämme vor dem Halleschen Tore durchbricht und vom Stadtgraben aus die Promenade in der Nähe der Stadtmühle überflutet. Auf allgemeinen Wunsch der Wehrmänner wird mit höherer Genehmigung die Kontrollversammlung von Beerendorf wieder nach Delitzsch verlegt. Rektor Stützer begründet am 24. Mai in Delitzsch den ersten Turnverein, den ervorerst" Turnanstalt" nennt. Schon im Herbste wird von ihm das erste Schauturnen auf dem Schützenplatze abgehalten. Aus diesem Verein ist der "Turnverein Delitzsch 1845" hervorgegangen. Die hölzerne Fahrbrücke an der Stadtmühle wird mit kiefemen Pfosten belegt. Ein grausiger Gewittersturm erhebt sich am 9. Juli früh 6 Uhr. In Menge fällt unter entsetzlichem Sturmgeheul der Hagel. Der Tag verwandelt sich in finstere Nacht. Den Anfang hat das Unwetter schon in Frankreich genommen, hat ganz Deutschland durchrast und sich erst in Rußland ausgetobt. Die Obsternte ist in diesem Herbste eine sehr geringfügige. In diesem Jahre entstehen wieder neue Gasthöfe und zwar deren zwei, der Gasthof zur "Grünen Linde", dessen Besitzer, der Seiler Friedrich August Brettschneider, als Grünstraßenbewohner die Gasthofsgerechtsame vom Landratsamte zuerkannt erhält (21. Mai), und der Gasthof zur "Stadt Leipzig", letzterer freilich mit vorerst nur auf Branntwein-, Bier- und Weinausschank beschränkte Erlaubnis. Seinen Namen erhält dieser Gasthof erst 1874 mit der Erlaubnis zur Ausübung des vollen Gasthofbetriebes. In den ersten Jahren nach Erteilung der Schankerlaubnis inseriert der Besitzer im Kreisblatte unter dem Namen "August Schleicher vor dem neuen Tore".


1846
Der außergewöhnlich milde Winter macht den Landwirten eine zeitige Frühjahrsbestellung des Ackerlandes möglich. Jedoch mißrät die Ernte vollständig. Infolgedessen stellen sich im fortschreitenden Jahre Teuerung und Hungersnot ein, zwei Obel, die sich allerdings erst im folgenden Jahre als besonders unheilvoll auswirken und die härtesten Formen annehmen. Im März wird von dem Prinzen Karl als kommandierendem General des 4. Armeekorps in Verbindung mit dem Oberpräsidenten der Provinz Sachsen, von Bonin, dem Landrat von Pfannenberg der Auftrag zuteil, für Erbauung zweckmäßiger Schießbuden für die Landwehrübungen die besondere Zufriedenheit und den Dank der Herren Auftraggeber auszudrücken 1. dem Privatförster Pabst in Beerendorf, 2. dem Schenkwirt Schulze in Sietzsch und 3. dem Erbrichter Stichel in Sprotta, letzterem auch noch fürdie "mit erheblichen Geldopfern" verknüpfte Erbauung und den Unterhalt eines Kugelfangs. Am 26. Mai kommt von Graditz bei Torgau her, wohin er am Tage zuvor von Sanssouci aus unter Verwendung von Stafetten geritten, in Begleitung seines um sechs Jahrejungeren Bruders, des Prinzen Karl, König Friedrich Wilhelm IV nach Delitzsch, um das zur Übung versammelte Landwehrbataillon nebst der dazugehörigen Eskadron zu besichtigen und sodann am selben Tage noch den Stafettenritt über Brehna und Karlsfeld nach Halle fortzusetzen, von wo er andern Tags mit der Bahn nach Berlin zurückreist. Auf geradem Wege über Eilenburg trifft er in der mit Girlanden und Kränzen reichgeschmückten Stadt bereits um 11 1/4 Uhr ein und begibt sich, umjubelt von der dichtgedrängten Menschenmenge, nach dem Gasthofe zum "Weißen Roß", wo er sich die versammelten Behörden und gleichfalls anwesenden Kreisstände vorstellen läßt, um nach einem schnell eingenommenen Gabelfrühstück sich in einem von der Post gestellten Galawagen mit dem im "Eisemen Kreuz" abgestiegenen Prinzen Karl nach dem hinter Benndorf zwischen der Paupitzscher Straße und dem Dorfe Werben gelegenen Exerzierplatze zu begeben, wo auch die dort zur Absperrung des Platzes aufgestellte Schützengilde sich seiner Huld zu erfreuen hat. Nach einstündiger Besichtigung kehrt er zum "Weißen Roß" zurück und verläßt die Stadt durch die Breite und Hallesche Gasse nach weiteren kurzen Aufenthalte. (Einer der drei Postillone, die den König zum Truppenübungsplatze und zurück gefahren hatten, und zwar dieser als Spitzenreiter dieses Sechsgespanns, hieß August Kitzing und war späterhin, nach dem Kriege 1870/71, längereJahre hindurch Kastellan an der zu jener Zeit noch "Höhere Bürgerschule" genannten naehmaligen Oberrealschule). Der schon im Jahre zuvor neuernannte Kommandeur des Landwehrbataillons, Major v Boreke und Landrat von Pannenberg machen am 11. November bekannt, daß bei eintretendem Kriege während der Abwesenheit der Männer die den Militärfamilien zu gewährenden Unterstützungen auch den Familien der aus den Stabsquartieren abgerückten, noch nicht mobil gemachten Landwehren zuerkannt werden sollen. Eintretendenfalls sollen unter Mitwirkung der Landräte Vereine gebildet werden, zu denen Kreisstände, Bürgermeister, Pfarrer, Ärzte, Schullehrer, Ortsvorsteher und angemessene Einwohner heranzuziehen sind, um die erforderlichen Bedürfnisse aufzubringen. Als solche werden bezeichnet: Befreiung von allen Gemeindelasten, auch vom Schuldgelde, unentgeltliche ärztliche Behandlung und Hergabe von Arzneien, unentgeltliche Verabreichung von Brennholz, Streulaub, Viehweide usw., Unterstützung durch Bearbeitung von Grundstücken, Unterstützung an Kartoffeln, Brotkom und Geld. Im Spätherbste und Beginn des Winters machen sich Teuerung und Hungersnot bereits in hohem Maße bemerklich. Um die schlimmsten Nöte abzuwenden, berufen Oberlandgerichtsassessor Dr. Schulze und Diakonus Baltzer am 28. Dezember nach dem Gasthofe zum goldenen Ring eine öffentliche Versammlung ein in der Absicht, einen Hilfsverein zu errichten. Dieser kommt zustande; an seiner Spitze tritt Superintendent Förster. Rektor Stützer fügt seinem im Vorjahre gegründeten Turnvereine eine Altersriege ein, deren Mitgliederzahl alsbald auf 18 steigt, und die unter andern folgende, noch heute bekannte Namen aufweist: Donath, Bäckergeselle; Fröde, desgleichen; Kuntze, Bürogehilfe; Pörschmann, Fleischergeselle; Kreutzer, Fleischergeselle; Bier, Horndrehergeselle; Ufer, Expedient; Hoffmann, Präparand; Held, Kaufmannslehrling; Krause, Gürtlerlehrling.


1847
Die Hungersnot nimmt vor Beginn der neuen Ernte die schlimmsten Formen an und steigt auf den Gipfel. Der Sack Korn kostet 11 Taler und der Weizen 11 1/z Taler. Die Regierung zu Merseburg sendet 100 Taler, jedoch nur zur Verwendung für die Armen der Grünstraße, während vom Delitzscher Hilfskomitee und dem Magistrat kein Unterschied gemacht wird zwischen den städtischen und den Grünsträßer Armen. Landrat von Pfannenberghält am 4. Mai einen Kreistag ab, worin von den Kreisständen für Rechnung des Kreises 20 000 Taler bewillig twerden. Allerdings kommen von dieser Summe bis zur eintretenden Ernte nur 2000 Taler zur Verwendung. Der Minister Rother stellt für die Provinz Sachsen 300 Wispel Roggen zur Verfügung, den Wispel zum Preise von 106 Talern gerechnet. Glücklicherweise ist die neue Ernte eine reich gesegnete. Auch kommt sie glücklich ein, so daß die Not ihr Ende erreicht. Am Abend des 17. September ist ein prächtiges Nordlicht zu sehen, das beim ersten Eindrucke zu der Annahme führt, es sei ein großes Feuer in der Nähe.


1848
Mit Beginn dieses Jahres tritt an Stelle des in Delitzsch beliebt gewesenen Georg Derbfuß als Brauereipächter Wilhelm Ferdinand Sänger, weil er zur Erlangung der Pachtung das höchste Gebot im Betrage von 602 Talern getan. Die von ihm gestellte Kaution beläuft sich nur noch auf 600 Taler. Im übrigen bringt dieses Jahr, besonders nach Bekanntwerden der Berliner Märzkämpfe, viel Unruhe und Aufregung auch nach Delitzsch. Im Beginne des April bildet sich ein Ausschuß, bestehend aus sechs Personen, dem Zimmermeister Krause, Gürtlermeister Kretzschmar, Schneidermeister Kreutzer, Strumpffabrikant Pabst, Assessor Schulze und Rektor Stützer. Dieser Ausschuß beruft zum 9. April nachmittags 3 Uhr eine Volksversammlung auf den Markt ein, die sich zu einer machtvollen Kundgebung auswächst. Außer einer äußerst zahlreichen Volksmenge, die sich schon lange vorher eingefunden, kommen zur festgesetzten Zeit in feierlichem Zuge, voran das von wehenden Fahnen begleitete Stadtmusikchor, vom Schützenplatze her die Vereine und Innungen der Stadt heran, dicht hinter der mit schmetternden Klange aufspielenden Musik die vor kurzem von Assesor Schulze begründete Liedertafel, sodann die Mitglieder der von Rektor Stützer 1845 ins Leben gerufenen "Turnanstalt", und hieran angeschlossen die Innungen mit ihren Bannern, die der Schuhmacher, Tischler, Böttcher, Stellmacher, Bäcker, Maurer und Zimmerleute, Weber, diese mit eigenem Musikchor, und Strumpfwirker mit ihren Abzeichen (einer Zitrone mit Spille). Sie stellen sich im Viereck um die mit zwei seidenen Nationalfahnen gezierte und schwazrotgoldenem Tuch umkleidete Rednertribüne auf, von der Assessor Schulze nunmehr die Versammlung eröffnet mit einem Hoch auf das deutsche Vaterland. Die auf dem Rathausbalkon plazierte Kapelle intoniert "Sei Lob und Ehr", in welches Lied die Versammlung andächtig einstimmt. Hierauf folgen mehrere Ansprachen. Zunächst spricht Assesor Schulze, der dann noch mehrfach das Wort ergreift. Ferner sprechen Rektor Stützer, Dr. Fiebiger, Zimmermeister Krause und Pfarrer Dittmann aus Zschortau. Mit einem Hoch auf den "konstitutionellen König" schließt Schulze die Versammlung, worauf vom Rathausbalkon herab der Choral "Nun danket alle Gott" ertönt. Am 16. April wird im Saale des Gasthofes zum Schwan, wo eine von 500 Teilnehmern besuchte Versammlung stattfindet, ein politischer Verein gegründet, der sich den Namen "Deutscher Volksverein" beilegt. Hauptredner bei Gelegenheit dieser Gründung ist diesmal Pfarrer Krüger aus Schenkenberg, der als Hauptforderung des Vereins den Grundsatz aufstellt, man wolle ein einiges starkes Deutschland, geleitet von einem gemeinsamen Oberhaupte, und ein freigewähltes volkstümliches Parlament an seiner Seite. Dabei aber auch in diesem Deutschland ein großes starkes Preußen unter seinem angestammten Könige und an dessen Seite freigewählte, mit den umfassendsten Befugnissen ausgestattete Volksvertreter. In den Vorstand dieses "Deutschen Volksvereins" werden gewählt: Land- und Stadtgerichtsdirektor Bodenstein; Pfarrer Dittmann, Zschortau; Dr. Fiebiger, Zimmermeister Krause, Gürtlermeister Kretzschmar, Pfarrer Krüger, Schenkenberg, Landrat von Pfannenberg, Referendar Reil, Assessor Schulze und Rektor Stützer. Als Kandidaten für die in Aussicht stehende Nationalversammlung in Berlin wählt man ohnejede Einrede Assessor Schulze und für die in Frankfurt a.M. für das deutsche Reich bevorstehende, gleichfalls ohne Widerspruch, den Kommerzienrat Degenkolb, Eilenburg. Am 25. April wird dem Stützer'schen Turnvereine durch Jungfrauen der Stadt und Umgebung eine neue Fahne überreicht, die am gleichen Tage feierlich geweiht wird. Der die Weihe vollziehende Festredner beginnt seine Rede mit folgenden Worten: "Turngenossen, ein großes,jaein sehrgroßes Glück ist uns heute zuteil geworden. Wir haben, wie ihr alle wißt, eine deutsche Freiheits- und Einheitsfahne geschenkt erhalten, und zwar aus den Händen deutscher Jungfrauen!" Ein vom Freiheitstaumel besonders ergriffenes Mitglied des Tumvereins, Komatzki, Schenkenberg, stellt um die Osterzeit beim Turnrat den schriftlichen Antrag, regelmäßige Übungen im Bajonettfechten einzurichten, und zeigt sich bereit, zu diesem Zwecke einen monatlichen Beitrag von 10 Sgr. zu opfern. Unter seinem Namen vermerkt er: "Am 3. deutschen Ostertage des gewaltigen Jahres 1848". Der Turnrat greift die Anregung auf und läßt, da der Oberpräsident der Provinz Sachsen seinen Antrag auf Hergabe von 50 Militärgewehren ablehnt, durch Kornatzki eine Zeittang Bajonettierübungen mit hölzernen Flinten vornehmen. Am 8. Mai finden im Delitzscher Kreise die Wahlen für die preußische Nationalversammlung statt. Mit großer Mehrheit (79 Stimmen von 94) wird Assessor Schulze zum Abgeordneten, mit geringer Mehrheit (52 Stimmen) Dr. med. Bernhardi, Eilenburg, zu seinem Stellvertreter von selten der Wahlmänner erwählt. Als Abgeordneter der am 22. Mai in Berlin zur Beratung der Verfassung zusammengetretenen Nationalversammlung erwirbt sich Assessor Schulze unter der Bezeichnung "Schulze-Delitzsch" gar bald einen Namen als geistig bedeutender, schlagfertiger Redner, der auch nicht versagt, als es im November zu ernsten Kämpfen zwischen der Nationalversammlung und dem neugebildeten Ministerium Brandenburg-Manteuffel kommt, dem die Versammlung des Recht der Steuererhebung und der Verwendung von Staatsgeldern abspricht, worauf die Nationalversammlung aufgelöst und Neuwahlen ausgeschrieben werden, inzwischen aber (5. Dezember) vom Ministerium eine Verfassung dem Volke "oktroyiert" (aufgezwungen) wird. Im ganzen Lande entbrennt hierauf ein mächtiger Wahlkampf, natürlich auch in Delitzsch, das diesmal, was vorher nicht der Fall, mit Bitterfeld zu einem Wahlkreise vereinigt wird. Wie überall, scheiden sich auch hier die Geister in zwei große Richtungen, konservativ und liberal. Führer der letzteren Partei sind im Kreise Delitzsch Assessor Schulze und Dr. Bemhardi, der ersteren Superintendent Förster, Delitzsch und Ökonomierat Wernicke, Eilenburg. Bedauerlicherweise greift die allgemeine Erregung der Gemüter auch auf militärische Kreise über und gibt Anlaß zu Widersetzlichkeiten. Als am 21. und 22. November die zur Obung einberufenen Mannschaften des hiesigen Landwehrbataillons auf dem Schlosse eingekleidet werden sollen, zeigt sich, aufgereizt durch freiheitlich gesinnte Bürger, die überwiegende Mehrheit davon äußerst widerspenstig, verweigert die Einkleidung und zwingt gar schon eingekleidete Kameraden zur Rückgabe der Sachen, ja einem von diesen wird der Uniformrock vom Leibe gerissen. Die Offiziere sind machtlos. Es bleibt nicht übrig, als die Meuterer vorderhand zu entlassen. Unverweilt aber fordert der Befehlshaber, Major von Borcke, einen Zug der in Düben gamisonierenden Zietenhusaren sowie von Torgau her 400 Mann Infanterie an, nach deren Erscheinen die Einkleidung in vollster Ruhe und ohne Reibung vor sich geht. Die Rädelsführerjedoch werden streng bestraft, und da sich während der kurzen Untersuchung herausstellt, daß sie durch die Bürger der Stadt aufgereizt wurden, bildet diese Meuterei die Grundursache, weshalb der Stadt die für die Geschäftswelt so vorteilhafte Garnison verloren geht. Vorerst wird unmittelbar nach den meuterischen Vorgängen das Bataillon nach Wittenberg in Marsch gesetzt, wo die sich anschließenden Übungen abgehalten werden. Südlich vom Breiten Tore schwindet im Laufe dieses Jahres in der Mauergasse ein großes Stück Stadtmauer, an deren Stelle Häuser bzw. auch Schuppen eingerichtet werden, eine bedauerliche Maßnahme, die auch noch im kommenden Jahre fortgesetzt wird. Die Viehgasse erhält den Namen Bitterfelder Straße.


1849
Bereits am 5. Januar fährt das Delitzscher Landwehrbataillon von der in Wittenberg ausgeführten Übung zurück. Die Delitzscher Schützenkompanie zieht ihm bis Berndorf entgegen und holt es mit fliegender Fahne heim. Die nach heftigem Wahlkampfe am 22. Januar statthabenden Urwahlen der Wahlmänner für die Landtagsabgeordneten ergeben eine erdrückende Mehrheit für den liberalen Kandidaten. In Delitzsch werden nur freisinnige Wahlmänner gewählt, nämlich im 1. Wahlbezirke: Referendar Reil, Böttchermeister Georgi, Fleischermeister Pörschmann jun., Kaufmann Mulert sen., Tischlermeister Krause; im 2. Wahlbezirke: Schneidermeister Balke sen., Webermeister Fuchs, Schneidermeister Kreuzer sen., Instrumentenmacher Moriz, Kreischirurg Rudloff, Klempnemeister Luckian; im 3. Wahlbezirke: Justizkommissar Hassert, Fleischermeister Pörschmann sen., Kaufmann Haakke, Töpfermeister Herfurth. In dem am 5. Februar nachfolgenden Wahlakte der Wahlmänner werden gewählt Assessor Schulze mit 233 und Pastor Hildenhagen, Quetz, der zweite Wahlkandidat, mit 225 von je 316 Stimmen. Im Monat März wird eine zwei Kompanien starke Bürgerwehr ins Leben gerufen. Die vom Markte, der halleschen und breiten Gasse sowie dem Steinwege nach Süden zu wohnhaften Bürgemehmänner bilden die erste Kompanie, die von da nach Norden zu wohnhaften die zweite. Bei einer am 24. März, nachmittags, vorgenommenen Wahl wird Hauptmann der ersten Kompanie Zimmermeister Krause und deren Oberzugführer Kaufmann Mulert sen. Das politische Leben hält noch immer die Gemüter in Bewegung. Bei gelegentlichen Volksversammlungen wird von den Konservativen der "Schwan", von den Liberalen der "Ring" oder das "Schützenhaus" benutzt. Am l. April verläßt der um die Turnsache so hochverdiente Rektor Stützer die Stadt, um als Rektor nach Bitterfeld zu gehen. Er zieht diese Stellung der hiesigen vor, weil er hier an den noch lebenden Rektor ein. Ahner einen erheblichen Teil des Rektoreinkommens abgeben muß und in Bitterfeld wesentlich besser gestellt ist. An seiner Stelle wird zum 1. Juni der Rektor Johann Gottfried Barthel, der ebenso wie seinerzeit Rektor Stützer von Mücheln kommt, hierher berufen. In der Zwischenzeit hat auf Vorschlag des Superintendenten der Kandidat Knauth aus Zschepen die Rektorgeschäfte vertretungsweise geführt. Da die Stadt in diesem Jahre ein Kreisgericht erhält, muß zu dessen Unterbringung ein Vergrößerungsbau des Rathauses vorgenommen und dieses mit einem zweiten Oberstockwerk übersetzt werden. Der Bau wird ausgeführt von den Mauremeistem Meie und Rose, leider nicht im Stile der unteren Stockwerke. Die Schlosserarbeiten werden den Schlossermeistern Pflug und Sander übertragen, die Tischlerarbeiten den Tischlemeistern Bormann und Rülke, die Glaserarbeiten den vier Glasern der Stadt: Semau, Leiser, Schubert und Scheibe, die Schmiedearbeiten dem Schmiedemeister Aug. Naumann (an dem neuen Tore), die Klempnerarbeiten den Klempnemeistern Kripene und Winkler, die Malerarbeiten dem Dekorationsmaler Gustav Brandes, das Setzen der Öfen den Töpfermeistem Schulze, Herfurth und Gätzschmann, die Stukkaturarbeiten dem Stukkateur Karl Herrmann zu Leipzig. Die Harkortsche Eisengießerei in Leipzig wird mit der Lieferung von 4 Balkonsäulen, 4 Kapitalen dazu, dem Balkongeländer und dem Stadtwappen betraut. Zum Bauschreiber war Sparkassenrendant Thaerigen ernamtt worden. Abgenommen wird der Bau von Kgl. Bauinspektor Schönwald. Er wird bis auf die Freitreppe vor dem Rathause in diesem Jahre noch fertiggestellt. An der Mädchenschule wird ein dritter Lehrer, Eduard Keller mit Namen, angestellt. Die 1821 am östlichen Stadtgraben entlang errichteten hölzernen Schutzschranken (Barrieren) werden, da sie stark verwittert sind, weggenommen und dafür von den Hausbesitzern der Kohlgasse die Promenade entlang kleine freundliche Gärten angelegt, die diesem Promenadenteile ein farbenfreudiges Aussehen verleihen, jedoch nur wenige Jahrzehnte bestehen bleiben (die letzten verschwinden um 1905). Der Herbst dieses Jahres bringt der Stadt eine sehr schätzenswerte Neuerung, nämlich eine öffentliche Straßenbeleuchtung, die es bisher noch nicht gab. Bürgermeister Securius schreibt darüber: "Auch wurden Vorbereitungen getroffen, um Stadt und Vorstadt mit Straßenlaternen zu erleuchten. Die Fertigungderselben wurde dem Schlossermeister Bier jun. als Unternehmer überfragen. Der Verfertiger war aber hauptsächlich der Klempnermeister Luckian. Es wurden teils Hängelaternen, teils Pfahllaternen angeschafft. Der Aufwand für die Laternen, 39, betrug gegen 400 Taler. "Zum erstenmale angezündet werden sie einer kurz vorher im Nachrichtsblatte erschienenen Bekanntmachung zufolge am 15. Oktober, dem Geburtstage des Königs. In diesem Jahre wird auch der innerhalb einer Bannmeile um die brauberechtigten Städte herum noch geübte lästige Bierzwang im ganzen preußischen Staate aufgehoben, eine notwendige Folge der 1845 zur Einführung gekommenen neuen Gewerbeordnung, worin dem freien Wettbewerb offene Bahn geschaffen wurde. Bürgermeister Securius, seit Jahren von einem schweren Leberleiden geplagt, sieht sich am Schlusse des Jahres genötigt, von seinem Amte zurückzutreten. Er wird in den Ruhestand gesetzt mit einem Ruhegehalt von 350 Talern.


1850
Schon am 2. Januar wird der Nachfolger von Bürgermeister Securius, der bisherige Polizeisekretär Hagedorn zu Roßla am Harz, im neuen Rathaussaale, der zugleich eingeweiht wird, durch den Landratsverweser und Kreisdeputierten Major von Rauchhaupt auf Queis feierlich eingeführt. Der letztere muß den feierlichen Akt vornehmen, da Landrat von Pfannenberg abwesend ist und sich als Mitglied des Herrenhauses in Berlin aufhält. Ein widerwärtiger Vorfall, der sich im April dieses Jahres in Delitzsch abspielt, wird die unmittelbare Ursache zum Verluste der Garnison für die Stadt. Ein Delitzscher Bürger, Kürschnemteister Podehl zugleich Wehrmann 2. Aufgebots, muß vom Bataillons-Kommandeur, Major von Borcke, mit drei Tagen Mittelarrest bestraft werden, weil er der Frühjahreskontrollversammlung ohne genügende Entschuldigung fern geblieben, übrigens, wie sich später herausstellt, um einer politischen Versammlung in Eilenburg beiwohnen zu können. Seine Angabe, die Strafe nicht ableisten zu können, da er krank sei, wird nach eingehender ärztlicher Untersuchung durch den Bataillonsarzt Dr. Saatz, seit dem Vorjahre Nachfolger von Dr. Bertram, vollkommen widerlegt, so daß er drei Tage absitzen muß, nebenbei im geheizten Arrestlokale und unter Behändigung einer wollenen Decke. Die guten Freunde des Gemaßregelten innerhalb der Bürgerschaft aber regen sich über die Arretierung eines, wie sie erklären, "charakterfesten" Bürgers mächtig auf, rühren stark die Lärmtrommel, ja verbreiten sogar absichtlich unwahre Behauptungen, so daß sich Major von Borcke genötigt sieht, den wahren Sachverhalt öffentlich bekannt zu geben und Verwahrung einzulegen. Gleichzeitig veranlaßt er nun die endgültige Verlegung des Bataillons, dessen Garnison nunmehr Merseburg wird. Dr. Ideler bemerkt dazu in seinen chronistischen Aufzeichnungen: "Bei den gewerblichen und Verkehrsverhältnissen dieser Stadt ist die Verlegung des Bataillonsstabes ein großer Verlust". Am 10. Mai wird infolge der Bemühungen von Assessor Schulze im Köppig'schen Saale ("Ring") unter dem Namen "Vorschußverein" ein Spar- und Darlehensverein begründet, der noch heute unter dem Namen "Vereinsbank" besteht. Dessen Ausschußmitglieder waren damals: Assessor Schulze, Vorsitzender; E A. Schmidt, Kassierer; Bürgermeister Hagedom, Schriftführer; Georgi, Zimmermeister Krause, Kreutzer sen., Luckian, Mulert sen., Dr. Pfotenhauer, Registrator Richter, Kaufmann Sander, Kaufmann Aug. Schrnidt jun. als Beisitzer. Im Mai und Juni des Jahres wird die Freitreppe vor dem Rathause hergerichtet. Die dazu benötigten Granitplatten liefern Gebrüder Ehmig und E. Fikkenwirth, Leipzig. Angefahren werden sie von dem Fuhrmann Schreckenberger, Delitzsch. Zur Deckung der weit über 9000 Täler betragenden Kosten des Rathaus-Erweiterungsbaus wird bei der Stadtsparkasse zum Zinsfuße von 41/2 % eine Anleihe von 9500 Tälern erhoben, die durch jährliche Rückzahlung vonje 500-900 Tälern im Zeitraume von 15 Jahren (bis 1865) amortisiert werden soll. Die Obsternte des Jahres ist schlecht. Ein Schock Pflaumen kostet 2 1/2 Groschen.


1851
An Stelle des in den Ruhestand versetzten bisherigen Magistrats-Registrators Richter wird am 26. Mai der vormalige Bezirksfeldwebel Pönicke aus Bitterfeld mit dem Prädikate eines "Stadtsekretär" vom Magistrat ernannt und verpflichtet. Am 28. Juni, nachmittags 3 Uhr, ist eine bei klarem Himmel gut zu beobachtende große Sonnenfinsternis. Der Brauereipächter Sänger tritt am 1. August mit Genehmigung der Brauerschaft vorzeitig die Pachtung an zwei Afterpächter ab, den Schmiedemeister Naumann und den Bauer Nepomuk Schamagel. Auch diese arbeiten, ebenso wie vorher er selbst, mit Verlusten. Wie wenig lohnend die Brauereinahrung um diese Zeit geworden, geht daraus hervor, daß nach einer Bekanntmachung der Brauerschaftsdeputation vom 25. Februar des Vorjahres von den Brauereipachtgeldern an jeden Genossenschafter nur noch der geringe Jahresbetrag von 1 Täler. 15 Sgr. zur Auszahlung gelangen kann, weil andernfalls die bedungene Entschädigung für die durch Schutzrecht gewährleisteten Freibiere weder an die Schützengilde, noch an den Bürgermeister, noch auch an den Steuererheber aufgebracht zu werden vermag. Der Bürgermeister Hagedorn bittet die "Pferde haltenden" Bürger um unentgeltliche Anfuhr von Kies und Sand für die Promenadenwege. 36 Pferdebesitzer stellen sich zur Verfügung. Der Hefigbrunnen wird von Grund aus erneuert. Nach den chronistischen Aufzeichnungen des Dr. Ideler "strömt die Quelle jetzt aus einem fast zwei Zoll starken eisernen Rohre und wirft, da nichts mehr verloren gehen kann, in der Minute neun bis zehn Eimer Wasser". Damals übrigens fährt noch immer mit einem kleinen, schon 1835 auf Veranlassung des Postsekretärs Güttlig erbauten Wasserwagen der arme Schuhmachermeister Dietrich hausierend in den Straßen der Stadt umher, wegen seiner kleinen Statur allgemein der "kleine Wassergott" genannt, und bietet gegen geringes Entgelt Wasser vom Heifigbrunnen an. Der Delitzscher Turnverein, der seit dem Abgange des Rektors Stützer allem Anschein nach ganz in demokratisches Fahrwasser geraten ist, wie der Umstand, daß auf Vereinskosten die "Hallische Zeitung, Organ der Demokratie", gehalten wird, vermuten läßt, wird der Regierung verdächtig, so daß diese in einem Dekret vom 7. August zum Ausdruck bringt, gleich dem Eilenburger verfolge wohl auch der Delitzscher Turnverein dieselben sozialen Tendenzen, die sich auch andernorts als Zweck der Turnvereine herausgestellt haben. Das Turnen wird daher auf mehrere Jahre untersagt, wenngleich der Verein nicht zur Auflösung kommt, seine Tätigkeit vielmehr nur lahmgelegt wird. Die Vereinsfahne wird von dem damals auf dem Pfortenplatze wohnhaften Lehrer und Organisten Grellmann auf dem Bodenraume seines Wohnhauses zwischen Dachsparren und -balken versteckt gehalten. Der Herbst zeichnet sich durch eine reiche Obsternte aus. Die Pflaumen auf dem Anger werden mit 168 Tälern verpachtet. Jedoch läßi die Getreide-wie auch die Kartoffelernte zu wünschen übrig.


1852
Am 5. Januar stirbt, 63 Jahre alt, Bürgermeister Securius. Dr. Ideler sagt in seinen Aufzeichnungen von ihm: "Er war in jeder Beziehung ein edler Mensch, ein trefflicher Gatte und Vater, ein treuer Freund, ein Christ in Wort und Tat, ein Mann von festem Charakter, ein gewissenhafter Beamter und ein stiller Wohltäter der Armen". Zu Grabe geleitet wird er am B. Januar unter großer Beteiligung der Bürgerschaft. Der frühere Schenkenberger Weg ist nach ihm Securiusstraße benannt. In diesem Jahre erhält die Gottesackerkirche eine aus milden Gabengestiftete Orgel, die von dem hiesigen Orgelbauer Löwe erbaut und am 1. August nachmittags 1 Uhr, durch Superintendent Förster unter Mitwirkung der beiden andern Geistlichen der Stadt geweiht wird. An Stelle der 1821 geschaffenen hölzernen Barrieren stellt man jetzt zwischen dem Breiten Tore und der Pfortenbrücke am Stadtgraben entlang starke Stempel von Sandstein auf, die man mit eingegipsten Eisenstangen verbindet. Die Kosten der Anlage betragen 540 Taler. Außer den bereits vorhandenen Straßenlaternen, die übrigens unter ehrenamtlicher Aufsicht zweier Bürgersleute von drei Laternenputzern gegen Entgelt von jährlich einem Taler pro Laterne unterhalten, zuerst mit Rüböl und später mit sogenanntem, aus erdharzigem Schiefer gewonnenem Photogen gespeist werden, bringt man jetzt noch zwei Laternen mit Armen aus Gußeisen am Rathause an. Der Sommer ist zwar bis in den September sehr heiß, jedoch mit öfteren Gewitterregen untermischt, weshalb das Jahr fruchtbar ist und die Ernte vorzüglich gerät. Infolge eines schändlichen Wuchers der Kornjuden werden indes die Preise auf unverantwortliche Art in die Höhe getrieben, so daß trotz des reichlich vorhandenen Kornsegens Teuerungbesteht. Die Preise sind für den Scheffel Weizen 5 TIr. 10 Sgr., Roggen 4 Tlr. 5 Sgr., Gerste 3 Tlr., Hafer 2 TIr. Die Obsternte freilich ist infolge eines starken Frühjahrsfrostes höchst dürftig, so daß der Pflaumenanger nicht mehr als einen Taler Pacht einbringt. Der Herbst ist reich an orkanartigen Stürmen und Gewittern.


1853
Im Winter herrscht mildes Frühlingswetter vor. Um Neujahr blühen im Freien Veilchen, Stiefmütterchen und andere Gewächse. Erst Mitte Februar setzt der Winter mit starkem und anhaltendem Schneefalle ein, der bis Mitte März fast keinen Tag aussetzt. Sodann folgt auf kurze Zeit Tauwetter, das aber bald genug wieder umschlägt. Abermals folgt Schnee fast täglich und in Massen. Im April endlich und während der Zeit der Obstblüte tritt warmes Frühlingswetter ein, welcher Umstand trotz bald wiedereinsetzender kalter Winterluft eine reiche Obsternte herbeiführt, wie solche seit dem Kriegsjahre 1813 nicht dagewesen. An Stelle des in Treuenbrietzen zum Bürgermeister gewählten Magistratsassessors Catholy wird der bisherige Polizeibüroassistent Heinze in Halle nach Delitzsch berufen. Er tritt sein Amt am 9. Aug. an. Im Oktober kommt eine neue Städteordnung hier zur Einführung, wonach fortan die Klassenwahlen in drei Abteilungen nach Maßgabe des Steuersatzes stattzufinden haben und Stellvertreter für die Stadtverordneten in Wegfall kommen. Auch muß an den Stadtverordnetensitzungen zum mindesten stets ein Magistratsmitglied teilnehmen. Die Sladtverordnetenzahl bleibt auf 12 bestehen. Im Herbste wird hier eine neue, sehr leistungsfähige Bierbrauerei an der Bitterfelder Straße eröffnet. Ihr Begründer ist Ferdinand Offenhauer, vorheriger Braumeister und Pächter der Rittergutsbrauerei Klein-Krostitz. Die Genossenschaftsbrauerei wird Ende des Jahres neu verpachtet. Pächter wird Braumeister Gottlob Fritzsche aus Glesien, da er das Höchstgebot abgibt. Dieses beträgt jedoch nur noch 160 Taler, ein Beweis, wie sehr es mit diesem einst so blühenden Erwerbszweige der Bürgerschaft abwärts geht. Für die überfüllte Vorstadtschule muß die Anstellung eines zweiten Lehrers in Aussicht genommen werden, weshalb die Schule durch Einbau einer neuen Klasse und eines Wohnzimmers für den zweiten Lehrer erweitert wird. Die Baukosten betragen 285 Tlr. - Sgr. 4 Pfg.


1854
Als zweiter Lehrer wird an der Vorstadtschule der Lehrer Romanus aus Wellaune angestellt. Von Ende Mai bis Anfang Juli regnet es fast täglich. Ein furchtbares Unwetter bricht in der Nacht zum 9. Juli über fast ganz Deutschland herein. In der Nähe der Stadtmühle überflutet der Stadtgraben die Promenade. Am Tage darauf zerreißt die um 5 Ellen über den gewöhnlichen Wasserstand gesstiegene Mulde bei Gruna den Damm, und ihre Fluten zerstören binnen kurzem 20 Wohnhäuser, Ställe und Scheunen. Zugleich geht ein großer Teil der Heuernte verloren. Auf die Regengüsse erfolgt erschlaffende Hitze, die auf 40 Grad in der Sonne steigt. Trotz der reichen Ernte sind die Preise wieder hoch, was zum großen Teile wohl auf den im nahen Osten tobenden sogenannten Krimkrieg (England, Frankreich und die Türkei gegen Rußland) zurückzuführen ist, jedoch auch auf den wiedereinsetzenden schändlichen Kornwucher. Durch Polizeiverordnung vom 20. Juli wird angeordnet, daß die Straßenreinigung, namentlich die der Gosse, wöchentlich zweimal, Mittwochs und Sonnabends, zu erfolgen habe. Zur Besserung des Straßenpflasters werden 1000 Taler in den Haushaltungsplan eingestellt, die insbesondere zur Herstellung der Leipzigerstraße dienen sollen. Unter dem 21. September macht der Magistrat bekannt: "Das Straßenstück vom Galgtore bis an die Töpfergasse wird Eilenburgerstraße benannt. Die Totengasse am alten Friedhofe wird in Mariengasse, der Platz an der Postsäule in Roßplatz umbenannt." Am gleichen Tage wird bekanntgegeben, daß die Häusernummern der Stadt (einschließlich Vorstadt und einzelnen umliegenden Gehöften)neu numeriert worden seien, zwar wieder durch die ganze Stadt durchlaufend, jedoch auch in jeder Straße auf deren beiden Seiten fortlaufend (früher zählten die Nummern vom Breiten Turme an, und zwar 1. Viertel Breite Gasse, Mittagsseite, Markt, Morgenseite, und alles was südlich davon in der Altstadt gelegen Nr. 1-85; 2. Viertel Mittagsseite des Marktes und der Halleschen Gasse, und was südlich davon gelegen, Nr. 86-112; 3. Viertel Mitternachtseite der Halleschen Gasse und des Marktes, und was nördlich davon gelegen Nr. 286-374; Vorstadt ohne Einteilung nach Vierteln Nr. 375-618. Auf Anregung der Kgl. Regierung zu Merseburgwird von der Inspektion des Delitzscher Bürgerhospitals beschlossen, dieses so zu erweitern und umzubauen, daß künftighin 30 Hospitaliten darin Aufnahme finden können. Da reichlich Mittel vorhanden sind (das Stift besaß ein Vermögen von 50 000 Talern), wird bereits im Herbste mit dem Um- und Vergrößerungsbau begonnen. Dabei wird zugleich Bedacht genommen auf Herstellung zweckentsprechender Räume für eine Kleinkinder-Bewahrungsanstalt, deren Begründung man schon imJahre 1848 aus Überschüssen der Sammlungen zur Linderung der 1846/47 eingetretenen Hungersnot ins Auge gefaßt hatte.


1855
Eine höchst seltene Naturerscheinung zeigt sich am 5. März zwischen 8 und 10 Uhr. Um die Sonne herum werden 4 Nebensonnen sichtbar, 2 weiße und 2 regenbogenfarbene, alles von einem weißen und einem regenbogenfarbe nen Kreise umgeben. Infolge eines nassen und kalten Frühjahrs bleibt die Saat zurück, und die Ernte ist mittelmäßig. Der schmachvolle Kornwucher treibt auch in diesem Jahre seine unheilvollen Blüten. Der Scheffel Weizen steigt auf 8, Roggen auf 7, Gerste auf 4 1/3, Hafer auf 3 Taler. Landrat von Pfannenberg erkrankt schwer und anhaltend. Sein Stellvertreterwird zunächst Landratsverweser von Schönfeld. ln der letzten Hälfte des Jahres wird der von den Kreisständen der Regierung präsentierte Regierungsassessor Wilhelm von Rauchhaupt in Liegnitz, Sohn des Majors a.D. v. Rauchhaupt auf Rittergut Queis, mit der interimistischen Leitung des Landratsamtes betraut. Am Montag, dem 3. September, findet die Einweihung des erneuerten und erweiterten Bürgerhospitals und der damit in Verbindung gebrachten Kinderbewahranstalt statt. Beginn der Feier vormittags 9 Uhr in der Hospitalkirche, wo Diakonus Scharr die einleitende krichliche Andacht hält. Im Anschlusse daran wird vor dem Hospitale, wo die Festteilnehmer in einem Halbkreise Aufstellung genommen, von Superintendent Förster die Weihe vollzogen. Sodann begibt sich der Festzug um das Seitengebäude des Hospitals zu den hinteren Räumen, wo die Kinderbewahranstalt durch Archidiakonus Dr. Burekhardt feierlich eröffnet wird. Jeder dieser drei Teile der Feier beginnt und schließt mit einem kurzen Gesange. Gleich nach Fertigstellung dieses Baus macht die Kgl. Regierung der Hospitalinspektion zur Pflicht, das noch vorhandene Kapital durch Ankauf von Feldgrundstücken sicher zustellen. Infolgedessen kauft diese 2 1/2 Hufen Feld in der Werbener Mark für 12 000 Taler von der Gastwirtswitwe Barth, sodann noch ein Akkergrundstück in der Rubachmark und eine Wiese am Hospitalgarten.


1856
Am 18. März wird die kleine Spröde von einem großen Brandunglücke heimgesucht. Zwei Morgen einer jungen Kiefempflanzung werden vernichtet. Das Kgl. Landratsamt, das sich nach Verlegung der Garnison allein noch auf dem Schlosse befand, wird, zumal die von den Gemeinden abzuführenden Getreidelieferungen schon acht Jahre vorher in Geld umgewandelt sind, am l. Juli aufgehoben bzw. mit der Forstkasse verbunden. Nunmehr tritt der Domänenfiskus das Schloß an den Polizeifiskus ab, der beschließt das Schloß in eine Strafanstalt für weibliche Gefangene umzuwandeln. Bereits am 20. März treffen von Lichtenberg 32 Strafgefangene (Bauhandwerker) ein, die zunächst das obere Stockwerk einrichten und den Ostflügel abbrechen, an dessen Stelle der eigentliche Gefängnisbau errichtet werden soll. Mitte Juni langen von Lichtenberg weitere 46 Züchtlinge an, und der Bau wird nun so schnell gefördert, daß bereits am 10. Juli, vormittags 10 Uhr, der Grundstein (ein Sandsteinquader) gelegt werden kann, bei welcher Feier Superintendent Förster die Weiherede hält und gemeinsam mit den anwesenden Baubeamten die üblichen drei Hammerschläge tut. Jedoch wird der Bau in diesem Jahr nicht zu Ende geführt, ruht vielmehr einige Jahre lang. Superintendent Förster verläßt Delitzsch und hält am 31. August seine Abschiedspredigt. Einige Tage vorher, am 25. August, wird Assessor Wilhelm von Rauchhaupt endgültig zum Landrat des Kreises Delitzsch ernannt. Das Jahr ist äußerst fruchtbar, die Ernte daher ausgezeichnet, die des Obstes allerdings geringer. Als Nachfolger des Superintendenten Förster wird der ebenso wie dieser vorher in Lützen wirksame Superintendent Weinrich ausersehen, der am I. Advent in der Stadtkirche Probepredigt hält.


1857
Ein Jahr, in dem wieder einmal der Untergang der Welt erwartet wird. Das unheilvolle Ereignis solIte einer alten Prophezeiung gemäß am 13. Juni frühmorgens Punkt 3 Uhr eintreten. Viele treffen vorher letztwillige Verfügun gen; andere verprassen oder verschleudern ihr Hab und Gut. Allgemein erwartet man in der Nacht zum 13. Juni den verhängnisvollen Zeitpunkt, ohne an Schlafengehen zu denken. Jedoch wird es drei Uhr, und die unter Angst und Bangen erwartete Katastrophe bleibt aus. Infolge einer großen, um Mitte Mai eintretenden Dürre bleiben übrigens Futterkräuter und Sommergetreide sehr zurück, so daß wieder einmal Teuerung eintritt und gar mancher aus Futtermangel seinen Viehstand verringern muß. Am SonntagLätare (22. März) findet die feierliche Einführung des Superintendenten Weinrich statt, und er hält seine Antrittspredigt. Da die Zahl der Schulkinder fortwährend im Steigen begriffen ist und sich die zur Verfügung stehenden Schulgebäude trotz mehrfacher Neubauten noch immer als unzureichend erweisen, wird auf dem sogenannten Bleichplatze am Gerberplane in diesem Jahre abermals ein Schulbau ausgeführt. Begonnen wird damit am 15. August und die Ausführung dem Maurermeister Wilhelm Voigt übertragen, nach dessen Voranschlage der Kostenaufwand für Maurerarbeiten auf 13 000 Taler bemessen wird. 40 000gewöhnliehe und 40 000 Verblendungsziegel werden dazu von der Nicolaischen Ziegelei bei Leipzig bezogen. 200 000 weitere Mauerziegel liefert Ziegeleibesitzer Bauermeister, Bitterfeld, aus seiner bei der deutschen Grube gelegenenZiegelei. Nicolai liefert das Tausend für 14'/2, Bauermeister für 12 1/2 Taler. Die Zimmerarbeiten führt Zimmermeister Curwy, Delitzsch, zum Voranschlagspreisevon 489 Talern, 2 Sgr. 2 Pfg. aus. Die Klempnerarbeiten werden von den Klempnermeistern Winkler, Krippene, Hopfer und Heinrich geliefert, die Tischlerarbeiten von den Tischlermeistern Troitzsch, Rülke, Scheiding, Schneider und Winktet, die Glaserarbeiten von den Glasermeistern Leiser, Zorn, Ferdinand und Gottlieb Scheibe, die Schlosserarbeiten von den Schlossermeistern Sander und Schmellinsky. Die von der Bauermeisterschen Ziegelei erkauften Bausteine werden angefahren von den Fuhrleuten Krüger, Mietzsch, Leuther, Scharf und Fritzsche. Zum Herbste wird das schon Ende April von Braumeister Fritzsche der Brauerschaft vertragsmäßig (weil unbenutzt gelassen) zurückgegebene Brauhaus in der Ritterstraße zum Preise von 405 Tälern an den Schmiedemeister Naumann verkauft. Den Braukessel erwirbt Kupferschmiedemeister Voigt für 510 Taler. Als zweiter Elementarlehrer muß, da die Schülerzahl in der gemischten Elementarklasse allzusehr gestiegen ist, der junge Lehrer Diedicke angestellt werden.


1858
Die aus Holz ausgeführte Fahrbrücke an der Stadtmühle wird mit eichenen Pfosten belegt und mit Steinen gepflastert. Am 21. Juni findet die Einweihung der neuerbauten Knabenschulestatt. Vor der alten Schule, wo die Knaben und eine Abteilung Schulmädchen aufgestellt sind und sich auch die Ehrengäste versammelt haben, hält nach dem unter Musikbegleitung gesungenen Liede "Sei Lob und Ehr" Archidiakonus Dr. Burckhardt die Abschiedsrede. Hierauf bewegt sich der Festzug unter Glockengläute zum neuen Schulgebäude, wo als Festchoral zunächst die beiden ersten Strophen von "Nun danket alle Gott" angestimmt werden und sodann Superintendent Weinrich in eindrucksvoller Rede die Weihe vollzieht. Alsdann findet die Schlüsselübergabe statt, die in etwas umständlicher Weise vor sich geht. Maurermeister Voigt, der den Schlüssel auf einem Samtkissen getragen, übergibt diesen unter geeigneten Worten an Kreisbaumeister Gericke, der ihn an Bürgermeister Hagedorn weitergibt. dieser händigt ihn an Landrat von Rauchhaupt aus und dieser wieder an Superintendent Weinrich, der ihn endlich in die Hände des neuberufenen Rektors Giesel niederlegt, welcher damit die Haupttüre öffnet, durch die sich nun der Festzug finden von Schulmädchen mit Laubgewinden geschmückten Festsaal begibt. Hier nehmen die Behörden und Festgäste Platz, während die Schulkinder sich in den nebenan liegenden Klassen versammeln. Nach dem Gesange der 3. Strophe von "Nun danket alle Gott" ergreift nun Superintendent Weinrich abermals das Wort, um das Lehrerpersonal einzuführen. Rektor Giesel als Leiter des gesamten städtischen Schulwesens, Rektor Barthel, dessen Stellvertreter, die neuen Lehrer Becker, Gelpke und Schneider und die Lehrerin Fräulein Eppner. Lehrer Theodor Berger fehlt wegen Krankheit. Rektor Giesel reicht, der Stadt treue Dienste gelobend, Bürgermeister Hagedorn die Hand, sodann geloben die Lehrer und die Lehrerin sowie auch die obersten Knaben und Mädchen durch Handschlag ihrem Rektor Gehorsam und treue Pflichterfüllung. Ein kurzes Schlußwort des Superintendenten endet hierauf diesen Teil des Festaktes. In einem zweiten Teile folgt dann nach einer durch die Kantoreigesellschaft vorgetragenen Motette die Antrittsrede des Rektors Giesel, worauf mit dem Gesange der drei letzten Strophen von "Ach, bleib' mit deiner Gnade" geschlossen wird. Die Mädchenschule wird nach der Schulstraße in die alte Knabenschule verlegt. Die bisherige Mädchenschule an der Kirche wird zu Beamtenwohnungen umgeschaffen. Die zuerst aussichtsreiche Ernte wird leider durch eine bereits Anfang Juni eingetretene anhaltende Dürre zunichte gemacht, so daß sie die Lebensmittelpreise wieder einmal verteuern. Vom 10. September an zeigt sich am nördlichen Himmel ein prachtvoller Komet, benannt nach dem Florentiner Donati. Im Herbste wird der Versuch unternommen, den hintern Teil des Schießplatzes und die angrenzenden Kommunegrundstücke mit Apfel- und Birnenbäumen zu bepflanzen. Es glückt jedoch nicht. Vielmehr verkümmern die Bäume größtenteils infolge zu großer Feuchtigkeit.


1859
Der von der Anhalter Eisenbahngesellschaft in den letzten beiden Vorjahren bereits in Angriff genommene Bau der Berlin- (Magdeburg-)Leipziger Eisenbahnstrecke wird im ersten Monat dieses Jahres zu Ende geführt, so daß die Strecke am 1. Februar in Betrieb genommen werden kann. Das Bahnhofsgebäude in Delitzsch ist an der Stätte des frühern Hochgerichts (Galgens) errichtet worden. Auf Antrag von Dr. Gerber läßt der Magistrat den Weg von der neuen Schule an zwischen dem Turnplatze und den Scheunen an der Pferdeschwemme (heute Spielplatz an der Knabenvolksschule) wie auch der Pflaumenplantage (Schäfergraben) entlang bis zur Grünstraße mit Linden und Kastanien bepflanzen. Der seit 1826 an den Seiten mit Birken eingefaßte Weg vom Gerberplan nach dem Heiligbrunnen wird verbreitert und nachdem man die Birken bis auf einige, unmittelbar am Heiligbrunnen stehende gefällt, seitlich mit Kastanien bepflanzt. So wird die schöne Alleegeschaffen, die für die Besucher der Anlagen noch heute eine Freude ist. Der Turnverein nimmt in diesem Jahre wieder seine Übungen auf. Er nennt sichjetzt ausdrücklich "Turnverein Delitzsch". Seine Mitgliederzahl beträgt 87. Vorsitzender ist Druckereibesitzer B. Meyner. Vom Polizeifiskus wird der Ausbau des Schlosses zu einer Strafanstalt wiederaufgenommen. Von Lichtenburg treffen am 1. September 36 Strafgefangene ein, die den kleinen sechsseitigen Schloßturm (inmitten des alten Hauptgebäudes befindlich) abtragen und den großen mit steinernen Stufen und einem Blitzableiter versehen.


1860
Am 6. Feburar stirbt der langjährige Ortsschutze der Amtsvorstadt Grünstraße, Polizeianwalt Schulze, der sich stets als ein heftiger Gegner der Einverleibung erwiesen. Bereits einen Monat später, am B. März, findet eine "Konferenz der Stadtbehörden mit dem Königlichen Landrat von Rauchhaupt wegen der späteren Vereinigung der Grünstraße mit der Stadtgemeinde" statt. Da die Grünstraßenbewohner große Schwierigkeiten haben, einen neuen Ortsschutzen zu finden, zeigen sie sich einer Einverleibung in die Stadt nicht abgeneigt. Bedenken der Stadtbehörde werden durch ein Entgegenkommen des Fiskus beseitigt, der zur Ausgleichung der geringen Steuerkraft der Amtsvorstadt sich bereit finden läßt, für die Polizeiverwaltung des neuen Stadtteils eine jährliche Entschädigung von 120 Talern zu zahlen und durch Inanspruchnahme des Kreisarmenverbandes einen jährlichen Zuschuß zur Armenverwaltung von 500 Talern für die Grünstraße und 200 Talern für die Stadt auf einen Zeitraum der nächsten zehn Jahre zuzusagen. So wird nun die Eingemeindung der Grünstraße endgültig beschlossen und alsbald höheren Orts beantragt. Die Brauereigenossenschaft, die auf das ehrwürdige Alter von wenigstens sechs Jahrhunderten zurückzublicken vermag, beschließt, mit Ablauf von Braumeister Fritzsches Pachtperiode (1. April d. Js.) sich aufzulösen. Der Eiskeller wird abgebaut und der dazu benutzte Bauplatz von der Stadt zu einem Preise von 15 Talern zurückgenommen. Schon am 20. Februar war im Sitzungszimmer des Magistrats zwischen der Brauerschaft als Verkäuferin und dem Braumeister Gottlob Fritzsche als Käufer ein Kauf zustande gekommen, worin von vereideten Taxatoren als Preis festgesetzt wurde: Für Immobilien (Marktbrauhaus und Malzdarre) 3723 Tr. 6 Sgr. 3 Pfg.; für Mobilien 748 Tlr. 14 Sgr. 6 Pfg., Ablösungswert für die Gerechtsame (abzüglich der schon zur Ablösung gekommenen Verpflichtungen) 2785 Tlr. 10 Sgr.Pfg., Summa 7257 Tlr. 10 Sgr. 9 Pfg. Braumeister Fritzsche verlegt alsbald die Brauerei in das von ihm schon früher erkaufte Ehrenberg'sche Gehöft (gegenüber vom Halleschen Turne). Am 1. Dezember findet die Überführung von 275 weiblichen Gefangenen von Lichtenburg nach dem hiesigen Schlosse statt, auf dessen Ostseite das Zuchthaus inzwischen völlig hergerichtet wurde und nun unter dem Namen "Königliche Strafanstalt" seiner Bestimmung übergeben wird. Von Lichtenburg hat man "die armen Sünderinnen" auf Planwagen bis Wittenberg befördert und von da mit der Bahn nach Delitzsch, wo sie durch die Straßen der Stadt unter Begleitung von Gendarmen und Aufseherinnen geführt werden, für die Delitzscher bei dem Gedanken, daß früher das Schloß Wohnsitz von Fürstinnen war, unbedingt kein freudiger Anblick.


1861
Am 2. Januar stirbt König Friedrich Wilhelm IV und wird am 7. gleichen Monats beigesetzt, dem kältesten Tage in diesem harten Winter, nämlich bei 14 Grad Reaumur. Sein um 1 1/a Jahre jüngerer Bruder folgt ihm als König -Wilhelm 1. in der Regierung. Der neue Brauereibesitzer Fritzsche veräußert am 1. Mai das Marktbrauhaus an Johann Gottlob Robitsch aus Gertitz und das an der Stadtmauer gelegene Malzdarrgebäude an Kalkfuhrmann Frey. Beide reißen die alten Gebäude nie-der und führen an deren Stelleje einen Neubau auf, Frey unter Beseitigung des sein Grundstück begrenzenden Stadtmauerteils. Dieser Bau trägt heute die Nummer 19, der des Robitsch ist das heutige Kaufhaus Frejtag, Markt 19. Am 25. Mai verkauft der Magistrat das Pforteneinnehmerhaus für 916 Taler an August Jahn. Der Weg vom Gasthof zur "Grünen Linde" bis zum Bahnhofe wird mit Platanen und Kastanien bepflanzt. Im Herbste erreicht die hauptsächlich unter Leitung des Königl. Landes-Oekonomierates Wernicke seit Jahren begonnenes sogenannte Separation (Aufteilung und Zusammenlegung unserer Stadtfluren) ihr Ende. Die Stadt geht daraus hervor mit einem separierten Grundbesitz von 108 Morgen und 140 Quadratruten. Mit Einschluß des Privatbesitzes und der Holzung umfaßt jedoch das Gemeindegebiet der Stadt 6010,52 Morgen (=1533,30 ha, wovon der Stadt über 382 1/2 ha gehören). An Stelle des im Vorjahre abgerissenen Schafstalles wird ein neues Kranken- und Armenhaus errichtet. Die Vorstadtschule wird mit einem Oberstockwerke und einer dritten Lehrkraft versehen.


1862
Eine Freiwillige Feuerwehr wird innerhalb des Turnvereins Delitzsch begründet, der in diesem Jahre neue Satzungen erhält. Am 2. März genehmigt der König die Vereinigung der Grünstraße mit der Stadt, und am 15. Oktober wird diese in aller Stille vollzogen. Es findet sogleich eine neue Nummerierung sämtlicher Wohnhäuser der Stadt einschließlich der Grünstraße statt. Die Zahl der Stadtverordneten wird von 12 auf 18 erhöht und ein dritter Magistratsassessor in den Magistrat gewählt. Die bisher halb städtische, halb ländliche Vorstadtschule wird nun rein städtisch. Auch steigt die Stadt aus der 3. in die 2. Steuerstufe, wodurch sich die von Gewerbetreibenden zu zahlende Gewerbesteuer umjährlich etwa 1000 Taler erhöht. Am 20. August stirbt im 82. Jahre der frühere Bürgermeister, Verwalter mehrerer Patrimonialgerichte, August Wilhelm Schulze, Vatervon Schulze-Delitzsch. 40 Jahre lang hat er in Delitzsch eine Rolle gespielt und großes Ansehen genossen, wie auch die Inschrift seines Grabdenkmals bezeugt. Die alte, 18 Zentner schwere Glocke des Breiten Turms hat seit einiger Zeit einen Riß bekommen, wozu in den letzten Monaten des Jahres ein zweiter tritt. Um Gefahren abzuwenden, wird der Guß einer neuen beschlossen. Glockengießer Jauck aus Leipzig zerschlägt oben im Stuhlgehänge die alte Glocke und wirft die einzelnen Stücke in den Zwinger. Er gießt eine neue Glockevon 12 Zentnern Gewicht und nimmt dafür die alte in Kauf unter Berechnungeines Zentners Glockengut mit 34 Tälern; sogar zahlt er bei Lieferung der neuen der Stadt noch 7 Täler heraus. Am 30. Dezember, Punkt 12 Uhr, wird die Glocke auf den Turm gezogen, jedoch erstdrei Tage darauf (am 2. Januar) in Gebrauch genommen. An den Gastwirt Zeidler ("Grüne Linde") verkauft übrigens bereits am 10. März der Magistrat das der Stadt gehörige, bisher dem Totengräber als Wohnung zugewiesene Galgtorhaus für 80 Täler auf Abbruch.


1863
Die Brücke am Leipziger Tore wird mit einem Aufwande von 91 Tälern 11 Sgr. 4 Pfg. umgebaut. Dem Brunnenarbeiter Thier wird die Instandhaltung der Stadtbrunnen gegen eine Entschädigung von jährlich 24 Tälern übertragen. Eine auf Einführung von Gasbeleuchtung errichtete Vorlage des Magistrats wird am 19. Juni von den Stadtverordneten rundweg abgelehnt. Am 2. September, dem Tage der spätern Sedanfeier, begründet sich in der Vorstadt ein neuer Turnverein, der sich "Männerturnverein" nennt. Vorübergehend war dieser schon 1860 zustande gekommen. Da aber die Stadt dem Turnverein Delitzsch ein Stück des Schützenplatzes zu ausschließlicher Ausübung der Tumerei im Jahre 1861 überließ, einigten sich die beiden Vereine wieder und turnten zusammen. Nunmehr jedoch wird die Trennung endgültig, und der neue Männerturnverein, der anfänglich in °Stadt Leipzig" turnte, schlägt seine Heimstätte im "Bürgergarten" für die Dauer auf. Der ersten Mädchenbürgerschule wird auf Grund einer durch Schulrat Frobenius erfolgten Revision der Name "Höhere Töchterschule" verliehen. Zum Gedächtnis an die vor fünfzig Jahren durchgekämpften Freiheitskriege finden in diesem Jahre zwei große Gedächtnisfeiern statt: Am 17. März, dem Tage, an dem 1813 König Friedrich Wilhelm III. den Aufruf an sein Preußenvolk erließ, die sog. Veteranenfeier, die sich auf das Königreich Preußen beschränkt, also auch in Delitzsch zu Ehren der hier wohnhaften Veteranen begangen wird, und zwar hierorts mit Festgottesdienst, Paradieren der Schützen auf dem Markte vor den Veteranen und Festessen von 1 Uhr an im "Schwan". Sodann am Gedächtnistage der großen Leipziger Schlacht die großzügig angelegte Nationalfeier in Leipzig, an der sich 188 Städte, darunter auch Delitzsch, mit 461 Deputierten und 972 Veteranen beteiligen, und die in der Grundsteinlegung zu dem fünzig Jahre später geweihten Völkerschlachtdenkmale gipfelt. Im Beginne des Oktobers verläßt Assessor Schulze, damals schon SchulzeDelitzsch genannt, seine Vaterstadt und nimmt mit seiner Familie dauernden Wohnsitz in Potsdam. In den am 20. und 28. Oktober nachfolgenden Wahlen der Landtagsabgeordneten wird er als einer der bedeutendsten Führer der Fortschrittspartei mit größter Mehrheit wiedergewählt. Im Dezember trägt auch hier die Schleswig-holsteinsche Frage zur Erregung der Gemüter bei.


1864
Am 3. Januar bildet sich in der Stadt ein Hilfskomitee zur Unterstützung der Volksgenossen in Schleswig-Holstein. Dieses dehnt sein Hilfswerk nach Kriegsbeginn, von der letzten Januarwoche an, vor allem auf die Fürsorge für die im Felde stehenden Krieger aus und sammelt Gaben, um sie mit warmer Winterkleidung zu versehen. Die Erstürmung der Düppeler Schanzen wird hier durch Extrablatt verbreitet. Am 28. Oktober wird im "Schwan" ein neuer politischer Verein gegründet, dessen Mitglieder der konservativen Richtung angehören, und der sich "Patriotischer Verein" nennt. Im Frühjahr wird der "Männergesangverein" gegründet, der am 11. Dezemher erstmalig an die Öffentlichkeit tritt Seine Darbietung wird mit einem Prologe eröffnet, dessen Verfasser kein Geringerer als der Dichter der "Gartenlaube", Albert Träger, ist. Am 2. und 3. Juni weilt hier ein 70 Jahre alter muhammedanischer Derwisch, mit Namen Hadji Said Mahmoud aus Jerusalem. Er macht eine Streife durch Deutschland, nachdem er das Grabmal eines in Budapest bestatteten türkischen Heiligen besucht, und fällt hier besonders dadurch auf, daß er um den Turban den grünen Schleier der Mekkapilger und um den Leib einen Teppich trägt, den er zur Verrichtung der im Koran vorgeschriebenen Gebete auf die Erde breitet. Der Friede mit dem besiegten Dänemark kommt am 30. Oktober zustande. Das Friedensfest wird vom König Wilhelm auf den 18. Dezember festgesetzt. Zum Festgottesdienste wird allerhöchster Bestimmung gemäß der Choral "Nun danket alle Gott" gesungen, und zwar hier unter Posaunenbegleitung. Die Festrede hält Superintendent Weinrich. Am Abend haben eine Anzahl Bürger, zum Teil sehr glänzend, illuminiert. Der Sommer dieses Jahres brachte eine außergewöhnlich starke Hitze. Behufs endlicher Einführung von Gasbeleuchtung hatte sich schon im Mai eine Gasaktiengesellschaft gebildet. Am 13. Dezember beschließt nun endlich die Stadtverordnetenversammlung den Bau einer städtischen Gasanstalt. Am Ende des Jahres sind bereits 636 Privatflammen gezeichnet worden.


1865
Der am 13. Dezember des Vorjahres gefaßte Beschluß zum Bau einer Gasanstalt wird am 14. Februar dieses Jahres erneut und endgültig bestätigt, da die erforderliche Flammenzahl gezeichnet wurde. Von einer mit der Ausführung des Beschlusses betrauten Konmüssion, bestehend aus 2 Magistratsmitgliedern, 2 Stadtverordneten und dem Ingenieur Westerholz, Direktor der Leipziger Gasanstalt, wird der Bau in Angriff genommen. Während der Bauzeit kommt Ingenieur Westerholz, der die Aufsicht führt, wöchentlich zweimal von Leipzig hierher. Erforderlich für den Bau sind: 221 Tausend hartgebrannte Mauersteine, von denen mindestens 2/3 mit Holzund Steinkohlenfeuer gebrannt sein müssen; ferner 66 Schachtruten Bruchsteine und 3050 Kubikfuß gelöschten Kalkes. Die Gasometerglocke liefert eine Aachener Firma, die Leitungsrohre Firma Hahn & Huldschinsky in Berlin und die Gasuhren Siry, Lipars & Co. in Leipzig. 104 Stück Straßenlaternen fertigt Klempnemteister Hopfer, Delitzsch; das Gasometerwasserbecken nebst Syphonbrunnen und den Schornstein baut Maurermeister Taurek, das Wohnhaus mit Schuppen Maurermeister Rose, alle drei aus Delitzsch; die Zimmerarbeiten liefert Zimmermeister Felix von hier. Zur Dekkung der 33 500 Taler betragenden Kosten wird von der Lebensversicherungsbank in Leipzig ein Kapital von 30 000 Talern zu 4'/z % aufgenommen. Am Sonnabend, dem 7. Oktober, beginnt die neue Gasfabrik die Bereitung des Leuchtgases, und am Abend des S. leuchtet zum ersten Male das Gaslicht in den Straßen und auf den Plätzen der Stadt. Die Leitung des Werks wird vorerst dem Gasmeister Herrfurth übertragen. Am 14. Mai sucht abermals ein großer Waldbrand die Spröde heim. Drei Morgen 20jährigen Holzes werden in Asche gelegt. Der greise Kommunförster Pabst, der im Beerendorfer Forsthause gewohnt und 40 Jahre in städtischen Diensten gestanden hat, tritt nach dem Brande in Ruhestand. Der neue Ratsförster, Köring, muß das städtische Forsthaus wieder beziehen. In der Nähe des Realschulgebäudes werden Kugelakazien angepflanzt, und eine im Süden der Stadt befindliche "krüppelhafte, schattenlose, 60 Jahre alte Kirschallee" wird auf Vorschlag von Dr. Gerber durch eine Walnußallee ersetzt.


1866
Das Pflastergeleit wird aufgehoben. Der Magistrat vermietet das Geleithaus am Leipziger Tore an Heinrich Hoffmann, der dieses später auf Abbruch kauft und auf gleicher Stelle ein ansehnliches Gebäude errichtet. Die Wintermonate verlaufen sehr milde. Es gibt weder Schnee noch Eis. Jedoch ein in den Morgenstunden des 19. Mai eintretender Frost verdirbt vollkommen die Baumblüte und die des Wintergetreides, so daß Pflaumen und Kirschen nicht verpachtet werden können und die Getreidepreise steigen. Obschon es am Siebenschläfer (27. Juni) trocken und heiß, folgt ihm ein 40tägiger Regen. Die von Tag zu Tage gespannter werdenden Beziehungen Preußens m Österreich und dem größten Teile der deutschen Bundesstaaten beginnen sich auch in Stadt Delitzsch auszuwirken. Obwohl dieBürger der Stadt mit wenigen Ausnahmen fortschrittlich gesinnt sind, billigt man doch nicht das österreichische Vorgehen, besonders seit dieses (im März) mobilisiert, seine Regimenter in Böhmen zusammenzieht und zugleich die ihm ergebenen Höfe (Sachsen, Bayern, Württemberg, Hessen-Darmstadt) auffordert, gleicherweise zu rüsten. In Bezug auf das Streitobjekt, die Zukunft der Herzogtümer Schleswig und Hostein, steht die öffentliche Meinung im Lande, und natürlich auch in Delitzsch, in starkem Widerspruche zu den Absichten Bismarcks, der die Einverleibung durchführen will, während die übermächtige Fortschrittpartei für Schaffung eines neuen Mittelstaates unter Herrschaft der Augustenburger Herzöge eintritt, ebenso wie Österreich und der ausschlaggebende Teil der übrigen deutschen Bundesstaaten. Aus diesem Grunde verweigert auch das Abgeordnetenhaus der Regierung die Mittel zur Kriegsführung. Doch mit derselben Kühnheit, mit der er in den Jahren vorher (der sog. Konfliktszeit) dieLandtagsauflösung zweimal erwirkte, läßt Bismarck auch diesmal (am 9. Mai) den Landtag auflösen. Von Truppendurchmärschen bleibt die Stadt diesmal gänzlich verschont; dagegen wird auf höhern Befehl hier ein Reservelazarett errichtet, und zwar auf dem Schlosse. Am 10. Juli treffen zwei Extrazüge mit zusammen 724 Verwundeten ein, Preußen, Sachsen und Österreicher. Sieben von den Schwerverletzten sterben, ein Sachse namens Eduard Zothe aus Leipzig, zur schweren Reiterei gehörig, dessen Leiche am 25. Juli vom gramgebeugten Vater auf einem Wagen nach Leipzig überführt und dort bestattet wird, sodann noch vier Österreicher und zwei Preußen, die alle sechs im westlichen Teile des alten Friedhofs unter militärischen Ehren kurz nacheinander beerdigt werden, so daß einer neben dem andern die ewige Ruhe findet. Ein etwa zwei Meter hoher Obelisk aus Sandstein ziert die Grabstätte und gibt Aufschluß über Namen und Herkunft der Tapfern, die nach wildem Kampfe hier friedlich in geweihter Erde gebettet liegen. Am 27. Juni wird der von König Wilhelm für das ganze Land angesetzte Kriegsbettag auch in Delitzsch feierlich begangen, und zwei Tage früher (25.) haben die Urwahlen für den neu zu wählenden Landtag stattgefunden. die durch Wahlmänner vorgenommene Abgeordnetenwahl, die sich gerade am 3. Juli, dem Tage der siegreichen Schlacht bei Königgrätz, vollzieht, bringt eine erhebliche Schwächung der Fortschrittspartei und für die Konservativen einen Gewinn von 100 Mandaten. Unter den Gewählten dieser Rechtspartei ist diesmal auch Landrat von Rauchhaupt als Vertreter seines heimatlichen Kreises. Er schwingt sich bald zu einem Führer der Konservativen auf. Der Krieg mit Österreich wird schon einen Monat nach seinem Ausbruche durch den Frieden von Nikolsburg beendet. Der Friede mit Sachsen kommt allerdings erst am 21. Oktober zustande. Die vom Kreise Delitzsch für das 7. schwere Landwehr-Reiterregiment gestellten Pferde werden am Freitag, dem 14. September, vorm. 9 Uhr, auf dem Schützenplatze öffentlich meistbietend verkauft. Um diese Zeit macht sich auch die von den heimkehrenden siegreichen Truppen von Böhmen hereingeschleppte unheimliche Choleraseuche in unsrer Gegend bemerklich und fordert namentlich in Halle und Leipzig viele Opfer. Auch Delitzsch bleibt davon nicht verschont. In der Zeit vom 3. bis 18. Oktober sterben daran 27 Personen. Glücklicherweise erlischt dann mit dem letzten dergenannten Tage hier die Seuche und fordert keine weitern Opfer. Das Friedensfest wird am 11. November (24. Sonntag n. Trin.) gefeiert. Superintendent Weinrich hält die Festpredigt, und von der Kantorei wird eine Motette von Mendelssohn-Bartholdy zur Aufführung gebracht. Im Anschluß an den Gottesdienst findet vor der Realschule die Pflanzung einer Friedenseiche statt. Abends ist große Illumination, woran sich die ganze Bürgerschaft beteiligt.


1867
Nach Aufhebung des Pflastergeleitzolls auch an den inneren Toren wird nunmehr in diesem Jahre das Breitetorhaus von der Stadt veräußert, nämlich an den Schuhmachermeister Gottlob Kunze zum Preise von 1600 Talern. Kunze läßt es abbrechen und an gleicher Stelle ein mit einem Oberstock übersetztes Wohnhaus erbauen. Gleichzeitig wird (im gleichen Bietungstermine) das Hallesche Torhaus für 130 Taleran den Glasermeister Ferdinand Scheibe auf Abbruch verkauft. Behufs Anlegung der heutigen Lindenstraße und Abtretung von Baustellen erwirbt der Magistrat an der Ziegelbreite, in deren Mitte bis zum Jahre 1817 "des Rates Ziegelscheune" gestanden, die alsdann auf Abbruch verkauft wurde, ein drei Morgen umfassendes Feldgrundstück zwischen der Dübener und dem damals "Lindenstraße" benannten östlichen Teile der Eilenburger Straße für 2200 Täler. Innerhalb der städtischen Körperschaften wird ernstlich die sehr nötige Umpflasterung aller Straßen der Stadt erwogen. Nur die Münze und die Mauergasse als verkehrsarme Seitengassen sollen noch ausgeschlossen bleiben. Mit Anfertigung des Kostenanschlags zu dieser Neupflasterung wird Zimmermeister W. Beyer betraut. Bei Gelegenheit dieser Beschlußfassung (2. Mai) erörtert auch Bürgermeister Hagedom die Notwendigkeit einer gleichzeitigen Kanalisierung wenigstens der Hauptstraßen, findet aber kein Entgegenkommen, zumal da der um seine Meinung befragte Kreisbaumeister Lipke als Sachverständiger sich gegen den Plan erklärt, dessen Ausführung zwecklos und kostspielig sei, letzteres auch wegen der Schwierigkeit der Kanalreinigung. Leider wird Bürgermeister Hagedorn durch einen vorzeitigen Tod verhindert, diesen für die Entwicklung der Stadt so vorteilhaften Gedanken aller Gegnerschaft zum Trotz doch noch zur Durchführung zu bringen. Erstirbt in diesem Jahre bereits, am 15. Oktober, noch keine 50 Jahre alt. Kurze Zeit vor seinem Tode (1. August) wird durch seine Einwirkung seitens der städtischen Behörden die Leitung der Gasanstalt mit einem i ährlichen Gehalte von 500 Tälern nebst freier Wohnung dem Gastechniker Friedrich Bendert übertragen unter Verleihung des Titels "Gasinspektor". Die Obsternte an Äpfeln, Birnen und Pflaumen ist in diesem Jahre eine hervorragend gute.


1868
Der bereits am 20. Dezember des Vorjahres von den Stadtverordneten zum neuen Bürgermeister erwählte Stadtrat und Gerichtsassessor a.D. Woldemar Born wird am 2. April in sein Amt eingeführt. Fast zur gleichen Zeit ernennt der Magistrat den früheren Kanzlisten Eduard Braune zum Stadtsekretär. Bürgermeister Born weilt nur vorübergehend in Delitzsch. Schon nach kaum dreimonatiger Tätigkeit bewirbt er sich mit Erfolg um die Bürgermeisterstelle in Zeitz und wird als solcher bestätigt. Durch den bischöflichen Stuhl in Paderborn wird in der Elisabethstraße der schon im Vorjahre begonnene Bau der katholischen Kirche nebst Schule und Pfarrwohnung beendet. Der Bau machte sich notwendig, weil sich schon vor zehn Jahren (1858) hier eine katholische Gemeinde begründet hatte, die zuerst von einem Missionsgeistlichen und später vom katholischen Pfarramt in Eilenburg seelsorgerisch versehen wurde. Erster Pfarrer in Delitzsch wird der vorherige Kaplan Friedrich Schröder in Adersleben bei Oschersleben. Mit dem l. Mai tritt nach einem milden, jedoch regnerischen Winter plötzlich anhaltendes Sommergewitter mit erheblichen Hitzegraden ein, wird nur viermal durch Gewitterregen unterbrochen und dauert bis zum 11. September an. Das Reifen des Getreides wird dadurch sehr beschleunigt, so daß die dennoch gut ausgefallene Ernte (ein dem reichlichen Regenfall der Wintermonate und des April zugeschriebener Glücksumstand!) bereits Ende Juli eingebracht ist. Ganz besonders groß ist in diesem Schaltjahre die Maikäferplage, so daß ein förmlicher Vernichtungsfeldzug dagegen eröffnet werden muß. Infolge des beständigen Sommerwetters fällt auch die Weinernte vortrefflich aus, ebenso die des sonstigen Obstes; indes läßtdie der Hackfrüchte sowieder Futterkräuter sehr zu wünschen übrig, weshalb auch die Butter im Preise steigt, und zwar auf 7 Sgr. das Stück. Der höheren Bürgerschule werden behördlicherseits die Rechte einer Realschule erster Ordnung zuerkannt. Rektor Giesel verläßt am 1. Juli Delitzsch und geht in gleicher Eigenschaft nach Leer in Ostfriesland. An seine Stelle tritt Dr. Barthels, der am 14. September durch Superintendent Weinrich in der Aula der höheren Bürgerschule feierlich in sein neues Amt eingeführt wird. Dem neuen Rektor wirdjedoch die höhere Bürgerschule nicht mit unterstellt. Sie wird vielmehr selbständig und ihr Rektor der schon länger an ihr wirksame Oberlehrer Kayser. Auch Superintendent Weinrich verläßt übrigens in diesem Jahr Delitzsch, um die Pfarrein Wolmersleben zu übernehmen und hält am Sonntag, den B. November, seine Abschiedsrede. Es entstehen wieder zwei neue Schankstätten, in der Halleschen Straße die von Selma Krause begründete Koburger später Kulmbacher Bierhalle, zuletzt Beatenhof genannt, sodann in der Bitterfelderstraße "Deutsche Kaiser" (heute Monopol) eröffnet von Krüger. Am 6. Dezember, von früh 1 Uhr an, sucht ein furchtbares Unwetter, aus Westen kommend, die Stadt heim. Zuerst ein starkes Gewitter mit Regen und sodann ein rasender Orkan, der die stärksten Bäume entwurzelt, Planken umwirft, Dächer abdeckt und dergl. In der Brauerei Offenhauer z.B. wird das neue Pappdach eines Seitengebäudes in die Höhe gehoben und samt Dachsparren und Brettern in Trümmer gerissen. Erst nachmittags gegen 2 Uhr hat sich der Sturm ausgetobt.


1869
Der schon im Vorjahre von den Stadtverordneten erwählte Bürgermeister Heinrich Bernhard Reiche, bisher Stadtrat in Guben, wird am 11. Januar durch Landrat von Rauchhaupt in sein Amt eingeführt. Er findet sogleich Gelegenheit, sich als ein Förderer des Schulwesens zu betätigen. Der neue Rektor Dr. Barthels weist in einer an den Magistrat gerichteten Eingabe die völlige Unzulänglichkeit derin der Stadtvorhandenen Schulräume nach, die dazu zwinge, füreinzelne Klassen den Unterricht zu verkürzen und Klassenteilung vorzunehmen, so zwar, daß der eine Teil zu früherer, der andere zu späterer Stunde bestellt werden müsse, und beantragt den Bau einer neuen Knabenschule. Das Lehrerkollegium schließt sich diesem Antrage an mit dem Hinzufügen, daß die Zahl der Schulkinder zehn Jahre vorher (1859) 974 betragen habe, jetzt sich aber auf 1382, also 408 Schüler mehr, belaufe und infogedessen die damals noch vierklassige, in den Räumen der höheren Bürgerschule mituntergebrachte Knabenschule mit 70-90 Schülern pro Klasse überfüllt sei. Das neue Stadtoberhaupt zeigt Verständnis für diese Nöte und führt innerhalb des Schulvorstandes einen Beschluß herbei, wodurch die Notwendigkeit zum Bau einer neuen Schule erkannt wird. Als geeignete Baupläne kommen in Frage: 1. die nach der ersten Scheunengasse hinausgehende Nordecke vom Gehöfte des Landwirts Scharf, der seine dort noch befindliche Scheune abbrechen will, für den Bauplatz jedoch den hohen Preis von über 4000 Talern verlangt; 2. die zwischen der äußeren Leipziger Straße und der damals noch "Steinchaussee" genannten Chausseestraße (heute Hindenburgstraße) befindliche sog. Schillingsche Wiese, den Seilermeister Schilling'schen Eheleuten in Schmiedeberg gehörig; 3. der Platz an der sog. Pferdetränke, auf dem die alte, der Stadt zugehörige Rohrscheune steht. In der Komnüssionssitzung vom 10. Septembereinigt man sich endlich auf letzteren Platz, indem man außer dem Abbruch der Scheune zugleich die Auffüllung der Pferdetränke und deren spätere Verwendung zum Spielplatze der Schuljugend beschließt. Doch wird auch der Erwerb der Schilling'schen Wiese beschlossen, die später den Bauplatz zur heutigen Mädchenbürgerschule hergegeben hat. In der nachfolgenden Stadtverordnetensitzung werden diese Beschlüsse gebilligt mit der Maßgabe, daß zunächst die auf dem geplanten Bauplatze stehenden Gebäude auf Abbruch verkauft und mit dem Neubau im kommenden Jahre begonnen werden soll. Inzwischen wird eine teilweise Kostendeckung des beabsichtigten Neubaus dadurch erreicht, daß die Verwendung der Zinsgewinnüberschüsse des Reservefonds der städtischen Sparkasse bereits jetzt an höherer Stelle in Vorschlag gebracht und vom Oberpräsidenten von Witzleben auch bereitwillig zugestanden wird. Ein anderer wichtiger Bau wird jedoch in diesem Jahre schon in Angriff genommen und mit Eifer gefördert, nämlich der der Halle-Sorau-Gubener Ei-senbahn, deren Erbauer der damals vielgenannte Eisenbahnkönig Strousberg ist. Der an der Südseite der Stadt entlang führende Bahndamm wird errichtet; doch dauert es noch ganze drei Jahre, bis die Bahn in Betrieb treten kann. Zur Neubesetzung der erledigten Superintendentur wird der bisherige Gesandtschaftsprediger in Rom, Pfarrer Leipold ausersehen, der am 29. Mai seine Probepredigt und am 18. Juli seine Antrittspredigt hält, an welch letzterm Tage er durch den Superintendenturvikar Pfarrer Mag. Krüger in Schenkenberg in sein Amt als Oberpfarrer der Stadtkirche eingeführt wird. Die Geschäfte der Superintendentur werden ihm bis auf weiteres nur vikarisch übertragen, und es dauert länger als zwei Jahre, bis er (nach dem deutsch-französischen Krieg) die Ernennung zum Königlichen Superintendenten erhält. In diesem Jahre wird dreimal zu verschiedenen Zeiten ein Nordlicht sichtbar, zuerst in der Nacht vom 15. zum 16. April, dann am Abend des 13. Mai, das sich besonders prächtig ausnimmt und den ganzen Himmel in Feuerglut taucht, und zuletzt am 29. September, abends gegen acht Uhr. Obst gibt es diesmal wenig; der Wein ist vor Säure kaum genießbar. Der Spätsommer und der ganze Herbst verregnen.


1870
Durch Bekanntmachung vom 18. März werden verschiedene Straßen der Stadt teils neu - teils umbenannt. Der Teil der Steinchaussee von der Kohlbrückebis zur Leipziger Straße bis zur Unterführung des Dobernitzer Fußsteigs "Elberitzstraße", der Weg nach dem Kosakenberg "Wiesenstraße", die Fortsetzung des Schäfergrabens über die zu jener Zeit Angerstraße genannte Albert-Böhme-Straße (Lindenstraße) hinaus "Elisabethstraße". Der Marienplatz wird mit einer Anlage von Gras- und Blumenbeeten versehen. Im Juni wird mit dem Bau der neuen Kn abenschulebegonnen. Am 3. desselben Monats wird Fabrikbesitzer Schmidt, Bitterfeld, mit einer Lieferung von 200 000 Ziegelsteinen beauftragt. Der Preis beträgt 7 Tlr. 17 Sgr. 6 Pfg. für das Tausend. Auch werden außer den Maurer- und Zimmerarbeiten durch schriftlichen Vertrag sogleich auch die Schlosser- und Glasarbeiten vergeben, die letzteren an die Glasermeister Scheibe und Dörfel, die Schlosserarbeiten an Schlossermeister Bier. Mit Ausführung der Maurerarbeiten wird Maurermeister Taurck betraut, mit der der Zimmerarbeiten die Zimmermeister Felix und Berthold, die jedoch alle drei der Bauleitung eines durch die Zeitung gesuchten Baumeisters unterstellt werden. Letzterer, namens Karl Schlodewsky aus Pöpelwitz bei Breslau, trifft am 1. Juli hier ein. Es wird ihm zunächst ein Monatsgehalt von 50 Talern bewilligt, das aber seinem Ansuchen gemäß auf 75 Taler erhöht wird. Durch den bald darauf beginnenden Krieg mit Frankreich wird die Bautätigkeit zwar nicht aufgehoben, jedoch beeinträchtigt, so daß noch fast das ganze nächste Jahr vergeht, bis das neue Schulgebäude geweiht und bezogen werden kann. DieKriegserklärung Frankreichs löst, ebenso wie in ganz Deutschland, auch in Delitzsch eine große Kriegsbegeisterung aus. Sogleich bildet sich wieder ein Hilfsverein zur Unterstützung verwundeter Krieger, der sich diesmal aber nicht nur auf die Stadt beschränkt, vielmehr den ganzen Kreis umfaßt. Auch ergeht durch Zeitungsinserat an alle Bewohner von Stadt und Land die Aufforderung zu einer Sammlung für die von den Reserve- und Landwehrleuten zurückgelassenen Frauen und sonstigen Angehörigen mit dem Zusatze, daß für diesen Zweck Gaben bei Bürgermeister Reiche, Ratshaus, Zimmer Nr. 6, abzugeben seien. Die angesehensten Frauen der Stadt (Frau Kreisgerichtsdirektor Hesse, Frau Bürgermeister Reiche, Frau verw. Bürgermeister Hagedorn und Frau Oberpfarrer Leipold) erlassen einen Aufruf zur Hergabe von altem Leinen jeglicher Art oder Scharpie. Gleicherweise kommt die Begeisterung auch in gebundener Rede im Kreisblatte mehrfach zum Ausdrucke. Insbesondere ist es der Kantor Albin Thierbach, Nachfolger des am 1. Oktober 1853 in den Ruhestand getretenen verdienten Kantors Golz, der sich auf diese Art hervortut und Kriegsgedichte ernster und launiger Art im Kreisblatte zur Veröffentlichung bringt. Vom ersten, das gerade am Kriegsbettage (27. Juli) von ihm erscheint, sei die Anfangsstrophe wiedergegeben:

Warte, warte! Bonaparte!
Alter Schalk, was fällt dir ein?
Spielst wohl gar mit falscher Karte,
Möchtest wohl den deutschen Rhein?
Tumpf aus! Du sollst nicht gewinnen!
Trumpf aus! Es ist lauter Coeur!
Trumpf aus! was hilft dein Besinnen?
Trumpf aus! Ha, du kannst nicht mehr?

Als Ausdruck vaterländischer Gesinnung mag man sich diese etwas mittelmäßigen Verse gern gefallen lassen. Thierbachsche Kriegslieder sind damals in der Schule und Haus, auch auf der Straße, von Schulkindem der Stadt und deren Umgebung viel gesungen worden. Die Schlag auf Schlag einander folgenden Siegesberichte werden natürlich in der Stadt mit größtem Jubel aufgenommen, die entscheidenden Siege, insbesondere der bei Sedan und die Gefangennahme Napoleons, durch Gottesdienst und Illumination feierlich begangen. Den Heldentod auf dem Schlachtfelde erleiden in diesem Kriege nur zwei Delitzscher Bürger: Am 18. August bei St. Privat der Seitermeister Wilhelm Schmidt, Unteroffizier im Kaiser Franz-Garde-Grenadierregiment Nr. 2, und am 30. August bei Beaumont der Uhrmacher Otto Lattermann. Füsilier im 2. Mägde.-Inf.-Rgt. Nr. 27. Allgemein beklagt man hier das in diesem Jahre besonders rauhe und regnerische Herbstwetter, das den tapferen Truppen im Feindesland die Belagerung der Festungen (Metz, Straßburg, Paris) sehr erschwert und ihre Mühseligkeiten erheblich steigert. Auch der Umstand, daß in diesem Kriegsjahre am Himmel nicht weniger als neunmal ein Nordlicht erscheint, nämlich bereits im Januar viermal: 1., 6., 20. und 30., sodann am 5. April, femer ein besonders prächtiges in derNacht vom 24. zum 25. September und dann noch eins am Abend des 24. Oktobers, das, wenn auch schwächer, am nächstfolgenden Abend nochmals sichtbar wird, bringt die Gemüter unter dem Volke eine Erregung, das in dieser Erscheinung, ob auch die Gelehrten sie für eine Entladung der atmosphärischen Elektrizität in stark verdünnter Luft erklären, ein Zeichen für die Anteilnahme des Himmels an dem Blutvergießen und den in Feindesland sich abspielenden Kriegsereignissen erblickt. In ihren abergläubischen Sorgen werden diese ängstlichen Gemüter noch bestärkt durch das Eintreten plötzlicher starker Erderschütterungen. Unstimmigkeiten mit dem Bauleiter veranlassen die städtischen Körperschaften, am 17. November dem Maurermeister Taurck die Weiterführung der Mauerarbeiten am Schulneubau zu entziehen, Ersatz für ihn findet sich erst im nächsten Jahre durch den Maurerpolier Richard Thier, der sich den Anordnungen des Bauleiters willig fügt.


1871
Der Winter von 1870/71 ist als einer der härtesten des Jahrhunderts anzusehen. Er erweist sich als anhaltend und streng. Am 2. Januar liest man am Thermometer des Morgens 7 Uhr über 27 Grad Kälte ab. Diese Kälte, wenn auch um einige Grade verringert, hält bis zum 15. Februar an, an welchem Tage Tauwetter eintritt. Die wieder einmal nötig gewordene Schlämmung des Stadtgrabens, die schon am 7. November des Vorjahres begonnen wurde, und zwar diesmal von dem Drainiermeister Neumann, wird, nachdem der südliche Teil des Grabens gereinigt ist, am 28. März abgebrochen und die Schlämmung des nördlichen Teils auf spätere Zeit verschoben. Mit Lieferung granitner Treppenstufen für den Schulneubau wird Steinsetzmeister Zwanzig beauftragt. Der vertraglich dafür festgelegte Preis beträt je Quadratfuß 26 Sgr. Die zum Bau nötigen Bruchsteine liefert für 7 T1r. 20 Sgr. je Schachtrutefrei Baustelle Eduard Kohl, Landsberg, Dampfziegelei Deutsche Grube (Bauermeister) noch 100 000 Preßsteine, das Tausend zu 8 Tälern, und 60 000 gestrichene Steine, je Tausend zu 7 1/2 Talern. Die Lieferung des Restbedarfs an Mauersteinen wird der Firma Schreyer, Coswig, übertragen. Die Schmiedearbeiten werden von Schmiedemeister Klickermann ausgeführt, die Klempnerarbeiten von den Klempnermeistern Reyher und Hopfer, die Dachdeckerarbeiten von Schieferdeckermeister Heinrich Fleischmann, Leipzig. Zur Ausfüllung des Tränkteichs muß Seilermeister A. Thier mit seinem Gespanne von der städtischen Sandgrube im Kosebruch 100 Schachtruten Sand anfahren, wofür ihm je Schachtrute 1 Täler 12 1/2. entschädigt werden. - Die Neuerrichtung des Deutschen Reiches wird auch in Delitzsch mit viel Jubel aufgenommen und feierlich begangen. Nach dem Falle von Paris tritt endlich Waffenruhe ein, worauf dann zu Frankfurt a.M. am 10. Mai der Friede zustande kommt. Das Friedensdankfest wird am 18. Juni gefeiert. Auf allerhöchste Anordnung muß am Abend vorher mit allen Glocken geläutet und während des Gottesdienstes ein Tedeum gesungen werden. Auf Vorschlag Kantor Thierbachs wird dazu das `Alleluja" aus Handels Messias gewählt. Zum ersten Male wird der 2. September durch feierliche Umzüge, Ansprachen und Festessen als Volksfest gefeiert. RektorJohann Gottfried Bartel, Stützers Nachfolger, der sich als Schulleiter wenig bewährt hatte und darum von 1858 an immer nur den Stellvertreter des jeweiligen Rektors abgeben mußte, stirbt am 28. September, zu einer Zeit, in derseine zwangesweise Versetzungin den Ruhestand erwogen wird. Am 5. Dezember endlich kamt die Einweihung des neuen Schulhauses stattfinden, desen Bau einen Gesamtaufwand von reichlich 30 000 Talern erfordert hat. Um 9 1/2 Uhr versammeln sich die Knaben der 1. Bürgerschule in den alten Schulräumen; die oberen Klassen werden in die Aula der höheren Bürgerschule geführt, wo Rektor Dr. Bartels die Abschiedsrede hält und die Schüler "Unsern Ausgang segne Gott" singen. Hierauf ziehen sie in geordnetem Zuge über den Roßplatz unter Glockengeläut zum neuerbauten Schulhause. Auf letzerm Platze stoßen von der Vorstadtschule her, wo nunmehr die Mädchenbürgerschule untergebracht wird, die vier Klassen der zweiten Bürgerschule zu ihnen, und auch die unteren Klassen der ersten Bürgerschule schließen sich an. Vor dem neuen Schulhause wird von den Schülern und versammelten Gästenein Halbkreis gebildet und der Choral "Lobe den Herren" gesungen, worauf Archidiakonus Goedicke ein Gebet spricht und Zimmermeister Berthold den auf einem Samtkissen getragenen Schlüssel dem Bürgermeister Reiche übergibt, der ihn unter kurzer Ansprache an Rektor Dr. Bartels weiterreicht. Dieser öffnet damit die Haupttür zu dem festlich geschmückten Hause. Die Schüler werden zunächst in ihre Klassen geführt, die der zweiten Bürgerschule in die unteren Räume, die der ersten in die des Mittelgeschosses. (Das Obergeschoß bleibt zunächst noch unbenutzt.) Von da begeben sich die Schüler mit ihren Lehrern in die Aula, wo die Ehrengäste, darunter auch Regierungs-und Schulrat Haupt aus Merseburg, bereits Platz genommen haben. Eröffnet wird die nachfolgende Feier durch ein von Kantor Thierbach gedichtetes und vertontes Festlied, das vom Schülerchor gesungen wird. Die erste Strophe davon lautet:

Nun weile der Friede an diesem heil'gem Ort!
Nun leite, Allgüt'ger, der treuen Lehrer Wort!
Nun segne du alle, die gehen ein und aus!
Nun kröne mit Gnade der Kleinen großes Haus!

Hierauf hält Superintendenturvikar Leipold die Weiherede, und im Anschlusse daran ergreifen noch das Wort Rektor Dr. Bartel, sowie Regierungsund Schulrat Haupt. Mit dem Schlußgesange "Lob, Ehr und Preis sei Gottendet diese Feier, findet jedoch eine Fortsetzung durch ein Festessen im "Schwan", wozu sich nachm. 2 Uhr die Festversammlung zusammenfindet. Durch kaiserliche Order wird am 11. Dezember endlich Oberpfarrer Leipold zum Superintendenten ernannt, nachdem er bereits mehr als zwei Jahre lang die Geschäfte eines solchen auftragsweise geführt hat. In diesem Jahr wird auch die Ratskellerwirtschaft, die Jahrhunderte lang bestanden und den Bürgern als Erholungsort gedient hat, von seiten des Magistrats aufgehoben, angeblich, weil sie zur Spielhölle herabgesunken. Der letzte Ratskellerwirt heißt Köppe. Da die Regierung kurz nach dem Kriege keine Schwierigkeiten betreffs Konzessionserteilung macht, entstehen in der Stadt eine ganze Anzahl neuer Schankstätten, von denen die meisten allerdings keine lange Lebensdauer haben. Die bedeutendsten davon sind: In der Breiten Straße Restaurant Wilsdort, genannt "Reichskrone", und das mit einer Fleischerei verbundene Restaurant Bär, heute noch fortbestehend als Konditorei Lampe; auf dem Markte Restaurant Richter (heute Fleischerei Schleicher); auf dem Pfortenplatze Restaurant Hofmeister; Zschrngasse "Spanische Weinstube"; Holzstraße, Ecke Kreuzgasse Ziebrichs Restaurant "Gambrinus"; am Kohltor (zwischen Promenade und Kohlstraße, Auguste-Viktoria-Ring 10) Füssels Kaffeegarten; Ecke Dübener-Bitterfelderstraße Winkelmanns Restaurant "Zur Börse". Noch heute bestehende Schankstätten aus dem Jahre 1871 sind: "Rußbutte `, Leipzigerstraße, begründet von Wilh. Krause, und "Reichskanzler", Bitterfelderstraße. Die Obsternte des Jahres ist eine höchst geringfügige und bedeutungslose, Frühling und Sommer sind rauh, unfreundlich und regnerisch.


1872
1. Januar Einführung der neuen Maße und Gewichte sowie der neuen Wahrung. Am 15. Januarwird durch Generalsuperintendent Moeller, Magdeburg, Superintendent Leipold feierlich in sein Amt geführt, und letzterer hält seine Einführungspredigt. Ein von den städtischen Körperschaften auf Gutachten des Stadtförsters Köring am 13. Oktober des Vorjahres gefaßter Beschluß, wonach die westliche Hälfte der städtischen Hartobstanlage (hinter dem Schützenplatze) im Umfange von etwa 2 Morgen unter Beseitigung der verkümmerten Hartobstbäume mit Birken bepflanzt werden soll, kommt nunmehr zur teilweisen Ausführung. Am 6. März, nachmittags 4 Uhr, wird ganz urplötzlich unsere Gegend von zwei wellenfännigen Erdstößen heimgesucht, deren jede sechs Sekunden dauert und von einem unterirdischen Getöse, ähnlich dem Rollen eines schnellfahrenden Wagens, begleitet ist. Die Zimmermöbel geraten ins Schwanken, und die Pendeluhren bleiben stehn. Im höchsten Maße erschreckt, eilen die Bewohner auf die Straße und besprechen erregt den Vorgang.Den meisten Grund zum Erschrecken aber hatten wohl die Türmer der Stadt, da die Tumtwände beängstigend hin-und herschwankten. Zum Glück kommt es nirgends zum Einsturze eines Gebäudes. Man führt diese Erschütterung auf einen zwei Tage vorher erfolgten starken Vesuvausbruch zurück. Durch Bischof Dr. Konrad Martin, Paderborn, wird am 16. Juli die hiesige katholische Kirche geweiht. Pfarrer ist jetzt Adolf Bäseler, vorher in KI.-Badersleben. Am 1. Juli findet die Betriebseröffnung der Halle-Sorau-Gubener Bahn statt. Als sehr erheblicher Übelstand stellt sich in diesem Jahr ein beinahe völliges Versagen des Gaslichts heraus. Die Ursache wird in dem zu engen Durchmesser der Hauptrohre gefunden. Man ersetzt also von der Gasanstalt an die Eilenburger und Breite Straße entlang und weiter über den Markt und die Hallesche Straße hin bis zum Turme die bisher vierzölligen Gasrohre durch eiserne sechszöllige, was einen Kostenaufwand von 2354 Talern verursacht, eine Ausgabe, die auf das Schuldkonto des Leipziger Gasdirektors Westerholz, der die Anlagegeschaffen, zu setzten ist. Nach der kostspieligen Reparatur brennt das Gaslicht bei weitem heller als jemals. Im Herbste muß die Pflaumenpachtung unterbleiben, weil der Frost nicht nur die Baumblüte, sondern auch zahlreich die Bäume selbst vernichtet hat. Am 27. November geht die Erde mitten durch die Bitaschen Kometen, weshalb es Sternschnuppen förmlich regnet. Es sollen an 4000 Meteore niedergegangen sein. In diesem Jahre entsteht noch das Schanklokal "Goldene Kugel" in der Grünstraße, begründet von Hoppe.


1873
Die Schlämmung des nördlichen und östlichen Teils des Stadtgrabens wird am 25. März begonnen und am 3. Mai beendet. Am 28. des letzern Monats erliegt Kantor Thierbach, 53 Jahre alt, bei Gelegenheit eines Schülerausflugsunweit der DörIchenmühle einem Herzschlage. Auf einem von Schenkenberg schnell herbeigeholten Wagen wird die Leiche zur Stadt gefahren. Die Schüler gehen trauernd neben- und hinterher. Kurz zuvor, am 1. April, war ein Wechsel in der Leitung der Bürger-und höheren Töchterschule eingetreten. Dr. Bartels, der einem Rufe als Bürgerschulrektor nach Gera gefolgt, hatte Delitzsch verlassen und an seine Stelle war Rektor August Niebecker aus Ellrich getreten. Im Mai wird die schon im April abgebrochene hölzerne Fahrbrücke an der Stadtmühle durch eine mit zwei Bogen versehene steinerne ersetzt. Die Birkenpflanzung an Stelle der zumeist beseitigten Hartobstanlage wird fortgesetzt und beendet. Auch faßt man die Anlage eines neuen Friedhofs ins Auge, für den man vorerst ein Gelände hinter der Offenhauerschen Brauerei, also an der Bitterfelder Straße, in Aussicht nimmt. Ein dort verkäufliches Ackergrundstück wird unter Zustimmung des Stadtverordnetenkollegiums seitens des Magistrats zu diesem Zwecke erworben. Eine Friedhofsanlage an dieser Stelle stößt jedoch nach dem Ankaufe auf starke Bedenken und unterbleibt deshalb dort. Schwere Gewitter suchen in diesem Sommer die Gegend heim. Am 7. Juni schlägt der Blitz in Zschortau in das dortige Schulgebäude ein und betäubt die Mutter des 2. Lehrers. Im Creuma tötet er fünf Stück aus einer Schafherde. Gewaltige Orkane, die im Spätherbst toben und schweren Schaden anrichten, werden als die Vorwehen eines Erdbebens angesehen, das im Zeitraume vom 20. bis 23. Dezember in der Gegend von Darmstadt stattfindet. Am 22. Juli wird das Königliche Lehrerseminar begründet und zunächst in dem obersten Stockwerke der neuen Knabenbürgerschule untergebracht. Erster Seminardirektor ist Trinius, erster Oberlehrer Schöppa. Eine private Präparandenanstalt war schon mehrere Jahre vorher durch Rektor Dr. Bartels ins Leben gerufen.


1874
Der sehr milde Winter weist nur einen kalten Tag auf, den 11. Februar, mitelwas über 12 Grad Celsius. Am 10. und 12. Februar zeigt das Thermometer je 3 Grad Celsius. Im Juni wird die alte krumme, wegen ihrer steilen Auffahrt für Pferde und Wagen gefährliche Hospitalbrücke abgebrochen und an ihrer Stelle eine neue, breite, massive und gerade gelegte, mit zwei Bogen versehene Brücke erbaut. Die Kosten einschließlich des eisernen Geländers und der Pflasterarbeiten betragen 1349 Tlr. 5 Sgr.


1875
Sonnabend, den 16. Oktober, vorm. 10 Uhr, löst sich beim Stundenschlage des Türmers Rehfeld der 7 Pfund schwere Hammer der Glocke des Breiten Turms und fällt auf das Straßenpflaster herab, glücklicherweise ohne Scha den anzurichten. Es wird ein neuer, 8 Pfund schwerer, aus Stahl beschafft, und man befestigt ihn noch an einer Sicherheitskette, an der er bei etwaigem Wiederabfalle hängen bleiben muß. Der Sommer ist trocken und arm an Futterkräutern, weshalb die Butterpreise steigen. Wein und Obst hingegen geraten gut.


1876
Die Promenade wird vom Schlosse bis zur Halleschen Straße verlängert. Die Halle-Sorau-Gubener Eisenbahn wird verstaatlicht und geht mit dem 1. April in die Hände des Eisenbahnfiskus über. Am 6. August stirbt der seit 1868 emeritierte Lehrer (Tertius) Lorenz, 80 Jahre alt. Bei einer unverhofft unternommenen Kassenüberprüfung ergibt sich, daß der Kämmerer und Hospitalvorsteher Ufer aus der Kämmereikasse 1400 und aus der Hospitalkasse 300 Taler unterschlagen hat. Die Witterungsverhältnisse in diesem Jahre sind ungünstige. Nach starken Schneefällen im Januar tritt im Februar Tauwetter ein, das infolge von anhaltenden Regengüssen zu Hochwasser ausartet und Überschwemmungen herbeiführt. Ein in der Nacht zum 18. Märzwütender Orkan deckt Häuser ab und entwurzelt viele Bäume. Bis Mitte Mai ist die Witterung rauh, und Nachtfröste schaden der Baumblüte. Juli und August sind zwar regenfrei, dann aber gießt es den ganzen September hindurch.


1877
Magistrat und Stadtverordnete beschließen, die in fast unerträglichem Zustand befindlichen Straßen der Stadt neu pflastern zu lassen. Mit der Eilenburger Straße soll begonnen werden. Die Ausführung der Arbeiten wird dem Steinmetzmeister Knöchel in Halle übertragen, der auch nunmehr Bürgersteige anlegen soll. Die zu letzter Anlage benötigten Granitplatten werden aus Kamenz in Sachsen bezogen. Vom Verschönerungsverein wird zu den Seiten des Döbernitzer Fußwegs die schöne Lindenallee angelegt. Behufs Anlage des notwendig gewordenen neuen Friedhofs einigt man sich endlich auf ein der Hospitalverwaltung gehöriges, an der Dübener Straße gelegenes Ackergrundstück, wovon der Magistrat auf Beschluß der Stadtverordneten 10 Morgen (2,5530 ha) erwirbt, und zwar im Austausch gegen das anfänglich zur Friedhofsanlage in Aussicht genommene, 15 Mrg. (3,83 ha) umfassende Grundstück an der Bitterfelder Straße. Für das Mehr an Bodenfläche zahlt die Hospitalinspektion an die Stadt 2700 Mark. Am 21. August stirbt, 76 Jahre alt, Dr. med. August Ferdinand Ideler, der bis zu seinem Tode die Stadtchronik in der Nachfolge des 1852 verstorbenen Bürgermeisters Securius gewissenhaft weitergeführt hat. Auch in diesem Jahre verdirbt starker Frost die Baumblüte. Der Sommer zeigt sich in der Erntezeit regnerisch und reich an heftigen Gewittern. Am 17. August schlägt ein Blitz in die Stadtkirche, ein anderer tötet während des gleichen Gewitters in Spröda die 13jährige Haustochter der Familie Beinstein, die gerade vollzählig am Mittagstisch sitzt. Am 26. August wird unter Sturm und mit Hagel vermischtem Regen das südliche Dach des Sorauer Bahnhofsgebäudes emporgehoben und auf die andere Dachhälfte geworfen, und überhaupt werden viele Dächer und Mühlen beschädigt.


1878
Die Neupflasterung wird fortgesetzt und das Pflaster in der Eilenburger Straße vom Breiten Torebis zur Angerstraße (heute Albert-Böhme-Straße, vorher Lindenstraße) fertiggestellt. Gleichzeitig wird auch die Marienstraße makadamisiert und die Angerstraße reguliert. Am 28. Juli findet durch Superintendent Leipold die Einführung des bisherigen Lehrers an der Gewerbeschule in Dortmund Ferdinand Paasch als Rektor der hiesigen Töchterschule und der Bürgerschulen statt. Seit dem Tode des Rektors Niebecker hatte die Rektorgeschäfte in Vertretung Archidiakonus Meinhardt geführt. Nachdem am 30. und 31. Juli die letzten Bestattungen (zwei Kinderleichen, Emil Franz Kutter und Auguste Anna Daß) auf dem alten Friedhofe vor sich gegangen sind, erfolgt dessen Schließung. Nur für Erbbegräbnisse bleibt er vorerst noch offen. In den Tagen darauf (Anfang August) wird dann die Weibe des neuen Friedhofs vollzogen, die zufolge einer Verordnung des evangelischen Oberkirchenrats vom 4. Juni 18 in Verbindung mit dem ersten Begräbnisse auf dem neuen Platze stattzufinden hatte. Letzteres ist das des siebenjährigen Töchterleins des Schuhmachermeisters Geißler. Alle drei Geistliche der Stadt sind an der Weihung beteiligt. Diese selbst wird durch Superintendent Leipold am offenen Grabe der jugendlich Verstorbenen verlesen. Nach Einsenkung des Sargs hält Archidiakonus Meinhard die Leichenrede im Anschluß an das Schriftwort Matth. 9,24: Das Mägdelein ist nicht tot, sondern es schläft. Während des ersten Teils der Feier entlädt sich unter Regen, Donner und Blitz ein Gewitter; sie endet jedoch mit strahlendem Sonnenschein, Um der Friedhofsanlage fachmännische Pflege zu sichern, stellt man in diesemJahre noch einen Friedhofsgärtner an, dessen Aufsicht und Wartung zugleich die gesamten städtischen Anlagen vorerst mitunterstellt werden.


1879
Der am 12. Juli 1856 in Gleina bei Freyburg a. U. als Sohn eines Schneidermeisters geborene, bereits seit 1876 in Werben wirksame Lehrer Oskar Reime wird vom Magistrat nach Delitzsch berufen, wo er im Laufe der Jahre eine für die Stadt außerordentlich segensreiche und bedeutungsvolle Wirksamkeit entfaltet, zunächst als Dirigent mehrerer Gesangsvereine, des 1873 begründeten gemischtchörigen Vereins "Harmonie°,dessen musikalische Leitung er schon gleich nach seinem Dienstantritte in Werben übernommen, des "Abenstern" und nach Verlauf etlicher Jahre auch der "Schulze-Delitzsch-Liedertafel". Gegen Ende des Jahrhunderts wendet er sich der Heimatforschung zu, ruft das Heimatmuseum ins Leben, stellt sich namentlich als Archivar (Verwalter des Stadtarchivs) in städtischen Dienst und beginnt sodann unter gewissenhafter Vertiefung in die Quellen der Heimatgeschickt eine Bearbeitung der bisher nur lückenhaft vorhandenen Stadtgeschichte, eine Arbeit, die er schließlich in der Zeit von 1910 bis zum Ausbruehe des Weltkrieges zu einer "Geschichte unserer engeren Heimat" erweitert. Wenn es ihm nicht gelang, eine vollständig abgerundete Chronik der Stadt Delitzsch zu liefern, so trägt die Schuld nur sein am 22. Augsut 1923 erfolgter vorzeitiger Tod, der ihm die Feder aus der fleißigen Hand riß. Mit dem, was er veröffentlicht und an handschriftlichen Manuskripten hinterlassen (zu letzterem gehört auch eine bis ins einzelne gehende,umfangreiche Darstellung der die Stadt berührenden Vorgänge des Weltkrieges), hat er sich unbestreitbar ein unvergängliches Verdienst um die Stadt Delitzsch erworben. Die Schaffung der vorliegenden lückenlosen Chronik war nur möglich durch ausgiebige Benutzung seiner äußerst wertvollen Vorarbeiten. Reime verdankt seine reichen Kenntnisse fast lediglich einem überaus fleißigem Selbststudium Ein Lehrerseminar hat er nicht besucht, vielmehr von seinem 16. Lebensjahre an bereits vikarisch eine Lehrstelle (in Jagsal bei Herzberg) selbständig verwaltet. Die erste Lehrerprüfung legte er von dort aus 1876 in Elsterwerda ab, die zweite Prüfung in Delitzsch zwei Jahre später. In diesem Jahre entsteht das heutige Café Bolte, damals "Palmbaum" genannt. Erbauer dieses neuen Gasthauses ist Teubner, der auch schon einige Zeit vorher den gegenüberliegenden Gasthof "Preußischer Hof" errichtet hatte.


1880
Die Pflasterung der Breiten Straße und ebenso einiger Seitenstraßen wird in Angriff genommen. Am 19. Oktober macht der Magistrat bekannt: "Die an das Birkenwäldchen östlich angrenzende, bis zur Bitterfelder Landstraße führende Obstplantage wird in eine freundliche Anlage mit Ziersträuchern verwandelt unter Beibehaltung der Obstbäume". Nach einem kalten und schneereichen Winter zeigt sich die Witterung im April außerordentlich mild, weshalb die Obstbäume in herrlichstem Blütenschmuck prangen. Einfallender Frost vernichtetjedoch die Hoffnung auf eine gute Obsternte. Infolge fortbestehender nasser und rauher Witterung kann auch die Getreideernte nur mit Mühe eingebracht werden. Am 18. Juli werden während eines mit starkem Sturme verbundenen Gewitters am Stadtgraben zwei nach Hause eilende Knaben, Söhne des Sattlermeisters Ronniger, durch einen vom Sturme herabgeschleuderten Pappelast getötet.


1881
Der Winter ist hart und andauernd. Erst Mitte März weicht die Kälte, das plötzliche Tauwetter hat viel Regen im Gefolge, was vielfach Überschwemmungen hervorruft. Die drei "gestrengen Herrn- (11., 12. und 13. Mai) erweisen sich diesmal als sehr gestreng. Die an diesen Tagen vorherrschenden starken Nachtfröste fügen insbesondere den Weinstöcken erheblichen Schaden zu. Der Sommer ist äußerst gewitterreich. Blitzschläge, die in menschliche Wohnungen niedergehen, glücklicherweise ohne auch nur ein einziges Mal zu zünden, sind keine Seltenheit. Auch das Superintendenturgebäudewird (am 15. Juli) von einem solchen Schlage getroffen, und zwar so hart, daß das ganze Haus erschüttert wird und der verursachte Schaden sich auf über 500 Mark beläuft. Der Herbst ist ungewöhnlich mild.


1882
Die Umpflasterung des Marktplatzes wird in Angriff genommen. Sie wird von den Stadtbehörden dem Steinmetzmeister Schmölling, Leipzig, übertragen. Ausgeführt wird sie mit aus Grimma bezogenen sog. bossierten Steinen, nämlich behauenen Steinen mit quadratischen oder rechteckigen Flächen. Es wird eine Hauptfahrstraße von der Breiten Straße aus in Richtung nach dem Rathause angelegt mit nebenherlaufenden Bürgersteigen aus Mosaik, außerdem noch Fahrstraßen an den vier Seiten des Marktes, deren angrenzende Bürgersteige mit Granitplatten belegt werden. Die Arbeit wird erst im folgenden Jahre beendet und erfordert einen Kostenaufwand von 46 669,13 Mark. Am I. April wird die Berlin-Leipziger Bahn verstaatlicht. Der Bau des Königlichen Lehrerseminargebäudes wird begonnen. Die Stadt hat zum Bauplatze unentgeltlich den größten Teil der sogenannten Ziegelbreite hergegeben, nämlich 9 Morgen 83 Quadratruten. Um einen am Westabhange der Bitterfelderstraße bis zum Schulgebäude sich entlangziehenden übelriechenden Graben zu beseitigen, wird die Kanalisation dieser Straße beschlossen und die Erlaubnis dazu, da die Straße noch fiskalisch, behördlicherseits eingeholt. Auch dieser Bau wird erst im nächsten Jahre fertiggestellt.


1883
Am 17. Juli beschließt die Stadtverordnetenversammlung, die Kanalisation auf noch weitere Straßen auszudehnen. Vor allem soll die Schloßgasse damit bedacht, und die Anlage soll weitergeführt werden durch den Mühlendamm über den Pfortenplatz nach dem Lober unterhalb der Stadtmühle; desgleichenvon der Breiten Straße her nach dem Pfortenplatze. "Man beseitigtedamit zugleich die vielen stinkenden Hausrinnsteine".


1884
Die Umpflasterung wird fortgesetzt. Sie erstreckt sich diesmal auf den im Vorjahre kanalisierten Straßenzug: Schloßgasse, Mühlendamm, Pfortenplatz, Pfortengasse. Das alte Marktpflaster wird verwendet zur Pflasterung der Straße zwischen dem Schützenhause bzw. Schützenplatze und den Hintergebäuden des Gerberplans. Mit dem weitern alten Material läßt man die Straße zwischen den Scheunen der Halleschen Vorstadt pflastern. Die Kosten der Pflasterung und Kanalisation betragen im "Etatsjahre" 1883/84 44 157,92 Mark. Der Bau des Seminargebäudes wird beendet und dieses nach der üblichen Weihe bezogen. Die Seminarverwaltung hat noch nach Fertigstellung des Gebäudes die Dübener Straße zur Entwässeung des Seminargrundstücks kanalisieren lassen, und zwar unter Anschluß an den im Jahre vorher fertiggestellten Kanal in der Bitterfelder Straße. Weil dadurch zugleich eine Entwässerung der ganzen Dübener Straße und aller dort befindlichen Häuser erzielt wird, beantragt die Seminarverwaltung, die Stadt möge die Unterhaltung der Anlage übernehmen und einen Beitrag zur Deckung der Herstellungskosten bewilligen. Das Ergebnis ist, daß die Stadt den Kanal als Eigentum übernimmt und sich dazu versteht, ein Drittel der Aufwandskosten zu tragen. Der "wüste" Platz vor dem Halleschen Tore wird durch den Leipziger Ratsgärtner Wittenberg zu einem Schmuckplatz mit Anlagen umgeschaffen. Der von Bünau'scheAckerstreifen nördlich des Birkenwäldchens mit einem Flächeninhalte von 1,830 ha wird unter Zustimmung der Stadtverordneten zum Preise von 1000 Mark je Mrg., also einem Gesamtpreise von 4228, 88 Mark, vom Magistrat erkauft und vom 1. September an städtisches Eigentum. Nach dem Vorschlage des Kgl. Bauinspektors Lucas soll auf diese neuerworbenen Teile nördlich vom Heiligbrunnen in dessen unmittelbarer Nähe ein künstlicher Hügel von 5 Meter Höhe errichtet werden, der als Aussichts-, Spiel-, Sitz-und Konzertplatz dienen soll. Der Beschluß wird im folgenden Jahre unter Verwendung billiger Arbeitskräfte (Verpflegungsstation) ausgeführt mit einem Aufwande von nur 4000 Mark.


1885
Das in der Querstraße befindliche letzte mit Stroh bedeckte Haus wird auf Anordnung des Magistrats beseitigt. Die Um- bzw. Neupflasterung und die Kanalisation werden weitergeführt. Ein Teil der Promenade, vom Halleschen Tore bis zur Leipziger Straße, wird chausseemäßig hergestellt. Die Hallesche Straße erhält zu beiden Seiten Bürgersteige mit Granitplatten. Der Kostenaufwand für alle diese Arbeiten beträgt in diesem Jahre 6257,28 Mark. Nach einem von den Stadtverordneten genehmigten Plane des Magistrats werden in diesem Jahre kanalisiert: Hallesche Straße, Badergasse, Ritterstraße, Milchgasse, Leipziger Straße, Holzgasse und kleine Schloßgasse mit Anschluß der Königlichen Strafanstalt. Die Kosten werden auf 12 600 Mark veranschlagt. Die Walzenmühle wird eröffnet.


1886
Die Pflastemug wird fortgesetzt. Ritterstraße und Holzgasse werden neu gepflastert. Die Kosten betragen rund 30 000 Mark. Im März dieses Jahres beginnt der Delitzscher Turnverein 1845 mit dem Bau einer Turnhalle (der heutigen städtischen Turnhalle Bitterfelderstraße), den er aus eigenen Mitteln innerhalb eines Vierteljahres durchführt. Bauleiter ist Maurermeister Voigt. Die Maurerarbeiten werden ausgeführt von Bauunternehmer Richard Thier, die Zimmerarbeiten von Zimmermann August Pfordte, für den, da er erkrankt, in den letzten Wochen Holzhändler Adolf Hartung eintritt, die Malerarbeiten von Dekorationsmaler Emil Scholz, die Glaserarbeiten von den Glasermeistern Dörfel und Leiser, die Klempnerarbeiten von Klempnermeister Reyher, die Schlosserarbeiten von Schlossermeister Mietzsch, die Dachdeckerarbeiten von Dachdeckermeister Uhlig. Die Dacheisenkonstruktion liefern die Ingenieure Bretschneider und Krügner, Berlin, die Bekrönungsstücke die Greppiner Werke, Holz zur Dielung Holzhändler Heinze, Bitterfeld. Das nötige Baumaterial war schon zu Beginn des Baus zumeist vom Vereine selbst herangeschafft worden. Desgleichen hatte dieser schon im Herbste des Vorjahres die Anlage des Umfassungsparks betrieben, sowie im Laufe des Winters das Auswerfen des auf dem Grundstücke selbst gefundenen Sandes und die Anfuhr der Bruch-und Mauersteine. Die Einweihung des stattlichen Neubaus kann bereits am 30. Mai erfolgen und geschieht in Anwesenheit fast sämtlicher Turnvereine des Turnkreises IIIc wie auch der städtischen Behörden. Die Festrede hält nach einem Gesangsvortrage des Gesangsvereins Arien der damalige Vorsitzende, Zigarrenfabrikant Louis Schulze. Die Gesamtkosten des Baus einschließlich der Aufwendungen für Anlage des Parks und eines Brunnens sowie für Beschaffung neuer Turngeräte belaufen sich auf 12376, 98 Mark, wovon zu sofortiger Deckung dem Vereine annähernd 9700 Mark zur Verfügung stehen. Der Rest soll gedeckt werden durch Gewinne aus fortlaufend zu veranstaltenden Vereinsfestlichkeiten. Die dringendsten der Restforderungen werden durch ein bei der Stadtsparkasse aufgenommenes Darlehen von 600 Mark beglichen, für deren Rückgabe die Mitglieder Louis Schulze, Troitzsch und Hartung Bürgschaft leisten. Der bisherige Küster und Organist an der Marienkirche, Mädchenschullehrer Jost, tritt in den Ruhestand. An seiner Statt übernimmt Lehrer Diedicke, bisher sogenannter Präcentor (Vorsänger) an der Marienkirche nun auch die Ämter eines Küsters und Organisten an genannter Kirche.


1887
Am 18. Januar hält Superintendent Leipold, der nach Osterwieck geht und dort die besser bezahlte Oberpfarrstelle übernommen hat, in der Stadtkirche seine Abschiedspredigt. Die Superintendenturgeschäfte versieht auftragsweise Archidiakonus Meinhardt in Vertretung. Auf Beschluß der städtischen Behörden vom 23. März werden aus Gewinnüberschüssen der städtischen Sparkasse die Schulstraße (für 2200 Mark), die Münze und der Mühlendamm (3000 Mark) sowie die Zscherne (1600 Mark) kanalisiert. Auch die Kanalisierung der Kohlgasse wird durchgeführt. An öffentlichen Lokalen entsteht in diesem Jahre Cafe Moltke. Anlangend die Witterungsverhältnisse, herrscht im W einer strenge Kälte vor bei meterhohem Schnee. Die Getreideernte fällt gut aus, dagegen die Obsternte schlecht. Pflaumen gibt es fast gar nicht. Das Jahr ist auch merkwür- dig infolge eigenartiger Himmelserscheinungen. Am 3. August findet eine totale Mondfinsternis statt, und am 19. gleichen Monats eine totale Sonnenfinstemis. Von letzterer ist infolge bedeckten Himmels bei Eintreten der Verfinsterung (gegen 5 Uhr) ein vorübergehendes plötzliches Dunkelwerden zu beobachten, kurz vor Eintritt der Mondfinsternis dagegen ein wunderbares Naturschauspiel. Beide Himmelskörper werden am Horizont sichtbar, die untergehende rotglühende Sonne im Westen und gegenüber im Osten der goldglänzende Vollmond.


1888
Ein schicksalsschweres Jahr für das deutsche Reich, das in diesem Jahre seine beiden ersten Hohenzollernkaiser durch den Tod verliert. Am 9. März stirbt, 91 Jahre alt, nach ruhmreicher Regierung Kaiser Wilhelm I., und am 15. Juni folgt ihm nach nur 99tägiger Regierung sein allgemein verehrter großer Sohn, Kaiser Friedrich 111., der als bereits Todkranker den Thron bestiegen, im Tode nach. Auch in der Stadt Delitzseh sind Trauer und Teilnahme über diese schweren, das ganze Volk in tiefe Betrübnis stürzenden Heimsuchungen allgemein. In Nachfolge Kaiser Friedrichs tritt Kaiser Wilhelm II. als des letztverstorbenen Kaisers ältester Sohn die Regierung an, 29 Jahre alt. Der inmitten des Schäfergrabens als letzter Rest des Vorstadtgrabens noch schwach rieselnde Wasserlauf (seit 1816 schon fortgesetzt verkleinert), wird endlich ganz beseitigt. Mit Prüfung sämtlicher Privatbrunnen der Stadt werden seitens des Magistrats unter Hinweis auf ein Schreiben der Kgl. Regierung vom 17. Januar die Apotheker Freyberg und Lohmann beauftragt. Die Untersuchung erstreckt sich auf 371 Brunnen und fällt wenig günstig aus. Von nur 25 Brunnen kann die Beschaffenheit des Wassers als sehr gut, von 163 als gut bezeichnet werden; 183 Brunnen liefern schlechtes oder gar sehr schlechtes Wasser. Öffentliche Straßenbrunnen mit ebenfalls untauglicher Beschaffenheit erhalten Täfelchen mit der Aufschrift: "Zum Trinken nicht geeignet". Am 15. Januar (1. Sonntag n.Ep.) hält der zum Nachfolger von Sup. Leipold ausersehene Superintendent Hahn aus Salsitz, Kreis Zeitz, seine Probepredigt, und am Freitag, dem 28. April, vormittags 1/2 10 Uhr, erfolgt in der Stadtkirche, wohin er von der Superintendentur aus von seiten der Geistlichen und Lehrer des Kirchenkreises unter Glockengeläut geleitet wird, seine feierliche Einführung durch Generalsuperintendent D. Möller. In das Oberpfarramt wird er am Sonntag darauf eingeführt. Auf Beschluß der städtischen Körperschaften wird der Kirchengemeinde zu einer von dieser beschlossenen gründlichen Erneuerung des Innern der Stadtkirche der Betrag von 71 656 Mark überwiesen. Der W einer ist wieder sehr streng. Fast unerträglich wird die Kälte im Februar. Auf dem Wege zwischen Hohenossig und Göbschelwitz findet man den hiesigen Dachdecker Nuhahn erfroren. Vom 18. März an fallen solche Schneemassen, daß der Bahnverkehr nur mit Anstrengung aufrecht erhalten werden kann. Am Pfingstfeiertage (20. Mai) wütet ein furchtbares Unweiter. Wolkenbruchartig herabstürzende Wassermassen lassenden Lober sosehr ansteigen, daß er aus den Ufern tritt und schlimme Verheerungen anrichtet. Bereits im November tritt starker und anhaltender Frost ein. Zehn Zentimeter starkes Eis bedeckt die Gewässer. Erst nach Ende des Monats wird die Witterung milder und verharrt dabei bis zum Jahresschlusse.


1889
Die zum Teil dem Fiskus angehörende Dübener Straße geht ganz in den Besitz der Stadt über. Die Pflasterung des Stückes Mauergasse von der Schulstraße bis zur Münze wird beschlossen und durchgeführt, desgleichen die des Rosentals. Letztere erfolgt mit Steinen aus den Brüchen bei Landsberg, und zwar in der Weise, daß die Straße von der Stadtmühle bis zur Schafbrücke gerade gelegt wird. Die Kosten für die Pflasterung beider Straßen betragen 3313,23 Mark. Im März findet das letzte (Erb-)Begräbnis auf dem alten Friedhofe statt, nämlich das der am 9. des genannten Monats verstorbenen Frau Henriette Rüßler geh. Haake. Nach den Plänen des Geheimen Baurat Haase aus Hannover wird am 2. April ein weitgehender Umbau des Innern der Stadtkirche in Angriff genommen, ausgeführt von Regierungsbauführer Großmann. Leider verfährt man dabei mit sehr wenig Pietät und entfernt, um eine domartige Halte zu erzielen, rücksichtslos fast alles, was als Erinnerung an die große Vergangenheit der Stadt, namentlich aus der Regierungszeit der Herzoglinie von Sachsen-Merseburg, für die Bewohnerschaft wertvoll ist, darunter sogar Gemälde von hohem Kunstwerte, wie einen van Dyck, der infolge achtloser Behandlung ganz verloren geht. Einige andere Bilder der alten niederländischen Schule, die nach dem Rathausboden gebracht worden waren, werden nach Jahren durch Kunstfreunde (Reime und den damaligen Rechtsanwalt und späteren Justizrat Dr. Schulze) von dort hervorgesucht und dem inzwischen begründeten Heimatmuseum zugeleitet, das sie zu seinen wertvollsten Besitztümern zählt. Ende Juli tritt der bisherige besoldete Magistratsassessor Heinze nach 36jähriger Dienstzeit in den Ruhestand. Bereits am folgenden Tage (l. August) wird sein Nachfolger, der von den Stadtverordneten schon am 30. April gewählte Gerichtsreferendar a.D. Richard Hörich, durch Bürgermeister Reiche in sein neues Amt eingeführt. Durch Vertrag vom 22. und 23. Oktober geht die städtische Gasanstalt für den Preis von 136 000 Mark in den Besitz der Stettiner Schamottefabrik Aktiengesellschaft, vormals Didier, über. Die Wetterverhältnisse sind für die Getreide- und Obsternte in diesem Jahre günstig. Nur ist der Frühling sehr gewitterreich. Sonnabend, den 11. Mai, erschlägt der Blitz den Handarbeiter Göhrmann, Zschortau, in seinem Wohnzimmer, während das von ihm auf dem Schoße gehaltene Kind mit einer leichten Verletzung davonkommt. Im Herbste wird von der Reichspostverwaltung auf dem Gelände des früheren städtischen Bauhofs der Bau des heutigen Postgebäudes in Angriff genommen.


1890
Am 5. Januar wird der dichterisch wohlbegabte Pfarrer Justus Kümmel, Verfasser eines 1895 hier mehrfach aufgeführten Bismarck-Festspiels, in sein hiesiges Amt als Diakonus eingeführt. Sowohl der Umbau des Kircheninnern als auch der Neubau des Postgebäudes werden im Frühjahr beendet. Letzterer wird sogleich in Betrieb genommen. Die Einweihung der Stadtkirche findet am Dienstag, dem 25. März, von vormittags 10 Uhr an, bei freundlichem Sonnenscheine statt. Von der Gottesackerkirche begibt sich der Festzug mit den Behörden, Geistlichen, Lehrern, Konfirmanden und zahlreichen Gemeindemitgliedern unter Glockengeläut zum festlich geschmückten Gotteshause am Markte. Beim Eintreffen des Zugs am Hauptportale überreicht Regierungsbauführer Großmann, der Leiter des Baus, unter kurzer Ansprache den Schlüssel dem Patronatsherrn, Bürgermeister Reiche, von dem er durch die Hände des Landrats von Rauchhaupt, Regierungspräsidenten von Diest, Konsistorialpräsidenten Trusen und Generalsuperintendet D. Möller an SuperintendentHahn gelangt, der das Gotteshaus aufschließt. Generalsuperintendent D. Möller hält die Weiherede, Superintendent Hahn die Festpredigt, und der Seminarchor trägt mehrere Lieder vor. Nachmittags um 2 Uhr ist Festessen im "Schwan" und abends 7 Uhr unter Leitung von Kantor Haupt Kirchenkonzert. Die (in der Rubachmark) im Bau begriffene Zuckerfabrik macht die Pflasterung des Pfeffermühlenwegs (später Gartenstraße, heute Richard-WagnerStraße) notwendig. Mit Kanalanlagen werden versehen die Eilenburgerstraße, Lindenstraße, Töpfergasse, Querstraße und ein Teil der Elisabethstraße. Die Kosten im Betrage von 12 424,26 Mark deckt man aus Überschüssen der Stadtsparkasse. Der Marktplatz wird mit Linden bepflanzt. Da der in den 80er Jahren geschaffene Stadtpark allzu nahe an die Schießstände der Schützengilde herangerückt ist und trotz umfassender Schutzmaßregeln ängstliche Spaziergänger sich gefährdet glauben, sieht sich das Schützendirektorium genötigt, die Beschaffung neuer Schießstände ins Auge zu fassen. Schon 1889 erkauft daher die Gilde nördlich des SchenkenbergerWegs und nordwestlich vom Stadtparke ein 15 Morgen umfassendes Akkergrundstück von den Pfotenhauersehen Erben, dem Landwirt Gutheil und dem Zigarrenfabrikanten Eichler, wo dann nach Beschluß der Gilde und den Entwürfen des Maurermeisters Nickau ein Neubau aufgeführt werden soll. Am 20. September 1890 findet nach stattgehabten Abschießen die von dem Protektor der Gilde, Landrat von Rauchhaupt, vollzogene Legung des durch den Bildhauer Zwanzig gestifteten Grundsteins statt, nachdem vorher die Musik den Choral "Eine feste Burg" intoniert hat. Die letzte, am alten Schützenhause beschossene Scheibe trägt die Inschrift: "Die letzte Scheibe, beschossen am 6. Oktober 1896, am Tage des Scheidens der Schützengilde von ihrem fast 200 Jahre alten, liebgewordenen Heim". Sie zeigt zugleich das alte Schützenhaus, darunter die Worte: "Was vergangen, kehrt nicht wieder, aber ging es leuchtend nieder, leuchtet's lange noch zurück“.


1891
Kaum erst in Tätigkeit getreten, verläßt bereits am 20. Januar Magistratsassessor (2. Bürgermeister) Hörig Delitzsch wieder und geht nach Brieg in Schlesien. An seiner Stelle wird von den Stadtverordneten am 14. April der bisherige Stadtsekretär Franz Simon zu Weißenfels als besoldeter Magistratsassessor gewählt. Am gleichen Tage wird die Anlegung der heutigen Angerstraße beschlossen. In diesem Jahre wird der andere Teil der Elisabethstraße mit Kanalanlage versehen, ferner Angerstraße und Schäfergraben. Letztere Arbeiten ziehen sich bis in das nächste Jahr hinein. Die Kosten betragen 11 074,73 Mark. Das von der Stadt erworbene Podehl'sche Haus (an der Kirche) wird nebst der daneben gelegenen alten Küsterei abgebrochen und der dadurch gewonnene Platz mit Rotdornbäumchen bepflanzt. Drei Neubauten werden in diesem Jahre teils ganz zu Ende geführt, teils im Rohbau vollendet: 1. der Schützenhof, ausgeführt nach der vom Kgl. Baurat Lucas nur wenig geänderten Entwürfen des Maurermeisters Nickau, wobei die Zimmerarbeiten Zimmereiunternehmer Laue liefert, die Schlosserarbeiten Schlossermeister Nebel, die Tischlerarbeiten Tischlermeister Vonhof, die Glaserarbeiten die Glasermeister R. und H. Scheibe, die Klempnerarbeiten Klempnermeister Reyher, die Dachdeckerarbeiten Dachdeckermeister Uhlig, die Malerarbeiten Dekorationsmaler Pawlowski. Für das Licht sorgt die Gasanstalt, für Öfen Firma Wiesinger, für die Treppenanlage des Turms (Sandstein) Steinmetzmeister Zwanzig. Da viele fleißige Hände geschäftig sind, den Bau zu fördern, kann schon am 19., 21. und 24. Mai das erste Schützen- und Volksfest im neuen Heim gefeiert werden. Das Schützenhof-Weihefest geht einen Monat später vonstatten, in den Tagen vom 21.-24. Juni vaterüberwältigender Beteiligung aller Volkskreise. Die festliche Erleuchtung des Schützenhofs am Abend des ersten Festtags gewährt einen unvergeßlieben Anblick. Die neue Anlage enthält eine geräumige Schießhalle mit fünf Schießständen zu 175 m und einem Wildstande. Außerdem einen kleinen Festsaal mit Vereinszimmer, Gast-und Wirtschaftsräume und einem Turmanbau, der den Eindruck des Wehrhaften hervorruft. Die Kosten des Baus einschließlich des Landerwerbs werden auf etwa 65 000 Mark geschätzt. 2. Die christliche Herberge zur Heimat in der Elisabethstraße, erbaut unter der Leitung des Maurermeisters Taurck, ebenfalls von Maurermeister Nikkau. Die Baukosten betragen 41 070 Mark. Das Gebäude wird am 1. November dem Verkehr übergeben, wonach die bisher in der Ritterstraße für durchreisende Handwerksburschen aller Art unterhaltene Herberge in Wegfall kommt. 3. Die städtische Badeanstalt. Sie wird, nachdem die alte, neben der Gasanstalt gelegene schon im Vorjahre abgebrochen war, an der Promenade errichtet, wo sie sich zur Zeit noch befindet, und zwar auf Pfahlrost, wobei 203 Pfähle verwandt werden. Die Bauleitung wird vom Architekten Paul Göhring, Halle, übertragen, die Maurerarbeiten einschließlich Betonschüttung liefert Maurerpolier Gustav Thier, die Pfähle für den Pfahlrostbau Zimmermeister J. G. Pannicke. Lieferung und Anfuhr der nötigen Bruch-und Bausteine (Ziegelsteine) übernehmen Adolf Lüddecke, Henning und Karl Frey, die von Zement und Sand E Neumanns Witwe. Die Kosten des Neubaus betragen rund 56 700 Mark. Am 13. September in der Mittagsstunde findet in Gegenwart des Landrats von Rauchhaupt die feierliche Enthüllung des Schulze-Delitzsch-Denkmals unter Beteiligung einer großen Menschenmenge statt. Der Verbandsdirektor der bayrischen Genossenschaften, Probst aus München, hält von einer festlich geschmückten Tribüne aus die Festansprache, an deren Schlüsse die Enthüllung stattfindet. Hierauf besteigt Branddirektor Schulze die Tribüne und übergibt namens des Denkmalkomitees, das sich schon ein halbes Jahr nach dem 29. April 1883 erfolgten Tode des Gefeierten auf Anregung des Magistrats-Assessors Troitzsch, eines Freundes von SchulzeDelitzsch gebildet hatte, das Standbild an die Stadt, in deren Namen es Bürgermeister Reiche übernimmt. Von dieser Übernahme und im Anschlüsse an das Fallen der Hülle hat ein Chor von fast 200 Sängern unter Leitung des Kantors Haupt das Mozartsche Bundeslied zu Gehör gebracht. Verfertigt ist das Denkmal von einem geborenen Delitzscher, dem Bildhauer E. Weißenfels in München, den Erzguß führte die Erzgießerei L. von Millers, München,aus. Die Witterung des Jahres anlangend ist vor allem eine große Kälte zu verzeichnen, die den ganzen Winter überbis in den März hinein anhält und das vollständige Zufrieren der Flüsse von der Quelle bis zur Mündung zur Folge hat. Plötzlich eintretendes Tauwetter verursacht dann Hochwasser. Am 9. Juni nachmittags und 1. Juli schwere Hagelwetter, unter denen die Fensterscheiben und schlimmer noch die Feld- und Gartenfrüchte zu leiden haben. Die Einbringung der Ernte wird durch unaufhörliche Regengüsse sehr erschwert. Der Herbst wieder ist sehr milde, sogar der Spätherbst, so daß bis Mitte Dezember im Freien gearbeitet werden kann.


1892
Rektor Paasch, seit 1878 Leiter der städtischen Volksschulen und der höhern Töchterschule, verstirbt am 6. Februar. Mit der Vertretung wird Lehrer Schubert beauftragt, der seit 1865 hier in Diensten steht und Kriegsveteran von 1870/71 ist. Nachfolger des verstorbenen Rektors wird Leberecht Alfred Plummhoff aus Berlin, der sein Amt am 1. August antritt. Die Eröffnung der inzwischen fertiggestellten Badeanstalt wird, wie man am Tage vorher durch Ausrufer bekannt machen läßt, auf den 1. April, früh 5 Uhr, festgesetzt. Stadtsekretär Braune tritt am 1. Mai in Ruhestand. Sein Nachfolger wird alsbald der Sekretär Robert Dietzel. Am 30. November weilt der zu jener Zeit berühmte Meteorologe Rudolf Falb hier und hält im dicht gefüllten Saale des Gasthofs zum Schwan einen Vortrag über kritische Tage, Sintflut und Eiszeit. Betreffs der W itterungsverhältnisse des Jahres sei hier sogleich angeschlossen, daß den Sommer über eine außergewöhnliche Hitze vorherrschend ist, die große Dürre hervorruft, so daß die Blätter sich vorzeitig färben und abfallen. Durch Kundmachung vom 28. Dezember vollzieht der Magistrat wieder eine Umbenennung mehrerer Straßen. Der Pfeffermühlenweg erhält den Namen Gartenstraße, der von dieser sich nach der Zuckerfabrik abzweigende Weg den Namen Fahrikstraße, die (außerhalb der Ringmauer gelegene) Hallesche Vorstadt (früher bis zum Lober "der Damm", über den Loberhinaus "Hällischer Steinweg" genannt) gleich der innerhalb der Ringmauer in gleicher Fluchtlinie verlaufenden Straße den Namen Hallesche Straße, der Verbindungsweg zwischen der Promenade und Bitterfelder Straße den Namen Karlstraße. Der im November des Vorjahres durch Niederlegung des Podehlschen Hauses und der alten Küsterei gewonnene Platz nördlich der Stadtkirche bisher der Kirchhof genannt, heißt nunmehr "An der Kirche", ebenso wie die den Schützenplatz säumenden beiden Häuser, das frühere Schützenhaus und das gegenüberliegende damals Leubnersche Hinterhaus, künftig die Bezeichnung "Am Schützenplatz" erhalten. Der Frauenmarkt wird in Marienplatz umgetauft, Mariengasse in Marienstraße und desgleichen die Kohlgasse in Kohlstraße. Am 7. Dezember stirbt der Pfarrer an der katholischen Kirche, Bäseler und wird alsbald durch Pfarrer Bitter ersetzt. In diesem Jahre wird durch Albert Kitzing der Gasthof "Zur goldenen Krone" an der Beerendorfer Straße begründet.


1893
Am 10. Januar folgen weitere Um- und Neubenennungen von Straßen der Stadt. Die Beerendorfer Straße erhält ihren Namen, desgleichen die Gertitzer Straße, die vorher den Namen "Weg vor den Hallischen Scheunen" führte. Auch die Bitterfelder Vorstadt, die am Schäfergraben begann und bis 1904 noch vom Fiskus unterhalten wurde, wird jetzt in die Bitterfelder Straße einbezogen und erhält als deren geradlinige Fortsetzung den gleichen Namen. Die jenseits der Bahn sich erstreckende Dübener Vorstadt wird von der Dübener Straße abgetrennt, und die ganze Strecke vom Berliner Bahnhof bis zur Breiten Torbrücke erhält nunmehr den Namen Eilenburger Straße. Der untereTeil der Grünstraße wird Feldstraßebenannt. Außerdem faßt der Magistrat am gleichen Tage einen bedeutsamen und zeitgemäßen Beschluß: Die fortlaufende Numerierung sämtlicher Häuser der Stadt (von 1-447) wird aufgehoben, und es werden von nun an die Häuser jeder Straße in sich numeriert. Weitere bemerkenswerte Änderungen von Straßenbezeichnungen sind: Der Teil der Leipziger Straße, der bisher nur für das Stück vom Markte bis Holz-Ritterstraße Geltung gehabt, wird auch auf ihre Fortsetzung, bisher "Über den Lober" benannt, noch früher (bis 1841) "Prinzessinnenweg", ausgedehnt. Die bisherige Angerstraße (heute Albert Böhme-,vorher Lindenstraße) erhält zu Ehren des damaligen Bürgermeisters, der am Tage darauf (11. Januar) auf Grund seiner bereits im Juni des Vorjahres erfolgten Wiederwahl seine dritte Amtsperiode als Stadtoberhaupt antritt, den Namen "Reichestraße". Der Mühlendamm (vom Archidiakonat bis zur Stadtmühle) wird Mühlenstraße benannt Die südlich der Grünstraße hinter deren Gärten neuangelegte Straße heißt Neuestraße (später Bismarckstraße). Eine Unterscheidung zwischen großer und kleiner Schloßgasse wird aufgegeben. Am 30. September gibt der Königliche Landrat von Rauchhaupt öffentlich bekannt, daß er sich infolge andauernden Schwächezustandes habe entschließen müssen, mit dem Tage darauf aus dem ihm so lieb gewordenen Wirkungskreise zu scheiden. Bei Gelegenheit einer ihm zu Ehren am 5. Oktober veranstalteten Abschiedsfeier, zu der auch Oberpräsident von Pommer Esche, Regierungspräsident von Diest und Landeshauptmann Graf von Wintzingerode-Knorr erschienen, wird ihm seitens der Stadt Delitzsch das Ehrenbürgerrecht verliehen.


1894
Am 9. Januar wird der Nachfolger des Landrats von Rauchhaupt, der im verflossenen Herbst bereits-und zwar einstimmig-vom Kreistag gewählte Assessor von Busse, Sohn des Majors a.D. von Busse auf Rittergut Zschortau, vom preußischen König als Landrat des Kreises Delitzsch bestätigt, nachdem er die Geschäfte eines solchen auftragsweise schon vom Tage des Rücktritts seines Vorgängers an versehen. Zwei Tage später, am 11. Januar, feiert Bürgermeister Reiche sein fünfundzwanzigjähriges Amtsjubiläum als Bürgermeister von Delitzsch und wird dabei Gegenstand ganz besonderer Ehrungen. Schon am Abend vorher bringt man ihm einen Fackelzug, woran sich ein Festkommers schließt, in dem er durch Lobredner und Festlieder gefeiert wird. Gemeinschaftlich singt man mehrere, zu seinem Preise eigens gedichtete Lieder, von denen eins anhebt:

Heil dem Manne, der seit Jahren
unsre liebe Stadt regiert,
Die wohl Delitzschs beste waren,
der ein mildes Szepter führt!
Bürger, es schalle dem Guten zum Dank
Laut unser festlicher Jubelgesang!

Von der Tiefbauverwaltung wird die chausseemäßige Herstellung der frühern Angerstraße, nunmehrige Reichestraße, in Angriff genommen. In der Dübener Straße bildet sich die Böhme-Aktiengesellschaft Kakaound Schokoladenwerke, Delitzsch. Am 28. April stirbt Landrat Wilhelm von Rauchhaupt nach langem und schweren Leiden auf seinem Stammsitze Storckwitz und wird unter außerordentlich großer Beteiligung am 1. Mai in der Familiengruft an der Kirche in Schenkenberg feierlich beigesetzt. Superintendent Hahn, der nach Spören bei Zörbig geht, hält Sonntag, den 22. Juli, seine Abschiedspredigt. Die Geschäfte der Superintendentur und der Kreisschulinspektion werden bis zur Wiederbesetzung der Stelle auftragsweise von Pfarrer Schulle aus Schenkenberg versehen. Die Witterung des Jahres ist im allgemeinen günstig. Nur wird die Einbringung der Ernte durch im August auftretende reichliche Regengüsse sehr erschwert, worunter auch die Kartoffeln leiden. lm November herrscht mildes, sonniges Herbstwetter vor, um Weihnachten laue Frühlingswitterung. In diesem Jahre beginnt in Delitzsch ein neues Tageblatt zu erscheinen, die von Paul Krause begründete "Delitzscher Zeitung". Das Blatt geht nacheiniger Zeit auf C.A. Walter über und hat in den ersten Jahren seines Bestehens mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, die es aber zu überwinden verstanden hat, so daß es heute das führende Blatt in Delitzsch ist.


1895
Die chausseemäßige Herstellung auch des Beerendorfer Wegs wird ebenso wie im Jahre zuvor die der Reichestraße durchgeführt. Auch wird eine neue Kanalanlage, da sich die alte als unzureichend erwiesen, für die Bitterfelderstraße und den Gerberplan ins Werk gesetzt. Im Frühjahr wird mit dem Bau eines neuen Krankenhauses begonnen, da das alte (heute Armenhaus) modernen Anforderungen nicht entsprach. Die Bauleitung wird den Leipziger Architekten Ludwig und Hülßner übertragen, die Maurerarbeiten führt Maurermeister Nickau aus, die Zimmerarbeiten Zimmermeister Beyer, die Anlage der Dampfheizung Firma Ravens, Leipzig, die Schlosserarbeiten Schlossermeister Nebel, die Glaserarbeiten Glasermeister Leiser. Eröffnet wird das neuerrichtete Krankenhaus am 1. Oktober, wie es im Kreisblatte heißt, "ohne Sang und Klang". Die Kosten des Baus belaufen sich in runder Summe auf 116 120 Mark. Unter großer Feierlichkeit findet um 12 Uhr des 1. September die Einweihung des durch die eifrige Sammeltätigkeit eines Kriegerdenkmalskomitees unter Beihilfe der Stadt (2500 Mark) und des Kreises (3000 Mark) mitten auf dem Marktplatze aus poliertem schwedischem Granit errichteten, acht Meter hohen Siegesdenkmals statt, das von dem Schöpfer des Schulze-Delitzsch-Denkmals, Edwin Weißenfels, zum Preise von 11 500 Mark hergestellt wurde. Außer den Veteranen und den Vereinen des Kreiskriegerverbandes, die vorher schon, von 11 Uhr an, in der Kirche an einem Festgottesdienste teilgenommen und sodann vor dem noch verhüllten Denkmale sogleich in Paradestellung gegangen, deren Fronten unter Führung des Obersten von Dietfurth, Bitterfeld, von den Ehrengästen abgeschritten werden, wohnen der Feier bei die Gesang- und die Turnvereine der Stadt, die Gewerkschaften, die Schulen, die Schützengilde und die Feuerwehr, außerdem natürlich auch die Menge des schaulustigen Publikums. Nach dem Gesange des von der Musikbegleiteten Chorals "Lobeden Herren" und einer kurzen, von Magistratsassessor Simon gehaltenen Begrüßungsansprache vollzieht Archidiakonus Wüst die Weihe des Denkmals, worauf von seilen der Gesangvereine einige Männerchöre zum Vortrag kommen und die Übergabe des nun enthüllten Denkmals durch den Fabrikanten Schimpf an die Stadt erfolgt. Bürgermeister Reiche übernimmt unter Dankesworten das Denkmal namens der Stadt, und darauf werden von den Militär-und anderen Vereinen prächtige Lorbeerkränze mit Atlasschleifen am Denkmal niedergelegt. Als schönster Teil des Festaktes wird von den Teilnehmern der nun folgende angesehen: die Schmückung der Krieger durch Ehrenjungfrauen mit einer aus eroberten französischen Geschützen geprägten Denkmünze, die auf der Vorderseite die Bildnisse der drei Kaiser sowie Bismareks und Moltkes trägt und auf der Rückseite im Eichenkranz die Widmung: 1895, zum 25jährigen Gedächtnis der Sieger von 1870/71. Mit dem Vorbeimarsch sämtlicher Militärvereine vor den geladenen Ehrengästen endet die Feier, an die sich ein großer Festumzug durch die Straßen der Stadt anschließt. Auf dem Schützenplatze löst sich der Zug auf. Eine große Zahl von Festteilnehmern begibt sich dann noch zu einem im "Schwan" hergerichteten Festmahle, in dessen Verlaufe ein von Diakonus Kümmel, dem Verfasser eines in jenen Tagen in Delitzsch vielfach aufgeführten Bismarckfestspiels, in Reime gefaßter Festgruß an den Altreichskanzler in Friedrichsruh gesandt wird mit folgenden Wortlaute:

Auf Delitzschs Marktplatz ward geweiht
Ein schlichtes Siegesdenkmal heut.
Wir denken des Kanzlers mit weisem Rat,
Des tapfern Helden der schneidigen Tat,
Der uns das deutsche Reich erschuf:
Ihm gilt der Gäste Dankesruf.


1896
Nachdem Rektor Plummhoff am 30. September des Vorjahres Delitzsch verlassen, rückt mit dem l. April dieses Jahres Rektor Dr. Wegner an seine Stelle, wird jedoch von der Regierung nur als Leiter der höhern Mädchenschule bestätigt. Erst nach mehrfachem Schriftwechsel erlaubt die Aufsichtsbehörde, daß dem neuen Rektor die Leitung der Volksschulen vertretungsweise so lange übertragen werde, bis für die letzern Schulen besondere Schulleiter gefunden seien, was im Interesse eines gedeihlichen Unterrichts dringend geboten sei. Am Tage seines Dienstantritts wird Rektor Dr. Wegner durch Kreisschulinspektor Pfarrer Schalle, Schenkenberg, in sein neues Amt eingeführt. Der neue Rektor stellt bald fest, daß in der zur Zeit als Mädchenbürgerschule dienenden frühern Vorstadtschule wieder kaum noch erträgliche Raumnot herrscht. Die fünf Klassen der Schule müssen in vierunzureichenden Klassenräumen unterrichtet werden bei natürlich stark gekürztem Unterrichte. Eine Schulrevision läßt diese Mängel besonders deutlich hervortreten und veranlaßt die Kgl. Regierung, auf Abhilfe zu dringen. Man sucht sich zunächst dadurch zu helfen, daß man im Kreisblatte um Erlangung geeigneter Räume inseriert. Da hierauf jedoch kein Angebot eingeht, beschließt am 25. August die Schuldeputation den Bau einer neuen Schule, welchem Beschlüsse der Magistrat am 7. und die Stadtverordneten am 17. November zustimmen. Betreffs der Platzfrage bestehen zuerst Meinungsverschiedenheiten. In Vorschlag kommen das Kommunegut. der Pflaumenanger und das Seifert-Baersche Grundstück an der Chausseestraße. Der Streit wird dadurch schnell behoben, daß man den Baumeister Fritz Gygas aus Halle den Baugrund untersuchen läßt. Dieser erklärt nach Vornahme der Untersuchung alsbald das Grundstück an der Chausseestraße für die geeignetste Baustelle und empfiehlt in zweiter Linie den Platz vor dem Halleschen Tore, wo heute die Luisenschule steht. Daraufhin wird der Bau auf dem an der Chausseestraße gelegenen Grundstück beschlossen. Am 26. April (Sonntag Jubilate) hält Archidiakonus Wüst, der nach Berlin geht, seine Abschiedspredigt, und am 28. Juni wird der bisherige Diakonus, Pfarrer Kümmel, durch den Superintendenturverweser Pfarrer Schulle als Archidiakonus eingeführt. Am Sonntage darauf findet bereits eine zweite kirchliche Einführung statt, nämlich die des Pfarrers Richard Schäfer aus Schochwitz (geh. 2. November 1852 in Schkeuditz) als Oberpfarrer. Sie wird vollzogen durch Generalsuperintendent Vieregge. Oberpfarrer Schäfer wird zunächst mit Führung der Superintendenturgeschäfte nur beauftragt. Seine Ernennung zum Superintendenten und Kreisschulinspektor erhält er erst ein volles Jahr später. Letzteres Amt behält Pfarrer Schulle, Schenkenberg, noch bis Juli 1897. Noch eine dritte kirchliche Einführung geschieht in diesem Jahre, die des Diakonus Reinhold Kohlmann, am 11. Oktober (19. Sonnt. n. Trin.) durch Superintendenturvikar Schäfer. Ferner noch wird in sein neues Amt eingeführt, und zwar durch Kreisschulinspektor Schulle, am 21. November, vorm. 10 Uhr, der bereits am 30. Juni gewählte Rektor Richard Wiener aus Woldenberg als Leiter der Knabenvolksschule. Am Sonnabend, dem 10. Dezember, feiert der alte Ratsförster Köring sein 50jähriges Dienstjubiläum. Bald darauf tritt er in den Ruhestand. In diesem Jahre wird auch (nördlich der übrigens schon 1890 von der Stadt für reichlich 9800 Mark dem Turnverein Delitzsch 1845 abgekauften Turnhalle) die Delitzscher Dampfmolkerei errichtet und im Herbste in Betrieb genommen. Die Wetterverhältnisse gestalten sich im Hochsommer durch fortgesetztes und anhaltendes Regenwetter sehr ungünstig und erschweren das Einbringen der Getreideernte. Auch leiden Grumt und Kartoffeln sehr unter der übermäßigen Nässe. Anstelle des katholischen Pfarrers Bitter, der Delitzsch verläßt, tritt Pfarrer Friedrich Helle.


1897
Zum ersten Januar des neuen Jahres wird der seit 1. Juli 1895 als Polizeisekretär hier tätige Gustav Fricke zum Stadtsekretär berufen, und zwar als Nachfolger des an Stelle des bereits am 30. Juni 1895 nach Hoym als dortiger Bürgermeister übergesiedelten Robert Dietzel am Tage darauf bestellten Stadtsekretärs Theodor Huth, der aber, zum Bürgermeister von Preitin gewählt, schon Weihnachten 1896 die Stadt wieder verläßt. Gustav Fricke hat der Stadt bis zu seinem 1926 erfolgten frühen Tode langjährige treue Dienste geleistet. Er ist auch der Bearbeiter und Herausgeber des am 10. April 1904 erschienenen ersten Adreßbuchs für Delitzsch gewesen. Noch vor Frühjahrsbeginn wird der Bau der Mädchenbürgerschule begonnen. Bauleiter ist Architekt Alfred Ludwig aus Leipzig. Die Maurerarbeiten führt aus Bauunternehmer August Berger, die Sandsteinarbeiten die Firma Stock und Teubner, die Eisenkonstruktionsarbeiten B. Wiesinger, die Dachdeckerarbeiten Dachdeckermeister Karl Schöbel, die Klempnerarbeiten Louis Miethe Nachfl., Leipzig, Blitzableiter-und Klingelanlage Klempnermeister Fritz Reyher, die Malerarbeiten Dekorationsmaler G. Scholz, Stuckarbeiten Firma G. Glück Nachfl., Halle, Tischlerarbeiten Tischlermeister R. Schmidt, die Glaserarbeiten werden geliefert von den Glasermeistern Leiser, Lampe und Rieh. Scheibe, Delitzsch, sowie Paul Petersohn, Leipzig, die Schlosserarbeiten von den Schlossermeistern Herm. Mietzsch und Robert Nebel, die Zimmerarbeiten von Zimmermeister Oskar Pannicke und Unternehmer Herm. Laue. Die Treppenstufen (Granit) und den Treppenaufbau liefert das Granitwerk Bibersberg in Markleuthen. Die Gesamtkosten des Baus belaufen sich in abgerundeter Summe auf 163 080 Mark. Gebaut wird daran noch bis in das Frühjahr 1899 hinein. Am 22. März wird der 100jährige Geburtstag Kaiser Wilhelm 1. festlich begangen (Zentenarfeier). Die Feier geht in ähnlicher Weise vonstatten wie die der Siegesdenkmalweihe 1895. Auf dem Marktplatze vor dem Denkmale findet ein Festakt statt, hierauf Umzug durch die Stadt und am Abend große Illumination. Das Wetter des Jahres ist wieder einmal recht ungünstig. Die Wintermonate sind kalt, desgleichen der Mai, in dem regnerische Witterung vorherrscht. Am 28. Mai schlägt der Blitz in den Turm der Gottesackerkirche und wirft die Schieferbedachung der Westseite herab. In der Erntezeit entsteht durch unaufhörlichen Regen in der Muldenaue ein recht schweres Hochwasserunglück. Am 1. August, früh 5 1/2 Uhr, überflutet die Mulde bei Bitterfeld ihre Ufer, und infolgedessen bricht gegen Mittag der Damm gegenüber von Niemegk, wodurch die ganze Muldenaue unter Wasser gesetzt wird. In den Straßen von Eilenburg steht dieses meterhoch. In Hainichen stürzt infolge der Hochwasserfluten das Schulhaus ein. Die Rösaer Flur gleicht einem Meer, und in Düben dringt das Wasser in Höfe, Häuser und Gärten. In Zschepplin bricht in der Nacht der Damm an drei verschiedene Stellen, und die Bewohner des vollständig überfluteten tiefer gelegenen Dorfteils müssen auf die Hausbodenräume flüchten, von wo sie am anderen Morgen erst durch Kähne gerettet werden können. Am 7. August erläßt der Delitzscher Kreisausschuß einen Aufruf um Hilfe für die unverschuldet in Not geratenen Muldenaubewohner des Kreises. Infolgedessen gehen Unterstützungen ein nicht nur aus der näheren Umgebung, wie Halle, Magdeburg, Merseburg, Sangerhausen, Oberröblingen, sondern auch von Landsleuten aus Schweden und Portugal. Durch Gustav Hildebrand wird in diesem Jahre das Café "Drei Raben" eröffnet.


1898
Direktor Kayser, der langjährige Leiter der vor länger als einem Jahrzehnt zu einem Realprogymnasium umgewandelten höheren Knabenbürgerschule, tritt am 1. April in den Ruhestand; mit ihm gleichzeitig Oberlehrer Günther. Zum Nachfolger Kaysers wird Dr. Hermann Wahle erwählt, der am 1. Oktober in sein neues Amt eingeführt wird ,jedoch, da die Schule inzwischen zu einer Realschule umgewandelt, als Realschuldirektor. Am 19. Juni wird nach dem Plane des Stadtbaurats Genzmer, Halle, von einer Kommission und dem Magistrat die Kanalisierung in der Bismarckstraße, damals noch Neue Straße geheißen, und die der Leipziger Vorstadt beschlossen, ferner die Herstellung eines Hauptkanals vom Kohltore bis zur Gerberwäsche. Die Ausführung des Beschlusses zieht sich aber sehr in die Länge und kommt erst sechs Jahre später zustande. Durch Anzeige der Oberschwester des Krankenhauses werden Unterschleife des Magistratsassessors Simon aufgedeckt, der für das Krankenhaus bestimmte Waren für seinen Hausbedarf verwendet, auch Lieferanten zur Führung falscher Bücher und Einreichung falscher Rechnungen verleitet hatte. Simon wird daraufhin am 7. September durch den Kgl. Regierungsrat Dittmar vom Amte entfernt. Auch Bürgermeister Reiche wird 14 Tage später wegen dringenden Verdachts der Beihilfe seines Amtes für verlustig erklärt, jedoch behalten sich die städtischen Behörden ihm gegenüber die Beschlußfassung über etwaige Pensionierung bis nach dem Ausgange des Strafverfahrens vor. Zur vorläufigen Verwaltung der Bürgermeistergeschäfte wird durch den Regierungspräsidenten am 24. September der Regierungsreferendar v. Helldorf-Baumersroda entsandt, der die Amtsgeschäfte bis 19. Dezember versieht und sodann, nachdem am 16. Dezember in der Person des bisherigen Bürgermeisters von Gronau, Prov. Hannover, Ernst Rampoldt, die Wahl eines neuen Bürgermeisters erfolgt, durch Magistratsassessor Rose bis zur Einführung Rampoldts ersetzt wird. Der Bau der neuen Mädchenschule wird das Jahr über fortgesetzt, ohne indes beendet zu werden. Nebenher wird in diesem Jahre noch ein andrer großer Bau in Angriff genommen und auch zu Ende geführt: der Rathausanbau nach der Ritterstraße zu. Der Bauleiter ist derselbe wie der des Schulneubaus, Architekt Ludwig, Leipzig. Die Maurerarbeiten führt Maurermeister Nickau aus, die Schlosserarbeiten Schlossermeister Mietzsch, die Tischlerarbeiten Tischlermeister Vonhof, die Granit- und Sandsteinarbeiten Steinmetzmeister Klöpzig, die Isolier-und Asphaltierungsarbeiten Firma Hoppe & Röhning, Halle, Klempnerarbeiten Firma Fritz Reyher, Glaserarbeiten Glasermeister H. Scheibe. Lieferanten für Zimmer- und Eisenkonstruktionsarbeiten sind die gleichen wie beim Mädchenschulbau. Die Gesamtkosten des Rathausanbaus betragen 33 384,79 Mark. An Stelle des am 14. Dezember ausscheidenden Magistratsassessor Troitzsch, der zum Stadtältesten ernannt wird, wählt man den bisherigen Stadtverordneten Alfred Brembach.


1899
Der Gerichtsassessor a.D. und Bürgermeister Rampoldt wird am 14. Januar in sein neues Amt eingeführt. Für den Polizeibezirk der Stadt Delitzsch tritt mit dem 2. Februar eine neue Straßenpolizei-Verordnung in Kraft, betreffend die Reinhaltung der öffentlichen Straßen und dergleichen. Gemäß einem Antrage des neuen Stadtförsters, Lücke mit Namen, vom 19. Dezember des Vorjahres wird der Anbau einer Stube und Kammer an das Forsthaus beschlossen und dessen alsbaldige Ausführung dem Maurermeister August Berger zudem vorausbedungenen Preise von 3700 Mark übertragen. Im März (begonnen am 14.) wird, da die Stelledes dortigen, zum Stundenanschlage verpflichteten Türmers erledigt ist und unbesetzt bleibt, im Hallesehen Turme eine Turmuhr zur Aufstellung gebracht. Am 6. Mai, vorm. 11 Uhr, kann endlich die Weihe der Mädchenbürgerschule stattfinden. Sie vollzieht sich vor dem vordern Hauptportale unter Beteiligung der städtischen und Aufsichtsbehörden, der Eltern der Schulkinder sowie sonstiger Bürger und Freunde der Schule. Nach Absingen eines Chorals und Übergabe des Schlüssels an Bürgermeister Rampoldt durch Architekt Ludwig werden Ansprachen gehalten, zuerst von Bürgermeister Rampoldt, der am Schlüsse ein Hoch auf des Kaisers Majestät ausbringt und den Schlüssel an den mitanwesenden Regierungs- und Schulrat Martin weitergibt, der ihn unter Dankesworten für das Interesse und Verständnis der städtischen Behörden an der Schularbeit dem Rektor Dr. Wegner aushändigt. Sodann folgt die Ansprache des Kreisschulinspektors Sup. Schäfer, worin dieser auf das Verhältnis zwischen Schule und Haus eingeht und die Weihe vollzieht. Zuletzt spricht Rektor Dr. Wegner im Namen der Lehrerschaft und schließt mit den Worten: "So solid wie dieser Bau sei unsre Lehrarbeit!" worauf er das Haus öffnet unter dem Ausspruche: "Zur Ehre Gottes, zum Heile des Vaterlandes, der Jugend zum Besten!" Nach dem Schlußgesange ("Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre") findet noch die Besichtigung der Schulräume statt. Einige Tage vorher, am 1. Mai, wird die Stadtsteuereinnahme von der Stadthauptkasse abgetrennt und in der Person des bisherigen Supernumerars Herm. Rosch ein Steuereinnehmer mit dem Titel Steuersekretär angestellt, desgleichen als Gegenbuchführer der Buchhalter Bernhard Jungnickel. Steuererheber und Vollziehungsbeamter wird gleichzeitig der bisherige Wächter Otto Brosig. Auch wird an Stelledes krankheitshalber in den Ruhestand getretenen Stadthauptkassenkassierers Rose der bisherige Buchhalter der Stadthauptkasse, Wilhelm Rudloff, zum Nachfolger Roses und der bisherige Gerichtskanzlist Oskar Meley zum Hauptkassenbuchhalter ernannt. Dem infolge Ablaufs der Wahlperiode aus dem Kollegium ausgeschiedenen Stadtverordnetenvorsteher Sanitätsrat Dr. Laue wird das Ehrenbürgerrecht zuerkannt. Nach Eröffnung der neuen Mädchenbürgerschule läßt die Landesbauinspektion Halle die Chausseestraße von der Kohltorbrücke bis zur Einmündung in die Leipzigerstraße pflastern und zur Dämpfung des Wagengerassels vor der Schule Schienen legen. Am 16. Mai wird die Reichestraße in Lindenstraße umbenannt, und am 16. Juli wählen die Stadtverordneten einstimmig den schon vorher auftragsweise beim Magistrat beschäftigten Kammergerichtsreferendar Securius, einen Verwandten des früheren Bürgermeisters, zum besoldeten Beigeordneten (2. Bürgermeister), da der frühere Beigeordnete Simon vom Schwurgerichte in Halle am 13. Mai für seine strafbaren Veruntreuungen zu fünf Jahren Gefängnis und fünf Jahren Ehrverlust verurteilt wurde. Gegen Bürgermeister Reiche wird vor der Strafkammer des Landgerichts Halle am 30. August verhandelt. Die Verhandlung endet mit Freisprechung. Doch haben die mit der Strafverfolgung verbundenen Gemütsbewegungen dem inzwischen nach Charlottenburg verzogenen alten Manne so zugesetzt, daß er im selben Jahre noch stirbt. Auch der im übrigen reumütige Simon stirbt vorzeitig, und zwar 1902, noch bevor er die ihm zuerkannte Strafe völlig abgebüßt, in geistiger Umnachtung. Auf Beschluß der städtischen Körperschaften wird mit dem 1. Oktober ein städtisches Bauamt errichtet. Erster Stadtbaumeister ist der vorherige Stadtbauamtsassistent Julius Kessel in Wiesbaden. Der schon im Vorjahre von Magistrat und Stadtverordneten auf Anregung des "Vereins zur Erschließung der Altstadt" beschlossene Durchbruch der Stadtmauer am Ostende der Holzstraße kommt nunmehr zur Ausführung. Zur teilweisen Kostendeckung hat der Verein eine von 75 Interessenten durch freiwillige Spende erbrachte Summe von 5000 Mark der Stadt zur Verfügung gestellt. Um den nötigen Raum für den Bau einer Brücke über den Stadtgraben zu gewinnen, wird nicht nur von der verw. Frau Pfotenhauer ein Stück Zwinger erworben, sondern auch das in der Mauergasse gelegene Haus des Schneidermeisters Feodor Kluge sowie das daneben gelegene Queitzsche Haus. Ersteres kostet 7500, letzteres hat den Preis von 5400 Mark. Die Herstellung der eisernen Brücke erfordert einen Aufwand von rund 31 000 Mark. Der Magistrat legt ihr im Jahre darauf den Namen "Holzstraßenbrücke" bei. Im Volksmunde jedoch heißt sie allgemein ihrer schrägen Richtung wegen "schiefe Brücke". Im Beginne des Mai eintretende starke Regengüsse verursachen Hochwasser. Infolgedessen verunglücken bei der Überfahrt auf der Löbnitz-Rösaer Fähre 11 auf dem Wege zum Turnfeste in Rosa befindliche Menschen, worunter 7 Turner, am Sonntag, dem 7. Mai. Das Unglück geschieht, weil der Prahm zufolge des Hochwassers unbenutzbar ist und der zur Überfahrt benutzte Kahn sich von dem mittels Kette befestigten, über eine Rolle laufenden Seile loslöst, worauf er von einem Wirbel erfaßt wird und umschlägt.


1900
Am 1. April wird der schon seit 15. August 1897 als Polizeisekretär hier tätige August Stephani zum Polizeikommissar ernannt. Im Verlaufe des Jahres wird der östliche Teil der Eilenburger Straße gepflastert und die vom Eisenbahnfiskus bereits gepflasterte und ausgebaute Eisenbahnstraße durch die Stadt in Unterhalt genommen. Die von der Securiusstraße nördlich abzweigende neue Straße führt auf Magistratsbeschluß vom 26. September vom l. Oktober an den Namen Schulze-Delitzsch-Straße.


1901
Am 3. Januar erhält der östlich der Berliner Bahn entlang laufende Weg den Namen Berliner Straße, desgleichen der östlich von der Wiesenstraße nach der Elberitzmühle abzweigende Weg den Namen Blumenstraße. Durch Ortsstatut vom 30. Juli und 13. August erhalten die Magistratsmitglieder den Titel "Stadtrat". Die Freilegung und Regulierung des Gerberplans wird unternommen, jedoch erst im Jahre darauf beendet. Auch erhält diese Straße einen Bürgersteig aus Mosaikpflaster, gleicherweise wird die Dübener Straße zum größern Teile mit Bürgersteigen versehen. Der Beigeordnete Securius geht am 9. Oktober als Bürgermeister nach Küstrin. Am 3. Dezember erhält der vordem Südostplatz genannte Platz am Südausgange der Wiesenstraße den Namen Elberitzplatz und der Weg im Hain den Namen Hainstraße. Der Winter bringt scharfe Kälte und vom 19. Februar an starke Schneeverwehungen, die den regelmäßigen Bahnverkehr gefährden. Ein in der Nacht vom 27. zum 28. Januar tobender Sturm reißt in der Wiesenstraße eine Mauer um. Frühling und Sommer sind gewitterreich. Am 20. Juli erschlägt ein Blitz am Quirlbusch von drei nebeneinandergehenden Pferden das rechte und linke, während das mittlere unversehrt bleibt.


1902
Nachdem die Frage der Einrichtung einer Wasserleitung die städtischen Körperschaften schon mehrfach beschäftigt hat, wird in der Stadtverordnetensitzung vom 14. März folgender Beschluß gefaßt: "Auf dem Hospitalfelde (Nordseite der Stadt)", links der Bitterfelder Chaussee, sollen drei Brunnen sowie ein Maschinenhaus für das Pumpwerk, eine Wohnung für den Wärter usw. angelegt werden. Auf der Südseite der Stadt, also in der entgegengesetzten Richtung, soll auf dem hochgelegenen Zanderschen Mühlplatz ein Wasserturm mit einem 30 m hoch anzulegenden, 300 cbm wasserfassendes Sammelbecken errichtet werden. Letzteres wird durch ein 225 mm starkes Rohr mit dem Pumpwerk verbunden. Daran anschließend erhält die Stadt ein strahlenförmiges Rohrnetz. "Weitere an diesem Tage gefaßten Beschlüsse beziehen sich auf den mutmaßlichen Wasserverbrauch im Haushalt und zu Feuerlöschzwecken, desgleichen auf die Deckungder Kosten, die auf insgesamt 430 000 Mark veranschlagt werden. Die Summe soll bei der Stadtsparkasse leihweise aufgenommen, mit 3'/2 % verzinst und mit 1 % nach und nach getilgt werden. Versuchsweise vorgenommene Pumpversuche und Bohrungen liefern ein günstiges Ergebnis. Dajedoch die Genehmigung der Regierung auf sich warten läßt, kann erst am 26. Novemberder erste Spatenstich zur Anlage der Pumpstation getan werden. Mit der Bauleitung ist der Ingenieur Saalbach beauftragt, der den Ingenieur Tietz mit seiner Vertretung betraut. Die Stadt kauft die von der Zuckerfabrik aus Privathänden erworbene Stadtmühle nebst Staugerechtigkeit zurück. Aus Mitteln, gestiftet durch letztwilliges Vermächtnis von der 1814 in Löbnitz geborenen und 1898 in Delitzsch verstorbenen Frau Rentner Johanna Christiane Wedel, geh. Krahnefeld wird die Friedhofskapelle erbaut. Am 1. Oktober legt Rektor Dr. Wegner sein Amt als Mädchenschulrektor nieder und verläßt Delitzsch. Am 26. März tritt der schon im November des Vorjahres gewählte Bürgermeister Pütz aus Brotterrode sein Amt als z. Bürgermeister an. Die Witterung des Jahres ist fast durchweg ungünstig und unfreundlich.


1903
Am 3. Januar wird mit der Rohrnetzlegung der Wasserleitung begonnen. Nach einem Berichte des Ingenieurs Saalbach sind bis zum 4. April schon 9300 m Rohre und 1600 m Kabel gelegt. Am 20. August läuft bereits das erste Wasser durch die Leitung, und diese kann am 1. Oktober dem Betriebe übergeben werden. Die Übernahme durch die Stadtgemeinde geschieht am 4. November. Der Konsumverein für Delitzsch und Umgegend wird gegründet. Rektor Paul Eichler, der aus Pommern kommt, wird nach Delitzsch berufen und am 1. April durch Kreisschulinspektor Sup. Schäfer in sein Amt als Töchterschulrektor eingeführt. Durchgeführt werden die Pflasterung der Leipziger Straße von der Loberbrücke bis zur Gartenstraße und die Verbreiterung der Fahrbahn in der Pfortenstraße. Am 1. Oktober tritt Kantor Haupt in den Ruhestand. Ihm zu Ehren findet am 3. Oktober, vormittags, in der städtischen Turnhalle eine Abschiedsfeier statt. Die Wetterlage im Jahre gestaltet sich wechselvoll und zeitigt mehrfache orkanartige Stürme, auch verheerenden Hagelschlag.


1904
Am 15. März wird die Weiterführung der Neuen Straße (später Bismarckstraße) durch Einbeziehung der zweiten Scheunengasse beschlossen. Am gleichen Tage erhält die quer von der Eilenburger Straße nach beiden Scheunengassen führende Straße den Namen Poststraße. Zu dieser Zeit macht sich innerhalb der Bürgerschaft ein starkes Verlangen nach Ausbau der Realschule zu einer Oberrealschule geltend. Nicht weniger als drei Eingaben mit zusammen mehr als 400 Unterschriften gelangen Anfang April an die städtischen Körperschaften, die daraufhin die nötigen Schritte zur Erfüllung dieses Wunsches tun und die Umwandlung vollziehen. Die Umpflasterung der Dübener Straße und eines Teils der Halleschen Straße wird durchgeführt. Der Kostenaufwand beträgt 22 531,49 Mark. Die längst erwartete und seit Jahren geplante, unterm 15. August höhern Orts erteilte Genehmigung zur Neukanalisation trifft endlich ein, und man geht nun ohne Aufschub daran, die Kanalisation nach den Genzmerschen Plänen in Ausführung zu bringen. Einer an der ehemaligen Naundorfer Mühle be findlichen Abwässerreinigungsanstalt werden sämtliche Kanalwässer durch einen in der Nähe des Lober eingebauten Schmutzwasserkanal zugeführt. Die Arbeitsleistung wird der Firma Otto Maye & Co. übertragen. Die Steitiner Schamottefabrik verkauft die hiesige Gasanstalt an die Thüringer Gasgesellschaft, deren Sitz Leipzig ist. Die Käuferin tritt die Bewirtschaftung der Gasanstalt am 1. September an. Vorher schon, im März, hat die Stadtbehörde auf Anregung der Verkehrsdeputation Schritte getan, daß die Zahl der Gaslaternen auf 236 (in Abständen vonje 50 m) erhöht werde, wovon 91 als sog. Richtungslaternen die ganze Nacht über brennen sollen. Der Pfarrer an der katholischen Kirche, Friedrich Helle, verläßt Delitzsch, und Pfarrer Josef Stahl tritt an seine Stelle. Am 1. April tritt Lehrer August Prinz aus Petersburg bei Wallwitz als Nachfolger von Kantor Haupt seinen Dienst als Kantor der hiesigen Stadtkirche an. Pfarrer Jentzsch wird als 3. Geistlicher eingeführt. Das Jahr kennzeichnet sich als gutes Obst-und Weinjahr. Anhaltende Dürre im Sommer und früh, nämlich schon Mitte September, eintretende Nachtfröste rufen allerdings eine teilweise Mißernte der Feld-und Gartenfrüchte hervor.


1905
Zur Pflege und Beaufsichtigung der seit Errichtung des neuen Friedhofs mehrfach erweiterten städtischen Anlagen wird gemäß einem Besehlusse vom 15. November des Vorjahres am 20. Februar ein besonderer Stadtgärtner angestellt, und zwar in der Person des Gärtners Artur Kampf. Durch Dr. med. Herold wird die freiwillige Sanitätskolonne vom Roten Kreuz begründet, deren Vorsitzender zunächst 1. Bürgermeister Rampoldt wird, während das Schriftführeramt Seminarlehrer Etzold übernimmt. Am 28. April wird beschlossen, an dem Durchbruch der Münze über den Stadtgraben eine eiserne Fußgängerbrücke von 15-18 m Spannweite durch die Firma Maye & Co., Dessau, zu dem mit dieser Firma vorausbedungenen Preise von 6650 Mark errichten zu lassen. Der Bau macht sich notwendig, um die Teilungdes Stadtgrabens durch einen Damm zu verhindern, der nach ursprünglichem Plane der Kanalisation wegen aufgeführt werden sollte. Wegen der bevorstehenden Feier des hundertsten Todestages des Dichters Schiller (9. Mai) wird der Brücke von vornherein der Name "Schillerbrücke" zugedacht und beigelegt. In diesem Jahre wird auch noch eine zweite Brücke neuerbaut, und zwar auf Antrag des Magistrats vom 1. September eine breite Fahrbrücke an Stelle der bisherigen sehr schadhaften Fußgängerbrücke zwischen Stadtgraben und Stadtmühle, welch letztere Brücke abgebrochen wird. Gleichzeitig wird bei dieser Gelegenheit der nördliche Teil der Pfortengasse durch Abtrennung eines Stücks der Stadtmauer und des östlich anliegendenZwingers verbreitert. Auch wird die alte kiesige Straße neugepflastert, nachdem man sie mit dem Pfluge aufgerissen und sodann geebnet hat. Zur Straßen- bzw. Kanalreinigung werden noch beschafft zwei Sprengwagen, jeder zum Preise von 850 Mark, und Kanalbürsten im Gesamtpreise von 582,20 Mark. Zweiter Bürgermeister Pütz geht am 30. Juni als Bürgermeister nach Lübbekke in Westfalen. An seiner Stelle wird Bürgermeister Hagedorn aus Hasselfeldeim Hau berufen, der jedoch erst mit Beginn des neuen Jahres seinen Dienst antritt. Pfarrer Kümmel verläßt Delitzsch und geht nach Quedlinburg. Das Wetter des Jahres gestaltet sich im Sommer zur Erntezeit infolge sehr häufiger Gewitter ungünstig und erschwert das Einbringen der Ernte. Sogar wächst vielfach der Roggen aus.


1906
Aus Anlaß der Silberhochzeitsfeier des Kaiserpaares (am 27. Februar) werden gemäß des Magistratsbeschlusses vom 24. gleichen Monats die nachbenannten Promenaden und Straßen wie folgt bezeichnet: 1. Von der Stadtmühle bis zum Roßplatz: "Kaiser Wilhelm-Promenade", 2. vom Roßplatz bis zur Leipziger Straße: "Auguste Viktoria-Promenade", 3. vom Leipziger Tor bis zum Halleschen Tor: "Ehrenberg-Promenade", 4. vom Halleschen Tor bis zur Stadtmühle: "Schloß-Promenade". B. Straßen: a) die bisherige Neue Straße einschließlich der zweiten Scheunengasse: "Bismarckstraße", b) die erste Scheunengasse: "Moltkestraße", c) die von der Gartenstraße sich abzweigende Straße Y: "Mozartstraße", d) die Straße von der Dübener Straße nach der Eisenbahnwerkstätte: "Wittenberger Straße", e) die Straße M: "Buddestraße". Der schon im Vorjahre begonnene Oberrealschulanbau wird beendet. Die im Anbau befindlichen beiden Klassenräume sowie der Zeichensaal werden alsbald in Benutzung genommen, was im Vorjahre schon mit den Räumen für physikalischen und chemischen Unterricht geschehen. Die Gesamtkosten des Anbaus betragen genau 73268,29 Mark, allerdings einschließlich der Aufwendung für den zwei Jahre später erfolgten Ausbau des Festsaales der Schule. Die den Bau ausführenden Werkmeister sind im großen und ganzen die gleichen wie die am Mädchenschulbau beteiligten. Für Lieferung der Glasarbeiten werden außer Glasermeister Werner, Delitzsch, noch verpflichtet Glasermeister Mietzsch, Leipzig-Plagwitz, und für die Kunstglasfenster Inder Aula Horst Schulze, Leipzig, der die Motivskizzen dazu liefert. Die Stuckarbeiten führt die Firma Wollstädter, Leipzig-Eutritzsch, aus, die Schmiedearbeiten Schmiedemeister Hinkefuß von hier, die Malerarbeiten neben den Malermeistern Pawlowski und Scholz auch die Firma Krautheim und Voß, Delitzsch. Die Silberhochzeit des Kaiserpaars wird hier sehr feierlich begangen. Schon am Abend vorher findet ein von den vereinigten Kriegervereinen veranstalteter, höchst eindrucksvoller Fackelzug statt, an den sich im Schützenhause ein Kommers schließt. Den städtischen Behörden bieten die Feierlichkeiten Anlaß zu noch folgenden Beschlüssen: 1. Den Kriegsveteranen mit einem Einkommen bis zu 900 Mark wird die Kommunaleinkommensteuer dauernd erlassen; 2. nicht steuerpflichtigen Veteranen ist alljährlich am Hochzeitstage eine Spende vonje 5 Mark zuzahlen; 3. der gleiche Betrag soll allen über 70 Jahre alten steuerfreien Einwohnern, die sich dessen würdig erweisen, am Hochzeitstage zugewendet werden; 4. dem Bürgerhospitale soll ein bisher leihweise zinslos überlassenes Kapital von 4000 Mark endgültig überwiesen und die Summe von 2000 Mark zur Deckung von Umbaukosten geschenkt werden. In der Zeit vom 25. März bis 1. April findet im Bürgergarten die vom Regierungspräsidenten Freiherrn von der Recke im Beisein des Landrats von Busse, der städtischen Körperschaften und der Aussteller eröffneten 2. Handwerkerausstellung statt, die von den hervorragenden Leistungen des Delitzscher Handwerks Zeugnis ablegt und zahlreich besucht wird. Die Bau-und Verkehrsdeputation hat schon im Vorjahre die Umschaffung des Promenadenteils von der Holzstraßen-bis zur Schillerbrücke in gärtnerische Anlagen beschlossen, weshalb die hinter der westlichen Häuserreihe der Kohlstraße angelegten Gärten eingehen müssen. Planierung, Besäen und Bepflanzen der Böschung dieses Promenadenteils findet im Laufe dieses Jahres statt. Der seit 1887 hier als Küster an der Marktkirche angestellte Fr. Otto Theod. Günther (früher Lehrer in Brodau) wird in Ruhestand versetzt. Sein Nachfolger wird als erster Küster im Hauptamte der noch jetzt im Amte befindliche Adolf Nasserke. Am 3. Dezember scheidet der fast 26 Jahre im Dienste der Stadt tätig gewesene Stadthauptkassenrendant Karl Otto aus dem Leben. Der Winter des Jahres ist mild bis Mitte März. Dann starker Schneefall und hierauf Regengüsse, wodurch Hochwasser entsteht. Frühling und Sommer sind gewitterreich, doch sind Getreide-und Obsternte gut. Im Herbste Mäuseplage.


1907
Die Kgl. Regierung verlangt im Interesse eines gedeihlichen Unterrichts die Anstellung auch eines Rektors für die Mädchenbürgerschule, was Kreisschulinspektor Sup. Schäfer schon im Jahre vorher gefordert hat. Der Magistrat bittet um zwei Jahre Aufschub, was zwar bewilligt, aber als äußerste Grenze erklärt wird. An Stelle des verstorbenen Rendanten und Hospitalvorstehers Otto wird am 1. April der bisherige Kassierer Rudloff zum Stadthauptkassenrendanten ernannt, während der bisherige Buchhalter Meley zum Kontrolleur aufrückt. Nach einem schon am 24. November 1905 mit der Eisenbahnverwaltung abgeschlossenen Vertrage wird in diesem Jahre der bereits im Vorjahre begonnene Bau einer Eisenbahn-Hauptwerkstätte eifrig betrieben, jedoch erst im folgenden Jahre beendet. Nach im Vorjahre vorangegangenen Beratungen mit der Allgemeinen Elektrizitätslieferungs-Gesellschaft wird nunmehr die Zentrale zur Einführung der Elektrizität für Leucht- und Kraftzwecke errichtet. Lehrer Emil Sauerteig übernimmt am 1. Juli das Amt eines Organisten an der Stadtkirche, nachdem sein Vorgänger, Organist Kimsiedt, in Ruhestand getreten. Der z. Bürgermeister Hagedorn geht als Bürgermeister nach Gronau (Westfalen) und scheidet am 30. September aus. An seine Stelle wählen die Stadtverordneten am 22. November den 1. Ratsherren Paul Lange in Detmold, der jedoch erst im nächsten Jahre die Stellung antritt. Der schon im Vorjahre beschlossene Ersatzbau für die schadhaft gewordene Holzbrücke am Leipziger Tore wird in diesem Jahre von dem Anhalter Betonwerk Otto Maye & Co. Dessau, ausgeführt. Das Brüstungsgeländer dazu liefert Schlossermeister Wandt von hier, allerdings erst im nachfolgenden Jahre. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 19 111,56 Mark, die größtenteils aus Sparkassenüberschüssen gedeckt werden. Was das Wetter anlangt, so erweist sich in diesem Jahre der Winter besonders hart und andauernd. Im Sommer verursachen heftige Gewitterregen an vielen Orten Überschwemmungen. Auch der Leber überflutet die angrenzenden Wiesen und Felder. September und Oktober zeichnen sich durch prächtiges Herbstwetter aus.


1908
Dieses Jahr ist ein Jubeljahr für Delitzsch. Es feiern ihr 50jähriges B estehen: 1. der von Schulze-Delitzsch gegründete Gewerbeverein; 2. die nach der diesjährigen ersten, von neun Abiturienten bestandenen Abgangsprüfung als Vollanstalt vom Minister endgültig anerkannte Oberrealschule; 3. die höhere Mädchenschule. Außerdem wird am 29. August auch der 100jährige Geburtstag von Schulze-Delitzsch gebührend gefeiert. z. Bürgermeister Lange tritt am 1. März sein Amt an und wird vom 1. Bürgermeister am 13. gleichen Monats eingeführt. An die Stelle des abberufenen Pfarrers der katholischen Kirche, Josef Stahl, tritt der aus dem Westfälischen stammende Pfarrer Anton Köhne, der zur Zeit noch hier wirksam ist. Am 1. Oktober wird die Eisenbahn-Hauptwerkstättein Betrieb genommen. Vorher schon ist mit dem Bau von Beamten-und Arbeiterhäusern nördlich des Schützenhofgeländes und am Westrande der Bitterfelder Landstraße begonnen worden. In diesem Jahre wird die gründliche Erneuerung des recht schadhaft gewordenen Innern der Hospitalkirche begonnen. Sie nimmt zwei volle Jahre in Anspruch und wird ausgeführt nach den Anweisungen des Provinzial-Konservators Landesbaurat Hiecke in Merseburg durch den Kunstmaler Weßner in Collenbey und den hiesigen Malermeister Pawlowski. Verdient gemacht um die Wiederherstellung der Kirche haben sich ferner: Geheimer Baurat Beißner, Regierungsrat Dr. Dehne und Regierungsbaumeister Gensel. Für Wiederherstellung und Ausschmückung sind insgesamt aufgewendet worden 11 051,98 Mark. Seit ihrer Wiederherstellung ist die Kirche "wohl die stilgerechteste und eine Sehenswürdigkeit der Delitzscher Gemeinde". Eine furchtbare Wetterkatastrophe bricht am Abend des 22. Mai über unsere Gegend herein. In Delitzsch fallen Hagelstücke von Taubeneigröße und zersplittern zahlreiche Fensterscheiben. Ein Blitz zerstört einen Teil der obern Umfassungsmauer vom Fabrikgebäude der Walzmühle. Eine vor dem Sorauer Bahnhofe stehende Pappel wird vom Blitz gespalten. Auch andere Ortschaften des Kreises werden schwer heimgesucht. In Krostitz-Hohenleina tritt infolge der wolkenbruchartig herabstürzenden Wassermassen das Leineflüßchen aus den Ufern und setzt den ganzen in der Niederung gelegenen Dorfteil von Großkrostitz unter Wasser, wovon eine Scheunenwand völlig eingedrückt wird. Am schwersten wird das unweit des Dammes der Sorauer Bahn halbwegs zwischen den Stationen Krensitz und Kämmereiforst gelegene Dorf Boyda betroffen. Da die hier niederstömenden Wasserfluten sich am Bahndamme stauen, wenden sie sich übermannshoch gegen das Dorf zurück, dringen dort in die Gehöfte und zerstören 13 Gebäude. Nur mit Mühe gelingt es, die gefährdeten Menschen nebst ihrem Vieh zu retten. Am 4. November kurz nach 14 Uhr erfolgt eine dreimalige Erderschütterung, die sich zwei Tage darauf frühmorgens wiederholt. Auch am 19. Dezember um die gleiche Morgenzeit macht sich ein Erdstoß bemerkbar, der diesmal mit einem anhaltenden Rollen verbunden ist.


1909
Rektor Karl Burchardt, der von Halle kommt, wo er seine bisherige Lehrertätigkeit an den Francke'schen Stiftungen ausübte, wird am 1. April durch Kreisschulinspektor Sup. Schäfer in sein Amt als Rektor an der hiesigen Mädchenbürgerschule eingeführt. Der Bau einer längst geplanten neuen Schule wird, um die Raumnot völlig zu steuern, im Mai vor dem Halleschen Tore in der Luisenstraße begonnen, und zwar diesmal unter Leitung der städtischen Hochbaudeputation. Maurermeister Nickau führt die Fundierungsarbeiten aus, Maurermeister Berger die sonstigen Maurerarbeiten. Die Zimmerarbeiten werden ausgeführt von Zimmermeister Laue, die Dachdeckerarbeiten von Dachdeckermeister Schöbel, die Klempnerarbeiten von der Firma Paul Heinrichs Witwe, die Tischlerarbeiten von den Tischlermeistern Tätzner, Brink, Schulze und Reinstein, Schlosserarbeiten von den Schlossermeistern Wandt und Mietzsch, die Rinnensteine liefert Firma Karl Teubner & Co., die Granitstufen für die Treppen Steinmetzmeister Klepzig, die Holzfußböden (sog. deutschen Fußboden) Firma Otto Hetzer, Weimar, die Blitzableiteranlage Dachdeckermeister Uhlig. Die Baukosten betragen rund 110 000 Mark, jedoch wird der Bau erst im nächsten Jahre beendet. Von weitem städtischen Bauten des Jahres sind zu erwähnen: Verlängemng der Friedhofsmauer, Pflasterung in der Dübener- und Mauerstraße, Kanalisation in der Roon-, Luisen- und Maybachstraße, Bau eines RegenwasserNotauslaufs von der Leipziger-durch die Holzstraße nach dem Stadtgraben und von der Dübener Straße über den Schützenplatz nach dem Lober. Auch werden die städtischen Anlagen bedeutend erweitert. Durch ein von dem in diesem Jahre verstorbenen Fräulein Gutheil hinterlassenes Vermächtnis von 30 000 Mark wird der schon länger geplante Bau eines Siechenhauses ermöglicht. Die städtischen Körperschaften stellen dazu 76,32 a Bauland vor dem Halleschen Tore (hinter dem Hospitalgarten) kostenfrei zur Verfügung. Am 1. Oktober feiert das Kgl. Lehrerseminar den 25jährigen Gedenktag der Einweihung des Seminargebäudes. Die Festansprache hält Seminardirektor Bär. Diakonuspfarrer Jentzsch geht nach Charlottenburg. Der Winter des Jahres ist streng. Plötzliches Tauwetter, verbunden mit heftigen Regengüssen, verursacht im Februar große Überschwemmungen. Im März wieder starker Schneefall, wodurch der erste Satz Hasen vernichtet wird und im Spätfrühling eine große Raupen- und Mückenplage. Reich ist die diesjährige Heidelbeerernte, und auch die des Getreides steht im Kreise Delitzseh um 1 bis 1 '/ Zentner über dem fünfjährigen Durchschnitt der Provinz. Auch die Honig- und Pflaumenernte sind gut. Letztere verregnet freilich.


1910
Im Januar wird Pfarrer Wilhelm Ruhmer aus Martinsrode eingeführt. Der Bau der Luisenschule wird beendet und am 5. April, vorm. 9 Uhr, im Beisein der städtischen Behörden, der Lehrerschaft, der Bürgerschulen sowie der am Bau beteiligten Handwerksmeister und der Schüler durch Kreisschulinspektor Sup. Schäferfeierlich eingeweiht. Ansprachen halten noch 1. Bürgermeister Rampoldt und Rektor Wiener. Der Schlüssel geht aus den Händen des 1. Bürgermeisters in die des Kreisschulinspektors über und wird von diesem an den Rektor weitergereicht, der ihn dem Hauptlehrer Pannier übergibt. Von den die Ansprachen umrahmenden Gesänge ist erwähnenswert das vom Schülerchor zum Vortrag gebrachte Kirchenlied "Ich bete an die Macht der Liebe". Nach Eröffnung des Gebäudes durch Hauptlehrer Pannier erfolgt noch seitens der Teilnehmer Besichtigung aller Schulräume. Sechs Herren der schwedischen Gesandtschaft aus Berlin, Gesandter von Trolle, Legationsrat Freiherr von Essen, Konsularrat Undén, Attaché Freiherr von Bonde, Hauptherr von Schenfeld und Schriftsteller Blomquist besuchen am 18. Mai in Begleitung des Berliner Oberpfarrers Bitthorn Delitzseh, um die Schwedensignale vom Breiten Turme herabblasen zu hören. Die Stadt gibt den fremden Gästen im Sitzungssaale der Stadtverordneten ein Dejeuner. Die Taufe erhält am 12. Juni durch den z. Bürgermeister Lange ein von dem Vereine für Luftschiffahrt von Bitterfeld und Umgebung aus den Trümmern des am 17. April bei Reichensachsen verunglückten Freiballons "Delitzseh" wiederhergestellter Ballon, wozu die Stadt 150 Mark beigesteuert hat. Wenige Tage danach (21. Juni) findet durch die Stadtverordneten Wiederwahl von drei unbesoldeten Stadträten auf weitere sechs Jahre statt, nämlich der Herren Spangenberg, Freyberg und Brembach, und zehn Tage später (1. Juli) auch die des 1. Bürgermeisters auf eine weitere Amtsperiode von zwölf Jahren, da die alte mit Ablauf des Jahres zu Ende geht. Der Magistrat setzt sich also wie vorher zusammen aus den beiden Bürgermeistern Rampoldt und Lange, sowie den vier Stadträten Freyberg, Brembach, Spangenberg und Friedrich. Die 40. Wiederkehr des Sedantages wird hier stark gefeiert. Zu Ehren der ortsansässigen Kriegsteilnehmer findet am 1. September Festkommers statt, wobei die also Geehrten auf Kosten der Stadt bewirtet werden. Am 2. September wird unter besonderer Feierlichkeit den Veteranen mit 1200 Mark sowie den Veteranenwitwen mit unter 600 Mark Einkommen eine Ehrengabe von je 10 Mark überreicht. Die schon etwa seit 1 1/3 Jahrzehnten in eine Aktiengesellschaft umgewandelte Offenhauer'sche Brauerei, die daraufhin den Namen "Delitzscher Aktienbierbrauerei" erhält, tritt in Liquidation und hört auf zu existieren. Von den städtischen Bauten des Jahres seien hervorgehoben: Der Bau einer Leichenhalle, Anlage von Bürgersteigen in der Lober-, Roon-, Garten-, Mozart-, Beethoven-, Luisen- und Kohlstraße sowie auf dem Roßplatze und einem Teile der südlichen Mauergasse; ein Regenwasserkanal im Rosenthal; Wasserleitungs- und Kanalanlage in der Blücherstraße, Pflasterung des Zufuhrweges zum Wasserwerk. Die städtischen Parkanlagen erfahren eine abermalige Erweiterung, und der Verschönerungsverein schafft durch Errichtung der Parkbrücke eine Verbindung vom Stadtpark nach den Rosenthalwiesen. Die von der Eisenbahnverwaltung ausgebaute Wittenberger Straße wird mit dem 1. Oktober von der Stadt übernommen. Am 1. Dezember scheidet Sparkassenrendant Berlt aus dem städtischen Dienst. An seine Stelle tritt Sparkassenrendant Aug. Kunzke aus Finsterwalde. Der Winter bringt in buntem Durcheinander Schnee, Regen, Matschwetter, doch nur wenig Frost, weshalb die Eisernte unzureichend. Der Sommer ist sehr gewitterreich.


1911
Der östliche Teil der Bismarckstraße wird gepflastert und an Verschönerung der Parkanlagen weiter gearbeitet. Einen Tag nach der Sedanfeier (3. September) findet im Beisein sämtlicher Militärvereine der Stadt auf dem Markte eine neue Denkmalsweihe statt bzw. die Weihe der am Denkmal angebrachten Ehrentafel zum Gedenken an den Heldentod der beiden im Kriege 1870/71 gefallenen Delitzscher Bürger. Erster Bürgermeister Rampoldt vollzieht sie. Der Sommer des Jahres ist der trockendste und heißeste seit Menschengedenken. Die Hitzeperiode beginnt am 17. Juli und hält länger als 4 Wochen an. Sogar die Hauptströme, wie die Elbe, führen so wenig Wasser, daß man durch sie hindurchwaten kann. Kartoffel-und Zuckerrübenernte sind infolgedessen schlecht, es entstehen große Teuerung und großer Futtermangel. Nur der Wein ist vortrefflich geraten. Am 9. Dezember verstirbt der Rektor der Knabenvolksschule, Richard Wiener.


1912
Ein drittes Klärbecken der Kläranlage wird erbaut und zugleich die Anlage durch elektrischen Antrieb verbessert. Kantor Prinz geht am 1. April nach Oschersleben. Sein Nachfolger wird Kantor Otto Müller. Am l. Juli wird der neue Rektor der Knabenschule, Johann Hansjürgens, durch Kreissehulinspektor Sup. Schäfer in sein Amt eingeführt und am 20. August der aus dem Magistrat ausscheidende Stadtrat Spangenberg zum Stadtältesten ernannt. Am gleichen Tage wird die Anlegung des Dr. LaueWegs den Lober entlang begonnen. Ein ungeheure Aufsehen erregende Veruntreuung der obern Beamten der Stadthauptkasse wird durch das allzu lockere Leben des Stadthauptkassenrendanten Rudloff in den ersten Oktobertagen aufgedeckt. Rudloff wird alsbald unter Mitnahme von noch 12 000 Mark städtischer Gelder flüchtig, und der Kontrolleur Meley erschießt sich am 4. Oktober in der Gertitzer Flur. Bei genauer Nachprüfung stellt sich heraus, daß die seit 1908 betriebenen Unterschlagungen die Höhe von mehr als 160 000 erreichen. (Nach Eingeständnis des erst 13 Jahre später in Halle abgeurteilten, inzwischen nach Brasilien geflüchteten und dann während des Weltkrieges unter dem Namen eines -Ritters von Boset-Frankenburg" nach Wien zurückgekehrten Rudloff, der dort von seinem Geschicke ereilt und wegen erneuter erheblicher Unterschlagungen zu 3 Jahren schweren Kerkers verurteilt wurde, betrug die veruntreute Summe sogar 200 000 Mark.) Durch diese Veruntreuungen wird auch die Stellung des ersten Bürgermeisters erschüttert, dem man zu große Oberflächlich-und Vertrauensseligkeit bei den von ihm vorgenommenen Kassenprüfungen zum Vorwurfe macht. (Hinzugefügt sei, daß Rudloff als gesundheitlich schwerbelasteter Luetiker unter Zubilligung mildernder Umstände von der Halleschen Strafkammer zu nur l '/,Jahren Gefängnis verurteilt wurde und im Gefängnis gestorben ist.) Die seitens der Landwirtschaftskammer hier errichtete Landwirtschaftliche Winterschule wird am 29. Oktobereingeweiht und in den oberen Räumen der neuerbauten Luisenschule untergebracht. Erster Direktor ist Dr. Conradi. Die Witterungsverhältnisse gestalten sich auch in diesem Jahre ungünstig. Der Winter ist anhaltend kalt und schneereich. Am Sonntag, dem 12. Mai, abends nach sieben Uhr, stellt sich ein furchtbarer Gewittersturm ein, der bald in ein schweres Hagelwetter übergeht. Es fallen Hagelstücke bis zu Taubeneigröße. Fast kein Haus in Delitzsch ist ohne zerborstene Fensterscheiben! In der Mädchenvolksschule werden über 80 zerschlagene Fensterscheiben gezählt, in der Luisenschule gar 130. Aus den städtischen Anlagen mußte das junge Grün fuderweise weggefahren werden. Noch sehr viel schlimmer hat der Gewitter-Wirbelsturm im Dorfe Sehlis bei Taucha gehaust, wo ganze Wände eingedrückt werden und das neuerrichtete Schulhaus fast vernichtet wird. Im weiteren Verlaufe des Jahres beginnt nach anfänglicher Trockenheit eine längere Regenperiode, die bis in den Herbst hinein anhält. In diesem Jahre wird auch der seitens der Schützengilde schon im Vorjahre beschlossene Erweiterungsbau des Schützenhofs durchgeführt. Er besteht in der Errichtung eines Saal- und Schließhallenbaus an der Nordseite des Grundstückes, wodurch auch Hinausschieben der übrigens auf 12 vermehrten Schießstände um 40 m erforderlich wird. Der Bau kostet rund 125 000 Mark und wird geleitet von dem Stadtbauinspektor Grundmann, Cottbus, und dessen häufigem Vertreter, Architekt Hanke, seinem Neffen. Ersterer ist ehemaliger Delitzscher und Schwiegersohn des Schützenkameraden Galwitz. Die Ausführung ist folgenden Herren übertragen: Bauunternehmer Wernicke (Erd-, Maurer- und Eisenbetonarbeiten, welch letztere an Firma Panse, Leipzig, abgetreten werden, während die Erdarbeiten Steinsetzmeister Voigt ausführt), Zimmermeister Laue, die Dachdeckermeister Uhlig und Schöbet sen., die Tischlermeiter Vonhof, Bretschneider und Schmidt, die Klempnermeister Reyher, Th. Heinrich und E Heinrich Wwe. (Reyher besorgt die Wasserinstallation und Blitzableiterantage), Glasermeister Leiser, R. Scheibe und H. Scheibe, Schlossermeister Mietzsch und Nebel, Malermeister Pawlowski und Scholz, Elektroinstallateur Merz (Lichtinstallation), Sattlermeister Kasper und Dekorateur Scheffler (Tapezierarbeiten), Bildhauer Adler, Cottbus (Stuck). Bereits zum Pfingstschiessen können die neuen Räume in vorläufige Benutzung genommen werden. Anstelle des flüchtigen Rudloff tritt als Stadthauptkassenrendant Georg Schimpf, an Meleys Stelle Kontrolleur Hupe.


1913
Im Frühjahr wird der Neubau der Kohltorbrücke begonnen, nachdem die alte hölzerne abgebrochen. Der Bau wird wieder vonderFirma `Anhalter Eisenbetonwerk Otto Maye & Co.", Dessau, ausgeführt und kostet einschließlich Pflasterung, rund gerechnet, 34000 Mark. Unter starker Beteiligung auswärtiger Schützen findet in der Zeit von B. bis 12. Juni das 27. Provinzialbundesschießen in Delitzsch statt. Zu Ehren der zahlreichen auswärtigen Gäste (mehr als 400) wird am ersten der Festtage ein großer historischer Festzug veranstaltet, wie die Stadt solchen noch nicht gesehen hat. Fast alle Vereine und Innungen der Stadt beteiligen sich daran sowie viele Landwirte der Umgebung zu Pferde. Am 30. Juli scheidet z. Bürgermeister Lange aus dem Magistrat aus und verläßt Delitzsch. Für ihn tritt Hermann Grüneberg ein, der zunächst, vom 20. Oktober an, als juristischer Hilfsarbeiter tätig ist. Auf dem Schützenhofplatze wird ein Spiel- und Sportplatz errichtet. Desgleichen fällt in dieses Jahr die Errichtung eines Kinderhorts, der von der Stadt allerdings erst 1922 übernommen wird. Auch wird endlich die sehr schadhaft gewordene Heiligbrunnenanlage erneuert und würdig wiederhergestellt. Am 3. Dezember feiert die Freiwillige Feuerwehr das Fest ihres 50jährigen Bestehens, nachdem kurze Zeit vorher ihr verdienter Führer Gustav Schulze (am 14. November) zum Ehrenbürger der Stadt ernannt wurde.


1914
Die Zahl der Stadtverordneten wird von 24 auf 30, die der unbesoldeten Magistratsmitglieder von 4 auf 6 erhöht. Am 6. Januar wird z. Bürgermeister Grüneberg in sein Amt eingeführt. Vom 1. August bis Ende 1918 Weltkrieg, über den soweit er die Stadt Delitzsch berührte, der Chronist Lehrer Oskar Reime nach Beschluß der Stadtbehörden vom 19. Oktober 1916 eine sehr ausführliche Kriegschronik angefertigt hat. Die zufriedenstellende Getreideernte des ersten Kriegsjahres und später auch die der Hackfrüchte wird unter freiwilliger Mithilfe höherer Schüler glücklich eingebracht. Eine im Spätsommer längere Zeit vorherrschende Gluthitze wird allgemein beklagt, weil darunter unsere im Vormarsch auf Paris begriffenen Truppen zweifellos schwer zu leiden haben. Am 30. dieses Jahres tritt 1. Bürgermeister Rampoldt unter der Bedingnis in den Ruhestand, daß ihm Weiterungen aus dem Falle Rudloff-Meley erspart bleiben sollen. Kantor i.R. Gärtner übernimmt die im Herbste zur Einführung gelangte Generalvormundschaft. Rentner Hennig und seine Gattin geb. Schrödter schenken der Kirchengemeinde das Hennig-Schrödter-Haus.


1915
Mehlverbrauch (15. Januar) und Fleischversorgung (17. Januar) werden eingeschränkt; ab B. März wird die Brotkarte eingeführt und am 28. Juni Beschlagnahme des Hafers angeordnet, am 14. September die von Kupfer, Messing und Reinnickel. Am 1. Oktober erfolgt Festsetzung des Höchstpreises für Butter, am 12. November die für Schweinefleisch und Fett.


1916
Januar, Einschränkungen im Brauereibetriebe; 2. Februar, Einführung der Butterkarten; 4. März, die der Zuckerkarten. 1. Mai, Einführung der Sommerzeit (die Stundenzählung wird in Deutschland und Österreich während der Sommermonate, vom 1. Mai bis Ende September, für die Dauer der Kriegszeit um eine Stunde vorverlegt, um die Tageszeit besser ausnutzen zu können). 12. Juli, Beschlagnahme der Fahrradbereifungen; 1. August, Einführung der Bezugsscheine für Web-, Strick- und Wirkwaren; 1. Oktober, Einführung der Eier-, 2. Oktober, Einführung der Reichsfleischkarien. Superintendent Schäfer, der schon vor Kriegsbeginn das Kreisschulinspektoramt an den im Hauptamte befindlichen Königlichen Kreisschulinspektor Roß in Eilenburg abgetreten, zieht sich nach erfolgter Gründung des Gutheilstifts (Siechenhauses) aueh von den Superintendenturgeschäften zurück und hält am 24. September (14. Sonn. n. Tr.) seine Abschiedsrede. Er verläßt Delitzsch in den ersten Oktobertagen und wohnt fortan in seiner Vaterstadt Schkeuditz. Der Vaterländische Frauenverein begeht am 11. November das Fest seines 50jährigen Bestehens. Der Kgl. Landrat Geheimrat von Busse scheidet am 30. November aus seinem Amte. Die Stadt Delitzsch ernennt ihn am 12. Dezember zu ihrem Ehrenbürger. Sein Nachfolger, zuerst nur auftragsweise mit der Geschäftsführungbetraut, wird alsbald Regierungsrat von Manteuffel. Durch letzeren wird am 5. Dezember der neue erste Bürgermeister, Karl Böttcher, vorher Bürgermeister in Querfurt und geborener Delitzscher, in sein Amt eingeführt. Am 12. Dezember wird auch der bisherige Stadtrat Freyberg zum Stadtältesten ernannt.


1917
Am 10. Januar erfolgt die Beschlagnahme von Orgelpfeifen, am 1. März die Ablieferung von zu Kriegsmaterial bestimmten Glocken, im Juni die des Kupfers der Blitzableiter; am 25. April Ausgabe von Stadt-Kriegsnotgeld. In der hiesigen Strafanstalt auf dem Schlosse werden an 200 Spioninnen internieri,deren Seelsorge einem katholischen polnischen Priesterübertragen wird. Für die weiblichen Strafgefangenen evangelischen Glaubens übernimmt die Seelsorge der hiesige dritte geistliche Pfarrer Ruhmer als Nachfolger eines hauptamtlich angestellt gewesenen Gefängnisgeistlichen, Pfarrers Erich Eyßell, der sein Amt mit Kriegsbeginn niedergelegt hat. Der neue Superintendent, Ubbo Hobbing, wird am 29. April durch Generalsuperintendent D. Gennrich eingeführt. Die schon in den Vorjahren schwerempfundene Lebensmittelknappheit nimmt immer härtere Formen an. Vor den Ausgabestellen der Lebensmittel werden die von Käufern gebildeten Schlangenlinien zurbittern Gewohnheit. Kreisschulinspektor Roß siedelt Ende September von Eilenburg nach Delitzsch über.


1918
Das Schlangestehen vor den Lebensmittelgeschäften, wo zur Sättigung nur völlig unzureichende Mengen abgegeben werden können, wird für die vereinsamten Hausfrauen allmählich zu einerdrückenden Last. Doch kommt es in der Stadt Delitzsch nicht zur offnen Empörung. Der Stadtälteste Spangenberg feiert am 6. Februar sein 50jähriges Bürgerjubiläum. Mit dem 2. April beginnt die Herstellung von Kreis-Notgeld. 19. August, Einführung der bis zum Januar 1919 beibehaltenen fleischlosen Wochen. Am 9. November Verkündung der Staatsumwälzung (Revolution) auch in Delitzsch. 11. November, Abschluß des Waffenstillstands von Compiégne durch Erzberger. Der furchtbare Krieg hat auch von der Delitzscher Bewohnerschaft überaus große Opfer gefordert. Nach den Feststellungen der Religionsgemeinschaften der Stadt sind im Weltkriege gefallen, vermißt oder an empfangenen Wunden gestorben 537 Delitzscher Kriegsteilnehmer evangelischen, 22 katholischen und einer israelischen Bekenntnisses, zusammen 560 heldenbrave Männder, deren Andenken unvergessen bleiben wird. In Delitzsch bildet sich wie überall ein Arbeiter-und Soldatenrat, der am 13. November seine erste Sitzung abhält. Am 28. gleichen Monats trifft hier das bisher im Saargebiet heimische Inf.Rgt. Nr. 30 ein, dessen vorläufiger Garnisönsort die Stadt wird. Mit dem 1. Dezember tritt als Nachfolger für den im Kriege gebliebenen Dr. Conradi der neue Direktor der Landwirtschaftsschule, damals noch Landwirtschaftliche Winterschule genannt, Direktor Martin Schöne, hier sein Amt an und eröffnet mit den zur Aufnahme gelangten Schülern für die noch zur Verfügung stehenden Wintermonate einen Notkursus. Die durch Rechtsanwalt Hirsch vor etwa einem Jahrzehnt gebildete Jugendwehr wird am 28. Dezember aufgelöst.


1919
19. Januar, Wahlen zur Nationalversammlung, die ihre Sitzungen zwecks Beratung einer neuen Verfassung im Nationaltheater in Weimar abhalten soll, und am 26. Januar Wahlen zur preußischen Landesversammlung. In Delitzsch werden beider ersten Wahl Stimmen abgegeben für Deutschnationale 580, Deutsche Volkspartei 123, Demokraten 1950, Mehrheitssozialisten 1937, Unabhängige 3200.
2. März, Auflösung der Gemeindevertretung und Stadtverordnetenwahlen; 23. März, Neuwahl des Arbeiterrats; 4. Mai, Neuwahl des Kreistags.
9. Mai, Inf. Rgt. Nr. 30 verläßt Delitzsch und wird nach Blankenburg a.H., dem Orte seiner neuen Bestimmung, in Marsch gesetzt.
25. Juni, Errichtung eines Mieteinigungsamtes, was sich infolge der katastrophalen Wohnungsnot als dringend nötig erweist.
28. Juni, Unterzeichnung des Friedens von Versailles; dessen Ratifizierung am 9. Juli-11. August, Annahme der neuen Verfassung durch die in Weimar tagende Nationalversammlung.
Nach Beurlaubung des Stadtbaumeisters Kessel wird durch Beschluß der städtischen Körperschaften im Oktober Oberbausekretär Willy Kratsch mit Leitung der Geschäfte des Stadtbauamts betraut. Durch die für die Linksparteien vorteilhaften Stadtverordnetenwahlen wird der langjährige Stadtverordnetenvorsteher, Justizrat Dr. Schulze, zum Rücktritt genötigt. Stadtverordneter Buhle wird sein Nachfolger. Auch die bisherigen unbesoldeten Magistratsmitglieder müssen zurücktreten und werden ersetzt durch Dr. Schulze, Max Beyer, Tauche und Kretzschmar. Nur Ehrhorn und Klunkert, die schon seit dem Frühjahr dem Magistrat angehören, bleiben. Noch gegen Jahresende tritt Dr. Schulze zurück. Für ihn wird Stadtrat Zigarrenfabrikant Max Schimpf. Am 6. Dezember findet eine Begrüßungsfeier für hier eingetroffene Kriegsgefangene statt.


1920
Versuchsweise wird eine Volkshochschule ins Leben gerufen, die am 19. Januar ihre Kurse eröffnet. In der Zeit des Kapp-Putsches (13. bis 20. März) kommt es in Delitzsch am 18. März zu einem heftigen Straßengefechte zwischen der zum Sturze der Kappregierung im Generalstreik begriffenen Arbeiterschaft und eine Abteilung Reichswehr. Letztere erweist sich zur Unterdrückung des Widerstands als zu schwach und muß sich unter vorläufiger Zurücklassung ihrer Maschinengewehre und Munitionswagen zurückziehen. Es gibt auf beiden Seiten 19 Tote, von denen 4 untergroßem Volksandrange durch Superintendent Hobbing auf hiesigem Friedhofe bestattet werden. Der verunglückte Kapp-Putsch hat weitere Unruhen im Gefolge. In Delitzsch sinnt eine Arbeitergruppe unter Führung eines gewissen Molka aus Bitterfeld, der dem dortigen Arbeiterrat angehörte (daher "MolkaPutsch"), auf Beseitigung des Delitzscher Landrats von Manteuffel. Dieser wird auch von Molka und dessen Helferhelfern am 6. April nächtlicherweise in dem von ihm bewohnten Sehenkenberger Schlosse verhaftet, zunächst in polizeilichen Gewahrsam gebracht und vor Anbruch des Morgens nach Bitterfeld und von da nach Berlin abtransportiert. Zwar erklärt im Einverständnis mit der Merseburger Regierung der Kreisausschuß in seiner Sitzung vom B. April die Maßnahmen, Verfügungen und Bekanntmachungen des Molka für unwirksam und gegenstandslos; doch kehrt Landrat von Manteuffel nicht zurück. Vorübergehend wird Oberamtmann Messerschmidt, Beerendorf, mit der Geschäftsführung beauftragt, den am 19. April Regierungsreferendar Scholz ablöst. Mit dem 25. Mai wird der Kreisdeputierte und Reichstagsabgeordnete Zigarrenfabrikant Gustav Raute, Eilenburg, zum kommissarischen Landrat ernannt. Am 6. Juni. Reichstagswahl (als Folge des Kapp-Putsches anzusehen). In Delitzsch stimmen für Deutschnationale 505, Deutsche Volkspartei 1426, Demokraten 967, Mehrheitssozialisten 1261, Unabhängige 3340, Zentrum 94, Kommunisten 57 Wähler.
23. August. Aufhebung der Reichsfleisch- und der Seifenkarte.
8. September. Errichtung eines Finanzamts in Delitzsch, dessen erster Leiter: Regierungsrat Anding.
Die frühere Stadtbrauerei (seit 1900 im Besitz von Brauereibesitzer Uhlmann)wird an die Aktienbrauerei Bitterfeld verkauft, die darin eine von Richard Uhlmann verwaltete Niederlage für Delitzsch und Umgebung errichtet. Das schon seit 1908 in der Bismarckstraße bestehende Café Boeck erhält in diesem Jahre unbeschränkte Schankerlaubnis. Der Kontrolleur bei der Stadthauptkasse Hupe wird schon im Laufe des Vorjahres wegen eines Straffalles beurlaubt und geht dadurch seines Postens verlustig. An seine Stelle tritt Kassierer (Kassensekretär) Otto Braunsdorf.


1921
Am Forsthause werden 6 Morgen Waldbestand neuaufgeforstet. 20. Februar, Landtagswahl in Delitzsch: Deutschnationale 739, Deutsche Volkspartei 1452, Demokraten 967, Zentrum 108, Mehrheitssozialisten 1158, Unabhängige 927, Kommunisten 1394. Vom 25. bis 30. März, erneute Unruhen in Delitzsch. Reichswehr rückt in diesmal größerer Zahl ein, noch verstärkt durch ein starkes Polizeiaufgebot aus Bitterfeld, wodurch die Ruhe bald wiederhergestellt wird. Juli, zwei Serien von neuem Stadtnotgeld werden hergestellt, die SchwedenSerie und die Schulze-Delitzsch-Serie. Um der drückenden Wohnungsnot nach Möglichkeit zu steuern, wird in diesem Jahre endlich seitens der Bau- und Siedlungs- sowie der HeimstättenGenossenschaft mit Ausführung von Neubauten begonnen.


1922
Am 5. März stirbt der frühere Stadtrat, Branddirektor a.D. Gustav Schulze, Ehrenbürger der Stadt, und am 12. Mai feiert der Stadtälteste Spangenberg unter großen Ehrenbezeugungen seitens der städtischen Körperschaften seinen 80. Geburtstag. Da die Lehrerausbildung anderweit geregelt werden soll, erfolgt diese Ostern die Schließung der Präparandenanstalt. Am 5. Mai beendet Oskar Reime seine Kriegschronik. Die Schützengilde begeht am 20. Juli das Fest ihres 225jährigen Bestehens. Mit dem 30. September stellt das Kreisblatt (Delitzscher Tageblatt) sein Erscheinen ein. Kreisschulrat Roß geht am 30. November nach Merseburg, Kreisschulrat Eduard Sehmisch, vorher Rektor in Merseburg, tritt an seine Stelle. Die schon 1920 begonnene Wiederherstellung der während der Unruhen mehrfach beschädigten Marienkirche, der man in dieser Zeit auch die alte schöne Peter-Paulskanzel überweist, wird beendet und die wiederhergestellte Kirche am 5. November durch Superintendent Hobbing geweiht. Da die Pfeifen der Orgel dieser Kirche dem Kriege zum Opfer gefallen sind, wird die Beschaffung eines Harmoniums für die Kirche ins Auge gefaßt, die auf Antrag des Superintendenten auf Beschluß der Körperschaften zur "Kriegergedächtniskirche" umgeschaffen werden soll. Ende des Jahres geht Pfarrer Ruhmer nach Halle.


1923
Für die aus dem Magistrat ausscheidenden Stadträte Kretzschmar und Ehrhorn treten ein Richard Hampe und Alfred Kissig. Am 20. Januar wird Pfarrer Kurt Noack als 3. Geistlicher durch Superintendent Hobbing eingeführt. Da mit dem 11. Januar das Ruhrgebiet durch etwa 100 000 Franzosen und Belgier unter General Degoutte besetzt wird, veranstaltet man im Reiche, und also auch in Stadt Delitzsch, im Monat Februar eine großangelegte Sammlung für die schwerbetroffenen Bewohner des Rhein- und Ruhrgebiets. Am 18. gleichen Monats findet in der katholischen Kirche die durch Pfarrer Köhne vollzogene feierliche Denkmalsweihe für die im Weltkriege gefallenen 22 Delitzscher Krieger katholischen Bekenntnisses statt. 6. Juli, Feier des 50jährigen Bestehens des Lehrerseminars. Aus dem bei dieser Gelegenheit herausgegebenen Gedenkbuche sei über verdiente Lehrer der Anstalt folgendes wiedergegeben: Direktoren waren nach dem schon genannten Trinius Gottlob Schöppa (1883-1892), gest. als vortragender Geh. Rat im Kultusministerium, Eduard Bohnenstädt (1892-1908), Adolf Bär (1908-1920), Schulrat Karl König, im Elsaß beheimatet, seit Kriegsbeginn Direktor des Lehrerseminars in Straßburg und von da nach Verlust dieses Landesteils ausgewiesen, (von Oktober 1920 bis zur Auflösung). Unter den übrigen Lehrern ragten hervor, größtenteils auch durch ihre literarische Tätigkeit als Verfasser weitverbreiteter Schul-und Lehrbücher, zunächst die auch kompositorisch beanlagten Musiklehrer Kuntze, Kropf, Emilius, Heine u.a., sodann Rechenlehrer Richard Schroeter und der durch seine naturgeschichtlichen und erdkundlichen Werke zu einer in pädagogischen Kreisen gewissen Berühmtheit gelangte Seminarlehrer August Hummel, ferner die Naturwissenschaftler Dr. Imhäuser und Dr. Bromer sowie die Lehrer bzw. Oberlehrer Gattermann (später Seminardirektor), Wirt, Nenz, Etzold, Prorektor Dr. Schröder, Dr. Vogler, Dr. Schulz u.a. Die Hauptfeier des Jubiläums findet in der Kirche statt, wo außer dem Superintendenten noch die Schulräte Ullmann und König Ansprachen halten; ferner auch eine Weihestunde an dem den im Weltkriege gefallenen Lehrern und ehemaligen Zogfingen des Seminars gewidmeten Ehrenmale. Die meisten der Gesangsvorträge werden von der Lehrergesangsgruppe Delitzsch unter Leitung von Kantor Müller bestritten, einzelne auch vom Chor der letzten noch übrigen Klasse des in der Auflösung begriffenen Seminars. 22. August. Todestag des um die Stadt hochverdienten Chronisten Lehrers Oskar Reime. Am 1. November geht Stadtsparkassenrendant Kuntze nach Bitterfeld als Direktor der dortigen Kreissparkasse. Bis zur Wiederbesetzung der freigewordenen Stelle übernimmt die Vertretung Bankkassierer Kurt Kobler. Zur Beschaffung eines Harmoniums für die Marienkirche wird der Kirche gehöriges Altsilber verkauft. Desgleichen wird der alte Crucifixus infolge der bestehenden Inflation für 400 000 Mark veräußert. Durch die Inflation steigt die Mark in diesem Jahre zu schwindelhafter Höhe. Der Dollar, der 1914 = 4,20, Ende 1918 = 7,50, 1919 = 50.-, 1921 = 180.-, 1922 bis Ende des Jahres 7500 Mark galt, steht am 21. November dieses verhängnisvollen Jahres 4 210 500 000 Mark. Am gleichen Tage erfolgt die Ausgabe der auf wertbeständiger Grundlage (Roggenwährung) ruhenden Rentenmark, die freilich gleich einer Billion Papiermark gesetzt wird, wodurch viele Kleinrentner verarmen und auf öffentliche Unterstützung angewiesen werden.


1924
Die schon im Vorjahre durch Professor Vetter, Leipzig, betriebene Ausmalung der Marienkirche, um eine Stätte der Kriegsehrung zu schaffen, wird Ende Mai beendet, so daß am 1. Juni die Einweihungsfeier und Umtaufe der Kirche, die nunmehr "Kriegergedächtniskirche" heißt, stattfinden kann. Die Festpredigt hält Generalsuperintendent D. Schöttler. Die Teilnehmer an der Feierbegeben sich vor Beginndes Gottesdienstes im Festzuge von der Stadtkirche zur Kriegergedächtniskirche. Am 1. April erfolgt die Berufung des Rendanten der Stadtsparkasse Kurt Nobbe, desgleichen die Versetzung des Stadtbaumeisters Kessel in den Ruhestand. Am gleichen Tage tritt auch Oberrealschuldirektor Dr. Wahle in Ruhestand und wird alsbald ersetzt durch den von Aschersleben kommenden Studiendirektor Dr. Becker. Letzterer erwirbt sich bald dadurch ein besonderes Verdienst, daß er sich der Sportbewegung unter der erwachsenen Jugend sowohl wie der Schuljugend eifrigst annimmt. 4. Mai. Reichstagswahl. Stimmenergebnis für Delitzsch: Sozialdem. 1004, Deutschnat. 1324, Zentrum 130, Kommunisten 2486, Deutsche Volkspartei 1157, Völk.-soz. Block 683, Demokr. 621, Wirtschaftspart. 162, Unabhäng. 159, Deutschsoz. 66. Nach den stattgehabten, auch auf den Kreis und die Gemeinden ausgedehnten Wahlen findet in der Stadtverordnetensitzung vom 29. Mai Neuwahl des Vorstands statt. Da die Mehrheit diesmal auf Seiten der Bürgerlichen ist, wird Vorsteher der seit 1. April im Ruhestand befindliche Kreisoberinspektor Rechnungsrat Paul Schmidt. Von den unbesoldeten früheren Stadträten bleibt nur der Bürgerliche Tauche. Neugewählt werden als Bürgerliche die Stadträte Graul, Petzold und Wernicke, als Kommunisten die Stadträte Kotze und Voigt, von den Sozialdemokraten keiner.
21.26. Juni. Wieder Prov.-Bundesschießen in Delitzsch, das erste nach der Inflation. Die Beteiligung von auswärts beträgt etwa 300. 30. August. Übergang zur neuen Reichswährung, 1 Rentenmark = 1 RM. Nach Auflösung des Reichstags am 7. Dezember wieder Reichstagswahl, verbunden mit Landtagswahl. Ergebnisse für Reichs-und Landtag (letztere in Klammern): Sozialdemokraten 1628 (1615), Deutschnat. 1774 (1755), Zentrum 171 (172), Deutsche Volkspartei 1209 (1209), Kommunisten 2177 (2191), Demokraten 855 (844), Wirtschaftspartei 333 (341), Nationalsoz. 131 (128), Unabhäng. 23 (21), Aufw. u. Aufbau 31 (31).


1925
2. Bürgermeister Grüneberg, schon einige Zeit vorher wegen Erkrankung beurlaubt, nimmt mit Abschluß des Vorjahres seine Entlassung und tritt in Ruhestand. Die Kriegerehrungskommission, deren Vorsitzender Pfarrer Kohlmann, hat die Anfertigung eines Heldenbuchs für die Gedächtniskirche beschlossen und beginnt damit. Landrat Raute, vom Minister endgültig bereits im März 1921 ernannt, legt am 31. März altershalber sein Amt nieder und läßt sich in Ruhestand versetzen. Zu seinem Ersatze schickt der Minister, zunächst auftragsweise, den Regierungsrat Brisch aus Oppeln, ursprünglich Maurer und während des Kriegs Matrose. Er tritt sein Amt am 1. April an und wird am 28. Oktober bestätigt. Die höhere Mädchenschule wird mit dem 1. April zu einer Mittelschule umgeformt und nunmehr auch von Knaben besucht. Im Frühjahr wird vom städtischen Bauamt unter Leitung des Oberbausekretärs Kratsch ein Erweiterungsbau des städtischen Freibads Elberitzmühle durchgeführt. Die Baukosten betragen rund 20 000 Mark. Auch beginnt die Stadt, um der immer noch höchst fühlbaren Wohnungsnot zum mindesten etwas mehr Herr zu werden, Wohnhäuser mit zahlreichen größern und kleinem Privatwohnungen auch im Ostviertel zu errichten, wie sie seit mehreren Jahren im Westviertel (Hainstraße) bereits getan hat. Anfang Juli trifft von Mühlhausen i. Th. her der von den Stadtverordneten erwählte z. Bürgermeister Dr. Rudolf Baumgardt hier ein und wird vom ersten Bürgermeister alsbald in sein neues Amt eingewiesen. Er erweist sich nicht nur als begabter Schriftsteller, Verfasser bedeutsamer Novellen und Romane (wie des Novellenbandes "Der Kardinal", des historischen Romans "Erde" u.a.) sowie eines vielfach aufgeführten Bühnenstücks ("Die Nacht der Sibylle Bronsgeest"), sondern auch als formgewandter und nie versagender Redner, wodurch es ihm bald gelingt, in gewisser Weise in führende Stellung zu gelangen, ganz besonders als Mitglied des Kreisausschusses, wozu er noch in dem laufenden Jahre seines Dienstantritts gewählt wird. Am 25. Oktober finden wieder Wahlen statt, und zwar diesmal zum Provinzial-Landtage und den Kreistagen. Sie ergeben eine entschiedene Mehrheit für die bürgerlichen Parteien. An Stelle des verstorbenen Stadtrats Wernicke tritt Stadtrat Fritzsche.


1926
Im Beginne des Jahres stirbt der um das Wohl der Stadt sehr verdiente, auch auf kirchlichem Gebiete stets tatbereite Stadtälteste Ernst Freyberg an der Kopfgrippe, erst 62 Jahre alt. Landrat Brisch mach sich im Februar durch einen unglaublichen Streich unmöglich. Der kurze Bericht eines auswärtigen Blattes darüber sei hier wiedergegeben: "Die Blätter berichten aus Delitzsch, daß dort in der Nacht zu Sonnabend der Landrat Brisch, als er gegen 1/2 3 Uhr den "Schwan" verlassen hatte, vor dem nicht im besten Rufe stehenden Hause Münze Nr. 8 von drei Männern "wegen groben Unfugs und nächtlicher Ruhestörung" festgenommen, verprügelt und zur Wache gebracht worden sei. Er soll, wie die Männer angaben, laut gegen das Fenster einer in dem Hause wohnenden Frau geklopft haben, was er allerdings in Abrede stellt..." Durch die nachfolgende Untersuchung wird zwar kein vollgültiger Beweis für die unverfälschte Wahrheit der gegen den Landrat erhobenen Beschuldigungen erbracht. Doch wird dieser nun im Volke wie in der Presse mit so viel Hohn und Spott beworfen, daß er versetzt werden muß. Am 20. März wird er als Regierungsrat nach Düsseldorf überwiesen. Sein Nachfolger wird Regierungsrat Meister vom Polizeipräsidium Berlin. Er tritt bereits am 21. März, zunächst auftragsweise, sein neues Amt an und wird durch das Preußische Staatsministerium am 13. Aug. als Landrat des Kreises Delitzsch endgültig bestätigt. Am 1. April wird das staatliche Lehrerseminar aufgehoben. Das stattliche Seminargebäude wird regierungsseitig zu einem Behördenhaus in Aussicht genommen. Am 22. August stirbt der schon seit Mai erkrankte und beurlaubte Stadtoberinspektor Gustav Fricke. Während seiner Beurlaubung und bis zur Wiederbesetzung der Stelle führt Magistratssekretär Költsch in Vertretung die Geschäfte des Stadtoberinspektors. Oktober bis Jahresende, Aufhebung der Frauenstrafanstalt in Delitzsch und Abtransport der letzten weiblichen Gefangenen aus dem Schlosse, wodurch dies außer Benutzung gestellt wird. Pfarrer Noack geht in diesem Jahre nach Halle. An seine Stelle tritt Pfarrer Lic. Walter Suckert, zuletzt Pfarrer in Taftungen.


1927
Am Abend des 15. Februar findet im Schützenhaussaale unter großer Beteiligung die Feier des 100jährigen Todestages des großen Schweizer Pädagogen Pestalozzi statt. Festredner ist Rektor Burchardt. Am Abend darauf wird von der schon 1921 begründeten Ortsgruppe des Stahlhelm eine wirksame Protestversammlung gegen die damals von den Linksparteien stark betriebene Reichswehrhetze veranstaltet. Im März beginnt wieder eine Stadtgrabenschlämmung, die diesmal etwa drei Monate in Anspruch nimmt. Das Stadtverordnetenkollegium bewilligt im April zur Beschaffung einer Motorfeuerspritze den Betrag von 10 000 Mark, der durch Anleihe von der Stadtbank entnommen werden soll. Am 12. Mai trifft die Motorspritze auf dem Sorauer Bahnhofe ein und wird von dort feierlich eingeholt Einige Tage vorher schon waren für die Freiwillige Feuerwehr durch die Stadt neue Alarmvorrichtungen beschafft worden, vor allem eine neue Glocke, die ihren Platz an Stelle der dem Kriege zum Opfer gefallenen Breite-Turmglocke im Dachstuhle des Breiten Turms fand und nur bei Feuersnot geläutet werden soll. Sie trägt die Inschrift: Bewahre uns, o Herre Gott, Vor Feuer, Krieg und Wassersnot. Am 1. April wird Stadthauptkassenrendant Georg Schimpf zum Stadtoberinspektorberufen. An seinebisherige Stelle tritt vom 10. Juni ab Georg Hoffmann, dem der Titel Stadtrentmeister verliehen wird. Am 29. Mai, Sonntag Exaudi, wird hier zum ersten Male ein Kirchentag des Kirchenkreises Delitzsch abgehalten. Festgottesdienste finden in der Stadtund der Gedächtniskirche gleichzeitig statt unter stärkstem Zudrange. Ein von mehr als 1000 Teilnehmern gebildeter Festzug begibt sich sodann von der Gedächtniskirche zum Markte, wo Lehrer Bindernagel die Hauptansprache hält und der mitanwesende Generalsuperintendent D. Schöttler, Magdeburg, die Schlußworte spricht. Drei dichtgefüllte Versammlungen schließen sich an: für Frauen im Schützenhof, Männer im Schwan, Jugend in der Gedächtniskirche. Der Sommer ist reich an heftigen, mehrfach von Hagelschlägen begleiteten Gewittern und artet zuletzt in Landregen aus, so daß die Ernte nur unter großen Beschwerden eingebracht werden kann. Jedoch ist der Nachsommer freundlich und warm. Am 16. und 17. Juli wird in Delitzsch das 25jährige Sorbengauturnfest unter Leitungdes Gauvorsitzenden Louis Hampe, Delitzsch, gefeiert. An den am 17. auf dem Schützenhofplatze statthabenden Wettkämpfen beteiligen sich mehr als 1200 Turner und Turnerinnen. Auch das 14 Tage vorher unter Leitung von Studiendirektor Dr. Becker und Bürgermeister Dr. Baumgardt im Delitzscher Schlosse veranstaltete, von wohl 2000 Menschen besuchte große Jugend- und Volksfest verdient chronistisch festgelegt zu werden. Zur ewigen Ruhe geht ein am 30. September im 63. Lebensjahre der ob seines segensreichen Wirkens in mehr als 30jähriger seelsorgerischer Tätigkeit viel betrauerte Archidiakonus Kohlmann. Pfarrer Lic. Suckert rückt in das Amt des zweiten Geistlichen ein. Konrektor Müller tritt nach dem Totenfeste von seinem Amte als Stadtkantor zurück. Die Denktafel der gefallenen Lehrer und Schüler des ehemaligen Seminars wird in die Vorhalle der Kriegergedächtniskirche gebracht.


1928
Rektor Eichtet tritt, nachdem er bereits mehrere Monate lang krankheitshalber beurlaubt gewesen, am 31. März in Ruhestand. Sein Nachfolger, Rektor Karl Miethlich, vorher Seminarlehrer in Genthin, übernimmt die Stelle als Rektor an der Mittelschule zunächst auftragsweise, wird aber bald darauf endgültig bestätigt. Fast um die gleiche Zeit scheidet auch Superintendent Hobbing aus dem Amte. Am Ostersonntag hält er seine Abschiedspredigt Ferner scheidet noch mit dem 31. März Polizeikommissar Stephani aus nach fast 30jähriger treugeführter Amtszeit. An seine Stelle tritt am 1. April Polizeikommissar Karl Schulz. Am 16. Juli beginnt ein neuer größerer Erneuerungsbau in und an der Stadtkirche, ausgeführt unter Zuziehung des Provinzial-Konservators vom hiesigen städtischen Bauamt und dessen Leiter Oberbausekretär Kratsch. Einige Wochen vorher (20. Mai) wieder Reichs- und Landtagswahlen. Verhältnismäßig günstig schneiden ab die Deutschnationalen und die Wirtschaftspartei, letztere mit 1141 bzw. 1142 Stimmen, wogegen die Zahl der nationalsozialistischen Stimmen vorerst noch geringfügig bleibt (103 bzw. 95). Die Stimmenzahl der marxistischen Parteien ist wieder sehr bedeutend und hat gegen früher Zuwachs erfahren (Kommunisten 2415 bzw. 2384, Sozialdemokraten 1628 bzw. 1615). Oktober. Das Schloß geht gegen eine Kaufsumme von 75 000 Mark in den Besitz der Stadt über. Dagegen bleibt das ehemalige Lehrerseminar staatliches Besitztum und wird als Behördenhaus eingerichtet. Noch indenlaufenden Herbstmonaten übersiedeln dorthin: 1. das Amtsgericht, 2. das Staatshochbauamt, 3. Katasteramt, 4. Staatl. Kreiskasse, 5. Zollamt, 6. Finanzamt. Außerdem wird dort eine Zweigstelle der Stadtbank untergebracht. Am 21. Oktober, 13 1/2 Uhr, findet in der Gedächtniskirche die Einführung des Superintendenten Wilhelm Fries durch Generalsuperintendent D. Schöttler, Magdeburg, statt. Auftragsweise wird am 13. November dem Pfarrer Walter Sichert aus Wolmirstedt die hiesige dritte Pfarrerstelle übertragen. Am 17. Dezember sehen sich die Bewohner unserer Stadt plötzlich ohne Leitungswasser. Die Ursachen des Versagens der Wasserversorgung sind zu suchen: 1. in zu starker Versandung des Sammelschachtes und 2. in einer Luftbildung in der kürzlich gereinigten Saugeleitung. Die notwendige Inkrustierung in der letzern ist beseitigt, weshalb die Luft nicht mehr abgesaugt werden kann, so daß vor den Pumpen ein Luftsack entstanden ist. Außer 4 neuen Filterbrunnen ist von den 4 alten Brunnen nur noch einer im Betriebe. Bis zur notdürftigen Beseitigung der eingetretenen Schäden muß die Freiwillige Feuerwehr sechs volle Tage lang (auch die Nächte) mit der neuen Motorspritze eintreten, welch letztere an den größten Kesselbrunnen in der Lindenstraße (gegenüber Café Moltke) angeschlossen wird und das Brunnenwasser in den Leitungsweg drückt. Öffentlich bekannt gemacht wird zugleich, daß dieses nicht gereinigte Brunnenwasser nur in abgekochtem Zustande genossen werden darf.


1929
Infolge der Wasserkalamität sieht sich noch vor Ablauf des alten Jahres der bisherige Dezernent über das Wasserwerk, Stadtrat Graul, gezwungen, dieses Dezernat abzugeben. Stadtrat Fritzsche tritt an seine Stelle. Auch wird noch vor Eintritt in das neue Jahrdie Firma Pfeffer Nachft, Halle S. (Inhaber Ingenieur Müller) mit schleunigster Abstellung der zutage getretenen Mängel beauftragt. Es gelingt auch etwa eine Woche nach dem Versagen der Wasserversorgung, die Leitung wenigstens auf einige Stunden des Tages wieder gebrauchsfähig zu machen. Doch vergeht noch fast ein halbes Jahr, bis alle entstandenen Schäden vollständig beseitigt sind. Zur Beseitigung des Notstandes erweisen sich folgende Maßnahmen als nötig: 1. die Beschaffung neuer Brunnen und neuer Saugleitung; 2. Umbau der alten Entsäuerungsund Enteisenungsanlage; 3. als Betriebsreserve Einbau eines neuen Rohölmotors. Völlig beendet sind diese Arbeiten erst am 3. Juni. Sie erfordern einen Kostenaufwand von mehr als 250 000 Mark. Von weitern Erneuerungsbauten des Jahres sind auszuführen: 1. die Fortführung des Baus an und in der Stadtkirche, dessen Fertigstellung sich noch bis in den Herbst hinzieht. Erst am 29. September (18. Sonnt. n. Trin.) kann die Wiedereröffnungder Kirche durch Festgottesdienst erfolgen, wobei Generalsuperintendent D. Schöttler, Magdeburg, die Festpredigt hält. Nachmittags,von 15 Uhr an, findet zur weitern Feier des Tages eine geistliche Musikaufführung statt, deren Leiter Lehrerund Organist Schrödter ist. Die Kosten dieses Erneuemngsbaus sind auf etwa 85 000 Mark zu veranschlagen. 2. Umbauten am Rathause. Der Umzug des bisher im Rathause mituntergebrachten Amtsgerichts nach dem Behördenhause läßt eine Anzahl Büroräume im Rathause frei werden, die Umbauarbeiten erforderlich machen. Die Räume werden gründlich erneuert, das ganze Gebäude durch die ausführende Firma (Mitteldeutsche Industriewerke, Merseburg) mit Warmwasserheizung versehen und durch Firma Lorenz A. G., Leipzig, mit einer automatischen Telefonanlage, in die auch die Schulen einbezogen werden. Der Stadtverordneten-Sitzungssaal wird durch Errichtung einer Zuschauertribüne erweitert. Kostenaufwand 95 000 Mark in runder Summe. 3. Neubau eines Feuerwehrdepots am Schäfergraben mit Steigerturm und einer für den Gerätewart eingebauten Wohnung. Die Baukosten betragen rund 45 000 Mark. 4. Auch im Schlosse werden einige Umbau- und Instandsetzungsarbeiten vorgenommen, allerdings nur notdürftig, da nur sehr geringfügige Mittel zur Verfügung stehen. Es werden Räume für die vorher in der Pestalozzischule (ehemals Präparandenanstalt) untergebrachte Volksbücherei hergestellt, desgleichen solche zur Aufnahme des zuvor in der Mittelschule befindlich gewesenen Heimatmuseums. Die Umräumung des letztern kann erst im Oktober unter Beihilfe von Schülern der Oberrealschule durch den Vorsitzenden des Museumsvereins, Justizrat Dr. Schulze, und dessen Angehörige sowie einige andere Helfer vorgenommen werden. Die Eröffnung des Museums in den neuen Räumen wird mit einer Feier verbunden, in der außer von Justizrat Dr. Schulze noch Ansprachen gehalten werden von dem aus Schkeuditz eingetroffenen Superintendenten i.R. Schäfer, dem frühern Vorsitzenden des Museumsvereins, sodann dem Leipziger Stadtmuseumsdirektor Dr. Schulze als Vorsitzendem der Vereinigung mitteldeutscher Heimatmuseen; Bürgermeister Dr. Baumgardt als Vertreter der Stadt und Rektor Burchardt, der die Verdienste des derzeitigen Vorsitzenden würdigt... Zur Unterbringung Obdachloser werden noch Wohnräume in einem Nebengebäude des Schlosses geschaffen. In diesem Jahre wird endlich auch die dringend notwendige Neupflasterung der Hauptverkehrstraßen der Stadt vorgenommen. Die 700 m lange Gitterfelder Straße erhält bis auf den Teil vor der Knabenschule, der asphaltiert wird, Kleinpflaster und wird nach angemessener Erweiterung mit einem Radfahrerwege ausgerüstet, die Kohlstraße wird durch die "Deutsche Aspahlt A.-G., Leipzig", mit Hartgußasphalt versehen, der Roßplatz durch je eine Schicht von Steinmehl und Schotter befestigt und durch besondere Bordkante abgegrenzt. Nebenbei wird auch die Querstraße noch umgepflastert und kanalisiert, welch letzterer Vorteil auch der verlängerten Körnerstraße, der Freiherr von Steinstraße, der Angerstraße und Straße A 1 zuteil wird. Die Fußgängerbrücke über den Leber an der Elberitzmühle wird vollständig erneuert. Zur Anschaffung kommt auch ein alsbald in Betrieb genommener Motorsprengwagen. Die Gesamtkosten fürPflasterungbetragen in diesem Jahre rund 214 000 Mark. Mit Beginn dieses Jahres werden die ländlichen Gutsbezirke aufgelöst. In der Nacht des 15. März verunglückt der Polizeisekretär Martini, indem er nach Verlassen der Gastwirtschaft Elberitzmühle beim Überschreiten des Hochwasser führenden Lobers wahrscheinlich von einem Schwindel erfaßt wird und in die Fluten stürzt, von denen er fortgerissen wird. Magistratssekretär Albin Bottger wird sein Nachfolger (ernannt am 1. August). Der schon seit dem Vorjahre hier tätige dritte Geistliche, Pfarrer Siebert, wird am 10. Februar gewählt und am 5. Mai eingeführt. Mitte Mai wird das durch die Baumeister Metzner und Zerner im Schützenhofe neuerbaute Keglerheim, dessen Baukosten ungefähr 32 000 Mark betragen, feierlich eingeweiht. Am 10. Jahrestage der Unterzeichnung des Versailler Friedens (28. Juni) findet auf dem Marktplatze gegen Abend eine große Kundgebung statt, wobei Studienrat Dr. Eckstädt die Ansprache hält und der Vorsitzende des Kreiskriegerverbands, Bankdirektor Bosselmann, eine an die Reichsregierung zu richtende Entschließung zur öffentlichen Kenntnis bringt. Ein von Pfarrer Siebert in der Gedächtniskirche abgehaltener Trauergottesdienst schließt sich an. 3. Oktober. Ableben des Reichsaußenministers Stresemann, des Befreiers der Rheinlande von feindlicher Besetzung. Studiendirektor Dr. Mayer aus Lichterfelde tritt hier im Oktober auf einige Wochen als Direktor der Oberrealschule in Tätigkeit, kehrt aber, da ihm von der Stadtbehörde nicht das nötige Entgegenkommen gezeigt wird, bald wieder an den Ort seiner früheren Wirksamkeit zurück. Der Fall wird am 30. Oktober Gegenstand einer Verhandlung im Stadtparlamente. Ein gegen die Weitererfüllung des Youngplans gerichtetes Volksbegehren (2. Nov.) findet die nötige Unterstützung. Im Kreise Delitzsch zeichnen sich von mehr als 51 000 Wahlberechtigten 10 309 in die ausliegenden Listen ein. Einer Rieselfeldgenossenschaft, die sich behufs Schaffung einer ausreichenden Kläranlage unter dem Vorsitze von Landrat Meister gebildet hat, tritt der Magistrat bei. 17. November (Sonntag) Provinziallandtags-, Kreistags- und Kommunalwahlen. Die Delitzscher Stadtverordnetenwahl ergibt für die Bürgerlichen und Marxisten Stimmengleichheit (13 :13). Dasselbe ist im Kreistage der Fall. Bürgermeister Dr. Baumgardt wird Abgeordneter des Provinziallandtags. Am 17. Dezember wird Stadtv. Geithe (KPD.) für eine Sitzung zum Vorsteher gewählt. Unbesoldete Stadträte werden die drei Bürgerlichen Tauche, Rechnungsrat i.R. Schmidt und Fritzsche, ferner Hampe (SPD.), Gebhardt (KPD.), Kotze (KPD.). Eine schon länger von der Postverwaltung geschaffene Personenautoverbindung nach Löbnitz und Düben wird der schlechten Verbindung wegen bemängelt.


1930
7. Januar. Der neue Studiendirektor Dr. Eduard Letz aus Halle wird durch Oberschulrat Dr. Zipperling, Magdeburg, in sein neues Amt als Direktorder Oberrealschule eingeführt. In der ersten Stadtverordnetensitzung des Jahres (21. Januar) wird nach drei Wahlgängen Stadtv. Buhle (SPD.) zum Vorsteher gewählt. Stellvertreter wird der in der letzten Sitzung des Vorjahres für diese eine Sitzung zum Vorsteher gewordene Stadtv. Geithe (KPD.), ein Amt übrigens, das in der ganzen Zeit der bürgerlichen Führung dem Stadtv. Rektor Hansjürgens zuerkannt war. Die Freiwillige Sanitätskolonne vom Roten Kreuz feiert am 6. September das Fest ihres 25jährigen Bestehens. Zwei der Kolonne noch angehörende Mitbegründer, Schützler und Hecker, erhalten Auszeichnungen. Der Zentrumsmann Brüning wird Reichskanzler, und es beginnt die Periode der Notverordnungen und der unter dem Namen "Notopfer" vorgenommenen Gehaltskürzungen der Beamten und Angestellten. Am 18. Juli wird auf Betreiben des Kanzlers der Reichstag aufgelöst, um durch Neuwahlen eine sichere Regierungsmehrheit zu erlangen. Letztere finden am 14. September statt und ergeben für die Nationalsozialisten einen ungeheuern Wahlerfolg. 6 400 210 Wählerstimmen für die NSDAP, die infolgedessen 107 Mandate erringt. Im übrigen erleiden die bürgerlichen Mittelparteien eine Niederlage, weshalb eine Regierungsmehrheit nicht zustande kommt. In mehrfachen Sitzungen gelangen die Stadtverordneten nicht zur Aufstellungeines Haushaltsplanes, weshalb ein solcher im Oktober von der Merseburger Regierung festgesetzt wird. Die Stadt erhebt dagegen Beschwerde beim Provinzialrat, jedoch ohne Erfolg. Das von den Körperschaften beschlossene umfangreiche Wohnungsbauprogramm kommt zur Durchführung. Am Wasserwerk wird ein Gebäudekomplex, 40 Wohnungen enthaltend, errichtet. Ausgeführt wird der Bau von der Mitteldeutschen Heimstätten-Wohnungsfürsorge, G.m.b.H. Merseburg. Die Gesamtkosten betragen in runder Summe 378 000 Mark, wovon 168 000 Mark durch Aufnahme einer Hypothek, 160 000 durch Inanspruchnahme der Hauszinssteuer, der Rest durch Anleihe bei der Stadtbank gedeckt werden. Dieprivate Bautätigkeit ist diesmal geringer als in den vorherigen Jahren; doch werden immerhin hauptsächlich durch die hierorts bestehenden Bauvereine und Genossenschaften, 33 Grundstücksneubauten mit 106 Wohnungen und 2 Läden aufgeführt. Außerdem werden noch 17 Neu-, An-und Umbauten von Wohnungen an bereits vorhandenen Grundstücken vorgenommen. Auch der von den städtischen Körperschaften beschlossene Krankenhausumbau kommt zur Ausführung. Der mitvorgesehene Neubau eines Krankenpavillons wird von der Firma Christoph und Unmack, Niesky, geliefert; die Instandsetzungs- und Umbauarbeiten führen hiesige Handwerksmeister und Gewerbetreibende aus. Im Schlosse werden noch etliche kleinere Umbauten vorgenommen, so die Herrichtung weiterer Obdachlosenräume und die Errichtung eines Kinderhorts. Der Kostenaufwand für letztere (2000 Mark) wird von der Stadtsparkasse hergeliehen. Den Straßenbau anlangend, wird der Gerberplan aus laufenden Mitteln mit einer Kaltasphalidecke versehen. Ferner wird die Straßendecke des an die Provinzialstraße anschließenden Teils der Dübenerstraße neu grundiert und mit einer Heißteerdecke überzogen. Zur Kostendeckung gewährt der Kreis eine Beihilfe von 6500 Mark. Durch den Kreis bzw. die Rieselfeldgenossenschaft wird bei Schenkenberg eine Rieselfeldanlage geschaffen, zu deren Kostendeckung die Stadt 17 500 Mark beiträgt. Der Polizeikommissar Schulz, infolge seiner Vorliebe für den Trunk und sein oft würdeloses Auftreten bereits unbeliebt geworden, macht sich am 12. Juli spät abends nach der Rückkehr von einem in Zschortau bei einem Tanzvergnügen durchlebten, für ihn beschämenden Abenteuer dadurch vollends unmöglich, daß er in hiesigen Lokalen Streitigkeiten beginnt und wüsten Lärm anschlägt, so daß er gewaltsam zur Wache gebracht werden muß. Er wird anderen Tags sofort seines Amtes vorläufig enthoben und, da sich später, im Laufe der nachfolgenden Untersuchung herausstellt, daß er zur Erlangung der Kommissarstelle eine Fälschung begangen, die ihn in Zwiespaltmitden Strafgesetzen bringt, fristlos, ohne Gewährung von Ruhegehalt entlassen. Als Ersatz wird Polizeimeister Hiller von Halle abkommandiert, der die Geschäfte vom 27. August bis 11. Januar 1931 versieht.


1931
Die Neujahrsnacht verläuft in Delitzsch sehr unruhig. Ausschreitungen nötigen die Polizei mehrfach, mit Hilfe von Gummiknüppeln die Straße zu räumen. Für Polizeimeister Hiller tritt am 11. Januar Polizeileutnant Mühle ein. In der am 4. Februar tagenden Stadtverordnetensitzung wird Gewerbeoberlehrer Stadtv. Scharruhn im 3. Wahlgange mit 13 gegen 11 Stimmen (2 Zettel unbeschrieben) zum Vorsteher gewählt. Stellvertreter wird, nachdem die Stadt¢ Buhle und Richter abgelehnt hatten, gleichfalls im 3. Wahlgange, Stadtv. Freitag. Die Erwerbslosenzahl steigert sich erheblich. Der Kreis Delitzsch hat in diesem Jahre 2,5 Millionen Mark Wohlfahrtsausgabe. Der Stahlhelm leitet ein Volksbegehren über Auflösung des preußischen Landtags ein, das am 21. April zum Abschluß gelangt und erfolgreich ist. Im Kreise Delitzsch beträgt die Beteiligung 32 Prozent aller Wahlberechtigten. Deram 9. Augustnachfolgende Volksentscheid dagegen verläuft ungünstig, da sich im Lande nur 37,1 % der Wahlberechtigten für die Auflösung erklären, während 50 % nötig sind. In Delitzsch beträgt die Beteiligung 49,3, im Kreise gar 59,3 %. Im Mai tritt erneute Gehaltskürzung der Beamten und Angestellten ein. Anfang Juli wird die Darmstädter Nationalbank illiquid, wodurch sich die Schwierigkeiten des gesamten Finanzwesens im Reich noch wesentlich steigern. Nach einer Bekanntmachung vom 13. Juli, der zwei Tage später eine neue Notverordnung folgt, muß eine Rationierung der Gehaltszahlungen eintreten, die künftig zunächst halbmonatlich erfolgen, später sogar in drei Teilbeträgen, am 1., 11. und 21. des Monats. Die Zahl der Erwerbslosen steigt weiter in erheblicher Weise. Die Bautätigkeit ist eine weit geringere als im Vorjahre. Neubauten, und zwar deren 4, werden lediglich durch den Bauverein für Eisenbahnbeamte und -arbeiter e.G.m.b.H., Delitzsch, in Angriff genommen und durchgeführt. Die Gebäude mit insgesamt 24 Wohnungen werden errichtet in der Anger- bzw. Lindenstraße. Die Stadt beschränkt sich auf den weiteren Ausbau der neuerrichteten Häusergruppe am Wasserwerk (Bitterfelderstraße 54-78) und weitere Umarbeiten im Schloßgrundstücke, die sich als nötigerweisen, um für die Hilfsschule und die Kaufmännische Berufsschule geeignetere Klassenräume zu schaffen. Außerdem werden das alte GefängnisEingangstor sowie die an der Schloßpromenade entlang führende alte Gefängnismauer abgebrochen, wodurch ein schönerer Anblick erzielt wird. Alle diese Neubauten erfordern einen Kostenaufwand von gegen 31 000 Mark. Ende September tritt Mädchenschulrektor Burchardt in den Ruhestand. Bis zum Eintreffen eines neuen Rektors versieht die Geschäfte in Vertretung Konrektor Müller. Am 5. November wird die Wohnungszwangswirtschaft aufgehoben.


1932
Ein Jahr voller Unruhe für den Staatsbürger, der in diesem bewegten Zeitabschnitt nicht weniger als fünfmal zur Wahlurne schreiten muß. Zweimal wegen der Reichspräsidentenwahl, da Hindenburg bei der ersten Wahl (13. März) gegenüber den anderen Kandidaten (Hitler, Duesterberg, Thälmann) wohl eine starke Mehrheit erhält, nämlich über 18 Millionen Stimmen, aber noch nicht die völlig absolute. Erst im zweiten Wahlgange (10. April) wird diese mit über 19 Millionen von mehr als 36 Mill. Wahlbeteiligten überschritten. In Delitzsch erhält Hindenburg bei dieser zweiten Wahl 3 740 von 10 917 Stimmen, Hitler deren 3282 und Thälmann 2146, im Kreise Delitzsch von 57 791 Stimmen Hindenburg 15 638, Hitler 20 633 und Thälmann 11 254. Die nächste Wahl (24. April) gilt dem preußischen Landtage, für dessen Abgeordnete die Wahlperiode abgelaufen. Sie erbringt den Beweis eines weitern Vordringens der NSDAP., deren Fraktion von 9 auf 160 Mitglieder steigt. Die Sozialdemokraten verlieren mehr als 40 Sitze, ebenso allerdings auch die Deutschnationalen, während die Mittelparteien fast ganz zerrieben werden. Nur die Kommunisten können einen mäßigen Gewinn verzeichnen. In Delitzsch beträgt die Stimmenzahl der NSDAP 3191, SPD. 1238 Stimmen, KPD. 2130 St., DNVP. 468, Soz. Arb.-PD. 342, Deutsche Volksp. 310. Die übrigen meist unter 200 Stimmen bleibenden Parteien kommen nicht mehr in Betracht. Im Kreise werden an Stimmen gezählt: NSDAP 19 333, KPD. 11 788, SPD. 7388, DNVP. 2127, Landvolk 1316. Alle andern Parteien unter 1000. Die nach Rücktritt des Kabinetts Brüning (30. Mai) unter Kabinett von Papen nach erfolgterAuflösung (4. Juni) für 31. Juli ausgeschriebenen Reichstagsneuwahlen bringen der NSDAP. 230 Mandate ein; SPD. erhält deren 133, KPD. 88, DNVP. 37, Zentrum und bayr. Volkspartei zus. 96. Die übrigen sind nur noch als Splitterparteien anzusprechen. Stimmenergebnis in Delitzsch: NSDAP 3373, SPD. 1941, KPD. 2766, DNVP. 567, Zentr. 203. Alle andern unter 200. Gesamtzahl: 9307. Im Kreise: Gesamtstimmzahl 47 721, NSDAP 20 590, SPD. 8512, KPD. 13 464, DNVP. 2490. Alle andern unter 1000. Reichstagswahl am 6. November (nach abermaliger Auflösung) NSDAP nur noch 195 Mandate (Einbuße 35) SPD. 131, KPD. 100, Zentr. und. bayrische Volksp. 88, DNVP 51, Deutsche Volkspartei 11. Stimmenzahl in Delitzsch: Insgesamt 8831, NSDAP. 2662, SPD. 1472, KPD. 2854, DNVP. 777, Deutsche Volkspartei 282. Alle andern unter 200. Im Kreise: lnsgesamt 64 228, NSDAP 17 074, SPD. 7741, KPD. 14 169, DNVP 4823, Deutsche Volksp. 946. Alle andern weit unter 1000. Das Kabinett von Papen tritt am 18. November zurück. Am 2. Dezember wird General von Schleicher zum Reichskanzler ernannt. Einige Angaben von rein ortsgebundener Färbung seien noch angeschlossen: Im Anfange des Jahres wird mit Schulbeginn der neue Rektor der Mädchenschule, Otto Schiedt, vorher Lehrer in Alsleben, durch Kreisschulrat Sehmisch in sein Amt eingeführt. 20. Januar wieder Vorstandswahl in der ersten Jahressitzung der Stadtverordneten. Vorsteher wird wieder Stadtv. Gewerbeoberlehrer Scharruhn, Stellvertreter Kreisausschußobersekretär Richter. Polizeileutnant Mühle wird am 5. März abberufen. An seine Stelle tritt Polizeikommissar Göpel. 22. März Feier des 100 jährigen Todestages des großenDichters Goethe. Die Gedenkrede hält in der Oberrealschule Studienrat Dr. Simon, in der Mittelschule Mittelschullehrer Joel, in der Knabenvolksschule Lehrer Schenke, in der Knabenvolksschule Lehrer Schenke, in der Mädchenschule Lehrer Hirschfeld. Die Hindenburgstraße und der anschließende Teil der Leipzigerstraße bis zum Bahnübergange werden erneuert. Erstere erhält einen Hartgußasphaltüberzug, was übrigens auch mit einem Teile der Schulstraße, vor der Mittelschule, geschieht, der betr. Teil der Leipzigerstraße wird mit Kleinpflaster versehen. Die Kosten können diesmal gedeckt werden durch eine Beihilfe der Gesellschaft für öffentliche Arbeiten, Berlin, im Betrage von 46 500 RM in Verbindung mit einer Zuwendung der Reichsanstalt zur Bauförderung in Höhe von 6175 Mark. Der diesjährige Haushaltsplan der Stadt weist einen ungedeckten Fehlbetrag von 346 000 Mark auf, davon allein 321 000 Mark im Wohlfahrtshaushalt. Die Erwerbslosenziffer steigt weiter in beunruhigender Weise und beträgt im letzten Monat des Jahres weit über 6 Millionen. 14. Dezember, letzte Stadtverordnetensitzung.


1933-1934
Vorbemerkungen
Es wird späteren Arbeiten von Historikern und Heimatforschern vorbehalten bleiben, die Geschichte unserer Stadt in den Jahren von 1933 bis 1945 umfassend darzustellen und die Ereignisse historisch zu werten. Reulecke beendete seine Chronik 1934 und nahm bei der Interpretation Wertungen vor, die einer kritischen Betrachtung nicht standhalten. Bestimmte Ereignisse, wie zum Beispiel der Reichstagsbrand, sind erst später im Hinblick auf Ursachen, Beweggründe und Ziele in ihrer historischen Wahrheit erkannt worden. Deshalb muß in der vorliegenden Überarbeitung der Chronik von Reulecke für diese beiden Jahre von seiner Darstellung Abstand genommen werden. Trotzdem sind zahlreiche, von Reulecke zusammengetragene Fakten dieser beiden Jahre bedeutsam und werden in den nachfolgenden Ausführungen genutzt.
Alfred Schirmer

1933
30. Januar:
Hitler wird nach dem Rücktritt der Regierung Schleicher zum Reichskanzler berufen. Es beginnt der systematischer Abbau der Demokratie und die Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur. Der Reichstag und der preußische Landtag werden aufgelöst. Neuwahlen werden für den 5. März angekündigt.
3. Februar:
In Delitzsch finden ein Fackelzug und eine Kundgebung statt. Veranstalter sind die NSDAP und der Stahlhelm.
7. Februar:
Eine für den 7.2. von den Gewerkschaften geplante Demonstration wird polizeilich verboten, findet aber trotzdem statt. Ca. 800 Teilnehmer marschierten mit "Niederrufen" durch die Breite Straßezum Marktplatz. Polizei und Landjägerbeamte treiben die Demonstranten mit dem Einsatz von Gummiknüppeln auseinander.
27. Februar:
Der Reichstagsbrand in Berlin, von der Parteiführung der NSDAP bewerkstelligt, angeblich von dem holländischen Kommunisten van der Lubbe "und einigen unbekannt gebliebenen Helfershelfern" angestiftet, dient der Regierung Hitler zum Vorwand für die Ausschaltung politischer Gegner, deren Verhaftung und Inhaftierung in Gefängnissen, Zuchthäusern und Konzentrationslagern.
5. März:
Die Reichstags- und Landtagswahlen, auch die Wahlen zu den ProvinzialKreistagen und Stadtverordnetenversammlungen am 12. März sind im Hinblick auf die Maßnahmen gegen politische Gegner der NSDAP nicht als freie, demokratische Wahlen zu bezeichnen. Trotzdem sollen hier einige Ergebnisse genannt werden:
Wahlergebnisse Delitzsch Reichstag:

NSDAP

4069

39,8 %

SPD

1523

14,9 %

KPD

2893

28,2 %

Kampffront schwarzweißrot

1045

10,02%

Zentrum

214

2,4 %

übrige 4 Parteien unter 200

 

4,7 %

Gesamtstimmzahl = 10 230

 

 

Wahl der Stadtverordneten Delitzsch:

NSDAP

12

Mandate

SPD

3

"

KPD

6

"

Kampffront S-W-R

4

"

Bürgerliche Mitte

1

"

19. März:
Treffen der NS-Organisation des Kreises in Delitzsch auf Anordnung der Reichsleitung der NSDAP
21. März:
Eröffnung des Reichstages in der Garnisonskirche in Potsdam. In Delitzsch Fackelzug.
24. März:
Annahme des Ermächtigungsgesetzes im Reichstag, wonach der Reichsregierung diktatorische Gewalt zugesprochen wird. In Delitzsch tritt auf Veranlassung der Kreisleitung der NSDAP der erste Bürgermeister Böttcher wegen Erkrankung einen Erholungsurlaub an. Er kehrt nicht wieder in sein Amt zurück und wird in den Ruhestand versetzt. Ein Sexualverbrecher macht sich eines Mordes schuldig und wird nach dem Urteil des Schwurgerichts in Halle hingerichtet.
8. April:
Eröffnung des Kreistages durch Landrat Meister.
11. April:
Erste Sitzung des neuen Stadtparlaments. Ansprache durch den Bürgermeister Dr. Baumgardt. Anwesend sind nicht die marxistischen Stadtverordneten, von denen sich die meisten in Schutzhaft befinden. Stadtverordnetenvorsteher wird Herr Spangenberg, Stellvertreter Herr Platen (beide NSDAP). Unbesoldete Stadträte:
Herr Klärung - NSDAP (Kreisleiter)
Herr Hofmann- NSDAP
Herr Darre - NSDAP
Herr Rauchhaus - NSDAP
Herr Leichen - NSDAP
Herr Kieler - Kampffront Schwarzweißrot
Es wird beschlossen, Hitler das Ehrenbürgerrecht anzutragen.
29. April:
Gedächtnisfeier des 50. Todestages von Schulze-Delitzsch am Nachmittag vor dem Denkmal, am Abend im Schützenhaus. "Es setzt nunmehr ein in deutschen Landen bisher noch nie erlebtes und fast unerhört zu nennendes Gleichschaltungswerk ein. Die politischen Parteien, die Gewerkschaften, Vaterlandsverbände, Militärvereine, Innungen, Sportvereine, Lehrervereine u.a., alles wird gleichgeschaltet und der Hitlerbewegung eingereiht, auch die Kulturverbände, Schriftsteller-, Bühnenkünstler-und andere Vereinigungen, auch die hiesige Freiwillige Feuerwehr, deren Führer Schlossermeister Hermann Mietzsch ist. Auch auf kirchlichem Gebiet finden Einheitsbestrebungen statt. Es bildet sich die Vereinigung der "Deutschen Christen", der sich allerdings innerhalb der evangelischen Kirche der "Notbund" entgegenstellt. Vor allem werden umfassende Anstalten getroffen, der brennenden Frage der Arbeitslosigkeit beizukommen. Eine der ersten Handlungen der neuen Regierung ist die Einrichtung des "Freiwilligen Arbeitsdienstes". Auch nach Delitzsch wird ein Arbeitslager verlegt, und zwar in die außer Betrieb gesetzte Bauer'sche Walzenmühle. Es wird die sich über das ganze Reich erstreckende "Arbeitsfront" gebildet mit über 40 Millionen Mitgliedern. In Delitzsch erfolgt die Umbenennung folgender Straßen und Plätze:

"Marienplatz" in Adolf-Hitler-Platz"
"Am Stadtpark" in ""Tannenbergstraße"
"Rathenaupromenade" in "Kaiser-Wilhelm-Ring" bzw. "Auguste-ViktoriaRing"
"Schloßpromenade" in "Schulze-Delitzsch-Ring"
"Dübener Straße" in "Hermann-Göring-Straße"
"Dübener Vorstadt" in "Dübener Straße"
"Gartenstraße" in "Langemarckstraße"
"Nordstraße" in "Schlageterstraße"
"Nordplatz" in "Horst-Wessel-Platz"
"Lindenstraße" in "Albert-Böhme-Straße"
Die neue, vom Schulze-Delitzsch-Ring nach dem Rosenthale führende Straße wird "Oskar-Reime-Straße" genannt.

26. Mai:
In Delitzsch wird eine Wasserverwertungsgenossenschaft gegründet. 5 Bevollmächtigte der 4 Rieselgebiete des Kreises Delitzsch werden gewählt.
21.-25. Mai:
Jubelfeier des 75jährigen Bestehens der Mittelschule. Die Leitung dazu hat Direktor Miethlich. Wettspiele, Elternabend, Wiedersehensfeier, 2 Theaterstücke ("Die zertanzten Schuhe", "Doktor Allwissend") stehen im Programm und finden großen Anklang.
16. Juni:
Die Volkszählung für die Stadt ergibt:

Bewohnte Grundstücke

1356

 

selbständige Haushaltungen

4972

 

 

 

 

männliche Personen

8085

 

weibliche Personen

8462

     zusammen: 16 547

 

 

 

für den Kreis Delitzsch:

 

 

männliche Personen

42 172

 

weibliche Personen

43 064

     zusammen: 85 236

1. Juli: Die Kreissparkasse feiert ihr 75jähriges Jubelfest
23. Juli: Der Gemeindekirchenrat setzt sich wie folgt zusammen: 8 Vertreter der Glaubensbewegung "Deutsche Christen" und 4 Vertreter aus dem bisherigen Gemeindekirchenrat.
25. Juli: Der Gesangverein "Abendstern" ehrt treue Mitglieder: Die Sangesbrüder Lehmann und Schüßler für 50jährige Mitgliedschaft, der Sangesbruder Exner, der gerade 80 Jahre alt wird, für 64jährige aktive Mitarbeit. Im Schützenhof erfolgt der Erweiterungsbau von 20 Kleinkaliberständen, wovon 10 vollständig ausgebaut werden.
1. August: Heimatschriftsteller Reulecke beginnt in dem seit einem Jahre von der Buchdruckerei Robert Günther, Schulstraße 13, herausgegebenen Tageblatte "Delitzscher Nachrichten" die Herausgabe der vorliegenden Chronik.
2. und 3. September: Feier des 75jährigen Bestehens der Oberrealschule. Festredner ist Studienrat Dr. Müller. Geehrt wird das Hausmeisterehepaar Heese. In der Hauptfeier am 3. September in der Kirche hält Pfarrer Scholl, Salzelmen, ein ehemaliger Schüler der Schule, die Festpredigt. Etliche Tage später gerät der Kreisdeputierte Kreisleiter Klaning in Zwiespalt mit Landrat Meister, der ihm jede Ausübung seiner Amtstätigkeit wegen Gefährdung der Staatsautorität vorläufig untersagt. Infolgedessen wird er vom Gauleiter Staatsrat Jordan als Kreisleiter der NSDAP beurlaubt und Ende des Jahres in gleicher Eigenschaft nach Torgau versetzt. Kreisleiter in Delitzsch wird zunächst, später endgültig, Hugo Schimpf. Generaldirektor Albert Böhme spendet mehrere tausend Mark zur Einrichtung von Parkanlagen an der Badeanstalt. Kurz vorher, am 1. September, findet die Übergabe der nunmehr "Viktoriabad" genannten Warmbadeanstalt an den neuen Pächter Willy Fuchs statt, womit zugleich die Einweihung des Bades zu einem Eisen-Moorbade verbunden wird. In der Umgebung des Bades und auch an anderen Stellen wurden nämlich reichhaltige Moorablagerungen gefunden, die sich nach mehrfachen, durch erste Autoritäten vorgenommene Untersuchungen, als hochwertig zu Heilzwecken herausstellten, und die hoffnungsvolle Aussicht eröffnen, daß die Stadt Delitzsch binnen absehbarer Zeit zu einem gern besuchten Kurorte aufrücken werde.
7. Oktober: 25-Jahr-Feier des Eisenbahnausbesserungswerkes im Schützenhof. Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund, Reichstagsauflösung in der Absicht, das Volk zu befragen, ob es die Politik des Kanzlers bewilligt. In Delitzsch wird das "Winterhilfswerk" vorbereitet. An der Spitze: Bürgermeister Dr. Baumgardt und Frau Direktor Aumüller. Die Erwerbslosenzahl im Kreise Delitzsch ist von 4275 am 15. März auf 1524 am 1. November zurückgegangen.
12. November: Reichstagsneuwahlen sowie Volksabstimmung über Bewilligung oder Verwerfung der Reichspolitik. Da es Parteien nicht mehr gibt und eine Einheitsliste aufgestellt ist, kann es sich nur noch um ein "Ja" oder "Nein" bzw. ein Anerkennen oder Ablehnen der Liste handeln. Ergebnisse: Stadt "Ja" 9980 (rd. 89 °/"), "Nein" 832, ungültig 321.
19. November: Feier des 450. Geburtstages Dr. Martin Luthers. In der Kirche sprechen Superintendent Fries und Pfarrer Siebert, am Abend im Schützenhofe Pfarrer Lic. Suckert. 75-Jahr-Feier der 1858 durch Rektor Giesel begründeten Fortbildungsschule und heutigen Berufsschule (seit 1920). Die kaufmännische Schule wurde 1900 Pflichtschule, die Berufsschule 1907. Da Rektor Hans-Jürgens am 1. Juli dieses Jahres die Leitung niederlegte, führt diese zur Zeit auftragsweise der 1930 hierher berufene Gewerbeoberlehrer Wendenburg.


1934
1. Januar:
Die bisherigen städtischen Körperschaften werden aufgehoben. Lediglich dem Bürgermeister wird nach dem Führerprinzip die vollziehende Gewalt und alle Verantwortung in bezug auf kommunalpolitische Fragen zugesprochen. Ein vom Regierungspräsidenten auf Vorschlag des Gauleiters der NSDAP zu berufender Gemeinderat, dessen Mitglieder Ratsherren heißen, ist künftig dem Bürgermeister als beratendes Organ beigeordnet. Die bisherigen Stadträte heißen daher Beigeordnete. Zu den Sitzungen ist die Öffentlichkeit nicht mehr zugelassen. Am Abend des 15. Februar findet im Rathaus-Sitzungssaal die erste Gemeinderatssitzung statt.
Ende Januar: Polizeikommissar Göpel wird als nicht berufsmäßig vorgebildet seines Amtes enthoben und die Kommissarstelle eingezogen. Polizeimeister Tuschling wird mit der Führung der Polizeigeschäfte betraut. Als dieser mit dem 31. Mai in Ruhestand tritt, wird sein Nachfolger vom 1. Juni an Polizeimeister Fritz Faust aus Hettstedt.
1. Februar: In Ruhestand tritt Kasseninspektor Jungnickel, sein Nachfolger wird Büroinspektor Schaaf. NeueTitel werden verliehen an folgende Beamte:
Schimpf – Stadtbürodirektor
Kratsch - Stadtbauinspektor Heinecke-Stadtbüroinspektor Hoffmann - Stadtoberrentmeister Enke - Stadtbüroinspektor Paduch -Sparkasseninspektor
Kölzsch - Stadtobersekretär
Path - Stadtsekretär
18. und 19. Juni:
Der Erzbischof von Paderborn, Dr. Kaspar Klein, hält sich hier 2 Tage auf, um zu firmen.
30. Juni: Die "Röhm-Affaire". Am Tage nach der Erschießung der Verschwörer und Mitverschworenen wird in Delitzsch der bisherige Standartenführer Dr. von Saal verhaftet und nach Halle überführt. Die Untersuchung war bei Abschluß dieser Chronik noch nicht beendet. Außer einigen Straßenumpflasterungen läßt die Stadt einen neuen Verkehrsweg zwischen Eilenburger- und Bismarckstraße herstellen unter Abbruch des von ihr gekauften Hauses Grünstraße 26. Das Jahr 1934 ist ein noch schlimmeres Trockenjahr als das Vorjahr 1933. Das ganze Frühjahr über bis in den Sommer hinein fast kein Regen, weshalb die Getreideernte geringwertig ist, Hackfrüchte und Futterkräuter verkümmern. Nach Mitteilung des Bürgermeisters Dr. Baumgardt sind im Vorjahr 64 Kleinsiedlungen im Weichbild entstanden, und neue sind im Bau. Damit beendete Reulecke seine Chronik, für deren Erarbeitung er Achtung und Anerkennung der Delitzscher Bürger verdient. Seiner fleißigen Arbeit verdanken wir, daß die Lehmannsche Chronik fortgeführt wurde, so daß eine außerordentlich bedeutsame chronistische Zeitfolge bis zum Jahre 1934 vorliegt.


Delitzscher Stadtchronik - 1933-1945

(Quelle: Delitzscher Stadtchronik, verfasst von der Arbeitsgruppe Stadtchronik; Teil VIII, 1933-1945; hrsg. von der Stadtverwaltung Delitzsch 1996.)

Vorwort

Chronisten, die sich mit der Aufzeichnung der örtlichen Geschichte unserer Heimatstadt beschäftigen, können nicht darauf verzichten, die Geschehnisse im größeren Bereich zu berücksichtigen. Was in der Hauptstadt für das ganze Land beschlossen und in Gang gesetzt wurde, bildete die Grundlage für das örtliche Geschehen. Wir gehen davon aus, daß es bei der Betrachtung der hier aufgezeigten Ereignisse in Delitzsch seit 1933 manchem Betrachter schwerfallen könnte, die Hitlersche Kriegspolitik, die Judenverfolgung und deren Vernichtung vom ersten Tage der Herrschaft der NSDAP in ihren Grundzügen zu erkennen, zumal die Kriegspolitik unter einem Nebelvorhang von Friedensbeteuerungen und Angeboten von Nichtangriffspakten getarnt war. Diejenigen, die nicht Zeitzeugen der Ereignisse von 1933 - 1945 waren, haben uns oft die Frage gestellt, wie es möglich war, daß das deutsche Volk Hitler und seiner Partei in den furchtbarsten aller bisherigen Kriege folgen konnte. Es wird manchen geben, der aus der vorliegenden Chronik herausliest, daß in den Jahren bis zur Entfesselung des II. Weltkrieges vieles die Zustimmung der Bevölkerung fand, so die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, der Häuser- und Siedlungsbau und anderes. Aber wir halten es für unsere Pflicht, aus der. Gesamtschau des vorliegenden Materials den Blick zu lenken auf jene Diktatur, die jegliche humanistische Merkmale einer Nation verriet, das eigene Volk in raffinierter Weise täuschte, in einen nationalen Rausch versetzte, an dessen Ende über 50 Millionen Tote, unzählige Verwundete und Krüppel, heimatlos Gewordene und unermeßliches Leid des eigenen Volkes und der anderen Völker stand, daß der Fluch der Völker schwer auf Deutschland lastete.


 1933

1933 Januar
Silvester / Neujahr kommt es zwischen den Angehörigen der NSDAP und der KPD zu einer schweren Schlägerei in der Halleschen Straße und in Poßdorf zu einer schweren Straßenschlacht mit 20 Verletzten, darunter vier Schwerverletzten. Die Kleingartensparte am Kertitzer Weg (Rosental) wird auf Grund der 3. Notverordnung vom 30. 09. 1931 mit einem Reichsdarlehen von 5.000 Reichsmark errichtet (96 Kleingärten). „Die Anlage ist hauptsächlich für Arbeitslose und Kurzarbeiter, zumal für solche mit großen Familien, errichtet worden, um denen ihr Los etwas zu erleichtern und die Nahrungsgrundlage zu verbessern." Vorbereitung des 75jährigen Jubiläums der Oberrealschule durch die „Vereinigung ehemaliger Oberrealschüler". Das Wohlfahrtsamt zahlt Fürsorgeunterstützung an
1059 männliche Wohlfahrtserwerbslose,
134 weibliche Wohlfahrtserwerbslose,
75 Zusatzempfänger zur Arbeitslosenunterstützung,
158 Fürsorgeempfänger als nichtanerkannte Wohlfahrtsempfänger
112 Armenfürsorgeempfänger in Höhe von wöchentlich rund 17.000 Reichsmark.

Arbeitslose in Delitzsch: Stand 01. 01. 1933:
3660 Arbeitsuchende (Vormonat 3448)
374 die Arbeitslosenunterstützung erhalten (Vormonat 270)
537 die Krisenunterstützung erhalten (Vormonat 474)

72jähriges Stiftungsfest der Freiwilligen Feuerwehr (Branddirektor Mietzsch). Der Schmiedemeister Hermann Mietzsch, wohnhaft in der Töpfergasse 9, war eine bekannte, geachtete Persönlichkeit der Stadt Delitzsch. In Delitzsch wird ein „Notwerk der Deutschen Jugend" gebildet. Ziele: Geistige und körperliche Fortbildung; Betreuung in vier Stunden; Verabfolgung eines kräftigen Mittagessens; zwei Stunden geistige Betätigung, zwei Stunden Sport. In Delitzsch gibt es etwa 400 Jugendliche im Alter von 18 bis 25 Jahren, die keine Arbeit haben. Am 18. Januar begeht man die Reichsgründungsfeier durch die Krieger- und Militärvereine gemeinsam mit „Vaterländischen Verbänden". In Delitzsch besteht ein „Hausfrauenverein", Vorsitzende ist die Frau des Generaldirektors der Zuckerfabrik Aumüller. Am 24. Januar erfolgt die Wahl des Stadtverordnetenvorstehers und seines Stellvertreters. Entsprechend der Wahlergebnisse, die KPD erhielt 4514 Stimmen, die NSDAP 4069, wird der Stadtverordnete Simon (KPD) zum Vorsteher gewählt. Bei der Wahl des Stellvertreters erfolgt wegen Stimmengleichheit ein Losentscheid. Stellvertreter wird der Stadtverordnete Dubielzig (KPD) gegenüber dem Stadtverordneten Scharruhn (bürgerlich). Arbeitsuchende am 26. 01.:        3889 (Vormonat 3660) Arbeitslosenunterstützungsempfänger: 506 (374) Krisenunterstützungsempfänger:        600 (537) Kältewelle in Deutschland, die Temperatur sinkt auf über 20° unter null, in Schlesien 32 o minus. Erster Bürgermeister in Delitzsch: Böttcher Beschlüsse des Magistrats: Arbeitsbeschaffungsprogramm, Aufnahme einer Anleihe von 100.000 Reichsmark. Vorgesehene Arbeiten: Kanalisation der Gutenberg- und Fuststraße; Bau eines Haupt- und Schmutzwasserkanals nach der Kläranlage; Bau eines Klärbeckens im Rosental und in der Halleschen Straße. Am 31. Januar erfolgt eine Kundgebung der KPD auf dem Marktplatz, Teilnehmer 350 Personen, als Protest gegen die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler.

1933 Februar
Am 2. Februar findet eine Kundgebung der NSDAP unter starker Beteiligung des „Stahlhelm" im Schützenhaus statt. Nach einem Fackelumzug und Ummarsch durch die Stadt wird in der Versammlung die Zustimmung zur „Nationalen Regierung unter Leitung Adolf Hitlers" zum Ausdruck gebracht Eine Demonstration der Gewerkschaften am 07. 02. wird auf Anraten des Regierungspräsidenten verboten. Trotz des Verbotes versammeln sich 900 Personen auf dem Schützenhausplatz. In der Breiten Straße wird der Zug durch die Polizei, verstärkt durch Landjäger, aufgelöst. Stand der Arbeitslosigkeit in Delitzsch am 10. 02.:

Arbeitsuchende

4036 (3889)

Empfänger von Arbeitslosenunterstützung

574 (506)

Krisenunterstützung

651 (600)

Der Mandolinensolist Gustav Exner tritt mehrfach im deutschen Rundfunk auf. Gustav Exner war langjähriger Leiter des Delitzscher Mandolinenorchesters. Die Auflösung der Stadtverordnetenversammlung erfolgt am 15. 02.. Die Mitglieder bleiben im Amte bis zur Neuwahl. Im Raum Poßdorf findet eine Gefechtsübung zweier Reichswehrbataillone statt. Man veröffentlicht die Namen der Kandidaten für die Kreistags- und Stadtverordnetenwahlen. Folgende Listen wurden aufgestellt:
- Nationalsozialistische Liste
- zwei bürgerliche Listen (eine davon „Bürgerliche Mitte")
- eine Sozialdemokratische Liste
- eine Kommunistische Liste.
Mitte März soll auf dem Gelände des ReichsbahnAusbesserungswerkes der „Freiwillige Arbeitsdienst" seinen Anfang nehmen. Stand der Arbeitslosigkeit am 25. 02.:

Arbeitsuchende

4028 (4036)

Arbeitslosenunterstützung

646 (574)

Krisenunterstützung

697 (651)

Im Februar finden eine Vielzahl von Wahlveranstaltungen statt, u. a. Mittelstandskundgebung, Kundgebung der „Eisernen Front", der NSDAP, des Stahlhelm, der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot. Im Zusammenhang mit dem Reichstagsbrand veröffentlicht die „Delitzscher Zeitung" das folgende: „Entsprechend der Anordnungen des Reichsministers und Reichskommissars für das preußische Innenministerium Göring sind auch in unserer Stadt und den Landorten des Kreises Durchsuchungen bei Funktionären der KPD und SPD vorgenommen worden. Es wurden verschiedene Plakate und Flugblätter beschlagnahmt. Die gesamte Polizei und die Landjägerei im Kreise ist analog der Anordnungen Görings noch in der Nacht in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden. Ein besonderer Streifendienst zum Schutze der ordnungsliebenden Bevölkerung wurde eingerichtet." Auf Grund dieser Anordnungen der NS-Führung erfolgte auch in Delitzsch die systematische Ausschaltung der politischen Gegner der NSDAP. Jegliche Oppositionelle, sofern sie sich öffentlich äußerten, unterlagen den Verfolgungen der NSDAP und des von der Partei beherrschten Staatsapparates. Das richtete sich vor allem gegen die führenden Persönlichkeiten der Kommunistischen sowie der Sozialdemokratischen Partei, der Jugendorganisationen, den „Kampfbund gegen den Faschismus", aber auch gegen Personen aus dem religiösen Bereich, sofern sie sich nicht den Zielen der Führung von Staat und Regierung unterwarfen. Aus Unterlagen über den antifaschistischen Widerstandskampf im Kreise Delitzsch von 1933 - 1942 (Archivnr. 35 der SEDKreisleitung Delitzsch) geht hervor, daß man nach dem Reichstagsbrand und auch in den folgenden Jahren Inhaftierungen im Rathauskeller, Zuführungen zum Polizeipräsidium Halle, Inhaftierungen in Konzentrationslagern, vor allem KZ Lichtenburg nördlich von Torgau, Einzelpersönlichkeiten auch in Buchenwald, in Sachsenburg und in Sachsenhausen vornahm. Meist wurden die Inhaftierten nach einer bestimmten Zeit wieder freigelassen in der Annahme, daß die Abschreckungsmaßnahmen ihren Zweck erfüllt hatten. Trotzdem gab es noch über Jahre hinweg illegale Organisationsformen des antifaschistischen Widerstandes. In den erwähnten Unterlagen sind über 30 Personen genannt, die den Polizeiaktionen der NSDAP unterlagen. Genannt werden 23 Mitglieder der KPD, darunter Franz Neubauer, Karl Fischer, Otto Herrmann, Werner Standke, 4 Mitglieder der SPD, darunter Richard Hampe und Fritz Schwahn, 4 Mitglieder des KJVD (Komm. Jugendverband) und 3 Mitglieder des „Kampfbundes gegen den. Faschismus". Im KZ Sachsenhausen wurde der Kommunist Willi Grübsch aus Wiedemar 1944 ermordet. Weiterhin sind drei aus Delitzsch stammende Angehörige der KPD umgebracht worden. Es wird angenommen, daß sich die Zahl der Personen, die in Kreis und Stadt Delitzsch unter den Repressalien der NS-Führung zu leiden hatten, auf über 100 erstreckt.

1933 März
Vom Landrat werden auf Veranlassung der Regierung eine Anzahl SS- und SA-Leute als Hilfspolizei zur Verstärkung der regulären Polizeikräfte verpflichtet. Die Ausrüstung besteht aus: Gummiknüppel, Pistole, evtl. Karabiner. Der Einsatz soll nur in besonderen Fällen erfolgen. Ergebnisse der Reichstagswahl vom 05. 03. in Delitzsch:

Wahlbeteiligung

93,5 %

 

Wahlberechtigte:
Gültige Stimmen:

11.030
10.230

Nationalsozialisten:

4069

 

Sozialdemokraten:

1523

Kommunistische Partei:

2893

 

Zentrum:

214

Schwarz-Weiß-Rot:

1045

 

Deutsche Reichspartei:

165

Christlich-Soziale:

158

 

Staatspartei:

157

Dt. Bauernpartei:

6

 

 

 

ungültig:

83

 

 

 

Im Ergebnis der Wahl der Stadtverordneten ergibt sich folgende Sitzverteilung: 12 NSDAP 3 SPD 6 KPD 4 Kampffront Schwarz-Weiß-Rot 1 Bürgerliche Mitte Gewählte Stadtverordnete:

NSDAP:

Spangenberg
Kläning
Maßmann

Aßmann
Städter
Hoffmann

Platen
Bolte
Pohle

Darre
Boßdorf
Beyer

SPD:

Hampe

Schwahn

Sachse

 

KPD:

Simon
Dobberstein

Dubielzig
Paschke

Pohle, Gotthold
Frau Schlenkrich

 

Kampffront

 

 

 

 

S-W-R:

Scharruhn

Franke

Moeller

Schulze

Bürgerl. Mitte:

Richter

 

 

 

Es findet eine Siegesfeier der nationalsozialistischen Formationen des Kreises Delitzsch statt. Die nationalsozialistische Führung im Stadtparlament legt dem 1. Bürgermeister Böttcher nahe, in den Ruhestand zu gehen. Böttcher sucht deshalb beim Regierungspräsidenten um einen Urlaub von vier Wochen nach. Seine Vertretung übernimmt der z. Bürgermeister Dr. Baumgardt. Die Stadträte Hampe und Kotze werden durch den Bürgermeister von ihren Amtsgeschäften beurlaubt. Der Stadtrat Gebhardt legt sein Amt freiwillig nieder. Der Ortsgruppenführer der NSDAP Städter wird zum Verbindungsmann zwischen dem Bürgermeister und der NSDAP benannt. Die Abgeordnetenmandate der KPD wurden durch die Staatsführung aberkannt, demnach 1. Sitzung der Stadtverordneten ohne KPD. Ob die Mandate der SPD bestätigt werden, ist fraglich (Gleichschaltungsgesetz). Arbeitsmarkt:

Arbeitsuchende:

3886 (4023)

Arbeitslosenunterstützung:

590 (627)

Krisenunterstützung:

777 (737)

Sexualmord an einem neunjährigen Knaben in Delitzsch. Der Täter wird gefaßt und später hingerichtet.

1933 April
Der angeordnete Boykott der jüdischen Geschäfte am 01. 04. hat auch in Delitzsch mit dem Glockenschlage 10 Uhr mit voller Wucht eingesetzt. Vor den Geschäften stehen 2 oder 3 SA- oder SS-Leute, deren einer ein Plakat trägt mit der Aufschrift: „Abwehrkampf! Kauft nicht bei Juden, Deutschlands Feinden!" Auf den Straßen, besonders gegenüber den Geschäften von Schade und Füllgrabe (Eilenburger Straße) und von Jakobsohn (Markt), haben sich zahlreiche Schaulustige angesammelt. Bei der Reichsbahn und in der Zuckerfabrik werden Betriebszellen der NSDAP gebildet. Die „Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation" (NSBO) ist eine Einrichtung gegen die bisherigen Gewerkschaften. In Delitzsch wird der „Nationale Beamtenbund" gebildet. Erste Sitzung des Kreistages (ausgeschlossen wurden die gewählten Abgeordneten der KPD, damit 2/3-Mehrheit der NSDAP). Durch Zuruf wird der neue Kreisausschuß gewählt, ferner erfolgt die Wahl verschiedener Ausschüsse, Amtsvorsteher, Schiedsmänner, Vorstand der Kreissparkasse. Man bildet den „Nationalsozialistischen Lehrerbund" des Kreises Delitzsch. Der „Deutsche Lehrerverein" besteht nicht mehr. Der Lehrer Fritz Schwahn (SPD) schied aus dem Kreislehrerrat aus. Die neu gewählten Stadtverordneten führen ihre erste Sitzung durch. Redner sind: Der zweite Bürgermeister Dr. Baumgardt und Pfarrer Siebert. Gewählt wird durch Zuruf der Stadtverordnete Spangenberg zum Vorsteher. Zunächst erfolgt die Verpflichtung der Stadtverordneten. Nicht eingeladen werden die 6 Vertreter der KPD. Die Stadträte Hampe, Kotze und Gebhardt sind ihrer Ämter enthoben, der 1. Bürgermeister Böttcher ist beurlaubt. Es erfolgt die Wahl des Büros: Stadtverordnetenvorsteher, 1. und 2. Schriftführer. Als beamteter Protokollführer wird der Magistratssekretär Engeleiter bestimmt. Man wählt den Verfassungsausschuß und den neuen Magistrat:

Bürgermeister:

Dr. Baumgardt

Unbesoldete Stadträte:

Kläning - Stadtverordneter
Darre - Stadtverordneter
Kiehler
Rauchhaus
Hoffmann – Stadtverordneter
Leichert

Der Bankdirektor der Stadtsparkasse wird wegen Verdachts auf Verfehlungen festgenommen. Arbeitsmarkt Mitte April:

Arbeitsuchende:

3376 (3886)

Arbeitslosenunterstützung:

339 (590)

Krisenunterstützung:

633 (777)

In der Walzenmühle wird ein Lager des Freiwilligen Arbeitsdienstes eingerichtet. Bei freier Verpflegung und Unterkunft zahlt man den Arbeitsdienstlern 30 Pfennig Taschengeld pro Tag. Aus Anlaß des Geburtstages Adolf Hitlers pflanzt die NSDAP hinter dem Schulze-Delitzsch-Denkmal auf dem Marienplatz eine „AdolfHitler-Eiche". Auf dem Gelände des Schlosses wird ein Arbeitslager für Mädchen eingerichtet. Arbeitsmarkt Ende April:

Arbeitsuchende:

3173 (3376)

Arbeitslosenunterstützung:

299 (339)

Krisenunterstützung:

630 (633)

Die Delitzscher Zeitung berichtet über eine Gedächtnisfeier für Schulze-Delitzsch anläßlich seines 50. Todestages. Auf der Grundlage der Gleichschaltungsgesetze wird in Delitzsch das Gleichschaltungsprogramm allseitig durchgeführt, d. h. es erfolgt die Auflösung von Organisationen (Gewerkschaften) und Neubildungen (NSBO) oder es werden die Leitungen von Vereinigungen abgesetzt und durch Parteigänger der NSDAP ersetzt (Beispiele: Handwerkervereinigung, Siedlerverband, Kaninchenzüchterverein, Motorradklub, Verein für Einheitskurzschrift u. a.).

1933 Mai
Der 1. Mai wurde zum „Tag der nationalen Arbeit" bestimmt. In Delitzsch findet eine Kundgebung auf dem Markt statt: Anhören der Rundfunkübertragung mit der Rede des „Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda" Dr. Goebbels, Festgottesdienst, Festumzug von 6-7000 Teilnehmern, Vergnügungen, am Abend Illumination. Im Raw Delitzsch werden im Mai 1933 25 Arbeiter, in den Jahren 1934 und 1935 sechs Arbeiter wegen „Verdachts staatsfeindlicher Einstellung" entlassen. Die meisten Entlassenen waren Mitglieder der KPD und SPD und durch ihre politische und gewerkschaftliche Arbeit bekannt. Der frühere bekannte sozialdemokratische Abgeordnete Fritz Schwahn, von Beruf Lehrer, wird beurlaubt. Arbeitsmarkt:

Arbeitsuchende:

3226 (3173)

Arbeitslosenunterstützung:

247 (299)

Krisenunterstützung:

600 (630)

In der Delitzscher Zeitung wird eine Bekanntmachung über die Einführung der Arbeitsdienstpflicht veröffentlicht. Dadurch wurde die Arbeitslosigkeit wesentlich vermindert. Die straffe militärische Organisation diente zugleich der vormilitärischen Ausbildung. Mit der Einführung des „Erbhofrechts" werden die bäuerlichen Betriebe entschuldet, die Bauern zu Erbhofbauern. Damit gewinnen die Nationalsozialisten viele Sympathien auf dem Lande. Bei Arbeiten an der Kläranlage wird ein vorgeschichtliches Gräberfeld gefunden. Gefäßreste, Scherben und Urnen lassen den Schluß zu, daß die Funde aus der Zeit 400 - 1 v. Chr. stammen. Man beginnt mit dem obligatorischen Luftschutzunterricht an den Schulen. An der damaligen Mittelschule werden neben dem theoretischen Unterricht auch praktische Übungen mit Gasmasken unter Einsatz von Reizgasen durchgeführt. Es wird die Delitzscher Abwasserverwertungsgenossenschaft gegründet. Man sieht vor, die Felder mit Leipziger Abwässern zu berieseln, um höhere Ernteerträge zu erzielen. In der Folge ergibt sich aus dieser Maßnahme, daß das Wasser des Lobers verunreinigt wird, wodurch der Fischbestand zugrundegeht und das Loberwasser nicht mehr als Badewasser des Elbritzbades verwendet werden kann. Ein Vers des Spottliedes von Fritz Schmucker:

Wir werden berieselt von Leipzig,
Wir kriegen, was Leipzig verdaut,
Und der Erfolg, der zeigt sich:
Wir haben jetzt solches Kraut!
Und das Kraut, das kriegen die Brüder
In Leipzig und die machen es kleen,
Und in andrer Gestalt krieg'n wir's wieder,
Oh Delitzsch, wie bist du so schön!

Die Stadtverordneten beschließen ein Dienstverfahren gegen den 1. Bürgermeister Böttcher zwecks Versetzung in den Ruhestand. In der Delitzscher Zeitung wird diese Maßnahme mit „Verletzung seiner Pflichten" begründet. Im Mai festigen die Nationalsozialisten durch eine Reihe weiterer Maßnahmen ihre Macht. In Preußen wird am 26. April die „Geheime Staatspolizei" (Gestapo) gebildet. Die Gewerkschaften werden „gleichgeschaltet". Man gründet das Reichsluftfahrtministerium (Göring) und führt die Militärgerichtsbarkeit wieder ein.

1933 Juni
Folgende Straßen und Plätze werden umbenannt:

Marienplatz

nunmehr Adolf-Hitler-Platz

Nordplatz

nunmehr Horst-Wessel-Platz

Dübener Straße

nunmehr Hermann-Göring-Straße

Verbindungsweg zwischen dem Schulze-Delitzsch-Ring und dem Rosental


nunmehr Oskar-Reime-Straße

Die Mittelschule führt ihre 75-Jahrfeier durch. Die Feier ist verbunden mit einem festlichen Elternabend sowie einem Wiedersehenstreffen ehemaliger Schüler. Die Schüler führen zwei Theaterstücke auf und finden großen Beifall der Zuschauer. In Delitzsch findet ein „Fest der Jugend" statt. Höhepunkte sind eine Sonnenwendfeier, ein Fackelzug und zahlreiche Sportveranstaltungen. Eine Volkszählung in Delitzsch vom 16. Juni ergibt:
16547 Einwohner
8085 männliche Einwohner
8462 weibliche Einwohner
1356 bewohnte Grundstücke
4972 selbständige Haushaltungen.

1933 Juli
Im Kassenraum der Kreissparkasse findet eine schlichte Feier aus Anlaß des 75. Jahrestages ihrer Gründung statt. Es spricht der Landrat Meister. Der Bürgermeister Böttcher wird pensioniert. In Zukunft gibt es nur noch einen Bürgermeister. Eingerichtet wird eine Oberinspektorstelle. Im Bauamt wird ein Tiefbautechniker eingestellt. Im Stadtparlament gibt es jetzt nur noch eine Fraktion: Die vier auf der Liste der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot gewählten Stadtverordneten geben eine Erklärung ab, nach der sie die Aufnahme als Hospitanten in die NSDAP beantragt haben. Für den weiblichen Arbeitsdienst sind im Schloß Räume eingerichtet worden. Im Schloß ist auch der Gruppenstab des Arbeitsdienstes für die Kreise Delitzsch und Bitterfeld eingezogen. Es wird ein Beschluß zur Übertragung der Trägerschaft für eine Stadtrandsiedlung am Elektrizitätswerk gefaßt. Die Volkszählung vom 16. Juni ergab für den Kreis: Einwohnerzahl:             85236 männlich: 42172 weiblich: 43064 „Um mitzuhelfen an dem großen Einheitswerk unseres Kanzlers Adolf Hitler, hat nun auch der Männergesangsverein „Anion" den Beschluß gefaßt, dem „Deutschen Sängerbund" beizutreten" (Zitat aus der Delitzscher Zeitung). Der Freiwillige Arbeitsdienst Delitzsch hat eine Handballmannschaft gebildet. Die Glaubensbewegung „Deutsche Christen" verkündet ihre Ziele und Aufgaben. Sprecher: cand.theol. Schimpf, Delitzsch, Rektor Cimutta, Eilenburg, Pfarrer Hohlwein, Eilenburg. Arbeitsmarkt:

Arbeitsuchende:

2905 (3001)

Arbeitslosenunterstützung:

184 (219)

Krisenunterstützung:

524 (572)

Festsitzung der „Delitzscher Angestellten Front". Es erfolgt die Eingliederung in die „Deutsche Arbeitsfront". Durch eine Anordnung des Reichsministers Dr. Frick wird der Hitlergruß zum „Deutschen Gruß". Beamte, Angestellte und Arbeiter werden verpflichtet, den „Deutschen Gruß" zu erweisen. Zitiert aus dem handgeschriebenen Text der Chronik der Stadtverwaltung: „Gleichschaltung. Es setzt nunmehr ein in deutschen Landen bisher noch nie erlebtes und fast unerhört zu nennendes Gleichschaltungswerk ein. Die politischen Parteien, die Gewerkschaften, Vaterlandsverbände, Militärvereine, Innungen, Sportvereine, Lehrervereine u. a., natürlich auch die hiesige Freiwillige Feuerwehr, deren Führer schon seit 1925 Schlossermeister Herrmann Mietzsch ist, alles wird gleichgeschaltet und der Hitlerbewegung eingereiht, auch die Kulturverbände, Schriftsteller, Bühnenkünstler und sogar auf kirchlichem Gebiet finden Einheitsbestrebungen statt. So bildet sich die „Vereinigung der Deutschen Christen", der sich allerdings innerhalb der evangelischen Kirche der „Notbund" entgegenstellt." Kirchenwahlen finden in Delitzsch nicht statt. Der Gemeindekirchenrat wird gebildet aus vier Mann der Glaubensbewegung „Deutsche Christen" und vier Vertretern des bisherigen Gemeindekirchenrates. In den Gemeindekirchenrat werden eine Reihe von Funktionären der NSDAP, so der Ortsgruppenleiter und spätere Kreisleiter, gewählt. Gebildet wird ein „Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes". Ihr Führer: Dr. Bindemagel.

1933 August
Die Gastwirte des Kreises Delitzsch gründen den Kreisverband Delitzsch im „Reichseinheitsverband des Deutschen Gaststättengewerbes". Die neugebildete „Arbeitsfront" (Zusammenfassung aller arbeitenden Menschen - Arbeiter, Angestellte, Unternehmer etc.) veranstaltet in Delitzsch eine Kundgebung mit Aufmarsch, Umzug und Fahnenweihe. Etwa 120 kommunistische Schutzhäftlinge aus verschiedenen Orten des Kreises Merseburg werden in das Konzentrationslager Lichtenburg überführt. Die vier Wagen, die am 07. August in den Mittagsstunden durch Delitzsch fahren, erregen beträchtliches Aufsehen. Arbeitsmarkt:
Arbeitsuchende:  2710 (2905)
Arbeitslosenunterstützung 184 (184)
Krisenunterstützung:      586 (524)
Die Bildung des „Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps" (NSKK) in Delitzsch wird vorbereitet. Aus einer Anordnung des Regierungspräsidenten: „Sämtliche Betriebe erhöhen gegenüber dem Stand vom 1. Mai 1933 sofort ihre Belegschaften um 15 %, andernfalls werden Staatskommissare zur Beschaffung von Arbeitsplätzen eingesetzt." Man bildet in Delitzsch eine Ortsgruppe der „weiblichen Angestellten in der Deutschen Arbeitsfront". Es wird nunmehr die Ortsgruppe des NSKK gebildet. Der „Nationalsozialistische Lehrerbund" (NSLB) führt eine Kreistagung durch. Hauptthema: „Der deutsche Lehrer als Bannerträger des Nationalsozialismus". Der Magistratssekretär Engeleiter wird wegen Verfehlungen im Amt von den Dienstgeschäften suspendiert.

1933 September
75-Jahrfeier der Oberrealschule Delitzsch. Durch die aufopferungsvolle Arbeit des Vorbereitungskomitees weilen über 400 ehemalige Schüler in Delitzsch, um an den Veranstaltungen teilzunehmen: Besichtigung der Schulräume; Wiedersehensfeier im Schützenhof; Festakt in der Stadtkirche (Redner sind: Der Direktor Dr. Letz, der ehemalige Schüler Dr. J. Freyberg, Pfarrer Sichert, Bürgermeister Dr. Baumgardt, Landrat Meister, Stellvertreter des Kreisleiters der NSDAP Schimpff.) Gefallenenehrung; Festaufführung des OS-Orchesters im Schützenhof, Tanz. Der Landrat untersagt dem Mitglied des Kreisausschusses, Kreisleiter der NSDAP Kläning, die Ausübung seiner Amtsverrichtungen wegen Gefährdung der Staatsautorität. Der Gauleiter der NSDAP Jordan beurlaubt Kläning von seinem Amt als Kreisleiter. Arbeitsmarkt:

Arbeitsuchende:

2092 (2510)

Arbeitslosenunterstützung:

192 (184)

Krisenunterstützung:

499 (586)

Die Stadtverordneten beschließen: Zur Arbeitsbeschaffung werden 55000 RM zur Verfügung gestellt; Im Schloß wird ein Jugendheim eingerichtet; Bau neuer Baracken an der Eilenburger Chaussee für Obdachlose; Am Stadtrand West werden weitere 32 Siedlerstellen vorgesehen. Im Rahmen der „Deutschen Arbeitsfront" erfolgt die Bildung des „Büro- und Behördenangestellten-Verbandes".

1933 Oktober
Am 01. Oktober findet der erste „Eintopfsonntag" statt. Der eingesparte Betrag soll restlos an das „Winterhilfswerk" abgeführt werden. In Delitzsch begeht man den „Tag des Deutschen Bauern" in Verbindung mit dem Erntedankfest (Umzüge mit Erntewagen). Man gründet eine Arbeitsgruppe der Kaninchenzüchter. Die Böhme AG - Schokoladenwerk - hat ihre Fabrik erweitert, 160 Arbeitskräfte werden neu eingestellt. Im Stadtverordnetensaal findet die konstituierende Versammlung der Arbeitsgemeinschaft „Winterhilfswerk, Kampf gegen Hunger und Kälte" statt. Man will Nahrungsmittel und Naturalien, Brennmaterial, Bekleidungsstücke und Geld sammeln. Die neue Siedlung am Elektrizitätswerk erhält den Namen „FranzSeldte-Siedlung" (Franz Seldte: Gründer des Stahlhelm, Arbeitsminister), die heutige Friedenssiedlung. Das Reichsbahn-Ausbesserungswerk begeht seinen 25. Gründungstag. Werkdirektor ist z. Zt. Herr Petzold. Die Belegschaftsstärke beläuft sich auf 864 Personen. Der Oberbaurat Wegener, der bisherige Direktor des RAW Delitzsch, wird Werkdirektor in Hannover. Im Reichsarbeitsdienstlager Walzenmühle sind zur Zeit 217 Freiwillige untergebracht. Arbeitsmarkt:

Arbeitsuchende:

1620 (2092)

Arbeitslosenunterstützung:

123 (192)

Krisenunterstützung:

399 (499)

Der Finanzbericht der Stadt weist für das erste Halbjahr einen Überschuß von 100.000 RM aus (erstmalig seit Jahren ein Überschuß!). Ursache: Scharfe Sparmaßnahmen. Aber am Jahresende ein Defizit von 186.000 RM. Es beginnt eine „Werbewoche des Deutschen Handwerks" Vorsitzender des Innungsausschusses: Schlossermeister Hans Biehl. Der ehemalige Sparkassendirektor wird wegen fortgesetzte gewinnsüchtiger Untreue zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Im Alter von 83 Jahren verstirbt der Baumschulengründer und -besitzer Eduard Pönicke. Es erfolgt die Konstituierung der „Deutschen Stenografenschaft e. V, -•, Ortsgruppe Delitzsch". Ortsgruppenleiter ist der Kaufmann Stitz. Damit erfolgt der Zusammenschluß der Delitzscher Stenografen. Der Verein hat zahlreiche hervorragende Stenografen hervorgebracht. Einer von ihnen war Herr Walter Weber, der über 200 Silben pro Minute zu schreiben in der Lage war, der sich auch als Stenografielehrer auszeichnete. Im Oktober finden zahlreiche Wahlveranstaltungen im Hinblick auf die Vorbereitung der Reichstagswahl vom 12. November statt.

1933 November
Die bisherige Lindenstraße wird in „Albert-Böhme-Straße" umbenannt. Das geschieht in Anerkennung der Förderung der heimischen 1 Wirtschaft durch den Generaldirektor der Böhme AG. Zur Neuwahl des Reichstages und der damit verbundenen Volksabstimmung wird folgende Frage gestellt: „Billigst Du, deutscher Mann, und Du, deutsche Frau, die Politik Deiner Reichsregierung, und bist Du bereit, sie als den Ausdruck Deiner eigenen Auffassung und Deines eigenen Willens zu erklären und Dich feierlich zu ihr zu bekennen?" (Ja oder Nein) Ergebnisse der Wahl vom 12. November in Delitzsch:
Wahlberechtigte: 11200 (außerdem 262 Stimmscheinwähler)

1.) Reichstagswahl =

9856 stimmen für die NSDAP

 

 

1221 ungültige Stimmen

 

2.) Volksabstimmung=

abgegebene Stimmen:

11155

 

mit Ja stimmen:

9982

 

mit Nein stimmen

852

 

ungültig:

321

(In Deutschland stimmen drei Millionen gegen den Austritt aus dem Völkerbund, zwei Millionen Nichtwähler.) Die „Warmbadeanstalt" wird in „Eisenmoorbad" umbenannt. Es werden Moorbäder verabreicht. Moorboden ist ausreichend in guter Qualität vorhanden. „Die Delitzscher Moorerde ist nicht nur ein ausgezeichnetes Mittel gegen Rheuma, Gicht oder Ischias, sondern auch bei Frauenleiden und sogar bei spinaler Kinderlähmung sind hervorragende Erfolge erzielt worden.". Die Berufsschule begeht ihre 75-Jahrfeier. Direktor ist Gewerbeoberlehrer Wendenburg. Die Berufsschule wurde am 14. 11. 1858 durch den damaligen Direktor der Höheren Bürgerschule'Giesel ins Leben gerufen. Giesel war zugleich dem Magistrat gegenüber für das gesamte Schulwesen der Stadt verantwortlich. Aus der „Fortbildungsschule", deren Besuch freiwillig war, wurde im Jahre 1907 eine Pflichtschule. Weitere Leiter waren Rektor Wiener, Rektor Pasch, Gewerbeoberlehrer Scharruhn, Rektor Hansjürgens und seit 1930 Gewerbeoberlehrer Wendenburg. Zur Erinnerung an den 450. Geburtstag Dr. Martin Luthers am 10. November wird der 19. November als „Luthertag" bestimmt. Der Tag wird in Delitzsch festlich begangen mit Gottesdiensten, Blasen der „Schwedischen Reitersignale" vom Breiten Turm und mit einer Festaufführung des Stückes „Der Tag von Worms". Der ehemalige Kreisleiter der NSDAP Kläning wird in den Ruhestand versetzt. Bei Schachtarbeiten in der „Franz-Seldte-Siedlung" werden vorgeschichtliche Funde gemacht. Der Standartenführer der SA Dr. von Saal ist „Sonderbeauftragter" beim Landrat. Aufgabe: Fühlung halten mit dem Landrat" ständiges Bindeglied zwischen Verwaltung und SA. Die Katholische Kirchengemeinde begeht den 75. Jahrestag ihrer Gründung. Sie erfolgte 1858 für die beiden Kreise Delitzsch und Bitterfeld. Im Jahre 1908 wurde dann der Kreis Bitterfeld von der Gemeinde abgetrennt.

1933 Dezember
Kältewelle. Das Thermometer sinkt auf minus 17 Grad. Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird in Delitzsch ein Ortsausschuß gebildet. Mitglieder sind: Der Bürgermeister Dr. Baumgardt; der Ortsgruppenleiter der NSDAP Städter; der Generaldirektor der Zuckerfabrik Aumüller; der Direktor Krüger der Böhme AG; der Reichsbahnrat Petzold vom RAW; der Schlossermeister Biehl, Innungsausschuß; die Herren Hoyer, Damann, Rauchhaus" Schulz. Der Bürgermeister Dr. Baumgardt wendet sich zum Jahreswechsel an die Bürger der Stadt mit dem Wunsch der stärkeren Mitarbeit bei der Lösung der Probleme. Er gibt eine Bilanz des Erreichten und einen Ausblick auf die Vorhaben im Jahre 1934. Daraus u. a.: Zerrüttete Finanzlage: Ungedeckter Fehlbetrag aus dem Jahre 1932 von 150.840 RM plus Defizit 1933 in Höhe von 186.000 RM. Vorrang = Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Senkung der Wohlfahrtsleistungen. Am 1. März gab es 1482 Wohlfahrtserwerbslose" wöchentlicher Aufwand = 14400 RM. (Wohlfahrtserwerbslose sind solche" die keine Arbeitslosenunterstützung mehr erhalten, weil sie „ausgesteuert" sind. Die Wohlfahrtsunterstützung ist noch niedriger als die Arbeitslosenunterstützung.) Vorhaben zur Arbeitsbeschaffung:
- Ausbau der Kanalisation
- Straßenbauten und -instandsetzungen
- Ausbau des Viktoriabades (Stiftung Böhme)
- Notstandsarbeiten
- Erweiterung der Grünlanlagen

1933 Zusammenfassung des Jahres
In der Weimarer Republik nahmen die gesellschaftlichen Probleme" wirtschaftliche Schwierigkeiten mit unerhört hoher Arbeitslosigkeit, damit Perspektivlosigkeit für Millionen von Menschen" immer mehr zu. Die formale Demokratie des Weimarer Staates war unfähig" mit den schwierigen Problemen fertig zu werden. Oft wechselnde Präsidialkabinette regierten mit "Notverordnungen". Mit frappierender Deutlichkeit wurden die Schwächen des parlamentarisch-demokratischen Systems sichtbar: im Schoße dieser Ordnung wuchs unter Ausnutzung der katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Einfluß der Nationalsozialisten an. Man gewann an Stimmen und Parlamentssitzen und konnte bei der Einflußnahme auf das politische Denken der Menschen ganz legal aktiv werden. Der Ruf nach einem „starken Mann" wurde laut unter dem Aspekt: So kann es nicht weitergehen! Als einen solchen „starken Mann" sah man den Führer der Nationalsozialisten Adolf Hitler. Die Arbeitslosigkeit traf auch die Stadt Delitzsch mit voller Wucht. Bei einer Einwohnerzahl von 16.547 Personen, darunter 8.085 männliche" belief sich die Zahl der Arbeitslosen Anfang des Jahres 1933 auf 4.571. Das Wohlfahrtsamt der Stadtverwaltung zahlte damals wöchentlich rund 17.000 RM an Fürsorgeunterstützung an 1.538 Fürsorgeempfänger. Der Roßplatz war der Treffpunkt der Arbeitslosen" die Breite Straße und die Eilenburger Straße waren voll von Bettlern und Almosen erbittenden Menschen. Unter diesen Bedingungen war das Leben in der Arbeiterwohnsitzgemeinde Delitzsch von schweren Sorgen vieler Bürger überschattet. Die Stadt hatte Schulden. Das gesellschaftliche Leben war durch ständige Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der rivalisierenden politischen Kräfte gekennzeichnet. Ich erinnere mich an Hungerdemonstrationen in den Straßen der Stadt" an Straßenschlachten und Polizeiaktionen der Delitzscher Polizei und der Überfallkommandos aus Halle" die wir Jungen natürlich beobachteten. Freilich gab es Bemühungen der Stadtverwaltung - so die Schaffung der Kleingartensparte Rosental (01. 01. 1933) und das Arbeitsbeschaffungsprogramm vom 26. 01. 1933 auf Grund einer Anleihe von 100.000 RM - aber die Situation spitzte sich wie in Deutschland so auch in Delitzsch immer mehr zu. Schließlich wurde Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt. Es begann die 12jährige Herrschaft des Nationalsozialismus in Deutschland, an deren Ende Millionen von Menschenopfern durch die Entfesselung des II. Weltkrieges zu verzeichnen waren" ein zerstörtes Land" Besatzungstruppen der Siegermächte und der Fluch der Völker gegen das deutsche Volk. Auch in Delitzsch feierten die Nationalsozialisten Ihren „Sieg". Zunächst sah das zentrale Geschehen noch so aus, als würden die bisherigen demokratisch-parlamentarischen Gepflogenheiten beibehalten. Der Reichstag wurde aufgelöst, man schrieb Neuwahlen für den 5. März 1933 aus. Bis dahin gab es Verordnungen des Reichspräsidenten und des Kabinetts Hitler. Sie richteten sich zunächst gegen die politischen Gegner, deren Demonstrationen wurden verboten, eine „Hilfspolizei" durch die Einheiten der nationalsozialistischen Verbände SA und SS sowie des „Stahlhelm" - einer militaristischen Organisation - wurde gebildet. Aber die Demokratie wurde bald zu Grabe getragen. Mit dem Reichstagsbrand, der als Fanal eines Umsturzversuches deklariert wurde, erfolgte die vorbereitete Verhaftung von Oppositionellen. Mit dem „Ermächtigungsgesetz" gab der Reichspräsident freie Bahn für die Aufhebung der verfassungsmäßigen Grundrechte, der Weg für die absolute Herrschaft der Nationalsozialisten war frei. Alle diese Maßnahmen fanden ihre Widerspiegelung in Delitzsch. Bei der Neuwahl der Stadtverordneten wurden die 6 Mandate der KDP gestrichen, die SPD wurde ausgebootet, und schließlich ging auch die „Kampffront Schwarz-WeißRot" in das Lager der NSDAP über. 1933 beginnend wurden jegliche Organisationen, Verbände und Vereine „gleichgeschaltet", das heißt, sie gingen in die Organisationsformen der NSDAP über. Systematisch ging der Ausbau der Macht vor sich. Man bildete die „Geheime Staatspolizei" (Gestapo) und führte das Gleichschaltungsprogramm mit aller Konsequenz durch. Politische Gegner wurden rigoros ausgeschaltet. Aufmärsche, Demonstrationen, Kundgebungen, Gemeinschaftsempfänge der Reden der politischen Führer waren an der Tagesordnung, um die Bevölkerung für die Ziele der Nationalsozialisten zu gewinnen Die Jugend hatte man schnell hinter sich, es gab Mittel und Methoden, um an die Abenteuerlust, das Romantische, Geländespiele, Fahrten, Wanderungen, Sport anzuknüpfen. Im Verlaufe des Jahres ging die Arbeitslosigkeit in Delitzsch deutlich zurück, wobei die Bildung des Arbeitsdienstes, der Bau der Autobahnen und - zwar noch nicht offen sichtbar - die Aufrüstung bedeutsam waren. Im Mai 1933 begann man bereits mit dem obligatorischen Luftschutzunterricht an den Schulen, man bildete das „Reichsluftfahrtministerium" unter Führung Görings, die militärischen Ziele der NS-Führung zeichneten sich ab. Eine geschickte Massenpropaganda mit psychologisch und rhetorisch geschulten Rednern verfehlte ihre Wirkung nicht. So konnte man schließlich, der Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung gewiß, eine „Volksbefragung" durchführen, um die Abrüstungskonferenz zu verlassen und aus dem „Völkerbund" auszutreten, womit der Weg für die „Wiedergewinnung der Wehrhoheit" und für die Aufrüstung vorbereitet wurde, die sich nach einem 4-Jahrplan vollzog. Große Zustimmung fanden in Delitzsch die Bemühungen der Stadtverwaltung mit dem klugen und umsichtigen Bürgermeister Dr. Rudolf Baumgardt, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, Wohnsiedlungen zu errichten und die Stadt zu verschönern. Man pflegte bewußt die Traditionen des mittelalterlichen Erbes der Altstadt und war bestrebt, aus Delitzsch „Bad Delitzsch" zu machen, indem man die heilkräftige Moorerde aus den Loberwiesen für Heilzwecke nutzte. Die Erfolge der Maßnahmen der Stadtverwaltung buchten natürlich die NS-Führer für sich unter dem Aspekt der alten Weisheit: „Der Erfolg hat viele Väter!". Die Bürger der Stadt hatten das Gefühlt, daß es vorwärts geht. Freilich kam dann später die Ernüchterung, als auch die Stadt Delitzsch im 11. Weltkrieg große Blutopfer für die abenteuerliche Politik der NS-Führung zu zollen hatte.


1934

1934 Januar
Die Berufsbezeichnungen „Rittergutsbesitzer" und „Gutsbesitzer" werden durch „Landwirt" ersetzt. Die Schokoladenfabrik „Böhme-AG" vergrößert den Betrieb durch einen „Erweiterungsbau" und einen „Kakaospeicher". Man kann auf eine erfolgreiche Bilanz des Jahres 1933 verweisen. Im Kreis Delitzsch werden 80.000 Morgen Land durch die Delitzscher Wasserverwertungsgenossenschaft unter Nutzung Leipziger Abwässer berieselt bzw. beregnet. Gemäß Anordnung des „Reichsstandes des Handwerks" wird der in Delitzsch seit 1857 bestehende Gewerbeverein aufgelöst. Freunde und Verehrer von Schulze-Delitzsch hatten ihn gegründet. Am Moorbad führt man Erneuerungsarbeiten durch. Der Eingang und die Einfriedung werden verschönt im Hinblick auf das Ziel: „Delitzsch als Badeort". Zur Durchführung des „Reichserbhofgesetzes" wird in Delitzsch beim Amtsgericht ein „Anerbengericht" eröffnet, dessen Aufgabe darin besteht, zu prüfen und anzuerkennen, wer „Erbhofbesitzer" werden kann. Um den Wohnungsbau zu fördern, stellt die Stadt für die Herstellung eines Wohnhauses für mindestens vier Familien städtischen Grund und Boden kostenlos zur Verfügung. „Brauner Sonntag" in Delitzsch. Es erfolgt ein Aufmarsch von 2000 Angehörigen der NSDAP: Sprecher u. a. Gauleiter Jordan. Auf dem Marktplatz findet ein Aufmarsch der „Deutschen Arbeitsfront" statt. 3000 Teilnehmer; Gegenstand der Veranstaltung: „Dankkundgebung für das Arbeitsgesetz". Der Delitzscher Arbeitsdienst führt Planierungsarbeiten bei Scholitz, Loberregulierungen von Zschepen bis Delitzsch, Begradigung des Neulandgrabens bei Spröda durch. Aus Anlaß der Machtergreifung des Nationalsozialismus vor einem Jahr findet in Delitzsch eine Gedenkfeier statt. Nach einer besonderen Feier in den Schulen ist dann schulfrei. Superintendent Fries gestaltet den Dankgottesdienst zu einer „erhabenen Feierstunde". Der Polizeikommissar Göpel wird aus dem Polizeidienst entlassen, Polizeimeister Tuschling wird mit der Führung der Geschäfte beauftragt.

1934 Februar
Der Magistrat nimmt zur Erneuerung und zum Umbau des Wasserwerkes ein Darlehen von 300.000 RM auf. Es erfolgt die Auflösung des „Bürgervereins", der seit 91 Jahren bestand. „Die Auflösung liegt ganz in der Linie des NS-Programms zur Schaffung einer wahren Volksgemeinschaft" (Zitat der Delitzscher Zeitung). Der Erste Bürgermeister Böttcher wird endgültig in den Ruhestand versetzt. Generaldirektor Böhme stellt weitere 2500 RM zum Ausbau der Parkanlagen, zum Bau eines Trinkpavillons und zur Beschaffung von Bänken zur Verfügung. Es findet die erste Gemeinderatssitzung nach der Auflösung der Stadtverordnetenversammlung statt. Kommunale Politik erfolgt nunmehr nach dem Führerprinzip, d. h. der Bürgermeister trifft die letzte Entscheidung, der Gemeinderat hat beratende Funktion. Man bildet eine Ortsgruppe „Kraft durch Freude", deren Ziele u. a. darin bestehen, Erholungsreisen für wenig Geld zu ermöglichen. Die Preise auf dem Wochenmarkt betragen: Rindfleisch (Schmorfleisch) 80 Pfg., Schweinefleisch 80 Pfg. bis 1,00 RM das Pfund. Der neu gebildete Gemeinderat tagt nicht öffentlich. Er setzt sich aus bisherigen Stadtverordneten, dem Rangältesten Führer der SA oder SS und dem obersten örtlichen Führer der NSDAP zusammen. Aus einem Bericht des Bürgermeisters Dr. Baumgardt vom 16. Februar geht hervor: Anlagen in Delitzsch:
Auf dem Marienfriedhof wurden Umwandlungs- und Instandsetzungsarbeiten durchgeführt, jetzt sind dort Grünanlagen vorhanden; Die Warmbadeanstalt wurde an einen Privatunternehmer verpachtet; das Moorbad wurde eröffnet, die Moorerde besitzt eine vorzügliche Qualität; Parkanlagen am Moorbad sind im Entstehen (finanzielle Stiftungen des Generaldirektors Böhme). An der Eilenburger Chaussee baut die Stadt z. Zt. 14 Obdachlosenwohnungen. Entstanden ist die „Franz-Seldte-Siedlung" (heute Friedenssiedlung) am Elektrizitätswerk. In der Walzenmühle wurde das Arbeitsdienstlager eingerichtet, im Schloß das Lager für den weiblichen Arbeitsdienst Weitere Informationen: Die Freiwilligen Feuerwehr hat eine Stärke von 96 Mann. Das Wohlfahrtsamt betreut gegenwärtig:
159 Kriegsbeschädigte und Hinterbliebene
121 Kleinrentner
235 Sozialrentner
867 Wohlfahrtserwerbslose
106 Pflegekinder
120 sonstige Hilfsbedürftige
Nach der neuen Gemeindeordnung werden in Delitzsch bestehen:
1 besoldeter Bürgermeister, 1 besoldeter Beigeordneter
5 ehrenamtliche Beigeordnete
12 Ratsherren
Generaldirektor Böhme spendet erneut 3000 RM für die Anlagen am Viktoriabad, das Anbringen von Blumenkästen und die Erweiterung des Parks mit dem Ziel der Errichtung eines Rosariums. Der Superintendent Fries, Mitglied des „Pfarrnotverbandes", hat entgegen der Verordnung vom 04. 01. 1934 der Gemeinde einige Worte über die „Not der evangelischen Kirche" gesagt. Er wird auf Verfügung des Reichsbischofs von der Führung der Superintendur abgesetzt, Pfarrer Schraepler aus Schenkenberg übernimmt die Geschäfte. Die Einwohnerzahl in Delitzsch beträgt 16.479 Personen. Der Stellvertreter des Kreisleiter der NSDAP Schimpff wird endgültig zum Kreisleiter bestimmt.

1934 März
In Delitzsch findet ein „Kreisbauemtag" statt, das Hauptthema: Das Reichserbhofgesetz. Die Delitzscher Zeitung meldet den Rückgang der Wohlfahrtserwerbslosen von 1761 am 31. 12. 1933 auf 1249 am 28. 02. 1934. An der Mittelschule erfolgt eine Bannerweihe in Verbindung mit einem Elternabend und einem Theaterspiel der Schüler „Schills Offiziere". Die Ergebnisse des Winterhilfswerkes belaufen sich in Delitzsch auf:

Straßensammlungen

=

2279 RM

Sozialopfer

=

22669 RM

Eintopfsonntag

=

1752 RM

ferner Kleider- und Naturalienspenden. Die Schutzstaffel (SS) umfaßt in Delitzsch 216 Personen. Nachdem vor einigen Jahren die Platanen in der Eilenburger Straße entfernt werden mußten, will man eine Neupflanzung mit Ahornbäumen vornehmen. Die Fahrbahn im Ostteil der Straße wird um 80 cm verbreitert, der Fahrradweg verschwindet. Auf Anordnung des Preußischen Ministerpräsidenten und der übrigen Staatsminister entfallen die bisherigen Höflichkeitsformen am Ende von Schriftstücken. Jetzt nur noch „Heil Hitler!". Wohlfahrtserwerbslose am 15. März noch 450. In Delitzsch finden die ersten Luftschutzveranstaltungen statt. Die Schlagzeile in der Delitzscher Zeitung lautet: „Der Luftschutz ist eine Lebensfrage des Deutschen Volkes!". Ein Jahr Deutscher Arbeitsdienst in Delitzsch. Es findet ein Festakt in der Walzenmühle statt. Aus einem Bericht: „Nur derjenige wird in Zukunft einen berechtigten Anspruch auf einen festen Arbeitsplatz haben, der nach seiner Dienstzeit im Freiwilligen Arbeitsdienst den Arbeitspaß erhalten hat". Der Haushaltsplan der Stadt Delitzsch weist mit 2.321.720 RMgegenüber dem Vorjahr 78.520 RM weniger auf. Grundsatz: Strengste Sparsamkeit! Aus der Delitzscher Zeitung:
Eisenmoorbad Delitzsch im Kommen! Auffindung einer kräftigen Eisenquelle. Es sind Bestrebungen im Gange, der Stadt Delitzsch den Namen „Bad Delitzsch" zu verschaffen. Der Chronist der Stadtverwaltung schreibt: „Epochemachende Auffindung einer heilkräftigen Eisenquelle in Delitzsch. Es wurden Gutachten der Universitäten Leipzig und Halle erbeten. Ergebnis: Besonders heilkräftig."

1934 April
Die SS führt eine „rassische Schulung" durch. Es wird dazu aufgefordert, eine Ahnentafel anzulegen. „Die SS müsse sich als rassische Elitetruppe des deutschen Volkes mit dem deutschen Bauern verbunden fühlen." Die Aufstellung von Ahnentafeln wird auch in der Schule propagiert und durchgeführt. Die nationalsozialistische Rassentheorie ist Gegenstand des Unterrichts. Schädelmessungen werden vorgenommen und die Merkmale der verschiedenen Rassen gelehrt. Es gibt Bestrebungen der Stadtverwaltung, in Delitzsch einen Zentralbahnhof zu schaffen. Die Angelegenheit ist Sache der Deutschen Reichsbahn. Die Stadt setzt auch noch 1935 ihre Bemühungen in dieser Richtung fort, ohne jedoch Erfolg zu haben. Eine Untersuchung der Delitzscher Moorerde durch das Hygieneinstitut der Universität Leipzig ergibt, daß die Moorerde ausgezeichnete Bestandteile enthält und alle Vorbedingungen für die Wirkung bei Rheuma, Gicht, Ischias und Frauenleiden erfüllt. Am Schloß werden folgende Veränderungen vorgenommen: Ausbau des Schloßgrabens zu einer Promenade, die beiden Mauern rechts und links vom Schloßgraben werden entfernt, um Zugang zum Schloß von der Promenade aus zu schaffen. Im Innern des Schlosses wird die alte Schloßkapelle zu einem Jugendheim ausgebaut. Man beginnt in Delitzsch mit dem 1. Reichsberufswettkampf der Deutschen Jugend. Arthur Kampf erhält die Amtsbezeichnung „Obergartenmeister". Arthur Kampf hat wesentlichen Anteil an der in den 30er Jahren durchgeführten Erweiterung und Verschönerung der Park- und Grünanlagen in Delitzsch. Nach seinen Ideen und Vorschlägen wird auch der neue Parkteil (Albert-Böhme-Park) gestaltet. Von ihm stammt auch die Idee, den Durchbruch der Mauern des Schloßgrabens in Form eines Torbogens zu machen, weil damit das Gesamtbild besser in das mittelalterliche Gepräge hineinpasse. Bürgermeister Dr. Baumgardt erklärt vor dem Gemeinderat: „Es muß uns gelingen, in absehbarer Zeit unsere Stadt erwerbslosenfrei zu bekommen". Handlungsgrundlagen für die Stadtverordneten sind: Eiserne Sparsamkeit, reale Vernunft, sachliche Erfahrung. Ein umfangreiches Arbeitsbeschaffungsprogramm wird erörtert: Straßenbauten, Bau von Siedlungen, für 1934 sind 160.000 RM vorgesehen. Zwischen Hainstraße und Schachtweg wird für Siedler billiges Bauland (0,80 RM/m2) abgegeben. In der Dübener Straße soll eine Großtankstelle erachtet werden (Fa. Schumann), 1,50 RM/m2 für das Bauland. Erweiterung der Straßenbeleuchtung in der Eilenburger Straße, Tannenbergstraße und Auguste-Viktoria-Ring. Der Feuerbestattungsverein Delitzsch stiftet 1000 RM als Grundstock zur Errichtung eines Krematoriums. Das Krematorium wurde nicht errichtet. Das Heimatmuseum, das bisher dem Delitzscher Museumsverein gehörte, wird in den Besitz des Kreises als vorgeschichtliche Abteilung und der Stadt als weiterer Teil übergeben. Mittelschullehrer Horn behält weiter beide Teile des Museums als Sachkundiger in der Hand. Die Gründung des Heimatmuseums erfolgte durch den Delitzscher Museumsverein, der 1899 von heimattreuen Männern ins Leben gerufen wurde. Die Ziele: Gründung und Erhaltung sowie Vermehrung eines Altertumsmuseums, Aufklärung der geschichtlichen und kulturgeschichtlichen Entwicklung der Stadt und des vormaligen kursächsischen Amtes Delitzsch, Sorge für die Erhaltung der Altertümer. Maßgeblichen Anteil an der Gründung des Heimatmuseums hat der verdienstvolle Lehrer und Chronist der Stadt Delitzsch Oskar Reime. Er sah in der Gründung und dem Ausbau des Museums einen Teil seiner Lebensaufgabe.

1934 Mai
Der 1. Mai wird als Nationalfeiertag auch in Delitzsch festlich begangen. -Illumination; Schwedensignale vom Breiten Turm; Aufmärsche; Umzug der Betriebe unter Führung ihres Betriebsführers; Anhören der Rundfunkübertragung der Rede Adolf Hitlers. Bürgermeister Dr. Baumgardt übergibt das Jugendheim im Schloß. Im Schützenhof veranstaltet die Ortsgruppe für das Deutschtum im Ausland (VDA) eine Kundgebung. Es geht um die Zurückgliederung des Saarlandes an Deutschland im Jahre 1935. Einer der Redner ist der Mittelschullehrer Otto Porath. In Delitzsch gründet man einen SA-Marine-Sturm. Im Elberitzbad wird eine sportgerechte 50-m-Bahn, ein Planschbecken für die Kleinsten, eine durch einen Zaun abgetrennte Abteilung für Nichtschwimmer geschaffen. Rund um die Wasserfläche werden Steinplatten verlegt, eine Rasenfläche, Zellen, Geländer, Brauseanlagen und andere Aufbauten werden erneuert. Die Zahl der Gemeinderäte wird auf 12 festgelegt und vom Landrat bestätigt. Auffällig ist, daß in der Presse in verstärktem Maße Veröffentlichungen in militärischer Hinsicht erfolgen. Man beschäftigt sich beispielsweise mit dem Rüstungsaufwand in den westlichen Ländern und mit Luftschutzfragen. Im Hinblick auf die Ziele der NSDAP kann das als Merkmal der Aufrüstung Deutschlands betrachtet werden.

1934 Juni
Vor allem auf leichten Böden ist bei Gerste und Roggen eine Mißernte zu erwarten. Endlich, am 09. Juni regnet es nach lang anhaltender Trockenheit ergiebig. Nachdem der Polizeimeister Tuschling in den Ruhestand getreten ist, wird Polizeimeister Faust neuer Führer der Delitzscher Polizei. Die Leipziger Berieselungsanlage für den Kreis Delitzsch wird in Betrieb genommen. Täglich werden 30.000 m³ Abwässer in den Kreis Delitzsch geleitet. Man pflanzt anläßlich des 100. Geburtstages Bismarcks „zwei Bismarckeichen", eine im Stadtpark, die andere am Drei-Männer-Weg. Eröffnung der „Reichsschwimmwoche" in Delitzsch am 18. Juni. Eine bedeutende Rolle für den Schwimmsport und das Erlernen des Schwimmens spielt der Schwimmclub „Neptun". Bei Wettkämpfen gegen eine Wolfener Mannschaft erzielt man den Sieg. Im Anschluß an die Wettkämpfe finden weitere Schwimmveranstaltungen der Mädchen, Frauen und Männer (Wasserball) sowie eine Schwimmstunde für Nichtschwimmer statt. Neue Straßennamen werden festgelegt: „General-Maercker-Straße" (heute Friedrich-Ebert-Straße), von der Dübener zur Beerendorfer Straße vor dem Friedhof; „Karl-Hagedorn-Straße" (früherer Bürgermeister) in der FranzSeldte-Siedlung (Friedenssiedlung). Im Gau Halle-Merseburg wird auf Anordnung des Gauleiters der NSDAP die einjährige Arbeitsdienstpflicht eingeführt. Im Magistratsbeschlußbuch ist ausgewiesen, daß man der Errichtung eines Flugplatzes im Raum Spröda nicht zustimmt.

1934 Juli
Wegen des „Röhm-Putsches" herrscht in Delitzsch große Unruhe. Es werden eine Reihe von Treueerklärungen verschiedener Verbände für Adolf Hitler veröffentlicht. Gemäß „Delitzscher Zeitung" seien im Gau Halle-Merseburg, zu dem Delitzsch gehört, erschossen worden:
19 höhere SA-Führer
31 SA-Führer und SA-Angehörige
3 SS-Führer
13 SA-Führer und Zivilpersonen, die bei der Verhaftung Widerstand, leisteten
3 weitere begingen Selbstmord
5 SA-Führer wurden wegen Beteiligung erschossen und
3 SS-Angehörige wegen schändlicher Mißhandlung von Schutz-häftlingen.
Aus der Sitzung der Ratsherren vom 08. Juli: Man nimmt den Neubau einer Berufsschule in Aussicht. Es bleibt beim Vorhaben. Die Berufsschule wird erst im Jahr 1951/52 erbaut. Die Böhme-AG will ein 14-Familienhaus in der Bitterfelder Straße erbauen. Es wird der Bau einer SA-Siedlung erörtert. Zum Ausbau der Kuranlagen am Viktoriabad stellt Generaldirektor Böhme erneut 1000 RM zur Verfügung; insgesamt hat er zum Bau dieser Anlagen 10.000 RM gestiftet. Von der Kirchengemeinde hat die Stadt einige Gärten des Hennig-Schrödter-Hauses erworben und dem Kurpark zugefügt. Man wendet sich gegen die Geschäftswelt, weil diese dazu übergegangen ist, Auslagen vor dem Schaufenster feilzubieten. Es wird ein Gemeinschaftsempfang für eine Rede Adolf Hitlers angeordnet. In dieser Rede setzt sich Hitler mit den Ereignissen um den „Röhm-Putsch" auseinander, indem er sich bemüht, die „Liquidierungen" als für das Reich notwendig zu begründen. Die Tankstelle Schumann in der Dübener Straße wird eröffnet. Im Magistratsbeschluß ist vermerkt, daß an zehn Sonntagen Kurkonzerte stattfinden sollen. Die Kosten trägt die Böhme-Stiftung. Im Juli herrscht erneut eine ungewöhnliche Trockenheit.

1934 August
In der Stadtkirche findet aus Anlaß des Ablebens Hindenburgs ein Trauergottesdienst statt, an dem die NS-Verbände, Militärverbände und alle Behörden teilnehmen. Der Eid der Soldaten lautet:
„Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, daß ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem Oberbefehlshaber der Wehrmacht, unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen."
Die Fahnen werden auf Halbmast gesetzt, alle NS-Angehörigen, Beamten und Würdenträger tragen für 14 Tage einen Trauerflor am linken Oberarm. In der Stadtkirche findet eine Gedenkfeier in Erinnerung an die Mobilmachung des I. Weltkrieges statt, in der „Kriegergedächtniskirche" (Marienkirche) eint: Kranzniederlegung. Zur Bautätigkeit in Delitzsch: Im Bau sind 20 Obdachlosensiedlungen in der Fuststraße; 10 Kleinsiedlerstellen sind bereits errichtet, in den folgenden Jahren sollen weitere 20 Stellen erbaut werden. In der Karl-Hagedorn-Straße entstehen 14 kleine Wohnhäuser. In der Franz-Seldte-Siedlung (Friedenssiedlung/64 Heimstätten) sind die ersten Häuser bezogen worden. Im Kurpark ist eine Liegehalle im Entstehen. Der Lober im Kurpark wird gründlich gereinigt. Im Herbst wird der 2. Teil des Kurparkes neu bepflanzt. Die Gefängnismauer am Schloß wird abgerissen, ein neuer Verbindungsweg angelegt. Das frühere Jugendheim am Kyhnaer Weg wird zum „Amtswalterheim". Von der Kömerstraße aus wird ein Durchbruch zur Grünstraße durch den Abbruch des Hauses Grünstraße 26 geschaffen. Vier Baulücken (Bitterfelder Straße, Bismarckstraße/Feldstraße) werden geschlossen; Bauten in der Damaschkestraße. Vorgesehen sind 20 Eisenbahnersiedlungen in der Dübener Straße. Aus Anlaß der Beisetzung Hindenburgs findet eine Trauerparade durch die Formationen der NSDAP, den Kyfthäuserbund und die Polizei statt. Eine Kundgebung des Handwerks, der Deutschen Arbeitsfront, des Beamtenbundes und anderer Organisationen wird im Hinblick auf eine Volksabstimmung über die Vereinigung des Amtes des Reichspräsidenten mit dem des Reichskanzlers durchgeführt Anordnung des Bürgermeisters Dr. Baumgardt vom 16. August:
„Die Eigenart der Propaganda zu der am 19. August bevorstehenden Volksabstimmung bedingt, daß in allen deutschen Betrieben Kurzansprachen gehalten und kurze Entschließungen gefaßt werden. Eine solche Kurzansprache soll für die Stadtverwaltung morgen, Freitag, den 17. August 1934, um 17.15 Uhr, im Rathaus, Sitzungssaal stattfinden. Es werden hiermit sämtliche Arbeiter der Stirn und der Faust der Stadtverwaltung eingeladen."
Ergebnisse der Volksabstimmung vom 19. August über die Vereinigung des Amtes des Reichspräsidenten mit dem des Reichskanzlers in der Person „Führer und Reichskanzler" Adolf Hitler in Delitzsch:

Wahlbeteiligung:

96,57

%

Stimmberechtigt:

10897

 

Jastimmen:

9805

 

Neinstimmen:

962

 

ungültig:

256

 

Am 23. August werden die Beamten auf den „Führer und Reichskanzler" Adolf Hitler vereidigt. Die „Saarland-Treuestaffel" kreuzt die Stadt Delitzsch. Ziele: Entscheidung der Bevölkerung des Saarlandes für den Anschluß an Deutschland. Es finden Saarkundgebungen statt eine Saarplakette wird ausgegeben, es erfolgt ein Aufruf an die Saardeutschen, sich für die Abstimmung anzumelden. In der Zeitung erscheinen verstärkt Artikel militärischen Inhalts. Hier einige Schlagzeilen:
„Das neue Jagdgeschwader Richthofen"
„Die ersten Flakartillerie-Manöver"
„Der Führer bei den Manövern des Vl. Armeekorps"
„Nürnberg: Die Ankunft der Panzerwagen"
„Luftparade", „Wieder deutsche U-Boote"
„Torpedoboote im Herbststurm"

1934 September
Nachdem nunmehr auch die jenseits des Lobers gelegene Hälfte des städtischen Kurparks fertiggestellt wurde, ist diese für die Öffentlichkeit zugänglich. Hinter der Badeanstalt führt eine Brücke über den Lober. Im nächsten Sommer werden im Kurpark 3000 Rosen „ihre Blüten öffnen". Heute stellt der Rosengarten ein Kleinod der Stadt Delitzsch dar. Die bisherigen 31 Handwerkerinnungen des Kreises werden am 17. September aufgelöst. 19 neu geschaffene Pflichtinnungen schließen sich der Kreishandwerkerschaft an. „Tag des Deutschen Volkstums" im Schützenhaus bei einem „Fest der Deutschen Schule". Sprecher sind VDA-Kreisführer Porath, Schulrat Sämisch und Direktor der Berufsschule Spangenberg. Verdunkelungsübung in Delitzsch. Losung: „Delitzsch unter der Tarnkappe". Es herrscht völlige Finsternis. In der Oskar-Reime-Straße wird eine Quelle gefunden, die einen hohen Eisengehalt (Stahlquelle) hat. Die Quelle soll gefaßt werden, und es soll ein Trinktempel errichtet werden. Der Chemiker Mischen, der das Wasser untersucht, stellt den starken Eisengehalt fest.

1934 Oktober
Die Bäckerinnung Delitzsch und Umgebung begeht am 07. Oktober ihr 500jähriges Bestehen mit einer Fahnenweihe und einer Festveranstaltung. Redner sind der Bürgermeister Dr. Baumgardt, Innungsobermeister Rehn und der Gewerbeoberlehrer Scharruhn. Einführung des „Landjahres" für Jugendliche. Jugendliche, die keine Lehrstelle erhalten haben, sollen acht Monate in bäuerlichen Betrieben arbeiten. Es soll eine Erziehungsmaßnahme des Staates für Jugendliche sein, deren Eltern nicht den Geldbeutel haben, um ihren Kindern einen längeren ununterbrochenen Aufenthalt in der gesunden Luft auf dem Lande angedeihen zu lassen. Der in diesem Jahr auf Betreiben der Reichsbahn-Hauptverwaltung gegründete „Reichsbahn-Turn-und Sportverein" (RTSV) tritt erstmalig mit einer größeren Veranstaltung ah die Öffentlichkeit. Das erste Segelflugzeug der Abteilung Segelflug des RTSV wird feierlich getauft. Am Ende des Werkstättenweges, mit der einen Seite direkt am Werkstättenteich gelegen, ist ein Sportplatz im Bau, der so angelegt worden ist, daß fast alle Arten des Sportes betrieben werden können. Eine Schießhalle ist gebaut worden. Mitten im Werksgelände hat man einen Tennisplatz geschaffen. Die Nachrichtenschar des Bannes 301 der Hitlerjugend führt mit Winkerflaggen eine Übung über den Dächern von Delitzsch durch. Kraftfahrzeugbestand im Kreise Delitzsch 1934: 2248 Motorräder, 742 Personenwagen, 225 LKW. Fischzug im Stadtgraben:
869 Pfund Karpfen, 124 1/2 Pfund Schleie, 2111/2 Pfund Hechte, 15 Pfund Barsche, 273 Pfund Weißfische, 1 Pfund Aal, Die Stadtverwaltung läßt eine Verbindung zwischen dem DietzeGarten und dem Stadtpark schaffen. Die Parkstraße wird mit Pyramidenpappeln bepflanzt, eine Stiftung der Fa. Poenicke. Die auf der Hermann-Göring-Straße angepflanzten Ulmen gehen nach und nach ein. An ihrer Stelle pflanzt man Kugelahorn, eine Spende des Generaldirektor Böhme. Am Lober, südlich der Sorauer Bahn, wird eine Bisamratte erlegt; weitere Tiere sollen sich dort im Lober befinden. Für jede erlegte Ratte zahlt man eine Belohnung. In Delitzsch soll eine NSKOV (Nationalsozialistische KriegsopferVersorgung) - Siedlung entstehen. Ort: Delitzsch-Ost; Preis für die einzelne Siedlerstelle 5000 RM. Neue Straßen: Saarstraße - Verbindungsstraße zwischen Tannenbergstraße und Securiusstraße (heute Humboldtstraße); Muchowstraße - Weg längs der neuen Obdachlosensiedlung an der Fuststraße (heute: Uferstraße); Lönsstraße - in der Eisenbahnersiedlung in Delitzsch-Ost Am 31. Oktober findet eine Kundgebung der „Deutschen Arbeitsfront" statt unter der Parole: „Marschieren und zupacken!"

1934 November
Die Fabrikstraße wird vollständig erneuert. Man hat sie verbreitert, Schlaglöcher beseitigt, auf beiden Seiten Kugelakazien angepflanzt. Die Kosten trägt die Zuckerfabrik. Zwischen der Eilenburger und der Bismarckstraße entsteht ein neuer Verkehrsweg, die heutige Querstraße. Die Stadtverwaltung verlangt erneut in einem Schreiben an die Reichsbahndirektion die Zusammenlegung der Bahnhöfe. Im „Astoria-Film-Theater" (Hallesche Straße, ehemals Capitol) werden Filme der beliebten Komiker „Pat und Patachon" gezeigt. Die Wohnbevölkerung gemäß der Volkszählung vom 16. 06. 1933 in Delitzsch beträgt: 16.476,

 

 

davon: evangelische Christen:

14.952

katholische Christen:

671

Israeliten:

24

Sonstige:

827

andere Christen:

2

1934 Dezember
Baumaßnahmen: Der Straßendurchbruch Querstraße wird ausgebaut. Es erfolgt ein Straßendurchbruch vom Horst-Wessel-Platz (Nordplatz) zur Securiusstraße. Der Vorplatz des Berliner Bahnhofes wird durch Grün- und Rosenanpflanzungen verschönt. Es erfolgt die Einweihung der ersten Eisenbahnersiedlung am Werbener Weg mit 10 Doppelhäusern. Am klaren Sternenhimmel beobachtet man am 11. Dezember südlich von Delitzsch einen Meteor, der in Richtung von West nach Ost seine Bahn zieht. In seinem schönen grünen Licht ist eine Gaswolke als Schweif zu erkennen. Kurz vor dem Erlöschen zerplatzt er dann in zahllose große und kleine Stücke. Im Kreise Delitzsch untergebrachte Saarkinder verlassen wieder unsere Stadt. Mit solchen Maßnahmen will man die Entscheidung der Deutschen an der Saar im Jahre 1935 unterstützen, sich für Deutschland zu entscheiden. Man wendet sich entschieden gegen den von Frankreich propagierten „Status quo". Am 31. Dezember wendet sich der Bürgermeister Dr. Baumgardt an die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Delitzsch: „Das Jahr 1934 hat unserer Stadt mancherlei Erfolge und Anerkennung gebracht. Mit frischem Mut sind Private wie Geschäftsleute darangegangen, ihre Heimat zu verschönern und die ortsansässige Wirtschaft zu beleben. Allen, welche die Stadtverwaltung unterstützten, in ihren Plänen förderten und der Gesamtheit damit dienten, sage ich den herzlichen Dank. Noch liegen viele Aufgaben vor uns, die im Interesse der Entwicklung unserer Gemeinde gelöst, allerlei Schwierigkeiten, die überwunden werden müssen. Ich erbitte dazu die Mitarbeit aller, die sich ihrer Heimat in Treue verbunden fühlen. Ich weiß, daß wir alle dasselbe Ziel vor Augen haben: aus unserer Stadt eine Stätte der Arbeit, der Freude und einer echten deutschen Volksgemeinschaft zu machen. Mit der Hoffnung auf solchen Erfolg wünsche ich Delitzsch's Bürgern und Bürgerinnen ein glückliches und gesegnetes Neues Jahr." Persönlichkeiten des Jahres 1934 sind:

Meister

Landrat

Dr. Baumgardt

Bürgermeister

Schimpff

Kreisleiter NSDAP

Koch

Ortsgruppenleiter

Mietzsch

Branddirektor

Biehl

Kreishandwerksmeister

Böhme, Albert

Generaldirektor Böhme AG

Aumüller

Generaldirektor Zuckerfabrik

Petzold

Werkdirektor RAW

Sämisch

Schulrat

 

 

1934 Zusammenfassung des Jahres
Nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus hatte sich die politische Situation völlig verändert. Die parlamentarische Demokratie war abgelöst von der Alleinherrschaft der NSDAP. 1934 setzte man die „Gleichschaltung" aller Verbände und Organisationen fort und gewann auch die Zustimmung der Religionsgemeinschaften, wie die Treueerklärung evangelischer Bischöfe zu Hitler vom 27. Januar 1934 beweist. Die Hoheitsrechte der Länder gingen auf das Reich über, die Länderparlamente wurden aufgelöst, das „Führerprinzip" wurde durchgesetzt. In Delitzsch wurde der Bürgermeister als Führerpersönlichkeit der Erst- und Letztverantwortliche, die Stadtverordnetenversammlung wurde aufgelöst, an ihre Stelle trat der „Gemeinderat" mit beratender Funktion, in dem die NSDAP bestimmte. Die Nationalsozialisten entwickelten in allen ihren Organisationen eine rege Betriebsamkeit. Aufmärsche, Demonstrationen, Kundgebungen und Maßnahmen aller Art für die verschiedenen Schichten und Berufsgruppen, die der Zuwendung der Bevölkerung zur nationalsozialistischen Idee dienen sollten, waren an der Tagesordnung. Häufig waren Kundgebungen mit dem Anhören von Reden Hitlers oder des Reichspropagandaministers Goebbels in Gemeinschaftsempfängen verbunden. Als der Vizekanzler v. Papen im Juni 1934 gegen das NSDAP-Monopol eintrat sowie Maßnahmen gegen die SA forderte, war sein Rücktritt aus dem Kabinett fällig; er wurde als Gesandter nach Wien „abgeschoben". Im Juni/Juli gab es dann den „Röhm-Putsch". Röhm als Stabschef der SA wollte die SA bewaffnen und ihren Einfluß stärken. Das widersprach den Vorstellungen Hitlers und der Reichswehrführung als „alleiniger Waffenträger". Röhm und seine engsten Anhänger wurden erschossen, jegliche oppositionelle Regung gegen Hitler wurde rigoros unterbunden mit der Begründung einer erforderlichen „Reichsnotwehr". Die Machtkonzentration in der Hand Adolf Hitlers wurde absolut, als nach dem Tod des Reichspräsidenten v. Hindenburg auch die Funktion des Staatsoberhauptes durch Hitler übernommen wurde. In Delitzsch ging die Arbeitslosigkeit im Verlaufe des Jahres 1934 immer mehr zurück. Der Haushalt der Stadt wurde auch durch den Rückgang der Aufwendungen des Fürsorgeamtes merklich entlastet, obwohl die Stadt nach wie vor verschuldet war und um den Abbau der Fehlbeträge im Haushalt kämpfte. Der sehr rührige und kluge Bürgermeister Dr. Baumgardt hatte großen Anteil an der Verbesserung der sozialen Verhältnisse sowie an der Verschönerung der Stadt Delitzsch. Man erschloß die Delitzscher Moorerde, aus der Wannbadeanstalt wurde das Moorbad Delitzsch, man fand eine heilkräftige Quelle, die „Stahlquelle". Der Generaldirektor der Schokoladefabrik, Albert Böhme, trug durch zahlreiche großzügige finanzielle Spenden zur Verwirklichung der Ideen des Bürgermeisters Dr. Baumgardt bei, unsere Heimatstadt immer schöner zu gestalten. Am Moorbad, am Schloß, im Stadtpark, am Wallgraben und rings um die Altstadt schuf mau Ordnung, baute und gestaltete nach den Plänen des Obergartenmeisters Artur Kampf die Grünanlagen, so daß Delitzsch tatsächlich verdiente, „Bad Delitzsch" zu werden. Bemerkenswert ist, daß der Magistrat gemäß Beschlußprotokolle dem Bau eines Flugplatzes nicht zustimmte, was ja bekanntlich in den folgenden Jahren unter dem Regime des Bürgermeisters Dr. Frey erfolgte. Insgesamt läßt sich 1934 eine Verbesserung der Lebensverhältnisse für die Menschen in Delitzsch registrieren, auch eine wachsende Zuwendung zu den Plänen und Maßnahmen der örtlichen Führung. Dazu trugen viele Baumaßnahmen bei, u. a. der Aufbau von Wohnsiedlungen, der Straßen- und Häuserbau, was sowohl für die Arbeitsbeschaffung bedeutsam war, aber was auch die Wohnverhältnisse merklich verbesserte. Die Maßnahmen zur Gewinnung der Jugend für die Idee des Nationalsozialismus und die Nutzung jugendgemäßer Methoden der ideologischen Erziehung zeigten Wirkung. Man ging nach dem Grundsatz vor: Wer die Jugend hat, hat die Zukunft! In den Schulen waren die Lehrer im NSLB (Nationalsozialistischer Lehrerbund) vereinigt, oppositionelle Lehrer, wie der Sozialdemokrat Fritz Schwahn, waren aus dem Schuldienst entfernt. Gelehrt wurden jetzt auch die Grundsätze der NSRassentheorie. Wer blaue Augen und blonde Haare hatte, war stolz, weil er glaubte, zur wertvollen Nordischen Rasse zu gehören. Die Schüler wurden aufgefordert, Ahnenforschung zu betreiben. Eine erhebliche Rolle spielte die beginnende Wehrerziehung und dabei der Luftschutz. Für den aufmerksamen Beobachter wurde sichtbar, daß die militärischen Anstrengungen wie Flugzeug-, Panzer-, U-Bootbau im Reich zunahmen. Eine systematische propagandistische Beeinflussung zur Stärkung des Wehrwillens war zu verzeichnen. Es zeichnete sich ab, daß man sich darauf vorbereitete, politische Ziele auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen.


1935

1935 Januar
In Delitzsch wird das Abstimmungsergebnis im Saarland vom 13. Januar mit Begeisterung aufgenommen (Flaggen, Feiern in den Schulen, Glockenläuten, Illumination, Fackelumzug). Ergebnisse:

Abstimmungsberechtigte

=

539.511

abgestimmt haben

=

528.005

für Deutschland

=

477.119

für Frankreich

=

2.124

für Statuts quo

=

46.513

Anfang 1935 sind 69 Wohnungen im Bau, von denen 59 bereits im Rohbau fertiggestellt sind.

1935 Februar
Der Studienrat Dr. Eckstädt, der seit 1919 an der Oberrealschule tätig war, wird Anstaltsgeistlicher und Studienrat am Pädagogikum und Waisenhaus Züllichau. Er war bei Schülern und Eltern sehr beliebt, sein Weggang wird allgemein bedauert. In der Oskar-Reime-Straße werden weitere Bohrungen durch Schlossermeister Polter, Chemiker Dr. Mischon und Stadtbauinspektor Kratsch veranlaßt. Man findet unweit der zuerst gefundenen Quelle eine Stahlquelle, die mehr Eisengehalt als die Helenenquelle in Bad Pyrmont enthält. Es ist dies nun der „Neue Heiligbrunnen". Ein Liter der Quelle enthält nach Analysen des Lebensmittelchemikers Dr. Mischon:
13,0 Milligramm Eisen
41,4 Milligramm doppelkohlensaures Eisenoxidal
269,0 Milligramm Kochsalz.
Der Brunnen erzielt gute Wirkungen bei Blutarmut, Erschöpfungszuständen nach verschiedensten Krankheiten, Unterleibsleiden der Frauen, bei vielen nervösen Störungen, auch bei fettleibigen Gichtkranken. Infolge des außerordentlich hohen Kochsalzgehaltes reguliert der Brunnen die Bildung von Verdauungssäften, steigert die Verdauung und fördert den Stuhlgang bei Darmträgheit. Beschluß der Stadtverwaltung: Errichtung eines einfachen Baues für den neuen Heiligbmnnen. Damit verbunden ist, daß die Straßen verbessert werden müssen. Man ist der Ansicht, daß sich Delitzsch mit diesem Neuen Heiligbrunnen ein Schmuckstück für das Stadtbild zulegen wird. Die Stadt hat Wiesen an der Parkstraße käuflich erworben, um eine spätere Erweiterung des Stadtparks vornehmen zu können. Die Stahlquelle wird künftig auch als Tafelwasser abgefüllt und versendet. Die Abfüllung und den Versand übernimmt die Brauerei Dietrich aus der Elisabethstraße.

1935 März
Das Saarland gehört nunmehr zu Deutschland. Die Sirenen der Stadt heulen, überall Fahnenschmuck, für kurze Zeit Verkehrsruhe und in den Betrieben Stillstand der Maschinen. Ein großes Kirchenereignis ist der Besuch des Bischofs Peter in der Stadt.

1935 April
Der „Beauftragte der NSDAP" ist der Kreisleiter Schimpff. Seine Aufgabe ist, bei bestimmten Entscheidungen der Gemeinde mitzuwirken, u. a. auch bei der Besetzung von Ämtern - Bürgermeister, Stadträte, Beamte. Der Generaldirektor der Zuckerfabrik, Robert Aumüller, stiftet zur Verschönerung des Stadtbildes für den Stadtgraben je ein Paar Brautenten, Mandarinenten, Knäckenten und Knickenten. Aus dem Dankschreiben des Bürgermeisters Dr. Baumgardt: " ...hoffentlich gelingt es unseren gemeinsamen Bemühungen, die Stadt Delitzsch zu einer kleinen Perle im Kreise der mitteldeutschen Städte zu gestalten." Es erfolgt die „Lossprechung" der Lehrlinge sowie die Aufnahme der Jungmeister in die „Kreishandwerkerschaft". Damit sollen die alten Handwerkertraditionen neu belebt werden. Die Einwohnerzahl in Delitzsch betrug am 31. März 16.912. Schlagzeile der Delitzscher Zeitung:
„Die Frauenschaft wirbt für das deutsche Ei!" - Die NS-Frauenschaft veranstaltet am Sonntagnachmittag um 4 Uhr einen kleinen Propagandamarsch für „das deutsche Ei" mit anschließender Ostereiersuche für die Kinder. Ehestandsdarlehen haben sich auf die Eheschließungen fördernd aus-gewirkt, ein Anstieg ist zu verzeichnen. Wohlfahrtserwerbslose, Zusatzunterstützungsempfänger und sonstige Hilfsbedürftige:
01. Januar             =             578
01. März               =             571
31. März               =             485
Pfarrer Siebart verläßt am 16. April. Delitzsch und geht nach HalleTrotha. Sein Weggang wird allgemein bedauert. In einer Versammlung der Einwohner der Grünstraße in der Gaststätte „Goldene Kugel" (Volksmund: Die Kuller) beschäftigt man sich mit der Vorbereitung des Brunnen- und Heimatfestes am 25. und 26. Mai. Bis 1862 war die Gemeinde Grünstraße, zu der auch die Häuser im Rosental u. a. gehörten, eine selbständige Gemeinde. Zum Heimatfest soll der alte Brauch des „Pfingstbieres" neu belebt werden. Das Luftschiff „Graf Zeppelin" kreuzt am 18. April über dem Kreis Delitzsch. Delitzsch wirbt für Moorbad und Stahlquelle. Aus einer Werbeschrift:
„Ein neuer Heiligbrunnen spendet heute die Delitzscher Stahlquelle, ein wohlschmeckendes und erfrischendes Kur- und Tafelgetränk und ein Heilmittel bei Rheumatismus,. Gicht, Blutarmut, Mattigkeit, Nervosität, Magen- und Darmkrankheiten. Das überreiche Moorvorkommen in der Loberniederung der Stadt wird ferner zu Heilzwecken mit Erfolg im Delitzscher Viktoriabad verabreicht." Seit dem 29. April führt der Lober schmutziges Wasser mit sich, das offenbar im Oberlauf von unbefugter Seite eingelassen worden ist. Infolgedessen ist ein starkes Fischsterben eingetreten. Als Ursache wird die Ableitung von Rieselwasser in den Lober bei Hohenossig angegeben.

1935 Mai
Vorhaben der Gemeindepolitik: Straßenbau- und ausbesserungprogramm mit einem Kostenaufwand von 94.000 RM: Ausbau der Securiusstraße; Ausbau der Muchowstraße (heute Uferstraße) samt Kanalisation; Kaiser-Wilhelm-Ring (heute Am Wallgraben) und General-Maercker-Straße (heute Friedrich-Ebert-Straße) mit Kanalisation; Freiherr-von-Stein-Straße und Gertitzer Straße mit Kanalisation, Ausbau der Saarstraße, Leberstraße, Roonstraße, Albert-Böhme-Straße, Langemarckstraße (heute Schulze-Delitzsch-Straße) und Hagedornstraße. Vorflutregulierung am Schulze-Delitzsch-Ring und dem Schloß. Auf „lange Sicht" will man am Rosental ein „Stahlbad" errichten. (Daraus wurde nichts!) Man plant die weitere Errichtung von Obdachlosensiedlungen. 889 Erbhöfe des Anerbengerichtsbezirkes Delitzsch werden als „erbhoffähig" in das gerichtliche Register eingetragen. Arbeitslosenunterstützung nach dem Stand vom 28. Februar: 294 Personen, 100 Personen erhalten „Krisenfürsorge". Der Breite Turm wird im Mai ausgebessert. Die West- und Ostseite wird mit silbergrauem Schwarzatalschiefer neu eingedeckt. Vor sechs Jahren fand die letzte Dachreparatur statt. Der Sportverein „Concordia" besteht am 10. Mai 25 Jahre. Auf dem Sportgelände an der Elberitzmühle findet aus diesem Anlaß ein grosses Sportfest statt. Die 1. Herren der Fußballsektion kämpft um den Aufstieg in die Bezirksklasse. In einer Jubiläumsveranstaltung im Schützenhaus sprechen der Vereinsführer Otto Braunsdorf, Pfarrer Suckert, ein sportbegeisterter und in Delitzsch sehr geachteter und beliebter Geistlicher, Vertreter der Partei und der Behörden sowie der anderen Delitzscher Sportvereine. Am Ehrenmal für die 17 gefallenen Sportler des Vereins hält Pfarrer Suckert am Sonntag die Gedenkansprache. Erneut geht es um die Verunreinigung des Leberwassers durch die Berieselung mit Leipziger Abwässern. Der Kreis Bitterfeld, der ebenfalls unter der Verseuchung des Lobers zu leiden hat, setzt sich im „Bitterfelder Tageblatt" mit der Lage auseinander und weist der Rieselfeldgenossenschaft die Schuld zu. Am 12. Mai findet das erste Kurkonzert am Viktoriabad statt. In der Folgezeit werden diese Kurkonzerte jeden Sonntag und Mittwoch abwechselnd am Viktoriabad und am Neuen Heiligbrunnen durchgeführt. Der Museumsverein besucht das Geiseltalmuseum in Halle, um sich mit den vorgeschichtlichen Funden vertraut zu machen und sich weiterzubilden. Die Delitzscher Rieselfeldgenossenschaft wehrt sich gegen die Vorwürfe zur Verunreinigung des Lobers durch Rieselabwässer: „Was die Einleitung von Abwasser in den Leber anbelangt, so handelt es sich um eine von unbefugter Seite getroffene Maßnahme, wogegen die Genossenschaft längst die notwendigen Vorkehrungen getroffen hat. Daß von der Einleitung des Abwassers der Lober bis weit in den Kreis Bitterfeld hinein verseucht sein soll, ist eine große Lüge. Von einem Fischbestand im Lober ist den dafür zuständigen Stellen bisher nichts bekannt geworden..." Da waren die „zuständigen Stellen" bestimmt nicht gut orientiert, denn wir haben als Kinder viele Fische im Lober beobachtet und auch gefangen. In Delitzsch sind von 1000 Einwohnern 235 Kinder; Berlin hatte vergleichsweise 134 Kinder auf 1000 Einwohner. Zum Anhören einer Hitlerrede aus Anlaß der Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht sind überall Gemeinschaftsempfänge organisiert, so auch in Delitzsch. Am 23. Mai wird das Wehrgesetz veröffentlicht. Vor dem Gasthof „Zur grünen Linde" stand einst eine Linde. Darüber schreibt am 21. Mai der Vater des früheren Besitzers Wilhelm Zeidler aus Schladitz bei Zwochau:
„1869, den 23. Mai abends 9 Uhr, fing die alte Linde in Delitzsch, vor dem Gasthofe meines Sohnes stehend, an zu brennen. Sie war sehr alt, schien auch einzugehen und war inwendig hohl. ... Vermutlich durch Kinder war der Brand entstanden. Die Linde wurde dann gefällt. Der Gasthof meines Sohnes hatte durch diese Linde den Namen „Gasthof zur grünen Linde" bekommen." Überblick über geschaffene Wohnsiedlungen in Delitzsch: 1934 Franz-Seldte-Siedlung (heute Friedenssiedlung) am Westrand der Stadt mit 60 Wohnungen; In der Muchowstraße (heute Uferstraße) 20 Siedlerstellen für unverschuldet Obdachlose, 1935 sollen hier weitere 20 Siedlerstellen geschaffen werden. Eisenbahnersiedlung zwischen Werbener Weg und Dübener Landstraße mit 10 Doppelhäusern. In der Hagedorn- und General-Maercker-Straße (heute Friedrich-Ebert-Straße) sind die Häuser im Bau. Geplant ist eine Siedlung des NSKOV im Osten der Stadt; im Volksmund Frontkämpfersiedlung. Geplant ist eine Eisenbahnersiedlung an der Hermann-Löns-Straße mit 53 Wohnungen.

Das Heimat- und Brunnenfest am 25. und 26. Mai 1935 - Der historische Hintergrund
Bereits in der Besiedlung unseres Gebietes durch die Sorben-Wenden soll sich in Delitzsch, so die Legende, eine Kult- und Opferstätte mit einer geweihten Quelle, dem Heiligbrunnen, befunden haben. Als das Thüringer Reich im Jahre 531 unter dem Ansturm der Franken und Sachsen in der Schlacht bei Burgscheidungen zusammengebrochen war, sickerten in das fast menschenleere Gebiet die Sorben-Wenden von Osten her ein und drangen bis zur Saale vor. Hugo Martin, der sich ausführlich mit diesem Problem beschäftigt hat, vertrat die Ansicht, daß der Heiligbrunnen wahrscheinlich in die slawische, vielleicht sogar in die germanische Zeit unseres Gebietes zurückreicht. Urkundlich wird der Heiligbrunnen erstmalig im Jahre 1406 erwähnt. „Der Rat der Stadt Delitzsch kaufte 1406 eine große Wiese bei den heiligen Born von Offa von Slivin." (Heimatbilder, Beilage zum Delitzscher Tageblatt 1910 - 1914, S. 315) Nach der Sage wurden beim Heiligbrunnen Opferfeste gefeiert, zu denen der Fürst von seinem Sitze Gruna erschien. (Hugo Martin) „Über Jahrhunderte hinweg klang immer wieder aus sorbischwendischer Epoche her die Sage von der geweihten und heilkräftigen Quelle." (Aus der Rede des Bürgermeisters Dr. Baumgardt zur Brunnenweihe im Jahre 1935.) Tatsache ist, daß die Heilwirkung des Quellwassers in der Vergangenheit in Anspruch genommen wurde. „1735. Am 15. Juni trifft der 71jährige Herzog Heinrich von Merseburg mit seiner Gemahlin Elisabeth in Delitzsch ein, um hier die Brunnenkur zu gebrauchen." Erwiesen ist auch, daß die Quelle am alten Heiligbrunnen im Stadtpark geflossen ist. Die Quelle war gefaßt aus einem Rohr lief das klare Wasser ununterbrochen. Kinder haben oft daraus getrunken. Später, als das Wasser nicht mehr floß, konnte man neben dem Wasserbecken des alten Heiligbrunnen beobachten, daß Wasser aus dem Erdreich quoll und den Boden rötlich färbte, was auf den Eisengehalt des Wassers schließen läßt.

Der Neue Heiligbrunnen
In der Nähe der Oskar-Reime-Straße wurde durch Zufall eine eisenhaltige Quelle entdeckt. Eine Familie ließ im Garten einen Brunnen bohren und das Wasser von dem Delitzscher Lebensmittelchemiker Dr. Mischon untersuchen, der einen auffällig starken Eisengehalt feststellte und die Stadtverwaltung informierte. Man ließ dann auf städtischem Gelände an der Oskar-Reime-Straße bohren und traf auch nach mehreren Versuchen die Ader des heilkräftigen Wassers. Analysen ergaben, daß die Quelle den Vergleich mit Heilquellen bedeutender und bekannter Heilbäder nicht zu scheuen brauchte, so daß die Möglichkeit ihrer Nutzung für Heilzwecke möglich war. Die Stadtverwaltung veranlaßte, daß die Quelle in einem Brunnenhäuschen an ein Pumpwerk angeschlossen wurde, die Nutzung des heilkräftigen Wassers konnte erfolgen. Die Firma Dietrich in der Elisabethstraße übernahm das Abfüllen des Brunnens, so daß er auch als Heil- und Tafelwasser zum Versand gebracht werden konnte.

Das Moorbad
Für die Entwicklung der Stadt Delitzsch war das Auffinden eines ungemein heilkräftigen Moorbodens in der Loberaue von Bedeutung. Zum „Neuen Heiligbrunnen" kam hinzu, daß nun im Viktoriabad, der im Volksmunde bekannten „Warmbadeanstalt", Moorbäder für Heilzwecke verabreicht werden konnten. In einer Werbeschrift hieß es: „Delitzsch hat ein Eisenmoorbad und eine Stahlquelle als städtische Einrichtungen. Bei Gicht, Ischias, Rheuma, Frauenleiden heilen Moorbäder im städtischen Moorbad, im Viktoriabad. Die Stahlquelle „Neuer Heiligbrunnen" ist ein vorzügliches Kur- und Tafelwasser. Trinken Sie den heilsprudelnden Quell und Sie sind gesund." Auf Grund dieser günstigen durch die Natur geschaffenen Bedingungen erschien die Vorstellung, aus Delitzsch „Bad Delitzsch" mit einem geregelten Kurbetrieb zu machen, berechtigt.

Die Nutzung historischer Traditionen und die Veränderung der Umweltbedingungen
Man war sich im Rathaus wohl bewußt, daß die Verwirklichung solch hochgesteckter Ziele die Schaffung günstiger Umweltbedingunge erforderte. Ein wesentlicher Faktor war die kluge und sinnvolle Gestaltung der Park- und Grünanlagen in Verbindung mit der Nutzung und Ausgestaltung der historischen mittelalterlichen Wehranlagen. Es kam die Losung auf: „Delitzsch, Stadt der mittelalterlichen Wehranlagen und neuzeitli chen Parks, Moorbad und Stahlquelle!" Mit großer Energie und lebhafter Anteilnahme und Mitarbeit der heimatverbundenen Bevölkerung ging man daran, die Parkanlagen am Moorbad, am Brunnenhaus in der Oskar-Reime-Straße, am Schlo und rings um den Wallgraben auszugestalten und zu verschönern. Viel hat dabei in rastloser Arbeit der Stadtobergartenmeister Kampf beigetragen. Delitzsch wurde immer mehr zu einer ansehenswerten Stadt, überall regte sich das Bestreben, unsere Heimatstadt immer schöner zu gestalten, wobei das Ziel, im Mai 1935 ein Heimat- und Brunnenfest zu veranstalten, außerordentlich aktivierend wirkte. Als Heimatfreund und hochherziger Gönner und Förderer der Bemühungen der Stadtverwaltung erwies sich Albert Böhme, Generaldirektor der Schokoladefabrik Böhme AG, der sowohl durch,' seine Spenden von etwa 15.000 RM zur Ausgestaltung des Geländes um das Moorbad, sowie weitere Spenden zum Bau des Brunnenhäuschens und mit einer Stiftung von 50.000 RM für den neuen Parkteil als auch durch sein gesamtes heimatliches Engagement maßgeblich half, die hohen Ziele des Bürgermeisters Dr. Baumgardt zu verwirklichen. Ihm zu Ehren wurden der neue Teil des Parkgis „Albert-Böhme-Park" und die Lindenstraße „Albert-Böhme-Straße" benannt. Der Chronist der Stadtverwaltung schrieb zum Heimat- und Brunnenfest selbst folgendes: „Am 25. Und 26. Mai erlebte Delitzsch ein Heimatfest, wie es ein solches seit Jahrzehnten nicht erlebt hat, ein Heimat- und Brunnenfest, denn mit dem Heimatfest war die Einweihung der neu entdeckten Stahlquelle, dem „Neuen Heiligbrunnen" verbunden. Am Sonnabend Mittag waren die Vorbereitungen getroffen. Auf dem Roßplatz waren 20 Fahnenmasten errichtet. Für die Abendbeleuchtung war eine Lichterkette mit 600 Lampen gespannt. Das Heimatfest nahm seinen Anfang am Sonnabend Mittag 12 Uhr mit dem Einzug des Türmers auf den Breiten Turm, während die Stadtsoldaten das Breite Tor besetzten und die Schwedensignale ertönten. Um 15. Uhr fand die Errichtung des Maibaumes der „Gemeinde Grünstraße" in feierlicher Weise statt. Mit Eintritt der Dunkelheit begann die Beleuchtung der Zwingergärten, Bestrahlung der historischen Gebäude, gegen 21 Uhr. Konzert, Tanz usw. beschlossen die Sonnabendfeierlichkeit. Der Sonntag wurde mit einem Gesangskonzert der Sängervereinigung im Stadtpark eröffnet. Um 10 Uhr wurden die Ehrengäste vom Bürgermeister Dr. Baumgardt im Rathaus empfangen. Hierauf ging es im feierlichen Zuge zum Neuen Heiligbrunnen, der seine Weihe erhielt. Eine eigens dazu vom Musikdirektor Straube komponierte Hymne, deren Text von Bürgermeister Dr. Baumgardt stammt, wurde vorgetragen, junge Mädchen schmückten den Brunnen mit Tannengewinden. Der Kreisleiter, Landrat und Bürgermeister hielten Ansprachen. Um 16 Uhr begann der Abmarsch des großen historischen Festzuges, der durch die Bitterfelder Straße zum Roßplatz und durch das Rosental nach dem Neuen Heiligbrunnen führte, wo der Herzog Heinrich durch den Bürgermeister empfangen wurde. Von hier ging es weiter: Schulze-Delitzsch-Ring, Pfortenstraße, Marktplatz, Hallesche Straße, Ritterstraße, Holzstraße ... fast durch die gesamte Stadt. Der Festzug mit seinen 60 Gruppen bildete natürlich das größte Interesse. An der Ausgestaltung dieses imposanten Umzuges haben sich alle Handwerksinnungen, die hier ansässige Industrie und das Gewerbe, sämtliche Vereine und Verbände beteiligt. 200 Jahre heimatlicher Geschichte sind, zu neuem Leben erweckt, an uns vorübergegangen. Da erschienen Landsknechte in den Straßen Delitzsch's, schwedische Dragoner zu Pferde konnten bestaunt werden. Der Herzogszug aus dem Jahre 1735 war nachgebildet worden. Delitzscher Schützen aus dem gleichen Jahre, Bürgergarde des Jahres 1848, Gruppen der alten Armee usw. marschierten auf. Recht interessant war auch die Gruppe „Im Wandel der Zeiten". Hier sahen wir die erste Eisenbahn, die Delitzsch durchfuhr, und den Schienenzepp, der unsere Stadt in Kürze durchrasen wird, naturgetreu nachgebildet. Unsere heimische Schokoladenindustrie führte uns durch schmackhafte Bilder in die Geheimnisse ihrer Künste ein. Alle Innungen waren durch historische Gruppen vertreten." Die zur Brunnenweihe vorgetragene Hymne, Text von Bürgermeister Dr. Baumgardt, Vertonung durch den gebürtigen Delitzscher, Musikdirektor Willy Straube, hat folgenden Wortlaut:

In unserer Mutter Erde gar tief und im stillen
sprudelt der Quell von Geheimnis gelenkt,
bis er vom forschenden Geist und vom Willen
menschlicher Kraft ward den Menschen geschenkt.
Rausche nun, Brunnen! Rinne nun, Quelle!
Lange die Erde umfangen dich hat.
Ströme vom Dunkel zur sonnigen Helle
als ein Geschenk unserer Heimatstadt.
Trage die Kräfte der Erde ins Freie, heile,
erquicke, erfrische, erneue!
Wir schenken dir Blumen und binden dir Kränze,
damit sich der Frühling der Erde vermählt.
Sei drum ein Wasser vom ewigen Lenze,
das noch den Alten zum Jünglinge stählt!
Zeuge von Delitzsch und kund` es dem Land,
hier ist die alte und heilige Stelle,
wo schon der serbische Opferstein stand.
Trage die Kräfte der Erde ins Freie,
heile erquicke, erfrische, erneue!

Die Stiftungsurkunde des Generaldirektor Albert Böhme hat folgenden Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Um meiner aufrichtigen Freude und herzlichen Anteilnahme an dem großen Aufschwung, den die Stadt nach der Machtübernahme durch Adolf Hitler unter Ihrer zielbewußten und tatkräftigen Führung in Gemeinschaft mit den städtischen Körperschaften genommen hat, sichtbar Ausdruck zu geben und meine innige Verbundenheit mit der Stadt, auf deren Boden mein Lebenswerk erwuchs, besonders zu betonen, um die Delitzscher Einwohnerschaft noch sinnfälliger auf die Schönheiten ihrer engeren Heimat hinzuweisen und den werktätigen Volksgenossen die Möglichkeit natumaher Entspannung nach des Tages Arbeit in den schönen Anlagen der Stadt zu verschaffen, um die Entwicklung von Delitzsch zum Kurort zu fördern und den auswärtigen Gästen außer den Kur- und Heilmitteln der segenspendenden Erde eine neue Stätte der Erholung und damit der Genesung zu schenken sowie zur bleibenden. Erinnerung an die Weihe der Delitzscher Stahlquelle „Neuer Heiligbrunnen" am 26. Mai 1935überwies ich Ihnen zum heutigen Tage eine Stiftung von 50.000 RM. Diese Stiftung ist bestimmt, um den Ring der Delitzscher Grünanlagen zwischen dem Stadtpark und dem Naturpark am Stahlbrunnen zu schließen. In diesen neuen Anlagen soll sich inmitten gartenkünstlerischer Gestaltung ein Brunnenmonument erheben, das die segnende Kraft der Natur versinnbildlicht. Um gleichzeitig der deutschen Künstlerschaft zu dienen, bitte ich, für deutsche Bildhauer und Gartenkünstler ein Preisausschreiben, dessen Art und Umfang ich Ihnen anheimstelle, zu veranstalten. Möge meine Stiftung der Stadt Delitzsch allzeit zu Ruhm und Segen gedeihen!" Auf Grund dieser Stiftung erfolgte dann nach dem Heimatfest die Erweiterung des Parkgeländes in der Loberaue und die Errichtung des von dem Leipziger Bildhauer Alf. Brumme geschaffenen Monuments, die ,;Genesung". Man kann sagen, daß das Erschließen der Heilmöglichkeiten durch Moorbad und Stahlquelle, die Erweiterung und Verschönerung der Park- und Grünanlagen und die bewußte Pflege des historischen Erbgutes, besonders in Form des unschätzbaren Wertes der mittelalterlichen Wehranlagen, sehr positiv auf das Heimatgefühl und auch den Stolz der Bürger auf ihre schöne Stadt wirkten. Nicht zuletzt wird das durch die rege Anteilnahme der Einwohner, ihrem eigenen Bemühen zur Pflege und dem Schmuck ihrer Wohnstätten bewiesen.

Epilog
Leider wurde diese für die Stadt Delitzsch so erfolgversprechende Entwicklung nicht fortgesetzt, wofür es eine Reihe von Gründen gab. Als man im November 1935 den Bürgermeister Dr. Baumgardt nicht wieder als 1. Bürgermeister bestätigte und er nach Bayern ging, um dort als Syndikus in einem Wirtschaftsunternehmen tätig zu sein, fehlte der große Initiator. Der neue Bürgermeister Dr. Frey hatte nicht jene Heimatbeziehung, er hatte andere Aufgaben, die den Zielen der NSDAP im Hinblick auf militärische Ambitionen entsprachen. Die Aggressionen, der IL Weltkrieg, taten ein übriges, um das friedliche Werk in Delitzsch, das mit solch hoher Hingabe und Leidenschaft in Angriff genommen war, zu beenden. Die Stahlquelle und das Brunnenhäuschen gibt es nicht mehr. Das Viktoriabad mit seinen heilkräftigen Moorbädern ist verfallen, geblieben ist die Erinnerung. Vielleicht gibt es einmal Möglichkeiten und verständnisvolle Stadtväter, die sich dieser damals so verheißungsvollen Sache annehmen, denn sicher ist, daß das heilkräftige Wasser im Innern der Erde nicht versiegt ist, und es ist auch sicher, daß das Moorvorkommen in mächtigen Lagern in der Loberaue „für mehr als 100 Jahre reicht", wie der Bürgermeister Dr. Baumgardt damals sagte.

1935 Juni
Am 1. und 2. Juni findet ein Kreisappell der NSDAP statt mit dem Aufmarsch aller Formationen, wie z. B. Politische Leiter, SA, SS, HJ. BDM, Frauenschaft. Appell der 1500 Arbeitsmänner des Arbeitsdienstes. In Delitzsch bestehen z. Zt. zwei Lichtspieltheater; das Ring-Theater auf dem Markt (gegründet 1910) und das Astoria-Theater in der Halleschen Straße (später Capitol, gegründet 1911). Das Thermometer steigt am 12. Juni auf 35° im Schatten. In der Kreishandwerkerschaft sind 1850 selbständige Handwerker erfaßt. In Delitzsch werden am 17. Juni die Flaggen auf Halbmast gesetzt, nachdem bei einer Explosion im Sprengstoffwerk Reinsdorf bei Wittenberg 60 Arbeiter tödlich verunglücken. Zum Lober: Die Wasserverwertungsgenossenschaft behauptet, alle erdenklichen Sicherheiten im Berieselungsgelände getroffen zu haben, um ein Abfließen. des Rieselwassers in den Lober zu vermeiden. „Es läßt sich jedoch nicht umgehen, daß die Abwässer der kleineren Ortschaften, die der Lober berührt, hineingeleitet werden, wie das überall in derartigen Flußläufen üblich ist. Der Geruch des Wassers, z. B. an der Elberitzmühle, ist zur Zeit vollkommen einwandfrei. Auch unser Freibad dort wird mit gesundem Wasser beliefert." Die Tatsachen waren anders! Auch der Einbau eines Kies- und Koksfilters war vergeblich! (A. Schirmer Der „Kreisverband der Feuerwehren" ist mit einem „Fliegeralarm" und einer Luftschutzübung verbunden. Ende Juni findet der traditionelle Peter-und-Paul-Markt, verbunden mit einem Kurkonzert und mit Illumination der historischen Gebäude, statt. Die Kartoffelpreise werden auf 6,70 bis 7,50 RM pro 50 kg festgelegt. Höchstpreis für ein Pfund ist 11 Rpf. 3200 „Pimpfe" befinden sich im Freizeitlager. Der Sinn und die Aufgabe der Jungvolklager besteht darin, zur Kameradschaft, zum Nationalsozialismus in der Lagergemeinschaft zu erziehen. Aus einem Gedicht:
„Unser Wille wird hart,
unsere Faust wird stark,
das Schwert zu schwingen,
um Deutschland zu ringen
zu ewiger Freiheit."
Der Kassenabschluß für das Rechnungsjahr 1934 der Stadt ergibt Mehrausgaben in Höhe von 168.718,90 RM. Arbeitsverhältnisse der Stadt am 12. Juli: Wohlfahrtserwerbslose, Zusatzunterstützungsempfänger und sonstige Hilfsbedürftige = 354 Personen Der Bürgermeister erklärt in einer Zuschrift für die Delitzscher Zeitung zum Delitzscher Freibad an der Elberitzmühle: ... die Wasserverhältnisse sind gegenüber dem Vorjahr erheblich schlechter geworden. Der Einnahmerückgang rührt von der Verschlammung des Lobers her. Die Verschlechterung der Delitzscher Freibadeverhältnisse ist nicht von der Stadt zu verantworten. Es bleibt nur die Frage der Speisung des Elberitzbades durch dazu erbaute Brunnen. Das erfordert einen Kostenaufwand von mindestens 3000 RM. Bei Brunnenspeisung muß das Elberitzbad womöglich völlig ausbetoniert werden." Am 22. Juli erfolgt der erste Spatenstich zur „Frontkämpfersiedlung" (Friedenssiedlung) an der Halleschen Landstraße. Es sollen 42 Siedlungen zu je 1250 m2 entstehen. Das Arbeitsdienstlager in der Walzenmühle wird aufgelöst. Es erfolgt die Übersiedlung nach Hohenprießnitz. Die Delitzscher Zeitung berichtet am 28. Juli darüber, daß auch in Delitzsch der „Kampf gegen das Judentum" geführt wird. Vor der Post in der Eilenburger Straße wurde ein Schaukasten angebracht, in dem der „Stürmer", das Organ des Frankenführers Julius Streicher, ausgehängt und wöchentlich erneuert wird. Das Reichsbürgergesetz und das „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" machen die Juden zu Bürgem zweiter Klasse . Damit ist die Basis zur Judenverfolgung geschaffen. In Delitzsch sind jüdische Familien seßhaft, so u. a. die Kaufleute Salomon Markt 8, Pinkus Dübener Straße und Jacobsohn Breite Straße 1 sowie die Lebensmittelhändler Schade und Füllgrube Eilenburger Straße 9. Die Familie Jacobsohn gehörte, zu denen, die jährlich für je fünf Jungen und Mädchen die völlige Einkleidung zur Konfirmation übernahmen. Die Empfehlung gab dazu der Kirchenrat der evangelischen Kirche.

1935 August
Der Turnverein von 1845 begeht am 08. August seinen 90. Geburtstag, 600 Turner streiten um den Eichenkranz. Der Stenograf Walter Weber erreicht im Leistungsschreiben bei 220 Silben/Minute das Prädikat „Hervorragend". Der „Fliegende Frankfurter", ein. Schnellzug, durchfährt am 13. August mit einem Tempo von 120 - 130 km/h Delitzsch, was zahlreiche Schaulustige an der Strecke beobachten. Gemäß der Anordnung des Innenministers wird die Delitzscher Loge „Wilhelm zur Liebe und Treue" aufgelöst, das Vermögen wird eingezogen. Die SA beendet nach einem Gepäckmarsch (10 kg Gepäck) über zehn Kilometer mit Schießen, weltanschauliche Schulung, 1000-mQuerfeldeinlauf und Propagandaumzug den „Reichswettkampf der SA". Zitat aus der Delitzscher Zeitung vom 21. August: „Im ganzen Reich führt die Hitlerjugend Freizeitlager durch. Die jungen Arbeiter der Stirn und der Faust kommen hier zusammen, um sich unter sachkundiger Führung zu erholen und für ihren Beruf vorzubereiten." Zu Naturdenkmälern werden erklärt: Die Lindenallee am Schulze-Delitzsch-Ring nördlich des Schlosses, an der 81 im Jahre 1876 gepflanzte Bäume stehen. Die alten Linden am Kaiser-Wilhelm-Ring, vom Roßplatz bis zur Stadtmühle, die teilweise schon 200 Jahre stehen. Eine Linde in der Nähe des Viktoriabades, die 200 Jahre alt ist. Eine Schwarzpappel und eine Hainbuche im Rosental. Am 28. August findet eine Schulung der Vertrauensleute der Deutschen Arbeitsfront statt. In solchen häufig stattfindenden Schulungen geht es vor allem um Probleme der nationalsozialistischen Weltanschauung, um die Begründung der Rassentheorie und um den Kampf gegen das Judentum. Der Schulrat Sämisch beendet am 31. August seine Tätigkeit und geht in den Ruhestand.

1935 September
Im RAW erfolgt am 01. September die feierliche Einweihung eines Ehrenmals für die gefallenen Werksangehörigen des I. Weltkrieges. Aus der Sitzung des Gemeinderates vom 11. September: Hauptamtlich tätig sind der Bürgermeister und der 1. Beigeordnete. Ehrenamtlich sind vier Beigeordnete tätig sowie 15 Gemeinderäte. Man beschließt die Verleihung des Titels „Stadtältester". Die Kursaison 1935 wird am 30. September beendet. Die Stahlquelle wird am 01. Oktober geschlossen und soll am 01. April 1936 wieder geöffnet werden. Am Brunnenpark hat man die in den Park einschneidenden Gärten angekauft und störende Zäune entfernt Der Durchbruch durch die Schloßumwallung ist fertig. Die Vorbereitungen für den neuen Parkteil sind in vollem Gange, ausgeschrieben sind Wettbewerbe zur Parkgestaltung und zum Brunnenmonument, das die „Genesung" darstellen soll. Zitat aus der Delitzscher Zeitung: „Im nächsten Jahre wird auch dieser neue Parkteil wohl der Öffentlichkeit schon zugänglich sein, dann sind die Ringanlagen durch den Brunnenpark und den neuen Park mit dem alten Stadtpark zu einem wundervollen und großen Spaziergange verbunden, und die Stadt Delitzsch verfügt über Grünanlagen wie kaum eine andere Stadt gleicher Größe." In Delitzsch flaggt man entsprechend zentraler Weisungen nur noch die Hakenkreuzflagge. An den Schulen begeht man den „Tag des Deutschen Volkstums", es geht um das Deutschtum im Ausland.

1935 Oktober
In Delitzsch führt der Bund Deutscher Mädel am 1. Oktober ein großes Sportfest durch. In den NS-Jugendverbänden spielt der Sport eine große Rolle, zunehmend wird er als Mittel zur Wehrertüchtigung erklärt. Im Kreis Delitzsch gibt es z. Zt. 3753 bäuerliche Betriebe:

0,5-

2,0 ha

=

1150

2,0-

5,0 ha

=

86

5,0-

20,0 ha

=

1231

20,0-

50,0 ha

=

677

50,0-

100,0 ha

=

133

über

100,0 ha

=

76

Die Schulgemeinde Oberrealschule kommt zusammen, um über die „Schülerauslese in geistiger, körperlicher, charakterlicher und völkischer Hinsicht" zu beraten. Man eröffnet das Winterhilfswerk. Aus der Rede Hitlers: „Machtmäßig ist der Klassenkampf in Deutschland beseitigt, d. h., es ist niemand mehr da, der ihn zu führen in der Lage wäre." Im Osten der Stadt begeht man am 14. Oktober das Richtfest der Frontkämpfersiedlung (heute Ostsiedlung). 30 Siedlungshäuser werden errichtet. Die Arbeiten für den neuen Parkteil zwischen Rosental und Stadtpark und die Ausführung des Brunnenmonuments werden in Angriff genommen. Grundlage ist die Stiftung von Albert Böhme in Höhe von 50.000 RM. Gesamtfläche: 48.000 m2. Das Monument aus neinweißem Laaser Marmor ist 3 W m hoch auf einem Sockel von 1 m. Sein Schöpfer ist der Leipziger Bildhauer Alf. Brumme. Die Parkgestaltung übernimmt die Fa. Poenicke, Delitzsch. Der Gesangsverein „Anion" begeht am 17. Oktober sein 50jähriges Stiftungsfest. Gegründet wurde der Männergesangsverein am 31. Oktober 1885 durch 18 Turner des Turnvereins von 1845. Ein Mitglied war der Heimatforscher Oskar Reime, zu den Gründern gehörte der Baumeister Max Zerner. Es besteht eine Patenschaft mit dem Pfälzer Weinort Alsterweiler und dem Weinbauort Niernstein in Rheinhessen. Losung zum „Fest der deutschen Traube und des Weines": Jeder Volksgenosse trinkt Patenwein!" Auf Grund der neuen Gemeindeordnung werden durch den „Beauftragten der NSDAP", den Kreisleiter, die 15 neuen Ratsherren berufen. Im Heimatmuseum richtet man ein: Vorgeschichtliche Abteilung - neue Vitrinen, reichliches Bildmaterial; Neugestaltung des kirchlichen und des Kaminzimmers im 1. Stockwerk, den ehemaligen Räumen der Herzoginwitwe Christiane; im 3. Stockwerk Stadtgeschichte, Waffensammlung, Innungswesen, Bauernkultur, Winterfütterungsgeräte, Sammlung heimischer Insekten. Die Fa. Poenicke stiftet zur Verschönerung des Brunnenparkes:
250 Ligustrum vulgare im Rosental
80 Ziersträucher im Rosental
500 Ziersträucher als Deckung bei Gärtnerei Naujokat
8 Taxus baccata für das Brunnenbecken
6 Pinus montana am Eingang zum Park. Zur bäuerlichen Berufsausbildung richtet man in Delitzsch eine „Bäuerliche Werkschule" ein. Die Schulden im Kreis Delitzsch belaufen sich auf 2.034.000 RM.

1935 November
Superintendent Fries, der 1934 von seinen Dienstpflichten entbunden worden war, übernimmt am 01. November wieder die Superintendenturgeschäfte. Gemäß einer Verordnung des Innenministers kommen für Delitzsch 17 Polizeivollzugsbeamte in Betracht, bei etwa 17.000 Einwohnern auf 1000 Einwohner ein Beamter. Im Kreis Delitzsch gibt es gegenwärtig 3759 Kraftfahrzeuge, davon:
8 Kraftomnibusse               269 Lastkraftwagen
6 Feuerlöschwagen             1 Straßenreinigungsmaschine
133 Zugmaschinen
Der Beauftragte der NSDAP, Kreisleiter Schimpff, schlägt als neuen Bürgermeister Dr. Wilfried Frey vor. Er wird am 14. November 1935 in sein Amt eingeführt. Dr. Frey gehört der NSDAP seit dem 01. Juli 1931 an, war zuletzt in der Stadtverwaltung Halle tätig, ist Mitglied der Gauleitung Halle/Merseburg der NSDAP. Die Stadtverwaltung soll nun wie folgt aussehen: Bürgermeister - Dr. Frey, 1. Beigeordneter - Dr. Baumgardt vier ehrenamtliche Beigeordnete, 15 Ratsherren. Am 14. November überreicht der Landrat Meister in der feierlichen Einführung Dr. Frey die Anstellungsurkunde. Dem Bürgermeister Dr. Frey werden drei Hauptaufgaben gestellt:
1. Die Sorge um die Finanzen;
2. Veränderung der ungünstigen Steuerentwicklung;
3. Die endgültige Beseitigung der Arbeitslosigkeit.
Er trägt die volle Verantwortung entsprechend des Führerprinzips, vertritt allein die Gemeinde, ist der Vorgesetzte aller Beamten, Angestellten und Arbeiter der Stadtverwaltung. Neben Reden der Offiziellen spricht Stadtrat Kiehler dem bisherigen Bürgermeister Dr. Baumgardt den Dank für seine vorbildliche Arbeit in bewegten Worten aus. Dr. Baumgardt nimmt die Funktion des Beigeordneten nicht wahr, er geht nach Bayern, um dort in einem Unternehmen als Syndikus tätig zu sein. In der historischen „Gemeinde Grünstraße" pflanzt man eine Linde. Es wird eine Urkunde in einem Behälter in das Pflanzloch gelegt. Der Lindenspruch, verfaßt von Friedrich Horn, lautet:
Linde Du, grüne!
Linde Du, blühe!
Recke zum Himmel kräftige Äste,
Strecke die Wurzeln in heiliges Land! Herzblätter treibe,
Blütenduft steige,
Vogellied schalle in Zweigen,
Kinder vereine zum Reigen!
Väter einst pflanzten,
Kinder umtanzten
Heiliger Linde grünenden Stamm,
Zukunft wird lehren,
Was wir begehren:
Pfingstbier mit Tanz um den Lindenbaum.
Es ist die Auflösung des „Stahlhelm" vollzogen worden. Den Stahlhelmern, die die militärischen Traditionen pflegen wollen, wird empfohlen, in den „Reichskriegerbund Kyffhäuser" einzutreten. Man beginnt mit der Verkabelung durch das Elektrizitätswerk, damit verschwinden die Oberleitungen und Lichtmaste zunächst in der Halleschen Straße, der Ritterstraße, der Breiten Straße, Eilenburger und Bitterfelder Straße. Berufs- und soziale Struktur in Delitzsch am 25. November: Erwerbspersonen = 7396 von etwa 17.000 Einwohnern

Arbeiter

=

59,7 %

Angestellte

=

13,9 &

Beamte und Soldaten

=

5,6 %

Beschäftigte in Industrie und Handwerk

=

51,1 %

Beschäftigte in Handel und Verkehr

=

31,1 %

 

 

 

Vor zwei Jahren wurde die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude" gegründet. Die Zielstellung lautet: „Mithelfen, um dem schaffenden Menschen die Kraft zu geben für den schweren Existenzkampf. Die NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude bahnt den Weg in die neue nationalsozialistische Weltanschauung!"

1935 Dezember
Struktur des Kreises Delitzsch:

Fläche

=

760 km

Bevölkerungsdichte

=

105 Einwohner/m²

(Reichsdurchschnitt 140)

Landwirtschaftliche Nutzfläche

=

86,0 %

Ackerland

=

77,0%

Wiesen und Forsten

=

8,0%

(Reichsdurchschnitt 27 %, Provinz Sachsen 22 %)

Oed- und Umland

=

0,5%

 

 

 

Die Loge im Hotel zum Schwan wird am 16. Dezember zur Besichtigung freigegeben. Der Redner Oßwald aus Halle behauptet, die Loge sei ein Produkt des Judentums, das sei „das Judentum in allen seinen Verkleidungen und verschiedenen Formen. Die Logen dienten der Entrassung der intellektuellen Schichten". Die NSDAP führt am 18. Dezember im Café Bismarck eine Sitzung mit den Vereinsführern der etwa 120 Vereine, Fachschaften und Kameradschaften durch. Das Ziel ist, die Vereine näher an die nationalsozialistische Bewegung heranzuführen. Im Schokoladenwerk Böhme AG erhalten etwa 700 Gefolgschaftsmitglieder eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 18.000 RM. Das ist seit 30 Jahren in diesem Werk Tradition. Das 1894 durch die Gebrüder Böhme gegründete Unternehmen entwickelte sich aus den kleinsten Anfängen zu einem für die Stadt Delitzsch bedeutenden Industriebetrieb. Von 1933 an stieg die Anzahl der Beschäftigten von 413 auf 591 und schließlich auf 700 an, die hier Arbeit und Brot fanden. Für die Stadt Delitzsch war das Unternehmen wegen des Mangels an größeren Industriebetrieben einer der wichtigsten Steuerzahler.

1935 Zusammenfassung des Jahres
Im Jahre 1935 festigte die NSDAP ihre diktatorische Herrschaft weiter. Mit dem Abstimmungssieg an der Saar für Deutschland am 13. 01. 1935 wurde ein bedeutender Erfolg erzielt, nachdem die NS-Führung mit zielstrebigen propagandistischen Aktionen darauf hingearbeitet hatte. Im Zusammenhang mit dem allgemeinen Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt und der Hervorhebung von vielfältigen Aktionen zum Abbau der Bestimmungen des Versailler Vertrages, u. a. der Wiederherstellung der Wehrhoheit, wurden die nationalen Gefühle der Bevölkerung wesentlich beeinflußt. Die Machtkonzentration der Regierung Hitlers vollzog sich weiter, föderalistische Tendenzen wurden durch das Reichsstatthaltergesetz beseitigt. Der Kampf gegen das Judentum verstärkte sich weiter. Man verlangte den Nachweis der arischen Abstammung und setzte die Politik der Ausschaltung, ja der Vernichtung des Judentums fort. Politische Gegner wurden verhaftet, auch kirchliche Einrichtungen, die sich gegen die NSDAP-Ideologie wandten, verfielen der Verfolgung, so die Anhänger der Bekenntniskirche. Der Aufbau der Wehrmacht vollzog sich in raschem Tempo, im Februar 1935 beschloß man den Aufbau der Luftwaffe, im März das Gesetz über die Errichtung der Wehrmacht und im Mai 1935 wurde die Militärdienstpflicht sowie die Einrichtung des Generalstabes des Heeres verkündet. Alle diese Maßnahmen waren mit Angeboten zu Nichtangriffspakten verbunden. Militärische Traditionen, die Betonung des Preußentums und die Zuwendung zu germanischen geschichtlichen Überlieferungen wurden in den Dienst der Erziehung der Jugend und der Beeinflussung des nationalen Denkens der Bevölkerung gestellt. In der Delitzscher Zeitung gab es kaum Bemerkungen über Konzentrationslager, nur zweimal erschienen kurze Notizen über die Errichtung des KZ Sachsenhausen und des KZ Buchenwald. Im Herbst 1935 verkündete man in Nürnberg die antisemitischen Gesetze. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit und der Bau von Wohnsiedlungen zu günsti gen Bedingungen verfehlten ihre Wirkung auf die Bevölkerung der Stadt Delitzsch nicht. So wurde auch die NSDAP durch den überwiegenden Teil der Bevölkerung akzeptiert, zumal auch oppositionelle Tendenzen rigoros unterdrückt wurden. Vor allem war aber das Denken der Menschen auf die Veränderungen in Delitzsch gerichtet. Die Einrichtung des Moorbades in Verbindung mit der umfassenden Verschönerung und Pflege der Grünanlagen wurden sehr begrüßt. Das Heimatgefühl und der Stolz auf das mittelalterliche Erbe Delitzsch's verstärkten sich und interessierten mehr als die große Politik. Der sehr aktive, kluge Bürgermeister Dr. Baumgardt widmete sich mit großer Hingabe dem Ziel, in Delitzsch einen Kurbetrieb aufzubauen, zumal in der Oskar-Reime-Straße eine Stahlquelle mit hervorragenden Heilwirkungen erschlossen wurde. Sehr bedauerlich war, daß das Loberwasser im Zusammenhang mit der Berieselung der Felder mit Leipziger Abwässern verunreinigt wurde, so daß nicht nur der einst sehr umfangreiche Fischbestand zugrunde ging; sondern daß auch die Speisung des Elberitzbades mit Loberwasser nicht mehr erfolgen konnte. Doch es dominierten die Bestrebungen, aus unserer Stadt „Bad Delitzsch" mit einem geregelten Kurbetrieb zu machen. Delitzsch wurde eine schmucke Stadt, wobei die Bevölkerung mitwirkte. Der Generaldirektor der Schokoladenfabrik, Albert Böhme, unterstützte mit mehrfachen Stiftungen das Bestreben des Bürgermeisters Dr. Baumgardt, unsere Stadt immer schöner und anziehender zu machen. Man muß bedauern, daß auf Veranlassung des „Beauftragten der NSDAP" Dr. Baumgardt im November 1935 nicht wieder zum 1. Bürgermeister bestätigt wurde, so daß der Initiator fehlte und das so hoffnungsvoll begonnene Werk des Kurbetriebes nach und nach verfiel und, als Deutschland den H. Weltkrieg entfesselte, völlig unterging. Der Chronist muß auf das große Heimat- und Brunnenfest ausdrücklich aufmerksam machen, das zum Höhepunkt des Jahres 1935 wurde. Auch hier hatte Albert Böhme mit einer Stiftung von 50.000 RM dazu beigetragen, daß die hochgesteckten Ziele zur umfassenden Verschönerung der Stadt und ihrer Anlagen und zur Pflege der historischen Traditionen verwirklicht werden konnten. Für den aufmerksamen, kritischen Betrachter zeichneten sich die militärischen Ambitionen der Regierung Adolf Hitlers deutlicher ab. In der Presse erschienen immer zahlreicher Veröffentlichungen militärischen Inhalts, so z. B. die Indienststellungen von Kriegsschiffen, Bilder von Geschwadern der Luftwaffe oder von Panzerverbänden. Die Jugend war für die Ideen der NS-Führung gewonnen und folgte der nationalen Propaganda des Nationalsozialismus, einschließlich der Ansprüche auf die Rückgabe des ehemaligen Kolonialbesitzes des Deutschen Kaiserreiches sowie der Heimführung der Deutschen im Ausland, ohne sich der furchtbaren Konsequenzen einer auf den IL Weltkrieg gerichteten Politik bewußt zu sein.


1936

1936 Januar
Am 01. Januar wird das „Wehrmeldeamt Delitzsch" eingerichtet Die Delitzscher Freiwillige Feuerwehr begeht am 05. Januar den 75. Jahrestag ihres Bestehens. „Die Delitzscher Feuerwehr ist aus dem Turnverein 1845 hervorgegangen und wurde am 03. Dezember 1860 von 18 Turnern gegründet. Der erste Führer war Kaufmann August Rathmann. Im Jahre 1865 wurde der Kaufmann Gustav Schulze zum Wehrführer gewählt. Unter Kaufmann Schulze entwickelte sich die Delitzscher Feuerwehr immer mehr zu einer Mustertruppe, wie sie in Städten gleicher Größe kaum nochmals vorhanden war. Im hohen Alter von 77 Jahren legte Branddirektor Gustav Schulze im Jahre 1915 sein Amt in jüngere Hände. Sein Nachfolger war der Kaufmann Friedrich Wilhelm Schulze, der das Amt des Wehrführers bis zu seinem Tode 1925 führte. Unter der energischen Führung von Branddirektor Mietzsch, der seit 1925 der Wehr bis zum heutigen Tag vorsteht, setzte eine erneute Aufwärtsentwicklung ein.
1927 Anschaffung einer Motorspritze und einer Alarmanlage;
1928 Anschaffung eines provisorischen Mannschaftswagens;
1930 Bau eines modernen Gerätehauses;
1935 Erwerb eines modernen Mannschaftswagens."
Der Männergesangsverein „Arion" erhält die „Zelter-Plakette" vom Reichsminister für Kunst und Wissenschaft für Verdienste um das „Deutsche Lied" verliehen. Die Delitzscher Freimaurerloge wird am 06. Januar zur Besichtigung freigegeben. „Die Delitzscher Loge „Wilhelm zur Liebe und Treue", die sich im Hotel „Schwan" befand, wurde in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts gegründet. Zur Zeit ihrer Blüte zählte sie etwa 70 Mitglieder." Am 13. Januar begeht man den 1. Jahrestag der Rückgliederung des Saargebietes an Deutschland auch in Delitzsch. Die Delitzscher Zeitung veröffentlicht einen Rückblick auf die große Saarkundgebung in Saarbrücken. Am 15. Januar beginnt der „Reichsberufswettkampf der Deutschen Jugend".
Einwohner in Delitzsch:

zu Beginn 1934

=

16797 Einwohner

zu Beginn 1935

=

16951 Einwohner

am 31. 12. 1935

=

17065 Einwohner

Die katholische Gemeinde will mit Hilfe eines Zuschusses des Bonifaziusvereins ein großes Gotteshaus, das etwa 350 Sitzplätze haben soll, errichten lassen. In der Oberrealschule findet am 30. Januar eine Feier aus Anlaß der Machtübernahme der NSDAP vor drei Jahren statt. Man hißt die Hitler-Jugend-Fahne-auf dem Schulgebäude. Es findet ein Umzug durch die Stadt und eine „Großveranstaltung" im Schützenhaus mit dem Anhören der Ansprache Hitlers statt. Es häufen sich Berichte in der Zeitung mit militärischem Inhalt, wie: „Kampfbereitschaft der Roten Armee. Gewaltiger Rüstungsstand der Sowjetunion." „Gewaltige Aufrüstung Englands." „Der erste Kampf von Großkampfschiffen in der Schlacht an der Doggerbank am 24. 01. 1915."

1936 Februar
Die NSDAP veranstaltet am 01. Februar eine Kundgebung mit den Betriebsführern und Betriebsräten. Zitate aus der Rede des Gauwalters: „Zwei Welten stehen sich heute im Kampf um Sein und Nichtsein gegenüber, der Marxismus und der Nationalsozialismus." „Durch Blut und Eisen sind wir alle eine Gemeinschaft..." „Ohne Arbeit keine Leistung und ohne Leistung keine Persönlichkeit!" Ergebnisse einer Bodennutzungserhebung für den Kreis Delitzsch:

Gesamtfläche

=

75.487 ha

Ackerland

=

58.487 ha

Viehweiden

=

5.289 ha

Forsten und Holzung

=

5.418 ha

Haus- und Hofräume,

 

 

Moor, Öd- und Wegland

=

4.630 ha

Gartenland

=

841 ha

Obstanlagen

=

83 ha

Nach der Pensionierung des Schulrates Sehmisch wird Rektor Sieben zum kommissarischen Schulrat ernannt. Der Haushaltsplan des Kreises weist erstmalig keinen Fehlbetrag auf. Man führt auf dem Roßplatz ein „Gemeinschaftsessen" durch. Für 50 Pfennige erhält man zwei Portionen aus den Gulaschkanonen, „eine für sich, eine für einen Bedürftigen". Das Schulorchester der Oberrealschule veranstaltet ein Konzert mit Werken von Mozart, Haydn, Humperdinck und Beethoven. Die Leitung hat Hermann Curth. Die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude" bringt im Schützenhaus ein Lustspiel „Krach im Hinterhaus" zur Aufführung. An der Reifeprüfung der Oberrealschule nehmen fünf Prüflinge, darunter ein Mädchen, teil.

1936 März
Im Winterhilfswerk werden in Delitzsch 5.489,58 RM gesammelt. Die NS-Frauenschaft führt eine „Pfundtütensammlung" für Bedürftige durch. Losung zum 08. März: „Am 08. März hält jeder Schritt, Herr Eintopf bringt den Löffel mit!" Man begeht den „Heldengedenktag" in Delitzsch. Der Redner: „Wir haben wieder ein Deutschland, für das zu leben, und wenn nötig, auch zu sterben, das höchste Glück eines Deutschen ist." In der Hitlerjugend wird ein Lied gesungen, aus dem zitiert werden soll:
„Kein schön'rer Tod ist auf der Welt,
Als wer vorm Feind erschlagen ...
Im engen Bett nur einer allein
Muß an den Todesreihen,
Hier findet er Gesellschaft fein,
Falln wie die Kräuter im Maien."
In Delitzsch beginnt die NSDAP mit den Wahlveranstaltungen zur Reichstagswahl. Eine Losung lautet: „Am 15. März trägt jeder die WHW-Plakette mit dem Kopf des Führers!" Aus den Wahlveranstaltungen: Betriebsappell der Zuckerfabrik und der Delitzscher Rübensamenzucht. Großveranstaltung im Schützenbaus mit dem Reichsredner Dill. Frauenwahlkundgebung. „Das mitteldeutsche Handwerk geschlossen hinter dem Führer." - Kundgebung mit Gauleiter Jordan. Wahlappell im Reichsbahnausbesserungswerk. Eine Viehzählung im Kreise Delitzsch ergibt folgendes:

7.918

Pferde

42

Maultiere

32.407

Rindvieh

21.344

Schafe

5.414

Ziegen

2.493

Bienenstöcke

2.172

Schweine

188.696

Hühner, Gänse und Enten

Die General-Maercker-Straße (heute Friedrich-Ebert-Straße) wird hergerichtet, sie erhält einen geschotterten Fahrdamm und befestigte Fußwege. In den Behörden wird die Führerrede zur Wahl im Gemeinschaftsempfang angehört. Die Kreissparkasse kann auf eine günstige Entwicklung verweisen. Im Geschäftsbericht für 1934 werden eine Bilanzsumme von 14,8 Mio. RM und Spareinlagen in Höbe von 10,8 Mio. RM ausgewiesen. Auch bei der Stadtsparkasse sind Steigerungen erzielt worden. Zur Zeit gibt es in Delitzsch noch 64 Wohlfahrtserwerbslose. Ergebnisse der Reichstagswahl in Delitzsch: für Hitler 11.233; gegen 288. Der Haushalt der Stadt schließt mit Einnahmen und Ausgaben von 2.060.479 RM ab. Der Museumsverein heißt jetzt „Delitzscher Museums- und Heimatverein". Der Vereinsführer ist Friedrich Horn. Die beiden Luftschiffe Z I und II überfliegen in der Nacht die Stadt Delitzsch. Viele Delitzscher beobachten die nächtliche Fahrt. Rektor Hansjürgens tritt in den Ruhestand. Sein Nachfolger wird Richard Sämisch. Rektor Hansjürgens war fast 25 Jahre Leiter der Knabenvolksschule, zugleich Leiter der Gewerblichen und der Kaufmännischen Fortbildungsschule. Er richtet eine Hilfsschule ein und leitete als Regierungskommissar den Aufbau der Höheren Töchterschule zur Mittelschule. Er war Stadtverordneter und zeitweilig Vorsteher. Der Gewerbeoberlehrer Scharruhn tritt nach 35jähriger Tätigkeit in Delitzsch in den Ruhestand. Er war früher Stadtverordneter und zeitweilig Vorsteher.

1936 April
Im „Roten Kreuz" in Delitzsch sind 369 Frauen tätig. Aus Gründen der Einsparung von Kosten werden im Kreis Delitzsch Gemeinden zusammengelegt, u. a.:
Badrina - zusammengelegt aus Badrina und Scholitz (494)
Gollma - zusammengelegt aus Gollma und Schwätz (1044)
Gütz - zusammengelegt aus Gütz und Roitzschgen (819)
Kyhna - zusammengelegt aus Großkyhna und Kleinkyhna (566)
Die Gastwirtschaft „Stadt Berlin" besteht am 12. April 100 Jahre. „Schon lange wurde in diesem Haus Bier gebraut und getrunken, denn es ist ein altes Brauhaus, das wahrscheinlich aus dem 16. Jahrhundert stammt. Wie alte Urkunden beweisen, wurde schon 1818 Bier und Brandwein hier verkauft. Der Magistrat genehmigte jedoch erst am 12. April 1836 die „Errichtung einer Wirtschaft in der damaligen Hintergasse". Der Drechslermeister Heinrich Ufer war der Begründer der Gastwirtschaft und nannte sie „Stadt Berlin". Ufer verkaufte die Wirtschaft weiter an Hartig, dieser an Ehlert, dann kamen Rühlemann und Hesse. Im Jahre 1919 kaufte sie Willi Nagel." Die Stadt Delitzsch wird zur Fremdenverkehrsgemeinde erklärt. Die Bedingung dazu lautet, daß die Zahl der Übernachtungen jährlich t/4 der Einwohnerzahl (4250) übersteigt. Der Geburtstag Hitlers wird für die Vereidigung der neuen Arbeitsdienstmänner, der Politischen Leiter und der Hitlerjugendführer genutzt. Der Tag wird zum „Feiertag der SA" deklariert. Die Ortsgruppe der NSDAP Delitzsch führt einen Mitgliederappell mit einem Vortrag des Bürgermeisters über die Gemeindepolitik durch. Der „Handharmonika-Club 1935" begeht sein einjähriges Stiftungsfest. Der „Tischtennis-Club Rot-Weiß" ist drei Jahre alt. An die Arbeitsdienstabteilungen der Gruppe 142 Delitzsch werden folgende Ehrennamen verliehen:

8/142 Reibitz

- „Grimwald"

5/142 Golpa

- „Kuninkpert"

3/142 Eilenburg

- „Aistulf`

4/142 Rüben

- „Schlachtfeldgau"

1/142 Hohenprießnitz

- „Paul von Hindenburg"

6/142 Bad Schmiedeberg

- „Erwin Kern"

7/142 Doberschütz

- „Hermann Fischer"

Erwin Kern und Hermann Fischer seien Freiheitskämpfer für die Deutsche Jugend; sie erschossen Rathenau. Aus der Sitzung des Gemeinderates vom 29. April (entnommen aus der Personalakte des Bürgermeisters Dr. Rudolf Baumgardt): „Der 1. Beigeordnete (Dr. B.) hat um Beurlaubung bis zum Ablauf der Wahlperiode (16. 07. 1937) ersucht. Dem wurde stattgegeben."

1936 Mai
Die Stahlquelle „Neuer Heiligbrunnen" wird am 01. Mai für die Saison 1936 eröffnet. In Dehtzsch führt „Das Deutsche Frauenwerk", die „Vereinigung aller Frauenverbände der praktischen Nächstenliebe", die erste Veranstaltung durch. Auf ein Bestehen von 100 Jahren kann das Geschäft von Richard Werner in der Eilenburger Straße zurückblicken. Das Geschäft wurde am 11. 05. 1836 durch G. F. Haake auf dem damaligen Steinweg, der heutigen Eilenburger Straße, gegründet. Von dem ersten Besitzer übernahm 1855 Emil Adolph Gerlach, der die Witwe des Vorgängers heiratete, das Geschäft. Ihm folgte 1878 Bruno Siebecke, von dem es 1886 Wilhelm Günther übemahm. Seit 1888 ist Richard Werner Inhaber des Geschäftes. Der Schwimmklub „Neptun" vergrößert seinen Sportplatz neben dem Elberitzbad. Man führt am 12. Mai das „Anschwimmen" durch. Aus der handgeschriebenen Chronik der Stadtverwaltung - Kreismuseum: „Der Lober ist in letzter Zeit leider recht verunreinigt worden. In diesem Zusammenhang mußte für das Stadtbad an der Elberitzmühle eine neue Wasserversorgung gebaut werden. Jetzt hat man am Ehrenberg-Ring (Wallgraben) einen Filter gebaut, durch den das Wasser durchlaufen muß, ehe es in den Stadtgraben gelangt. Auf dem Stadtgraben befinden sich zwei Schwanenpaare mit je vier jungen Schwänen und junge Enten. Auch schwarze Türkenenten sind auf dem Stadtgraben und haben eine ganze Schar Junge zur Welt gebracht."

1936 Juni
Man baut eine neue Brücke über den Lober, die den alten Parkteil mit dem neuen verbindet. Es findet das traditionelle Schützenfest, verbunden mit einem Volksfest statt. Schützenkönig wird Friedrich Weiser; erster Ritter Kamerad Althaus. Der „Reichsmütterdienst" beginnt am 10. Juni mit einem neuen Koch- und Haushaltkursus. Auf den weiten Flächen vor dem Schloß werden umfangreiche Erdaufschüttungen vorgenommen. Damit wird das sumpfige Gelände trockengelegt. Der Sumpfgraben zwischen Allee und dem Schloß wird kanalisiert. Ein grüner Rasenteppich wird entstehen, auf dem einzelne Rosenbeete angelegt werden. Ein 20 Meter langes und 4 Meter hohes Mauerstück wird wieder hergestellt. Ein besonderer Aufgang vom Wallgraben zum Schloßgarten ist vorgesehen. Die Gesamtkosten von 5000 RM stellt erneut der Generaldirektor der Schokoladenfabrik Böhme AG zur Verfügung. Auf dem Sportplatz an der Beerendorfer Straße veranstaltet man die Sonnenwendfeier. Im Schützenhof findet eine antisemitische Kundgebung statt. Zitat aus der Rede des Sprechers aus Halle: „Überall in der Welt sehen wir Unruhen und Chaos, fast hinter allen Ereignissen sehen wir das Gesicht des sowjetrussischen Juden, der die Aufrichtung der internationalen Weltherrschaft wünscht und dem die Vernichtung des völkischen Prinzips ein Mittel auf seinem Weg ist." Es findet der traditionelle Peter-und-Paul-Markt statt. Man bietet u. a. Bekleidung, Porzellan, Emaillewaren, Rostbratwürstchen, auch Roßwürstchen der Fa. Turm aus Halle, das Stück für 10 . Pfennig, an. Auf dem Schweine- und Pferdemarkt werden 22 Läuferschweine zu 30 bis 35 RM das Stück und 70 Pferde für 200 bis 2000 RM verkauft. Überall ist ein buntes Leben zu verzeichnen. Der Chronist der Stadtverwaltung schreibt dazu: „Der Peter-und-Paul-Markt scheint seine frühere Bedeutung wieder gewonnen zu haben. Aussteller auf dem Markt, der Breiten Straße, dem Roßplatz, dem Schützenplatz bieten ihre Waren an. Pünktlich um 12 Uhr gab Eva ihrem Adam den Apfel des Jahres und verführte ihn damit einmal mehr. Händler und Käufer kamen auf ihre Kosten. Auch die Gastwirte und Bratwursthändler machten ein gutes Geschäft. In den Gastwirtschaften wurde bis in die Nacht hinein gejohlt und getanzt. Aber auch die Polizei mußte verschiedentlich eingreifen, das gehörte zum Peterund-Paul-Markt." Die.„Schulze-Delitzsch-Liedertafel", gegründet am 20. 06. 1846 durch Schulze-Delitzsch, begeht ihre „Jubelfeier". Am Programm beteiligen sich anderen Gesangsvereine, wie „Abendstern", „Harmonie", „Arion" und „Eisenbahnergesangsverein". Die Wettkampfmannschaft der Dektzscher Stenografen verteidigt ihre seit drei Jahren gehaltene Gaumeisterschaft erfolgreich. Die Mannschaft besteht aus Walter Weber, Ema Köckeritz, Erika Muster, Hildegard Backofen und Gerhard Brandstätter. In Delitzsch gibt es gegenwärtig noch 19 Wohlfahrtserwerbslose und 20 Arbeitslosenunterstützungsempfänger. Die neue Brücke im Stadtpark ist fertiggestellt. Auf dem neu geschaffenen Teich im Stadtpark am Loberarm hat ein Schwanenpaar Quartier bezogen.

1936 Juli
Am 18. Juli beginnt der Bürgerkrieg in Spanien, an dem sich in der Folge die „Legion Condor" der deutschen Wehrmacht beteiligt. Aus Delitzsch ist der Flieger Hampe beteiligt, der später mit dem „Ritterkreuz" ausgezeichnet wird. Die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude" führt Schwimmlehrstunden durch. Kinder zahlen 20, Erwachsene 30 Pfennig pro Stunde. Im Lindenhof wird eine Ausstellung über den 1. Weltkrieg eröffnet, u. a. mit Bildern von Verdun und der Somme. Die Zuckerfabrik zahlt 10 Prozent Dividende an die Aktionäre für die Ergebnisse des Jahres 1935. In Delitzsch findet ein großes Arbeitsdienstfest, verbunden mit sportlichen Wettkämpfen, Platzkonzert und einem „Zapfenstreich" statt. Die Stadt baut 58 neue Wohnungen in der Muchowstraße (heute Uferstraße) und Fuststraße mit je 300 m' Gartenland. Die städtische Nachrichtenstelle teilt mit, daß die wirksamen Heilkräfte des Moorbades immer mehr Heilungssuchende auch von auswärts zur Nutzung veranlaßt. Es bestehen zur Zeit folgende Kleingärten in Delitzsch:

Kolonie Wasserturm

= 187 Gärten

Eilenburger Chaussee

= 106 Gärten

Rosental

= 136 Gärten

Bitterfelder Straße

= 64 Gärten

Schachtweg

= 48 Gärten

Eichlerplan

= 20 Gärten

Kyhnaer Weg

= 20 Gärten

Die Stadt Delitzsch tritt dem neugegründeten Verein „Mitteldeutsches Landestheater" bei. Damit werden in Zukunft Theateraufführungen in Delitzsch stattfinden. Im Kreis Delitzsch gibt es gegenwärtig 283 Arbeitslose. Zitat aus der Delitzscher Zeitung:
„Ein 48 Jahre altes weibliches Gefolgschaftsmitglied wurde fristlos entlassen, weil es sich ständig geweigert hat, den Deutschen Gruß zu entbieten, und weil es bei dem Gemeinschaftsempfang der Führerrede am 27. März 1936 das Deutschlandlied und das HorstWessel-Lied nicht mitgesungen und die Hand zum Gruß nicht erhoben hat.°(Der Betrieb wurde nicht angegeben.) Im Kurpark finden regelmäßig Kurkonzerte statt. Das größte Verkehrsflugzeug, die viermotorige Junkersmaschine G 38, fliegt täglich über Delitzsch auf dem Wege vom Flughafen Halle-Leipzig nach Berlin.

1936 August
An der Grenze der Werbener und Delitzscher Feldmark ist eine neue Straße entstanden, die Lönsstraße. Dort ist Richtfest für fünf Einfamilien- und 24 Doppelhäuser. Insgesamt sollen hier 53 neue Häuser entstehen. Ernst Ihbe, der längere Zeit in Delitzsch in der Querstraße bei seinen Großeltern wohnhaft war, erringt bei den Olympischen Spielen eine Goldmedaille in Tandemfahren. Auf seinem Gute in Zschortau verstirbt der ehemalige Landrat Friedrich von Busse im 78. Lebensjahr. Er übernahm 1893 die Geschäfte vom bisherigen Landrat von Rauchhaupt aus Storckwitz und trat 1916 in den Ruhestand. Verdienste erwarb er sich hinsichtlich der Förderung der Landwirtschaft und des Feuerlöschwesens. Er erhielt den Titel eines „Geheimen Regierungsrates" verliehen. Bei der Polizei wird eine sogenannte „Raufboldliste" geführt. Die Eintragung wird auf bestimmte Zeit vorgenommen und dem Betreffenden mitgeteilt. Den Raufbolden ist der Aufenthalt bei öffentlichen Tanzlustvergnügen oder ähnlichen Veranstaltungen verboten. Die gerichtliche Bestätigung für die Führung einer Raufboldliste wurde erteilt. Erneut findet eine Verdunkelungsübung in Delitzsch statt. Ein vorbildlicher Verlauf wird bestätigt. Im Kosebruch wird ein Tontaubenschießen als Pflichtschießen des „Hegeringes 2" durchgeführt. Hegeringe sind Vereinigungen der Jäger, deren Vorgesetzter der Kreisjägermeister ist. Eine Großübung der Luftwaffe unter der Losung „Luftkrieg über Mitteldeutschland" findet im Raum Halle/Leuna/Merseburg statt. Auf dem Roßplatz errichtet man einen großen eisernen Lichtmast und weithin sichtbare Richtungsschilder. Die „Aushebung" der Wehrpflichtigen beginnt. Im Schützenhof begeht man einen Rekrutenball. Der Reichsbahn-Turn-und-Sportverein hat 17.000 m' Gelände für die Erweiterung des Sportgeländes am RAW erworben. Es sollen dann für den Sport zur Verfügung stehen: Fuß- und Handballplätze, Turnhalle mit Bühne, Kleinkaliberschießstand, Faustballfeld, Sprung- und Laufanlagen, Spielwiese. Der Delitzscher Schwimmklub „Neptun" ist zehn Jahre alt. Das Jubiläum wird mit einem großen Schwimmfest begangen. Polizeikommissar i. R. August Stephani, der von 1897 ab zunächst als Polizeisekretär im Dienste der Stadt stand, verstirbt im Alter von 72 Jahren.

1936 September
Neue Straßen zwischen Dübener Straße und Werbener Weg:

östlich der Lönsstraße

- „Dietrich-Eckart-Straße" (heute Stresemannstraße)

westlich der Freesestraße

- „Gorch-Fock-Straße" (heute Ehrenbergstraße) - Straße)

an der Bäckerei Schöne

- „Walter-Flex-Straße" (heute Adolf-Münzer-

Der Grundstein für den Neubau der Katholischen Kirche erhält seine kirchliche Weihe. Der I. Weltkrieg und die Inflation verhinderten zum damaligen Zeitpunkt die Ausführung des Neubaus. Der Bonifatiusverein Paderborn stellte namhafte Mittel zur Verfügung. Ab 21. 06. 1936 erfolgte die Vorbereitung des Baugeländes und am 16. August der erste Spatenstich. Gleichzeitig erfolgte der Umbau des Pfarramtes. Der Entwurf der neuen Marienkirche stammt von dem Architekten Reuter aus Bitterfeld. Die Maurerarbeiten für den Neubau der Kirche leistet der Maurermeister Albert Metzner mit seinen Arbeitern, den Umbau übernimmt Maurermeister Martin Zschernitz. Zum „Fest des deutschen Weines und der deutschen Traube" wird Wein aus dem Patenort von Delitzsch, Mannweiler in der Pfalz, kredenzt. Vom Bau eines gemeinsamen Bahnhofes in Delitzsch wird abgesehen wegen der hohen Kosten. Um zum Kleinbahnhof in Gertitz zu gelangen, errichtet man zwischen Berliner und Sorauer Bahnhof eine Haltestelle der Kleinbahn und eine Wartehalle. Auf Antrag des Ortsgruppenleiters der NSDAP und mit Zustimmung der Ratsherren werden folgende Umbenennungen von Straßen vorgenommen: Der "Kaiser-Wilhelm-Ring" und der „Auguste-Viktoria-Ring" werden in „Adolf-Hitler-Ring" umbenannt (heute Am Wallgraben). Der bisherige „Adolf-Hitler-Platz" (Marienplatz) erhält den Namen „General-Litzmann-Platz". Die Ratsherren beschließen, daß das Loberbett von der Schafbrücke bis zur Kläranlage vertieft und erneuert werden soll. In der Presse häufen sich Berichte gegen den Kommunismus. Die Schlagzeilen der Delitzscher Zeitung vom 08.09.1936 lauten: „Bolschewisten stiften Unruhe in aller Welt!“, „Todfeind Bolschewismus“; „Kampfansage gegen die Sowjets“,Sowjetrussische Gefahr in Europa“

1936 Oktober
Der Erntedanktag am 03. Oktober wird mit einem gemeinsamen Rundfunkempfang, mit einem Umzug und Ernteball begangen. Man beginnt mit dem Bau einer neuen Gemeinschaftssiedlung an der Securiusstraße hinter dem Schützenhof parallel zum Weg nach dem Kosebruch (heute A.-Tauche-Siedlung). 32 Siedlerstellen in Gestalt von 24 Doppelhäusern und acht Einzelhäuser sollen als erster Bauabschnitt entstehen. Erster Eintopfsonntag. In den Gaststätten sind vier Gerichte vorgeschrieben: Grüne Bohnen, Linsen, Pichelsteiner Fleisch und ein FischEintopfgericht nach freier Wahl. Man beschließt, 1937 ein Heimatfest durchzuführen. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Figurengruppe „Genesung" fertiggestellt sein. Der Gesangsverein „Abendstern" feiert seinen 70. Geburtstag. Der Gesangsverein der Delitzscher Bäckermeister begeht sein 10jähriges Stiftungsfest. Der diesjährige Fischzug im Stadtgraben ist recht erfolgreich. Die Zeitung berichtet von Prachtexemplaren an Karpfen und Hechten, die gezogen wurden. Am 29. Oktober findet das Richtfest an der katholischen Kirche statt.

1936 November
Amtsarzt in Delitzsch wird Medizinalrat Dr. Schulte. Im Kreis Delitzsch gibt es noch 149 Arbeitslose. Der „Vaterländische Frauenverein zum Roten Kreuz" begeht sein 70jähriges Bestehen. In der „Frontkämpfersiedlung" (heute Ostsiedlung) werden umfangreiche Straßenbefestigungsarbeiten durchgeführt. Männer der „Technischen Nothilfe" bauen eine Brücke über den Leber an der Elberitzmühle. Der Übergang über den dort ziemlich breiten Leber (südlicher Teil des Mühlteiches) soll ermöglichen, die ostwärts des Lobers befindliche Wiese als „Liegewiese" für die Badegäste des Elberitzbades zu nutzen. Auszüge aus einer „Denkschrift über die Notlage der Stadt Delitzsch" aus dem Jahre 1936 An Einwohnern zählte Delitzsch am 01. September 1936 insgesamt 17.137. Delitzsch ist Sitz mehrerer Behörden, so das Landratsamt, ein Amtsgericht, Finanzamt, Zollamt, Katasteramt, staatliches Hochbauamt, Kreisleitung der NSDAP, eine Gruppenführung des Arbeitsdienstes und ein Wehrmeldeamt. Steuerlich und finanziell gesehen macht sich in Delitzsch der fast völlige Mangel an größeren Industrieunternehmen ungünstig bemerkbar. Als größere Steuerzahler kommen nur die Schokoladenfabrik Böhme AG, die Zuckerfabrik Delitzsch und die Thüringer Gasgesellschaft (Gaswerk) Delitzsch infrage. Die Böhme AG beschäftigt etwa 700 Personen, wobei es sich allerdings in der Mehrzahl um weibliche Kräfte handelt. Die Zuckerfabrik mit-Rübensamenzucht gibt ungefähr 200 Volksgenossen Arbeit und Brot. Bei der Thüringer Gasgesellschaft sind etwa 65 Leute tätig. Im übrigen handelt es sich aber bei der Mehrzahl der Gewerbetreibenden im wesentlichen um kleinere Geschäftsbetriebe. Bemerkenswert ist hier wiederum, daß von den ungefähr 1015 Gewerbereibenden 597, also mehr als die Hälfte, frei veranlagt sind, d. h. keine Steuern zahlen. Ungünstig ist, daß ein sehr erheblicher Prozentsatz der gesamten Gewerbesteuern von den drei oben genannten Betrieben gezahlt wird. So betrug z. B. im Jahre 1933 die Steuereinnahme von diesen Betrieben 54,1 % (!), im Jahre 1934 sogar 69,5 % (!!) des gesamten Gewerbesteueraufkommens, ... Der Ausfall auch nur eines einzigen Steuerzahlers bedeutet u. U. für die Stadt eine erhebliche verhängnisvolle Mindereinnahme ... als man z. B. die Schokoladenfabrik Böhme wegen der Rohstoffbeschaffung als konjunkturempfindlich aussprechen muß. Auch die Zuckerfabrik ist wegen der Ungewißheit des Ausfalls der Ernte als wenig krisenfest anzusehen. In der Eisenbahnwerkstätte finden z. Zt. 998 Delitzscher Einwohner Beschäftigung mit 2264 Familienangehörigen, so daß ungefähr 21 % der Gesamtbevölkerung durch die Eisenbahnwerkstätte ihr Auskommen haben. ... Bis zum Inkrafttreten des Reichseinkommensteuergesetzes vom 29. 03. 1920 bestand für die früheren preußischen Eisenbahnen eine die Gemeindeinteressen genügend berücksichtigende Einkommensteuerpflicht des Staates. Die auf Grund des Gesetzes über die Pauschalisierung der Verwaltungskostenzuschüsse vom 17. 07. 1930 der Stadt nunmehr zufallenden Anteile müssen indessen als zu gering im Hinblick auf die Belastung der Stadt angesprochen werden. Ausschlaggebend für die Beurteilung der Verhältnisse der Stadt ist die Tatsache, daß Delitzsch Arbeiterwohnsitzgemeinde ist. Auf Grund der Berufszählung des Jahres 1933 setzen sich die Berufsstände wie folgt zusammen:

Selbständige

=

21,8 %

=

1944

Beamte

=

5,6 %

=

500

Angestellte

=

12,9 %

=

1151

Arbeiter

=

59,7 %

=

5325

Auf 1000 Erwerbstätige entfallen also etwa 600 Arbeiter. Von diesem Jahr an muß sich der größte Teil außerhalb von Delitzsch in Bitterfeld, Wolfen, Greppin, Dessau, Rackwitz, Leipzig, Sandersdorf, Zscherndorf, Halle usw. Arbeit suchen. Diese Tatsache wirkt sich, steuerlich gesehen, besonders nachteilig aus. Die der Stadt als Wohnsitzgemeinde entstehenden Lasten stehen dem Aufkommen an Steuern aus den gewerbesteuerlichen Anteilen der Betriebsgemeinden und den sonstigen Steuereinnahmen nicht im Entferntesten im Einklang. Sehr ungünstig macht sich für Delitzsch bei den Arbeitsorten Leipzig, Dessau, Raguhn die z. Zt. noch geltende landesrechtliche Regelung der Besteuerung der Betriebsgemeinden bemerkbar. Da diese Orte außerhalb Preußens, in Sachsen bzw. Anhalt, liegen, erhält die Stadt Delitzsch nicht den geringsten Betrag von den Betriebsgemeinden, während ihr als Wohnsitzgemeinde die gesamten öffentlichen Lasten zufallen. Der Charakter als Arbeiterwohnsitzgemeinde ist aber auch für die öffentliche Fürsorge nicht ohne Einfluß. Da die Renten zum erheblichen Teil unter der richtsatzgemäßen Unterstützung liegen, müssen zahlreiche Arbeitsinvaliden usw. als Sozialrentner zusätzlich unterstützt werden. Die Stadt Delitzsch muß statt eines Reichsdurchschnittes von 8,6 Personen auf 1000 Einwohner 11,3 Personen im Wege der öffentlichen Fürsorge als Sozialrentner betreuen, d. h. die Stadt muß jetzt etwa 10.000 RM mehr zahlen. Auch in der Kleinrentnerunterstützung erwachsen der Stadt Sonderbelastungen, dadurch, daß viele der in Delitzsch besonders zahlreichen Rentner infolge der Inflation ihr Vermögen verloren haben. So müssen z. B. als Empfänger von Kleinrentnerhilfe in Delitzsch statt eines Reichsdurchschnittes von 1,3 Parteien 2,2 Parteien unterstützt werden. In der Kleinrentnerfürsorge sind sogar statt 1,6 Personen 3,0 Personen auf 1000 Einwohner zu betreuen. Finanziell bedeutet das, daß die Stadt ungefähr 20.000 RM mehr aufwenden muß. Besonders ungünstig liegen für die Stadt die Verhältnisse bei den Versorgungsbetrieben. Hier wirkt sich für die städtischen Finanzen das fast völlige Fehlen von städtischen Betrieben verhängnisvoll aus. Lediglich das Wasserwerk ist noch im Besitze der Stadt und bringt einen geringen Gewinn. Im übrigen hat die Stadt durch äußerst ungünstige Verträge die Konzessionsrechte in der Gas- und Stromversorgung anderen Gesellschaften eingeräumt (20.000 RM jährlich). Die äußerst schwierige Finanzlage ist auf folgende Ursachen zurückzuführen: Durch die vergangene Wirtschaftskrise sind im Haushalt der Stadt auf Grund ihrer bevölkerungsmäßigen Struktur erhebliche Fehlbeträge entstanden, die leider immer noch nicht beseitigt sind. Weiterhin ist der Stadt durch die unlautere Geschäftsführung des früheren Sparkassendirektors ein Verlust von ungefähr 1 Mio. RM entstanden, für welchen die Stadt zum größten Teil als Gewährsverband einspringen mußte. Verhängnisvoll hat sich für die Stadt ausgewirkt, daß infolge ungünstigen Ausganges verschiedener Steuerstreitigkeiten Steuerbeträge von etwa 140.000 RM zurückzuzahlen sind. Infolge geringer Schülerzahl erfordert die Oberrealschule einen laufenden Zuschuß pro Schüler, der mehr als doppelt so hoch wie der Reichsdurchschnitt ist. Von großem Einfluß für die ungünstige Finanzlage der Stadt ist fernerhin die in den früheren Jahren ausgeübte übertriebene Fürsorgepolitik gewesen. Die Auswirkungen dieser übersteigerten Fürsorge werden sich noch lange bemerkbar machen. In der „Denkschrift" werden ferner einige ungünstige Faktoren erwähnt, u. a.: Beschneidung der Reichssteuerüberweisungen; Fürsorgenotausgleich (z. Zt. etwa 65.000 RM jährlich); Fortfall der Steuersenkungsbeträge bei ausgeglichenem Haushalt (etwa 40.000 RM jährlich); Die Stadt hat weder Militär noch Arbeitsdienst in ihren Mauern. Alle diese Gründe lasten schwer auf dem Wirtschaftsleben der Stadt und lassen leider nur wenig hoffnungsvolle Ausblicke für die Zukunft übrig. Der Ernst der Situation wird am besten klar, wenn man sich das warnende Urteil des Gemeinde-Prüfungsamtes der Regierung anläßlich der letzten Prüfung vor Augen hält. Die Warnung ging dahin, daß angesichts der schwierigen Verhältnisse der Stadt die Finanzlage derselben bei nicht rechtzeitigem Eingreifen u. U. einer Katastrophe entgegenginge. Im laufenden Geschäftsjahr 1936 schließt der Haushaltsplan mit einem neuen Fehlbetrag von ungefähr 46.000 RM ab. Noch jetzt ist die Kassenlage. so schwierig, daß die Stadt Mühe hat, die Gehälter und Unterstützungen pünktlich zu bezahlen. In einer Zeit, in der die meisten Städte und Gemeinden längst einen ausgeglichenen Haushaltsplan aufweisen können und bestrebt sind, entsprechend der Rücklagenverordnung Fonds anzulegen, kämpft die Stadt Delitzsch noch immer um die Herstellung eines ausgeglichenen Haushaltsplanes.

1936 Dezember
Das Pelzwaren-, Hut-, Mützen- und Damenputzgeschäft Carl Gräfe in der Eilenburger Straße begeht am 03. Dezember sein 50jähriges Bestehen. Gegründet wurde das Geschäft durch Carl Gräfe senior am 03. 12. 1886. Nach seinem Tode übernahm Carl Gräfe junior am 01. Juni 1934 das Geschäft. Die Turner des TV 1845, des TV 1894, des MTV Einigkeit vereinigen sich zu einem Verein, der den traditionsreichen Namen „Turnverein Delitzsch von 1845" annimmt. Eine Viehzählung in Delitzsch vom 03. Dezember ergibt:

Pferde und Fohlen

148

 

Maultiere

2

Rindvieh

91

 

Schafe

51

Schweine

905

 

Ziegen

80

Kaninchen

4333

 

Bienenstöcke

219

Hühner

6399

 

Gänse, Enten, Trut- und Perlhühner

349

Im Delitzscher Stadttheater kommen im Dezember „Der Zigeunerbaron" und die „Lustige Witwe" zur Aufführung. Veranstalter ist die „Deutsche Landesbühne". Das „Deutsche Frauenwerk" begeht im Lindenhof eine Adventsfeier unter betonter Zuwendung zum germanischen Brauchtute. (Altgermanisches Sonnenrad; der Schimmelreiter Wode, aus dem der „Nikolaus" wurde, die Rute aus Birkenreisig war einst ein Symbol geheimnisvoller Kräfte, das Krankheiten vertrieb; Frigge = Tag Gedenken an die Allmutter, Hüterin des Hauses; Julklapp = im Nordland, er wirft Geschenke in die Stube; Julbock = das heilige Feuer aus dem Reisig aller Bäume, die der Bauer in seinem Garten und auf seinem Land hat; der Julturm = das ist der immergrüne Tannenbaum; die Stolle = dem Wickelkind nachgebildet als Zeichen der Fruchtbarkeit und damit des Glücks.) Die Glocken für die Katholische Kirche treffen auf dem Bahnhof ein. Sie werden unter großer Beteiligung der Gemeindemitglieder abgeholt und in die Kirche gebracht; dort sollen sie am 20. Dezember ihre Weihe erhalten. Hersteller ist die Glockengießerei Humpen in Brilon in Westfalen. Sie weisen die Töne fis-a-h auf, mit denen das „je Deum laudamis" (Herr Gott, dich loben wir.) beginnt.

1936 Zusammenfassung
Die Probleme in Delitzsch wurden wiederum maßgeblich von der „großen Politik" der Regierung Hitler bestimmt. Die NSDAP folgte wie in den Vorjahren dem Prinzip, ihre Politik durch vielfältigen Einfluß auf die verschiedenen Schichten des Volkes zu popularisieren. Durch Kundgebungen, Demonstrationen, Aufmärsche trug man ihre Ideologie von der Überlegenheit der nordischen Rasse in das Volk, stärkte man das nationalistische Denken. In Delitzsch war die Arbeitslosigkeit fast völlig beseitigt, die Spareinlagen in den Sparkassen stiegen. Man stimmte der Politik der NSDAP zu. Politische Gegner waren ausgeschaltet. Von Konzentrationslagern fand man in der Presse nichts. Einen hohen Stellenwert im Hinblick auf das nationalistische Denken der Bürger hatten die Olympischen Spiele in Garmisch-Partenkirchen und in Berlin. Man hatte sich sorgfältig vorbereitet. Die sportlichen Erfolge verfehlten auch international ihre Wirkung nicht, und im Lande festigte sich der Nationalstolz. Man baute in Delitzsch weiterhin Wohnsiedlungen unter recht günstigen Bedingungen, neue Straßen und Wohnviertel entstanden, das Stadtbild verbesserte sich durch den weiteren Ausbau der Grünanlagen, der neue Park nahm Gestalt an. Militärische Traditionen, vor allem des Preußentums, wurden gepflegt. Auch in Delitzsch traten die „alten Soldaten" auf den Plan. Die voranschreitende Rüstung, in der Presse begründet mit der angeblich immensen Aufrüstung in der Sowjetunion und in England, wurde begeistert aufgenommen. Die Jugend wurde in militaristischer Hinsicht beeinflußt. Das Wehrmeldeamt wurde eingerichtet, die „Legion Condor" beteiligte sich am Spanischen Bürgerkrieg, die ehemals entmilitarisierte Zone Im Rheinland und an der Ruhr wurde durch deutsche Truppen besetzt. Alles das wurde auf der Grundlage der geschickten Propaganda hingenommen, als sei es normal und gerecht. Hitler sprach in Breslau von einer „Neuordnung Europas". Es schien, daß die bisher erzielten Erfolge und die Zustimmung der Bürger bei den Reichstagswahlen zu abenteuerlichen Vorhaben den Anlaß gaben. Nach wie vor spielte die Rassentheorie in der NS-Ideologie eine wesentliche Rolle. Auch in Delitzsch traten die Redner im antisemitischen Sinne auf. Germanische Traditionen widerspiegelten sich in Sonnenwendfeiern, in Adventsveranstaltungen und in der Namengebung von Arbeitsdienstabteilungen. Deutlich wurde auch das Bestreben zur Eingliederung Österreichs in das „Großdeutsche Reich". Der Vertrag mit Österreich, der der NS-Partei Österreichs Entfaltungsmöglichkeiten gab, ist ein Zeichen dafür. In der Kleinstadt Delitzsch machte man sich über die Folgen dieser Politik wenig Gedanken, man beschäftigte sich mit den örtlichen Problemen. Die Bürger hatten Arbeit, es ging ihnen gut. Über Konzentrationslager und Gestapo erfuhr man nichts. Die Freiwillige Feuerwehr beging ihren 75. Geburtstag, Gesangsvereine, Sportklubs und die NS-Verbände bestimmten mit ihren Veranstaltungen das Geschehen. Die Stadtverwaltung war weiterhin aktiv, was die bewußte Zuwendung zum Wohnungs- und Straßenbau beweist. Die Katholische Gemeinde erbaute in der Lindenstraße ihre neue. Kirche. Mahnende Stimmen gab es nicht.


 1937

1937 Januar
Die Delitzscher Zeitung veröffentlicht eine „Regelung des Fettbezuges". Es erfolgt die Einschränkung des freien Verkaufs über Kundenlisten und Bezugsrechte. Fettverbilligungsscheine werden für Minderbemittelte ausgegeben.; Butter ist nur noch auf Kundenlisten, Margarine auf Bezugsschein erhältlich. Aufruf in der Zeitung dazu: „Es wird erwartet, daß jeder einzelne die Bedeutung dieser Maßnahme für den Nationalen Aufbau erkennt und verantwortungsbewußt sich immer den Grundsatz vor Augen hält: Gemeinnutz geht vor Eigennutz!" Die Stadtverwaltung plant den weiteren Bau von 80 Volkswohnungen, zum Teil an der Eilenburger Chaussee, zum Teil an der Muchowstraße (heute Uferstraße). Im Kino läuft der Film „Standschütze Bruggler", das hohe Lied der Tiroler Heldenjugend. Die Böhme AG veröffentlicht ihren Jahresabschluß 1936. Roheinnahme = 2.419.000 RM, gezahlt werden 12 % Dividende. In Delitzsch beginnt man mit der Sammlung von Küchenabfällen im Rahmen des „Ernährungshilfswerkes des Deutschen Volkes", um die Lücke in der Fettversorgung durch zusätzliche Schweinemast zu schließen. Man veröffentlicht eine Anweisung, wonach Abiturienten vor Beginn eines Studiums ihre Arbeitsdienstpflicht abzuleisten haben. Die „Technische Nothilfe" baut in einer Übung eine Behelfsbrücke ,über den Stadtgraben, weil die eigentliche Brücke „von Fliegerbomben zerstört worden sei". Passanten haben Brückenzoll zu zahlen. Das Mitteldeutsche Landestheater führt das Schauspiel „Der Ministerpräsident", ein politisches Zeitbild aus der Zeit Otto von Bismarcks, auf. Losung in der Delitzscher Zeitung: „Ganz Delitzsch ißt aus einem Topf am kommenden Sonntag auf dem Roßplatz" (Nudeln mit Rindfleisch). Am 30. Januar, von 13 bis 16 Uhr, erfolgt kein Verkauf im Einzelhandel, um die Rede des Führers Adolf Hitler im Gemeinschaftsempfang hören zu können. Daraus: „Zurückziehung der Unterschrift unter den Versailler Vertrag, daß Deutschland die Schuld am Kriege besitze. Wiederherstellung der deutschen Gleichberechtigung auf allen Ebenen." In Delitzsch erfolgt im Zusammenhang mit dem Anhören der Rede eine Kundgebung im Schützenhaus und am Abend ein Fackelzug In Delitzsch wüten Schneestürme, starke Schneeverwehungen auf den Straßen sind zu verzeichnen. In der Beerendorfer Straße wird der Bau der Kanalisation beendet. In der Damaschkestraße beginnt man mit dem Bau der Kanalisation (Schmutzwasserkanal).

1937 Februar
In der Bismarckstraße wird die letzte Scheune abgerissen, um einem Familienhaus Platz zu machen, welches an der Ecke Kohl- und Bismarckstraße entstehen soll. Ehemals war die heutige Bismarckstraße die „Scheunengasse". Der „Reichsberufswettkampf der Deutschen Jugend" wird eröffnet. An ihm nehmen in Delitzsch 800 Jungen und Mädel teil. Die „Heldengedenkfeier" in Delitzsch ist verbunden mit Mitgliederappellen der NS-Organisationen, mit Aufmärschen und Kundgebungen. Auch die Jugendorganisation führt einen Appell durch, desgleichen die Kreisbauernschaft und die Amtswalter.

1937 März
In Delitzsch findet am 09. März ein großer Aufmarsch aller Gruppen des Reichsarbeitsdienstes des Kreises in Anwesenheit hoher RADFührer statt. Die Stadtverwaltung kann erstmalig auf einen ausgeglichenen Haushaltsplan verweisen. Der Ordentliche Etat weist 1.891.000 RM auf, der Außerordentliche Etat 325.000 RM. Vorgesehen sind zahlreiche Instandsetzungsarbeiten von Straßen und Schulen Die Seminarturnhalle soll erneuert werden, Ausbesserungsarbeiten sollen an der Jahnturnhalle in Verbindung mit dem Ausbau von Umkleide- und Waschgelegenheiten beiderseits des Einganges durchgeführt werden. Man plant die Umgestaltung des Lindenhofes, der in den Besitz der Stadt übergegangen ist. Im Schloß werden 10 Räume in Ordnung gebracht und der Hitlerjugend zur Verfügung gestellt. Der HJ-Bann wird im Schloß untergebracht. Für den Straßenbau stellt die Stadt 300 - 400.000 RM bereit. Man plant die Vergrößerung des Krankenhauses. Die Bedürfnisanstalt am Roßplatz wird abgerissen; ein Neubau erfolgt am Stadtgrabenwall. Die Arbeitslosigkeit in Delitzsch ist fast völlig beseitigt. Eine Großkundgebung der NSDAP im Schützenhof beschäftigt sich mit dem neuen 4-Jahresplan. Eines der Arbeitsvorhaben des Reichsarbeitsdienstes besteht in der Ausgestaltung der Einrichtungen der Delitzscher Abwässerverwertungsgenossenschaft. Auf einem Elternabend des Jungvolkes, Standort Delitzsch, werden die drei Grundsätze der Jugenderziehung verkündet: „Freiwilligkeit, Disziplin, Unterordnung sowie Treue zur nationalsozialistischen Bewegung." Die Landwirtschaftliche Winterschule ist zu einer „Bäuerlichen Werkschule" geworden. Direktor ist Landwirtschaftsrat Schöne. Die Hitlerjugend bildet einen eigenen Bann in Delitzsch. Am Schloß wird ein Appell und auf dem Markt die feierliche Übergabe des Bannes durchgeführt. Aussage: „Wir können nunmehr heute mit Stolz darauf verweisen, daß nahezu restlos die gesamte Deutsche Jugend in den Reihen der HJ steht" Im Stadtgraben werden 340 Karpfen aus den Teichen von Paupitzsch ausgesetzt. Am Städtischen Bauhof in der Karlstraße wird ein Scheunenkomplex abgerissen.

1937 April
Die Stadtsparkasse Delitzsch verzeichnet eine „maßgebliche Aufwärtsentwicklung". Die Spareinlagen erhöhten sich von 3,5 auf 3,7 Mio. RM. Auf dem Stadtgraben hat man goldbrüstige Bartenten, Türken- und Stockenten ausgesetzt. Im „Jungvolk" strebt man an, die technische Erziehung zu verbessern und eine Auslese der besten Kräfte zu betreiben, „die später vor allem in den Wehrmachtsteilen Luftwaffe, Marine und Kraftfahrtruppe einen vorgebildeten und geschulten Nachwuchs stellen sollen." Im Rahmen diese Programms werden Bastelarbeiten im Heim, Erlebnisse der Technik auf Fahrt und im Lager, Segelflug und Modellbau vorgesehen. Der Stadtobersekretär Richard Költzsch, Standesbeamter und Leiter des Städtischen Archivs, wird für seine 35jährige Tätigkeit in der Stadtverwaltung geehrt Mit beratender und unterstützender Mitarbeit an der Seite des Bürgermeisters werden Beiräte für folgende Arbeitsgebiete berufen: Finanzielle Angelegenheiten einschl: Stiftungen, Kulturwesen
Städtische Bauangelegenheiten und Ländereien
Feuerlöschwesen
Anlagen, Forst, Friedhof
Fürsorgewesen, Krankenhausverwaltung
Verkehrs- und Beleuchtungsangelegenheiten
Wasserwerksangelegenheiten
Berufsschule
Die NSDAP-Stadtleitung ruft zu Spenden für „Jugendherberge und Heim" der Hitlerjugend auf. Die Preise für 500 Gramm Kalbfleisch steigen von 1,02 RM auf 1,78 RM. Anläßlich des Geburtstages von Adolf Hitler leisten neu berufene Politische Leiter den Treueschwur. An allen Schulen werden Schulfeiern durchgeführt. Eine neue Sammelaktion „Dankopfer der Nation" wird ins Leben gerufen. Der Sängerkreis „Heide-Mulde" führt in Delitzsch eine Tagung durch, an der die Gesangsvereine der Stadt „Abendstern", „Anion" und „Schulze-Delitzsch-Liedertafel" teilnehmen. Zur Verbesserung der Kreisstraßen stellt man 260.000 RM bereit. Bisher wurden 60.000 m' Abwässer von Leipzig der landwirtschaftlichen Verwertung im Kreise Delitzsch zugeführt. Künftig sollen die gesamten Leipziger Abwässer von täglich 120.000 m' der Landwirtschaft zugeführt werden. Empfang des Maibaumes am 30. April in Delitzsch. An der Stadtgrenze nimmt die Jugend, begleitet von einer Abordnung der Politischen Leiter mit ihrer Fahne, den Baum in Empfang. Unter Vorantritt der Bannkapelle der HJ geht der festliche Zug durch die Straßen zum Schützenhausplatz, wo der Maibaum aufgestellt wird.

1937 Mai
Überall in den Betrieben finden am 01. Mai Feiern statt. Losung in der Delitzscher Zeitung: „Ein Volk marschiert im Gleichschritt". Die Preise für 50 Kilogramm Kartoffeln betragen 2,80 bis 3,10 RM. Im Kreis Delitzsch werden acht HJ-Heime an die Jugendorganisation übergeben. Entsprechende Feierstunden finden statt. In der Oberrealschule findet eine Ausstellung statt mit den Themen: „Blut und Rasse" und „Volk ohne Raum und Raum ohne Volk". Die SA führt in Delitzsch ein großes Sportfest durch, Bestandteile sind wehrsportliche Disziplinen. Die Hitlerjugend will an der Beerendorfer Straße die dort befindlichen Sportplätze in freiwilliger Arbeit ausbauen. Die Jahnturnhalle in der Bitterfelder Straße erhält einen neuen Parkettfußboden aus Buche, in den Fenstern werden Drahtglasscheiben eingesetzt. Geplant ist der Anbau eines Geräteraumes und einer Hausmeisterwohnung. Die vor zwei Jahren im Elberitzbad angelegten Filter, durch die das Loberwasser zur Füllung des Bades eingelassen wurde, sind nunmehr zugefüllt worden, so daß die Anlage in Zukunft durch Quellwasser gespeist wird. Eine Brücke über den Lober wurde durch die „Technische Nothilfe" erbaut, um die Liegewiese jenseits des Lobers zu nutzen. Das Kinderplanschbecken wurde ausbetoniert. Aus Anlaß der Einweihung des Brunnenmonuments „Die Genesung" plant man für den 03. Und 04. Juli ein Volks- und Heimatfest. Die SA und die SS führen Großfahrten in „Deutschlands Gaue" durch. Der Werkdirektor des RAW Petzold übernimmt das RAW Oppeln, sein Nachfolger ist der Reichsbahnoberbaurat Schwager. Auf dem Roßplatz ereignet sich ein schweres Verkehrsunglück. Ein Motorrad prallt mit einem Lastwagen zusammen, wobei der Beifahrer des Motorradfahrers getötet wird. Mit dem 31. 05. 1937 schließt die Stadtsparkasse Delitzsch ihre Pforten; es erfolgt mit dem 01. 06. 1937 der Zusammenschluß mit der Kreissparkasse. Die finanzielle Notlage der Stadt und der Verlust der Stadtsparkasse in Höhe von 708.000 RM ist die Veranlassung zum Zusammenschluß als Notmaßnahme für die Stadt, die ja als Gewährsträger für den Verlust der Stadtsparkasse haften muß. Die „Überführung der Stadtsparkasse Delitzsch" ab 01. Juni erfolgt laut Erlaß der zuständigen Preußischen Minister.

1937 Juni
Die Ausgabe von Volksgasmasken wird angekündigt. Die DAF führt die 2. Altpapiersammlung im großen Maßstab durch. In Halle findet ein Gauappell der NSDAP mit 120.000 Teilnehmern statt, dabei sind Delitzscher Abordnungen. Die Delitzscher SS führt eine Großfahrt in den Harz durch. Das Gelände in der Securiusstraße wird für den Bau dort geplanter Siedlungen freigegeben. Der Bildhauer Brumme aus Leipzig hat die Brunnenfigur fertiggestellt. Sie wird im Albert-Böhme-Park anläßlich des Heimatfestes enthüllt werden. Der Peter-und-Paul-Markt wird am 29. Juni festlich begangen. Am Abend veranstaltet man den traditionellen Heiratsmarkt. In allen Lokalen wird getanzt.

1937 Juli
Der Reichskolonialbund veranstaltet einen Vortragsabend mit dem Thema: „Deutschland braucht neuen Lebensraum". Die Bedürfnisanstalt am Breiten Turm wird abgerissen, die neue wird in die Böschung am Wallgraben eingebaut. Am 03. Und 04. Juli findet das Volks- und Heimatfest in Delitzsch statt. Am Sonnabend eröffnet man das Fest mit einem Fackelzug, mit Illumination der historischen Gebäude, Konzert in den Parkanlagen am Viktoriabad und mit einem Sängerchorkonzert im Rosengarten. Der Höhepunkt des Sonntag ist die Einweihung der „Genesung". Ihr Schöpfer, der Bildhauer Alf. Brumme, äußert dazu die folgende Gedanken:

„Das schöpferische Werk.
Da ist ein Wille, erschafft aus dem Nichts.
Da sind glühende Sehnsüchte, die Erfüllung suchen.
Da ist die Einsamkeit eines Schaffenden,
die wie ein volles Gefäß überschäumen möchte,
und da ist ein Unerbittliches: Du mußt gestalten!
Eine innere Schau formt die Dinge,
und die Fülle der Erlebnisse dringt sich hinein.
Können setzt spielend, zuweilen auch kämpfend um,
was die Seele schaut.
Gestalten formen sich aus leblosem Ton,
sie quellen aus den Händen,
und das Werk steht da in Ton und in Gips.
Es aufersteht dann in Marmor und führt ein Eigenleben,
die Idee wird sichtbar und spricht für sich
und sie spricht zum anderen! Genesung:
So umfaßt die Reife und Starke die Schwester und reicht ihr den Trunk,
und sie trinkt Leben aus der Schale, der eben noch schlaffe Körper schwellt sich,
neues Blut strömt durch die Adern, kreisend schwingen Rhythmen um die Glieder,
und die Einsamkeit löst sich. Leben strömt aus der Schale,
Leben strömt vom Starken zum Schwachen. Auch du mußt es fühlen, sollst mittrinken vom Strome der Genesung, der kranke Körper braucht diesen Trunk.
Aber auch die Seele braucht diese Kraft, die aus göttlichen Quellen fließt."

Die Einweihung des Brunnenmonumentes wird durch eine Vielzahl von Veranstaltungen umrahmt: Es erklingen die Schwedensignale vom Breiten Turm, der zur Besichtigung freigegeben ist; die Türmerstochter und die Stadtwache treten auf. Auf der Festwiese findet zur Einweihung der „Genesung" ein Konzert statt. Gespielt wird „Aufzug der Zünfte auf der Festwiese" von Wagner und „Die Himmel rühren des Ewigen Ehre" von Beethoven. Bürgermeister Frey spricht. Daraus: „Das heutige Heimatfest ist nur eine Fortsetzung des damals begonnenen Brunnenfestes". Die Gelder für das Monument sind von der Albert Böhme-Stiftung zur Verfügung gestellt worden. Die Heimatzeitschrift „Der Türmer" würdigt das Volks- und Heimatfest durch historische Beiträge von Friedrich Horn. Umfangreiche sportliche Veranstaltungen und ein großes Kinderfest finden statt. Am Abend klingt das Fest mit Festbeleuchtung der Türme und historischen Bauten und Illumination der Zwingergärten aus. Die Delitzscher Stenografen werden erneut Gaumeister. Die Mannschaft besteht aus Gerhard Brandstätter, Hildegard Backofen, Erika Muster, Erna Köckeritz und Walter Weber als Staffelführer, der auch im Einzelschreiben bei 200 Silben erfolgreich ist. Das Zeltlager der HJ und des Jungvolkes findet in Zschepplin statt. Aus dem Dienstplan: 6.00 Uhr Wecken, Frühsport, Duschen und Waschen. 6.55 Uhr Flaggenhissung, Frühstück, Zeltordnung, Appell, dann Gelände, Ausbildung im Kartenlesen u. a. 12 bis 13 Uhr Mittagszeit, Zeltruhe bis 13.30 Uhr, dann zwei Stunden Freizeit, anschließend weltanschauliche Schulung, Singen Ordnungsdienst. 19.00 Uhr Abendessen, Einholen der Flagge. 22.00 Uhr Zapfenstreich. Karl Demmel veröffentlicht in einer „Polyhymnia in der Dübener Heide", welche Musiker und Komponisten in der Vergangenheit wirksam wurden. Aus Delitzsch sind folgende Personen benannt: Friedrich August Kanne, Opern und Singspiele „Miranda", „Das Schwert der Rache", "Schloß Tabor", Messen, Kantaten, Symphonien, Streichquartette, Balladen, Sonaten, Lieder. Bernhard Wolter, geboren 1875, Kapellmeister, Märsche und Klavierstücke. Friedrich Pudor (1835 - 1887), Direktor des Konservatoriums in Dresden. Richard Hofmann (1844 - 1918), Sohn des damaligen Stadtmusikdirektors, Professor, Komponist. Weiterhin: Thomas Avenarius aus Eilenburg, Orgelmeister. Johann Gottfried Stallbaum aus Zaasch, Rektor der Leipziger Thomasschule, Universitätsprofessor. Richard Kuhn aus Brinnis, Organist, Chordirektor, Lehrer, Gesanglehrer, Direktor des Magdeburger Domchores, Studienrat. Im Kreise Delitzsch findet am 17. Juli ein Manöver der Wehrmacht statt. Preisträger in einem Fotowettbewerb zum Heimatfest als 1. Sieger wird Kurt Seeger. An einem Brieftaubenwettbewerb der Provinz Sachsen nehmen 19 Brieftauben aus Delitzsch teil. Start ist in Southampton, die Flugstrecke beträgt 1000 Kilometer, nach 13 Stunden trifft die erste Brieftaube in Delitzsch ein, d. h. Fluggeschwindigkeit 76,92 km/h. Für die Bewohner der Mauergasse, Leipziger Straße, Markt und Hallesche Straße wird ein „Pfhchtluftschutzkursus" durchgeführt. Die HJ-Fliegerschar befindet sich in einem Lager in Thüringen. Ziel ist die Erringung von Flugscheinen. Als neuer Kreisleiter der NSDAP wird der Parteigenosse Krüger ab 01. August fungieren. Seine Hauptforderungen an die Politischen Leiter sind Treue, Gehorsam und Kameradschaft.

1937 August
Die Oberrealschule wird in eine „Oberschule" umgewandelt. Unter Wegfall der Oberprima gliedert sie sich wie folgt:

Sexta (VI)

Quinta (V)

Quarta

(IV)

Untertertia

(U III)

Obertertia

(O III)

Untersekunda

(U II)

Obersekunda

(O II)

Unterprima

(U I)

 

 

Im Elberitzbad hat man Umkleideräume erweitert. Man richtet „Wechselzellen" ein. Die SA tritt wie in den Vorjahren zum „Reichswettkampf" an. Die Disziplinen haben militärischen Charakter; Zitat: „Sie werden beweisen, daß Einsatzbereitschaft und Manneszucht die Tugenden der SA waren, sind und immer bleiben werden." An die Betriebsführer wird appelliert, den Teilnehmern am Reichsparteitag den erforderlichen Urlaub ohne Anrechnung auf den Tarifurlaub zu gewähren. Ein Liter Vollmilch kostet 22 bis 24 Pfennig. Kurkonzerte im Moorbad finden bis zum Ende der Kursaison statt. In Delitzsch gibt es noch zwei Wohlfahrtserwerbslose. Der Gauleiter ruft zur Entrümpelung der Dachböden auf. In der Halleschen Straße wird das bisherige Filmtheater „Astoria" im neuen Gewande unter dem Namen „Capitol" wieder eröffnet. Das Theater weist 400 Plätze auf. Die erste Aufführung zeigt den Film „Sieben Ohrfeigen" mit Lilian Harvey und Willi Fritsch. 1000 Hitlerjungen und BD-Mädel nehmen am Gausportfest der HJ in Halle teil. Bannführer Fuchs: „Ziel der HJ ist, ein wehrfähiges und wehrfreudiges Geschlecht im natürlichen deutschen Denken und Fühlen zu erziehen." 180 organisierte Bienenzüchter gibt es im Kreis Delitzsch. Sie betreuen 1837 Bienenvölker. Außerdem werden 700 Bienenvölker von unorganisierten Imkern, auf die man schimpft, betreut.

1937 September
Eine Veranstaltung des VdA anläßlich des „Tages des Deutschtums" beschäftigt sich mit dem Thema: „Deutschlands Grenzland und sein Kampf um das Deutschtum." Man gedenkt der 35 Millionen Auslandsdeutschen. Am 06. September beginnt der „Parteitag der Arbeit" der NSDAP in Nürnberg. Im Lindenhof können Personen, die kein Rundfunkgerät besitzen, die Veranstaltungen im Gemeinschaftsempfang verfolgen. Zum Tag des Arbeitsdienstes bringt die Delitzscher Zeitung folgende Schlagzeile: „Arbeitsdienst ist Gottesdienst". Adolf Hitler in Nürnberg: „Deutschland ist das Germanische Reich Deutscher Nation", „Die Jüdische Frage ist eine Weltfrage"; „Moskau ist für uns unerträglich!". Das Rosental zwischen Oskar-Reime-Straße, Schulze-DelitzschRing und Lober wird zum „Naturdenkmal" erklärt. Pastor lic. Suckert wird zum Heerespfarrer nach Naumburg berufen. In Delitzsch gibt es zur Zeit 787 Fernsprechteilnehmer. Folgende Straßenverbesserungen sind erfolgt oder sind vorgesehen: Die Damaschkestraße erhielt eine eingewalzte Schotterdecke. Die Oststraße soll reguliert werden. Der Horst-Wessel-Platz (Nordplatz), die Langemarckstraße (Schulze-Delitzsch-Straße) und die Securiusstraße sollen planiert werden. Der Adolf-Hitler-Ring (Am Wallgraben) zwischen Stadtmühle und Oberrealschule erhält eine Bitumendecke. Die Kanalisation wird weiter vervollkommnet in der Damaschkestraße, der Weststraße, Oststraße und Muchowstraße (Uferstraße). Der Lober wird vom Rosental bis zur Naundorfer Mühle vertieft; dies ist ein Objekt des Reichsarbeitsdienstes. Siedlungen und Wohnungen:
An der Securiusstraße sind 32 Wohnungen im Entstehen.
40 Volkswohnungen in der Muchowstraße (Uferstraße) werden demnächst bezogen.
20 Volkswohnungen in der Fuststraße sind im Bau.
In der Beerendorfer Straße, Nordseite, wurde eine Baulücke geschlossen.
In der Bismarckstraße wurde ein Siebenfamilienhaus bezogen.
12 restliche Baustellen der NSKOV-Siedlung (Ostsiedlung) werden noch in diesem Jahr fertig. Neue Wohnhausbauten in der Hainstraße, Saarstraße (heute Humboldstraße) und Gorch-Fock-Straße (Ehrenbergstraße) entstehen. Erweiterungsbauten der Böhme AG und der Zuckerfabrik.

1937 Oktober
Im Gemeinderat wird festgelegt, in Delitzsch, wahrscheinlich auf dem Breiten Turm, eine Luftschutzwamanlage anzubringen. Zwei weitere Stellen für Polizeibeamte werden geschaffen. Am 06. Oktober eröffnet man das „Winterhilfswerk". Der erste Eintopfsonntag soll am 10. Oktober stattfinden. Der Volksempfänger ist für 65 RM im Angebot. Die Kartoffelpreise betragen für Kleinverteiler 3,00 bis 3,30 RM je 50 Kilogramm. Am 14. Oktober wird im Heimatmuseum ein Modell von AltDelitzsch, angefertigt von Herrn Kurt Wittig in 2jähriger mühevoller Arbeit, ausgestellt. Im Maßstab von 1 : 500 ist die Altstadt mit 327 Bürgerhäusern, der Kirche, dem Rathaus, dem Schloß und den Befestigungsanlagen naturgetreu wiedergegeben. (Das Modell befindet sich jetzt in einer Etage des Schloßturmes.) Am 16. Oktober führt die SS gemeinsam mit dem NS-Frauenbund einen „Sippenabend" mit dem Thema „Frauen sind die Trägerinnen deutscher Ewigkeit" durch. Man verlangt, Ahnenforschung als ernste Verpflichtung für jeden Volksgenossen zu betreiben, um den Abstammungsnachweis erbringen zu können. Im Schützenhaus spricht zu einer Großkundgebung der „Reichsstoßtruppredner" Walter Franke. „Unser Volk ist der Stoßtrupp gegen den Weltbolschewismus". Schlagzeile in der Delitzscher Zeitung vom 26. Oktober: „Deutsche Frau, bist Du bereit? Wer den Frieden haben will, muß zum Kriege rüsten!" Gemäß Magistratsbeschluß soll die Luftschutzwarnanlage auf dem Rathaus angebracht werden. Man beschließt ferner, die Eilenburger Straße zu verbreitern.

1937 November
Der sogenannte Kläranlagenweg wird in „Naundorfer Weg" umbenannt. Die neue Straße ostwärts der Damaschkestraße heißt „Gustloffstraße" (heute Rathenaustraße). Der Kreisleiter Krüger nimmt vor 2200 Werktätigen die Fahnenweihe von 28 Fahnen der DAF vor. Die Kreisorganisation des Reichskolonialbundes hat 1924 Mitglieder. Ein Aufmarsch in Delitzsch findet statt. Zwei neue Siedlungsvorhaben der Stadt werden begonnen. Nach der Vollendung der Kleinsiedlung an der Securiusstraße will die Stadt in einem zweiten Bauabschnitt eine neue Siedlung in Angriff nehmen, wobei der Siedler etwa 600 bis 700 RM selbst aufbringen muß. Eine Kundgebung der NSDAP im Schützenhaus beschäftigt sich mit der Frage: „Germanen als Kulturträger". Die Straße nach Leipzig wird südlich der Eisenbahn bis zur „Bauerschen Scheune" um 85 Zentimeter verbreitert. Für den Butter- und Fettbezug 1938 wird festgelegt, daß der Bezug über Kundenlisten der Verkaufsstellen erfolgt. Dazu sind Haushalts- und Kundennachweise erforderlich.

1937 Dezember
Eine Werkstoffschau des Handwerkes wird im Lindenhof eröffnet. Aus einem Jahresbericht der Stadtverwaltung über das kulturelle Leben in Delitzsch:
1. Theater: Wenig Interesse für Schauspiele, Zulauf bei leichten Operetten.
2. Städtische Volksbücherei: Im Besitz sind augenblicklich 1900 Bände.
3. Heimatmuseum: Erweiterung der Sammlungen, Verbesserung der Beleuchtungsverhältnisse, Erhaltung des Parkettfußbodens. Museumsbesucher: 550 Einzelpersonen, 20 Schulklassen, fünf andere Gruppen. Auszüge aus einem Bericht des Landratsamtes Delitzsch über die Stadt Delitzsch an den Regierungspräsidenten in Merseburg:

Werkstättenteich:
Da die Wasserverhältnisse im Werkstättenteich ideal sind, und auch in sonstiger Beziehung die Verhältnisse günstig liegen, will die Stadt versuchen, unter Umständen den Badebetrieb im Werkstättenteich auf eine vollkommen neue Grundlage zu stellen. Die Stadt bemüht sich, einen langjährigen Vertrag mit der Reichsbahndirektion abzuschließen! Dadurch dürfte die Möglichkeit gegeben sein, in großzügiger Weise an den Ausbau des Werkstättenteiches heranzugehen. Es läßt sich hier ein ideales Freibad schaffen, welches der Bevölkerung im Osten und Norden der Stadt die notwendige Erholung bieten könnte. Nach Lage der Sache ist damit zu rechnen, daß auch hier in den kommenden Jahren eine günstige Regelung erzielt werden kann. (Aus dieser Absicht wurde nichts; der Teich wurde zugeschüttet.)

Moorbad:
Die Verhältnisse im Moorbad gestalten sich allmählich günstiger, wenngleich auch jetzt noch die Stadt durch Ausbau- und Erneuerungsarbeiten Zuschüsse leisten muß. Neugeschaffen wurde aus Mitteln der Böhmespende ein Tagesraum für die Gäste des Moorbades. ... Die Besucherzahl hat sich dank der rührigen Tätigkeit des Pächters Fuchs im abgelaufenen Jahr erfreulich erhöht. Die Landesversicherungsanstalt der Provinz Sachsen in Merseburg hat zahlreiche Kranke (Rheuma-, Ischias- und Gichtkranke) zur Kur in das Moorbad Delitzsch gesandt. Auch Privatpatienten kamen in größerer Zahl hierher, um Heilung und Linderung ihrer Leiden zu suchen. Es ist damit zu rechnen, daß mit dem weiteren Ausbau des Bades sich die Besucherzahl immer mehr steigert, so daß in absehbarer Zeit das Moorbad ohne städtischen Zuschuß existieren kann.

Stahlquelle:
Die Stahlquelle „Neuer Heiligbrunnen" war in der Zeit vom 14. Mai bis 30. September 1937 an den Wochentagen von 6.30 - 10 und von 16.30 - 19 Uhr und an den Sonn- und Feiertagen von 8 - 12 und von 16 - 19 Uhr geöffnet. Die Verwaltung lag in den Händen des Herrn Kurt Grabe aus Delitzsch, Bitterfelder Straße 43. Das Wasser wurde kostenlos abgegeben. An Trinkbechern wurden 3700 Stück zum Preise von 0,05 RM je Stück verkauft. Der Besuch war wieder sehr rege. Die Stahlquelle erforderte einen etatlichen Zuschuß in Höhe von 350 RM. Die Firma Dietrich hat der Stadt 500 Wassergläser aus alten Beständen gestiftet. Sie werden an der Stahlquelle mit verkauft, pro Stück 0,05 RM.

Einnahme

=

161,00 RM

Ausgabe

=

467,57 RM

Zuschuß

=

306,57 RM

In den NS-Einheiten werden „Weihnachtsfeiern in deutschem Geiste" veranstaltet. Die SS begeht ihr „Julfest", die HJ die Wintersonnenwende. Auf der Kreuzung am Roßplatz soll zu Beginn des neuen Jahres eine Verkehrsampel in Betrieb genommen werden. Man führt wieder „Pfundtütensammlungen" für das Winterhilfswerk durch. Der Bürgermeister Dr. Frey stellt fest, daß erstmalig der Haushaltsausgleich hergestellt werden konnte.

1937 Zusammenfassung des Jahres
In den vier Jahren der NS-Herrschaft wurde eine beispiellose Aufrüstung betrieben. In der Presse und in der Propaganda wurde die Rüstung damit begründet, daß die Sowjetunion und auch England gewaltig aufrüsten. Die Ungültigkeitserklärung des Versailler Vertrages auf dem Nürnberger Reichsparteitag sowie die dortige Parade von Streitkräften ließen den Umfang der deutschen Waffenproduktion erkennen. In Delitzsch gab es mancherlei Anzeichen dafür, daß Hitler einen Krieg durchaus einkalkulierte. Dafür seien einige Beispiele genannt: Rationalisierung des Fettbezuges (Göring: „Kanonen statt Butter!") „Gesetz über Fettwirtschaft" ab 1936; Konzentration der Fettverarbeitung auf wenige Molkereien. Manöver der Wehrmacht im Kreise Delitzsch. Pflichtablieferung der Bauern von Getreide. Bau einer Luftschutzwarnanlage, Aufruf zur Entrümpelung der Dachböden. Hinsichtlich der Propagierung der nationalsozialistischen Ideologie fand die Zuwendung zur germanischen Vergangenheit ihre Fortsetzung mit Sippenabenden, Sonnenwendfeiern, Ahnenforschung und Julfesten. Die Begriffe „Blut", „Boden", „Rasse" und die damit begründete Verfolgung und Vernichtung des Judentums bestimmten maßgeblich das Denken der NS-Führung. Ihre Redner brachten diese Begriffe an den Mann. Die Erziehung der Jugend tendierte immer mehr zur Vorbereitung auf den Krieg. „Ziel der HJ: ...Erziehung eines wehrfähigen und wehrfreudigen Geschlechts". Technische Erziehung des Jungvolkes, „ ... die später vor allem in den Wehrmachtsteilen Luftwaffe, Marine und Kraftfahrtruppen einen vorgebildeten und geschulten Nachwuchs stellen kann." Die Bürger in Delitzsch wurden von dem nationalistischen Gedankengut erfaßt, zumal durch die weitere Bautätigkeit von Siedlungen und durch das Heimatfest mit der Einweihung der Brunnenfigurengruppe „Die Genesung" die Betonung auf mittelalterlichen Traditionen lag. Der Kurbetrieb hatte sich erweitert, Badegäste kamen nach Delitzsch. Die Anzeichen für militärische Ambitionen Hitlers nahm man gelassen hin.


1938

1938 Januar
Im Reichsbahnausbesserungswerk erfolgt die Lossprechung der Tischler- und Sattlerlehrlinge. Frost und starke Schneeverwehungen treten auf und behindern den Verkehr außerordentlich. Beim „Reichsleistungsschreiben" der Stenografen erzielen Walter Weber mit 260 Silben/Minute und Erna Köckeritz mit 220 Silben/Minute herausragende Leistungen. In der Walzenmühle wird im Rahmen des Ernährungshilfswerkes der NSV eine Schweinemästerei eingerichtet. Auf im Kreis unbebauten Flächen sollen Maisanpflanzungen erfolgen. Ein Fischsterben in den Kosebruchteichen ist vermutlich durch eingeflossenes Rieselwasser oder durch Sauerstoffmangel wegen des Zufrierens der Teiche verursacht worden. In Delitzsch eröffnet man eine Ausstellung der NSDAP mit dem Thema „Geschichte der Bewegung". Über der Kreuzung am Roßplatz wird eine Verkehrsampel angebracht. Die Ampel weist vier Felder in den Farben rot und grün auf. Ein Zeiger bewegt sich ständig. Wenn er auf Grün zeigt, ist die Fahrt frei.

1938 Februar
In Stadt und Kreis finden Betriebsappelle statt, eine Kundgebung des Handwerks und des Einzelhandels beschäftigt sich mit der Sicherstellung der Ernährung. In der Sitzung der Ratsherren wird der Nachtragshaushaltsplan beschlossen. Ferner: Für die Hospitalstiftung soll eine neue Satzung ausgearbeitet werden; die alte stammt aus dem 14. Jahrhundert. Der dem Hospital angegliederte Kindergarten bleibt bestehen. Die Kosten pro Kind für Beaufsichtigung und Speisung betragen 1.00 RM pro Woche. Der Wert der Stiftung einschließlich Grundstücke und Liegenschaften beträgt 313.000 RM. Man bewilligt die Mittel für eine neue Luftschutzwarnanlage. 10.000 RM werden für den Bau eines HJ-Heimes bereitgestellt. Für eine neue Pumpanlage im Elberitzbad bewilligt man 2000 RM. Eine Reihe von Verbesserungen betreffen die Schulen, die Volksbibliothek und das Rathaus. Für Straßenbauten stellt man 50.000 RM zur Verfügung. 15.000 RM konnten an Fürsorgekosten eingespart werden, weil sich die soziale Lage verbessert hat. Das Fahrtenziel für den Delitzscher HJ-Bann 396 ist das Grenzland Sachsen. Das DRK bezieht ein neues Heim in der Eilenburger Straße 67. Die staatliche Versuchs- und Forschungs- sowie höhere Lehranstalt für Wein, Obst- und Gartenbau zu Geisenheim am Rhein hat einen Teil ihres Instituts mit den Namen des Herrn Gartenbaudirektors Walter Poenicke benannt, der früher Mitinhaber und Technischer Leiter des hiesigen Baumschulbetriebes war, bis er dann zum Vorsitzenden der Deutschen Obstbaugesellschaft, des Reichsbundes für Obst- und Gemüsebau sowie der Obstbauabteilung der Preußischen Hauptlandwirtschaftskammer und zum Direktor der technischen Abteilung des Reichsverbandes des Deutschen Gartenbaues berufen wurde. In Delitzsch findet eine weitere Verdunkelungsübung statt. Eine Arbeitstagung der Bezirks- und Ortsbauemführer und der Ortsgefolgschaftswarte des Kreises Delitzsch steht unter der Losung: „Jeder Bauer gehört in die Deutsche Arbeitsfront". Am 15. Februar erfolgt die Einführung des weiblichen Pflichtjahres in der Haus- und Landwirtschaft vor Aufnahme einer Berufstätigkeit. Die ersten Mädchen nehmen die Tätigkeit vornehmlich in landwirtschaftlichen Großbetrieben des Kreises auf.

1938 März
Anläßlich des Anschlusses Österreichs an Deutschland erläßt der Kreisleiter Krüger folgenden Aufruf. „Der Verräter Schuschnigg ist zurückgetreten! Unsere nationalsozialistischen Brüder haben in Österreich die Macht übernommen. Zur Feier dieser denkwürdigen Machtübernahme versammeln sich sämtliche Gliederungen und angeschlossenen Verbände sowie sämtliche Vereine heute Abend 19.15 Uhr zum Fackelzug auf dem Alten Schützenplatz." Nach dem Ummarsch durch die Stadt erfolgt eine Kundgebung auf dem Marktplatz. Anläßlich des Anschlusses Österreichs ist für den 10. April 1938 eine Volksabstimmung und Reichstagswahl ausgeschrieben worden. In Delitzsch beginnt die NSDAP eine Kundgebungswelle zur Vorbereitung auf die Wahl. 38 Versammlungen werden im Kreis durchgeführt. Redner sind neben den hohen Führern Gau- und Kreisredner. Am 28. März findet der Kreishandwerkertag in Delitzsch statt. 20 Innungen mit 2000 Handwerkern, 1600 Gesellen und 1000 Lehrlingen sind in der Kreishandwerkerschaft zusammengeschlossen. Es erfolgt das feierliche "Aufdingen" neuer Lehrlinge sowie das „Lossprechen" der Ausgelernten. Auf dem Handwerkertag wird die Kreissatzung über die Pflicht zum Besuch der gewerblichen Berufsschule veröffentlicht. Die Satzung enthält alle Bestimmungen zum Besuch der Berufsschule, die Pflichten der Schüler und Lehrmeister, der Arbeitgeber und der gesetzlichen Vertreter.

1938 April
Die Vorbereitungen auf die Reichstagswahl laufen auf vollen Touren. Dienstbesprechungen, Propagandamarsch, Gauleiter-Kundgebung, Platzkonzert, Propagandafahrten. Aus der Rede des Gauleiters Eggeling: „Deutschland ist wieder eine Weltmacht!" ... „Nicht mit den Soldaten, sondern mit seinem großen deutschen Herzen hat der Führer Österreich erobert." Aus Anlaß der Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich soll am 10. April das deutsche Volk ein Bekenntnis zum Führer ablegen. Dazu erläßt der Kreisleiter Krüger den Aufruf: „Für ein Großdeutsches Reich! Der Führer hat durch seine Tatkraft eine geschichtliche Aktion durchgeführt, die seine eigene, ja die Sehnsucht aller Deutschen gewesen ist. Das Deutsche Reich ist durch den Zustrom deutschen Bruderblutes nunmehr eine Weltmacht geworden, die zugleich ein eiserner Garant des Friedens ist. In jener denkwürdigen Reichstagssitzung vom 18. März 1938, in der der Führer der ganzen Welt die Gründe seines Tuns auseinandersetzte, konnte er mit Stolz aussprechen: „Hinter dieser meiner Entscheidung stehen 75 Millionen Menschen, und vor ihr steht von jetzt ab die deutsche Wehrmacht". Durch die überwältigende Zustimmung auf seiner Fahrt durch die neue Ostmark und bei seinem triumphalen Einzug in die Reichshauptstadt erhielt der Führer den ersten Beweis für die Richtigkeit seiner Handlungsweise. So rufe ich alle Volksgenossen meines Kreises auf, am 10. April der Anstandspflicht jedes deutschen Menschen Genüge zu tun, sein Bekenntnis zum Führer abzulegen. Der Ruf der befreiten Brüder „Ein Volk, ein Reich, ein Führer" sei auch unser Losungswort. Es gilt die geschichtliche Entscheidung zu fällen: Deine Stimme für das Großdeutsche Reich!" Aus einem Bericht über die Böhme AG: Im Jahre 1937 hat die Böhme AG eine Erweiterung ihrer Fabrikanlagen vorgenommen. Man baute ein neues Kesselhaus, schuf schöne, helle, lichte Arbeitsräume, führte dem Wohlfahrtsfonds 25.000 RM zu, schuf 26 Brausebäder. Auszüge aus einem Bericht des Bürgermeisters Dr. Frey: Die Arbeitslosigkeit wurde mit Erfolg bekämpft. Die Belegschaft des RAW stieg von 805 am 01. 02. 1933 auf 1166, die der Böhme AG von 413 auf 591 (zeitweise auf 700), die der Zuckerfabrik von 141 auf 223 Beschäftigte. Seit zwei Jahren hat Delitzsch keine Arbeitslosen mehr. Es herrscht eine rege Bautätigkeit. Seit 1933 wurden insgesamt 144 neue Siedlungshäuser, 96 Volkswohnungen, 403 Privatwohnungen und 27 umgebaute Wohnungen - zusammen über 670 Wohnungen - errichtet. In der Finanzwirtschaft wurden Fehlbeträge beseitigt. Jetzt wird am Ausbau des Straßennetzes und der Kanalisation, an der Instandsetzung und Erneuerung der Schulgebäude, der Erweiterung des Krankenhauses gearbeitet. Ergebnisse der Wahlen vom 10. April in Delitzsch: Auf dem Stimmzettel wurde folgende Frage gestellt: „Bist Du mit der am 13. März 1938 vollzogenen Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reiche einverstanden und stimmst Du für die Liste unseres Führers Adolf Hitler?"

Abgegebene Stimmen

11.823

Jastimmen

11.378 = 96,2 % (Kreis = 98;44 %)

Neinstimmen "

383

Ungültig

62

Auf einer Versammlung der Stadträte informiert der Bürgermeister: Das Denkmal für die Gefallenen und Krieger der Reichseinigungskriege 1870/71 auf dem Marktplatz wird versetzt und soll westlich des Halleschen Turmes aufgestellt werden. Begründung: Das Marktgetümmel ist nicht vereinbar mit der Würde des Denkmals. Die Stadt schafft eine Großlautsprecheranlage an. Aus Anlaß des Geburtstages Adolf Hitlers finden am 20. April an den Schulen Feierstunden statt, anschließend ist schulfrei. Es erfolgt die Eingliederung der 10jährigen in das Jungvolk. Das Gelöbnis lautet: „Ich verspreche, in der Hiderjugend allezeit meine Pflicht zu tun in Liebe und Treue zum Führer, so wahr mir Gott helfe." In Berlin findet eine große Parade der Wehrmacht statt. Die Delitzscher Zeitung veröffentlicht eine Übersicht über die Innungen des Handwerks im Kreise Delitzsch:

Sattler- und Tapezierer-Innung

Obermeister Paul Hofmann

Baugewerker-Innung

Obermeister Gustav Richter

Wagner-Innung

Obermeister Bödemann

Schmiede-Innung

Obermeister Willy Morgner

Kraftfahrzeughandwerker-Innung

Obermeister Fritz Genscher

Klempner-Innung

Obermeister Willy Heinrich

Dachdecker-Innung

Obermeister Otto Tauer

Friseur-Innung

Obermeister Otto Köhler

Schuhmacher-Innung

Obermeister Paul Schüler

Damenschneider-Innung

Obermeister A. Herdam

Herrenschneider-Innung

Obermeister Martin Hennig

Elektro-Innung

Obermeister Berthold Schuchardt

Müller-Innung

Obermeister Johannes Alltag

Kreishandwerksmeister ist Hermann Mietzsch. Im Elberitzbad liefert ein leistungsfähiger Rohrbrunnen gutes und ausreichendes Wasser. Das Bad kann innerhalb von 12 Stunden gefüllt werden. Das hölzerne Pumpenhäuschen wird durch einen massiven Bau ersetzt.

1938 Mai
Auf dem Marktplatz findet die Maifeier mit einer großen Kundgebung statt. Die NSDAP richtet in Delitzsch vier Ortsgruppen ein. Bei einem Waldbrand in der Prellheide werden 80 Morgen Fichten vernichtet. Größerer Schaden wird durch den Einsatz des Arbeitsdienstes verhindert. Das Werk des BDM „Glaube und Schönheit" wird eröffnet. Zum weiteren Ausbau des deutschen Jugendherbergswesens veranstaltet man den „Reichs-Werbe-und-Opfertag". Die Marine-HJ in Delitzsch erhält einen Kutter; Einsatzort ist der Werkstättenteich. Unmassen von Maikäfern fressen ganze Bäume kahl. Das Jahr ist ein „Maikäferjahr"; im Reich ruft man zur Bekämpfung im „Maikäferkrieg" auf. Der Magistrat beschließt, für die Anerkennung von Delitzsch als Heilbad vorläufig keine weiteren Gutachten für die Stahlquelle einzuholen. Ein neuer Antrag soll zur Zeit nicht gestellt werden. Ein Gutachten über die Mooranalyse ist einzuholen. Reichsjugendwettkämpfe in Delitzsch. Aus dem Gelöbnis der Teilnehmer:
"... Wir wollen im ritterlichen Kampfe unsere Kräfte messen zur Ehre der Hitlerjugend für die Kraft und Größe der Deutschen Nation." Aus einem Bericht des Landratsamtes über die Verwaltung und den Stand der Stadt Delitzsch für die Zeit vom OL 04. 1936 bis 31. 03. 1938: Werkstättenteich: Der Werkstättenteich war wiederum an den Zimmermann Knopf verpachtet Knopf zahlte an die Stadt von seinen Einnahmen den Betrag von 15 Prozent. Die Stadt zahlt davon 2/3 an die Eisenbahn als Pachtsumme, so daß ihr 5 Prozent der Einnahmen als Verwaltungskosten verblieben.
Abgeliefert wurden an die Stadt              =   143,84 RM
davon erhielt die Reichsbahn                   =     95,89 RM
Mithin verbleiben der Stadt                     =     47,95 RM
Der Teich ist Eigentum des Reichsbahnausbesserungswerkes; die Stadt ist nur der Pächter. Moorbad: Der Besuch des Bades war gut. Die Landesversicherungsanstalt Merseburg sandte Rheuma-, Ischias- und Gichtkranke. Auch aus Leipzig, Erfurt, Mühlhausen, Chemnitz und Berlin kamen Kranke, die Heilung und Linderung ihrer Leiden suchten und in zahlreichen Fällen erhalten haben. Es wurden verabfolgt:

2300 Moorbäder

77 Kohlensäurebäder

246 Fichtennadelbäder

9 Solbäder

49 Sauerstoffbäder
350 Massagen.

43 elektrische Lichtbäder

Das Bad besteht unter Leitung des staatlich geprüften Heilgehilfen Fuchs, der es sich angelegen sein läßt, den Gästen nur alles Angenehme zu bieten. Das Bad selbst wird jährlich gründlich im Herbst und auch im Frühjahr renoviert. Es macht einen sehr einladenden Eindruck. Durch die fortgesetzte Erweiterung und Verschönerung der Anlagen wird der Aufenthalt in Delitzsch immer angenehmer. Die heilkräftige Wirkung der Moorerde wird immer mehr anerkannt, was auch durch immer neu eingehende Anerkennungsschreiben der Geheilten bestätigt wird. Es wird deshalb auch an dieser Stelle nochmals auf die von Geheimrat Prof. Dr. Kruse, Hygienisches Institut der Universität Leipzig, in seinem Gutachten gestellte Analyse hingewiesen, die die besonders günstige Zusammensetzung der hier vorhandenen Moorerde herausstellt. Der Städtische Zuschuß beträgt nur 390,25 RM, 1935 waren es 6815,44 RM. Stahlquelle: Die Stahlquelle „Neuer Heiligbrunnen" war in der Zeit vom 01. Mai bis 30. September 1936 an den Wochentagen von 6.30 - 10.00 Uhr sowie von 16.30 - 19.00 Uhr geöffnet, an Sonn- und Feiertagen von 8 - 12 Uhr. Die Verwaltung lag in den Händen des Herrn Wilhelm Müller aus Delitzsch, Querstraße 19. Das Wasser wurde kostenlos abgegeben. An Trinkbechern wurden 2.706 Stück zum Preise von 0,05 RM je Stück verkauft. Der Besuch war sehr rege, sowohl durch die Bürgerschaft als auch durch auswärtige Volksgenossen. Der Zuschuß für die Stahlquelle betrug 500 RM.

1938 Juni
In der Presse erscheinen zunehmend Berichte über die Tschechoslowakei. Es handelt sich vornehmlich um die Darstellung von Übergriffen der Tschechen gegen Deutsche. Auf dem Sportplatz an der Elberitzmühle werden Handballgäste aus der „Ostmark" (Österreich) empfangen. Die SA stellt einen Ehrensturm, Bürgermeister Dr. Frey spricht. Beim traditionellen Schützenfest erfolgt der Auszug der Schützen. In der Festkutsche zeigt sich der Schützenkönig, die Scheibe mit dem Königsschuß wird vorangetragen. Bei einer Bodenentrümpelung in Halle werden Dokumente über die Stadt Delitzsch aus dem 15. Und 16. Jahrhundert gefunden. Bei einem Appell des „NS-Reichskriegerbundes" werden die ehemaligen „Jäger" und „Schützen" eingegliedert. (Am 18. 03. 1938 erfolgte die Umwandlung des „Kyffhäuserbundes" in „NS-Reichskrieger-. bund" als alleinige Vertretung ehemaliger Soldaten.) Im Schützenhof gastiert das „Orchester des Führers", das Reichssinfonieorchester. Wie in jedem Jahr findet der „Peter-und-Paul-Markt" in den Mauern der Altstadt statt. Der Hilfsschullehrer an der Knabenschule, Remoli, besteht die Doktorprüfung. Er beschäftigt sich vor allem mit der Vorgeschichte des Delitzscher Raumes und hat eine Reihe von Forschungsergebnissen veröffentlicht.

1938 Juli
In Delitzsch wird am 01. Juli eine „Zweckverbandberufsschule" gebildet. Direktor ist Lücke. Die Jugendfeuerwehr in Delitzsch unterzieht sich einer Prüfung und erfüllt die Anforderungen ausgezeichnet. Im Handwerk findet wiederum ein Leistungskampf statt. Ein Viertel der Kreisbevölkerung ist in „Sippentafeln" erfaßt. Man erteilt folgenden Rat: „Vor der Verlobung, aber mindestens einige Wochen vor der Hochzeit, soll man zum Staatlichen Gesundheitsamt gehen." Das Gesundheitsamt hat das Recht, in bestimmten Fällen eine Eheschließung zu verbieten. Die Jugendorganisation sowie Verbände der NSDAP führen erneut Großfahrten durch. Die HJ fährt nach Ostpreußen und in das Grenzlandlager Olbernhau, die Pimpfe aus Delitzsch begeben sich in das Grenzland nach Nennigenmühle, die SS fährt nach Norden. Am Schulze-Delitzsch-Denkmal wird das alte Eisengitter beseitigt, desgleichen am Kriegerdenkmal.

1938 August
Am „Deutschen Turnfest" in Breslau nehmen Turner und Turnerinnen aus Delitzsch teil. Bei der Rückkehr werden sie vom Bannmusikzug empfangen und zum Markt geleitet, wo eine Würdigung stattfindet. Auf der Siegerliste des TV 1845 stehen: Otto Rößler, Karl Martin, Walter Modrow, Gerhard Holdefleiß, Erich Förster, Gerhard Lahn, Heinz Thieme, Ernst Soban, Martha Beetz, Erich Pfennig, Hans Lange. Für 750 RM soll man auf Grund einer KdF-Wagen-Sparkarte vom Volkswagenwerk einen Wagen erhalten. Es herrscht eine außerordentliche Trockenperiode, so daß der Bürgermeister zum sparsamen Wasserverbrauch aufruft. Auf dem Halleschen Turm wird eine neue Wetterfahne angebracht, die vom Klempnermeister Franz Reyher hergestellt wurde. Aus der Stadtchronik: „Auch die Wetterfahne auf dem Breiten Turm stammt von Franz Reyher. Die neue Wetterfahne auf dem Halleschen Turm wiegt ohne Stange und Kugel 50 Pfund. Zwei junge Dachdecker vom Dachdeckermeister Robert Kittler bringen die Wetterfahne an. Auf der Stange tanzt sie so leicht im Kreise, daß man sie mit dem Mund wegblasen kann. 100 Jahre soll die neue Wetterfahne halten, wie Meister Reyher sagte. Die Schlosserarbeiten an der Wetterfahne führte Schlossermeister Wiehr aus." Aus der Tagung des Gemeinderates vom 13. August: Jeder Ratsherr soll selbständig im Stadtinteresse mitarbeiten und ein bestimmtes Gebiet zugewiesen bekommen. Beschlossen wird die „Freilegung" der Beethovenstraße, desgleichen der Ausbau der Richard-Wagner-Straße. In der Bitterfelder Straße in der Nähe des Wasserwerkes sollen 80 Volkswohnungen errichtet werden. Den Bau will die Stadt in eigener Regie übernehmen. Die Mieten sollen zwischen 27 und 30 RM betragen. Das Kriegerdenkmal 1870/71 wird in den Anlagen westlich des Halleschen Turmes aufgebaut (etwa dort, wo heute der Gedenkstein für Ehrenberg steht). Die Stadt hat das Gärtnereigrundstück Parkstraße 7 (Gärtnerei Naujokat) erworben, um die Stadtgärtnerei vom Schützenhausplatz hierher zu verlegen. Der Bürgermeister ruft die Bevölkerung auf, sich am Theaterring von „Kraft durch Freude" zu beteiligen. Unter der Losung „Alteisen gab ich, um Gold zu sparen" führt man eine Schrottsammlung durch. Das Jungvolk führt einen ersten „Luftschutzdienst" durch.

1938 September
Das Hotel „Fürst Bismarck" in der Eilenburger Straße wird an die Delitzscher Vereinsbank verkauft. Das Hotel wird geschlossen, Saal und Vereinszimmer sollen in Verbindung mit dem „Burgkeller" weiter genutzt werden. Am Reichsparteitag in Nürnberg nehmen u. a. 16 Mädel- und Jungmädelführerinnen aus dem „Untergau Delitzsch" teil Der Fleischermeister Brand in der Hermann-Göring-Straße (heute Dübener Straße) verstirbt durch einen Unfall beim Schlachten. Neuer Stadtbaumeister in Delitzsch wird der Stadtbauinspektor Alfred Renner. Die Stadt stellt Kleinstparzellen an der Securiusstraße und an der Brehnaer Straße zur Bebauung für Siedlungswillige zur Verfügung. In Delitzsch trifft am 20. September ein Transport von 300 sudetendeutschen Flüchtlingen ein. Der Chronist der Stadtverwaltung schreibt: „Infolge der unbeschreiblichen Terrormaßnahmen der Tschechen gegen die dortigen Deutschen haben Tausende von deutschen Flüchtlingen das Tschechenland verlassen und in Deutschland Zuflucht gesucht. Die ersten Flüchtlinge sind letzte Nacht hier angekommen, sie werden in Privatquartieren untergebracht." In der Presse findet man täglich Berichte über die Tschechoslowakei, über die Verfolgung von Deutschen und über Terror der Tschechen. Von Überfällen und blutigen Gefechten ist die Rede. Aufruf des Landrates zur Mitarbeit im Roten Kreuz im Kampf gegen „Notstand im Krieg" und im Frieden. Sudetendeutsche Frauen und Kinder werden in Erholungsheime der NSKOV gebracht. Die Jahntumhalle wird als DRK-Hilfslazarett eingerichtet. Für diejenigen, die kein Rundfunkgerät besitzen, hat man im Lindenhof Möglichkeiten für den Gemeinschaftsempfang einer „Führerrede" geschaffen. Es geht um die Verhältnisse in der Tschechoslowakei. Ein Memorandum an die tschechische Regierung wird an den englischen Premierminister Chamberlain zur Weiterleitung nach Prag übergeben. Es enthält die Forderungen Deutschlands betreffend die Sudetendeutschen Hitler: „Deutschland ist entschlossen und holt die Sudetendeutschen heim ins Reich!" Am 28. September findet eine „Treuekundgebung" für den „Führer" durch alle Organisationen der NSDAP statt; es spricht der Kreisleiter.

1938 Oktober
Schlagzeile in der Delitzscher Zeitung vom 03. Oktober: „Der Führer im befreiten Sudetenland!" Die vor kurzer Zeit nach Delitzsch gekommenen Flüchtlinge aus dem Sudetenland kehren wieder als „Reichsdeutsche" in ihre Heimat zurück. Im Lindenhof werden sie feierlich verabschiedet. Die Firma Franz Schulze, Baumeister in Delitzsch, Bitterfelder Straße 21, begeht ihr 50 jähriges Bestehen. Franz Schulze gründete 1888 als Zimmerer in Schenkenberg sein Geschäft. 1919 kaufte er die Restauration „Zur Weintraube" in Delitzsch, Bitterfelder Straße 21, und richtete in diesem Grundstück sein jetziges Zimmerergeschäft ein. In Delitzsch begeht man mit zahlreichen Feiern den Erntedanktag. Die HJ führt gemeinsam mit der Sparkasse eine Sparaktion durch. Es werden Sparmarkenkarten für alle Jungen und Mädel ausgegeben. „Nur wer spart, darf noch an Lagern und Fahrten teilnehmen." Die Einwohnerzahl in Delitzsch, die am 30. September noch mit 17.931 Personen, 8.704 männliche und 9.227 weibliche Einwohner, festgestellt wurde, hat sich durch Zuzug innerhalb von zehn Tagen auf über 18.000 erhöht. Am 20. Oktober nimmt die „Volksbildungsstätte Delitzsch" ihre Arbeit auf. Vorträge sind vorgesehen zu folgenden Themen: Ausgewählte Kapitel der deutschen Geschichte; WHW und NSV; fünf Abende Schulungsbrief der NSDAP; Kunstgeschichte; Heimatgeschichte; Gesundheitspflege; Chemie im Alltag; Fremdsprachen; Numismatik; Fotografie; Handweben; Rosen und Stauden. Im BDM-Werk „Glaube und Schönheit" werden folgende Gruppen gebildet: Hauswirtschaft; Leibesübungen; Musik; Handwerkliche Gestaltung; Theater; Film; Schulungen u. a. Am 28. Oktober begeht der TV 1845 das Fest seiner Fahne. Die Fahne war 1848 von Frauen und Mädchen aus Delitzsch angefertigt worden, vom Lehrer Grellmann versteckt, als die Turner politisch „verdächtig" waren, 1863 aber dann auf dem 3. Deutschen Turnfest in Leipzig wieder vorangetragen. Am 31. Oktober nimmt man die 18jährigen Hitlerjungen in die Gliederungen der NSDAP auf. Die katholische Schule wird aufgelöst, die 100 Kinder werden auf die beiden Volksschulen verteilt. Für Mittel- und Volksschulen werden die Klassenbezeichnungen umgestellt, und zwar aufsteigend von 1 - 6 bzw. 1 - 8.

1938 November
Am 07. November findet wiederum ein Kreisdienstappell der NSDAP statt. Alle Organisationen der Partei erstatten Bericht. In der Nacht vom 09. zum 10. November erfolgt das als „Reichskristallnacht" bekannte Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung. Der Chronist der Stadtverwaltung schreibt dazu:
„Wie in anderen Städten, so ist man auch in Delitzsch zerstörend gegen die jüdischen Geschäftsinhaber vorgegangen. Laden und Wohnung eines jüdischen Geschäftsinhabers wurden zerstört, die jüdische Kapelle, der „Judentempel", dem Erdboden gleichgemacht. Damit dürften wohl endlich und für immer die letzten Zeichen „jüdischer Niederlassung" in Delitzsch verschwunden sein." In der Delitzscher Zeitung erscheint die Schlagzeile: „Delitzsch nun in seinem äußeren Stadtbild völlig judenrein!" Ausgehend von den Ereignissen in Paris, wo der Jude Grynspan den 3. Botschaftsrat Ernst von Rath lebensgefährlich verletzt, beginnt in Deutschland die Jagd auf die Juden. Die Polizeibehörde Delitzsch erhält folgenden Funkspruch von der Stapo Halle: „Auf Grund des Attentates in Paris sind Demonstrationen zu erwarten. Die Polizei hat diese Demonstration nicht zu verhindern, sondern die Befolgung folgender Richtlinien zu überwachen. a. Eine Gefährdung deutschen Lebens oder Eigentums ist zu verhindern. b. Wohnungen und Geschäfte von Juden dürfen nur zerstört, aber nicht geplündert werden. Plünderer sind festzunehmen. c.: Nichtjüdische Geschäfte sind unbedingt vor Schaden zu bewahren. d.: Ausländer, auch wenn es sich um Juden handelt, dürfen auf keinen Fall belästigt werden. Festnahmen von Juden sind, soweit sie in vorhandene Hafträume untergebracht werden können, durchzuführen. Dabei ist nur auf gesunde männliche Juden mit nicht zu hohem Alter zurückzugreifen." In Delitzsch geschieht am 10. November 1938 folgendes: Am Nachmittag jenes Tages werden die drei großen Schaufenster des Jacobsohnschen Geschäftes in der Breiten Straße 1 zertrümmert. Die Schaufensterpuppen, die Auslagen aus dem Bekleidungsgeschäft, Hausrat und unzählige Glassplitter liegen auf der Straße. Aus dem Reichsbahnausbesserungswerk hat eine Rotte Männer unter Führung eines SS-Mannes, der in der Bismarckstraße ein Textilgeschäft hat, das Geschäft und die Wohnung der Familie Jacobsohn geschändet. Danach geht es grölend zum Judenfriedhof. Unter den mitziehenden Kindern und Jugendlichen befinden sich auch Konfirmanden der Knabenvolksschule. Auf dem jüdischen Friedhof wird die Kapelle angezündet und zerstört und die angeheuerten Jugendlichen werfen die Grabsteine um. Nach diesen Vorkommnissen berichtet am darauffolgenden Tag die Presse, daß sich das gesunde deutsche Volksempfinden einmal mehr spontan Luft verschafft hätte! Der Bürgermeister als Ortspolizeibehörde berichtet am 10. November an den Herrn Landrat und an die Stapo Halle: Politische Tagesmeldung: Am 10. November war gegen 17 Uhr eine Demonstration mit etwa 300 Delitzscher Einwohnern. Die Erregung der Menge steigerte sich über die ruchlose Tat des Juden Grynspan an den Legationsrat von Rath von Minute zu Minute, bis schließlich die Menge dazu überging, das in der Breiten Straße dem Juden Walter Jacobsohn gehörende Kaufhaus zu zerstören. Das Ereignis war so groß, daß die gesamte Laden- und Wohnungseinrichtung zerstört wurde. Auch der auf dem Judenfriedhof befindliche Judentempel (es handelt sich nur um eine Andachtshalle) wurde von der erregten Menge in Brand gesteckt. Die Polizei versuchte, die Plünderung bei Jacobsohn zu verhindern. Die im Grundstück befindlichen Juden, Frau Jacobsohn sen. und jun., sowie der aus Bitterfeld stammende Jude Georg Wolff, der zu Besuch weilte, werden in Schutzhaft genommen. Der Inhaber des Ladens Walter Jacobsohn war geflüchtet und wurde von der Delitzscher Polizei kurz vor Benndorf gefangen und kam in Schutzhaft. Die beiden Frauen wurden freigelassen. Jacobsohn und Wolff wurden am 10. November 1938 19.30 Uhr der Stapo Halle vorgeführt." Am 12. November erfolgt der Abschluß eines Vertrages, demzufolge das Krankenhaus im Falle der Mobilmachung in ein Lazarett umgewandelt wird. Am 13. November eröffnet die Delitzscher Vereinsbank ihre Tätigkeit in der Eilenburger Straße in dem ehemaligen Hotel „Fürst Bismarck". Die freigewordenen Räume am Roßplatz bezieht die NSGemeinschaft „Kraft durch Freude". Die Regierung gibt die Auflage für eine neue Reichsanleihe von 1,5 Milliarden RM bei 41/2 prozentiger Verzinsung. In der Presse wirbt man für die jüngste Waffengattung, die Fallschirmjäger. Ein Sippenabend der Polizei und der SS steht unter der Losung: „Polizei und SS kameradschaftlich beisammen". Man führt gemeinsame Aufgaben zur Sicherung der Ordnung durch, u. a. gemeinsame Wache.

1938 Dezember
In einem Erlaß an alle Polizeidienststellen wird verfügt, daß beim Skat alle „Verdoppelungen", wie contra, re, recontra usw. verboten sind. Drei Delitzscherinnen wird das „Ehrenbuch für Kinderreiche" überreicht. In der Presse erscheinen häufiger Veröffentlichungen gegen das Judentum. Im Kreis Delitzsch gibt es 500 Vereine. Der „Kreisring Delitzsch", eine Zusammenfassung der Vereine in einer übergeordneten Organisation, führt eine Tagung durch. Zitat: „Die Zeit des gemütlichen Vereinsbetriebes ist vorbei, auch die kleinste Gruppe soll eine Zelle nationalsozialistischen Willens sein." In der Delitzscher Zeitung erscheint einmal wöchentlich eine Seite „Der Judenspiegel", dort erfolgt eine Verunglimpfung der Juden. Der Reichsführer SS hat angeordnet, die „Zigeunerbanden" aufzulösen und ausländische Zigeuner über die Grenzen abzuschieben. Die Wintersonnenwendfeiern werden wegen zu starker Kälte von minus 12 , C abgesagt. Der „Deutsche Kleinempfänger" kommt für 35 RM auf den Markt. Man gibt erhöhte Leistungen der Krankenkassen bekannt:
Krankenhauskosten werden erstattet;
Kinderreiche erhalten besondere Fürsorge;
Einweisungen in Genesungsheime für Schwerkranke;
alle Kurorte stehen für die Krankenkassenmitglieder zur Verfügung. Der Bürgermeister Dr. Frey gibt Zielstellungen für 1939 bekannt, so u. a. Bau von 500 - 600 Wohnungen; Erweiterung des Krankenhauses;
Ausbau der Schulen; Kanalisation; Sportplatzbau;
Ausbau der Freibäder;
Erschließen des Industriegeländes für das Ziehwerk.
Der Kameradschaftsbund deutscher Polizeibeamter, Kreis Delitzsch, hat seine Mitglieder zu einer Besichtigung der Delitzscher Zuckerfabrik eingeladen. Ingenieur Berger führt die Besichtigung. Eine neue Abladevorrichtung ist geschaffen worden, die die Rüben von den Wagen abspritzt und die Arbeit um ein Vielfaches herabmindert. Ein Silo, das etwa 40.000 Zentner faßt, nimmt die Rüben auf, bevor sie der Fabrik zur weiteren Verarbeitung zugeleitet werden. Weiter sind in den letzten Jahren große Trockenanlagen geschaffen worden, von denen die große Trommel mit einem Durchmesser von drei Metern etwa 10.000 Zentner Rüben täglich in Trockenfutter umwandeln kann. Auch die Trocknung von Rübenblättern, Grünfutter wie Klee, Luzerne, Landsberger Gemenge usw. kann erfolgen. Die Rüben von 20.500 Morgen Zuckerrübenland werden hier angeliefert. Innerhalb von 24 Stunden werden etwa 38.000 Zentner verarbeitet. Rund 6.000 Zentner fertiger Rohzucker verlassen täglich die Fabrik und werden der Raffinerie zur weiteren Verarbeitung zugeführt. Die Zuckerhaltigkeit erreichte in diesem Jahr durchschnittlich 18,5 %.

1938 Zusammenfassung des Jahres
Mit der Übernahme des Oberbefehls über die Wehrmacht durch Hitler vollzieht man die Machtkonzentration in einer Person in absoluter Weise. Die Bildung eines „Geheimen Kabinettrates" ermöglicht nunmehr die Auslösung militärischer Handlungen auf schnelle Weise. Der Beweis dafür ist der Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich am 12. März. „Großdeutschland nimmt Konturen an". In Delitzsch sagt der Kreisleiter der NSDAP Krüger in einem Aufruf zur Volksabstimmung über die Eingliederung Österreichs u. a.: „Für ein Großdeutsches Reich. ...Das Deutsche Reich ist durch den Zustrom deutschen Bruderblutes nunmehr eine Weltmacht geworden!" In einer Volksabstimmung erklären 96,2 % der Bevölkerung ihr Einverständnis mit der Eingliederung Österreichs und mit der Politik Adolf Hitlers. Wie in ganz Deutschland verfällt man auch hier in einen nationalen Rausch. Auf des Messers Schneide steht der Ausbruch eines Krieges im September. Er findet nicht statt, weil England und Frankreich der Besetzung des Sudetengebietes zustimmen, so daß im Oktober die deutsche Wehrmacht in das Sudetengebiet einmarschieren kann. In Delitzsch vollzog sich das Leben in gewohnter Weise. Demonstrationen, Appelle, Versammlungen und „Nationales vaterländisches Tun" erfolgten. Auch in unserer Stadt ging der Terror gegen Zigeuner und jüdische Bürger weiter. Hier lebten nur noch wenige Juden, angesehene und seriöse Leute, aber sie alle verfielen dem Terror in der sogenannten „Kristallnacht". Die Geschäfte wurden geplündert, die Scheiben eingeschlagen und die Kapelle auf dem Judenfriedhof zerstört. Sarkastisch erklärte der Chronist der Stadtverwaltung, daß nun Delitzsch judenrein" wäre. In unserer Stadt war die Arbeitslosigkeit beseitigt. Es wurde weiter gebaut, Handwerk und Gewerbe gediehen. Man glaubte, daß das Geschick durch die Politik Hitlers in guten Händen sei. Die Jugend hatte gewonnen. Leider beschloß der Magistrat unter dem Bürgermeister Dr. Frey, keine weiteren Gutachten über die Delitzscher Stahlquelle anzufordern, um damit der Stadt den Status als Heilbad zu verleihen. Das ist bedauerlich, nach und nach ging es mit dem Kurbetrieb abwärts und in der Folge sowie im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen hörte der Kurbetrieb völlig auf. Geblieben ist nur noch die Erinnerung der älteren Bürger.


1939

1939 Januar
In Delitzsch wohnen jetzt 18.052 Einwohner in 1785 Grundstücken mit 5831 Haushalten. Etwa 2500 der Einwohner arbeiten auswärts. An der Eilenburger Landstraße will die Fa. Langer aus Dresden (Gußstahlzieherei und Drahtfabrik) ein Zweigwerk errichten. Um diese Industrieansiedlung nach Delitzsch zu bekommen, mußte von der Stadt Gelände zur Verfügung gestellt werden. Die benötigten 80 Morgen erhält sie vom Rittergutsbesitzer in Döbernitz, Graf Pfeil, im Austausch gegen Gelände an der Leipziger Straße und gegen die noch in der Spröde als Restbesitz der Stadt vorhandenen 100 Morgen (Ursprünglich hatte die Stadt dort 230 Morgen als Eigentum, die aber schon in der Vergangenheit durch Geländeverkauf geschmälert wurden). Die Spröde gehört nun ganz dem Rittergut Döbemitz. Jedoch ist das Recht zu Spaziergängen durch die Bevölkerung durch grundbuchlichen Eintrag gesichert, und die Schutzhütte am „Stiefelknecht" bleibt im Besitz der Stadt. Dieser Geländetausch wird den Ratsherren in der Gemeinderatssitzung vorgetragen und bestätigt. Weiterhin wird in der Gemeinderatssitzung beschlossen: In der Görlitz-Mark wird Gelände für einen Preis von 550 RM pro Morgen und das Forsthaus Spröde für 21.000 RM an die Luftwaffe verkauft. Der Bau von 36 Volkswohnungen durch den Eisenbahnerverein wird durch ein Darlehen gefördert. Im Rahmen des Wohnungsbaues von vorgesehenen 500 bis 600 Neubauten wird die Stadt in Verbindung mit den Mitteldeutschen Heimstätten 160 Volkswohnungen erachten, davon 100 in Nähe des Wasserwerkes, 30 in der Schlageterstraße und 30 in der Eilenburger Chaussee. Das Grundstück des jüdischen Kaufmannes Walter Israel Jacobsohn in der Breiten Straße wird zwecks einer Kurvenbegradigung zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse für 16.000 RM auf Abbruch gekauft. Die Wohnung Zeising in dem städtischen Haus Körnerstraße 9 kann nur dann von den Töchtern weiterhin behalten werden, wenn sie die Wohngemeinschaft mit ihrerjüdischen Stiefmutter auflösen. Für den weiteren Ausbau des Krankenhauses wird die Erweiterung der Anlagen und die Aufstockung des Gebäudes vorgesehen, um damit die Bettenzahl zu verdoppeln. Die Kosten dafür werden auf 400.000 RM veranschlagt, wovon der Kreis die Hälfte tragen wird. Der Gewerbebebauungsplan sieht vor, die Kanal- und Wasserleitung an die erhöhte Einwohnerzahl anzupassen. Zur Absicherung der Vorhaben werden ein Tiefbauingenieur, Herr Lüneburg, und für den Straßenbau ein Techniker, Herr Strecker, eingestellt. Für die Krankenhauserweiterung soll noch ein Hochbautechniker angestellt werden. Das Elberitzbad wird in diesem Jahr völlig zementiert. Das Werkstättenbad am RAW wird wieder hergerichtet. Zu Jahresbeginn tritt ein Wechsel in der Führung der Freiwilligen Feuerwehr ein. Der bisherige Wehrführer, Herrmann Mietzsch, scheidet nach 35jähriger Tätigkeit in der Feuerwehr aus. Dafür wird als neuer Wehrführer der Stadtbaudirektor Alfred Renner berufen. Als Dezernent für das Feuerlöschwesen wird Herr Scharf berufen. Als neuer Kreisveterinärrat ist der Polizeiveterinärrat Dr. Eckhard Kothe aus Schönlanke/Bezirk Grenzmark Westpreußen-Posen ernannt worden. Der bisherige Kreisveterinärrat Busch ist in den Ruhestand getreten. Pg. Seidel wird ab 01. 01. 1939 als Direktor der Knabenschule bestätigt. Der Kraftfahrzeugbestand im Kreis Delitzsch hat sich wie folgt entwickelt:

1930:

2.645

1933:

2.805

1938:

5.247

Für den Reichsberufswettkampf haben sich etwa 1000 Teilnehmer aus der Stadt, davon meistens Jugendliche, gemeldet. Durch die NSV werden 62 Kinder aus dem Sudetenland empfangen und für sechs Wochen ihren Pflegeelfern übergeben.

1939 Februar
Delitzsch gilt als eine Stadt der Kleingärtner. Drei Kleingartenvereine mit 754 Mitgliedern und 345.475 m2 Gartenfläche stellen etwa ein Drittel des gesamten Kreispotentials. Die „Schwedensignale" sind in das Programm des Leipziger Senders zum WHW-Wunschkonzert, das in Karlsbad veranstaltet wird, aufgenommen worden. Damit grüßt Delitzsch das Sudetenland. Bis zur Sendung wurden dafür 1.050 RM gespendet.

1939 März
Stadtbauamtsleiter Kratsch tritt ab 01. März nach 32jähriger Dienstzeit bei der Stadt und 20jähriger Amtsleitung in den Ruhestand. Dem Landratsamt wird ein neues Wappen für den Kreis Delitzsch verliehen. Die Gestaltung hatte der Bildhauer Geyer aus Halle und die Ausführung der Steinmetzmeister Paatz übernommen. Vor den angetretenen Gefolgschaftsmitgliedern des Landratsamtes wird es vom Landrat Meister der Partei zur Obhut übergeben. Das Wappen besteht aus: dem rotbewehrten, schwarzen schreitenden Löwen (Stadt Delitzsch, Mark Meißen); einem blauen Pfahl auf goldenem Grund (Mark Landsberg); einem silbernem Stern auf blauen Feld (Eilenburger Wappen). Voraussichtlich 1.100 Delitzscher Frauen haben das Anrecht auf das von Hitler gestiftete „Ehrenkreuz für kinderreiche Mütter", das sogenannte Mutterkreuz. Es gibt folgende Stufen: Mutterkreuz in Bronze für vier und fünf lebendgeborene Kinder, in Silber für sechs und sieben und in Gold für acht und mehr Kinder. Es liegen bereits 415 Anträge vor, wegen der Fülle der Auszeichnungen werden zuerst die über 60 Jahre alten Mütter im März geehrt, der Rest soll zum Erntedankfest bedacht werden. In Delitzsch versammeln sich 30 Jungen, die als HJ-Führer tätig sind und mit einer Fahrtengruppe nach England reisen sollen. Das Ehrenzeichen für Treue in Silber nach 25 Dienstjahren wird folgenden Lehrern der Oberschule verliehen und vom Bürgermeister überreicht:
Oberstudienrat Dr. Letz
Studienrat Prof. Schmiedeberg (in Gold beantragt)
Studienrat Dr. Müller
Studienrat Oertel
Studienrat Krebs
Studienrat Liebeskind
Studienrat Dr. Langhammer Oberlehrer Curth.
Am 17. März wird in einem Betriebsappell vom Gaubetriebsobmann dem Betriebsführer des RAW, Oberrat Schwager, die Urkunde für die Verleihung des Leistungsabzeichens für vorbildliche Berufsausbildung überreicht. Am 20. März wird anläßlich der Übernahme der „Schutzherrschaft" über Böhmen und Mähren durch das Großdeutsche Reich ein Fackelzug durch die Stadt veranstaltet. Die Arbeiten zum Bau einer Ringwasserleitung zur Verdoppelung der Leistung des Wasserwerkes werden begonnen. Sie führt in einer großen Schleife vom Wasserwerk über den Ostteil der Stadt bis zum Wasserturm. Dadurch wird der vorgesehene Bau von 252 Wohnungen mit etwa 1000 Einwohnern zwischen Frontkämpfersiedlung und Damaschkestraße ermöglicht. In der Gemeinderatssitzung wird am 28. März durch die Ratsherren beschlossen: An der Franz-Seldte-Siedlung wird ein weiteres Gelände zum Wohnungsbau unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Etwa 100.000 RM werden der Rücklage zur Erweiterung des Krankenhauses zugeführt. Der Kinderhort im Hospital wird ab 01. 04. 1939 von der NSV übernommen.

1939 April
Mit Abschluß des Schuljahres verläßt Studienrat Prof. Schmiedeberg, eine allseitig bekannte und geachtete Persönlichkeit, die Delitzscher Oberschule und geht nach Marburg als seinen Ruhesitz. Er leistete als Fremdsprachenlehrer und ehrenamtlicher Leiter der städtischen Volksbücherei eine anerkannte Arbeit. Es ist die Entscheidung gefallen, daß die Mittelschule in ihrer bisherigen Form weiter bestehen bleibt.

1939 Mai
Als neuer Kreisschulrat wird Albert Ahrens aus Weißenfels eingeführt. Er tritt die Nachfolge von Wilhelm Sieben an, der als Regierungsrat nach Westfalen versetzt worden ist. Am 02. Mai beginnt der Verkauf der Volksgasmaske, der als reine Vorsorge anzusehen sei. Der ordentliche Haushalt für 1939 wird auf 2.018.100 RM, der außerordentliche Haushalt auf 1.211.300 RM festgelegt. In der Stadt gibt es keine Fürsorgeempfänger mehr, die noch arbeitsfähig sind. Das Freibad wird durch Geländekauf um eine Liegewiese erweitert. Am 10. Mai führt die „Propagandafahrt des KdF-Wagens" durch die Stadt. Am Nachmittag können die vom Volkswagenwerk gebauten Fahrzeuge auf dem Roßplatz besichtigt werden. Die Anzahl der beantragten Mütterkreuze beträgt 5.500, dazu 2.500 für über 60jährige Mütter.

1939 Juni
22 Tiroler, die durch die NSV einen „Adolf-Hitler-Freiplatz" erhalten haben, weilen zu einer 14tägigen Erholung in Delitzsch. In einer Feier im „Schwan" wird das 100jährige Bestehen des Mühlenversicherungs-Vereins auf Gegenseitigkeit zu Delitzsch begangen. Dieser Verein hatte sich gebildet, als die „Sächsische Feuersozietät" vor 100 Jahren die Mühlen wegen erhöhten Risikos bei sich ausgeschlossen hatte. Den Vorsitz hatten ab 1864 der Magistratsassessor Heinze, nach 1890 der Stadtsekretär Fricke und nunmehr Karl Troitzsch aus Beerendorf inne. Am 17. Und 18. Juni findet ein Kreisappell der NSDAP unter Beisein des Gauleiters Eggeling aus Halle und des stellv. Gauleiters Tesche statt. Am Sonnabend führen die Jugendverbände Kampf- und Wettspiele durch. Am Sonntag wird die Ausstellung „Unsere Heimat" eröffnet. Nachmittag erfolgt ein Aufmarsch der Verbände mit einer Großkundgebung auf dem Markt. Anschließend findet ein Vorbeimarsch der Formationen mit 8.000 Teilnehmern an der Kreisleitung der NSDAP in der Eilenburger Straße statt.. Nachmittags findet ein Volks- und Kinderfest auf dem Schützenplatz statt. Am 24. Juni sind 21 Schüler aus Stockholm, die sich mit ihren Lehrern auf einer Deutschlandfahrt befinden, in unserer Stadt eingetroffen mit dem Wunsch, die ihnen nicht unbekannten „Schwedensignale" vom Breiten Turm zu hören. Ihnen wurde dieser Wunsch am Sonntag, dem 25. Juni, erfüllt.

1939 Juli
Am 04. Und 05. Juli erhält die Stadt Einquartierung durch ein Pionierbataillon. Die Soldaten werden in Privatquartieren untergebracht. Es erfolgt eine Bekanntgabe über eine sommerliche Veranstaltungssperre für die Partei und ihre Gliederungen sowie die angeschlossenen Verbände für Juli und August. 600 NSKOV-Mitglieder unternehmen in einem Sonderzug eine zweitägige Fahrt in das Sudetenland nach Eger. Die Jugend unternimmt mehrere Fahrten, so die Hitlerjungen eine Radtour nach Thüringen, der Bann ins Sauerland, die Pimpfe nach Reinharz und die Jungmädel nach Plau. Am Sonntag, dem 09. Juli, wird als Höhepunkt des Tages der Besuch des Luftschiffes „Graf Zeppelin" über Delitzsch bei seinem Flug nach Leipzig empfunden. Die bereits vorhandenen 32 Siedlerstellen an der Straße nach Schenkenberg sind um 24 weitere Stellen erweitert worden. Dabei soll der „Aschberg", der als Rodelberg vorgesehen ist, durch Anpflanzungen verschönert werden.

1939 August
Erstmalig wird der neue Volkssport „Rollschuhlaufen" in der AlbertBöhme-Straße unter der Leitung einer Leipziger Rollschuhlehrerin in der Öffentlichkeit vorgeführt. Vom 07. bis 09. August findet im Gebiet des Luftverteidigungskonunandos Leipzig eine Verdunkelungsübung statt. Ab 08. August befinden sich 14 Bannfahnen des Gebietes unter Führung des Obergebietsführers Reckewerth auf dem Marsch nach Nürnberg zu dem „Parteitag des Friedens". Die Handballmannschaft des 1. Sportvereins „Concordia" steigt in die Gauliga auf, eine erfreuliche Leistung anläßlich des 15jährigen Bestehens dieser Handballabteilung. Ab 27. August treten Betriebsbeschränkungen bei der Reichsbahn ein. Ab 28. August wird für die meisten Lebensmittel, außer Kartoffeln, Brot, Mehl, Obst, Gemüse, und für lebenswichtige Verbrauchsmittel wie Spinnstoff- und Schuhwaren die Bezugspflicht eingeführt. Es wird die Einführung der Bezugsscheinpflicht für Vergaser- und Dieselkraftstoffe angeordnet. Die Anträge dazu können ab 30. August gestellt werden. Ab 28. August werden Luftschutz-Merkblätter für die Bevölkerung verteilt. Der Zugverkehr wird weiter eingeschränkt.

1939 September
Ab 01. September, dem Tag des Kriegsausbruches, wird bis auf weiteres die Verdunkelung eingeführt. Die Schulen werden vorerst geschlossen. Die ersten eingezogenen Soldaten werden vom Güterbahnhof verabschiedet. Je eine Beratungsstelle der Abteilung Volks- und Hauswirtschaft des Deutschen Frauenwerkes wird in allen vier Ortsgruppen ab 03. September eröffnet. Täglich wird über gesunde Ernährung nach erprobten Rezepten und den sparsamen Umgang mit bezugsscheinpflichtigen Waren, wie richtiges Waschen, beraten. Der Kindergarten Schloß wird vergrößert, um werktätige Mütter zu entlasten. Ab 04. September werden Tanzlustbarkeiten untersagt. Die Arbeitszeitbeschränkungen werden außer Kraft gesetzt. Der zu Kriegsbeginn eingestellte Schulunterricht wird ab 11. September wieder aufgenommen. Die älteste Einwohnerin der Stadt, Friedericke Meißner, Bitterfelder Straße 44, stirbt am 11. September im Alter von 92 Jahren. Am 13. September treffen etwa 700 Saarländer in Delitzsch ein, die aus der Gefahrenzone am Westwall entlang der Grenze des Reiches zu ihrem Schutz ausgesiedelt worden waten. Sie werden in Stadt und Land in Privatquartieren untergebracht. Ab 25. September werden Lebensmittelkarten auch für Brot und Mehl eingeführt, Ohne Karte gibt es nur noch Kartoffeln, Obst, Frischgemüse und Fisch. Im September wird die bisher in Delitzsch befindliche Schweinemästerei nach Beerendorf verlegt. Es wird mit 20 Schweinen begonnen. Die Sammlung der Küchenabfälle wird ab 01. Oktober erfolgen, und zwar jeweils am Montag, Mittwoch und Freitag. Es wird ein Bahnhofsdienst, gestellt durch die NS-Frauenschaft und das Deutsche Frauenwerk, eingeführt. Er findet im ständigen 4Stunden-Rhythmus Tag und Nacht statt, wobei besonders eine Betreuung der Durchreisenden und Aussteigenden mit Waschgelegenheit und einer warmen Mahlzeit erfolgt. Ende September wird die Witwe H. als Hamsterin angezeigt. Die im Werte von 300 RM gehorteten Lebensmittel und Gebrauchsartikel werden beschlagnahmt. Sie selbst wird in polizeilichen Gewahrsam genommen und in das Gerichtsgefängnis in Halle überführt, wo sie ihrer Bestrafung entgegensieht. Am 28. September ist ein Lazarettzug in Delitzsch angekommen. Er bringt 67 Verwundete, die im Krankenhaus zur Genesung untergebracht werden. Am 30. September trifft der erste Transport mit polnischen Kriegsgefangenen ein. Am 30. September wird das Tanzverbot wieder aufgehoben.

1939 Oktober
Ab 01. Oktober wird durch eine Polizeiverordnung das Sammeln aller Küchen- und Nahrungsmittelabfälle zur Pflicht aller Haushalte gemacht. Die Abholung erfolgt dreimal wöchentlich durch das EHW. In diesem Monat wird eine freiwillige Aktion zur Entfernung von eisernen Vorgartenzäunen durchgeführt, damit das Eisen einem „besseren Zweck" zugeführt werden kann. In der Gemeinderatssitzung wird durch die Ratsherren beschlossen: Es wird der Bau von 30 Volkswohnungen in der Eilenburger Chaussee genehmigt, wovon für 10 Volkswohnungen die Baustoffkosten bereits freigegeben werden. Für den Wohnungsbau in der Richthofenstraße wird die Aufnahme eines Darlehens genehmigt. Der für den 07. November vorgesehene Jahrmarkt (Herbst- oder Martinimarkt) fällt wegen des Kriegsausbruches aus. Am 31. Oktober wird durch die evangelische Kirchengemeinde eine Feier anläßlich der Einführung der Reformation in Delitzsch vor 400 Jahren abgehalten.

1939 November
Ab 20. November werden die Lebensmittelrationen erhöht und Sonderzuteilungen für Weihnachten aufgerufen. Die bisherige Bezugsscheinregelung für Bekleidungsartikel wird durch die Einführung der Reichskleiderkarte ab 20. November abgelöst. Der Bußtag wird auf den Sonntag verlegt, da durch den Krieg die Anspannung aller Kräfte nötig geworden ist. Am 27. November wird der erste Dienst der neugebildeten Wehrmannschaften durchgeführt. In ihm erhalten alle Ungedienten im Alter von 18 bis 45 Jahre auf freiwilliger Basis eine vormilitärische Ausbildung durch die SA.

1939 Dezember
Über einen Einwohner von Delitzsch wird wegen versuchter Notzucht in vier Fällen die Todesstrafe. verhängt. Die Fa. Stellmacherei und Wagenbau Otto Leubner begeht ihr 50jähriges Jubiläum. Der 77jährige Meister ist immer noch in seinem Betrieb tätig. Ab 01. Dezember ist der Lehrer Erhardt Fickenwirth durch Verfügung des Regierungspräsidenten in Merseburg zum Konrektor der Delitzscher Knabenschule berufen worden. An der Knabenschule ist ein Neubau mit Toiletten, Fahrradunterstellraum und Schutzraum für 120 Kinder fertiggestellt worden. Die Straße, zwischen Wilhem-Gustloff-Straße und FrontkämpferSiedlung gelegen, erhält den Namen Richthofenstraße.

1939 Zusammenfassung des Jahres
In den ersten Monaten des Jahres wird offiziell der Erhalt des Friedens beschworen, während insgeheim schon Kriegsvorbereitungen laufen. So auch in unserer Stadt: Der Bau des Flugplatzes in der Spröde wird verstärkt fortgesetzt und das Blankstahlwerk Langer, das spätere Ziehwerk, dessen Erzeugnisse als Kriegsmaterial dienen können, wird errichtet. Aber noch sieht es so aus, als ob der friedliche Aufbau weitergeht. Neue Siedlungen sind im Bau, weitere werden vorbereitet. Eine Erweiterung des Krankenhauses wird geplant und mit dem Bau eines neuen Abwassernetzes für das Neubaugebiet im Osten der Stadt wird begonnen. Die Ausstattung der Badeanstalt wird verbessert und es wird für den Kauf des Volkswagens geworben. Die außenpolitischen Aktionen werden als Erfolge dargestellt. So werden die Besetzung der Rest-Tschechei als „unblutiger Sieg" und die Rückgliederung des Memellandes als „Korrektur des Versailler Schandvertrages" gefeiert. Der weitaus größte Teil unserer Bürger glaubt noch im Frühsommer den Versprechungen, daß keine Kriegsgefahr droht. Auch die Ausgabe der Volksgasmaske an alle Haushalte macht sie nicht stutzig, wird doch mit großem Propagandaaufwand vom „Parteitag des Friedens", der im September in Nürnberg stattfinden soll, gesprochen. Von der bereits im April angeordneten Vorbereitung für den Überfall auf Polen erfährt niemand etwas. Die Hetze gegen Polen nimmt jedoch massiv zu und Ende August wird die Ausgabe von Lebensmittelkarten bekanntgegeben. Vom Kriegsbeginn am 01. September zeigt sich vor allem die ältere Generation betroffen, die Frauen sind besorgt, nur die Jugend läßt eine gewisse Kriegsbegeisterung erkennen. Die ersten Auswirkungen des Krieges sind das Eintreffen der aus dem Bereich des Westwalles ausgesiedelten Saarländer in unserer Stadt und die Umgestaltung des Krankenhauses in ein Lazarett. Der schnelle Sieg über Polen läßt die meisten auf einen siegreichen Ausgang des Krieges hoffen. Zum Jahresende werden einige der mit Kriegsbeginn getroffenen Einschränkungen sogar verringert und einige Lebensmittelrationen werden erhöht. Es werden auch Wohnungsbaumaßnahmen durch die Stadtverwaltung beschlossen.


1940

1940 Januar
Die Wohnbevölkerung der Stadt hat folgende soziale Struktur:

9,3 %

Selbständige,

67,1 %

Arbeiter,

14,0 %

Angestellte,

7,4 %

Beamte,

2,2 %

mithelfende Familienangehörige.

Am 05. Januar wird für die Rückgefährten aus dem Saarland, gemeinsam mit ihren Quartiergebern, ein „Bunter Abend" im „Schützenhof` veranstaltet. Von der NS-Gemeinschaft KdF werden Wintersportfahrten nach Krummhübel und Harrachsdorf im Riesengebirge, nach Garmisch/Oberbayern und nach Kirschberg/Kitzbühler Alpen für die Delitzscher durchgeführt. Am 10. Januar wird die Verhaftung eines Bewohners aus der Hainstraße wegen Abhörens feindlicher Sender bekanntgegeben. Am 15. Januar findet im „Schützenhof` ein Konzert des Dresdner Kreuzchores unter der Leitung von Prof. Mauersberger statt. Die Veranstaltung wird von der DAF getragen. Die 60 Jungen werden in Privatquartieren untergebracht. Während im Dezember vorigen Jahres 115 gebührenpflichtige Verwarnungen und 15 Anzeigen wegen Verletzung der Verdunkelungspflicht zu verzeichnen waren, ist die Anzahl der Verstöße im Januar auf 60 Verwarnungen und acht Anzeigen zurückgegangen.

1940 Februar
Auf der Gemeinderatssitzung am 14. Februar wird folgendes zur Kenntnis gegeben und durch die Ratsherren bestätigt: Die Ratsherren Rauchhaus und Mechold sind wieder im Amt. Sie hatten am Polenfeldzug teilgenommen und sind nunmehr altershalber entlassen worden. Die Ratsherren Haschke, Thöne und Lange sind noch eingezogen. Auf die zwei freien Ratsherrensitze sind vom Kreisleiter im Einvernehmen mit dem Bürgermeister die Ortsgruppenleiter Schulze und Laßka, die aber noch im Krieg sind, berufen worden. Der Haushaltsplan 1940 wurde im ordentlichen Haushalt mit 2.843.700 RM, im außerordentlichen Haushalt mit 576.100 RM beschlossen. Es wird der Nachtragshaushalt 1939, dessen Aufstellung durch die Kriegssituation erforderlich war, verabschiedet. Folgende Änderungen waren der Anlaß dazu: Pro Monat waren 25.000 RM als Kriegsabgabe abzuführen, ein Wirtschaftsamt für die Ausgabe von Bezugsscheinen usw. war einzurichten (Kosten 24.000 RM), zwei neue Sirenen mußten aufgestellt (3.600 RM) und weitere Luftschutzeinrichtungen und Geräte (16.000 RM) beschafft werden. Weiterhin mußte ein Hilfskrankenhaus eingerichtet werden. Dadurch erhöhte sich der ordentliche Haushalt von 2.084.000 RM auf 2.640.000 RM. Den Mehrausgaben stehen Einsparungen aus dem Fürsorgeetat (10.000 RM) und der Straßenbeleuchtung infolge der Verdunkelung (25.000 RM) gegenüber. Die Änderung im außerordentlichen Haushalt wird dadurch verursacht, daß die vorgesehenen Wohnungen in der Bitterfelder Straße vorläufig nicht mehr gebaut werden können, wodurch 600.000 RM Darlehen nicht beansprucht zu werden brauchen. Die städtische Schweinemästerei in Beerendorf wurde mit 3.500 RM ausgebaut, wodurch der Schweinebestand von 60 Stück auf 100 Stück erhöht werden kann. Es wird ein Geländeverkauf an der General-Maercker-Straße an das Reich, Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, vorgenommen. An der Brehnaer Landstraße werden 1,750 ha an die Reichsbahnsiedlungsgesellschaft verkauft. Die Einführung einer Kohlen-Dringlichkeits-Karte wird vorbereitet. Die Stadt- und Kreisbücherei werden personell zusammengelegt.

1940 März
Ein Delitzscher und ein Eilenburger Bürger werden wegen Schwarzschlachtung von zwei Schweinen und versuchter Verschiebung nach Berlin verhaftet. Von 2.336 Kleingärtnern im Kreis kommen 733 aus Delitzsch. Zum „Tag der Wehrmacht" am 17. März findet die Vereidigung von Rekruten einer Luftwaffenbaukompanie vormittags, 11 Uhr, auf dem Markt statt, eingeleitet durch eine Flaggenparade. Das bestehende Tanzverbot wird über Ostern aufgehoben. Vom 26. März bis zum 06. April findet im ganzen Reich eine Sammlung für eine „Metallspende des deutschen Volkes zum Geburtstag des Führers im Kriegsjahr 1940" statt. Die Spende von Altmetall dient als Rohstoff für die Waffenproduktion, die für die deutschen Soldaten bestimmt ist. Im Aufruf zur Spende heißt es dann: „Ihnen werden daraus die Waffen geschmiedet werden, die sie in ihrem Kampf für Deutschlands Freiheit und Größe brauchen". Die Sammelstelle wird im Rathaussitzungssaal eingerichtet. Am 29. März besteht die Buchhandlung Reinhold Pabst 75 Jahre. Sie wurde 1936 an den Schwiegersohn Herrn Rättig übergeben, da der Sohn Paul im I. Weltkrieg gefallen war.

1940 April
Ab 01. April wird im gesamten Großdeutschen Reich die Sommerzeit eingeführt, um das Tageslicht besser ausnutzen zu können. Wie bereits im I. Weltkrieg, werden die Uhren um eine Stunde vorgestellt. Die Sommerzeit gilt bis 06. Oktober 1940. Am 01. April begeht der Glasermeister Henmann Zeidler sein 50jähriges Geschäfts- und Meisterjubiläum. Auch heute noch arbeitet der 77jährige in der Werkstatt, die sein Sohn Ernst Zeidler übernommen hat. Am 01. April feiert der Gasthof „Zum Eisernen Kreuz", von Göttsching gegründet, sein 100jähriges Bestehen. Nachdem es danach im Besitz von Merkwitz Vater und Sohn war, übernahm es am 01. 04. 1900 Oskar Ziegler. Seit 01. 04. 1937 wird es von Oskar Dietze weitergeführt. Die bisherige Verordnung über die Kohleversorgung ist ungültig geworden. Ab 15. April gibt es einheitlich neue Kohlekarten für das Kohlewirtschaftsjahr 1940/41. Die Metallspende, zu der bereits bis zum 01. April 60 Zentner gesammelt worden waren, wird wegen der großen Spendenfreudigkeit bis zum 20. April verlängert. Nach Abschluß der Sammlung haben über 3..600 Delitzscher Einwohner ihren Beitrag dazu geleistet. Aus Anlaß des Geburtstages Adolf Hitlers findet ein großer Appell der SA und der Wehrmannschaften unter Führung des Standortführers Boenki statt. Um 8 Uhr beginnt der Aufmarsch der Einheiten am Roßplatz, anschließend wird eine Geländeübung abgehalten. Beendet wird er mit einem Vorbeimarsch am Standortführer und dem Stellvertreter des Kreisleiters, Kreisamtleiter Petzsche, unter Teilnahme der Fahnenträger, des SA-Spielmannszuges und des Bann-Musikzuges der HJ. Nachdem in den letzten Jahren der Fischbestand im Leber infolge des Zuflusses von Rieselwasser zurückgegangen war, hat er sich schließlich ganz verloren. Dieses Frühjahr bringt die freudige Überraschung, daß der Lober wieder Fische aufweist, vorläufig handelt es sich um Plötze.

1940 Mai
Die Beflaggung zum 01. Mai unterbleibt dieses Jahr, auch wird von offiziellen Feierlichkeiten abgesehen. Er bleibt aber weiterhin Feiertag, an dem auch kameradschaftliche Betriebsfeiern abgehalten werden können. Entgegen umlaufender Gerüchte bleiben Himmelfahrt und Pfingstmontag Feiertage. Der 1. Sportverein „Concordia" begeht zur diesjährigen Jahreshauptversammlung den 30. Jahrestag seiner Gründung. Das Schützenfest, das vom 12. bis 19. Mai durchgeführt wird, ist wieder recht stark besucht, findet jedoch kriegsbedingt in einem engeren Rahmen statt. Der Ein- und Auszug der Gilde, das Kinderfest, das Feuerwerk und der Tanz fallen aus. Elly Beinhorn-Rosemeyer, die bekannte Sportfliegerin, hält auf Einladung des DAC im vollbesetzten Schützenhofsaal einen Vortrag über ihren 30.000-Kilometer-Alleinflug über Persien, Siam und Indien. In diesem Monat wird es zur gesetzlichen Pflicht, alle Eisenzäune von den Vorgärten in den Straßen der Stadt zu entfernen. Bis zum 01. Juni erfolgt der Abbau kostenlos, danach auf Kosten der Gartenbesitzer. Gleichzeitig wird die Beschlagnahme eines Teils des bei den Industrie- und Handwerksbetrieben lagernden Stahls und Eisens angeordnet.

1940 Juni
Der Waffenstillstand mit Frankreich wird am 25. Juni abgeschlossen. Aus diesem Anlaß werden Häuser und Straßen mit Fahnen geschmückt und die Glocken erklingen von den Türmen. Auf dem Markt findet eine Dankeskundgebung statt. Auf Anordnung läuten vom 25. Juni bis einschließlich 01. Juli täglich von 12.00 bis 12.15 Uhr die Glocken aller Kirchen. Trotz der Kriegszeit nimmt der Peter-und-Paul-Markt immer noch ein beträchtliches Ausmaß an. Der Besuch steht kaum hinter normalen Zeiten zurück. Nicht nur der Markt, sondern auch die Breite Straße, der Roßplatz und sogar der Schützenplatz zeigen ein buntbewegtes frohes Bild.

1940 Juli
Die Zuckerfabrik feiert das 50jährige Bestehen ihres Betriebes. Mit dem Bau wurde 1889 begonnen, und unter der Leitung von Direktor Dr. Ludwig Kuntze wurde mit der Zuckerrübenkampagne 1890 die Produktion aufgenommen. Ab 01. 07. 1915 übernahm Direktor Aumüller die Leitung. Ab 01. Juli wird die Butterration erhöht; Quark wird ohne Kartenpflicht abgegeben. Es werden das Sommerlager der HJ und des DJ sowie des BDM durchgeführt. Am 21. Juli besichtigt der SA-Brigadeführer Schicke die Delitzscher SA und Wehrmänner im Beisein des neuen Leiters des Wehrmeldeamtes Delitzsch, Major Löser, und des mit der Vertretung des Kreisleiters Beauftragten, Kreisamtsleiter Petzsche. Dazu sind 962 Männer angetreten, um ihren Leistungsstand bei der militärischen Ausbildung unter Beweis zu stellen. Abends findet ein kameradschaftliches Zusammensein im „Lindenhof` statt. Das „Gefolgschaftshaus" der Fa. Langer wird in Anwesenheit des Bürgermeister Dr. Frey eingeweiht. Am 25. Juli findet im „Lindenhof` die Abschiedsfeier für die in Delitzsch vorübergehend umgesiedelten Saarländer statt. Am 13. 09. 1939 waren 700 Rückgeführte in Delitzsch angekommen. Ihr Rückruf war am 26. Juni im Radio verkündet worden. Die Heimreise erfolgt ortsweise und beginnt am 09. Juli.

1940 August
330 Kinder aus Thüringen erholen sich im Rahmen der Kinderlandverschickung der NSV im Kreis Delitzsch. Ab 15. August wird das zwischendurch gelockerte Tanzverbot wieder voll gültig. In einer Zeitungsnotiz wird auf die Wichtigkeit der Verdunkelung hingewiesen. Der Anlaß dazu war der Umstand, daß schon wiederholt britische Flugzeuge über Delitzsch hinweg geflogen sind. Laut einer Mitteilung des Reichspropagandaamtes für den Gau HalleMerseburg ist in der Nacht zum 20. August das erste Mal ein Nachteinflug feindlicher Flugzeuge mit Bombenabwurf (einige Sprengbomben, große Anzahl Brandbomben) im Gaugebiet zu verzeichnen gewesen. Es traten fast keine Geländeschäden und keine Personenverletzungen auf. Über die Ferien erhielt die Knabenvolksschule neue Luftschutzkeller, die dazugehörigen Toiletten und einen Raum zur Lagerung kriegswichtiger Sammlungen, wie Knochen und Schrott. Die Stadtverwaltung unternimmt einen Ausflug, bei dem die Schweinemästerei in Beerendorf besucht wird. Zur Zeit befinden sich dort 79 Schweine, eine Aufstockung auf 110 ist vorgesehen. Anschließend werden die 10 neuen Volkswohnungen an der Eilenburger Chaussee besucht. Durch das neue Feuerschutzgesetz erhält die Freiwillige Feuerwehr Delitzsch hilfspolizeiliche Aufgaben. Dazu werden die 45 Feuerwehrmänner durch den Hauptzugführer Renner in Anwesenheit des Bürgermeisters Dr. Frey und des Polizeileutnantes Höhne am 25. August auf den Führer vereidigt. Die von der Buddestraße aus nördlich verlaufende neu angelegte Straße erhält am 30. August den Namen „Straßburger Straße".

1940 September
Folgende Fliegeralarm-Anordnungen werden bekanntgegeben: Auf Antrag können frei praktizierende Ärzte und Hebammen die Genehmigung zum Betreten von Straßen und Plätzen bei Fliegeralarm erhalten. Laut Verfügung des Kreisschulrates beginnt bei nächtlichem Fliegeralarm der Unterricht in den ihm unterstellten Volks- und Mittelschulen zwei Stunden später, darf dann aber höchstens vier Unterrichtsstunden dauern. Am 03. September begeht der Kaufmann Reichardt, Breite Straße 28, seinen 92. Geburtstag. Bis Ende September muß sich jeder Einwohner in eine Schuhmacher-Kundenliste eintragen. Der Don-Kosaken-Chor „Ataman General Kalidin" tritt mit ebenso großem Erfolg wie im Vorjahr im „Schützenhof" auf.

1940 Oktober
Bei der Gemeinderatssitzung am 01. Oktober wird durch die Ratsherren beschlossen: Dem Verkauf von Gelände an die Zuckerfabrik zwecks Ablagerung von Zuckerrübenschlamm wird zugestimmt. Das Gelände gehört zum Hospital und wird von der Stadt verwaltet. Es handelt sich hierbei um 15,2 ha Feld für einen Preis von 1000 RM pro Morgen. Das von der Luftwaffe gekaufte Gelände im Stadtforst Spröda wird mit 84.456 RM vergütet. Es sind 42,7 ha. An der General-Maercker-Straße werden 880 m2 städtisches Land an eine Privatfirma verkauft. Die vorgesehene Erweiterung der Schweinemästerei wird bestätigt. Das Geld für den Einbau von drei Sirenen wird bewilligt. Das Radfahren wird eingeschränkt, indem Spazier- und Ausflugsfahrten verboten werden. Bereifung gibt es nur noch auf Bezugsschein. Diese können für ein Privatrad beim Wirtschaftsamt und für ein Dienstrad bei der vorgesetzten Behörde beantragt werden. In der Nacht zum 21. Oktober werden einige Sprengbomben im Kreis Delitzsch abgeworfen, wodurch eine Scheune beschädigt wird. Am 26. Oktober tritt der vor einigen Wochen gegründete Fanfarenzug zum 1. Mal anläßlich eines Elternabends der HJ auf. Ende des Monats wird der diesjährige Fischzug im Stadtgraben vorgenommen. Es werden 20 Zentner Fisch gefangen. Der Fang beträgt 11 Zentner Karpfen, acht Zentner Weißfisch, ein Zentner Schleie; dazu waren vorher 4,5 Zentner ausgesetzt worden. In der Nacht zum 27. Oktober ist in unserer Stadt ein Bataillon eingetroffen. Die Soldaten beziehen hier ihr Quartier. Am 29. Oktober erfolgt die offizielle Begrüßung durch den Bürgermeister Dr. Frey im Namen der Bürgerschaft. Anschließend erfolgt ein Vorbeimarsch vor Oberst Giesecke vom Wehrbezirkskommando Bitterfeld und vor Kreisleiter Krüger. Gleichzeitig wird auch noch eine Landesschützenkompanie einquartiert.

1940 November
Der diesjährige Kirmesmarkt (auch Herbst- oder Martinimarkt) am 05. November bietet nur ein beschränktes Angebot, für viele Waren der ambulanten Händler müssen Punkte der Reichskleiderkarte abgegeben werden. Die Zahl der Händler ist zusammengeschrumpft. Waren früher der Markt und der Roßplatz voll besetzt, so stehen jetzt nur noch einige Budenreihen auf dem Markt. Am 08. November führt die Landesschützenkompanie im „Schützenhof" einen WHW-Abend durch. Am 16. November findet ein Kompanieabend der 4. Kompanie des Bataillons ebenfalls dort statt. Der 09. November ist wie im Vorjahr ein normaler Werktag und damit auch nicht schulfrei. Der Bußtag wird auf den Sonntag verlegt. Am 10. November gastiert wiederum der Kreuzchor unter Prof. Mauersberger im „Schützenhof".

1940 Dezember
Am 01. Dezember spielt der Deutsche Handballmeister, geschlossen als Mannschaft eines Infanterieregiments, gegen die „Concordia-Mannschaft", welche einen Sieg mit 8 : 6 über den durch den Kriegseinsatz geschwächten Meister erringt. Um größere Bauschäden zu vermeiden, dürfen die im vorigen Jahr stillgelegten Wohnbauten fortgesetzt werden. Feiern zu Weihnachten und Sylvester in öffentlichen Gaststätten sind zugelassen.

1940 Zusammenfassung des Jahres
Zu Beginn des Jahres verläuft das Leben in der Stadt ziemlich unbeeindruckt von dem Kriegszustand, zumal außer einer geringen Spähtrupptätigkeit am Westwall keine Kampfhandlungen mehr stattfinden. Durch Konzerte, Bunte Abende, Wintersportfahrten werden die Bürger weitgehend von den Kriegsereignissen abgelenkt. Eine ausreichende Versorgung ist geregelt, wozu auch die Einführung der Kohlenkarte beiträgt. Der Wohnungsbau wird zwar vorerst eingestellt, aber weiterhin wird Gelände für zukünftige Bauten verkauft. Die schnellen Siege im Mai an der Westfront und der Waffenstillstand mit Frankreich am 25. Juni lassen auf ein baldiges Kriegsende hoffen und wirken sich dadurch positiv auf die allgemeine Stimmung aus. Das Schützenfest wird zwar in einem etwas eingeschränkten Rahmen abgehalten, aber der Peter-und-Paul-Markt findet in altem Umfang statt und erfreut sich eines großen Zuspruches. Im Sommer kehren die Saarländer in ihre Heimat zurück. Neue Kriegsgefangenentransporte, meist aus französischen Soldaten bestehend, werden in Lagern, so im Lindenhof untergebracht, und zu Arbeiten in Industrie und Landwirtschaft eingesetzt. Im Herbst finden mancherlei kulturelle Veranstaltungen statt. Auch der Herbstoder Kirmes-Jahrmarkt bietet noch allerhand. Im Spätsommer werden die ersten Einflüge feindlicher Flugzeuge gemeldet und im Oktober fallen die ersten Bomben im Kreisgebiet. Es wird jedoch kein Schaden verursacht. So sind im allgemeinen die Auswirkungen des Krieges auf den Tagesablauf kaum zu spüren. Jetzt dürfen sogar bereits begonnene Baumaßnahmen fortgeführt werden.


1941

1941 Januar
Laut Polizeibericht wurde im Dezember des Vorjahres gegen 24 Polen Anzeige erstattet, da diese sich ohne ihr Erkennungszeichen, dem auf der Kleidung sichtbar zu tragendem „P", unter die deutsche Bevölkerung gemischt haben. Am 12. Januar veranstaltet die Ortsgruppe des „Reichsbundes Deutscher Familien" eine Feierstunde, in der den dazu eingeladenen Eltern kinderreicher Familien das von Hitler gestiftete „Ehrenbuch kinderreicher Ehepaare" überreicht wird. Der Festredner bezeichnet vier Kinder in einer Familie nicht als Maximum, sondern als „Minimum zur Bewältigung der zukünftigen Aufgaben". In der 19. Zuteilungsperiode der Lebensmittelrationierung (13. 01. - 09. 02.) wird die Zuteilung von Marmelade von 600 g auf 700 g erhöht. Außerdem bleibt die in der vorherigen Periode erfolgte Sonderzuteilung von 250 g Hülsenfrüchten und 125 g Reis bestehen. In diesem Monat finden wieder viele Tanzveranstaltungen statt. Ebenfalls wird nunmehr auch die Wiedereröffnung der Geschäfte von Handwerkern und Gewerbetreibenden aufgrund einer Verordnung vom 18. 10. 1940 über die Berufsfürsorge für entlassene Soldaten geregelt. Es wird zu einer Buchspende für die Wehrmacht aufgerufen. Die Sammlung erfolgt durch die Partei in den Haushaltungen. In der Jahreshauptversammlung des TTC „Rot-Weiß" Delitzsch wird das Jahr 1940 als das bisher erfolgreichste benannt. So wurden Christoph und Horn im Einzel und beide im Doppel Gaumeister. Horn/Kuntsch wurden Bezirksdoppelmeister, Otto Horn Bezirksseniorenmeister und Caspar Bezirksjugendmeister. Im Mannschaftskampf wurde ebenfalls die Bezirksmeisterschaft errungen. Der Gau Halle-Merseburg gilt bis auf Widerruf nicht mehr als Warnzone, d. h. als luftgefährdeter Teil Deutschlands.

1941 Februar
Wie im Vorjahr werden auch in diesem Jahr für die 10-14jährigen Schulkinder zur Gesunderhaltung kostenlos Vitamin-C-Tabletten ab 01. Februar bis 31. Mai ausgeteilt. Anfang Februar erfolgt eine Werbung für „Wehrbauern". Die Anwärter müssen den Anforderungen der SS entsprechen. Nach Ableistung des Landdienstjahres, das in Vorbereitung auf einen landwirtschaftlichen Beruf eingeführt wurde, erfolgt eine Spezialausbildung. Sie werden dann in die allgemeine SS übernommen und werden auf eine Neubauernstelle eingesetzt, und zwar dort, wo das „deutsche Volkstum" gefestigt werden muß. Anläßlich des „Tages der deutschen Polizei" wird eine Sammelbüchsen-Spendenaktion durchgeführt, die ein Ergebnis von 9.385 RM bringt. Ein zum 2. Kriegs-WHW veranstaltetes Wunschkonzert im „Schützenhof" erfährt einen so großen Andrang an Besuchern, daß etwa 1000 Personen (d. h. jeder 18. Einwohner) im Sitzen und Stehen den Saal füllen und ein großer Teil keinen Einlaß mehr gefunden hat. Die Darbietungen erfolgen durch den Gaumusikzug des Reichsarbeitsdienstes. 6.500 RM sind das Ergebnis zugunsten des WHW. Die „Delitzscher Kreiszeitung" berichtet über eine Seereise des Bannmusikzuges, ehemals Wächter'sche Musikschule. Dieser war durch die Reichsjugendführung vom 25. Januar bis 06. Februar zu einer Gastspielreise nach dem von der Wehrmacht besetzten Norwegen verpflichtet worden. Dabei wurden u. a. in Oslo und in Bergen Konzerte gegeben. Der Jahrmarkt zur Fastenzeit findet am 28. Februar statt.

1941 März
Eine weitere Sonderzuteilung erfolgt in der 21. Periode (vom 10. 03. bis 06. 04.) für Reis und Kunsthonig. Am 16. März, dem Heldengedenktag, wird in einer Morgenfeier im „Schützenhof" der im Weltkrieg 1914.-.1918 Gefallenen und der im jetzigen Krieg bisher 26 gefallenen Soldaten aus Delitzsch im Beisein von deren Angehörigen gedacht. Anschließend finden auf dem Marktplatz ein Appell und eine weitere Feier am Kriegerdenkmal am Halleschen Turm statt.

1941 April
Am 01. April begeht die Fa. Schroeter ihr 60jähriges Bestehen. Fast 50 Jahre wurde die Firma von Franz Schroeter geleitet. In der damaligen Zeit war sie durch den Bau von Hochrädern bekannt, auch beschäftigte sie sich 1894/95 mit dem Bau eines Flugzeuges. Die Flugversuche fanden am Schützenhofgelände statt. Jetzt leitet Fritz Schroeter die Firma Der Lehrer Sauerteig tritt nach 44 Jahren Schuldienst (davon 34 Jahre in Delitzsch) in den endgültigen Ruhestand. Er war bereits 1937 im pensionsfähigen Alter. Ab 07. April sind wegen des neuen Feldzuges auf dem Balkan alle Tanzveranstaltungen verboten. Ab diesem Jahr erfolgt die Versetzung bzw. Aufnahme in die Schulen einheitlich im Juni/Juh. Die Entlassungen erfolgen letztmalig an diesem Ostern.

1941 Mai
Die am 01. Mai, dem „Nationalen Feiertag des deutschen Volkes", übliche Beflaggung und Ausschmückung der Gebäude wird aufgrund der Kriegsverhältnisse untersagt, ebenfalls fallen offizielle Feierlichkeiten aus. Der Tag gilt aber weiterhin als gesetzlicher Feiertag, und es können kameradschaftliche Betriebsfeiern in einem der zeit entsprechenden Rahmen durchgeführt werden. Der Pfingstreiseverkehr wird noch mehr als der Osterreiseverkehr aus kriegsbedingten Gründen eingeschränkt da die Anzahl der Reisezüge verringert wird. In der Gemeinderatssitzung am 27. Mai wird durch die Ratsherren beschlossen: Für den Bau einer neuen Kindertagesstätte in der Ludwig-JahnStraße (für 100 Kinder) werden folgende Mittel eingesetzt:
20 TRM vom Leichtmetallwerk Rackwitz
10 TRM von der Schokoladenfabrik Böhme AG
30 TRM von der Stadt.
Die Restkosten übernimmt die NSV Der ordentliche Haushaltsplan wird mit 3:091.800 RM und der außerordentliche mit 543.200 RM festgesetzt. Dabei betragen die Ausgaben für Kultur und Gemeinschaftspflege die Höhe des Vorjahres. Die Baumaßnahmen beschränken sich auf die Unterhaltung bestehender Einrichtungen und auf Erschließungsarbeiten für den neuen Hauptsammler im Ostteil der Stadt. Ein Feuerlöschfahrzeug wird erworben, was besonders in der jetzigen Kriegszeit wichtig ist. Das Hausgrundstück Schulstraße 25 wird zur Erweiterung der Mittelschule gekauft.

1941 Juni
Beim Schützenfest, das vom 01. Juni bis 08. Juni stattfindet, herrscht wieder ein buntes Treiben. Das diesjährige Fest steht unter dem Zeichen des 50jährigen Bestehens des neuen Heimes, dem „Schützenhof". Schützenkönig wird Maßmann, Ritter werden Platen und Kurt Freitag. Die Mädchen aus der Stadt und dem Kreis leisten ihren Dienst im neueröffneten Landjahrlager Moosbach bei Kattowitz ab. Für alle Beamten, Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes wird der Erholungsurlaub für 1941 auf höchstens drei Wochen beschränkt. Das betrifft auch die Lehrer. In der übrigen Zeit sollen diese sich zu Arbeitseinsätzen, Luftschutzdienst, Fortbildung und Vertreterübernahme bereithalten. Ab 14. Juni sind wieder Tanzveranstaltungen erlaubt. Jedoch wird am 22. Juni erneut ein Tanzverbot erlassen. Am 21./22. Juni findet das HJ- Bann- und BDM-Untergau-Sportfest in Eilenburg statt, an dem 2.500 Jungen und Mädchen teilnehmen. Der Bannführer Wolschke geht beim Wettkampfbeginn auf das „große Ereignis zu Tagesbeginn", der Kriegserklärung gegen die Sowjetunion, ein und appelliert an die versammelte Jugend: „Bedenkt, daß Ihr das Volk von morgen seid, die Mädel die Mütter, die Jungen die Soldaten." Der Peter-und-Paul-Markt findet diesmal schon am 26. Juni statt. Er wird über Erwarten gut besucht, der Roßplatz und der Schützenplatz werden wieder mit eingebunden. Ebenfalls am 26. Juni findet ein Großappell der NSDAP im „Schützenhof" statt. 950 Parteigenossen und -genossinnen versammeln sich dabei. Während des Monats Juni findet eine große Altpapiersammlung durch die Schulkinder statt.

1941 Juli
Das Pflichtjahr wird jetzt auch auf die Mädchen, die keinen Beruf erlernen wollen, ausgedehnt. Aufgrund einer Anordnung des Reichswirtschaftsministers findet kein Sommerschlußverkauf mehr statt. Es wird zu einer großen Reichsspinnstoffsammlung aufgerufen unter dem Leitspruch: „Es kann nicht jeder Soldat sein. Aber jeder kann in diesem Krieg das Seine tun. Darum spende zur Spinnstoffsammlung!" Die Korbballmädel vom Turnverein 1845 haben zum dritten Mal die Bereichsmeisterschaft errungen. Sie sind jetzt für die Vorrundenspiele zur Deutschen Meisterschaft teilnahmeberechtigt.

1941 August
Die Lebensmittelration ist etwas gekürzt worden und beträgt ab diesem Monat für eine Periode (28 Tage):

Fleisch- und Fleischwaren

1.600,0 g

Butter

562,5 g

Margarine

327,5 g

Schweineschlachtfette

187,5 g

Käse und Quark

250,0 g

Brot

9.000,0 g

Zucker

900,0 g

Marmelade

700,0 g

Mehl

750,0 g

Nährmittel

550,0 g

Sago/Kartoffelmehl

50,0 g

Kaffee-Ersatz

400,0 g

Schwerst-, Schwer-, Lang- und Nachtarbeiter erhalten Zusatzrationen. In diesem Monat ist der „Schwan" 50 Jahre im Besitz der Familie Petzschner. Die Bereitschaft Delitzsch I des Roten Kreuzes erhält einen neuen Krankenwagen.

1941 September
Die Stahlquelle, die sich über den Sommer in Betrieb befand und einen guten Zuspruch fand, wird wie üblich am 01. September geschlossen. Der seit acht Jahren laufende Kurbetrieb im Moorbad geht dagegen weiter. Das 3. Kriegs-WHW wird am 27. September durch die Sportler des Reichsbundes für Leibesübungen eingeleitet. Die Hebamme Baehr, die seit 1906 in Delitzsch und vorher in Eilen- burg wirkte, begeht am 28. September ihr 40jähriges Berufsjubiläum. In dieser Zeit hat sie 4.480 Erdenbürgern verholfen, das Licht derWelt zu erblicken. Die Molkerei Delitzsch erhält eine Auszeichnung, da sie zu den zehn Besten der Landesbauernschaft Sachsen/Anhalt gehört.

1941 Oktober
Am 07. Oktober wird der 80. Geburtstag des Musikdirektors Willy Straube gefeiert. Er war über drei Jahrzehnte an der Schloß- sowie der Stadtkirche in Wittenberg angestellt und war als Komponist und Autor von Klavierschulen weit über seinen Wirkungskreis bekannt. Seine erste Ausbildung absolvierte er im Delitzscher Lehrerseminar. Die Jahre seines Ruhestandes verbringt er jetzt in Delitzsch bei seiner Tochter Frau Schimpf-Straube. Die Woche vom 04. Oktober bis zum 11. Oktober wird in der Presse als „Woche der Sondermeldungen" bezeichnet, in der über die Erfolge der Wehrmacht an der Mittelfront berichtet wird. Es wird bekanntgegeben, daß es zu Weihnachten und später nochmals im Februar 1942 für alle Personen, die bis 16. November das 18. Lebensjahr vollendet haben, eine Sonderzuteilung von 60 g Bohnenkaffee gibt, außerdem noch 250 g Hülsenfrüchte. Das diesjährige Erntedankfest wird sehr verhalten gefeiert, frohe Kirmesvergnügen werden nicht mehr abgehalten. In der Gemeinderatssitzung am 20. Oktober wird durch die Ratsherren bestätigt und beschlossen: Es ist ein Kaufvertrag mit dem Reich abgeschlossen worden. Dazu sind Grund und Boden für den Luftpark an der Spröde von insgesamt 125 ha zur Verfügung gestellt worden, weiterhin sind für neue Straßen 3,5 ha an den Provinzialverband abgegeben worden. Der Erlös dafür beträgt 267.000 RM. Dem Besitzer der „Elberitzmühle" wird das Staurecht entzogen, da seit 20 Jahren kein Mühlenbetrieb mehr besteht. Dieses erfolgt im Interesse der Anlieger zur Regelung des Wasserstandes. Die Arbeiten am Hauptsammelkanal in der Ludwig-Jahn-Straße werden auf Grund der Kriegsverhältnisse eingestellt. An der Gertitzer Spitze wird eine Parzelle (Freibergscher Garten) vom Hospital an die Zuckerfabrik zur Anlegung eines Schlammablageplatzes verkauft. Das Reformationsfest am 31. Oktober und der Bußtag am 19. November werden auf Grund der Erfordernisse der Kriegswirtschaft auf den vorhergehenden Sonntag verlegt, an dem auch die kirchlichen Feiern stattfinden.

1941 November
Ab 01. November treten erhebliche Einschränkungen im Personenreiseverkehr in Kraft. Dieses ist zur Sicherstellung der Transporte von Kartoffeln, Rüben und Kohle für die Versorgung der Bevölkerung erforderlich. Zur Bekämpfung eines Verkehrsnotstandes wird daher appelliert, auch über die bevorstehenden Feiertage auf jede private Reise zu verzichten. Die 3. Büchersammlung für die Wehrmacht wird in diesem Monat durchgeführt. Weiterhin erfolgen eine Sammlung von Noten und Musikinstrumenten für die Soldaten im Felde und eine Sammlung von Flaschen für die Wehrmacht. Der Herbst- oder Kirmesmarkt findet am 04. November statt, wobei besonders Spielsachen und Belustigungen für die Kinder angeboten werden. Am 05. November verstirbt der Heimatdichter und Chronist unserer Stadt, der Rektor a. D. August Reulecke. Er verfaßte ebenfalls eine Chronik von Delitzsch, wobei er sich von den Anfängen bis 1701 an Lehmann hielt, und von 1702 bis 1933 ist                 Reulecke der Verfasser der Chronik. Außerdem erschienen von ihm die Historie der „Schwedischen Reitersignale", lyrische Arbeiten und andere. Ab 17. November wird die Raucherkarte eingeführt. Danach erhalten Männer über 18 Jahre pro Tag und Abschnitt drei Zigaretten und Frauen ab 21 Jahre zwei Zigaretten. Ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher, der vor einigen Wochen mehrere Einbrüche auch in Delitzsch verübte, so z. B. in der „Linde", wo er etwa 1000 RM gestohlen hat, ist in Halle auf der Straße entdeckt und verhaftet worden. Da er in Leipzig, wo er nach Einbrüchen von der Polizei gestellt werden sollte, bei seiner Verfolgung einen Passanten durch einen Revolverschuß getötet hat, und er außerdem 11 Mal vorbestraft ist, wurde der 37Jährige durch ein Sondergericht in Leipzig zum Tode verurteilt. Am 27. November führt das Musikkorps eines Infanterieregimentes im „Schützenhof` ein großes Wunschkonzert zugunsten des KriegsWHW durch. Zum Weihnachtsfest kann für jede Familie ein Weihnachtsbaum bereitgestellt werden. Die Weihnachtskerzen werden rationiert, um genügend Kerzen für die Soldaten an der Front abgeben zu können.

1941 Dezember
Vom 07. Dezember bis 11. Dezember findet eine Sammlung von Grammophonplatten und Schallplatten statt, um den Soldaten in den „Kampfpausen eine Entspannung" zu ermöglichen, so berichtet das „Delitzscher Kreisblatt". Am 27. Dezember beginnt eine große Sammelaktion von Pelz-, Wollund Wintersachen für die Soldaten an der Ostfront. Die Sammelstellen sind die Geschäftsstellen der Ortsgruppen der NSDAP. Weiterhin werden Skier und Skistiefel gesammelt. Als Ersatz für letztere gibt es Bezugsscheine für Straßenschuhe oder eine Vergütung. Bei Bereicherung bzw. Entwendung der gesammelten Sachen wird laut Führerbefehl die Todesstrafe verhängt. Die NS-Frauenschaft und das Deutsche Frauenwerk rufen alle Frauen zur Mitarbeit bei der Ausbesserung und Umänderung der gesammelten Kleidung auf. Für Sylvester wird die Polizeistunde in der Provinz Sachsen auf 0.30 Uhr festgelegt. Im Jahr 1941 sind 21 Kriegssterbefälle (gefallene und verstorbene Wehrmachtsangehörige) registriert worden.

1941 Zusammenfassung des Jahres
Auch zu Beginn dieses Jahres ist bis auf die Verdunkelung und die Rationierung der Lebensmittel und einiger anderer Güter wenig vom Krieg in der Stadt zu spüren. Der Gau Halle-Merseburg, und damit unsere Region, gelten nicht mehr als luftgefährdete Gebiete. Die Wehrmacht entläßt einige ältere Soldaten, wodurch die Wiedereröffnung von Geschäften und Handwerksbetrieben ermöglicht wird. Durch die SS werden Anwärter für die Besiedlung der okkupierten Gebiete in Polen zur Festigung des „deutschen Volkstums" geworben. Sport und Spiel sowie Tanzveranstaltungen finden statt, es gibt wiederum einige Verbesserungen in der Lebensmittelversorgung. Die Stimmung ist allgemein zuversichtlich, zumal der Krieg noch nicht viel Leid verursacht hat. Im März, nach 1 1/2 Kriegsjahren, sind an Gefallenen 26 Delitzscher Männer zu beklagen. Zu Beginn des Jahres waren nur Kampfhandlungen in Afrika. Jetzt begann die Ausweitung des Krieges durch den Überfall auf Jugoslawien und Griechenland, welcher bereits nach wenigen Wochen beendet war; dieser beeinflußt daher das tägliche Leben nur wenig. Im Mai wird der Neubau einer Kindertagesstätte beschlossen. Das Schützenfest Anfang Juni wird mit seinem bunten Treiben fast wie in Friedenszeiten abgehalten. Der Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni trifft die meisten Bürger völlig unerwartet. Daß er schon seit Sommer 1940 vorbereitet wurde, weiß kaum jemand. Die allgemeine Verunsicherung ist damit groß. Ein baldiges Kriegsende, von vielen nach dem Frankreichfeldzug erhofft, rückt in weite Ferne. Wie überall in Deutschland, finden auch in Delitzsch Propagandaveranstaltungen statt, um die Bevölkerung zu ermutigen, die zu erwartenden hohen Belastungen des Krieges bereitwillig zu ertragen. Die ersten Auswirkungen des sich nun ausweitenden Krieges werden bald spürbar. Die Sammlung von Altmaterial und Geldspenden werden verstärkt vorgenommen, die Lebensmittelrationen werden gekürzt.


1942

1942 Januar
Der Landrat gibt bekannt, daß alle sich in Privathand, Geschäften und Stellmachereien befindlichen Rodelschlitten in der Zeit vom 02. Januar bis 04. Januar abzuliefern sind. Der Ankauf erfolgt durch die Wehrmacht. Als Sammelstelle wird die Jahnturnhalle eingerichtet. Die abgelieferten Schlitten sind mit der Anschrift des bisherigen Besitzers, die sicher angebracht werden soll, zu versehen. Das Kreisergebnis der Wintersachensammlung, die bis zum 04. Januar gedauert hat, beläuft sich auf 63.671 Stück, die sich wie folgt aufgliedern:

3.945

Wollwesten, Wollunterjacken und Pullover

164

Pelzjacken, Pelzwesten, gefütterte Westen

1.249

Wolldecken und 76 Pelzdecken 308 Pelzmäntel

849

Paar Skier

102

Paar Skistiefel

34

Paar Pelzstiefel.

Ab sofort wird auch das nichtöffentliche Tanzen wie bei Tanzstundenzirkeln oder bei Betriebsfeiern mit „Rücksicht auf die schweren Abwehrkämpfe im Osten" in das Tanzverbot einbezogen. Tanzstundenunterricht kann jedoch weiter erteilt werden. Am Sonntag, dem 25. Januar, findet aus Anlaß des 230. Geburtstages Friedrich des Großen (24. Januar) in der Aula der Oberschule eine Feierstunde statt. Die Festrede hält Kreisamtsleiter Ahrens. Er bringt darin zum Ausdruck, daß „zwischen den beiden Führerpersönlichkeiten Friedrich der Große und Adolf Hitler" viele Parallelen bestehen. Am 29. Januar findet eine Großkundgebung mit dem Gauleiter Staatsrat Eggeling im „Schützenhof` statt. Ausgehend vom „Tag der Machtergreifung" vor neun Jahren spricht er über die gegenwärtigen großen Aufgaben, um alle volkspolitischen und wirtschaftlichen Probleme Europas zu lösen. Es wird festgestellt, daß zu diesem Zeitpunkt drei Kindergärten bestehen. Es sind dies der NSV- Kindergarten in der Eilenburger Straße (ehemals Privateinrichtung von Frl. Pabst) mit 60 Plätzen, der Kindergarten Schloß mit 110 Plätzen und der Kindergarten der Ortsgruppe West in der Halleschen Straße mit 25 Plätzen. Im Kreis sind es insgesamt 82 Kindergärten, in denen 2.800 Kinder umsorgt werden.

1942 Februar
In der Gemeinderatssitzung am 03. Februar wird durch die Ratsherren beschlossen bzw. bestätigt: Der Nachtragshaushalt 1941 beläuft sich auf 3.263.200 RM im ordentlichen und 609.000 RM im außerordentlichen Haushalt. Der ordentliche Haushalt 1942 umfaßt 3.391.000 RM, der außerordentliche 482.300 RM. An großen einmaligen Ausgaben sind dabei 5.000 RM zur Erweiterung der Schweinemästerei Beerendorf vorgesehen. Wegen Einstellung vieler laufender Aufwendungen, wie Gebäude-und Straßenreparaturen, gehen die freiwerdenden Beträge in verschiedene Rücklagen für Vorhaben nach dem Kriege. Eine nachträgliche Abgabe von 31 Ar an der Ostseite des Flugplatzes wird genehmigt. Das neben der Fa. Langer gelegene Industriegelände mit Gleisanlage wird an den Kaufmann Friedrich Giesemann verkauft. Der Brauch, die Schwedensignale regelmäßig vom Breiten Turm zu blasen, war 1914 bei Ausbruch des Weltkrieges eingestellt worden. Ab diesem Jahr wird diese Tradition wieder eingeführt. Die Signale erklingen jeden 1. Sonntag im Monat. In einer Konzertveranstaltung der NS-Gemeinschaft KdF gastiert am 13. Februar das vom Rundfunk sehr bekannte Tanz-SinfonieOrchester Robert Gaden mit seinen 30 Musikern im „Schützenhof`. Aufgrund eines Erlasses vom 10. 02. 1942 fallen alle Messeveranstaltung im Großdeutschen Reich - und damit auch die Leipziger Messe - aus.

1942 März
Alle Kupfermünzen sind ab 01. März außer Kraft gesetzt und abzuliefern. Zur Verbesserung der Überwachung des Straßenverkehrs werden jetzt auch neben den uniformierten Beamten der Ordnungspolizei Zivilstreifen eingesetzt. Der vor einiger Zeit eingeführte Hausarbeitstag für arbeitende Frauen und Familien kann auf Antrag bei Vorliegen einer unbilligen Härte vergütet werden. Die Feierlichkeiten zum „Heidengedenktag" beginnen am 15. März mit einer Kranzniederlegung in der Kriegergedächtniskirche (Marienkirche). Sie werden mit einer Gedächtnisfeier in Anwesenheit der Hinterbliebenen beider Kriege sowie den Spitzen von Partei und Behörden fortgesetzt. Den Abschluß bildet ein Marsch durch die Stadt zur Kranzniederlegung am Denkmal am Halleschen Turm. Zum „Tag der Wehrmacht" gibt es von sechs Feldküchen der Luftwaffe ein markenfreies Eintopfessen (Erbsensuppe) auf dem Roßplatz. Die Wochenrationen für die Normalverbraucher werden verändert. Gekürzt wird Brot von 2.250 g auf 2.000 g, Fleisch von 400 g auf 300 g und Fett von 269 g auf 206 g. Erhöht wird Käse von 125 g auf 187,5 g. Am 22. März werden erstmalig alle 14jährigen Jungen und Mädchen reichseinheitlich bei der Übernahme in die HJ verpflichtet. Dazu müssen 250 Jungen und Mädchen aus Delitzsch das Gelöbnis der Pflichttreue ablegen: „Ich verspreche, in der Hitlerjugend allzeit meine Pflicht zu tun in Liebe und Treue zum Führer und zu unserer Fahne". „Wer zum Vergnügen reist, wird bestraft." Das ist der Inhalt einer Bekanntmachung des Reichsministers für Propaganda und Volksaufklärung und des Reichsverkehrsministers im Hinblick auf das Osterfest und den Frühjahrsbeginn. Wegen des vordringlich militärischen Bedarfs wird der zivile Reiseverkehr weiter beschränkt. Daher ist ab jetzt die Notwendigkeit einer Reise durch entsprechende Papiere wie Kurbescheinigung, Dienstreiseauftrag, Arztbesuch nachzuweisen. Bei Verstoß werden harte Strafen angedroht, die bei schweren Fallen zu einer Einweisung in ein Konzentrationslager führen können.

1942 April
Anfang des Monats findet die letzte Sitzung des Gemeinderates vor der Einberufung des Bürgermeisters Dr. Frey zur Wehrmacht statt. In ihr wird die Durchführung des Haushaltsplanes 1942 besprochen und der Stadtrat Paul Scharf als Stellvertreter des Bürgermeisters in sein Amt eingeführt.

1942 Mai
Der „Nationale Feiertag der Arbeit" wird vom 01. Mai auf Samstag, den 02. Mai verlegt. Es werden keine Feiern durchgeführt. 58 Gemeindeschwestern werden von der NSV gestellt. Das „Ernährungshilfswerk" Sammeln von Küchenabfällen für die Schweinemast wurde geschaffen. Bei den WHW-Sammlungen wurden folgende Spendenergebnisse erzielt:

1933/34:

264.381 RM

1938/39:

667.388 RM

1940/41:

1.073.308 RM.

Das Schützenfest, das vom 24. - 31. Mai stattfindet, bringt in seiner bunten Buden- und Zeltstadt wieder viel Volksbelustigung, besonders für die Jugend. Mit Rücksicht auf die Kriegslage gibt es jedoch keine großen Feierlichkeiten. Schützenkönig wird Arthur Kampf, die Ritter sind Grunert und Amo Hofmann, K-K-König wird Fritz Reyer. Es wird vor aufgefundenen Ballons, wie sie zum Abwurf feindlicher Flugblätter benutzt werden, gewarnt, da sie wegen ihrer Wasserstoff-Füllung leicht explodieren können. Ab Pfingsten wird, wie alljährlich, die Stahlquelle wieder eröffnet. Am zweiten Feiertag findet dort ein Konzert der Kapelle Wächter statt.

1942 Juni
In diesem Sommer werden 120 Kinder mit der „Kinderlandverschickung" im Gau Mainfranken, in Trautenstein/Harz, im Ostseebad Heiligenhafen, im Südharz, in Thüringen und bei Limburg/Lahn zur Erholung weilen. Vom 01. bis 15. Juni findet erneut eine Altkleider- und Spinnstoffsammlung statt. Vom 15. bis 22. Juni wird eine „Woche der Jugend" durchgeführt. An jedem Tag werden Veranstaltungen wie Platzkonzert, Singen und Kindernachmittag geboten. Der Peter-und-Paul-Markt findet am 26. Juni statt. Wieder herrscht ein großer Andrang, auf dem Schützenplatz sind Vergnügungsstätten aufgebaut. Der in Friedenszeiten übliche und beliebte Heiratsball im „Schwan" fällt jedoch aus. Ebenfalls muß auf den traditionellen „Apfelbiß" verzichtet werden, da der Vorführer von seiner Arbeitsstelle unabkömmlich ist. An den Markttagen werden 30 Polen aufgegriffen. Da den Polen der Aufenthalt bei den, der deutschen Bevölkerung vorbehaltenen, Veranstaltungen verboten ist, erfolgt ihre Festnahme durch die Polizei. Ein Pole, der mit besserer Kleidung und mit falschem Ausweis aufgegriffen wird, und zwei Zivilrussen, die aus ihrem derzeitigen Arbeitseinsatzort flüchtig sind, werden verhaftet und der Gestapo übergeben. Die letzte Volkszählung hat für Delitzsch 8.700 männliche und 9.350 weibliche Einwohner ergeben.

1942 Juli
Ab jetzt gibt es Kunsthonig nur noch auf Abschnitte der Juli   Reichszuckerkarte, und zwar für 100 g Zucker 125 g Kunsthonig. Karl-Heinz Sturm ist Gebietsmeister im Tennis geworden. Er hat damit die Teilnahmeberechtigung an der Deutschen Jugendmeisterschaft, die in Breslau durchgeführt wird, errungen. Die Delitzscher Handballmädchen, welche die BDM-Gebietsmeisterschaft errungen haben, nehmen an der Ausscheidung der Gruppenmeisterschaft der Gebiete Sachsen, Mittelelbe, Mittelland und Thüringen am 04./05. Juli teil. Nachdem sie gegen Thüringen und Mittelelbe gewonnen haben, verlieren sie jedoch gegen Sachsen. Beamte, die das 65. Lebensjahr erreicht haben, aber noch dienstfähig sind, dürfen nach der 2. Kriegsverordnung über das Beamtenrechtnoch nicht in den Ruhestand treten. Anfang Juli werden im Rundfunk verschiedene Sondermeldungen über erneute siegreiche Vorstöße der Wehrmacht an der Ostfront verkündet. Wegen Schwarzschlachtung eines freilaufenden Hammels im Gelände der Grube Leopold bei Bitterfeld wird ein aus Delitzsch stammender Mann zusammen mit zwei Mittätern aus Bitterfeld zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Die Korbballmädchen vom Turnverein Delitzsch 1845 haben am 25. und 26. Juli bereits das vierte Mal die Bereichsmeisterschaft errungen. Der Bann Delitzsch hat die Gebietsmeisterschaft im Faustball am 26. Juli in Leuna errungen und damit die Teilnahmeberechtigung an der Deutschen Jugendmeisterschaft erreicht. Am 26. Juli verstirbt der Lichtspielbesitzer Karl Maul. Er übernahm zuerst als Gastwirt den „Goldenen Ring", den er zu einem Kino erweiterte, dieses ständig ergänzte und 1937 nach modernsten Gesichtspunkten umbaute.

1942 August
Am 04. August verstirbt der Korbmachermeister und frühere Stadtrat Adolf Tauche im 77. Lebensjahr. Neben seiner führenden Rolle in der freiwilligen Feuerwehr war er von 1906 bis 1918 als Stadtverordneter und von 1919 bis 1933 als unbesoldeter Stadtrat tätig. Er hat sich in diesen Jahren sehr um die Entwicklung der Stadt verdient gemacht. Ihm ist es zu danken, daß der „Stiefelknecht" in der Sprödaer Heide als beliebtes Ausflugsziel den Bürgern erhalten bleibt. Laut einer Bekanntmachung des Bürgermeisters wird die gesamte Bevölkerung am 15. bis zum 70. Lebensjahr (außer Gebrechlichen, Kranken und Schwangeren) zum Selbstschutz herangezogen. Der Einsatz und die Einteilung erfolgt durch die Luftschutzwarte. Am 07. August wird der erste deutsche Spielfilm in Farbe „Frauen sind doch bessere Diplomaten" mit Marika Rökk und Willy Fritsch im „Ring-Theater" gezeigt. Mit Beginn des neuen Schuljahres am 19. August gibt es neue Schulhefte nur gegen Abgabe von alten gebrauchten Heften. Zur Einschulung am 24. August wird dazu aufgerufen, daß keine Zuckertüten in die Schule mitgebracht werden sollen. Da nicht mehr alle Eltern eine Zuckertüte beschaffen können, soll damit einerseits kein Neid erweckt, andererseits Großmannssucht verhindert werden. Am 23. August wird von den Delitzscher Schülern eine „Großrazzia" auf den Kartoffelkäfer durchgeführt. Es werden aber keine gefunden. Es wird bekanntgegeben, daß nach einem nächtlichen Fliegeralarm der Schulbeginn von 8.00 Uhr auf 10.00 Uhr verlegt wird. Es wird eine Werbeaktion für den Osteinsatz der Mädchen (außer in russische Gebiete) gestartet. Sie werden vor allem bei der Betreuung von volksdeutschen Umsiedlern und deutschen Siedlern zur Kinderaufsicht, Schulhelferin und Mütterunterstützung eingesetzt. Aufgrund der günstigen Erzeugnislage wird in der 40. Zuteilungsperiode (24. 08. - 20. 09.) eine Sonderzuteilung von 125 g Käse ausgegeben. Diese wird später auf die 41. und 42. Periode verlängert. Am 31. August wird auch in Delitzsch eine Beratungsstelle des „Deutschen Frauenwerkes" eröffnet. In der Beratungsstelle werden kostenlos Auskunft und Beratung zum Führen des Haushalts unter den kriegsbedingten Einschränkungen, zum Nähen von Pantoffeln und sonstigem Schuhwerk sowie Bekleidungsstücken gegeben.

1942 September
Es wird das neue Luftwarnsignal „Öffentliche Luftwarnung" eingeführt und am 10. September erstmalig erprobt. Es besteht aus der dreimaligen Wiederholung eines 15 sec. langen Dauertons und bedeutet, daß feindliche Flugzeuge anfliegen, aber kein großer Luftangriff zu erwarten ist. Am 13. September findet der „1. Volksturntag" auf dem Sportplatz am „Schützenhof" statt, an dem die Turner und Sportler von Vereinen, aber auch andere Sportanhänger teilnehmen. Das Delitzscher WHW gibt bekannt, daß durch eine Sammelaktion alle außer Kurs gesetzten Kupfer- und Nickelmünzen gesammelt werden. Das Material soll dazu dienen, „den Endsieg - besonders durch die Waffenproduktion - sichern zu helfen". Am 19. Und 20. September steht der Sport im Dienst einer WHWSammlung. Dazu werden Veranstaltungen, wie „Schießen für Jedermann" auf dem Roßplatz und verschiedene Mannschaftsspiele durchgeführt. Die vorgesehene Gemeinschaftsgaststätte für diejenigen Bürger, die weder zu Hause noch in den Betriebskantinen eine warme Mahlzeit einnehmen können, wird am 21. September im seit Kriegsbeginn stillgelegten „Bismarck-Keller" unter der Regie der Stadt eröffnet. Sie wird durch die NS-Frauenschaft unterstützt. Sie ist täglich geöffnet. Die Mahlzeit wird nur gegen eine Wocheneßkarte abgegeben. Am 23. September wird die Saison der Stahlquelle beendet und sie daher geschlossen. Aufgrund einer Verordnung vorn 20. September werden jetzt Felddiebstähle strenger bestraft. Es können Strafen bis zu fünf Jahren Gefängnis verhängt werden.

1942 Oktober
Zum Erntedankfest am 04. Oktober erfolgt keine Beflaggung. Es werden aber örtliche Feiern durchgeführt, verbunden mit der Ehrung verdienter Angehöriger des Landvolkes. In der Aula der Oberschule werden Kriegsverdienstkreuze sowie Kriegsverdienstmedaillen an 16 Personen aus dem Landkreis überreicht, außerdem noch Urkunden fürlangjährige treue Dienste. Hitlerjugendkleidung wird nicht mehr wie bisher auf Uniformbezugsscheine, sondern nur noch auf die Reichskleiderkarte abgegeben. Mit Beginn des neuen Schuljahres wird allgemein die Normalschrift (lateinische Buchstaben) eingeführt. Vom 06. bis 08. Oktober gastiert der Zirkus „Barley" am „Schützenhof` mit den aus dem Tobis-Film bekannten „3 Codonas". Ab Mitte des Monats läuft eine Werbung für Nachrichtenhelferinnen für die Luftwaffe. Durch sie sollen die Arbeitsplätze der Soldaten für die Luftnachrichtentruppe eingenommen werden, damit diese für den Einsatz mit der Waffe freigemacht werden können. Mädchen und Frauen im Alter vom vollendeten 17. bis zum 21. Lebensjahr werden im Reichsgebiet und dem Protektorat, ab vollendetem 35. Lebensjahr auch in den besetzten Gebieten und verbündeten Staaten eingesetzt. Am 17./18. Oktober findet die vierte Büchersammlung für die Wehrmacht statt. Es wird mitgeteilt, daß nach dem Weihnachtsfest, also ab 1943, Spielzeug nur noch bei Abstempelung der Kinderkleiderkarte abgegeben wird. In Vorbereitung des Weihnachtsfestes gibt es eine erhöhte Zuteilung von Eiern und Sonderzuteilungen für weitere Lebensmittel:
42. Periode (19. 10. - 15. 11.)                           3 Eier
43. Periode (16. 11. - 13. 12.)                           2 Eier
44. Periode (14. 12. - 10. 01. 1943)                 4 Eier sowie in der
44. Periode zusätzlich 500 g Mehl, 200 g Fleisch, 125 g Butter, 62,5 g Käse, 250 g Zucker, 125 g Hülsenfrüchte, 125 g Zuckerwaren und für Personen über 18 Jahren 0,35 1 Branntwein und 50 g Bohnenkaffee.

1942 November
Der Kirmes- oder Herbstmarkt, der am 03. November stattfindet, ist fast so gut wie im Vorjahr besucht. Es bilden sich sogar Käuferschlangen. Neben den üblichen Würstchen- und Fischbrötchenständen sind Textilwarenbuden, Verkaufsstände für Küchen- und Haushaltsartikel, für Spielwaren und Neuheiten aufgebaut. Vor 75 Jahren, am 03. 11. 1867, wurde die Klempnerei Franz Reyher und Sohn in der Eilenburger Straße 21 gegründet. 1900 wurde die Firma an den Sohn übergeben, der die Geschäftsräume in die Eilenburger Straße 54 verlegte. Der jetzige Inhaber Walter Reyher hat sich auf moderne Armaturentechnik spezialisiert.

1942 Dezember
Am 01. Dezember tritt eine Verordnung über die Reichsverteidigungskommissare und die Vereinheitlichung der Wirtschaftsverwaltung des „Großdeutschen Reiches" in Kraft. Es werden 42 Reichsverteidigungsbezirke und 30 Wirtschaftsbezirke gebildet. Der Kreis Delitzsch gehört zum Reichsverteidigungsbezirk Halle/Merseburg. Wegen fortgesetzter Schwarzschlachtung sind vom Sondergericht Halle Bürger aus Delitzsch verurteilt worden; ein Fleischermeister zum Tode, ein Viehhändler zu zwei Jahren Zuchthaus und drei Jahren Berufsverbot, ein Fleischermeister zu drei Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Berufsverbot, dazu noch ein Bauer aus Quering zu neun Monaten Gefängnis. Der Hauptangeklagte hatte von Oktober 1939 bis Juli 1942 nachweislich 1000 Schweine, 51 Rinder, 155 Kälber und 48 Schafe schwarzgeschlachtet. Das bedeutet, daß er 6000 Zentner Fleisch, das entspricht einer Wochenration für 76.000 erwachsene Personen, der Bewirtschaftung entzogen hat. Die anderen Angeklagten sind wegen Mithilfe verurteilt worden. Vom 06. bis 08. Dezember findet im „Schützenhof" eine Spielzeugausstellung der HJ statt. Wie in den vergangenen Kriegsjahren wurden Spielzeuge für die Soldatenkinder gebastelt. Daran sind die Mädchen mit 5.780 Stück und die Jungen mit 1.250 Stück beteiligt. Von der Jugendgruppe des NSV sind weitere 482 Spielzeuge hergestellt worden. Am 14. Dezember verstirbt plötzlich der Leiter der Kreis- und Stadtsparkasse, Direktor Both. Er war 1921 aus Lüneburg nach Delitzsch als Leiter der Kreissparkasse übergesiedelt. Am 19. Dezember findet eine Feier in der Chemischen Fabrik Ernst Freyberg aufgrund des 125jährigen Bestehens der Firma statt. Die Familie Freyberg ist seit dem 01. 06. 1817 in Delitzsch ansässig. Der Gesamtbetrieb wurde im Frühjahr 1942 aus der Ritterstraße in das neue Werk an der Dübener Landstraße verlegt. Zu Weihnachten wird der zivile Reiseverkehr prinzipiell gesperrt, da aller verfügbarer Personenverkehr für die Wehrmachtsurlauber benötigt wird. Als Ausnahme werden einige Sonderzüge für die Rüstungs- und sonstige kriegswichtige Arbeiter, die ortsfremd eingesetzt sind, bereitgestellt. Die sonstige Benutzung ist weiterhin nur mit einer Zulassungskarte aufgrund einer Bescheinigung über eine kriegswichtige Reise möglich. Ab sofort können sich Freiwillige für die Waffen-SS bereits mit 16 1/2 Jahren melden. Sie kommen dann mit 16 1/2 Jahren für ein Vierteljahr zum RAD und werden mit 17 Jahren einberufen. Es werden ausreichend Weihnachtsbäume geliefert, so daß kein Schlangestehen nötig ist. In diesem Jahr 1942 sind 70 Kriegssterbefälle registriert worden.

1942 Zusammenfassung des Jahres
Die in den ersten Monaten des Jahres weiter anhaltende kritische Lage an der Ostfront beeinflußt das Befinden der Einwohner unserer Stadt immer mehr. Die Sorge um die zur Wehrmacht eingezogenen Angehörigen wächst, und die kriegsbedingten Belastungen werden spürbarer. Die Häufigkeit der Geld- und Materialsammlungen nimmt zu, der Reiseverkehr wird drastisch eingeschränkt, die Lebensmittelzuteilung wird weiter gekürzt. Andererseits erhöht sich die Zahl der Propagandaveranstaltungen und Appelle. Vor allem wird die Jugend mit der „Verpflichtung auf den Führer" und mit der „Woche der Jugend" einer verstärkten ideologischen Beeinflussung unterworfen. Nachdem bereits in den Vorjahren viele Polen zur Arbeit nach Deutschland verpflichtet worden waren, werden jetzt in immer größerer Zahl zwangsverschleppte, sogenannte „Ostarbeiter" aus der Sowjetunion, in den Betrieben und in der Landwirtschaft als Ersatz für die zur Wehrmacht eingezogenen Männer eingesetzt. Im Spätfrühjahr und im Sommer bessert sich die gedrückte Stimmung wieder etwas, da sich die Situation an der Ostfront wesentlich entspannt. Das Schützenfest bringt immer noch ein buntes Treiben mit sich, ebenfalls der Peter-und-Paul-Markt. Die „Stahlquelle"-Saison beginnt wieder, Sport und andere Veranstaltungen erfahren noch wenig Einschränkungen. Von der Zunahme der Luftangriffe auf deutsche Städte ist unsere Gegend kaum betroffen. Jedoch wird das Luftsignal „Öffentliche Luftwamung" auch bei uns eingeführt und die gesamte Bevölkerung ab dem 15. bis zum 70. Lebensjahr zum „Selbstschutz" herangezogen. Die hohen Verluste an der Front machen sich bemerkbar. Zahlen über Gefallene werden nicht mehr bekanntgegeben und viele bisher zurückgestellte Männer werden eingezogen, so bereits im April der Bürgermeister Dr. Frey. Beamte dürfen nicht mehr mit 65 Jahren in den Ruhestand treten. Die Frauen werden verstärkt zur Besetzung von Männerarbeitsplätzen herangezogen, und die Werbeaktion zur Meldung als Luftnachrichtenhelferin dient der Freisetzung von Soldaten an die Ostfront. Die Verordnung über die Bildung von Reichsverteidigungsbezirken im Dezember 1942 und die Herabsetzung des Meldealters als Kriegsfreiwillige, vorerst nur für die Waffen-SS, auf 16 1/2 Jahre, deuten auf eine kritische Lage an der Ostfront hin. Jedoch wird die sich anbahnende Katastrophe um Stalingrad, das bereits am 21. November eingeschlossen worden war, noch verheimlicht.


1943

1943 Januar
Die Sammelergebnisse des WHW haben sich im Vorjahr weiterhin erhöht. So konnte der Spendenbetrag von 1940/41 mit 1.073,5 TRM für 1941/42 auf 1.225,2 TRM gesteigert werden. Am 06. Januar wird anstelle des erkrankten Kreisleiters Krüger der Kreisamtsleiter Curt Petzsche mit der Führung der Geschäfte des Kreisleiters beauftragt. Von der Beratungsstelle der NS-Frauenschaft - Deutsches Frauenwerk - in der Eilenburger Straße werden „Pantoffelkurse" als praktischer Zuschuß für das Schuhwerk bei recht reger Beteiligung durchgeführt. Unter der Leitung des Schmiedeobermeisters Willi Morgner findet eine Innungsversammlung im „Weißen Roß", und unter Leitung des Obermeisters für das Bauhandwerk Richter ebenfalls eine Innungsversammlung im „Eisernen-Kreuz" statt, in denen die neuen Richtlinien für eine Kontingentierung von Eisen bzw. Baustoffen durchgesprochen werden. In der Gemeinderatssitzung wurde durch die Ratsherren der Nachtragshaushalt 1942 im ordentlichen Haushalt mit 3.741 TRM (vorher 3.391 TRM) und im außerordentlichen Haushalt mit 583 TRM (vorher 482 TRM) bestätigt. Neuerdings gibt es Stabshelferinnen des Heeres (nicht zu verwechseln mit den Nachrichtenhelferinnen). Ihre Aufgabe ist es, Soldaten in den Dienststellen in den besetzten Gebieten, die bisher für Schreib- und Bürohilfsarbeiten eingesetzt waren, für den Dienst in der Truppe freizumachen. Mädchen und Frauen im Alter von 17 bis 45 Jahre können sich dafür melden. Der Bannführer hat einen Aufruf an alle Schüler im Alter von 10 bis 14 Jahren erlassen, sich für den Landdienst-Osteinsatz zu melden. Sie sollen dort für ihre spätere Tätigkeit als Bauer in den okkupierten Ostgebieten vorbereitet werden. Auf Veranlassung des NS-Lehrerbundes finden von jetzt ab wöchentlieh Morgenappelle für alle Schüler im Alter von 10 bis 14 Jahren zur Vertiefung des nationalsozialistischen Gedankengutes statt.

1943 Februar
Aufgrund der Verlautbarung des OKW über das „Ende des Heldenkampfes" der 6. Armee an der Wolga ist vom Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda die Schließung aller Unterhaltungsstätten für die Zeit vom 04. Februar bis 06. Februar angeordnet worden. Durch das neue Arbeitseinsatzgesetz, das aufgrund des „Totalen Krieges" zur Sicherung des „Endsieges" erlassen wurde, werden alle Männer vom vollendeten 16. Lebensjahr bis zum vollendeten 65. Lebensjahr und alle Frauen vom vollendeten 17. Lebensjahr bis zum vollendeten 45. Lebensjahr zum Arbeitseinsatz verpflichtet. Ausnahmen regelt das Gesetz. Die Meldung muß bis zum 13. Februar im Arbeitsamt erfolgen. In der Jahreshauptversammlung der Stadt- und Kreisgruppe Delitzsch der Kleingärtner e. V gibt der Stadtgruppenleiter den Geschäftsbericht. Danach hat sich die Zahl der Mitglieder im Kreis um 120 auf 2.537 erhöht, und es werden 2.452 Gärten mit 1.138.539 m2 Land bewirtschaftet. Davon haben der Kleingartenverein Delitzsch 567 Mitglieder und 211.365 m2, der Kleingartenverein und Kleinwirte Delitzsch 120 Mitglieder und 104.508 m2, die Volksgemeinschaft Delitzsch 38 Mitglieder und 29.602 m2 und „Früh auf" Delitzsch 33 Mitglieder und 27.504 m2. Bei den Kleingärtnern steht der Gemüseanbau als Beitrag zur Sicherung der Volksernährung im Krieg im Vordergrund. Aufgrund der erhöhten Kriegsanstrengungen ist eine Verordnung über den Einsatz der deutschen Jugend im „Totalen Krieg" erlassen worden. Danach werden die höheren Schüler als Luftwaffenhelfer eingesetzt. Der Einsatz erfolgt in der Nähe des Heimatortes geschlossen nach Klassen. Am 28. Februar werden 140 DRK-Helferinnen nach ihrer Ernennung durch den Kreisführer Landrat Meister im Hotel „Zum Schwan" im Beisein der Bereitschaftsdienstleiterin Aumüller vereidigt. Die Weihe der neuen Fahnen und Wimpel der DRK-Bereitschaften nahm Kreisleiter Krüger vor. Bis Ende Februar erteilt das Wehrmeldeamt Auskünfte über das Schicksal der Stalingradkämpfer.

1943 März
Aufgrund eines Beschlusses der im August 1942 stattgefundenen Hauptversammlung wird die Delitzscher Kleinbahn AG in „Delitzscher Eisenbahn" umbenannt. Die Zustimmung der Aufsichtsbehörde wird in diesem Monat im Amtsblatt der Regierung in Merseburg veröffentlicht. Eine neue Verordnung tritt auch in Dehtzsch in Kraft, wonach dem Mangel an Kleiderstoffen zukünftig in erster Linie durch Reparaturen abgeholfen werden soll. Dazu sind neben den Handwerkern auch Betriebe verpflichtet worden. Die für Reparaturarbeiten vorgesehenen Unternehmen der Bekleidungs- und Textilindustrie dürfen keine Aufträge für Neuanfertigungen mehr annehmen. Eine Lehrbaustelle des Delitzscher Handwerks, bestehend aus drei Räumen, wird in der ehemaligen Zimmerei Hurtig in der Berliner Straße übergeben. Sie wurde durch die Bauinnung und die Zweckverbands-Berufsschule zur neuzeitlichen Berufsausbildung des Bauhandwerkernachwuchses errichtet. Die Schweinemästerei in Beerendorf ist für ein Fassungsvermögen von 100 Tieren erweitert worden. Der Delitzscher Frühjahrsmarkt ist für die Kriegsverhältnisse noch recht ordentlich beschickt worden. Es gibt verschiedene Neuheiten und Praktisches für den Haushalt. An den Lebensmittelständen sowie Wurst- und Fischbrötchenbuden herrscht reger Betrieb, obwohl Lebensmittelmarken dafür abgegeben werden müssen. Am 16. März wird in der Gemeinderatssitzung mitgeteilt, daß der Ratsherr Rauchhaus zur Zivilverwaltung nach Lothringen abgeordnet worden ist. Nach den verlustvollen Kämpfen der Wehrmacht wird am 23. März ein Generalappell für alle Parteigenossen im „Schützenhof` durchgeführt, bei dem die Ausrichtung auf die Aufgaben der Zeit vorgenommen wird. Zur 7. Reichsstraßensammlung, die die letzte des 4. Kriegs-WHW ist, werden wieder Abzeichen verkauft. Dieses Mal sind es Kunstblumen, die naturgeschützte Pflanzen darstellen. Dazu erfolgt auch ein Konzert der Kapelle Wächter auf dem Roßplatz. Am 28. März werden die 14jährigen Jungen reichseinheitlich auf den „Führer" verpflichtet. Damit ist gleichzeitig die Übernahme der Jugendlichen in die HJBDM, die Schulentlassung und der Berufseintritt verbunden. Zur Vorbereitung des dabei geleisteten Treuegelöbnisses sind weltanschauliche Schulungen abgehalten worden. Der Lehrer Balk, nunmehr 71jährig, tritt endgültig in den Ruhestand, nachdem er bei Kriegsbeginn wieder in den Schuldienst gegangen war, um den durch die Einberufung zur Wehrmacht verringerten Lehrkörper zu ergänzen.

1943 April
Ab 01. April werden die „Delitzscher Zeitung", die „MNZ" - Bezirksausgabe Delitzsch/Eilenburg und die „Eilenburger Neueste Nachrichten" zur „Delitzscher Kreiszeitung" zusammengefaßt. Diese erscheint täglich. Es ist eine Verordnung erlassen worden, wonach alle Geschäfte und Betriebe, die nicht für die Kriegswirtschaft von Bedeutung sind, geschlossen werden. Am 03./04. April wird ein WHW-Sammeltag der Wehrmacht durchgeführt, dazu ein Bunter Abend im „Schützenhof". Die Soldaten der Luftwaffe bieten dabei besondere Überraschungen. Nach mehreren Jahren findet am 03. April wieder eine Jahreshauptversammlung des 1. Sportvereins „Concordia" statt. Dabei wird die Ehrung der 26 gefallenen Kameraden und der sechs verstorbenen Sportkameraden vorgenommen. Wie der Vereinsführer Otto Braunsdorf ausführt, soll die Sporttätigkeit nicht wie im 1. Weltkrieg ruhen. Da aufgrund der Kriegsverhältnisse der Wohnungsbau eingestellt wurde, wird durch den Landrat eine Wohnraumlenkung angeordnet. Leerer Wohnraum ist innerhalb von drei Tagen beim zuständigen Bürgermeister zu melden Ein Wohnungstausch und eine Zuteilung von Wohnraum darf nur mit Genehmigung der Gemeindebehörde erfolgen. Am 22. April werden die Schüler der Klasse 6 und der Jahrgang 1926 der Klasse 7 der Oberschule als Luftwaffenhelfer im Raum Bitterfeld eingesetzt.

1943 Mai
Am 01. Mai herrscht Arbeitsruhe; es werden aber keine Veranstaltungen und Beflaggung vorgenommen. Eine 36jährige Frau aus Delitzsch wird wegen Diebstahls von Lebensmitteln und Kleiderkarten, den sie in Leipzig auf dem Weihnachtsmarkt, in einem Kaufhaus und in Delitzsch begangen hat, zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Es ergeht an alle Gemeioden des Kreises eine Aufforderung, den Bau von Luftschutzdeckungsgraben in Selbsthilfe durch die Bevölkerung zu forcieren. Bisher wurden für diese Arbeiten hauptsächlich Kriegsgefangene eingesetzt. Die neue Delitzscher Kindertagesstätte in der Ludwig-Jahn-Straße, deren Bau von der Stadt unter finanzieller Mithilfe durch die Böhme AG und das LW RackWitz 1941 begonnen wurde, wird an die NSV ihrer Bestimmung übergeben. Zur Erschließung von Rohstoffreserven wird zu einer Spinnstoff- und Schuhwerksammlung 1943 aufgerufen. Trotz der Beschränkuagen im totalen Kriegseinsatz gastiert der Hamburger 8-Mast-Zirkus „Belli" in Delitzsch. Ermittlungen über den Verbleib der Afrikakämpfer können beim Wehrmeldeamt beantragt werden. Ab 31. Mai wird die Fleischration pro Person um 100 g/Woche gekürzt.

1943 Juni
Am 01. Juni begeht die, Schmiedemeisterei Morgner ihr 50jähriges Jubiläum. Sie wurde 1893 von Oswald Morgner in der Wiesenstraße 3 gegründet. Sie hat sich auf geschmiedete Sattlerartikel spezialisiert, wofür mehrere Auszeichnungen und Diplome erteilt wurden. Seit 1929 führt sein Sohn Willi die Werkstatt. Ihm wurde, wie schon vorher seinem Vater, das Amt des Innungsobermeisters übertragen. Zum Pfingstfest findet ein Konzert der Musikschule Wächter im Albert-Böhme-Park statt. Eine Verordnung zur Wohnraumversorgung der Luftkriegsbetroffenen sieht vor, daß für diese Nebenwohnungen unterbelegter Wohnraum und zweckentfremdeter Wohnraum bereitzustellen ist. Vom 14. bis 20. Juni findet die Woche der Hitlerjugend mit verschiedenen Veranstaltungen statt. Am 20. Juni endet das diesjährige Schützenfest. Schützenkönig wird Willi Wilke, Ritter werden Fritz Ehricke und Paul Hoffmann. Fritz Reyher jun. wird bester K.K.-Schütze und zum Kronprinzen erklärt. Zum Peter-und-Paul-Markt sind doch recht viele Schausteller und Verkäufer mit mannigfaltigen Auslagen und Neuheiten, vor allem für den Haushalt, anwesend. Der Menschenstrom ist fast so groß wie zu Friedenszeiten. Der „Apfelbiß" findet wieder nicht statt.

1943 Juli
Die Schmiede in der Eisenbahnstraße besteht 50 Jahre. Von Wilhelm Unger 1893 eröffnet, wurde sie 1919 durch Einheirat von Franz Eilenberger übernommen. In der Gemeinderatssitzung am 09. Juli wird Stadtrat Paul Scharf als amtierender Bürgermeister bestätigt, da der Bürgermeister Dr. Frey im Vorjahr zur Wehrmacht einberufen worden war. Anstelle des tödlich in Jugoslawien verunglückten Stadtrates Spangenberg wird als neuer Ratsherr der Postinspektor Mönnich eingeführt. In dieser Sitzung wird die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Generaldirektor Albert Böhme vorgeschlagen. Am 12. Juli verstirbt der allseits beliebte und geachtete Dr. Med. Hugo Kranz im Alter von 65 Jahren infolge eines Herzschlages. Er ist mehrere Jahrzehnte als praktizierender Arzt in Delitzsch tätig gewesen und hat sich durch Einsatzfreude und Hilfsbereitschaft, besonders aber durch seine Leutseligkeit einen Ruf echter Volkstümlichkeit erworben. Am 15. Juli wird wieder eine große Kartoffelkäfersammelaktion durchgeführt. Das Barfußgehen im Sommer - auch in der Schule - wird von der HJ empfohlen, sowohl wegen Einsparung von Schuhwerk als auch wegen seines gesundheitlichen Wertes. Am 16. Juli wird allen Betriebsführern bekanntgegeben, daß für die Jahrgänge 1925, 1926 und 1927 der HJ der Urlaub gesperrt ist, da diese Zeit restlos für die Wehrertüchtigung benötigt wird. Das Sommerlager der HJ wird nur noch im Kreisgebiet durchgeführt.

1943 August
Am 20. August tritt eine Einschränkung von Spinnstoff-waren für verschiedene Kleiderkarten im Interesse der Versorgung der Fliegergeschädigten in Kraft. Am 25. August findet ein KdF-Gastspiel im „Schützenhof` mit der bekannten Künstlerin Gisela Schlüter statt. Die Bevölkerung wird zur tatkräftigen Hilfe für Umquartierte aufgefordert Die Verordnung zur Wohnraumversorgung der luftkriegsbetroffenen Bevölkerung sieht eine planmäßige Erfassung von Wohnraum zwecks zusätzlicher Belegung vor. Darin werden für den Inhaber einer Wohnung eine Anzahl von Wohnräumen entsprechend der Anzahl von Personen + 1 als angemessen festgesetzt. Darüber hinausgehendes ist für die Vermietung bereitzustellen. In akuten Notfällen kann der Eigenbedarf auch verringert werden.

1943 September
Ab 01. September werden Vergnügungsfahrten mit dem Pferdefuhrwerk für die Dauer des Krieges untersagt. Am 01. September besteht das Moorbad Delitzsch 10 Jahre. Die ursprünglichen Moorvorkommen sind erschöpft, aber in der Nähe des Sorauer Bahnhofes sind auf städtischen Wiesen weitere Vorkommen gefunden worden, die sogar eine noch bessere Qualität besitzen. Zwecks Erfassung haben sich alle Männer der Jahrgänge 1884 - 1893 bei der zuständigen Polizeibehörde zu melden. Es wird vor Fallschirmagenten gewarnt, die von feindlichen Flugzeugen zur „Zersetzung der inneren Front" abgesetzt werden. Laut Erlaß des Reichsführers-SS wird jeder, der ihnen hilft, Unterkunft oder Verpflegung gewährt, sofort erschossen. Am 05. September findet der „Tag der Wehrertüchtigung" statt, der der Vorbereitung der Hitlerjugend zum Waffendienst für „Großdeutschlands Freiheit und Größe" dient. 500 Hitlerjungen aus dem Bereich des Bannes im Kreis Delitzsch sind am „Schützenhof" zu einem Appell aufmarschiert.. Danach erfolgt ein Besuch der Ausstellung im „Schützenhof`, die Ausschnitte aus der militärischen Ausbildung der HJ zeigt. Am 16. September wird die Winterspielzeit der Gaubühne - Mitteldeutsches Landestheater Halle - mit dem Schauspiel „Rheinsberg" im "Schützenhof" eröffnet, 11 weitere Vorstellungen folgen bis Juli 1944. Ebenfalls beginnen wieder die KdF-Varietevorstellungen. Am 18. September wird aus Anlaß des 80. Geburtstages des Seniorchefs, Buchhändler Paul Krause, Markt 13, das 125jährige Bestehen der Firma gefeiert. Sie wurde am 01. 10. 1818 von Friedrich Gottlieb Krause als Buchbinderei und Leihbibliothek eingerichtet, 1868 durch Benjamin Krause zur Buchhandlung erweitert, 1890 wurde durch Herrmann Paul Krause eine Buchdruckerei angeschlossen, in der 1899 die „Delitzscher Zeitung" entstand. 1925 übernahm die Buchhandlung Georg Krause, der 1940 als Soldat in Frankreich tödlich verunglückte. Seine Witwe Luise Krause führt seitdem den Betrieb weiter. Am 19. September findet ein Erfassungsappell der HJ aller männlichen Jugenddienstpflichtigen im Alter von 16 bis 18 Jahren statt. Er war vom Landrat bei Androhung polizeilicher Zwangsmaßnahmen bei Nichterscheinen angeordnet worden.

1943 Oktober
Am 01. Oktober feiert der Schuhmachermeister und Schuhhändler Carl Gustav Exner, Breite Straße 19, sein 50jähriges Geschäftsjubiläum. Der jetzt 77jährige ist nach 62 Berufsjahren heute noch tätig. Es wird der Geschäftsbericht der Delitzscher Eisenbahn AG über das Geschäftsjahr 1941/42 veröffentlicht. Er weist im Personen/Gepäckverkehr eine Steigerung von 154.000 RM auf 180.000 RM auf, die Einnahmen im Güterverkehr blieben gegenüber dem Vorjahr mit 158.000 RM fast gleich. Insgesamt war jedoch ein Verlust von 4.450 RM zu verzeichnen, wodurch der Gewinnvortrag des Vorjahres in Höhe von 7.260 RM auf 2.810 RM abgebaut wurde. Es wird der Bau von Behelfsheimen durch das Wohnungshilfswerk verkündet. Am 21. Oktober eröffnet der Gauleiter Eggeling im „Schützenhof` eine Propagandaaktion im Kreis unter der Parole „Alle Kräfte dem Endsieg". Am 31. Oktober findet ein großes Militärkonzert durch ein Musikkorps eines Flakregimentes anläßlich der Gau-Kulturtage statt.

1943 November
Der Abteilungsführer der Freiwilligen Feuerwehr, Stadtbaumeister Alfred Renner, ist zum Stellvertreter des Oberabteilungsführers der Freiwilligen Feuerwehr ernannt worden. Es wird mitgeteilt, daß aufgrund der Leistungen der Landwirtschaft und der planvollen Wirtschaft es ermöglicht wird, zu Weihnachten Sonderzuteilungen auszugeben. Jeder Verbraucher erhält 500 g Weizenmehl, 250 g Zucker, 125 g Butter, dazu erhalten über 18jährige noch 125 g Zuckerwaren, 50 g Bohnenkaffee, 1/2 Flasche Spirituosen und Verbraucher unter 18 Jahren 250 g Zuckerwaren. Wegen Diebstahls von Soldatengut ist ein 30jähriger Mann aus Delitzsch zu einem Jahr und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt worden. Er hatte einem durchreisenden Fronturlauber im Wartesaal des Leipziger Hauptbahnhofes das von ihm dort abgestellten „Führerpaket" gestohlen. Für Frauen mit eigenem Hausstand, die 48 Stunden/Woche arbeiten, wird ab 01. November ein Hausarbeitstag eingeführt. Wenn sie eins oder mehrere Kinder unter 14 Jahren haben, bekommen sie zwei Tage. Außerdem dürfen diese Frauen nicht zur Nacht-, Sonntags- oder Mehrarbeit eingesetzt werden. Am 02. November findet wieder der „Martini- oder Herbstmarkt" statt. Es sind diesmal nur wenige Stände, vor allem mit Gebrauchsartikeln und Tand für Kinder aufgestellt worden. In der Beratungsstelle der NS-Frauenschaft -Deutsches Frauenwerkfindet jetzt anstelle der Nähberatung eine Schuhberatung statt. An die Ortsgruppen der NSDAP ist eine Anordnung ergangen, wonach sie eine „Deutsche Kriegsweihnacht" für Umquartierte und Bombengeschädigte am Heiligen Abend oder am Vorabend durchzuführen haben. Ab dem 24. November werden vorerst keine Kostproben mehr in der Beratungsstelle der NS-Frauenschaft -Deutsches Frauenwerk- ausgegeben. Es wird eine Pflichtablieferung von Geflügelfedern,besonders um Betten für die Bombengeschädigten anfertigen zu können, eingeführt. Am 25. November wird der 10. Jahrestag der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude" begangen.

1943 Dezember
Am 04. Dezember erfolgt ein schwerer Luftangriff auf Leipzig. Evakuierte aus Leipzig, die nach diesem Luftangriff weggezogen sind, werden aufgefordert, sich bei den NSV-Ortswaltern zu melden, um an die Auffangstellen weitergeleitet werden zu können. Am 05. Dezember gibt die hiesige Polizeibehörde bekannt: „Auf unserem Gebiet sind in der letzten Zeit wieder feindliche Flugblätter abgeworfen worden. Jeder anständige Volksgenosse weiß, wie er sich zu den Machenschaften der feindlichen Agitation zu verhalten hat und daher sofort derartige Flugblätter bei der nächsten Polizeistation abzuliefern hat. Wer der Pflicht zur sofortigen Ablieferung nicht nachkommt, macht sich strafbar." Am 05. Dezember erfolgt die Übergabe von Spielwaren, die von der NS-Frauenschaft, der HJ und der DAF angefertigt worden sind, in einer Feierstunde im Hotel „Zum Schwan" an die NS V. Sie sind zum großen Teil für die Kinder im Felde stehender Soldaten, gefallener Väter und bombengeschädigter Familien vorgesehen. Der Chefarzt des Delitzscher Städtischen Krankenhauses, Dr. Zaar, der seit Kriegsbeginn im Fronteinsatz war, hat in diesem Monat seine Tätigkeit wieder aufgenommen. Es wird festgelegt, daß der Schulbeginn nach einem Fliegeralarm dann zur normalen Zeit stattfindet, wenn der Alarm um 23.00 Uhr beendet ist. Falls er danach endet, beginnt die Schule um 9.00 Uhr. Die Lieferung eines Weihnachtsbaumes pro Familie wird trotz der schwierigen Verhältnisse im 5. Kriegsjahr abgesichert. Vom 15. Dezember bis 03. Januar 1944 tritt eine weitgehende Reisesperre ein. Die Anforderung der Verkehrsmittel durch kriegswichtige Transporte lassen keinen Einsatz zusätzlicher Züge zu. Es gilt daher ein besonderes Genehmigungsverfahren,um den Rüstungsarbeitern und den aus den Luftnotgebieten Evakuierten oder Umquartierten Gelegenheit zu einem kurzen Erholungsurlaub im Kreise ihrer Angehörigen zu verschaffen. Weihnachtskerzen gibt es nur noch für Haushalte mit Kindern in den fliegergeschädigten Gebieten, in denen eine normale Stromversorgung gestört ist. Durch eine Anweisung des Reichsluftfahrtministeriums wird eine beschleunigte Fertigstellung der „Kellergassen" durch alle Nachbarhäuser in Selbsthilfe durch die Bewohner und eine Entfernung aller Fenstergitter angeordnet. Ende des Jahres beträgt die Einwohnerzahl 18.386 Personen, davon sind 421 Umquartierte aus den luftgefährdeten Gebieten nur für die Dauer des Krieges hier wohnhaft. Im Jahr 1943 sind 95 Kriegssterbefälle registriert worden.

1943 Zusammenfassung des Jahres
Die katastrophal veränderte Kriegslage hat eine neue Propagandawelle zur Folge. Es wird versucht, der Bevölkerung einzureden, daß der „Endsieg" erreicht wird, wenn sie mit eisernem Willen durchhält. So werden Schulabgänger aufgefordert, sich für den Landdienst im Osten zu bewerben, und für die 10-14jährigen werden wöchentliche Morgenappelle eingeführt. Die vernichtende Niederlage der Wehrmacht in Stalingrad wird als „Heldenkampf" glorifiziert, der einen Garant für den Sieg darstellt. Der nunmehr verkündete „Totale Krieg" bringt auch für unsere Stadt einschneidende Einschränkungen. Es werden verschärfte Verpflichtungen zum Arbeitseinsatz in der Rüstungsindustrie erlassen. Die 16jährigen Oberschüler werden als Luftwaffenhelfer eingesetzt. Die wenigen noch laufenden Bauarbeiten werden eingestellt. Alle nicht kriegswichtigen Betriebe und Geschäfte werden geschlossen. Noch finden Volksfeste wie die Jahrmärkte und das Schützenfest statt; es werden Theater- und Varietevorstellungen veranstaltet. Allmählich macht sich auch der verstärkte Luftkrieg der alliierten Streitkräfte in Delitzsch bemerkbar. Vorerst nur indirekt, indem Umquartierte aus den luftkriegsbetroffenen Gebieten untergebracht werden müssen. Dazu wird eine Wohnraumerfassung zur Belegung angeordnet. Zur besseren Unterbringung der Umquartierten wird der Bau von Behelfsheimen vorbereitet. An verschiedenen Stellen der Stadt, vor dem Berliner Bahnhof (Unterer Bahnhof), am Weg zum Sorauer Bahnhof (Oberer Bahnhof), auf dem Schützenplatz, auf dem alten Friedhof, am Schloß und auf dem Elberitzplatz werden Erdbunker und Splittergraben gebaut. Zum Bau dieser Schutzeinrichtungen werden Kriegsgefangene der westlichen Alliierten eingesetzt. Diese sind in Baracken und Tanzsälen untergebracht. Sie haben im Gegensatz zu den sowjetischen Kriegsgefangenen verschiedene Vergünstigungen, so erhalten sie über das Rote Kreuz Lebensmittelpakete und können sich wesentlich freier auf der Straße bewegen. Es gibt sogar Fußballspiele zwischen Mannschaften von englischen und französischen Kriegsgefangenen. Die Beerdigung verstorbener französischer Soldaten erfolgt sogar in feierlicher Form im Beisein eines französischen Priesters auf dem städtischen Friedhof. Über die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener ist nichts bekannt. Die Vorbereitung der männlichen Jugend auf den Kriegseinsatz wird durch eine erweiterte Ausbildung in den Wehrertüchtigungslagern forciert. Die Zahl der Fliegeralarme nimmt zum Jahresende zu. Von Kriegsbeginn bis Ende 1943 wird für unsere Stadt etwa 110 Mal Fliegeralarm gegeben, Bombenschäden sind bisher nicht zu verzeichnen. Bei dem schweren Luftangriff auf Leipzig in der Nacht vom 04. auf den 05. Dezember ist der Feuerschein der brennenden Stadt bis nach Delitzsch zu sehen.


1944

1944 Januar
Es wird ein neues Luftschutzsignal, die „Vorentwarnung" eingeführt. Damit existieren folgende Sirenensignale:
1. Öffentliche Luftwarnung: 3x hoher Ton in einer Minute, einzelne Flugzeuge im Warngebiet
2. Fliegeralarm: eine Minute auf- und abschwellender Ton, Verbände im Warngebiet
3. Vorentwarnung: wie erstens, noch einzelne Flugzeuge halten sich auf
4. Entwarnungeine: Minute hoher Ton.
Die Delitzscher Malermeister werden mit der äußerlichen Kennzeichnung der privaten Luftschutzräume beauftragt. Es werden Postleitzahlen für das gesamte Reich eingeführt. Der Gau Sachsen, der Gau Halle/Merseburg und der Thüringer Kreis Altenburg erhalten die Nummer 10. Am 03. Januar findet eine Großvarieteveranstaltung im „Schützenhof" mit der bekannten Filmschauspielerin Rotraud Richter statt. Am 17. Januar werden die Kriegsberufswettkämpfe eröffnet. Sie dauern bis zum 15. Februar. Im Kreisgebiet nehmen daran 2.600 Jugendliche teil. Von diesen werden nach Abschluß 23 zum Reichsentscheid weitergemeldet. Am 18. Januar wird der Jahrgang 1928 als Luftwaffenhelfer eingezogen. Im Einsatzort im Raum Bitterfeld erfolgt auch ein verkürzter Schulunterricht. Am 30. Januar wird eine Gedenkstunde anläßlich des 11. Jahrestages der Machtergreifung Adolf Hitlers im „Schützenhof" von den Delitzscher Ortsgruppen der NSDAP durchgeführt. Im Anschluß daran findet ein Umzug durch die Stadt statt.. Ende Januar sind 386 ausländische Zivilpersonen in der Stadt registriert.

1944 Februar
Es wird an die Siedler in Stadt und Kreis appelliert, Land für den Bau von Behelfsheimen für Bombengeschädigte zur Verfügung zu stellen, insbesondere durch Verpachtung. Ein Rohbaumuster ist in der verlängerten Körnerstraße (Poetenweg) errichtet worden. Der stellv. Bürgermeister, Stadtrat Scharf, stellt für weitere Bauten im Westen der Stadt entsprechendes Gelände zur Verfügung. „Der Bauherr kann das Behelfsheim nach dem Endsieg sehr gut als Wochenendhaus weiter nutzen." Am 25. Februar findet der erste der drei Delitzscher Jahrmärkte kriegsbedingt nur noch in kleinem Umfang statt. Nur eine kleine Anzahl von Ständen ist vorhanden und locken auch nur noch wenige Besucher an.

1944 März
Am 11. März werden zwei Säle der Stadt zur Aufnahme von evakuierten Schülern aus Halle eingerichtet. Der „Heldengedenktag" am 14. März wird mit einer Kranzniederlegung durch eine Wehrmachtsabordnung am Kriegerdenkmal am Halleschen Turm begangen. Der Luftkrieg über Deutschland nimmt zu. Daher werden ab 21. März Luftlagemeldungen über den Rundfunk bekanntgegeben. Alle Sender des Reichsrundfunks geben diese Meldung jede volle Stunde, bei Änderungen der Luftlage auch zwischenzeitlich. Der Delitzscher Tischtennisspieler Christoph ist als Teilnehmer der Spiele um die Deutschen Meisterschaften in Breslau ausgewählt worden. Ab 27. März führt das „Deutsche Frauenwerk" eine Woche lang eine Ausstellung in seiner Beratungsstelle Eilenburger Straße 8 unter der Losung „Hausfrau, das Deutsche Frauenwerk hilft Dir" durch nach dem Motto „Aus Alt mach Neu". In der Gemeinderatssitzung am 30. März wird des am 06. 10. 1943 gefallenen Ratsherrn Schulze gedacht. Weiterhin wird der ordentliche Haushaltsplan mit 3.994.000 RM und der außerordentliche mit 330.000 RM bestätigt und das Geld für ein Geschenk (kunstgewerbliche Schale) zum Jubiläum der Böhme AG bewilligt.

1944 April
Ab 01. April wird die Provinz Sachsen zur Vereinheitlichung von Staat und Partei aufgelöst. Unsere Stadt gehört nunmehr zur Provinz Halle/Merseburg. Der Gauleiter Eggefng steht als Oberpräsident an der Spitze der Verwaltung und ist gleichzeitig Reichsverteidigungskommissar. Am 01. April besteht die Böhme AG 50 Jahre. Albert Böhme, ein Delitzscher Kind, steht noch an der Spitze des Unternehmens als Betriebsführer. Eine Neuregelung zum Luftschutzbereitschaftsdienst in den Betrieben und Verwaltungen legt den Einsatz pro Monat fest, und zwar:
für männliche Jugendliche von 15 Jahren viermal,
für männliche Jugendliche von 16 und 17 Jahren achtmal,
für Männer über 18 Jahren zehnmal,
für weibliche Jugendliche von 15 bis 18 Jahren viermal,
für Frauen über 18 Jahren achtmal,
für Frauen mit einem und zwei Kindern viermal.
Zur Verstärkung der Polizei ist vor einiger Zeit ein: ehrenamtlicher Dienst, die „Stadtwache" geschaffen worden. Ältere militärisch ausgebildete Männer mit einer weißen Armbinde, die die Aufschrift „Stadtwache" trägt, sind während ihres Einsatzes bewaffnet und mit Polizeibefugnis versehen. Sie kommen vor allem bei Luftangriffen, Soforthilfen und bei Suchaktionen nach abgesprungenen Piloten und „Saboteuren" sowie bei der Bewachung abgeschossener Flugzeuge zum Einsatz. Am 29./ 30. April findet ein großes Wehrschießen unter der Leitung der SA, die dazu aufgerufen hat, statt. Es sind etwa 1.000 Teilnehmer erschienen.

1944 Mai
Vom 07. bis 27. Mai findet eine Spinnstoffsammlung unter der Losung „Unsere Front muß gut ausgerüstet bleiben" statt. Die BDM-Handballmädchen sind Gebietsmeister geworden und spielen am 07. Mai gegen den Gebietsmeister von Thüringen. Am 25. Mai findet die diesjährige Generalversammlung der Volksbank Delitzsch unter der Leitung des Aufsichtsratsvorsitzenden Herrmann Mietzsch statt. Den Geschäftsbericht für 1943, dem 94. Geschäftsjahr, hält Walter Hofmeyer. Es wird als gutes Geschäftsjahr ausgewiesen. Die Bilanzsumme erhöhte sich um 1 Mio. RM, der Wertpapierbestand stieg auf 2,750 Mio. RM, die Zunahme der Einlagen betrug 1,021 Mio. RM, das Bankguthaben stieg auf 2,7 Mio. RM. Die 740 Mitglieder besitzen 1.023 Anteile, der Reingewinn betrug 28.050 RM. Das Schützenfest findet in diesem Jahr ohne Volksfest statt. Das Pfingstschießen der Schützengilde wird in den Schießständen des „Schützenhofes" abgehalten. Die beiden Königsschießen werden in Schützenuniform ausgeübt. Fritz Reyher jun. wird der Schützenkönig von 1944, Rathmann der 1. Ritter und Max Kuhn der 2. Ritter.

1944 Juni
Die Mästerei des EHW in Beerendorf wird von Schwein auf Schaf - wie jetzt im gesamten Reichsgebiet eingeführt - umgestellt. Daraus entsteht der Vorteil, daß außer Fleisch auch Wolle erzeugt wird. Zur Zeit sind dort 150 Hammel eingestellt. Am 29. Juni findet wieder der traditionelle Peter-und-Paul-Markt statt, jedoch wieder ohne „Apfelbiß". Obwohl wenig Buden im Vergleich zu früher aufgestellt sind, ist ein lebhafter Besuch durch die Landbevölkerung zu verzeichnen, da dieser Tag von ihnen zum allgemeinen Einkauf in der Stadt benutzt wird. Aufgrund einer Verordnung wird für alle Männer vom 16. bis 65. Lebensjahr und für alle Frauen im Alter von 17 bis 45 Jahren (Ausnahme: werdende Mütter, Frauen mit einem schulpflichtigen Kind oder mit zwei Kindern unter 14 Jahren) die Arbeitspflicht eingeführt. Die Meldungen erfolgen im Arbeitsamt.

1944 Juli
Allen Hausbesitzern wird die Pflicht auferlegt, an den Kellerfenstern angebrachte Gitter zu entfernen, vor allem deshalb, um eine Rettung von in Luftschutzkellern eingeschlossenen Bürgern zu erleichtern. Am 07. Juli findet im Mitteldeutschen Raum, besonders zwischen Halle und Dessau, eine Luftschlacht statt, bei der über dem Raum Delitzsch ein feindlicher Bomberverband zerstreut wird. Dabei werden 38 Bomben auf Feldern in Richtung des Flugplatzes Spröda abgeworfen. Ab 17. Juli wird zur Einschränkung des Reiseverkehrs bis auf weiteres ein Reisegenehmigungsverfahren verordnet.

1944 August
Seit fast 1 1/2 Jahren stehen bereits die ältesten Jahrgänge der Mittelund Oberschüler als Marine- und Luftwaffenhelfer im Rahmen des HJ-Kriegseinsatzes bei den Flak- bzw. Küstenschutzbatterien, wodurch die Soldaten für den Fronteinsatz freigestellt werden konnten. Ab 01. August tritt nunmehr eine Änderung ein. Im Interesse einer gründlichen Schulausbildung wird nur noch der älteste Jahrgang herangezogen, dafür werden die Jungarbeiter des Jahrganges 1928 aufgerufen, sich als Luftwaffenhelfer freiwillig zu melden. Wie für die Schüler, wird auch für die Jungarbeiter der Berufsschulunterricht in Theorie und Praxis weitergeführt. Der Einsatz erfolgt in der Regel örtlich. Es ist ein Aufruf an die Jugendlichen des Jahrganges 1928 erlassen worden, sich kriegsfreiwillig zu melden. In mehreren Bekanntmachungen wird mitgeteilt, daß erneut feindliche Luftangriffe auf mitteldeutsches Gebiet stattgefunden haben, bei denen in mehreren Orten Häuser zerstört und Personen verletzt und sogar getötet wurden. Vor Tieffliegerangriffen, besonders bei Feldarbeiten, wird gewarnt. Am 16. August wird der Flugplatz in Spröda durch feindliche Bomber angegriffen. Dabei werden die Flugzeug- und Montagehalle sowie das Rollfeld zerstört. Das Vorwerk des Rittergutes Beerendorf wird dabei mit beschädigt, eifite Frau und ein Schäfer werden dabei getötet und 150 Schafe verbrennen in den Ställen. Die Mühle von Beerendorf wird durch Brandbomben getroffen und brennt ab. In einem Aufruf werden alle Frauen zwischen 45 und 50 Jahren aufgefordert, sich für die Mitarbeit an den Aufgaben der Reichsverteidigung zu melden. Alle Frauen des Kreises, die in Frage kommen, müssen bis Monatsende beim Arbeitsamt den betreffenden Meldebogen abgeben. Eine Unterlassung dessen zieht strengste Bestrafung nach sich. Für die aus Ostpreußen Umquartierten, die aus Tilsit und dem Memelland gekommen sind, wird eine Sonderzuteilung an Fisch abgegeben. Das bedenkliche Vordringen des Kartoffelkäfers macht eine weitere Suchaktion erforderlich, wobei neben den Schülern auch Arbeitskräfte aus den Ausländerlagern zum Einsatz kommen. Die BDM-Führerinnen sind von einem vierwöchigen Einsatz im Warthe-Land zurückgekehrt, wo 800 umgesiedelten Familien aus dem Buggebiet bei der Erntearbeit geholfen wurde. Auch bei neu angesiedelten Bauern in Lothringen (Kreis MM-Land) waren Helferinnen tätig.

1944 September
Aufgrund einer Verordnung vom 01. September wird ab sofort die 60-Stunden-Woche in denjenigen Betrieben und Verwaltungen eingeführt, in denen es der Arbeitsanfall für die Kriegswirtschaft erfordert. In der Zeit vom 02. bis 04. September finden zu Beginn des 6. Kriegsjahres „Großappelle der kriegsfreiwilligen Jugend im gesamten Großdeutschen Reich" statt. Deshalb nimmt die Hitlerjugend von Delitzsch am 02. September auf dem Marktplatz im offenen Geviert Aufstellung. Die Kriegsfreiwilligen sind in einem Sonderblock in der Mitte aufmarschiert. Der Kreispropagandaleiter Hartmann spricht mahnende, ernste Worte an die Mannschaft. Danach erhalten sie einen Kriegsfreiwilligenausweis und damit das Recht, eine rote Litze als Zeichen auf der Schulterklappe zu tragen. Ein ähnlicher Appell findet am 04. September im RAW unter Teilnahme der Jugendlichen aus den Kleinbetrieben und der Lehrwerkstatt Delitzsch statt. Eine neue Verfügung besagt, daß auch der letzte Sohn eines im Weltkrieg Gefallenen nicht mehr aus der kämpfenden Truppe zurückgezogen werden darf. Bei fünf oder mehr im Wehrdienst stehenden Söhnen darf nur dann einer zurückgestellt bzw. entlassen werden, wenn die Eltern ihn zur Erhaltung ihrer Existenz benötigen. Wird dieser nur „als Bluterbe" benötigt, kann er nicht entlassen, sondern nur aus der kämpfenden Truppe zurückgezogen werden. Ab 14. September wird die Gasversorgung auf die Zeit von 4.30 bis 7.00 Uhr, 10.00 bis 12.00 Uhr und 19.30 bis 20.00 Uhr beschränkt. Es sind jedoch Arbeiten im Gange, um die Sperrzeiten bald wieder zu verringern. Als neue Maßnahme zur Versorgung der Bevölkerung wird in Delitzsch eine Annahmestelle für Strümpfe, für die ein Stopfen nicht mehr lohnend ist, eingerichtet. Dort werden Damen- und Herrenstrümpfe in einer Reparaturaktion durch Ansohlen bzw. Anfußen wieder zur Auffrischung des Strumpfbestandes gegen Abgabe von 1/2 bis 1 Punkt der Kleiderkarte hergerichtet.

1944 Oktober
Das durch das „Sozialwerk der DAF" zwischen Damaschkestraße und General-Maercker-Straße errichtete Gebäude ist fertiggestellt worden. Das in Barackenbauweise errichtete Gemeinschaftslager ist für die von auswärts kommenden Junghandwerker vorgesehen; zur Zeit ist es jedoch mit 75 ausländischen Arbeitskräften aus Italien und Frankreich belegt. Die Firma Meyerhofer feiert ihr 125jähriges Bestehen. 1819 eröffnete Johann Meyerhofer das Geschäft in der Eilenburger Straße 5, das damspäter immer wieder von dem Vater auf den Sohn überging. Sein Sohn Joseph erwarb das Grundstück Bitterfelder Straße 13 (das ehemalige Hirtenhaus des Stadtgutes), auf dem der Enkel des Gründers, Paul Meyerhofer, 1891 ein neues Haus erbaute. Der jetzige Inhaber heißt auch Paul. Im Rahmen der Vorbereitung der Jugend auf den Kriegseinsatz wird am 08. Oktober der „Tag der Wehrertüchtigung" begangen. Ab 16. Oktober wird eine Kürzung der Brotration vorgenommen, und zwar für den Normalverbraucher um 200 g/Woche. Damit erhält dieser nunmehr 2.225 g/Woche, das sind 175 g weniger als bei Kriegsbeginn und 225 g mehr als bei der niedrigsten Zuteilung in der Zeit vom 01. 04. bis 19.10. 1942. Am 18. Oktober erscheint ein „Aufruf des Führers zur Aufstellung eines Volkssturmes zur Verteidigung des Vaterlandes". Darin heißt es: „Zur Verstärkung der aktiven Kräfte unserer Wehrmacht und insbesondere zur Führung eines unerbittlichen Kampfes überall dort, wo der Feind deutschen Boden betreten will, rufe ich alle waffenfähigen Männer im Alter vom 16. Bis 50. Lebensjahr zum Kampfeinsatz auf." Ältere über 60 Jahren können sich freiwillig melden. Daraufhin wird durch das Landratsamt eine Meldung aller gestellungspflichtigen Männer der Jahrgänge 1884 - 1928 zum Deutschen Volkssturm am 25. Oktober auf dem Schützenhofplatz und Jahnplatz angeordnet.
Aus dem Polizeibericht für Oktober geht u. a. hervor:
Vier Anzeigen und 81 Verwarnungen für Verstoß gegen die Ausländerbestimmung;
Eine Anzeige und 173 Verwarnungen für Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung;
Zehn Anzeigen und 14 Verwarnungen für Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz;
Sechs Anzeigen und 16 Verwarnungen für Verstoß gegen die Verdunkelungsbestimmungen;
17 Verwarnungen für Verstoß gegen das Luftschutzgesetz;
25 Verwarnungen für Verstoß wegen groben Unfugs;
Drei Anzeigen für Verstoß gegen die Gewerbeordnung;
Zwei Anzeigen für Verstoß gegen die Lichtspielgesetze.
Am 26. Oktober treffen 1.200 Grenzlandbewohner aus der Gegend von Aachen ein. Sie werden in der Stadt und in Dörfern in Privatquartieren untergebracht.

1944 November
Am 02. November werden durch einen Bombenangriff in der Gemarkung Beerendorf am Flugplatz drei Personen getötet. Der erste Appell des neu aufgestellten Volkssturmes findet am 05. November zur Einteilung in die Kompanien und die Formierung des Bataillons statt. Nach Vorstellung der Kompanieführer, die vorwiegend durch SA-Führer gestellt werden, folgt die Einteilung in Züge und Gruppen, die von Frontkämpfern der beiden Weltkriege geführt werden. Danach stellt sich der Bataillonsführer vor und gibt bekannt, daß die Vereidigung am 12. November stattfindet. Anfang November wird die Einsparung des Gasverbrauches gegenüber der letzten Abrechnungsperiode um 20 % und Ende November sogar um 30 % verordnet. Am 14. November wird ein Aufruf des „Reichsnährstandes" an sämtliche Tierhalter bekanntgegeben, daß bis Anfang Dezember den Pferden die Schwänze und Mähnen und den Rindern die Schwänze zu stutzen sind. Die dadurch gewonnenen Tierhaare sind zur Deckung des dringenden Bedarfes von Rüstung und Wirtschaft abzuliefern. Gleichzeitig wird an die Pflicht erinnert, daß alle Kaninchenfelle abzuliefern sind. Die Zahl der Luftangriffe auf das Gaugebiet nimmt ständig zu, so wird am 21. November ein Großangriff im Raum Halle gemeldet. Am 28. November reffen weitere Evakuierte aus der Gegend um Köln ein. Alle Orte westlich des Rheins werden von der „nicht kriegsverwendungsfähigen" Zivilbevölkerung geräumt.

1944 Dezember
Der Schulbeginn nach Fliegeralarm in der Zeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr, bei den oberen Klassen der höheren Schulen zwischen 22.00 und 6.00 Uhr, wird auf die zweite Stunde verlegt. Es ergeht ein Appell an alle BDM-Mädchen im Alter von 18 bis 21 Jahren, sich am 17. Dezember zum Einsatz als Wehrmachtshelferin zu melden. Der Jahrgang 1929 kann sich ab sofort für die Unteroffiziers- und Offizierslaufbahn beim Nachwuchsoffizier in Eilenburg melden. Die Einberufung erfolgt mit dem vollendeten 17. Lebensjahr. In der Gemeinderatssitzung am 19. Dezember wird festgelegt, daß vorbereitende Gespräche für die Einrichtung eines „Ehrenfriedhofes für die gefallenen Helden" geführt werden sollen. Die Luftwaffenhelfer des Jahrganges 1928 aus der Oberschule werden am Heiligabend zur Luftverteidigung in die Eifel verlegt. Zum Jahresschluß erfolgt keine Verlängerung der Polizeistunde. Die Anzahl der in der Stadt angemeldeten ausländischen Zivilpersonen hat sich auf 494 erhöht. Im Jahr 1944 sind 81 Kriegstote registriert worden.

1944 Zusammenfassung des Jahres
Die militärischen Niederlagen werden immer schwerer, die allgemeine Lage der Zivilbevölkerung verschlechtert sich weiter. Dafür mehren sich die Parteiversammlungen und Kundgebungen mit ihren Durchhalteparolen. Besonders einschneidend auf das tägliche Leben wirken sich die immer häufiger werdenden Luftangriffe aus. Auch wenn unsere Stadt davon nicht direkt betroffen wird, so hat die Unterbringung der Evakuierten, darunter ganze Schulklassen, und deren Versorgung weitere Einschränkungen zur Folge. Immer mehr Familien erfahren viel Leid durch die stark angestiegenen Verluste von Menschenleben an der Front. Die Sorgen erhöhen sich durch das Herabsetzen des Einberufungsalters auf 17 Jahre. Angaben über die Anzahl der gefallenen Soldaten werden seit geraumer Zeit nicht mehr gemacht, auch nicht am „Heldengedenktag" im März. Der Luftschutzdienst beginnt bereits mit 15 Jahren und die Arbeitspflicht wird wesentlich ausgeweitet. Es werden schon die 16jährigen Jungen zur Freiwilligmeldung als Soldat aufgerufen. Das Schützenfest und der Peter-und-Paul-Markt finden, wenn auch im bescheidenen Rahmen, dennoch statt. Mit der erfolgreichen Landung der Alliierten in Frankreich und dem Attentat auf Hitler schwindet beim großen Teil der Bevölkerung die Hoffnung auf den „Endsieg", der immer noch offiziell beschworen wird. Im Juli fallen die ersten Bomben in unmittelbarer Nähe der Stadt, und bei einem Luftangriff am 16. August wird der Flugplatz in der Spröde erheblich zerstört. Die ersten „Umquartierten", wie die Flüchtlinge aus dem Osten Deutschlands genannt werden, reffen Ende August im Kreisgebiet ein, bald werden es immer mehr. Dazu kommen bis Jahresende noch viele Umgesiedelte aus dem Raum Aachen und Köln. Die Lebensmittelrationen werden weiter gekürzt. Im Oktober müssen sich alle noch in der Heimat verbliebenen Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren für den „Volkssturm" melden. Die Bombengefahr nimmt rapide zu. Am Jahresende herrscht eine bedrückte Stimmung. Wohl jeder fürchtet, daß nun auch unsere Stadt nicht mehr von den Kriegszerstörungen verschont bleiben wird.


1945

1945 Januar
Die NSDAP erläßt einen Aufruf an das deutsche Volk zur Sammlung für ein „Volksopfer". Danach wird auch in Delitzsch vom 07. bis 28. Januar gesammelt, und zwar Uniformen und deren Teile, tragfähiges Schuhwerk, Zeltbahnen, Decken, Brotbeutel, um nur einiges zu nennen. Ein 50jähriger Angestellter der Stadtverwaltung ist wegen fortgesetzter Entwendung von Lebensmittelkarten zum Tode verurteilt worden. Zuchthausstrafen wegen Hehlerei erhalten seine Ehefrau und andere Helfershelfer. Von ihm sind Lebensmittelkarten für mehrere hundert Zentner Brot und für große Mengen Fleisch und Butter unterschlagen und über seine Helfershelfer in Leipzig an Ausländer verkauft worden. Der Schulbeginn am 09. Januar wird wegen Kohlemangels vorerst verschoben. Am 16. Januar werden in allen Schulen Schulappelle durchgeführt. Der Bezug von Hausbrandkohle wird trotz der bisherigen Berechtigung um weiteres eingeschränkt. Der Bau von Behelfsheimen hat begonnen. Nachdem bereits im Dezember die ersten Flüchtlinge aus Ostpreußen eingetroffen waren, steigt in der zweiten Hälfte Januar die Zahl der Flüchtlinge spürbar an, nachdem die Ostoffensive der Sowjetarmee weitere Erfolge erzielt hat. Ab 22. Januar fallen alle D- und E-Züge aus, und der Reiseverkehr wird eingeschränkt. Für jede Reise ist eine Genehmigung zu beantragen. Ende Januar ist eine starke Zunahme des Flüchtlingsstroms zu verzeichnen. Tag und Nacht ziehen vollbesetzte Wagenkolonnen durch die Stadt. Ihre Wegroute ist von Eilenburg kommend über die Bismarckstraße, Hindenburgstraße (August-Bebel-Straße). Richard-Wagner-Straße nach Richtung Halle. Oft tritt ein Halt wegen der Verstopfung auf der Straße ein. Die Flüchtlinge erhalten eine Versorgung mit Kaffee durch Schwestern des Roten Kreuzes. Ein Teil der Flüchtlinge findet hier sein Ziel und muß vorerst in Gasthaussälen und Schulen untergebracht werden. Daher werden die Schulen auf unbestimmte Zeit geschlossen. Nach und nach soll eine Verteilung in Quartiere in der Stadt und im Kreis erfolgen. Die Verteilungsstelle im Rathaus ist Tag und Nacht geöffnet Zusätzlich sind die Familien der Angehörigen des RAW Oppeln unterzubringen, weil durch das Vorrücken der sowjetischen Armee der Reichsbahnbetrieb Oppeln in das Innere des Reiches verlagert werden mußte. Mit drei langen Dtehgestellwagenzügen sind etwa 3.000 Menschen, davon etwa 1.000 aktive Eisenbahner, hier eingetroffen. Auch sie werden notdürftig in der Stadt und den umliegenden Dörfern untergebracht.

1945 Februar
Ein Teil der Oppelner Eisenbahner wird mit ihren Angehörigen an das RAW München-Neuaubing überwiesen. Meist ältere Werkstattarbeiter bleiben hier und nehmen als RAW Oppeln in Delitzsch die Arbeit wieder auf: Der Flüchtlingsstrom hält weiter an. Die Flüchtlinge kommen jetzt aus Pommern, Ostbrandenburg, in der Hauptsache aber aus dem Warthegau und aus Schlesien. Ab Anfang Februar werden zwecks Stromersparnis die Ladenschlußzeiten auf 16.30 Uhr gelegt, Ausnahme bilden die Lebensmittelgeschäfte, die bis 19.00 Uhr geöffnet haben. Ab 06. Februar wird der Kartoffelverbrauch eingeschränkt Alle Versorgungsberechtigten, die 150 kg Speisekartoffeln eingekellert haben, müssen 25 kg/Person abgeben. In den ersten Tagen des Februar ergeht ein Aufruf an die Bevölkerung. Zur Versorgung der aus den Ostgauen geflüchteten Einwohner sollen die Bestände nach entbehrlichen Decken überprüft werden. Diese können bis zum Ende des verlängerten „Volksopfers" abgeliefert werden. Ab Mitte Februar besteht die Delitzscher Kreiszeitung bis auf die Sonntagsausgabe nur noch aus einem Blatt. Am 14. Februar ergeht ein Aufruf zur Bildung eines freiwilligen „Hilfsdienstes für den Volkssturm", bestehend aus Frauen, die in den Nähstuben für dessen Uniformen und Ausrüstungen sorgen. Am 17. Februar werden etwa 150 Eisenbahner, die aus Schneidemühl zurückgeführt wurden, in Klassenräume der Oberschule einquartiert. Am 21. Februar erscheint eine öffentliche Warnung vor Tieffliegern und Hinweise über das Verhalten bei deren Erscheinen. Die Tages- und Nachtalarme haben in der letzten Zeit ständig zugenommen. Am 26. Februar werden fast alle Unterrichtsräume der Schulen zur Unterbringung von Flüchtlingen in Anspruch genommen. Ein Notschulunterricht wird in Schichten in den Resträumen durchgeführt. Am 27. Februar erfolgt ein schwerer Luftangriff auf Halle, bei dem 312 Tote zu beklagen sind. Der Feuerschein der brennenden Stadt ist von Delitzsch aus zu sehen.

1945 März
Nachdem bereits seit Mitte Januar eine Leitstelle für Rückgeführte, wie jetzt die neue Bezeichnung für Flüchtlinge war, in den Räumen der NSV-Amtsleitung in der Hermann-Göring-Straße (Dübener Straße) eingerichtet worden war, die Tag und Nacht geöffnet war und die auch Kaffeestationen an den Straßenkreuzungen unterhielt, wird ab Mitte März zur besseren Betreuung ein Bahnhofsdienst am Berliner und Sorauer Bahnhof, dem eine DRK-Station angeschlossen ist, eingerichtet. Die Organisation erfolgt durch die NSV in Zusammenarbeit mit der HJ und der NS-Frauenschaft. , Am 14. und 21. März wird der Jahrgang 1929 gemustert. Die für „tauglich" Befundenen des 1. Musterungstermins werden am folgenden Wochenende zum RAD eingezogen. Sie verrichten Schanzarbeiten hinter der Ostfront, in Ostsachsen und Niederschlesien.

1945 April
Etwa 80 KZ-Häftlinge, deren Lager wegen der Frontlage aufgelöst worden ist, werden durch die Stadt in Richtung Spröda geführt. Ein weiterer Transport wird über den Markt und die Leipziger Straße nach Döbernitz getrieben. Von ihnen werden 14 Häftlinge an der Sandgrube östlich von Döbernitz von dem SS-Begleitkommando erschossen, weil sie vor Erschöpfung zusammengebrochen sind. Am 14. April stehen die Armeen der Westalliierten bei Wittenberge und Magdeburg und damit an der Elbe, die Saale ist bereits überschritten und amerikanische Truppen stoßen auf Leipzig vor. Fast stündlich ist am Tag Fliegeralarm. Deshalb ist der Schulunterricht nicht mehr durchführbar und die Schulen sind geschlossen. Es wird das neue Sirenensignal „Feindalarm" (auch „Panzeralarm" genannt) bekanntgegeben. Die Bevölkerung der Stadt ist sehr beunruhigt. Es wird mit dem Anlegen einer Verteidigungsstellung am Westrand der Stadt begonnen. Am 15. April werden die Baracken, Bahnanlagen und Lagerräume' des Flugplatzes in Spröda gesprengt. Am 15. April stirbt ein 11jähriger Junge im Krankenhaus, der beim Spielen mit einer Panzerfaust schwer verletzt worden ist. Am 16. April greift ein amerikanisches Kampfflugzeug den Berliner Bahnhof mit Bomben an. Dadurch wird der nördliche Teil des Bahnhofes mit der Bahnhofsgaststätte und der Warteraum mit Schalter in Schutt und Asche gelegt. Elf Personen, darunter der Bahnhofswirt und dessen Ehefrau sowie mehrere Fremdarbeiter, werden getötet und weitere Personen verletzt, davon einige schwer, von denen vier ihren Verletzungen erliegen. Am 17. April beschießt ein Tiefflieger die Bismarckstraße/Ecke Eisenbahnstraße, wobei eine Frau und ein Kind den Tod finden. Am 20. April 1945 wird Delitzsch von den amerikanischen Truppen besetzt, und der Krieg ist damit für die Stadt und deren Bevölkerung beendet. Bereits vor dem 20. April bemühten sich unabhängig voneinander der amtierende Bürgermeister Paul Scharf und eine Gruppe der KPD um Herrn Geithe darum, die Stadt Delitzsch mit geringsten Verlusten und Zerstörungen den nahenden Amerikanern zu übergeben. Aus dem Bericht des Bürgermeisters Scharf zur kampflosen Übergabe: Am Freitag, den 13. April, eine Woche vor der Besetzung, wurde mit der Anläge einer Verteidigungsstellung westlich ganz am Rande der Stadtbegonnen. Gleich bei Beginn meines Dienstes entschlossen wir uns am Sonnabend, den 14. April, zum Platzkommandanten Löser in das Wehrmeldeamt zu gehen und zu fordern, daß eine Verteidigung der Stadt Delitzsch unterbleibe. Bekanntlich war einige Tage vorher durch den Rundfunk eine Anordnung Hitlers erfolgt, die außerdem als Geheimbefehl vorlag, wonach jede Beeinflussung militärischer und amtlicher Stellen zur Unterlassung von Kampfhandlungen mit Todesstrafe bestraft wurde, sowohl für die Veranlasser, wie für deren Familien. Oberstleutnant Löser erklärte, daß er als Platzkommandant befehlsgemäß die Stadt Delitzsch zu verteidigen habe. Wir haben ihn in Verhandlung veranlaßt, daß er bei seinem vorgesetzten Kommandeur anrief und diesem erklärte, daß er aufgefordert sei, die Stadt kampflos zu übergeben. Dieses Ansuchen wurde abgelehnt. Ungeachtet dessen haben wir einige Stunden später den Landrat Meister mit zum Wehrmeldeamt genommen und in dessen Gegenwart dem Oberstleutnant Löser unsere Forderung erneut gestellt. Abermals ohne den gewünschten Erfolg. Uns gelang es nur, daß die Verteidigungslinie weiter vor die Stadt geschoben wurde. Nunmehr wurde Oberstleutnant Löser wegen der von ihm begangenen Disziplinlosigkeit, die Weitergabe unserer Forderung an seinen Kommandeur, abgelöst und durch einen neuen Kampfkommandanten ersetzt. Der neue Kampfkommandant Major Glatzel forderte in den späten Abendstunden des 17. April eine Besprechung, und zwar mit mir, dem Landrat und dem Kreisleiter. Kurz vor dieser Sitzung habe ich mit dem Landrat über das gemeinsame Vorgehen bei der Sitzung gesprochen und Dr. Hoyer telefonisch dazugebeten. Im Wehrmeldeamt fand ich an einem mit großen Karten bedeckten Tisch den kommandierenden General mit seinem Stab, den Kampfkommandanten und Oberstleutnant Löser vor. Diese legten die endgültigen Verteidigungsmaßnahmen für die Stadt Delitzsch fest. Anschließend legte uns Major Glatzel in meinem Zimmer auf dem Rathaus seine Ansichten über die Verteidigung der Stadt dar. Bereits bei diesem ersten Zusammentreffen habe ich den Kampfkommandanten veranlaßt, die Verteidigung der Stadt weit vor die Stadt zu legen und auf keinen Fall innerhalb der Stadt. Hierauf ging Major Glatzel ein. Kurz nach dieser Abrede erschien noch unerwartet der Kreisleiter Krüger mit seinem Stabsleiter Harttann für kurze Zeit. Sie informierten sich, ohne die Einzelheiten dieser Aussprache zu kennen. Bei dieser Aussprache hat Major Glatzel vollstes Verständnis für unsere Pläne und Absichten gezeigt, was ich nachdrücklich bemerken möchte, ohne seinen guten Willen wäre manches schwieriger gewesen. Unsere eigene Lage wurde immer gefährlicher, unser Vorhaben war inzwischen bereits bekannt geworden. Im Stab des Bataillons befanden sich zwei Männer der Gestapo. In den frühen Morgenstunden des Mittwoch, 18. April, wurde in den Kellern des Rathauses eine Befehlsstelle eingerichtet. Hier hatte Dr. Hoyer eine der vorhandenen Telefonleitungen dem Kampfkommandanten absichtlich verschwiegen. Auf diese Weise verschafften wir uns dann später laufend eingehende Informationen über den Stand des Aufmarsches der Amerikaner. In dieser Befehlsstelle hatten wir Gelegenheit, weiter mit Major Glatzel laufend über die geplanten Maßnahmen zu sprechen. Am Donnerstag, den 19. April, kam gegen 12.00 Uhr ein Befehl, der verlangte, daß sofort die ganze Bevölkerung der Stadt und der Volkssturm einzusetzen wäre, um innerhalb der Stadt Panzer- und Minensperren zu errichten, auch sollte aus den Kellerfenstern die Stadt mit Panzerfäusten verteidigt werden. Sofort zog ich mich mit dem Kampfkommandanten zurück und verlangte von ihm, daß er auf keinem Fall Panzer- oder andere Sperren innerhalb der Stadt errichten und ebenso auf keinem Fall aus den Kellerfenstern mit Panzerfäusten die Stadt verteidigen lasse. Er solle die Verteidigung noch weiter vor die Stadt schieben und hier Ausbau von Stellungen zum Scheine vornehmen lassen. Dies sagte er mir auch zu. Die Vorbereitung der Anlegung von zwei Minensperren erfolgte dem Scheine nach, damit bei einer eventuellen Besichtigung und Nachprüfung der Verteidigungsvorbereitung durch den vorgesetzten General nicht vorzeitig unser Vorhaben bekannt wurde. Eine der vorbereiteten Minensperren ist selbst durch den Befehl des Kampfkommandanten zugeschaufelt worden, ohne daß Minen darin waren. Die andere ist vor der Bevölkerung zugeschaufelt, worden, womit wir einverstanden waren. Am Donnerstag, den 19. April, sandten die Amerikaner einen Parlamentär, der vom Kampfkommandanten nach Torgau weitergeleitet wurde. Am Freitag, den 20. April erfolgte die Besetzung der Stadt. Die Lage in der Befehlsstelle hatte infolge außerordentlichen Mangels an Meldungen seitens der militärischen Beobachtungsposten einen erheblichen Umfang an Verworrenheit erreicht. Die Offiziere in der Befehlsstelle erhielten nun durch Dr. Hoyer und mich ihnen bis dahin unbekannte Aufschlüsse über den wirklichen Stand der Dinge. Wir benutzten die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß nur noch ein sofortiger Abzug der Truppen in Frage kommen könne, weil inzwischen vor der Stadt etwa 100 Geschütze, darunter viele schweren Kalibers, in Stellung gebracht waren. Hauptmann Krausch gab nun den Absetzbefehl mit der Weisung zum schleunigen Abrücken. Dies geschah in dem Augenblick, als feindliche Aufklärer die Stadt überflogen. Leutnant Weinert hat dann noch die Straßen mit dem Motorrad abgefahren, um alle Truppen aus der Stadt zu bringen. Die Truppen rückten mit aller Beschleunigung ab. Zwei von den Gestapoleuten blieben in der Befehlsstelle zurück, die waren schwer bewaffnet und stießen fortwährend die gefährlichsten Drohungen aus. Als plötzlich das elektrische Licht ausfiel, haben wir die Befehlsstelle unbemerkt verlassen, wodurch es uns gelang, uns aus Lebensgefahr zu bringen. Nunmehr gingen wir auf den Marktplatz, um die Ankunft der Amerikaner zu beobachten. Bei deren Annäherung haben wir uns dann in mein Amtszimmer zurückgezogen und die Stadt dort übergeben. Ich habe erst nachträglich erfahren, daß Männer mit und um Herrn Geithe sich ebenfalls voll und ganz mit anderen Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen, für das gleiche Ziel mit Erfolg eingesetzt haben. Zum Wirken der Männer um Otto Geithe liegen folgende Berichte vor: In den Apriltagen 1945 wurde auf Veranlassung von Otto Geithe eine Art „Provisorische Kreisleitung der KPD" bei einer geheimen Zusammenkunft am Kosebruch gebildet. Man beriet, was zu tun wäre, um die Stadt kampflos an die anrückenden amerikanischen Truppen zu übergeben. Es wurde beschlossen, mit den Soldaten des Artillerie-Ausbildungsbataillons und den Volkssturmleuten zu diskutieren, den sinnlosen Kampf aufzugeben. Ferner beschloß man, mit. den Amerikanern Verbindung aufzunehmen. Dazu erklärte sich der Maurer und KPD-Angehörige Emil Sachse bereit. Emil Sachse nahm zweimal Verbindung mit den amerikanischen Truppen auf und berichtete über die Bemühungen, Delitzsch kampflos zu übergeben. Die Diskussionen mit den Soldaten und dem Volkssturm hatten Erfolg. Desertierungen von Soldaten erfolgten. Wie aus dem Totenregister des Friedhofes Delitzsch hervorgeht, wurden einige Deserteure erschossen. Die Angehörigen des Volkssturmes verschwanden nach und nach. Ihre Waffen warfen sie in den Stadtgraben oder in den Werkstättenteich. An den Diskussionen mit den Soldaten beteiligen sich neben den Angehörigen der KDP, wie Richard Sachse, Bruno Schmidt, Otto Webel, Otto Geithe auch andere Persönlichkeiten, wie der Baumeister Richter. Alle diese Ereignisse und das Wirken des amtierenden Bürgermeisters Stadtrat Paul Scharf führten dazu, daß die Reste des Bataillons der Wehrmacht auf Befehl des Hauptmanns Krausch in den Nachmittagsstunden des 20. April beschleunigt die Stadt in Richtung Osten verließen. Beobachtet wurde dieser Rückzug durch Aufklärungsflugzeuge der USA-Truppen. Bruno Schmidt hißte auf dem Schloßturm eine weiße Fahne. Eine Granate der Artillerie schlug unter dem Zwiebelturm des Schlosses ein. Nach einigen Salven Artilleriefeuer, die wenig Schaden anrichteten, näherten sich die amerikanischen Truppen der Stadt. Bruno Schmidt und Emil Sachse, die sich in dem kleinen Haus der Familie Konrad, Hallesche/Ecke Hainstraße, aufgehalten hatten, gingen den Amerikanern mit einer weißen Fahne auf der Halleschen Landstraße entgegen. Ein Pionier (Feuerwerker) wurde ihnen entgegengeschickt, der Minen auf der Kreuzung Hallesche-, Hain-, Schkeuditzer Straße beseitigte. Dann marschierten ein Major und fünf Mann in die Stadt ein. Überall wehten weiße Fahnen, die die Bewohner gehißt hatten. Am Rathaus übergab der amtierende Bürgermeister Paul Scharf offiziell die Stadt. Für die Bürger von Delitzsch war der Krieg zu Ende. Obwohl unabhängig voneinander gearbeitet wurde, ist es den Leuten um Otto Geithe und dem Bürgermeister Paul Scharf gelungen, die Stadt Delitzsch vor der Zerstörung zu bewahren, wie das drei Tage später der Stadt Eilenburg geschah. Die Opfer blieben gering. Auf dem Friedhof in Schenkenberg befindet sich das Grab von dreijungen Soldaten; insgesamt waren neun Gefallene zu beklagen.

1945 Zusammenfassung des Jahres
Die verzweifelte, ja aussichtslose Lage wird für jeden offensichtlich. An die seit längerer Zeit versprochenen „Wunderwaffen", die den „Endsieg" ermöglichen sollen, glauben die wenigsten Bürger der Stadt. Die Reserven für die Versorgung sowohl der Front als auch der Heimat sind erschöpft. Die Fliegeralarme häufen sich, bis schließlich fast täglich, manchmal auch mehrmals, die Sirenen ertönen. Bis zur Besetzung unserer Stadt ist seit Kriegsausbruch etwa 350mal, und ab Januar 1944 ungefähr 240mal, Fliegeralarm gegeben worden. Der Flüchtlingsstrom nimmt laufend zu. Bei bitterster Kälte ziehen an manchen Tagen stundenlang Flüchthngstrecks durch die Stadt und werden notdürftig versorgt. Die Schulen werden zeitweise zu deren Unterbringung geschlossen bzw. der Schulunterricht auf einige Klassenräume beschränkt. Als letztes Aufgebot werden jetzt sogar 15jährige Jungen eingezogen. Einige von ihnen kommen noch in den Apriltagen östlich von Dresden zum Einsatz, wobei mehrere Gefallene zu beklagen sind. Wie wohl fast alle, ersehnen auch die Bürger unserer Stadt ein baldiges Kriegsende und hoffen, daß die westlichen Streitkräfte die Stadt zuerst erreichen. In den letzten Tagen vor der Besetzung ziehen lange Kolonnen zurückgehender deutscher Einheiten und ausländischer Hilfstruppen durch Delitzsch. Einige Tage zuvor wird ein Elendszug ausgemergelter KZ-Häftlinge durch die Stadt getrieben, von denen 14 am Straßenrand vor Entkräftung liegen bleiben und von der SSWachmannschaft erschossen werden. Tiefflieger erschrecken die Bevölkerung, die vor den Geschäften und an einigen an verschiedenen Stellen untergebrachten Materialreservelagern der Wehrmacht Schlange stehen, um noch etwas zu ergattern. Am 16. April wird ein Teil des Bahnhofes zerbombt, am 18. April ertönt erstmals „Panzeralarm". Einige Tage vorher waren schon Vorbereitungen getroffen worden, die Stadt bis zum Äußersten im Straßenkampf zu verteidigen. In zähen, für ihn lebensgefährlichen Verhandlungen gelang es jedoch dem amtierenden Bürgermeister Scharf, daß am 20. April, als die amerikanischen Truppen vor der Stadt stehen, die für die Verteidigung der Stadt vorgesehenen Wehrmachtseinheiten abziehen, Unabhängig von ihm hatten einige Bürger, die der illegalen KPD angehört haben, Verbindung mit den Amerikanern aufgenommen. Diese beiden mutigen Aktionen führten dazu, daß Delitzsch kampflos übergeben wurde. So waren nur geringe Schäden durch Artilleriebeschuß zu verzeichnen. Die Besetzung unserer Stadt wurde von den Einwohnern mit einer großen Erleichterung aufgenommen. Für sie war der Krieg vorbei, den amerikanischen Truppen wurde kein feindseliges Verhalten entgegengebracht.

Straßennamenänderungen
Zum 19. Mai 1945 wurden die Namen der folgenden Straßen geändert.

1933- 1945

ab 19. Mai 1945

Adolf-Hitler-Ring

Am Wallgraben

Ehrenberg-Ring

Am Wallgraben

Schulze-Delitzsch-Ring

Am Wallgraben

Dietrich-Eckart-Straße

Stresemannstraße

Franz-Seldte-Siedlung

Friedenssiedlung

Frontkämpfer-Siedlung

Ostsiedlung

General-Litzmann-Platz

Marienplatz

General-Maercker-Straße
Gorch-Fock-Straße

Friedrich-Ebert-Straße
Ehrenbergstraße

Gustloffstraße

Rathenaustraße

Hermann-Göring-Straße (bis zur Bahnschranke)

Dübener Straße

Horst-Wessel-Platz

Nordplatz

Langemarkstraße

Schulze-Delitzsch-Straße

Muchowstraße

Uferstraße

Paul-Bergk-Straße

Adolf-Tauche-Straße

Schlageterstraße

Nordstraße

Walter-Flex-Straße

Adolf-Münzer-Straße

Albert-Böhme-Straße

Lindenstraße

Richthofenstraße

Friedrich-Engels-Straße

Die Häuser des Adolf-Hitler-Ring, Ehrenberg-Ring und Schulze-Delitzsch-Ring sowie in der Hermann-Göring-Straße und in der Dübener Straße erhalten neue Hausnummern.


Delitzscher Stadtchronik - 1945-1955

(Quelle: Delitzscher Stadtchronik, verfasst von der Arbeitsgruppe Stadtchronik; Teil IX, 1945-1955; hrsg. von der Stadtverwaltung Delitzsch 1998.)

Vorwort

Es war ein furchtbares Erbe, welches das faschistische Deutschland am Ende des II. Weltkrieges hinterlassen hatte. Über 50 Millionen Tote, allein 6 Millionen Deutsche darunter. Es gab kaum eine Familie, die nicht davon betroffen war. Dazu kamen unzählige Versehrte, der Verlust bedeutender Territorien, unermeßliche Zerstörungen und Millionen von Flüchtlingen und Ausgewiesenen aus Schlesien, Ostpreußen, Hinterpommern und dem Sudetenland. Es erwächst daraus für Deutschland die Chance und die Verpflichtung, sich als friedliebender, freier und demokratischer Staat gegenüber den Staaten der Welt zu entwickeln. Die Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen wurde im Juli 1945 abgeschlossen. Nach dem Potsdamer Abkommen ist festgelegt, daß ein Alliierter Kontrollrat gebildet wird. Dieser besteht aus den vier Oberkommandierenden der Besatzungsmächte und sie üben die Regierungsgewalt aus. Das Ziel der Besetzung ist die Entnazifizierung und Entmilitarisierung, die völlige Abrüstung und Vernichtung der Rüstungsindustrie, die Verurteilung der Kriegsverbrecher, die Erfüllung der Reparationsforderungen durch Demontage und Dekartellisierung der Wirtschaft sowie Demokratisierung des politischen Lebens. Im März 1946 bezichtigt Churchill die Sowjetunion der Expansion. Damit beginnt der „Kalte Krieg". Die Einheit der vier Mächte zerbricht daran. Die Besatzungszonen der USA und Großbritaniens schließen sich zunächst zur Bi-Zone zusammen. Schließlich bildet man 1949 unter Einbeziehung der Französischen Zone die Tri-Zone, aus der die Bundesrepublik Deutschland hervorgeht. Mit Hilfe des 1947 auf den Weg gebrachten ERP (European Revocery Prograrn, nach seinem Urheber kurz „MarshallPlan" genannt), gelingt es bald, eine am freien Markt orientierte erfolgreiche Wirtschaft aufzubauen. Ansätze zu einer zunächst vorgesehenen Bodenrefonn werden nicht weitergeführt. In der SBZ werden in freier Auslegung des Potsdamer Abkommens größere Betriebe enteignet und eine umfassende Bodenreform durchgeführt. Der enteignete Grundbesitz von Landwirten mit über 100 ha Betriebsgröße und von Kriegsverbrechern und Nationalsozialisten mit insgesamt ca. drei Millionen Hektar Fläche, wird an über 500000 Kleinbauern und Landlose verteilt. Bei Reparationsleistungen wird rigoros zugegriffen und selbst Nahrungsmittelbetriebe, wie die Zuckerfabrik Delitzsch sowie Verkehrseinrichtungen mit den Oberleitungen der Bahn werden demontiert. Die Gestaltung der sowjetisch besetzten Zone in Wirtschaft, Verwaltung und Kultur wird auf den Prinzipien der leninistischen und stalinistischen Ideologien aufgebaut. Die Traditionen des deutschen Kommunismus und die der Besatzungsmacht sind die ausschlaggebenden Faktoren zur Entwicklung der DDR. Die Erfahrungen der Sowjetunion beim Aufbau des Sozialismus werden ohne Berücksichtigung der Belange des besetzten Territoriums auf die Wirtschaft, des Verkehrs, der bestehenden Infrastruktur und Kultur übertragen. Mit der Einstellung des Interzonenhandels im März 1948 durch die westlichen Besatzungsmächte war die sowjetisch besetzte Zone und somit die spätere DDR vom Ruhrgebiet abgeschnitten. Dann folgten für die DDR einige Embargos für wichtige wirtschaftliche Güter. Aus dieser Situation heraus wurde in der DDR eine Schwerindustrie, zu Ungunsten der Leichtindustrie, aufgebaut. Die Gründung der beiden deutschen Staaten hatte als Voraussetzung die Auseinanderentwicklung Deutschlands, die sich aus der wachsenden Konfrontation der Besatzungsmächte ergab. Vor allem in der wirtschaftlichen Position war die DDR von vornherein der schwächere Teil Deutschlands. Der mit den Ergebnissen vom 17. Juni eingeleitete „Neue Kurs" zwingt die SED zu Zugeständnissen und Korrekturen von Fehlentwicklungen. Es dauert jedoch nicht lange, bereits 1954 schwenkt das „System" wieder zurück in die bisherige Wirtschaftliche Entwicklung vor 1953, wo die Schwerindustrie vor der Konsumindustrie vorherrschend war. Diese Faktoren sind bedeutsam für die Territorialgeschichte des Kreises und der Stadt Delitzsch. In der Ostzone und somit auch in Delitzsch wurde durch die Besatzungsmacht die Regelung der gesellschaftlichen Verhältnisse durchgesetzt. Ihr Hauptmerkmal war die Errichtung der „Diktatur des Proletariats" als Grundlage zur Herstellung sozialistischer Produktionsverhältnisse, d. h. vor allem der Bildung des gesellschaftlichen Eigentums an Produktionsmitteln. Die vorgelegte Chronik der Stadt Delitzsch von 1945 bis 1955 gibt darüber Aufschluß, wie sich dieser Prozeß in Delitzsch vollzog. Es wird darauf hingewiesen, daß eine Chronik Tatsachen schildert, Auskunft über Geschehenes gibt, ihr Material aus Dokumenten und Quellen bezieht die den Verfassern zugänglich waren. Wertungen über das Geschehene sind dem Leser überlassen. In den Texten der Chronik werden die in der Ostzone und ab Oktober 1949 in der ehemaligen DDR gebräuchlichen politischen Begriffe und Anreden verwendet.
Delitzsch im Dezember 1997 


1945 April
Nach der am 20. April erfolgten Übergabe der Stadt an das z. Batallion des 413. Regiments, einem Truppenteil der 104. US-Infanteriedivision mit dem Namen „Timberwolf", bereiten sich die amerikanischen Einheiten auf den weiteren Vormarsch in Richtung Bad Düben vor. Am 21. April schlägt der Divisionskommandeur Generalmajor Terry de la Mesa Allen seinen Gefechtsstand in der Schokoladenfabrik Böhme auf. Am Nachmittag gibt er seinen, nach dort bestellten Kommandeueren, die Befehle für die weiteren Kampfeinsätze. Das Ziel ist, daß durch Überwindung der Mulde ein breiter Abschnitt an der Elbe im Gebiet um Torgau erreicht wird. Als jedoch die Kommandeure zur Umsetzung der Befehle in ihre Einheiten zurückkehren wollen, wird vom Obergeordneten Armeekorps die Weisung erteilt, am Westufer der Mulde stehen zu bleiben. (Ein Teil der Truppen zieht in Richtung Mulde weiter, andere Truppenteile quartieren sich für die kommende Zeit in der Stadt ein. Die Ortskommandantur wird in der bisherigen Kreisleitung der NSDAP in der Eilenburger Straße 65 und die CIC-Dienststelle in der Gaststätte Preußischer Hof eingerichtet. Größere Gebäude, wie die Villa Freyberg, Am Wallgraben 5/6, Villa der Walzenmühle oder die der Familie Böhme in der Dübener Straße und Häuser in der Friedrich-Ludwig-Jahr Straße werden für die militärischen Einrichtungen von Stäben und Befehlsstellen in Beschlag genommen. Die bisherigen Bewohner werden umquartiert. In der Ortskrankenkasse (heute AOK) befindet sich das Offizierscasino, im RAW eine große Fahrzeugreparaturwerkstätte und das Feuerwehrdepot dient als Auffanglager für deutsche Kriegsgefangene. In der Schokoladenfabrik befindet sich neben einem Depot für Verpflegung und Ausrüstung das vorgeschobene Divisionshauptquartier, das rückwärtige befindet sich in Teutschenthal.) Die Soldaten werden in Privatquartieren untergebracht. Es verbleiben zunächst 800 amerikanische Soldaten in der Stadt. Mit dem 20. April 1945 treten für Delitzsch die Besatzungsrechte in Kraft, festgelegt in „Gesetze, Proklamationen, Verordnungen, Bekanntmachungen und Aufrufe der Militärregierung Deutschlands", der USamerikanischen Militärregierung (von 1945 Halle/Saale). Es enthält alle für die Bevölkerung wesentlichen Bestimmungen, nachdem sich das Leben unter den Bedingungen der Besetzung Deutschlands vollzieht. In der Proklamation Nr. 1 des Obersten Befehlshabers der Alliierten Streitkräfte, General Eisenhower, heißt es u. a.: „ ... Wir kommen als ein siegreiches Heer, jedoch nicht als Unterdrücker. In dem deutschen Gebiet, das von den Streitkräften unter meinem Oberbefehl besetzt ist, werden die den Nationalsozialismus und den deutschen Militarismus vernichten…"l Gemäß dieser grundsätzlichen Feststellung treten in zahlreichen Befehlen Bestimmungen in Kraft, die sich u. a. beziehen auf:
- Aufhebung der nationalsozialistischen Gesetze
- Auflösung der NSDAP
- zeitweilige Schließung von Gerichten, Abschaffung spezieller Gerichte (Sonder- und Parteigerichte der NSDAP)
- Währung, Sperre und Beaufsichtigung von Vermögen, Befugnisse von Banken
- Post-, Femsprech-, Telegrafen-, Funk- und Rundfunkwesen mit zeitweiliger Einstellung ihrer Funktionen.
- Zeitweilige Schließung des Zeitungs- und Vergnügungsgewerbes
- Verbrechen und strafbare Handlungen und deren Sühne, um die Sicherheit der Alliierten Streitkräfte zu gewährleisten und die öffentliche Ordnung im besetzten Gebiet   wiederherzustellen.
- Bestimmungen über Gerichte der Militärregierung, Amtssprache ist englisch, Personenverkehr, Ausgangsbeschränkungen und Abgabe von Schußwaffen und Munition.
- Vorerst gelten unter anderem folgende Bestimmungen der „Military-Government-Germany":
- Verbot des Verlassens der Häuser von 20.00 bis 6.00 Uhr (bei Verstößen wird von der Schußwaffe Gebrauch gemacht).
- Verbot des Entfernens vom Wohnort, ohne schriftliche Erlaubnis keine Benutzung der Eisenbahn, Kraftfahrzeuge und Krafträder.
- Verbot von Ansammlungen von mehr als fünf Personen, Ablieferung von Funksendeapparaten, Waffen aller Art und Kriegsmaterial.
- Anmeldung von Radioapparaten.
Am 23. April wird ein Dr. Dreßler eingestellt, der sich als ehemaliger KZ-Häftling ausgibt. Paul Scharf bleibt vorerst weiterhin als Bürgermeister im Amt, während der Landrat Meister zusammen mit aufgegriffenen deutschen Soldaten in Gefangenschaft gerät und über das Sammellager Helfta bei Eisleben nach Bad Kreuznach gebracht wird. Am 28. April wird vom General Allen in der Schokoladenfabrik dem Kommandeur der 118. Infanteriedivision der Roten Armee, Generalmajor Sohanow, ein feierlicher Empfang gegeben. Eine Patrouille der Timberwolf-Division hatte am 26. April bei Pretzsch an der Elbe den Kontakt mit den sowjetischen Truppen bekommen. Zu seinem Besuch in Delitzsch ist er über das noch unbesetzte Gebiet zwischen Mulde und Elbe mit einen amerikanischen Militärflugzeug eingeflogen worden.

1945 Mai
Bis zum 4. Mai haben sich amerikanischen Truppen in dem durch die besetzten Gebiet zwischen Elbe und Mulde zurückgezogen. Die neue Grenze zwischen den beiden Besatzungsgebieten verläuft mitten durch unseren Kreis zwischen Düben und Eilenburg längs der Mulde. Einige Tage danach ist mit dem „Undersecretary of War" Robert P. Patterson, ein hohes Regierungsmitglied, bei General Allen zu Gast in Delitzsch. Paul Hoyer, Besitzer der Delitzscher Bettfedernfabrik wird von der Militärverwaltung als Landrat eingesetzt. Durch Hantieren mit Fundmunition werden zwei Halbwüchsige bei der Detonation einer Handgranate in der Freiherr-vom-Stein-Straße verletzt. Die dort einquartierten Amerikaner lassen alle noch von Privatpersonen bewohnten Wohnungen innerhalb einer Stunde räumen. Es erfolgen einige Verhaftungen von Personen wegen aktiver Mitarbeit in der NSDAP bzw. deren Organisation. Der Direktor der Oberschule, Dr. Letz, wird am 6. Mai in ein politisches Untersuchungslager überführt und am 31. Mai mit folgendem Ergebnis wieder entlassen: „Intorrogation has cleared him of these charges." (Das Verhör hat ihn von diesen Beschuldigungen entlastet.). Ebenfalls werden einige Polizeiangehörige verhaftet, während ein geringer Teil von ihnen noch im Dienst bleibt. Emil Sache gelingt es, 12 ehemalige KPD-Mitglieder als Hilfspolizisten einstellen zu lassen. Die Kleinbahn, die am 10. April ihren Betrieb eingestellt hatte, nimmt am 12. Mai den Verkehr im beschränkten Umfange wieder auf. Die am 19. Mai erfolgte Umbenennung verschiedener Straßen (siehe Chronik Teil 8, S. 233) ist die letzte Amtshandlung des bisherigen Bürgermeisters Paul Scharf. Die Amerikaner lösen ihn durch den von ihnen dafür benannten Gollmaer Pfarrer Arno Erhardt ab. Ab dem 22. Mai werden die etwa 600 Soldaten mit 17 leichten und 53 mittelschweren Tanks in Delitzsch stationierten Truppen der Timberwolf-Division nach Halle verlegt. Damit wird die Belegung des RAW mit Fahrzeugen der US-Armee beendet. Auch die Schokoladenfabrik und die Schulen werden von ihnen beräumt. Als neue Besatzung erhält die Stadt Delitzsch nun Panzereinheiten der 7th Armored-Division. Mit etwa 40 Personen wird nun wieder begonnen, im RAW die Produktion aufzunehmen. Am 24. Mai wird durch den Oberschullehrer Herrmann Curth ein neuer evangelischer Kirchenchor gegründet. Im Rathaus erfolgt am 28. Mai die Konstituierung des „Antinazi-Arbeitsausschusses".Ihm gehören an:

Von der ehemaligen KPD:

Gotthold Pohle

 

Bruno Schmidt

 

Paul Gebhardt

Von der SPD:

Richard Hampe

 

Otto Bieler

Von den Demokraten:

Willi Dietze

 

Dr. Wilhelm Mischon.

Vom ehemaligen Zentrum:

Alfred Nickisch

und dem parteilosen

Hermann Scharf.

Als Verbindungsmann zum „Military-Government" wird bestimmt: Stellvertretender Landrat Paul Buhle, zum CIC Otto Geithe. Als enger Antinaziausschuß werden gewählt: als Vorsitzender Richard Hampe, stellvertretender Vorsitzender Gotthold Pohle und als Schrift führer Dr. Wilhelm Mischon. Anwesend bei dieser Konstituierung sind außerdem Fritz Schwahn und Bürgermeister Arno Erhardt. Zur Sicherung der Arbeit der Stadtverwaltung werden spezielle Ausschüsse gebildet, deren Vorsitzende sind:

für Verwaltungsausschuß

Richard Hampe

für Sicherheitsausschuß

Gotthold Pohle

für Schulausschuß

Fritz Schwahn

für Gesundheitsausschuß

Dr. Mischon

für Emährungsausschuß

Hermann Scharf

für Rechtsausschuß

Rechtsanwalt Klimm

für Verkehrsausschuß

Paul Gebhardt

für Ausschuß f. Sport undKörperpflege

Bruno Schmidt

für Ausschuß f. Kultur und Gesellschaft

Studienrat Dr. Schürer

für Ausschuß f. Gewerkschaft und Genossenschaftsfragen

Otto Bieler

Der Wirtschaftsausschuß bleibt vorerst unbesetzt. Die Schokoladenfabrik beginnt mit der Herstellung von Fondant. Daneben erfolgt noch die Trocknung von Gemüse, so von Rotkraut, Zwiebeln , Weißkraut und Kartoffeln. Die durchschnittlichen Monatslöhne der Arbeiter betragen 120, bis 140, RM. Am 31. Mai erfolgt die kirchliche Bestattung der ermordeten KZ-Häftlinge auf dem Friedhof in Delitzsch. Dabei werden 14 Särge mit den in Döbemitz exhumierten Toten beigesetzt. Die christliche Bestattung erfolgte, da bei sechs dieser Personen kleine christliche Kreuze gefunden worden waren. Bei den Toten handelt es sich um namentlich unbekannte Häftlinge faschistischer Konzentrationslager, die auf einem Marsch durch Delitzsch im April 1945 von den SS-Wachtruppen erschossen bzw. an Erschöpfung und Mißhandlungen gestorben sind. In der Umgebung von Döberitz wurden sie zunächst an einer Feldscheune und auf dem Friedhof verscharr. In den letzten Maitagen findet dazu auf dem Markt die Trauerfeier statt. Die Anteilnahme der Bevölkerung war groß. Die Trauerrede hielt der später als krimineller Betrüger entlarvte Polizeichef Manfred Pastube alias Dr. Dreßler. Im Friedhofsbuch steht dazu folgender Eintrag: „14 Personen aus dem KZ-Lager wurden auf dem Todesmarsch durch Delitzsch im April 1945 erschossen, im Auftrag der KP (gemeint ist damit die Kriminalpolizei) beigesetzt, Friedhof Neuer Teil, Abt. 7, Reihe 3, Gräber 1 bis 14 (ehemalige Kriegsgräber)". Die Todesmärsche zogen einmal von Halle durch Delitzsch Richtung Eilenburg, ein weiterer Zug zog von Torgau, über Eilenburg, Kospa, Krostitz vorbei an Mocherwitz und Zschortau, weiter in den Saalkreis.

1945 Juni
Seit einiger Zeit hat sich das Verhältnis zu der amerikanischen Besatzung recht freundschaftlich gestaltet. Kinder spielen auf den an der Blücherstraße und Moltkestraße abgestellten Panzern, Lebensmittel werden verschenkt, und im Garten der Gaststätte „Elberitzmühle" spielt ein Militärorchester zum Tanz. Am 6. Juni tagt der Verwaltungsausschuß der Stadt. Seine erste Aufgabe sieht er in der tätigen Mitarbeit bei der Säuberung der Stadt- und Kreisverwaltung, des Finanz- und Arbeitsamtes, der Krankenkasse und des Zollamtes von aktiven Nationalsozialisten und militaristisch eingestellten Beamten und Angestellten. Die 2. Sitzung des „Antinazi-Ausschusses" findet am 14. Juni statt. Hierbei wird mitgeteilt, daß am Vortag der bisherige Chef der politischen Polizei, Dr. Dreßler, von den Amerikanern verhaftet und daraufhin von Herrn Lutzmann entlassen worden ist. Es hatte sich herausgestellt, daß er sich diese Funktion mit falschen Angaben erschlichen hat. In Wirklichkeit heißt er Manfred Pastube und war KZ-Aufseher. In dieser Sitzung werden Fritz Schwahn als Schulrat, Erich Richter als Rektor der Knabenschule und Hermann Ulbricht als Rektor der Berufsschule benannt. Die Benennung des Rektors der Mädchenschule bleibt noch offen. Gleichzeitig werden die Richtlinien zur Entlassung von Lehrern besprochen, die sich aktiv in der NSDAP betätigt hatten. Hierunter fallen alle diejenigen, die vor dem 30. Januar 1933 der NSDAP angehörten, SS-Mitglieder oder SA-Sturmführer eingenommen haben. Am nächsten Tag, dem 15. Juni, findet eine Sondersitzung statt, weil der bisherige Bürgermeister Arno Erhardt um seine Entlassung aus dem Amt nachgesucht hat. Das hat eine Neuwahl zur Folge, diese findet am 17. Juni statt. Bis dahin amtiert Paul Gebhardt. Bei der Neuwahl werden Richard Hampe als Bürgermeister sowie als Stadträte Gotthold Pohle, Hermann Scharf, Dr. Mischon und Alfred Nickisch, dieser als Leiter des Wohnungsamtes bestimmt. Ihre Bestätigung durch die Kommandantur erfolgt am 22. Juni. An diesem Tag erscheint die Nr. 1 des „Nachrichtenblattes" für den Kreis Delitzsch mit einem Vorwort des Landrates Paul Hoyer „Zum Geleit", den dem er unter der Parole „Vorwärts zum neuen Aufstieg" die Einwohner des Kreises zu unbedingter Disziplin und zum guten Willen beim Wiederaufbau aufruft. In dem Nachrichtenblatt sind neben Verordnungen der „Military Government Gerrnany" Bekanntmachungen des Landrates enthalten. Eine davon befaßt sich mit den in den letzten Tagen aufgekommen unsinnigsten Gerüchten, die in Verbindung mit der bevorstehenden Neuregelung der Besatzungszonen umlaufen. Es wird darin aufgerufen, keine falschen Entschlüsse zu fassen, sondern dort zu verbleiben, wo bisher der Mittelpunkt der persönlichen Lebensbeziehungen war. Weiter wird mitgeteilt, daß der Oberbefehlshaber des amerikanisch besetzten Teiles Deutschlands vielen in der Endphase des Krieges gefangenen deutschen Soldaten erlaubt, in die Heimat zurückzukehren. Nach ihrer Entlassung werden sie von der amerikanischen Militärregierung ihres Heimatortes registriert. Am 27. Juni wird in der Stadt eine Razzia durchgefiihrt. Zwischen 4.00 und 5.00 Uhr werden alle männlichen Personen im Alter zwischen 16 und 65 Jahren durch amerikanische Soldaten aus den Wohnungen geholt und zu verschiedenen Sammelplätzen in der Stadt gebracht. Diejenigen, die im wehrpflichtigen Alter sind, aber keine Entlassungspapiere aufweisen können, sowie die als aktive Nazis von der politischen Polizei erkannten Personen werden aussortiert, im Feuerwehrdepot gesammelt und abtransportiert. Ende Juni erscheint folgender Aufruf zur Bildung von Gewerkschaften:
Arbeiter, Angestellte, Beamte,
Mit Genehmigung der amerikanischen Militärregierung entsteht auf demokratischer Grundlage unter Ausscheidung jeder parteipolitischen Tendenz eine neue wirtschaftliche Vereinigung für alle Arbeitnehmer, der „Freie Deutsche Gewerkschaftsbund und Umgebung".

Im Auftrag der Militärregierung
John H. Lynch, Cpt. SR

Die Bundesleitung
Otto Bieler

Für die Belieferung auf Lebensmittelkarten für die 77. Zuteilungsperiode vom 25. Juni bis 2. Juli erhalten Normalberechtigte über 18 Jahre:

Fleisch

700 g

 

(entspr. tägl.

3,45 g)

Butter, Margarine oder

 

 

 

 

Rohfett

100 g

 

(entspr. tägl.

. 3,45 g)

Brot

6.800 g

 

(entspr. tägl.

235,0 g)

Nährmittel

300 g

 

(entspr. tägl.

10,0 g)

Zucker

500 g

 

(entspr. tägl.

17,0 g).

Weiterhin gibt es für die Zuteilungsperiode 62,5 g Käse, 125 g KaffeeErsatz, 375 g Marmelade. Kinder unter 6 Jahren erhalten täglich 1 Liter Milch. Jugendliche von 6 bis 18 Jahren erhalten eine etwas größere Ration, vor allem bei Butter bzw. Fett mit 300 g (entspricht 10 g/Tag). Am 30. Juni beginnt der Abzug der amerikanischen Truppen.

1945 Juli
Die letzten Einheiten der Amerikaner verlassen am 3. Juli die Stadt. Tags zuvor ließen sie den am 13. Juni von ihnen verhafteten Manfred Pastube alias Dr. Dreßler wieder frei. Damit endet die Zeit der amerikanischen Besatzung. Für einige Zeit bleibt noch ein kleiner Posten von ihnen zurück. Er hat sein Quartier in der Villa Freyberg Am Wallgraben 516 und bewacht die nicht transportfähigen deutschen Kriegsgefangenen, die im Hilfslazarett in der Luisenschule (Pestalozzi-Schule) untergebracht sind. Am 4. Juli treffen die sowjetischen Besatzungstruppen ein. Der Gegensatz zu den abgezogenen amerikanischen Truppen, die wohlgenährt und gut gekleidet mit ihren geländegängigen und leistungsstarken Fahrzeugen die Stadt verlassen haben, ist groß. Jetzt ziehen lange Kolonnen mit struppigen Pferden bespannte „Panjewagen", auf denen sowjetische Soldaten in schäbiger Kleidung, auf Strohballen sitzend, durch die Straßen. Dazwischen fahren einige klapprige Lastkraftwagen. Nur die Offiziere tragen eine bessere Kleidung und fahren in Personenautos. Die auf Veranlassung ehemaliger KPD-Mitglieder aus Delitzsch zur Begrüßung der einrückenden Einheiten der Roten Armee angebrachten Transparente und roten Fahnen müssen auf Befehl des hier eingesetzten sowjetischen Militärkommandanten am darauffolgenden Tag wieder entfernt werden. Die sowjetische Kommandantur in der Dübener Straße 20 (heute Oskar-Reime-Gymnasium) nimmt bald darauf ihre Arbeit auf. Zu deren Einrichtung ist von der SMAD eine Gruppe von fünf Offizieren unter Leitung von Major Dubner beauftragt. Vorerst nehmen sie im Hotel „Zur Linde" Quartier und beziehen als Kommandantur, das bereits für diesen Zweck von den amerikanischen Streitkräften genutzte Gebäude Eilenburger Straße 65. (Später wird diese Einrichtung in die Gebäude Am Wallgraben 5/ 6 verlegt.) Als erster nimmt Oberstleutnant Werchinin dort Quartier, 1946 folgt ihm Major Orlow. Ihre ersten Bemühungen sind, die Wirtscjtaft wieder in Gang zu setzen, die Lebensmittelversorgung zu sichern und die zahlreichen Flüchtlinge unterzubringen. In dem „Nachrichtenblatt für den Kreis Delitzsch" erscheinen dazu einige Anordnungen wie z. B. Ablieferung von Hühnereiern, Milchbewirtschaftung, Meldung von Baustoffen, Festlegung von Preisen für Frühkartoffeln. Meldepflicht für nicht belegte Wohnungen, die bisher von den Evakuierten aus bombengefährdeten Gebieten belegt waren, wird angeordnet. Alle Lehrlinge sollen sich zwecks Feststellung ihrer augenblicklichen Berufsverhältnisse bis Ende Juli melden. Am 14. Juli teilt der Landrat mit, daß Gottesdienste und die Arbeit der Kirchenbehörden erlaubt sind, Sportveranstaltungen aber nicht ohne Genehmigung des Militärkommandanten. Dasselbe trifft für die Fortführung oder Neubildung von Vereinen zu. Wie alle bisherigen Organisationen wird auch der Tennissportverein verboten (der Tennisplatz wird später von der FDJ für Sportübungen genutzt). Auch der Kegelklub im ehemaligen Gasthaus „Zur Kugel" in der Grünstraße hat ein Vereinsverbot erhalten. In den Kinos dürfen nur von der Militärregierung genehmigte Filme vorgeführt werden. Mitte des Monats wird der Briefpostverkehr innerhalb des Kreises wieder aufgenommen. Dasselbe trifft für den Personenverkehr der Reichsbahn zu, allerdings sind hierzu Reisegenehmigungen erforderlich. In der Nacht vom 15. zum 16. Juli wird für den Bereich der Reichsbahndirektion Halle wie in der gesamten russischen Besatzungszone die Moskauer Uhrzeit eingeführt. In der Mitteilung des Landrates wird auch angewiesen, daß die Bewirtschaftung der Rittergüter in der bisherigen Weise zu erfolgen hat, da eine Verstaatlichung derselben nicht vorgesehen sei. Strenge Bestrafungen werden denjenigen angedroht, die Gerüchte über Plünderungen und Vergewaltigungen durch Angehörige der Roten Armee verbreiten. Tatsächliche Plünderungen sind über die Ortsbehörden der Kommandantur zu melden. Bürgermeister sollen weiterhin im Amt bleiben, wenn nicht eine besondere Entscheidung hinsichtlich ihrer Weiterverwendung getroffen wird. Da das Kraftwerk Muldenstein Strom liefert, kann das RAW am 17. Juli die Produktion wieder aufnehmen. Am 18. Juli wird auch eine Aufforderung des Finanzamtes zur Abgabe der Steuererklärung für 1944 veröffentlicht. Der Ausgabesatz für Speisekartoffeln beträgt pro Woche und Kopf 2,5 kg, für die letzte Woche Juli wird ein Ei auf den dafür vorgesehenen Abschnitt der Eierkarte ausgegeben. Bei derAusgabe der nächsten Lebensmittelkarten ist eine Kontrollkarte des Arbeitsamtes oder die Bescheinigung des Arbeitgebers über das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses vorzulegen. Das gilt für Männer im Alter von 14 bis 65 Jahren bzw. für Frauen von 14 bis 45 Jahren. Sonst erfolgt keine Ausgabe von Lebensmittelkarten. Ährenlesen ist in der Zeit von 7.00 bis 21.00 Uhr, mit Ausnahme der Mittagszeit, erlaubt. Das Ausgehverbot zwischen 23.00 und 5.00 Uhr bleibt bestehen. Eine weitere Anordnung ergeht an die Gemeinden. Sie sollen Ortsausschüsse zur Einbringung der Ernte bilden, die für die Bereitstellung von Arbeitskräften und Geräten zu sorgen haben. Am 21. Juli wird durch den Chef der Sowjetischen Militärverwaltung (SMAD) befohlen, die Produktion in allen Betrieben wieder aufzunehmen. Mit dem Befehl Nr. 2 der SMAD vom 10. Juni wird die Bildung von antifaschistisch-demokratischen Parteien erlaubt. Im Juli erfolgt daraufhin im „Preußischen Hof" die Wiedergründung der KPD unter Otto Geithe als Kreisvorsitzenden. In der gleichen Gaststätte konstituiert sich die SPD unter dem Vorsitz von Richard Hampe, Unterbezirksvorsitzender wird Paul Buhle. Am 28. Juli findet auf dem Markt eine Großkundgebung des antifaschistisch-demokratischen Block statt, auf der der Vizepräsident der Provinzialverwaltung Siewert eine Anspräche hält. Daneben ergreifen auch die Vertreter der anderen Parteien und als Vertreter der Militärverwaltung, Major Dubner, das Wort. Am 31. Juli erfolgt die Bildung der neuen „Freien Gewerkschaft". Als Sekretär wird Kurt Bernhardt gewählt. Da die Schulen noch mit Flüchtlingen belegt sind, wird einige Zeit versuchsweise für mehrere Klassen Schulunterricht im Freien abgehalten.

1945 August
Auf Entscheidung des Landrates übernimmt ein 1. August der Schulrat Fritz Schwahn das Kulturdezernat, sein Vertreter wird Dr. Schümer. In der Gaststätte „Preußischer Hof" wird die Kreisverband der SPD gegründet. Vorsitzender wird Fritz Schwahn. Am 6. August wird eine Verfügung der sowjetischen Militärverwaltung veröffentlicht, nach der die Zahl von Pensionen und Unterstützungen zeitweilig bis zur Überprüfung der Pensionsregeln sowie bis zur Neuerfassung und ärztlichen Untersuchung der Pensionäre eingestellt wird. Jedoch wird eine Unterstützung an nicht mehr arbeitsfähige Pensionäre, die sonst keine anderen Existenzquellen haben und nicht der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen angehört haben, in bisheriger Höhe weitergezahlt. Gemäß einer Anweisung des Präsidenten der Provinz Sachsen sind „aktive Nazis und ihre Familien aus ihren Wohnungen auszuweisen und in Notwohnungen unterzubringen. Wohnungsinhaber und Hausbesitzer, die Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen waren, sind in ihrem Wohnraum einzuschränken." Am 11. August sind auch die restlichen noch in ihrem Dienst befindlichen Polizisten entlassen worden und werden durch Neueinstellungen ergänzt. Aufgrund einer Verordnung des Präsidenten der Provinz Sachsen vom 13. August über die Bereinigung des Lehrkörpers von Nazis und Militaristen werden auch in Delitzsch mehrere Lehrer, darunter der Rektor und Konektor der Knabenschule aus ihren Dienst entlassen. Am 15. August zieht die sowjetische Kommandantur in das Behördenhaus in der Dübener Straße und in die Freybergschen Villen. Die sich bisher in der Dübener Straße befindlichen Ämter wurden vorher verlegt, und zwar das Amtsgericht ins Schloß die Kreiskasse zur Kreissparkasse die Preußische Reg.Kasse ins Monopol das Finanzamt zur Fa. Böhme das Preußische Hochbauamt in die Baracke der früheren Bauleitung der Luftwaffe, Ausgangs der Dübener Straße. Der Militärkommandant des Kreises Delitzsch, Oberstleutnant Werchinin, zieht ebenfalls in das Behördenhaus in der Dübener Straße. Während die Offiziere außer im Hotel „Zur Linde" auch in Privatwohnungen untergebracht sind, werden die Soldaten in den Räumen der numnehrigen Kommandantur einquartiert. Der Fuhrpark wird auf dem Schützenplatz stationiert. Die bisherige Kommandantur in der Eilenburger Straße 65 wird weiterhin von Dienststellen der Militäradministration genutzt. (In die Kellerräume des Behördenhauses und in der alten Kommandantur in der Eilenburger Straße werden in der darauffolgenden Verhaftungswelle die als aktive Nazi-und Kriegsverbrecher verdächtigten Personen bis zur Überführung in zentrale Lager eingesperrt. NKWD-Dienststellen und Gefängnisse werden in der Folgezeit im Wohnhaus Krombholz (Ecke Schäfergraben/ Angerstraße) und in der Elberitzstraße 6, dem Wohnhaus Gärtnerei Geißler, eingerichtet). Die KPD beauftragt Rudi Hermann und Fritz Schirmer, die Jugendarbeit unter Einbeziehung aller antifaschistischen Kräfte in Gang zu bringen. Am 28. August wird die Ortsgruppe der KPD gegründet. Als Sekretär wird Gotthold Pohle gewählt, 1. Stellvertreter wird Richard Sachse. In dieser Woche findet im Rathaus die Gründungsversammlung der LDP statt. Als Vorsitzende werden der Berufsschullehrer Hermann Ulbricht, als Stellverteter der Wirtschaftsbeauftragte des Landrates, Dr. Gerhard Schmidt und der Kaufmann Ludwig Dietze als Kassierer gewählt. Der Gemeindekirchenrat beschließt die Rückbenennung der Kriegergedächtniskirche in Marienkirche.

1945 September
Am 1. September eröffnet die LDP ihr Parteibüro in der Kohlstraße 15, Gaststätte „Ledererbräu". Die Durchführung der Bodenreform wird angeordnet. Die Stadt Delitzsch ist nicht unmittelbar von den Maßnahmen der Bodenreform betroffen. Jedoch im Kreisgebiet von Delitzsch werden zahlreiche Bauemgüter und ehemalige Rittergüter enteignet. DieSaatgut-Wirtschaften Badrina mit 338 ha, Reibitz mit 204 ha, Benndorf mit 269 ha, Hohenprießnitz mit 397 ha, Kleinwölkau und Göritz mit 663 ha, die Versuchswirtschaften Serbitz mit 163 ha und Noitzsch mit 210 ha Land werden nicht aufgeteilt, sondern als Mustergüter weitergeführt, aus denen die VEG entstehen. Zum größten Teil sind die anderen enteigneten Grundstücke parzelliert und als Neubauernstellen verteilt worden. Das Rittergut Löbnitz diente dagegen noch bis 1946 als Versorgungsgut der sowjetischen Besatzungstruppen. Wenige Monate später, bis zu Februar 1946, wird mit der Aufteilung der im Kreisgebiet enteigneten Güter an die Neubauern begonnen. So wird in Sausedlitz diese Maßnahme am 7. Januar 1946 vollzogen, wobei jede Neubauernstelle aus dem ehemaligen Rittergutsbesitz 9 ha Land erhält. Die insgesamt 422 ha aufzuteilendes Land erhalten 11 Landarbeiter und landlose Bauern, fünf landarme Bauern, sieben Kleinpächter, 18 Umsiedler und auch Industriearbeiter sowie die Gemeinden. Die charakteristischen Neubauernhäuser entstanden dann zwischen 1948 bis 1952. Um eine mögliche Umkehrung dieses Prozesses zu unterbinden, werden auf behördliche Anweisung die aktuellen Grundbücher und Akten der enteigneten Liegenschaften in der zweiten Hälfte des Jahres 1946 vernichtet. Im Kreis Delitzsch, bisher noch aus 140 Gemeinden und den Städten Delitzsch, Eilenburg und Landsberg bestehend, werden neben den Gütern ehemaliger nationalsozialistischer Führungskräfte in der Folge 34 Bauerngüter enteignet. Der Boden wird an ca. 1000 Umsiedler und Landarbeiter, 90 landarme Bauern und als Kleinparzellen an 900 Arbeiter und Angestellte aufgeteilt. Am 6. September erscheint eine Verordnung des Präsidenten der Provinz Sachsen über die Säuberung der Verwaltung von „nazistischen Elementen". Zu dieser Zeit bestehen sowohl die Provinzialverwaltung als auch die drei Regierungsbezirksverwaltungen ausschließlich aus Antifaschisten. Nun wird angeordnet, daß auch im Kreis, in den Gemeinden und allen Reichsbehörden so Bahn und Post) grundsätzlich alle ehemaligen Mitglieder der NSDAP, egal ob Beamte, Angestellte oder Arbeiter, zu entfernen sind. Ausnahmen bleiben einer Nachprüfung - und besonderen Anordnungen vorbehalten. Naziverbrecher und Naziverbände sowie ehrenamtliche Mitarbeiter vom Zellenleiter an aufwärts und ihm gleichgestellte Funktion in Naziverbänden und alle SS- sowie Gestapo-Angehörige sind sofort zu entlassen. Bei Entlassung besteht kein Anrecht auf Pension bzw. Weiterzahlung bereits erhaltener Pension oder Rente. So werden aufgrund dieser Anordnung aus dem RAW 65 Beamte und etwa 100 Arbeiter bis zum 22. September entlassen. Gleiche Maßnahmen sind in der Volksbildung durchzuführen, insbesondere sind alle Nazisten aus leitenden Positionen zu entfernen. Naziverbrechern und Parteiaktivisten ist die Konzession zur Führung von Geschäften und Wirtschaftsbetrieben zu entziehen. Diese Verordnung erscheint am 13. September. Zur Durchführung dieser Maßnahmen ist die „Reinigungskommission" durch den Antifaschistischen Block zu bilden. Am 9. September findet die 1. Kreisdelegiertenkonferenz des FDGB in der „Elberitzmühle" statt. Als Gäste nehmen dabei der Vorsitzende der KPD Otto Geithe und der Vorsitzende der SPD Fritz Schwahn teil. Am 10. September wird der „Antifaschistische Jugendausschuß" gebildet. Der engere Ausschuß besteht aus Rudi Herrmann (Jugendleiter), Ruth Arndt (Mädelvertreterin), Fritz Schirmer (Stellv. und Kulturobmann), dem erweiterten Ausschuß gehören Kurt Oehmichen (Arbeitsamt), Arno Braune (SPD), Paul Schlenkrich (KPD) und Herrmann Ulbricht (LDP) an. Am 22. September wird vom Bezirkspräsidenten die Kreisbodenkommission bestätigt, die aufgrund der Verordnung zur Durchführung der Demokratischen Bodenreform gebildet wurde. Ihr gehören an: Landrat Hoyer, Otto Herrmann, Paul Scheibe, Alfred Arlt, Alexander Lamprecht (später kommt Fritz Apel hinzu). Der Neuaufbau der Polizei wird abgeschlossen. Der Leiter für den Kreis wird Friedrich Weißer, der Leiter für die Stadt wird Martin Deutschmann. Ende des Monats werden die noch benutzbaren Baracken auf dem Flugplatzgelände zur Aufnahme der Schwarzmeerdeutschen" hergerichtet. Hierbei handelt es sich um Volksdeutsche aus Bessarabien und der Ukraine, die während des Krieges im Wartegau angesiedelt worden waren und bei dem Rückzug der Wehrmacht nach Deutschland geflüchtet sind. Da sie früher Bürger der Sowjetunion waren, sollen sie von der Besatzungsmacht wieder zurückgeführt werden.

1945 Oktober
Am 1. Oktober beginnt wieder der regelmäßige Schulunterricht für alle Schüler. Mit Wirkung vom I. Oktober werden alle Krankenkassen des Kreises zur „Allgemeinen Krankenkasse für den Kreis Delitzsch" vereinigt. Am 6. Oktober stellt der Landrat Hoyer sein Amt zur Verfügung, da er sich nicht mehr in der Lage sieht, durch die Entlassung aller noch im Landratsamt tätigen Mitarbeiter, die Mitglied der NSDAP waren (28 Personen), seine Aufgaben zu lösen. Bis September waren bereits etwa 100 aktive Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen aus den verschieden Behörden entlassen worden. Sie wurden durch 32 Mitglieder der KPD, 23 der SPD und 57 aus den bürgerlichen Blockparteien bzw. Parteilose ersetzt. Am 14. Oktober erscheint in Delitzsch mit Genehmigung der russischen Militärverwaltung die „Delitzscher Allgemeine Zeitung", als amtliches Mitteilungsblatt für den Kreis, die Städte und andere Behörden im Kreis. In dieser Ausgabe ist ein Aufrufzur Bewerbung als Volkslehrer abgedruckt. Danach können Männer und Frauen im Alter zwischen 25 und 35 Jahren ohne pädagogische Vorbildung als Lehrer berufen werden. In einem halbjährigen Ausbildungslehrgang sollen sie auf ihren Beruf vorbereitet werden Der Antifaschistische Jugendausschuß kündigt in dieser Zeitung für die 2. Hälfte Oktober mehrere Veranstaltungen an, wie z. B. Tanzabende, Wanderungen, Filmvorführungen, Sport und Vorträge, aber auch Jugendgottesdienste. Am 18. Oktober wird Otto Herrmann (KPD), bisher Bürgermeister von Kyhna, vom Zentralausschuß des Antifaschistischen Blockes als neuer Landrat berufen. Er war von 1926 bis 1933 kommunistischer Landtagsabgeordneter. Seine Amtseinführung findet am 19. Oktober in Anwesenheit des Vertreters der sowjetrussischen Militärverwaltung, der Vertreterdes Zentralausschusses des Antifaschistischen Blocks und der Parteien statt. Am 19. Oktober führt die SPD eine große öffentliche Versammlung im „Schützenhof` durch, in der Rechtsanwalt Dr. Kunze aus Halle/ Saale zum Thema „Demokratie oder Militarismus" spricht. Am 20. Oktober wird der frühere Bürgermeister der Stadt, Paul Scharf, von der Besatzungsmacht verhaftet. Schon in den Wochen davor haben mehrere Verhaftungen stattgefunden. Systematisch werden jetzt bestimmte Kategorien ehemaliger Funktionsträger in der Nazizeit zuerst in die NKWD-Dienststellen und von dort in das Internierungslager Torgau verbracht, auch wenn ihnen keine Verbrechen oder nazistische Aktivitäten nachgewiesen werden können. Es wird in einem Aufruf zu einem Sondereinsatz am 21. Oktober am Nordplatz aufgerufen, an dem die Reste einer Bauanlage für einen Feuerlöschteich beseitigt werden sollen. Ab 22. Oktober können sich Evakuierte und Flüchtlinge, die aus den Besatzungszonen der westlichen Alliierten stammen, zwecks Rückführung in die Heimat melden. Am 23. Oktober findet der erste Singeabend in der Singegemeinschaft Delitzsch" statt. Am 24. Oktober wird eine Nebenstelle „Umsiedlerbetreuung der Stadt Delitzsch" eröffnet. Hier wird ein Suchdienst für vermißte Angehörige eingerichtet. Vorerst bearbeitet er nur das Gebiet der Provinz Sachsen, aber seine Ausdehnung auf die gesamte russisch-besetzte Zone ist vorgesehen. Das Museum im Schloß ist wieder zur Besichtigung freigegeben worden. Am 25. Oktober werden alle im Bereich Gesundheitswesen tätigen Personen beim Gesundheitsamt, dessen amt. Leiter Dr. Kurtzhals ist, registriert. An diesem Tag findet am Abend eine Festkundgebung der LDP im „Schützenhof` statt. Dort spricht der l. Vorsitzende des Landesverbandes der Provinz Sachsen Karl Dibelius, ehem. Mitglied des Abgeordnetenhauses der Deutschen Nationalversammlung. Am 27. Oktober erscheint anstelle des „Verordnungsblattes für den Kreis Delitzsch" die „Delitzscher Allgemeine Zeitung". Darin wird mitgeteilt, daß die Bezugsscheine für Spinnstoffe und Schuhwaren bzw. die Kleiderkarten ab sofort gesperrt sind, daß alle Radiogerate zu melden und diejenigen, die mehr als 3 Röhren besitzen, diese abzuliefern sind und daß ein vorübergehendes Schlachtverbot besteht, da der Kreis Delitzsch 90 t Fleisch an das Notstandsgebiet Berlin abgeben muß. Das LW Rackwitz hat am 15. Oktober 1945 1.307 Beschäftigte. Da das Unternehmen als herrenlos eingestuft ist, übergibt es die Provinzialverwaltung an die russische Kommandantur. Das RAW Delitzsch hat im Oktober 1945 1.284 Beschäftigte und erhalt die Auftrage zur Reparatur von 1500 Personenwaggons und 300 Güterwaggons pro Quartal. Das Drahtziehwerk hat im gleichen Zeitraum 44 Beschäftigte. Der Betrieb ist nach dem Krieg auf die Reparatur von Landmaschinen und Fahrzeugen umgestellt worden. Der Inhaber H. Langer hat im Mal 1945 beim Einmarsch der Russen in seinem Stammwerk in Dohna Selbstmord begangen. Das Delitzscher Werk wird deshalb im November 1945 unter einen Sequestor gestellt. Als Treuhänder arbeitet Hers M. Müller.

1945 November
Ab 1. November erfolgt eine Neugestaltung der Lebensmittelrationierung. Danach erhalten pro Tag in Gramm:

.

Fett

Brot

Nahrm.

Kart.

Zucker

Marm.

Fleisch

1. Schwerstarbeiter

20

450

40

500

25

30

40

2. Schwerarbeiter

20

400

40

400

25

30

40

3. übr. Arbeiter

10

350

20

300

20

30

25

4. Angestellte

10

250

15

300

20

30

20

5. Kinder bis 15 J.

10

200

10

300

25

30

15

6. Sonst. Verbr.

-

200

10

300

15

30

-

Außerdem gibt es monatlich 200 g Kaffee-Ersatz, für die Kinder bis 15 Jahre nur 150 g. Werdende (ab 6. Monat) und stillende (bis 4. Monat nach der Geburt) Mütter erhalten je Monat zusätzlich 300 g Nährmittel, 300 g Zucker, 100 g Fett sowie täglich 1/4 l Milch. Am 3. November veröffentlicht der Bürgermeister im Verordnungsblatt" einen Bericht der Stadtverwaltung über die dringendsten zu lösenden Aufgaben. Danach steht an erster Stelle die Sorge um die vom Kriege am schwersten betroffenen Evakuierten und Flüchtlinge. Dabei ist deren Unterbringung und Wohnraumbeschaffung das Hauptproblem. Es befinden sich über 10.000 Flüchtlinge in der Stadt. Daher muß die Wohnraumbeschlagnahme-Ordnung im vollen Umfang zur Anwendung kommen. Auch muß für Ernährung, Kleidung und finanzielle Unterstützung der Flüchtlinge gesorgt werden. Einen weiteren Schwerpunkt stellt die Neuregelung des Fürsorgewesens dar, da durch die Sperrung der Renten und Pensionen große Teile der Einwohnerschaft in unverschuldete Not geraten sind. Um das Wohnungsproblem zu entspannen, wird die Fertigstellung der „Luftwaffensiedlung" vorbereitet und von der Stadtverwaltung gefördert. Einige Wohnungen werden im Rohbauzustand vermittelt und den Mietem die Fertigstellung überlassen. Am 4. November und nochmals am 11. November wird durch den Antifaschistischen Block eine Spinnstoffsammlung zugunsten der notleidenden Bevölkerung durchgeführt. Am 5. November wird der durch die Provinzialregierung im September angeordnete Ausschuß zur politischen Kontrolle und Säuberung der Wirtschaft gegründet (bis zum 15. April 1946 finden Ausschußsitzungen statt). Sein Vorsitzender wird der Wirtschaftsbeauftragte des Landrates, DR. Schmidt. Schriftführer wird Hermann Scharf (LDP); Mitglieder sind Herr Bernhardt (Gewerkschaft), Herr Lutzmann (KPD), Herr Prinz (SPD), Herr Eichstadt (CDU), Herr Braune (KPD), Herr Vetter (Gewerkschaft). Insgesamt sind 582 Gewerbeunternehmen im Kreis Delitzsch geprüft und entsprechende Entscheidungen gefällt worden. Diese stimmen nicht immer mit Beurteilungen übergeordnete Fachorgane (z B. Handwerkskammer) überein. Für Parteiaktivisten der ehemaligen NSDAP werden Geldbußen vom Ausschuß verhängt, so z B. bei Monteuren mit l0, RM Tageslohn 1, RM Stundenlohn vom Lohn gekürzt und zur Entrichtung für das Wiedergutmachungswerk verwendet. In größeren Unternehmen, wie RA W und L W Rackwitz, erfolgt die Säuberung der Betriebe von ehemals aktiven Nazis vorrangig unter führender Mitwirkung des jeweiligen Betriebsrates. Dabei werden Auflagen für Strafinaßnahmen erteilt, wie Lohnermäßigung, Herabstufung, Versetzung u. a. Ein Teil der Nazi-Aktivisten wird entlassen, führende Angestellte und Meister in untergeordnete Positionen versetzt. Fragebögen werden nicht weiter bearbeitet, wenn diese nicht vom Betriebsrat abgezeichnet sind. (Es werden Falle von Sippenhaftung festgestellt. So erhielt die Inhaberin eines Lebensmittelgeschäftes keine weitere „Betriebsführereigenschaft" zuerkannt, weil der Ehemann Mitglied der SS war. Zur Klärung der Nazivergangenheit konnten die in der Burg Wettin vorgefundenen Listen sämtlicher NSDAP-Mitglieder des Gaues verwendet werden. Kopien wurden den einzelnen Ortsausschüssen übergeben. Es erfolgen Sequestrationen (betrieblich eingesetzte Verwalter) gemäß Befehl 124 der SMAD, der die Beschlagnahme von Betrieben, Grundstücken und sonstigem Vermögen von Naziaktivisten fordert. Das Dampfsägewerk F. W. Beyer ist ab Dezember in Treuhandverwaltung, der ehemalige Inhaber ist als aktiver Nazifunktionär verhaftet worden. Er war Vorsitzender des Kreisgerichts. Bereits die Amerikaner veranlaßten eine Inhaftierung. (Im Mai 1946 kommt er in ein Internierungslager). Auch die Färberei Boenki und die Maschinenfabrik Dammhahn werden von einem Sequester verwaltet. Am 12. November wird mitgeteilt, daß die Belieferung mit Fleisch für die 3. Dekade um 50 % gekürzt wird. Für den restlichen Anteil wird Käse ausgegeben. Die Belieferung von Vollmilch für Kinder bis zu S Jahren wird auf'/. Liter pro Tag beschränkt. Am 15. November ergeht ein Aufruf zur Meldung als Laienlehrkraft für den russischen Sprachunterricht in der Schule. Die Bewerber dürfen jedoch nicht Mitglied der NSDAP gewesen sein. Am 22. November wird eine Anordnung der Provinzialverwaltung zur Einschränkung des Stromverbrauches in Industrie, Landwirtschaft, Verwaltung und Privathaushalten für alle Werktage in der Zeit von 7.00 bis 21.00 Uhr erlassen. Am 24. November findet auf dem Marktplatz der erste „Freie Markt" statt. Landwirte, die ihr Ablieferungssoll erfüllt haben, können überschüssige Erzeugnisse zu freien Preisen, die sie mit den Käufern vereinbaren, verkaufen. An diesem Tag haben sich auch alle Evakuierten aus Hessen, Hessen-Nassau, Baden und Württemberg im Rathaus zu melden, da am folgenden Tag der Rücktransport in ihre Heimat erfolgen soll. Das Kulturamt Delitzsch veranstaltet am 26. November in der Aula der Oberschule die erste festliche Veranstaltung mit Klavierkonzert, Gesang und Rezitation. Bei der Sitzung des Antifaschistischen Ortsausschusses am 27. November wurden u. a. folgende Beschlüsse gefaßt:
- Die Blockparteien werden aufgefordert, zwei Frauen zu benennen.
- Es werden 165 Straßenbeauftragte ernannt
- Für eine weitere Umbenennung von Straßen sollen die Parteien geeignete Vorschläge einreichen.
Für die Zeit vom 28. November bis zum 17. Dezember wird durch den Bürgermeister eine Registrierung der Delitzscher Bevölkerung angeordnet. Danach hat in Zukunft die Ausgabe der Lebensmittel zu erfolgen. Am 29. November gibt der Dezernent des Wohnungs- und Quartieramtes einen Bericht, wonach vom Wohnungsamt in der Zeit vom 1. September bis 30. November 188 Umzüge reguliert wurden. In derselben Zeit werden die Evakuierten und Umsiedler, die in den Schulen und in den Gaststätten „Schützenhof`, „Schwan", im Schloß und in Spröda untergebracht waren, dort herausgenommen. Insgesamt werden 2.635 Personen in Privatquartieren untergebracht. Außerdem werden für die russische Militärverwaltung 337 Offiziersquartiere ausgegeben. Eine Wohnungskommission, bestehend aus zwei Vertretern jeder Partei, steht dem Dezernenten in schwierigen Fällen beratend zu Seite. Am 30. November wird vom Bürgermeister Hampe ein Beschluß des Ortsausschusses des Antifaschistischen Blockes unterschrieben, um bei der russischen politischen Polizei die Haftentlassung des ehemaligen Bürgermeisters Paul Scharf zu erreichen. Darin wird dessen konsequente antifaschistische Haltung hervorgehoben. Wörtlich steht geschrieben: „Der Ausschuß bittet daher unter Berücksichtigung dieser Tatsache um nochmalige Überprüfung des Falles Paul Scharf mit dem Ziel der Haftentlassung, da er wirklich antifaschistische Taten vollbracht hat. Seine Verdienste sind die kampflose Übergabe der Stadt an die USA-Truppen, in dem er den Kampfkommandanten der Wehrmacht aufforderte, sich kampflos abzusetzen. Paul Scharf ist bei Aufbau unseres Wirtschaftslebens infolge seiner Stadt- und Kreiskenntnisse unbedingt erforderlich. Er hat bereits seit Beginn der Besatzung für die amerikanische Kommandantur und bis zu seiner Verhaftung für die russische Kommandantur als Getreidefachmann gearbeitet."

1945 Dezember
Am 1. und 2. Dezember findet wieder ein „Freier Markt" statt. Auf ihm werden gegen Vorlage der Lebensmittelkarte der Gruppe 5 und 6 Molkereiprodukte verkauft. Am B. Dezember wird das gleiche für die Gruppen 1 bis 4 durchgeführt. Auch danach finden weitere Märkte statt. Zur Vorbereitung der Wiedereröffnung der Landwirtschaftsschule werden nunmehr Anmeldungen entgegengenommen. Am 5. Dezember erfolgt die Auszahlung der Invaliden- und Angestelhenrenten, rückwirkend für die Monate Oktober und November. Am 6. Dezember erhalten auch die Bezieher der Lebensmittelkarten der Verbrauchergruppe 6, die bisher keinen Anspruch auf Fleisch und Fett hatten, täglich 15 g Fleisch und 7 g Fett. Personen über 6 Jahre können, soweit der Vorrat reicht, täglich %. 1 entrahmte Frischmilch erhalten. Es wird angekündigt, daß zum Weihnachtsfest auf alle Gruppenkarten 125 g Butter auf dem freien Markt gekauft werden können. Am 7. Dezember erfolgt der Rücktransport der restlichen noch in Delitzsch verbliebenen Evakuierten aus dem amerikanisch bzw. französisch besetzten Teil Deutschlands. Am 12. Dezember wird ein Aufruf zur Meldung als Volksrichter durch den Präsidenten der Provinzialverwaltung erlassen. Nach erfolgter Säuberung sollen der Justiz damit Kräfte zugeführt werden, die auch ohne Rechtsstudium Recht sprechen können. Geeignete Kräfte, die nicht der NSDAP angehört haben, sollen von den vier antifaschistischen Parteien vorgeschlagen werden. Die Versorgungslage ist immer noch sehr angespannt. So muß für die 3. Dekade die Fleischbelieferung um 10 % gekürzt werden. Dafür gibt es aber Käse und für die Gruppe 1 und 2 noch je 1 Ei. Für die Weihnachtsfeiertage werden aufgrund eines Befehls der SMAD auf jede Lebensmittelkarte 500 g Mehl und 250 g Zucker Oder Süßstoff ausgegeben. Auch die Kohle- und Energieversorgung bereitet große Schwierigkeiten. So wird am 18. Dezember bekanntgegeben, daß das Elektrizitätswerk Delitzsch bis auf weiteres Stromunterbrechungen in der Zeit von 17.00 bis 21.00 Uhr vornehmen muß. Für die Bevölkerung steht pro Woche nur 1 Ztr. Rohbraunkohle oder Briketts zur Verfügung. Daher darf auch durch die Bevölkerung in der stillgelegten „Grube Ludwig" bei Petersroda Rohbraunkohle gegraben werden. Sie wird vorwiegend mit Handwagen nach Delitzsch transportiert. Hotelzimmer und Gasthaussale dürfen nicht beheizt werden. Dasselbe trifft für Kirchen zu, und falls in den Mittagsstunden die Temperaturen nicht unter den Nullpunkt sinken, auch für Kinos. Der Schulunterricht soll auf wenige Schulen konzentriert werden. Am 22. Dezember wird das „Hilfswerk der Provinz Sachsen" von allen Parteien, Kirchen, Gewerkschaften und Frauenausschüssen gegründet. Dessen Aufgabe ist es, den Kindern und Jugendlichen über den schweren Winter hinweg zu helfen, den Umsiedlem eine neue Heimat zu schaffen, besondere Pflichten gegenüber den Opfern des Faschismus zu erfüllen, den heimkehrenden Soldaten zu helfen und hilflosen Kranken und alten Leuten beizustehen. Am 26. Dezember veranstaltet die Provinzial-Landesbühne im „Schützenhof` am Nachmittag ein „Kasperletheater" und abends einen „Bunten Abend". Am 27. Dezember werden die Eier- und Fischkarten für ungültig erklärt, weil für das Jahr 1945 keine Belieferung mehr erfolgen kann. Kinder bis zu 5 Jahren erhalten ab jetzt außer'/. t Vollmilch zusätzlich '/. 1 entrahmte Frischmilch, die Kinder bis zu 6 Jahren erhalten nunmehr täglich % 1 entrahmte Frischmilch. Am 29. Dezember wird das noch bestehende Ausgehverbot von 23.00 Uhr bis 5.00 Uhr aufgehoben. Die Anfang des Monats durchgeführte Einwohnerzählung hat ergeben, daß zu dieser Zeit in Delitzsch die ständige Wohnbevölkerung 18.359 (davon 9.909 männlich) und die gesamte Wohnbevölkerung 24.782 (davon 12.725 männlich) Personen beträgt.

1945 Zusammenfassung des Jahres
Nach der Übergabe der Stadt an die amerikanischen Streitkräfte geht der Krieg zwar weiter, für die Bewohner der Stadt ist es jedoch ein erster Hoffnungsschimmer. Der Selbstmord Hitlers am 30. April und die Kapitulation der Wehrmacht am B. Mai berührt kaum noch jemanden. Vor den Bürgem der Stadt steht jetzt das Problem, wie die Kriegsfolgen zu bewältigen sind. In den meisten Betrieben und Einrichtungen ruht zunächst die Arbeit. Die Behörden der Stadt und des Kreises kümmern sich vor allem um die Versorgung mit Lebensmitteln und um die Absicherung des dringendsten Bedarfs für das tägliche Leben. Dazu kommt bei vielen Familien die Ungewißheit über das Schicksal ihrer Angehörigen und der als Soldaten eingezogenen Männer. Bis Ende 1949 werden 566 gefallene, den Verwundungen erlegene oder in Gefangenschaft gestorbene Soldaten beurkundet. Auch später gibt es weitere Benachrichtigungen über Kriegssterbefälle durch das DRK, so daß die Zahl der Opfer des II Weltkrieges für unsere Stadt mehr als 600 Personen betragen dürfte. Auf dem Delitzscher Friedhof sind 154 hier verstorbene Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion, Polen und anderen Ländern beigesetzt. Außerdem sind 14 KZ-Häftlinge auf dem Friedhof beerdigt, die auf dem Marsch aus Konzentrationslagern hier den Tod gefunden haben. Nachdem Ende Mai die amerikanischen Kampftruppen durch andere Einheiten abgelöst worden sind, beginnt sich auch der Kontakt zwischen ihnen und der Bevölkerung, besonders zu den Kindern, zu verbessern und fast zu normalisieren. In geringem Umfang werden noch verantwortliche Führer der NSDAP und bestimmte Funktionträger verhaftet. Ein unsicheres Gefühl breitet sich in der Stadt aus, als ziemlich unvermittelt die bevorstehende Übergabe der von den Amerikanern besetzten Gebiete Sachsens, der Provinz Sachsen und Thüringen an die sowjetische Armee bekannt wird. Nur wenige begrüßen die einziehenden sowjetischen Truppen mit Freude. Von ihnen wird einerseits bald die Wiederingangsetzung der Wirtschaft veranlaßt und das gesellschaftliche Leben, vor allem durch Zulassung von Parteien und Gewerkschaften, neu gestaltet, aber andererseits erzeugt die ständig zunehmende Zahl der Verhaftungen und Intemierungen eine spürbare Unruhe unter vielen Bürgern. Bei den Betroffenen handelt es sich meist um „Naziaktivisten" oder „Militaristen", aber auch kleine Funktionäre und denunzierte Personen sind vor Verhaftungen nicht sicher. Ein Schuldnachweis ist nicht erforderlich. Daher kommt es, daß auch der in den letzten Kriegsjahren amtierende Bürgermeister Paul Scharf verhaftet und interniert wird, obwohl er maßgeblich an der Bewahrung der Stadt vor deren Zerstörung beteiligt war und der „Antifa"-Ausschuß" sogar mit Hinweis auf seine antifaschistische Haltung seine Feilassung beantragt hat. Aus Verwaltung, Schule, Justiz und Polizei sowie aus wirtschaftsleitenden Institutionen sind anfangs vorwiegend die aktiven Nazis entfernt worden. Später, in den letzten Monaten des Jahres, werden dann die meisten nominellen Mitglieder der verbotenen NSDAP entlassen. Hauptsorge bleibt weiterhin, das tägliche Leben zu verbessern und weiter zu normalisieren. Erschwert werden diese Bemühungen durch den steigenden Zustrom an Menschen durch die im Potsdamer Abkommen festgelegte Aussiedlung der in den Ostgebieten und im Sudetenland verbliebenen deutschen Bevölkerung. Zeitweise kommt im Spätherbst auf zwei Delitzscher ein Heimatvertriebener. Diese müssen in Notquartieren untergebracht und mit Kleidung, Betten und den nötigsten Haushaltgegenständen sowie mit Lebensmitteln versorgt werden. Einschränkungen mit Energie und Heizmaterial bringen schwere Belastungen für die Bevölkerung mit sich. Am Jahresende wird die noch bestehende nächtliche Ausgangssperre aufgehoben. Das neue Jahr wird mit gedämpften Optimismus erwartet.


1946

1946 Januar
Am Neujahrstag findet im Heimatmuseum ein Vortrag zum Gedenken des 150. Geburtstages von Christian Gottfried Ehrenberg statt. Der Vortrag konnte aufgrund der Kriegsereignisse im April des Vorjahres nicht gehalten werden. Am 2. Januar werden die Geschäfte der wiedergegründeten Konsumgenossenschaft (früher Konsumverein) in der Heinrich-Kaufmann-Straße (heute A.-Fritzsche-Straße) und der Halleschen Straße eröffnet. Am Abend dieses Tages veranstalten sowjetische Künstler ein Konzert mit Varieté-Vorführungen zugunsten des „Flüchtlingswerkes" im Saal des „Schützenhauses". In den ersten Januartagen wird mit der Demontage der Zuckerfabrik begonnen. Die Ausrüstungen sollen als Reparationsleistung zum Aufbau der im Il. Weltkrieg zerstörten Industrie in die Sowjetunion abtransportiert werden. Neben der Belegschaft der Zuckerfabrik werden dazu durch Auflagen auch Arbeitskräfte aus anderen Betrieben angefordert. Am 6. Januar findet die l. Sitzung des am Ende des Vorjahres gegründeten Zentralen Ausschusses des Antifaschistischen Blockes Delitzsch (Kreisantifa-Ausschuß) statt, auch wegen der Anzahl der Mitglieder „32er Ausschuß" genannt. Ihm obliegt die Aufgabe, „im Kampf um die Säuberung Deutschlands von den Überresten des Hitlerismus und für den Aufbau des Landes auf antifaschistischer Grundlage zusammenzuarbeiten, Rechtssicherheit und Freiheit des Geistes und des Gewissens herzustellen sowie gegen Völkerverhetzung und für Verpflichtung zur Wiedergutmachung einzutreten." Auf der Grundlage zentraler Richtlinien handelt der Kreisantifa-Ausschuß nach folgenden Grundsätzen:
- ehemalige Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen dürfen nicht Mitglied einer antifaschistisch-demokratischen Partei werden, es gibt auch keine Ausnahme bei Berufssoldaten.
- Als Ausnahme gelten nachgewiesener aktiver antifaschistischer Kampf und bei lediglich nomineller Mitgliedschaft in der NSDAP und ihrer Gliederungen für die nach dem dem 1. Januar 1920 Geborenen.
- Als aktivistische Mitglieder der NSDAP gelten: Mitglieder der NSDAP vom Zellenleiter aufwärts. Mitglieder der NSFK (national-soz. Fliegerkorps), NSKK (national-soz. Kraftfahrerkorps) vom Gruppenführer aufwärts. Mitglieder der NSF (national-soz. Frauenschaft) von der Zellenleiterin aufwärts). Alle weiteren Angehörigen sonstiger o.g. Dienststellen und vergleichbarer NS-Organisationen. Mitglieder der NSDAP, die vor dem 1. Mai 1933 der NSDAP beigetreten sind. Personen, die keine der o. g. Voraussetzungen erfüllen, sich jedoch in Wort und Schrift oder geheim als Vertreter oder Verfechter national-soz. Anschauungen betätigt oder fortgesetzt auf ihre Umgebung oder die ihnen Unterstellten im nationalsozialistischen Sinne eingewirkt haben.
- Die Ausschußarbeit umfaßte nachfolgende Bearbeitung: Rehabilitierungsanträge, Persönliche und berufliche Unbedenklichkeitsanträge Anträge für Leumundszeugnisse Politische Unbedenklichkeitserklärung zur Weiterbeschäftigung in der Verwaltung, Gesuche zur Eröffnung/Wiedereröffnung/Schließung von Gewerbeunternehmen. Anträge zur Befreiung ehemaliger Nazis von der Pflichtarbeit. Anträge auf Rentenzahlung und Auszahlung von Sparguthaben, Klärung zu Fragen der Mitgliedschaft in der NSDAP und ihrer Gliederungen.
Für die Bearbeitung derartiger Anträge und Auskünfte müssen Gebühren entrichtet werden. Für Auskünfte/Überprüfungen müssen 2, RM, ab 10.10.1946 3, RM und bei Wiederholungsprüfungen und abgelehntem Bescheid 10, RM gezahlt werden Zur weiteren Entscheidung und Bearbeitung der eingegangenen Beschwerden wird am 31. Mai 1946 der 3er Ausschuß gebildet mit Vertretern der CDU, LDP und SED. Die Kohlenversorgung bereitet ernste Schwierigkeiten. Vom Bürgermeister wird die Erfassung der vorhandenen Vorräte angeordnet. Dazu muß jeder Haushalt einen Erhebungsbogen ausfüllen. Eine gegenseitige Hilfe der Haushalte untereinander wird erwartet. Aufgrund bestehender Transportschwierigkeiten ist die Lebensmittelversorgung nicht gesichert. Daher kann zur Restbelieferung der Dezember-Lebensmittelkarten erst Anfang Januar aufgerufen werden. Dagegen kann ab 9. Januar die Milchversorgung für Kleinkinder von 0 bis 1 Jahr von 1/4 l Vollmilch auf  1/2 1 Vollmilch täglich erhöht werden. Am B. Januar appelliert der z. Bürgermeister Pohle an alle Männer von 17 bis 45 Jahren, sich für die Mitarbeit in der Freiwilligen Feuerwehr zu melden. Dabei ist Bedingung, daß sie einer der vier Blockparteien angehören, im Zentrum der Stadt wohnen und nicht auswärts arbeiten. Um der Stadt ein freundliches Gepräge zu geben, werden die Hausbesitzer bzw. Verwalter aufgefordert, alle noch vorhandenen Splitterschutzwände vor den Kellerfenstern, Erdanhäufungen, Hinweise auf Luftschutzkeller usw. bis 31. Januar zu entfernen. Zum 20. Januar erfolgt wieder ein Abtransport von Evakuierten, die aus dem Gebiet der britisch besetzten Zone stammen, in ihre Heimat. An diesem Tag führt das „Hilfswerk der Provinz Sachsen" überall eine Sammlung von Sach- und Geldspenden durch, die unter dem Motto steht: „Helft den Umsiedlern! Schafs ihnen Heimat, Brot und Arbeit!" Als Vorsitzender des Stadtausschusses des Hilfswerkes ist Pfarrer Unger gewählt worden. Am 23. Januar wird die Städtische Volksbücherei nach erfolgter „Säuberung und Neuordnung der Literatur im Saal des „Goldenen Adler" wieder eröffnet. Der Schulrat Schwahn verfügt am 24. Januar zur Regelung der Frage der Eltembeirate, an jeder Schule einen Eltemausschuß, bestehend aus bis zu acht Personen, zu bilden. Die Mitglieder sind im Einverständnis des Antifa-Ausschusses einzusetzen. Für Evakuierte, die aus der amerikanisch besetzten Zone stammen, wird am 20. Januar ein Transport in die Heimat zusammengestellt. Am Monatsende werden für den „Freien Markt", der ab jetzt regelmäßig stattfinden soll, zwecks einer möglichst gerechten Verteilung der Produkte Marktkarten für einen Unkostenpreis von 0,50 RM durch die Straßenbeauftragten verteilt. Unter „Freiem Markt" ist der Verkauf von Waren der Landwirtschaft zu verstehen, wobei die Erzeuger kein Ablieferungssoll haben oder ihr Soll erfüllt haben. Der Verkauf erfolgt ohne Lebensmittelkarten/Bezugsscheine zu frei vereinbarten Preisen. Auf Anordnung der Militärkommandantur vom 31. Januar müssen sich alle Angehörigen der früheren Wehrmacht, SA, SS, SD und NSDAP, welche in Delitzsch ankommen, bei ihr innerhalb von 48 Stunden registrieren lassen. Alle Fragen einer Umsiedlung werden dort sofort entschieden. In diesem Monat ist die Zahl der Flüchtlinge und Umsiedler in der Stadt auf etwa 8.000 gesunken, da inzwischen etliche von ihnen auf die Dörfer verteilt wurden oder zu ihren Angehörigen in die westlichen Besatzungszonen weitergezogen sind. Es konnten in den letzten Wochen die Lager „Weißes Roß", „Nordschlößchen", „Henning-Schrödter-Haus", „Walzenmühle" und „Stadt Berlin" aufgelöst werden. Die dort Untergebrachten wurden in Privatquartiere eingewiesen oder in noch bestehende Lager in der Stadt umquartiert.

1946 Februar
Ab Februar wird das „Verordnungsblatt Ihr den Kreis Delitzsch" ersetzt durch die „Bekanntmachungen für den Kreis Delitzsch, amtliche Mitteilungen der Kreise, Städte und anderen Behörden im Kreis Delitzsch. Herausgegeben mit Genehmigung der russischen Militärregierung." Am 1. Februar eröffnet die Katholische Kirche ein Altersheim mit 45 Plätzen im Nebengebäude der Kirche. Dorthin werden bisher im ehemaligen Kinderspielsaal des Hospitals notdürftig untergebrachte alte Leute verlegt. Bis 3. Februar müssen auf Anordnung der russischen Militärverwaltung alle Skier einschließlich Bindung und Stöcke in der Polizeiwache abgeliefert werden. Zwecks evtl. Rückgabe sind Name und Adresse unlösbar anzubringen. Auf Anordnung der SMAD sind bis 15. Februar sämtliche Luftschutzbunker zu beseitigen. Zu diesem Zweck werden zum Sonntag, dem 3. Februar, 8.00 Uhr, alle ehemaligen männlichen Mitglieder der NSDAP, SS, SA, NSKK und HJ im Alter von 16 bis 60 Jahren für die Beseitigung der Bunker in Delitzsch verpflichtet. Einsatzorte sind: Elberitzplatz, Pestalozzischule, Schloß, Schützenhausplatz, Marienfriedhof, Eisenbahnstraße, Karl-Liebknecht-Straße/EmilKrell-Straße. Hacken, Spaten, Schaufel sind mitzubringen. Bei Nichtbefolgung wird Bestrafung angedroht. Durch die Entlassung von Lehrern wegen ihrer Zugehörigkeit zur NSDAP werden in Kurzlehrgängen sogenannte Neulehrer ausgebildet und in den Schuldienst aufgenommen. Am 4. Februar wird der erste Neulehrerkursus im Festsaal der Oberschule eröffnet. An ihm nehmen 120 Bewerber teil. Er wird in der Pestalozzischule unter der Leitung von Dr. Löwe durchgeführt. hin Februar hat sich die Belieferung der Lebensmittelkarten im wesentlichen stabilisiert. Lediglich bei Butter bestehen noch Engpässe, so daß für Februar und März Butter nur an Kranke mit Berechtigungsschein und an werdende und stillende Mütter ausgegeben werden kann. Auf Empfehlung des Antifa-Blockes wird Dr. Zaar am 11. Februar wieder als ärztlicher Leiter des Krankenhauses eingesetzt. Zu dessen Abteilung gehören: das Krankenhaus in der Dübener Straße, die Infektionsabteilung in der Ludwig-Jahn-Straße (frohere Kindertagesstätte), die Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten in der Elisabethstraße, die neu zu errichtende Baracke im Garten des Krankenhauses. Vom 18. Februar bis 9. März finden im gesamten Kreis Typhus-.Schutzimpfungen für alle Personen im Alter von 6 bis 60 Jahren statt. Es werden Anwärter für die Schutzpolizei der Stadt Delitzsch gesucht. Bewerben können sich alle geistig und körperlich polizeitauglichen Männer bis zu 45 Jahren, die eine ausgedehnte konspirative Tätigkeit gegen das faschistische Regime während der faschistischen Ära nachweisen können. In der Schokoladenfabrik wird die Produktion von Schokoladentafeln aufgenommen. Dieser Produktionsbereich ist eine streng geschlossene Abteilung, und die Produkte sind nicht für den öffentlichen Verkauf bestimmt.

1946 März
Am 4. März wird der Städtische Kindergarten im Hospital eröffnet. Am 15. März erfolgt im RAW die Gründung der Freien Deutschen Jugend. Die FDJ ist die in der SBZ zugelassene Jugendorgansation. Weitere Jugendverbände sind nicht erlaubt. Am 20. März erscheint eine Bekanntmachung des Bürgermeisters, in der die Bevölkerung der Stadt aufgerufen wird, anläßlich des „Kreisparteitages der KPD und SPD" zu flaggen. Dieser findet am 24. März im „Schützenhof` statt. Hier vereinigen sich beide Parteien zu einer marxistisch-leninistischen Partei, die auf dem am 21. April in Berlin stattfindenden Gründungsparteitag den Namen „Sozialistische Einheitspartei Deutschlands" (SED) erhält. Als gleichberechtigte Vorsitzende der vereinten Partei im Kreis Delitzsch werden Otto Geithe (bisher KPD) und Fritz Schwahn (bisher SPD) gewählt. (Der „Schützenhof `wird danach in „Karl-MarxHaus" umbenannt). Die vorgeschichtliche Abteilung des Heimatmuseums wird am 24. März wieder eröffnet. Am 20. März 1946 müssen sich alle Männer im arbeitsfähigen Alter von den Handwerksbetrieben und Geschäften auf Anordnung der Kommandantur auf dem Marktplatz einfinden. Hier wird unter Mitwirkung der Stadtverwaltung und Kommandantur die Aufteilung in einzelne Gruppen vorgenommen ohne Rücksicht auf vorgebrachte Grunde, wie z. B. Betriebs- und Geschaftsschließung. Die einzelnen Gruppen werden zur Demontage der Zuckerfabrik Delitzsch, Kraftwerk Muldenstein, Reichsbahn (Abbau der elektrischen Fahrleitungen) u.a. abkommandiert. Zwischen dem 20. und 24. März werden wieder Rückführungstransporte für die noch in Delitzsch verbliebenen Evakuierten, die aus Berlin und den westlichen Besatzungszonen stammen, zusammengestellt. Am 25. März werden alle Umsiedler aufgefordert, sich einen „Umsiedlerpaß" ausstellen zu lassen. Ohne diesen werden ab 1. April an sie keine Lebensmittelkarten mehr ausgegeben. Der Kreis Delitzsch kann 16 Jugendliche aus den Reihen der werktätigen antifaschistischen Jugend zum Vorsemester zur Vorbereitung auf ein Universitätsstudium entsenden. Zu deren Unterstützung sind drei Stipendien in Höhe von je 1000,00 RM durch die Kreisbehörde gestiftet worden. Am 27. März teilt das Schulamt mit, daß der Religionsunterricht ausschließlich Angelegenheit der Religionsgemeinschaften ist. Damit steht er in keiner Beziehung mehr zum Schulunterricht. Im März bestehen wieder einige Schwierigkeiten bei der Lebensmittelversorgung. So werden teilweise Eier anstelle von Fleisch ausgegeben.

1946 April
Anfang April bleibt die Versorgungslage weiterhin angespannt. Die Belieferung mit Fleisch, Fett und Marmelade für die 1. Dekade bleibt vorerst gesperrt. Es wird auf einen späteren Aufruf hingewiesen. In der 3. Dekade gibt es nur zwei Drittel der vorgesehenen Fleischmenge. Aus Anlaß der Übergabe des Jugendheimes im Gebäude Schloßstraße 30 an die FDJ, findet am 3. April eine Jugendkundgebung mit anschließendem Fackelumzug statt. Vom Kreisausschuß des Hilfswerkes der Provinz Sachsen werden wieder Geld- und Sachsammlungen für Umsiedler und Heimkehrer durchgeführt. Die Straßenbeauftragten überprüfen bei der Ausgabe der Lebensmittelkarten für den nächsten Monat, ob alle Personen von 6 bis 60 Jahren zur Typhusschutzimpfung gewesen sind. Wer keinen Impfschein vorlegen kann, erhält keine Lebensmittelkarten. Die Gasversorgung ist immer noch nicht gesichert. Im April wird sie auf die Zeiten von 5.00 bis 7.00 Uhr, 11.00 bis 13.00 Uhr und 18.00 bis 19.00 Uhr beschränkt. Die noch immer verbliebenen Evakuierten aus den westlichen Besatzungszonen können sich in bestimmten zentralen Sammellagem für den Rücktransport melden. Dagegen wird für die aus dem Osten stammenden Umsiedler, welche vor dem 1. März in der sowjetischen Zone gemeldet sind, die Grenze nach dem Westen geschlossen. Ausnahmen gelten nur, wenn der Ernährer der Familie jetzt im Westen gefunden wurde und von dort eine Zuzugsgenehmigung vorliegt. Am 26. April findet in der Oberschule im Beisein von Schulrat Schwahn und Jugendamtsleiter Fritz Schirmer eine Elternversammlung unter dem Thema „Bleibt die Schule oder nicht` statt, da bei einigen Schülern eine reaktionäre Einstellung vermutet wird. Im Auftrage des Landrates gibt der Leiter der Wirtschaftsabteilung Dr. Schmidt bekannt, daß bis 30. April sämtliche Betriebe einschließlich Handwerk, Gewerbe und Einzelhandel, die der politischen Kontrolle und Säuberung unterliegen, Fragebögen auszufüllen haben. Die Sequestration erstreckt sich auf weitere Unternehmen, so die Bäckerei Karte, die Zigarrenfabrik Krombholz, die Buchdruckereien Günther und Walter, die Textilgeschafte Freitag und Hintzehnann, das Kolonialwarengeschäft Ufer und die Schlosserei Mietzsch. Aufgrund einer Verordnung des Präsidenten der Provinz Sachsen sind alle Pachtverträge über kleingärtnerisches Land, deren Pächter als Naziaktivisten eingestuft sind, vom Verpachter zu kündigen.

1946 Mai
Der 1. Mai ist zum offiziellen Feiertag erklärt worden. Am Vorabend wird von Kindern und Jugendlichen ein Fackelumzug durchgeführt. Am Feiertag findet ein Umzug durch die Stadt mit einer anschließenden Kundgebung auf dem Markt statt, auf der Landrat Otto Herrmann, Bürgermeister Richard Hampe und ein Vertreter der Gewerkschaft Ansprachen halten. Nachmittags finden Volksbelustigungen und Sportveranstaltungen statt. Am 8. Mai erscheint eine Bekanntmachung, daß gemäß einer Anordnung der SMAD in diesem Monat eine Registrierung der Bevölkerung erfolgt. In einer weiteren Anordnung der SMAD wird veröffentlicht, daß für Reisen von einer Provinz in eine andere innerhalb der sowjetischen Besatzungszone eine Genehmigungspflicht eingeführt wird. Reisen in die westlichen Besatzungszonen werden grundsätzlich untersagt. Für die Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft wird beim Landratsamt ein Referat für entlassene Kriegsgefangene eingerichtet. Diese müssen sich dort melden und anschließend bei der russischen Kreiskommandantur registrieren lassen. Auf Befehl der hiesigen Kreiskommandantur dürfen Umsiedler, die bereits in anderen Kreisen und Provinzen aufgenommen worden sind, nicht in den Kreis Delitzsch umziehen. Am 13. Mai wird der zweite Kindergarten im Seitengebäude des Schlosses (heute naturgeschichtlicher Ausstellungsraum im Schloß) eröffnet. Nachdem bereits zu Beginn des Monats ein Aufruf des Amtes für Volksbildung beim Landrat zum Aufbau eines Volkschores erschienen ist, wird Mitte des Monats bekanntgegeben, daß das Kulturamt die Gründung eines Laientheaters beschlossen hat. Alle in Delitzsch wohnhaften Personen, die dort aktiv mitwirken wollen, werden gebeten, sich zu melden. Bei einer Entwicklung auf ein entsprechendes Niveau ist daran gedacht, es später als „Städtische Bühnen" zu führen. Ende des Monats wird erneut darauf hingewiesen, daß wegen der Gefahr eines Befalls mit Kartoffelkäfern alle Felder genauestens abzusuchen sind. Seit diesem Monat ist die Lebensmittelversorgung auf Karten nun prinzipiell gesichert. Lediglich bei Fleisch gibt es weiterhin zeitweise Probleme. Es werden dann ersatzweise Eier, Quark oder Käse abgegeben. Am 31. Mai wird von der Regierung die Abwicklungsstelle der Stadtverwaltung Rawitsch, (ehemals Warthegau, Stadt in der Provinz Posen), die Anfang 1945 im Zuge der Evakuierung bei Herannahen der Ostfront nach Delitzsch verlagert worden war, aufgelöst. Der bereits Ende des Vorjahres begonnene Umbau der kleinen ehemaligen katholischen Kirche zu einem Kinderheim wird vollendet. Es erhält den Namen „Adolf Baeseler-Heim" und ist für die Versorgung von 30 elternlosen Kindern eingerichtet.

1946 Juni
Der Mangel an Textilien hat eine große Nachfrage nach Igelit-Erzeugnissen (Igelit, ein Polymerisations-Produkt des Vinylchlorid, ein Kunststoff) zur Folge. Um diese zu steuern, werden ab 11. Juni die IgelitSchuhe, -Mäntel und -Umhänge und Schürzen nur noch gegen Sonderbescheinigungen abgegeben. Weiterhin wird zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Schuhreparaturen angeordnet, daß sich alle versorgungsberechtigten Personen bis 20. Juni unter Vorlage der Lebensmittelkarte bei einer Schuhreparaturwerkstatt anzumelden haben. Dort wird durch einen Stempelaufdruck die Annahme des Kunden bescheinigt. Es wird die Einrichtung der „Volkshochschule Delitzsch" angekündigt. Meldungen werden ab Mitte des Monats angenommen, die Eröffnung der Volkshochschule ist für den 1. Oktober 1946 vorgesehen. Auf Befehl der SMA Halle wird bis 16. Juni eine personelle Registrierung aller in Delitzsch untergebrachten Umsiedler vorgenommen.

1946 Juli
Am 12. Juli kommt wieder ein Umsiedlertransport, diesmal aus Brüx (Sudetenland) und Umgebung in der Stadt an. Die Umsiedler werden auf verschiedene Quartiere verteilt. Es erscheint eine Anweisung, nach der die bei der Demontage von elektrischen Kabelleitungen (elektrifizierte Reichsbahnstrecken) Beschäftigten statt bisher als „Schwerstarbeiter“ nunmehr als „Schwerarbeiter“ eingestuft werden. Am 15. Juli findet eine öffentliche Versammlung im „Karl-Marx-Haus" statt, in der Landrat Herrmann über das Thema „Ein Jahr Neuaufbau" spricht. Vom 21. bis 27. Juli findet eine Gesundheitswoche statt. Dazu werden im „Lindenhof` Vorträge von Delitzscher Ärzten u. a. über Kinderkrankheiten, drohende Seuchengefahr lind über die Tuberkulosegefahr gehalten. Am 21. Juli verstirbt der Ärztliche Direktor des Krankenhauses, Dr. Zaar. In einem Nachruf würdigt der Bürgermeister Richard Hampe seinen selbstlosen Einsatz bei der Führung des Krankenhauses unter den erschwerten Nachkriegsbedingungen. In den Delitzscher Betrieben finden wie überall in der Provinz Sachsen in der Zeit vom 22. bis 28. Juli „Betriebsratewahlen"statt. Am 28. Juli werden anläßlich des 75jährigen Bestehens des Stadtparks mehrere Veranstaltungen durchgeführt. Der Mittelschullehrer Horn hält in der Aula der Oberschule einen Vortrag über die Geschichte des Stadtparks. Anschließend findet eine Führung statt, und im Stadtpark musizieren das Städtische Orchester und der Volkschor. Am 29. Juli beantragt der Betriebsleiter der Zuckerfabrik Delitzsch, Aumüller, den Einhalt der Demontagen, was jedoch nicht erfolgt. (Die Produktionsmenge der Zuckerfabrik vor der Demontage betrug 20.000 t Zucker, 50.000 t Naßschnitzel, 2.500 t Trockenschnitzel, 8.000 t Trockenrüben, 2.000 t Trockenblatt und 4.000 t Melasse.) Der Landrat erläßt am 30. Juli einen Aufruf an die Bürgermeister und die Ortsausschüsse des Hilfswerkes der Provinz Sachsen. Danach kehren in der ersten Rate der aus Rußland entlassenen Kriegsgefangenen 32.000 in die Provinz Sachsen zurück, von denen ein großer Teil krank und pflegebedürftig ankommt. Nach Ablauf einer 14tägigen Quarantäne in den Lagern Korbin oder Torgau werden sie entlassen. Davon werden die Angehörigen benachrichtigt, die aufgefordert werden, nach dort einen vollständigen Entlassungsanzug (Ober- und Unterbekleidung) und etwas Taschengeld zu schicken. Für heimatlose Heimkehrer werden Geld- und Bekleidungsspenden erbeten. Für die am B. September stattfindende Wahl zur Stadtverordnetenversammlung wird ein Wahlausschuß unter der Leitung des z. Bürgermeisters Gotthold Pohle gebildet. Am 31. Juli erläßt der Landrat einen Aufruf an die Bevölkerung zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten mit der Bitte um Verständnis für die zu ergreifenden verschärften Maßnahmen. So werden ab sofort regelmäßig Razzien in Gaststätten, Kontrollen in „Häusern mit lebhaftem Männerbesuch" und allmonatliche Untersuchungen auf Geschlechtskrankheiten aller Personen, die im Lebensmittelhandel und in der Lebensmittelproduktion, in Gaststätten, im Friseurgewerbe, in Kinos, Badeanstalten und in Wäschereien arbeiten, durchgeführt. Bei Verstößen gegen die gesetzlichen Bestimmungen werden hohe Strafen angekündigt. Ende des Monats wird ein Aufruf von der Vorsitzenden des AntifaFrauenausschusses Schneemann veröffentlicht. Danach finden jeweils dienstags und donnerstags von 15.00 bis 18.00 Uhr für Kinder von 6 bis 10 Jahren auf dem Elberitz-Sportplatz Spiele statt. Anschließend gibt es Milch zu trinken. In diesem Monat bereiten sich die Parteien auf die Wahlen vor. Die Gemeindewahlen sind für den B. September und die Landtags- und Kreistagswahlen für den 20. Oktober angesetzt. Es werden Wahlversammlungen durchgeführt, in denen sich die Kandidaten vorstellen.

1946 August
Am 10. und 11. August wird vom Kreisausschuß Delitzsch des Hilfswerkes der Provinz Sachsen eine Sammlung für die in der nächsten Zeit zurückkehrenden Kriegsgefangenen, die Heimat, Haus und Hof, oftmals auch die Angehörigen, verloren haben, durchgeführt. Am 21. und 22. August findet die Abschlußprüfung für 120 Teilnehmer des Neulehrerkurses statt. Die Schüler der Oberschule führen am 23. August eine Kartoffelkäfersuche wegen der Gefahr eines stärkeren Befalls durch. Die Fachschaft Einzelhandel schlägt am 25. August folgendes vor: Schließung der Möbeltischlerei Ehricke (Eilenburger Straße) und der Drogerie Holland (Breite Straße), zur Übergabe an die Konsumgenossenschaft. Die Textilgeschäfte Hintzehnann (Breite Straße) und Freitag (Markt) sowie das Zigarrengeschäft Salmann (Eilenburger Straße). Die Färberei Boenki (Lauesche Straße) soll mit einem Antifaschistenals Betriebsleiter besetzt werden. Nicht geschlossen werden soll der Betrieb des Bierverlegers Dietrich (Elisabethstraße).

1946 September
In einem Bericht vom 2. September werden die Ergebnisse im Kampf gegen Schwarz- und Schleichhandel, Schieber und Hausierer im 1. Halbjahr bekanntgegeben, die durch das Amt für Handel und Versorgung im Kreis in Zusammenarbeit mit den Polizeiorganen, verstärkt durch ehrenamtliche Kräfte der SED, erzielt wurden. Die beschlagnahmten Waren wurden der öffentlichen Bewirtschaftung zugeführt bzw. verderbliche Lebensmittel an Krankenhäuser, Altenheime und Kinderheime verteilt. Die beim Verkauf erzielten Erlöse werden der Kreiskasse zugeführt. Am 4. September ergeht ein Aufruf vom Bürgermeister Hampe, unbenutzte Kochherde oder Öfen leihweise Umsiedlem zur Verfügung zu stellen. In Delitzsch sind derzeit 600 Umsiedlerfamilien ohne Heiz- und Kochgelegenheit. Das wichtigste Ereignis des Monats ist die Stadtverordnetenwahl vom 8. September. Das amtliche Ergebnis:

Wahlberechtigte:

15.889 Personen

 

Abgegebene Stimmen:

14.374

 

Gültige Stimmen:

13.821

 

Ungültige Stimmen:

 

553

Wahlbeteiligung:

 

90,4 %.

       

Sitze in der Stadtverordnetenversammlung:

SED

12

(5.511 Stimmen 40,8 %)

LDP

11

(5.133 Stimmen 37,1 %)

CDU

7

(3.051 Stimmen 21,8 %)

AFA (Antifa. Frauenausschuß)

 

 

126 Stimmen

Die Stadtverordneten sind:
SED: Hermann Gebhardt, Gustav Westram, Gerhard Hörnke, Walter Leisch, Hedwig Schlenkrich, Paula Waletzko, Margarete Teichert, Edgar Schwerin, Georg Hanoschek, Emil Sachse, Otto Müller, Rudi Herrmann.
LDP: Karl Böttcher, Dr. Wilhehn Mischen, Annemarie Bär, Reinhold Müller, Walter Krebs, Dr. Gerhard Schmidt, Hermann Scharf, Johann Wagner, Max Letsch, Rudolf Leutelt, Erich Richter.
CDU: Alfred Nickisch, Andreas Eichstädt, Helmut Eßmann, Heinz Kloß, Richard Weitze, Elisabeth König, Hans-Georg Löser (anstelle des im gleichen Monat wegen Krankheit ausgeschiedenen Franz Krettek).
Am 7. September teilt der Landrat des Kreises Delitzsch dem Bürgermeister Delitzsch als Ortspolizeibehörde folgendes mit: „Auflösung des Tennissportvereins Delitzsch - Die Auflösung erfolgte gemäß SMAD-Befehlen 124/125 vom 31.10.1945. Danach wurden die Vermögenswerte des Tennissportvereins konfisziert. Der Verein wurde von der FDJ übernommen. Der Landrat erhält von der Stadtverwaltung Delitzsch den Bericht zur „Auflösung des Tennissportvereins Delitzsch, worin steht: „Gegen die endgültige Überlassung der in meinem Bericht vom 14. des Monats genannten Baulichkeiten und Inventarstücke des Tennissportvereins Delitzsch an die Sparte Tennis der Freien Deutschen Jugend bestehen hier keine Bedenken." Am 18. September wird die Zusammensetzung des Wahlausschusses der Stadt Delitzsch für die Kreistags- und Landtagswahlen unter dem Vorsitz des bisherigen zweiten Bürgermeisters Gotthold Pohle mitgeteilt. Im Antifa-Ausschuß sind die vier antifaschistisch-demokratischen Parteien gleichberechtigt vertreten. in den ersten Monaten läuft die Zusammenarbeit, vor allem auf örtlicher Ebene, meist recht vertrauensvoll. Im Herbst gibt es jedoch bei der Vorbereitung der Wahlen schon einige Mißhelligkeiten zwischen den beiden bürgerlichen Parteien einerseits und der SED andererseits. So schreibt Hermann Scharf, Vorsitzender der LDP ein 17. September in einem Bericht an die russische Kommandantur: „... Wir setzen dabei aber voraus, daß im kommenden Wahlkampf, bei den Kreistags- und Landtagswahlen, mit fairen Mitteln gekämpft wird, wie es immer bei uns der Fall war und daß solche Gehässigkeiten, wie sie in einem am Abend vor der Wahl verbreiteten Flugblatt erbracht wurden, die mit der Würde einer so großen Partei, wie die SED, nicht vereinbar sind, künftig unterbleiben. Auch erbitten wir die Hilfe der Kommandantur." Am 1. Oktober übernimmt Dr. Burkhardt die ärztliche Leitung des Krankenhauses.

1946 Oktober
Am 4. Oktober findet die erste Sitzung der Stadtverordnetenversammlung im Rathaussitzungssaal statt. Damit ist nach 12 Jahren faschistischer Herrschaft wieder eine Gemeindevertretung in freier und geheimer Wahl gewählt worden. Bei diese konstituierenden Sitzung werden die Stadtverordneten durch Richard Hampe, der weiterhin Bürgermeister bleibt, in ihr Amt eingeführt und durch ihn verpflichtet. Bei der Wahl des Vorstehers der Stadtverordneten erhält Hans-Georg-Löser (CDU) 17 Stimmen, eine ist ungültig. Da aber die SED als stärkste Partei den Anspruch auf den Vorsitz erhebt, wird die Bestätigung des Stadtverordnetenvorstehers bis zum Vorliegen endgültiger Richtlinien verschoben. Vom 18. bis 21. Oktober können sich Eltern oder Angehörige, deren Kinder in den polnisch besetzten Gebieten zurückgeblieben sind, zwecks Ermittlung für eine spätere Rückführung im Rathaus beim Umsiedlerbetreuungswerk melden. Die Wahl am 20. Oktober erbrachte für den Kreistag folgendes Ergebnis:

Stimmberechtigt:

75.855

Abgegebene Stimmen:

71.419

Gültige Stimmen:

66.271

Ungültige Stimmen:

5.148

Wahlbeteiligung:

94,15 %

Die Stimmen erhielten:

SED

27.778

(41,92%)

22

Sitze

LDP

21.599

(32,59%)

16

Sitze

CDU

15.010

(22,65%)

11

Sitze

VdgB

1.184

( 2,84 %)

1

Sitz

Die Kreistagsabgeordneten aus der Stadt Delitzsch sind:
SED: Fritz Schwahn, Paul Buhle, Albin Schneider, Otto Geithe, Martha Bauer, Richard Hampe, Anna Kramann
LDP: Dr. Wilhelm Mischon, Herbert Meißner, Gertrud Michaelis, Werner Bülow
CDU: Dr. Georg König, Georg Hübner
Landtagsabgeordneter wird Hermann Scharf (LDP).
Bei der Sitzung der Stadtverordneten am 23. Oktober werden aufgrund der nun vorliegenden Richtlinien gewählt:

Stadtverordnetenvorsteher:

Walter Leisch

(SED)

1. Stellvertreter:

Erich Richter

(LDP)

2. Stellvertreter u. Schriftführer:

Richard Weitze

(CDU)

besoldete Stadträte:
Karl Böttcher       (LDP), gleichzeitig z. Bürgermeister
Gotthold Pohle    (SED)
unbesoldete Stadträte:
Dr. Kurt Hoyer     (LDP)
Otto Müller           (SED)
Afred Nickisch     (CDU)
Richard Weitze    (CDU)
Weiterhin werden in den Verfassungsausschuß (später auch Verwaltungsausschuß genannt) einstimmig gewählt:
SED:      Hedwig Schlenkrich, Walter Leisch, Rudi Herrmann
LDP:      Arno Klang, Albin Pscheidl, Walter Krebs
CDU:     Hans-Georg Löser, Helmut Eßmann
Den Vorsitz übernimmt Rechtsanwalt Arno Klang, Schriftführerin wird Hedwig Schlenkrich. Am 31. Oktober werden durch die Stadtverordnetenversammlung weitere Ausschüsse gebildet: Finanzausschuß (8 Mitglieder), Wohnungsauschuß (8 Mitglieder), Handel und Versorgung (8 Mitglieder), Wohlfahrtsausschuß (5 Mitglieder), Gesundheitswesen (8 Mitglieder), Wasserwerk (5 Mitglieder), Bauausschuß (8 Mitglieder), gärtnerische Anlagen (5 Mitglieder), Schulausschuß (8 Mitglieder). Am 29. Oktober wird eine Volks- und Berufszählung im Kreis Delitzsch durchgeführt. Die Böhme AG weist im Oktober 163 Beschäftigte auf. Der Produktionsplan für das III. Quartal beträgt 95 t Süßwaren, 85 t Eiweißnährmitteln und 48 t Süßwaren für die russische Handelsverwaltung. Für die Einkellerungsperiode vom 1. November 1946 bis 31. Juli 1947 werden pro Person 100 kg Kartoffeln bereitgestellt.

1946 November
Am 9. November findet in den „Capitol-Lichtspielen" eine „Kreislandvolktagung" statt. Allen Bürgermeistern sowie Funktionären und den drei Delegierten der VdgB wird durch Anordnung des Landrates die Teilnahme zur Pflicht gemacht. Bis 13. November müssen die Namen der ehemaligen Wehrmachtsangehörigen, die amtlich als „vermißt" bezeichnet sind, im Rathaus gemeldet werden. Diejenigen Wehrmachtsangehörigen, von denen seit Jahren lediglich keine Nachricht vorliegt, gelten noch nicht als „vermißt". Bei der Tagung der Stadtverordnetenversammlung am 14. November wird beschlossen, daß die Bauarbeiten in der „Luftwaffensiedlung" zu Ende geführt werden sollen. Die Delitzscher Tischler haben sich bereit erklärt, die Umsiedler mit dem unbedingt notwendigen Mobiliar (Schrank bis zu 120, RM, Tisch bis zu 50, RM, Hocker bis zu 8, RM) zu versorgen, soweit das erforderliche Material vorhanden ist. Die Fleischschnitte der III. Dekade aller Gruppenkarten werden Ende November/Anfang Dezember mit Fisch beliefert.

1946 Dezember
Den im Herbst des Jahres aus der Schule entlassenen Jugendlichen, die ohne Beschäftigung sind und das Ziel der Volksschule (8. Klasse) nicht erreicht haben, wird die Möglichkeit geboten, ein 9. Schuljahr zu durchlaufen. Am 12. Dezember wird in der „Goldenen Kugel", Grünstraße, eine Wärrnehalle für Umsiedler eröffnet. Die Emwohnerstatistik für 1946, als Ergebnis der Volkszählung, weist aus: Ständige Bevölkerung: 16.934 (d. h. Einheimische) Wohnbevölkerung: 25.053.

1946 Zusammenfassung des Jahres
Wie überall in Deutschland, so beeinträchtigen die Kriegsfolgen weiterhin das gesamte öffentliche Leben und das Befinden jedes einzelnen Bürgers unserer Stadt. Insbesondere am Jahresanfang gibt es zeitweise noch große Probleme bei der Belieferung der Lebensmittelkarten. Durch Schwarzhandel und Tauschgeschäfte, aber auch durch Diebstahl wird versucht, die kargen Rationen aufzubessern. Das trifft auch auf die Versorgung mit Bekleidung, Möbeln und fast allen Artikeln des täglichen Bedarfs zu. Alle Produkte unterliegen einer Erfassung und Rationierung. Nichterfüllung des Ablieferungssolls landwirtschaftlicher Erzeugnisse oder Verkauf unter der Hand von Artikeln, die der Bewirtschaftung unterliegen, werden mit Gefängnis, Geldstrafen oder Entzug der Gewerbegenehmigung bestraft. Die Kohleversorgung ist ebenfalls ungenügend. Um dieser Not abzuhelfen, wird die schon lange stillgelegte „Grube Ludwig" bei Petersroda zur Eigenversorgung freigegeben. Da dieser Alttagebau nicht gesichert ist, gibt es dort des öfteren Unfälle. In der kalten Jahreszeit sind Diebstähle von Kohlen aus Eisenbahnzügen an der Tagesordnung. Besonders kritisch ist die Situation bei den Flüchtlingen und Heimatvertriebenen, damals „Umsiedler" genannt. Die Flüchtlinge mußten vor der näher rückenden Front den Aufufen der NS-Funktionäre folgend, ihren Wohnsitz verlassen. Im Laufe des Jahres treffen weiterhin Transporte, einige aus Schlesien und den anderen Ostgebieten ein, die meisten aber aus dem Sudetenland ein. Die Ausweisung aus ihrer Heimat erfolgt aufgrund der Beschlüsse aller Siegermächte. Außer Handgepäck dürfen sie nichts mitnehmen, so daß es ihnen an fast allem mangelt. Anfangs meist in Sammellagern untergebracht, werden sie nach und nach in Privatquartiere eingewiesen. Oft muß eine mehrköpfige Familie in einem Raum wohnen. Die wachsende Zahl der Heimkehrer, in diesem Jahr in größerem Maße aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft, verursacht weiter Versorgungsprobleme. (An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß in den Veröffentlichungen des amtlichen Bekanntmachungsblattes meist von der „russischen" Militärverwaltung die Rede ist, während die Bezeichnung „sowjetisch" hauptsächlich bei der obersten Militäradministration (SMAD) verwendet wird). Die Betriebe in der Stadt arbeiten zwar alle wieder, aber die ständigen Materialschwierigkeiten erfordern ein hohes Improvisationsvermögen, um wenigstens einigermaßen einen kontinuierlichen Produktionsablauf sichern zu können. Die Säuberung der Verwaltung sowie der Staatsbetriebe (wie Reichsbahn und Post) und damit die Entlassung fast aller ehemaligen NSDAP-Mitglieder, war schon im Vorjahr abgeschlossen. Jetzt läuft die Überprüfung der privaten Wirtschaft und aller Selbständigen durch den Antifa-Ausschuß an. Den als sogenannte Naziaktivisten Eingestuften wird die Weiterführung des Betriebes bzw. Gewerbes untersagt. Die erste demokratische Wahl für die Stadtverordnetenversammlung findet statt. In diesem Jahr wird viel getan, um das kulturelle Leben in der Stadt zu entwickeln. Davon zeugen die Gründung des Volkschores, eines Laientheaters und eines Stadtorchesters. Im geselligen Leben, besonders auf den Tanzsälen, herrscht nach der bedrückenden Kriegszeit ein großer NachholbedarL Die demokratische Schulreform öffnet vielen Kindern aus der Arbeiterschaft den Weg in die höheren Schulen, auch wird deren Studium an einer Universität gefördert. Die Volkshochschule nimmt ihre Tätigkeit auf. Der im Krieg unterbrochene Wohnungsbau an der Eilenburger Chaussee wird für die Mitarbeiter des Ziehwerkes fortgesetzt (Anna-Seghers-Straße). Der in den letzten Kriegstagen zerstörte Berliner Bahnhof (Unterer Bahnhof) wird wieder aufgebaut. Der Bau der Gewerblichen Berufsschule wird vorbereitet, und die Stadtverordneten beschließen den Weiterbau der „Luftwaffensiedlung". Mit den Bauarbeiten wird allerdings noch nicht begonnen. Im allgemeinen hat sich das Leben der meisten Einwohner der Stadt bis auf die immer noch andauernden Versorgungsprobleme - vor allem bei der Ernährung und Versorgung mit Heizmaterial - im Laufe des Jahres erträglicher gestaltet, wenn auch noch lange nicht von normalen Lebensverhältnissen gesprochen werden kann.


1947

1947 Januar
In der Stadtverordnetenversammlung am 14. Januar wird das Präsidium neu gewählt. Es hat folgende Zusammensetzung:
Vorsitzender:       Herr Leisch           (SED)
l. Stellvertr.:          Herr Richter         (LDP)
2. Stellvertr.:         Herr Weitzke        (CDU)
Schriftführer:       Herr Dietrich        (CDU)
Neben der Beratung und Beschlußfassung des Haushaltsplanes, (in Höhe von 4.040.400 RM), steht die aufgrund des langen und strengen Winters äußerst prekäre Kohleversorgung im Mittelpunkt der Diskussion. Pro Haushalt (bzw. Doppelabschnitt) kann nur 1 Ztr. Knorpelkohle, pro Einzelabschnitt nur 25 kg abgegeben werden. Daher hat die Sicherung der Versorgung der Bevölkerung absoluten Vorrang. Neben Verboten der Beheizung von nicht lebenswichtigen Einrichtungen werden Maßnahmen zur sparsamen Verwendung von Heizmaterial und zum Unterbinden von Diebstählen getroffen. In diesem Zusammenhang werden neue Stromsperrzeiten und die Reduzierung der Öffnungszeiten der Geschäfte auf die Zeit des Tageslichtes, Lebensmittelgeschäfte z. B. an mehreren Tagen nur bis 16.30 Uhr, angeordnet. Schwierigkeiten gibt es auch wieder bei der Fleischversorgung. So werden in der 2. Dekade für 50 g Fleisch, 3 Stück Käse oder 200 g Quark ausgegeben. Bei einer weiteren Sitzung der Stadtverordneten wird ein Ausschuß für kulturelle Angelegenheiten und ein Steuerausschuß gebildet sowie das Schlämmen des Stadtgrabens und seine Neufüllung im Laufe des Jahres beschlossen. Am 30. Januar beschließt der Gesundheitsausschuß in Abstimmung mit dem Kreisarzt Dr. Kurtzhalß die Einrichtung einer Inneren Abteilung des Städtischen Krankenhauses (in der Nebenstelle Ludwig-JahnStraße). Die „Bekanntmachungen für den Kreis Delitzsch" erscheinen. Herausgeber ist das Landratsamt. Sie bringen aktuelle lokale Nachrichten, Verordnungen und Verhaltensweisen für die Bevölkerung.

1947 März
In der 1. Dekade kann Butter lediglich an Kinder bis zu fünf Jahren ausgegeben werden, die übrigen Versorgungsberechtigten erhalten statt dessen Schlachtfette. Zur Vorbereitung weiterer Hilfsaktionen für Umsiedler und heimatlose Heimkehrer findet am 1. März eine Versammlung aller Straßenbeauftragten und Helfer aus der Stadt im Schützenhof (später KarlMarx-Haus) statt. Am 10. März geht aus dem Ortsfrauenausschuß, der seit Dezember 1945 besteht, die Ortsgruppe des DFD hervor. Mitte März überschwemmt das in diesem Jahre außergewöhnlich starke Frühjahrshochwasser erhebliche Flächen entlang des Lober. Davon betroffen sind das Elberitzbad und der dortige Sportplatz, die Loberstraße bis in die Karl-Liebknecht-Straße/Eingang Stakenweg, die Anlagen der Gärtnerei Söhner an der Loberbrücke, die Stadtmühle und der Wallgraben bis zur Oberschule stehen unter Wasser. Am 18. März wird dadurch die „Schiefe Brücke" (Holzstraße) beschädigt und muß gesperrt werden. An den überschwemmten Gebäuden entstehen teilweise erhebliche Schäden. Männer aus Delitzsch werden zum Arbeitseinsatz nach Löbnitz verpflichtet. Dort ist die Mulde über das Ufer getreten. Im Kreis Delitzsch ergibt sich nach der erfolgten Entnazifizierung in Verwaltung und Werkschaft ein Personalstand von:

 

ges. Pers.

 

Entlassene PG

 

nicht entlassene

 

 

Mai 1945

 

ehemal. PG

 

Verwaltung

1035

 

431

 

46

Industrie

2506

 

344

 

197

Handel

90

 

1

 

12

Handwerk

1423

 

47

 

131

SAG-Betriebe

1271

 

17

 

117

Stadtverwaltung Delitzsch

238

 

65

 

13

Das RAW Delitzsch ist in dieser Aufstellung nicht enthalten. Bei der Versorgung mit Lebensmitteln gibt es wieder Probleme. So wird anstelle von Fleisch in der 3. Dekade Fisch und anstelle von Nährmitteln Bratlingspulver ausgegeben. Am 28. Februar kündigt der Schulrat Poltersdorf einen neuen Ausbildungslehrgang für Schulamtsbewerber (Neulehrer) an, der in Halle/ Saale für die Dauer eines Jahres eingerichtet werden soll. Ebenfalls an diesem Tag teilt der Leiter des Amtes für Volksbildung Fritz Schwahn eine Entscheidung der Landesregierung mit, nach der Zeitschriften aus den westlichen Zonen nicht in Volksbüchereien und Leihbüchereien eingestellt werden dürfen. Ende des Monats werden noch bestehende Einschränkungen von Dienststunden bei den öffentlichen Einrichtungen, die infolge des Kohlenmangels angeordnet worden waren, aufgehoben. Der Volkschor kann nun wieder seine Übungsstunden in der Oberschule aufnehmen. Ab jetzt laufen die offiziellen Bezeichnungen der kommunalen Körperschaften:

für den Landkreis:

Der Kreisrat

für die Stadt:

Der Rat der Stadt

für die Gemeinde:

Der Gemeinderat

Die Behördenleiter können ihre bisherige Bezeichnung (Landrat, Bürgermeister, Gemeindevorsteher) als Einzelperson weiterführen.

1947 April
Für die erste Dekade April kann erstmalig im Jahr 1947 eine vollständige Belieferung der Lebensmittelkartenabschnitte erfolgen. Es ist sogar möglich, anläßlich des Osterfestes eine Sonderzuteilung auszugeben, und zwar 400 g Zucker oder Süßwaren, 300 g Käse oder 400 g Quark, 500 g Fruchtsaft oder Obstkonserven. Am 11. April wird vom Amt für Volksbildung darauf hingewiesen, daß die kirchliche Erbauungs- und Unterweisungsarbeit nur in kirchlichen Räumen durchgeführt werden soll. Bei Benutzung gemieteter Räume sind die örtlichen Behörden darüber zu informieren. Die Arbeit darf sich ausschließlich auf die religiöse und kirchliche Betreuung der Jugendlichen beziehen. Jede andere Betätigung, sei es politischer, kultureller, unterhaltender oder sportlicher Art, ist der FDJ vorbehalten. Diese ist die alleinige Jugendorganisation, die innerhalb der sowjetischen Besatzungszone von der SMAD zugelassen ist. Am 13. April wird eine Ortsgruppe der „Verfolgten des Naziregimes" und anerkannter „Opfer des Faschismus" in der Gaststätte „Elberitzmühle" gegründet. Am 14. April findet die konstituierende Sitzung des Stadt-Antifa-Ausschusses statt.

Vorsitzende:

Herr Böttcher

(LDP)

 

Herr Nickisch

(CDU)

 

Herr Pohle

(SED)

Zwischen den drei Vorsitzenden findet ein vierwöchentlicher Wechsel in der Ausübung des Amtes statt. Einschließlich des Vorsitzenden stellt jede der Blockparteien zwei Mitglieder. FDJ, OdF, Kulturbund, VdgB, FDGB, antifaschistischer Frauenausschuß je ein Mitglied. Außerdem gehört noch der Bürgermeister dazu. Stimmrecht haben nur die Vertreter der drei Blockparteien. Beschlüsse besitzen nur bei Zustimmung der drei Parteien Gültigkeit. Bei Unstimmigkeiten werden diese an den Kreisantifa-Ausschuß weitergeleitet. Nachdem es am Jahresanfang zwischen den Blockparteien einige Unstimmigkeiten über die Person des Landrates gegeben hatte, kann die Amtseinführung der gewählten Kreisräte erst am 16. April erfolgen. Sie übernehmen folgende Dezernate: Otto Hermann - Landrat - Hauptverwaltung, Volksbildung, Bauwesen Herbert Meißner - stellv. Landrat - Finanzwesen
Helmut Fischer, stellv. Landrat         - Handel und Versorgung
Paul Buhle           - Kreisrat               - Fürsorge und Gesundheitswesen
Otto Wagner        - Kreisrat               - Landwirtschaft
Fritz Hülßmann   - Kreisrat               - Wirtschaft und Verkehr
Richard Weitze    - Kreisrat               - Arbeitsamt.
Als Abschluß der in diesem Monat laufenden Sammlungen von Sachspenden für Umsiedler und heimatlose Heimkehrer findet am 27. April eine Großaktion statt. In der Stadtverordnetenversammlung am 29. April beantragt die SEDFraktion die Einrichtung eines Kindergartens. Die CDU-Fraktion beantragt, bei den vorgesehenen Behörden vorstellig zu werden. Die Stadt ist sehr stark überbelegt. Für jeden Einwohner stehen nur 5,2 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung, während die Bewohner der benachbarten Städte über 8,2 m' je Einwohner verfügen.

1947 Mai
Die im Januar auf Grund eines Antrages der SED-Fraktion gebildete Kohlekommission hat nunmehr erreicht, daß die Stadt die Genehmigung zum Abbau von Kohle aus der Grube „Ludwig" bei Petersroda erhielt. Damit besteht Aussicht, daß der enorme Kohlemangel des vergangenen Winters sich nicht wiederholen wird. Jeglicher wilder Abbau ist wenige Tage vorher verboten worden. Am 9. Mai kündigt der Kreisrat strengste Bestrafungen bei Obstbaumdiebstählen an, die sich in der letzten Zeit gehäuft haben. Gartenbesitzer haben bei Kontrollen den Nachweis über den Erwerb ihrer Obstbäume zu erbringen. Am 23. Mai wird das Betreten der Felder und Fluren in der Zeit von 12.00 bis 14.00 und 19.00 bis 6.00 Uhr sowie sonntags bis auf weiteres verboten. Die Häuser der Ludwig-Lahn-Straße werden für die sowjetische Besatzungsmacht geräumt. Offiziere mit ihren Familien beziehen diese Häuser. Die bisherigen Einwohner in der Ludwig-Jahn-Straße werden umquartiert, so in das Grundstück Am Wallgraben 516. (Erst Ende 1949 nach erfolgter Auflösung der sowjetischen Kommandantur in der Dübener Straße 20, werden die Wohnungen in der Ludwig-Jahn-Straße allmählich beraumt). In diesem Monat wird der Lober auf seiner ganzen Strecke im Stadtgebiet geräumt.

1947 Juni
Die Versorgungslage in Stadt und Kreis bleibt weiterhin sehr ernst. Vor allem ist es notwendig, die Ernährung bis zum Anschluß an die neue Ernte zu sichern. Darüber findet am 1. Juni eine außerordentliche Sitzung des Kreistages statt Landrat Otto Hernnann erläßt hierzu einen Aufruf, in dem er an die Bevölkerung appelliert, sich des Ernstes der Lage bewußt zu sein und daher ihrer Pflicht restlos nachzukommen Dazu gehört: - sofortige Unterbindung des Schwarz- und Schleichhandels so wie der Kompensationsgeschäfte, - Schutz der Felder, insbesondere der Saaten und Wälder, - Hilfeleistung in der Landwirtschaft und Sicherung der rechtzeitigen Durchführung der erforderlichen landwirtschaftlichen Arbeiten, - Scharfe Kontrolle der Sollablieferung jedes Veranlagten. Das auferlegte Soll ist die Grundlage der Ernährung. In dem Beschluß des Kreistages werden weiter; Maßnahmen festgelegt. Danach wird nicht bestelltes Land an Bauern übergeben, die in der Lage sind, die Bestellarbeiten zu übernehmen. Bei Nichterfüllung des Milchsolls werden den Landwirten die Milchkühe weggenommen. Sie erhalten dafür keine Entschädigung. Laut einer Veröffentlichung vorn 2. Juni werden bei Diebstählen von Garten- und Feldfrüchten hohe Strafen angekündigt, und zwar Gefängnis bis zu 5 Jahren, bei Rückfällen oder Einbruchdiebstahl Zuchthausstrafen bis zu 10 Jahren. Die prekäre Lage erfordert es, daß alle dem Kreis Delitzsch zur Verfügung stehenden Kartoffelmengen zur Bepflanzung noch zu bestellender Bodenflächen eingesetzt werden. Daher können keine Kartoffeln an die Konsumenten abgegeben werden, die aufgrund ihrer noch nicht belieferten Kartoffelnornalkarte darauf Anspruch hätten. Statt dessen kann Frisch- oder Essiggemüse abgegeben werden. Auf der ordentlichen Kreistagssitzung steht der Mietvertrag für die Freybergsche Villa, die als Sitz für das Gesundheitsamt vorgesehen ist, zur Debatte. Ab Mitte Juni werden wieder Kartoffelkäfersuchaktionen durchgeführt. Auf Anordnung der SMA-Kommandatur müssen sämtliche Vervielfältigungsapparate bis 25. Juni auf der Polizeiwache im Rathaus registriert werden. Am 29. Juni findet im großen Saal des „Karl-Marx-Hauses" ein Sängertreffen aller Gesangsgruppen des Kreises statt, das durch ein Wettsingen gekrönt wird.

1947 Juli
Die Ortspolizei, die dem Bürgermeister unterstellt ist, umfaßt jetzt zwei leitende und 22 übrige Bedienstete sowie eine Angestellte für die Aufgaben der Schutzpolizei. Die Kriminalpolizei besteht aus drei Bediensteten. Alle diese Bediensteten gehören der SED an. Der Diebstahl von Garten- und Feldfrüchten, durch die allgemeine Not verursacht, nimmt übergroße Ausmaße an. Deshalb wird jetzt das Betreten der Feldwege fir die Monate Juni bis Oktober in der Zeit von 12.00 bis 15.00 Uhr und 22.00 bis 6.00 Uhr verboten. Kleingärtner und Bauern bilden Selbstschutzkommandos. Die „Amtlichen Bekanntmachungen" veröffentlichen entschädigungslose Enteignungen von Kühen und sogar von Hühnern im Kreisgebiet wegen Nichterfüllung des Ablieferungssolls sowie Urteile des Schöffengerichtes über Gefängnisstrafen wegen „Herausbuddelns" von Pflanzkartoffeln. Da weitere Umsiedlertransporte eintreffen, erfolgt ein Aufruf zur Meldung von freigewordenen„ Luftschutzbetten". Die Umsiedler frühere Transporte hatten bisher schon 150 Betten käuflich erworben.

1947 August
Durch die SMAD wird festgelegt, daß die Entnazifierungsausschüsse ihre Tätigkeit nur noch in den Zentralen der Bezirke und den Hauptstädten der Länder fortführen. Die ersten Kohletransporte von Grube „Ludwig" sind angekommen und werden ab 25. August von den Händlern verteilt. Am 29. August wird mitgeteilt, daß das „Hilfswerk der Provinz Sach sen" in „Volkssolidarität" umbenannt wird. Noch immer gelten die Bestimmungen der SMAD zur Erteilung von Reisegenehmigungen bei dienstlichen oder privaten Reisen.

1947 September
Zu Beginn des Schuljahres wird in der Oberschule zum ersten Mal eine Klasse begabter Volksschul-Abgänger aufgenommen, die in vier Jahren zum Abitur geführt werden sollen. Am 14. September findet auf dem Städtischen Friedhof eine Ehrung der Opfer des Faschismus statt. Am Abend wird im Karl-Marx-Haus eine Gedenkfeier durchgeführt, die durch das Städtische Orchester und den Volkschor musikalisch umrahmt wird. Am 23. September findet im „Café Einheit" (früher „Café Bolte") eine Sitzung mit Vertretern der Parteien, Organistionen und Behörden statt, in der über die Gestellung von Arbeitskräften für den Erzbergbau in Aue und Annaberg beraten wird. Es soll erreicht werden, anstelle von Zwangseinweisungen Arbeitskräfte auf freiwilliger Basis zu finden. Nachdem in der 2. Dekade wiederum die Fleischmarken nicht voll beliefert werden konnten und als Ersatz Eier und Quark ausgegeben werden, erfolgt ab der 3. Dekade eine planmäßige Belieferung.

1947 Oktober
Am 3. Oktober erscheint ein Aufruf zur freiwilligen Arbeitsaufnahme im Mansfelder Bergbau. Der Kreis Delitzsch hat hierzu 70 Arbeitskräfte zu stellen. Neben verschiedenen Behörden, dem FDGB und der FDJ unterzeichnen ihn als Vertreter der Kreisleitungen der Parteien: Geithe (SED, H. G. Löser (CDU) und Letsch (LDP). Am 14. Oktober beschließt die Stadtverordnetenversammlung den Bau einer Berufsschule. Am 17. Oktober bittet die Stadtverordnetenversammlung in einem Aufruf an die Bevölkerung um Möglichkeiten, für mindestens acht Tage einem unterernährten Kind ein kostenloses Mittagsessen zu gewähren. Ab 20. Oktober treten wieder Einschränkungen im Verbrauch von Elektroenergie für Behörden, Ladengeschäfte, Industrie und Gewerbe in Kraft.

1947 November
Am 25. November beschließen die Stadtverordneten folgende Umbenennung von Schulen:
1. und 2. Grundschule (Knabenschule) in „Diesterwegschule",
3. und 4. Grundschule (Mädchenschule) in „Comeniusschule",
5. Grundschule (ehem. Hilfsschule) in „Pestalozzischule",
6. Grundschule (ehem. Mittelschule) in „Schulze-Delizch-Schule",
Oberschule in „Ehrenberg-Oberschule".
(An der Umbenennung hat der Vorsitzende des Schulausschusses, Hans-Georg Löser, maßgeblichen Anteil. Ihm ist es zu danken, daß die Schulen nicht die Namen kommunistischer Führer erhalten). In diesem Zusammenhang wird beschlossen: Am 4. Dezember findet eine Würdigung des großen Naturforschers und Sohnes der Stadt Delitzsch, Christian Gottfried Ehrenberg, vor allen Schülern der Ehrenberg-Oberschule statt. Weiterhin beschließen die Stadtverordneten, den Vorplatz des Berliner Bahnhofes (Unterer Bahnhof) einzuebnen.

1947 Dezember
Die Kohleversorgung der Stadt erfolgt weiterhin durch den Abbau der Braunkohle in Grube „Ludwig". Weil hier unvorhergesehene größere Abraummengen zu beseitigen sind, müssen die Preise erhöht werden. (Bei Direktabholung aus der Grube erfolgt ein Zuschlag von 0,75 RM/ je 100 kg, beim Bezug vom Händler 1,20 RM/ je 100 kg. In der Stadtverordnetenversammlung am 19. Dezember wird über die Erweiterung des Krankenhauses beraten. Das Krankenhaus verfügt über eine Kapazität von 195 Krankenbetten. Da die Stadt jetzt ca. 26.000 Einwohner hat, ist das nicht ausreichend. Es werden daher zur Errichtung einer Baracke im Haushalt 40.000 RM vorgesehen. Weiterhin wird festgelegt, in der Nähe der Stadt ein Gutshaus zu erwerben, um dort ein behelfsmäßiges Neben- oder Hilfskrankenhaus einzurichten. Am 31. Dezember erscheint die Pressemitteilung der „Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion". Der Geschäftsführer Erich Böhm berichtet in Delitzsch über ihr Vorhaben.

1947 Zusammenfassung des Jahres
Das Jahr läuft wieder unter äußerst komplizierten politischen und wirtschaftlichen Bedingungen ab. Der lang anhaltende Winter und das danach folgende Hochwasser verstärken die ohnehin großen Engpässe in der Versorgung der Bevölkerung, zumal die bei Kriegsende noch vorhandenen Mittel und Reserven restlos aufgebraucht sind. Bis zum Anschluß an die neue Ernte ist die Belieferung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, die es nur auf Zuteilung gibt, oft nicht gesichert. Deshalb wird mit schweren Strafen gegen den Schwarzhandel vorgegangen. Die Bauern, die ihr Ablieferungssoll nicht erreichen, werden mit harten Sanktionen bestraft. Zur Verbesserung der Kohleversorgung eröffnet die Stadt die Notgrube Grube „Ludwig", in der Braunkohle für die Bevölkerung abgebaut wird. Mit dem im Laufe des Jahres zunehmenden Differenzen zwischen den Westalliierten und der Sowjetuinon vertieft sich die Spaltung Deutschlands zunehmend. Jedes dieser beiden Gesellschaftssysteme verstärkt ihren ideologischen Einfluß in den von ihnen besetzten Ländern um das jeweilige Gesellschaftssystem auf sie zu übertragen. Diese unterschiedlichen Entwicklungswege in der weiteren Gestaltung des Wiederaufbaues spiegeln sich auch in der örtlichen Ebene wieder. Noch arbeiten die drei Parteien im antifaschistisch-demokratischen Block in vieler Hinsicht gleichberechtigt zusammen, zumindest wird dies nach außenhin so verkündet. Die SED erhält jedoch immer mehr Unterstützung durch die Besatzungsmacht und damit Einfluß auf das öffentliche Leben, während die Eigenständigkeit der bürgerlichen Parteien zurückgeht. Nachdem bereits zu Jahresanfang die Lebensmittelkarte VI weggefallen ist, bringt die Einstellung der Demontagen und die Reduzierung der Reparationen aus der laufenden Produktion und die Übergabe von 74 bisherigen SAG an die Landesregierung eine weitere Verbesserung der Versorgung. Die lokalen Behörden bemühen sich weiter sehr tatkräftig um eine Linderung der herrschenden Not. Der wachsende Zustrom der im offiziellen Sprachgebrauch „Umsiedler` genannten Heimatvertriebenen kompliziert aber immer wieder die Situation. Zum Jahresende ist aber eine allmähliche Besserung des alltäglichen Lebens zu spü ren. Die schwerste Not, verursacht durch das verbrecherische Naziregime, ist überwunden. Im Ziehwerk und im Reichsbahn-Ausbesserungwerk kam die Produktion langsam wider in Gang. Die hauptsächliche Produktion besteht in der Reparatur von Landmaschinen und der Herstellung von Fahrzeugen für die Landwirtschaft, wozu man das Material aus alten Kriegsfahrzeugen verwandte. Im RA W gab es vor allem Probleme in der Materialbeschaffung, zum Teil werden Ersatzteile im Werk selbst hergestellt.


1948

1948 Januar
Am 15. Januar wird Walter Georgi, Mitinhaber der Fa. Walter Georgi & Co., unter dem Verdacht der Warenhortung verhaftet. Es wird ab 19. Januar ein Treuhänder zur Weiterführung des Betriebes, der Industriehandschuhe und andere Arbeitsschutzbekleidung herstellt, eingesetzt. Am 17. Januar findet ein Kreisvolkskongreß im „Karl-Marx-Haus" statt. Entsprechend einer Festlegung des im Dezember des Vorjahres in Berlin abgehaltenen 1. Deutschen Volkskongresses soll in jedem Kreis ein Kreisausschuß für ein „Volksbegehren zur Einheit Deutschlands und für einen gerechten Frieden" gebildet werden. Dieser wird vom Kreisausschuß für den Kreis Delitzsch nach den entsprechenden Erklärungen durch die Vertreter der Blockparteien (SED, CDU, FDJ, FDGB, VdgB, LDP) einstimmig gewählt (Vorsitzender: Bürgermeister Hampe, Sekretär: Walter Naumann). Am 27. Januar erfolgt in der Stadtverordetenversammlung die Neuwahl des Präsidiums:

Vorsitzender:

Leisch

(SED)

1. Stellvertreter:

Richter

(LDP)

2. Stellvertreter.

Weitze

(CDU)

Schriftführer:

Dietrich

(CDU)

Dem Antrag der SED über die Ausgabe von Freikarten für Kulturveranstaltungen an die Straßenbeauftragten als Anerkennung für deren Arbeit wird zugestimmt. Der Rat der Stadt besteht aus folgenden Personen:

1. Bürgermeister

Hampe

(SED)

2. Bürgermeister

Böttcher

(LDP)

besoldete Stadträte

Pohle

(SED)

 

Nickisch

(CDU)

ehrenamtl. Stadträte

Dr. Schmidt

(LDP)

 

Hörnke

(SED)

 

v. Mallotki

(CDU)

1948 Februar
Es bestehen wieder Schwierigkeiten in der Versorgung der Bevölkerung mit Fleisch. Deshalb müssen in der 1. Dekade auf die Fleischabschnitte aller Gruppenkarten Heringe ausgegeben werden. Wegen „Sabotage an der Volksernährung" werden am 4. Februar durch das Schöffengericht mehrere Urteile gegen Bürger des Kreises ausgesprochen. Es werden mehrmonatige Haftstrafen, verbunden mit Geldstrafen wegen Schwarzschlachtung, illegal gelagertem Getreide und der Abgabe von Mehl ohne Bezugsberechtigung verhängt. Die nicht gesicherte Ernährungssituation veranlaßt den Kreistag, sich auf seiner Sitzung am 19. Februar vornehmlich mit der Erfassung ablieferungspflichtiger Erzeugnisse, mit den Aufgaben des KreisEmährungsausschusses und mit der Vorbereitung der Frühjahrsbestellung zu befassen. Vom 27. Februar bis 29. Februar führt der Kreisausschuß der Volkssolidarität im Rahmen der Umsiedlerwoche in allen Gemeinden eine Sachwertsammlung für die Neubürger durch. Dabei werden von Helfern des Ortsausschusses in Delitzsch alle Haushalte aufgesucht, um die Spenden von Wäsche, Kleidung, Schuhwaren, Hausrat, Möbel und Betten listenmäßig zu erfassen. Die Stadtverordneten stimmen in ihrer Sitzung am 27. Februar dem Antrag der VVN auf Errichtung eines Mahnmals für die Opfer des Faschismus zu.

1948 März
In der 1. Dekade März ist wiederum die ordnungsgemäße Belieferung auf Lebensmittelkarten nicht gesichert. Für die Erwachsenen wird anstelle von Fett im Verhältnis 1 zu 4 Sirup und für die Gruppenkarten 3 und 4 anstelle von Fleisch gesalzener Hering ausgegeben. Am 1. März nimmt die Geschäftsstelle des Kreiskomitees für die Volkskongreßbewegung ihre Tätigkeit auf. Ebenfalls mit Beginn des Monats wird durch den Kreisausschuß der Volkssolidarität in der Bitterfelder Straße 7 eine gemeinnützige Warentauschzentrale eröffnet. Ab diesem Monat erhält die verlängerte Einst-Toller-Straße, hinter der Eisenbahnüberführung am Weg nach Döbemitz gelegen, den Namen Poetenweg. Am 5. März findet im „Ringtheater" (Markt) ein Kreisbauemtag statt, auf dem über die wirtschaftliche Lage, die Aufgaben des VdgB und Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung beraten wird. Auf dem am 12. März stattfindenden Landarbeitertag werden die Aufgaben und Verpflichtungen zur Sicherung der Ernährung erläutert, und in einer Resolution wird die Zustimmung zu den Zielen der Volkskongreßbewegung und zur Volksabstimmung für ein einheitliches Deutschland einstimmig gegeben. Der Kreisverband der Kleingärtner e.V. ruft alle Vorstände der Kleingartenvereine und die Bürgermeister der Orte, in denen kein Verein besteht, auf, bis zum 22. März den Stand der Verteilung von Gartenland an Umsiedler zu melden. Vom 16. bis 31. März wird in Delitzsch die 100-Jahrfeier der deutschen bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848 begangen. In dem Aufruf dazu heißt es: „Einwohner der Stadt Delitzsch, vor 100 Jahren kämpfte das deutsche Volk film Einheit und Freiheit. Der Kampf blieb erfolglos, weil die demokratischen Kräfte in sich nicht einig und zu schwach waren. Heute gilt unser Kampf dem gleichen Ziel. Der Einsatz aller Deutschen ist erforderlich, damit das 1848 begonnene Werk sich 1948 vollende. Beweist, daß Ihr die Forderung der Zeit verstanden habt, durch Eure Teilnahme an den aus diesem Anlaß stattfindenden Veranstaltungen". Unterzeichnet vom Kulturausschuß der Stadt, Ortskomitee des Volkskongresses für Einheit und gerechten Frieden CDU, LDP, SED, FDGB, DFD, FDJ, Kulturbund, VdgB und VVN. Im Rahmen der 100-Jahrfeier finden eine Ausstellung im Jugendheim des Schlosses, Veranstaltungen im Festsaal der Oberschule, eine Kundgebung auf dem Markt und am 18. März um 10.30 Uhr eine Kranzniederlegung auf dem Friedhof und um 20.00 Uhr eine Kundgebung im Karl-Marx-Haus statt. In einer Bekanntmachung wird mitgeteilt, daß bis 20. März letztmalig Berufungen gegen die Entscheide der Entnazifizierungskommission bei der Landesregierung eingereicht werden können. In der Stadtverordnetenversammlung wird die Haushaltsatzung fier 1948 mit 3.926.800,00 RM in Einnahme und Ausgabe beschlossen.

1948 April
Es gibt in allen drei Dekaden Schwierigkeiten bei der Belieferung der Lebensmittelkarten mit Fleisch und Fett. Statt dessen werden für bestimmte Gruppenkarten Eier und Speisequark bzw. Zucker ausgegeben. Ab 14. April wird ein neuer Fußweg vom RAW zum Werbener Weg für den Verkehr freigegeben. Am 21. April teilt das Umsiedlerbetreuungswerk, Nebenstelle Delitzsch, mit, daß ab sofort Zuzugsgenehmigungen zwecks Familienzusammenführung von Deutschen aus der CSR nur noch für Personen erteilt werden, die in Delitzsch Angehörige 1. Grades ansässig haben. Am 23. April wird ein Aufruf zur Sammlung von Altpapier als Rohstoffquelle für die Papierindustrie veröffentlicht. Für die Abgabe von 2 kg Altpapier gibt es Prämien-Gutscheine für 2 Schachteln Streichhölzer oder 2 Schulhefte oder 20 Papiertüten oder 2 Rollen Toilettenpapier. Am 30. April erläßt der Landrat Herrmann eine Anordnung zur Durchführung des Orts- und Feldschutzdienstes. Darin wird darauf verwiesen, daß das Betreten von Wiesen, Weiden Feldern und Wäldern ab eine Stunde nach Sonnenuntergang bis eine Stunde vor Sonnenaufgang sowie zwischen 11.00 und 13.00 Uhr verboten ist. Es werden Gefängnisstrafen bis zu sechs Monaten und Geldbußen angedroht.

1948 Mai
Am 8. Mai wird die am 1. Oktober 1947 gegründete Kommanditgesellschaft „Privatkrankenhaus Schloß Löbnitz" in das Handelsregister beim Amtsgericht eingetragen. Persönlich haftender Gesellschafter ist der Kaufmann Hermann Scharf in Löbnitz. Am 10. Mai berät der Emährungsausschuß der Stadt über die Versorgung mit Saat- und Pflanzgut. Während es bei Getreide ausreichend vorhanden ist, stehen bei Kartoffeln nur 83 % zur Verfügung. Die Fehlmenge soll durch Teilen der Kartoffeln ausgeglichen werden. Der am 19. Mai in Landsberg tagende Kreistag richtet einen einstimmig angenommenen „Aufruf zum Volksbegehren" an die Bevölkerung des Kreises. Diese wird darin aufgefordert, sich an dem „Volksbegehren" für die Einheit Deutschlands zu beteiligen. Sie soll durch ihre Einzeichnung in die ausliegenden Listen ihr Bekenntnis für ein einheitliches demokratisches Deutschland ablegen. Die Listen liegen vom 23. 5. bis 30. 5. in acht Einzeichnungsbezirken aus. Berechtigt ist jeder Einwohner ab 14 Jahre unter Vorlage des Personalausweises bzw. der Registrierkarte.

Unterzeichner des Aufrufes:

für die CDU

Hübner

für die LDP

Frohne

für die SED

Geithe

Bis zum Abschluß des „Volksbegehrens" haben sich im Kreis 71.501 Einwohner über 20 Jahre (= 96,7 % der Einzeichnungsberechtigten) und 10.377 Einwohner von 14 bis 20 Jahren (= 90,4 % der Einzeichnungsberechtigten) in die Listen eingetragen. Am 22. Mai wird das evangelische Kinderheim in der Mühlstraße 3 eröffnet, in dem 33 Waisenkinder Aufnahme finden. Den Vorsitz des Vorstandes übernimmt Pfarrer Unger, sein Stellvertreter wird der 2. Bürgermeister Böttcher. In der „Elberitzmühle" erfolgt die Gründung des Kreisverbandes Delitzsch der Demokratischen Bauempartei Deutschlands (DBD). Per 31. Mai schließt die private Warenaustauschzentrale in der Karl-Liebknecht-Straße 10 ihr dort eingerichtetes Geschäft.

1948 Juni
Am 9. Juni werden im Handelsregister des Amtsgerichts Delitzsch die Vertretungsbefugnisse der Geschäftsführer der „Delitzscher Rübensamenzucht GmbH", Zuckerfabrikdirektor Robert Aumüller, Delitzsch, und Generaldirektor Dr. Oskar Köhler, Maltsch, wegen Amtsniederlegung bzw. Ablauf der Wahlperiode gelöscht. Zum Vorsitzenden und Geschäftsführer wird der Landwirt Herbert Wehle, Delitzsch, bestellt. Bereits 1947 hat der Nachkomme des Gründers, Herr Kuntze, den Standort für die Delitzscher Pflanzenzucht GmbH nach Oberg (Stadtteil von Lahstedt/ Niedersachsen) verlegt. Er fand in Delitzsch keine Sicherheiten für eine weitere Fortführung seiner Arbeiten. (Heute hat die Firma Delitzsch Pflanzenzucht GmbH ihren Sitz in 29297 Bergen/ Niedersachsen). Am 13. Juni veranstaltet die Berufsgruppe des Damen-Schneider-Handwerks im Karl-Marx-Haus eine Modenschau. Am 22. Juni verurteilt das Amtsgericht in einem Schnellverfahren sieben Personen wegen Getreidediebstahls. Vom 25. bis 28. Juni wird wie überall in der SBZ, so auch in Delitzsch, die Währungsreform durchgeführt. Der Geldumtausch erfolgt dabei gegen Abgabe des Stammabschnittes der Lebensmittelkarte. Es werden die im Umlauf befmdlichen Reichs- und Rentenmark mit aufgeklebten Spezialkupons in Deutsche Mark der Deutschen Notenbank umgetauscht. Nach dem Ende des Il. Weltkrieges war eine Währungsreform unumgänglich. In den Westzonen geschah dieses separat am 20. Juni 1948. In der Ostzone wird auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht vorn 23. Juni der Umtausch am 25. bis 28. Juni 1948 durchgeführt. Die Zeit bis zum Neudruck von Papiergeld wurde in der SBZ durch Aufkleben von Spezialkupons überbrückt. Der Umtausch erfolgte nach einer sozialen Staffelung im wesentlichen im Verhältnis von 10 zu 1. 28. Juni - Auf einer Bürgermeistertagung spricht Landrat Herrmann über die „Verwerflichkeit der separaten Währungsreform in den Westzonen". Die daraufhin in der SBZ notwendige Währungsreform habe jetzt klare Verhältnisse geschaffen. Nun sei es erforderlich, daß der Schleich- und Schwarzhandel von vornherein unterbunden wird.

1948 Juli
Ab 1. Juli trägt die bisherige „Fa. Herbert Langer, Treuhandbetrieb Delitzsch", den Namen „Industriewerke Sachsen-Anhalt, Blankstahlwerk Delitzsch". Während des gesamten Monats erfordert eine Kartoffelkaferplage besondere Maßnahmen. Es werden Ableseaktionen durchgeführt, zu denen vorwiegend der Personenkreis aus Verwaltung und Schule verpflichtet wird. Außerdem erfolgt ein verstärkter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Neben der Fortführung der Altpapiersammlung gegen Prämiengutscheine werden weitere Sammlungen durchgeführt:
- Knochensammlung (für 3 kg gibt es 1 Stück Seife)
- Spinnstoff-Sammlung (für 1 kg gibt es 2 Einheiten Anrechtsgutscheine)
- Flaschen-Sammlung (pro Flasche gibt es 2 Zigaretten gegen Bezahlung)
Am 20. Juli wird die sofortige Schließung der Roßschlächterei Otto Kirchner, Holzstraße 10, durch den Landrat angeordnet. Der Besitzer hatte die angefallenen Fleischwaren bereits im voraus an unberechtigte Bürger verkauft. Während die Bevölkerung, die Anspruch auf eine Belieferung hatte, nichts erhielt. Am 9. Juli werden durch das Schöffengericht mehrere Fälle von Verstößen gegen die Wirtschaftsordnung verhandelt. Dabei werden neben hohen Geldstrafen Gefängnisstrafen von ü0 Monaten bis zu drei Jahren wegen Schwarzschlachtung verhängt. Die Besuchergemeinde Delitzch der Volksbühne Sachsen-Anhalt gibt den Veranstaltungsplan Juli /August bekannt. 30. 7. Bunter Abend „Der fröhliche Lautsprecher" mit Maxim Falcke B. und 9. B. „Rund um die Wiener Operette" (Revue) 28. B. „Anno dazumal" - anschließend Tanz.

1948 August
Die Kartoffelkäferbekämpfung wird weiter fortgesetzt. Für tatkräftigen Einsatz werden Geldprämien und für die Besten der SchulkinderSuchkolonnen Süßwarenprämien ausgegeben. Mit Wirkung vom 25. B. wird die Geschäftsstelle des Antifa-Blockausschusses, Eilenburger Straße 50, aufgelöst. Der Kreisantifablock bleibt aber bestehen und setzt sich aus den Vertretern der drei Blockparteien zusammen, die aller drei Monate den Vorsitzenden des Ausschusses im Wechsel stellen. Unterzeichner sind:
für die CDU          Loske
für die LDP           Böttcher
für die SED           Sälzer

1948 September
Am 16. September wird die Enteignung der aufgrund des Befehls Nr. 124 der SMAD vom 30. Oktober 1945 beschlagnahmten Vermögenswerte der Fa. Herbert Langer (das spätere Ziehwerk) rechtskräftig. Damit ist dieser Betrieb endgültig in das Volkseigentum überführt worden. In diesem Monat erhält der Betrieb einen größeren Auftrag zum Bau von 100 Wassertankfahrzeugen für die Rote Armee. Die Druckerei Walter in der Karlstraße/ Am Wallgraben 18 wird ebenfalls enteignet. Am 14. September wird ein Stadtausschuß der Hilfsaktion „Wir bauen auf" unter der Leitung des Bürgermeisters Hampe gebildet. Er soll für die Durchführung einer Ehrendienstpflicht sorgen, die für alle Männer im Alter von 15 bis 45 Jahren vorgesehen ist. Sie sollen ihren Ehrendienst an vier Solidaritätstagen zu je acht Stunden ableisten. Er kann innerbetrieblich oder außerbetrieblich zur Beseitigung von Trümmern, Schaffung von Wohnraum und Neubauernhöfen, Herstellung von Schuhwerk und Möbeln für Umsiedler und Ausgebombte, durchgeführt werden. Es besteht auch die Möglichkeit, den Lohn für eine Mehrarbeit von 32 Stunden zu spenden. Am 30. September wird die Bevölkerung der Stadt durch ein tragisches Ereignis erschreckt. Der Stadtverordnete und Vorsitzende der Jungen Union, Hans Georg Löser, sollte aufgrund seiner oppositionellen Haltung und seiner Verbindung zu der Westberliner CDU verhaftet werden. Beim Versuch, sich der Verhaftung durch Flucht zu entziehen, wird er von Angehörigen des sowjetischen NKWD erschossen. (Hans Georg Löser war seit März 1946 Mitglied der CDU, Mitbegründer der Jungen Union und Fraktionssprecher der CDU. Die politischen Gegner zollten dem ausgezeichneten Redner ihren Respekt. Er hatte maßgeblichen Anteil an der Verbesserung der Lebenslage der Delitzscher Bevölkerung in den Notjahren. Unermüdlich arbeitete er im Kreis Delitzsch zur Bildung von Ortsverbänden der CDU. Sein Auftreten in der Öffentlichkeit wurde von Mitarbeitern der sowjetischen Kommandantur überwacht. Oft wurde er zur „Aussprache" in die Kommandantur befohlen. Hans-Georg Löser war ein Idealist und überzeugt von seiner Aufgabe, einen demokratischen Staat im Nachkriegsdeutschland mit aufzubauen). Die ehrenamtlichen Stadträte Dr. Schmidt und Hörnke scheiden aus. An ihre Stelle treten Letsch (LDP) und Margarete Teichen (SED).

1948 Oktober
Am l. Oktober eröffnet der Kreisausschuß der Volkssolidarität eine Nähstube. Mit ihr soll allen Hilfsbedürftigen, die keine Nähmaschine und Schneiderwerkzeug besitzen, die Gelegenheit zur Instandsetzung und Anfertigung von Kleidungsstücken gegeben werden. Für die Kartoffeleinkellerung erhalten

Gruppe I:

190 kg,

Gruppe II - IV und Kinder 5 - 15 Jahre:

160 kg

Kinder bis 5 Jahre:

130 kg.

Ab IV. Quartal erhalten alle Normalverbraucher erstmalig pro Dekade drei weiße Brötchen. Vom 2. Oktober bis 10. Oktober findet eine Kultur- und Volksbildungswoche der Stadt Delitzsch statt. Die Personenstandsaufnahme vom 10. Oktober ergibt folgende berufliche Gliederung der Bevölkerung der Stadt Delitzsch:

Fabrikarbeiter:

1.667

Bergarbeiter:

187

Land- und Forstarbeiter:

57

Sonstige Arbeiter:

3.814

Angestellte:

2.431

Studenten:

49

Handwerker-Selbständige:

384

mithelfende Familienangehörige:

128

Freie Berufe:

129

Landwirte - selbständig:

21

mithelfende Familienangehörige:

14

Rentenempfänger:

1.776

Am 15. Oktober wird, vorerst versuchsweise, die Gasversorgung seit dem Kriegsende erstmalig ganztägig durchgeführt. Das vorgeschriebene Kontingent des Gasverbrauchs muß aber eingehalten werden. Auf Anordnung der Kreiskommandantur haben sich alle ehemaligen Offiziere der deutschen Wehrmacht am 22. und 25. Oktober in der Dienststelle der Kommandantur, Dübener Straße, zu melden.

1948 November
Ab 1. November nimmt die neu gegründete National-demokratische Partei Deutschlands (NDPD) mit der Eröffnung ihrer Kreisgeschäftsstelle in der Gaststätte „Zum Kreuz" ihre praktische und organisatorische Arbeit auf. Unterschrift auf der Mitteilung: Naumann Bis zum 25. November können sich alle Umsiedler, die noch Kinder in Polen ansässig haben, zwecks Familienzusammenführung beim Stadtjugendamt melden. Alle infrage kommenden Grenzübergänge nach den westlichen Besatzungszonen sind gesperrt und werden von sowjetischen Truppen überwacht. Einreisen nach Westdeutschland können ab 1. November durch sowjetische Behörden genehmigt werden. Von der sowjetischen Kreiskommandantur werden aber nur Einzelgesuche zur Familienzusammenführung angenommen und nach Überprüfung Interzonenpässe ausgestellt.

1948 Dezember
Am 12. Dezember findet wieder ein „Freier Markt" in Delitzsch statt. Dazu erläßt der Landrat einen Aufruf: „Bauer! Es ist Deine moralische Pflicht, alle „Freien Spitzen" der Allgemeinheit zu geben. Duldet keinen Schwarzhandel, kein Kompensationsgeschäft. Helft der Stadt und der arbeitenden Industriebevölkerung. Paßt Euch der allgemeinen Versorgungslage an. Der Tag des „Freien Marktes", Sonntag, der 12. Dezember 1948, soll die enge Verbundenheit von Stadt und Land durch seinen Erfolg klar herausstellen. Bauer! Alle „Freien Spitzen" für den „Freien Markt"! Die Stadtverordneten beschließen am 14. Dezember die Einrichtung von Kinderspielplätzen am Elberitzplatz, Schützenplatz, Marienplatz und am „Musberg" (in der Nähe des Halleschen Turmes). Am 15. Dezember wird eine Arbeitsgemeinschaft zur Umsiedlerbetreuung gebildet, die die Verteilung von Textilien an Umsiedler vornimmt. Am 29. Dezember beginnt das Kreispolizeiamt mit der Annahme der Anträge für den Deutschen Personalausweis. Ausweispflichtig ist, wer das 15. Lebensjahr vollendet hat. Zum Jahreswechsel wendet sich der Landrat an die Bevölkerung des Kreises Delitzsch. Darin dankt er für die erfolgreiche Arbeit im abgelaufenen Jahr und führt dabei aus: „Das Jahr 1948 hat uns in unseren Erwartungen nicht enttäuscht. Die Emährung ist gesichert und bedeutend verbessert. Die Versorgung der Bevölkerung mit Textilien und Haushaltsgegenständen nimmt einen günstigeren Fortgang. Der „Freie Markt" ebnet den Weg zur freien Wirtschaft und damit zur Beendigung der Zwangswirtschaft. Das Jahr 1949 leitet den ersten Zweijahrplan als die Grundlage der künftigen Friedenswirtschaft ein."

1948 Zusammenfassung des Jahres
In diesem Jahr gilt die erste Etappe der Nachkriegszeit als beendet. Die Entnazifizierung wird Anfang des Jahres abgeschlossen, die sequestrierten Betriebe werden in Volkseigentum überführt und damit im Zusammenhang entstehen die VVB. Mit der Gründung der HO (Handelsorgansation) beginnt die Verstaatlichung des Einzelhandels. Mit dem von der SED verkündeten Halbjahrplan wird die Planwirtschaft eingeführt. Damit sind die ersten Elemente zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung geschaffen worden. Außenpolitisch bedeutungsvoll ist, daß die Gegensätze zwischen den drei Westalliierten und der Sowjetunion so stark werden, daß es zu einem Bruch zwischen ihnen kommt. Der Alliierte Kontrollrat löst sich auf. Mit der Einführung der Währungsreform - zuerst in den Westzonen - tritt eine weitere Verschärfung ein, die durch die von der Sowjetunion über Westberlin verhängte Blockade zu einer kritischen Situation führt. Die in den vergangenen Nachkriegsjahren sich abzeichnende Zweiteilung Deutschlands ist politisch vollzogen. Die Westalliierten Besatzungsmächte einerseits und die Sowjetunion andereseits setzen komproißlos in den von ihnen besetzten Territorien ihr Gesellschaftssystem durch. Gegen Jahresende wird von dem bisher verkündeten „besonderen deutschen Weg zurr Sozialismus" abgegangen. Die Sowjetunion gilt als das allein gültige Vorbild, der Personenkult um Stalin nimmt erheblich zu. Das Alltagsleben in unserer Stadt wird von dieser neuen politischen Situation vorerst wenig beeinflußt, die Lösung der Tageshagen ist wichtiger. Wenn auch zu Beginn des Jahres nochmals einige Engpässe in der Zuteilung von Lebensmitteln aufgetreten sind, so zeichnet sich doch die allmähliche Normalisierung der Lebensverhältnisse ab. Die Betriebe arbeiten wieder voll, ein Zuwachs in der Produktion ist zu verzeichnen, Arbeitskräfte werden eingestellt, die Betriebe können ihren Beschäftigten einige Vergünstigungen, vor allem durch Zusatzverpflegung, gewähren. Das Damenschneiderhandwerk führt eine Modenschau durch, die Volksbühne bringt monatliche Veranstaltungen, die Kulturgruppen der Stadt treten öfter auf. Die ersten Straßenbaumaßnahmen laufen an (Straßenbefestigung in der „Luftwaffensiedlung", Radweg vom Nordplatz zur Bahnüberführung am RAW). Die Wiederherstellung der Jahn-Turnhalle und das Anlegen von mehreren Kinderspielplätzen wird vorbereitet. Die Anzahl der aufzunehmenden Heimatvertriebenen geht stark zurück, es treffen nur noch kleinere Gruppen aus Ostpreußen und dem ehememaligen Warthegau ein. Nachzügler aus dem Sudetenland werden nur noch zur Familienzusammenführung mit Verwandten 1. Grades aufgenommen. Sammelaktionen zugunsten der Neubürger und für Heimkehrer sind weiterhin notwendig. Die neuen Inhalte in der Politik kann sich bei den örtlichen Vertretern der Stadtverordneten nur schwer durchsetzen. Die Schwierigkeiten bei den zu lösenden Alltagsproblemen, in der Hauptsache Fragen der Versorgung und der Unterbingung, zwingen meist zu einer einstimmigen Beschlußfassung. Wenn in wenigen, meist organisatorischen Angelegenheiten unterschiedliche Meinungen auftreten, so stimmen die Vertreter der beiden bürgerlichen Parteien, die zusammen die Mehrheit besitzen, in der Regel gemeinsam gegen die der SED. Die sich mit der Währungsreform verstärkenden Gegensätze zwischen Ost und West führen dazu, daß ein verstärkter politisch-ideologischer Druck durch die Besatzungsmacht und der von ihr gesteuerten Parteiorgane der SED und der Verwaltungsorgane auf die Bevölkerung ausgeübt wird. Die Folge ist eine massenhafte Flucht und Übersiedlung von Bürgern aus der Ost- in die Westzonen. Eine Opposition gegen die von der Besatzungsmacht gesteuerte Entwicklung wird hart verfolgt. Davon zeugt der tragische Tod des Stadtverordneten und Fraktionssprechers der CDU, Hans-Georg Löser im September 1948.


1949

1949 Januar
Bis Ende des Monats sind die Anträge auf Ausstellung des Deutschen Personalausweises einzureichen. Für Textilien und Schuhe werden wieder Punktkarten ausgegeben. Die Empfänger sind in verschiedene Kategorien eingeteilt, entsprechend der Gruppe 1 = Schwerstarbeiter - mit 140 Punkten bis Gruppe 5 mit 60 Punkten. Für Schuhreparaturen gibt es auf Abschnitt 1 der Januar-Lebensmittelkarte eine Vollbesohlung, auf Abschnitt 2 eine Teilbesohlung. Die Stadtverordneten beschließen am 14. 1. den behelfsmäßigen Ausbau des Schwimmbades in der Nähe des ehemaligen Flugplatzes Spröda. Im RAW wird vom 24. Januar in zusätzlichen 5050 Arbeitsstunden der „Aktivistenzug Nr. 1" hergestellt.

1949 Februar
Ab diesem Monat wird der Koksgrus frei verkäuflich. Die „Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion" führt eine Reihe von Veranstaltungen zur Propagierung ihres Gedankengutes durch. So spricht Prof. Dr. Victor Klemperer, Universität Halle, über „Die sowjetische Weltliteratur" und Prof. Dr. Steininger, Universität Berlin, über „Die Russen und wir" sowie ein hoher sowjetischer Offizier, SMA Halle, über „31 Jahre Sowjetarmee". Der Vorsitzende der DBD, Hofimann, gibt bekannt, daß die Partei eine Geschäftsstelle Am Wallgraben 20 eröffnet hat. Ab diesem Monat zahlt die Umsiedlerhilfe an alle, die nach dem 28.6.1948 aus Polen, der CSR und aus dem Kaliningrader Gebiet ausgesiedelt wurden, eine Beihilfe von 50,00 DM pro Person. Für noch in Polen lebende Deutsche können Zuzugsgenehmigungen zwecks Familienzusammenführung nach dort geschickt werden. Es werden dafür in Polen Transportzüge zusammengestellt. Am 25. Februar wird das „Kommunale Wirtschaftsunternehmen" (KWU) gegründet.

1949 März
Die Werktätigen des RAW rufen ihre Kollegen im RAW LeipzigEngelsdorf zu einem Wettbewerb zur Erfüllung und Übererfüllung des Zweijahrplanes auf. Das Ziel ist, die Produktion um 10 % zu steigern. Hierbei stellt die Aktivistenbewegung eine wichtige Basis dar. Erster Aktivist des RAW ist der Dreher Kurt Pittschaft. Am 29. März wird die Verurteilung von zwei Kohlediebinnen bekanntgegeben. Wegen wiederholten Diebstahls auf dem Gelände der Reichsbahn werden Strafen von drei Monaten Gefängnis und sechs Monaten Gefängnis (erhöhte Strafe wegen Schwarzhandels mit Kohle) ausgesprochen.

1949 April
Am 27. April bildet sich der „Volkskontrollausschuß" für die Stadt Delitzsch. Ihm gehören 10 Vertreter von demokratischen Organisationen und Parteien an. Seine Aufgaben sind:
-Einhaltung der Plandisziplin bei Produktion und Verteilung
-Beseitigung von Bürokratismus in Wirtschaft und Verwaltung
-Aufdeckung von wirtschaftsschädigenden Handlungen, vor allem von Sabotage, Spekulation, Schieberei und Kompensationsgeschäften.

1949 Mai
Der 1. Mai wird unter den Losungen „Für Einheit und gerechten Frieden" und „Zweijahrplan - Friedensplan" begangen. Gleichzeitig wird gegen den Marshall-Plan, das „Ruhrdiktat" und gegen das „Besatzungsstatut in den westlichen Zonen" demonstriert. Vom 1. bis 12. Mai zeigt das Heimatmuseum im Zeichensaal der Ehrenberg-Oberschule die Ausstellung „Der Zweijahrplan". Ab diesem Monat werden an Schulkinder zu ihrem Schulbrötchen fünf Gramm Marmelade ausgegeben. Am 5. Mai wird die im April eingerichtete Kreispoliklinik im Eckhaus Schäfergraben/Angerstraße vom Chefarzt dieser Einrichtung Dr. Koch feierlich eröffnet. Sie besteht aus: Innere Abteilung, Chirurgische Abteilung, HNO-Abteilung, Physikalische Abteilung (etwas später kommt noch eine Gynäkologische Abteilung dazu). Alle Heimkehrer und Umsiedler, die seit 1948 in die SBZ gekommen sind, erhalten 100 Zusatzpunkte für ihre Kleiderkarte. Am 15. Mai findet die Wahl der Delegierten zum 3. Deutschen Volkskongreß statt. Im Stimmkreis 2 Land Sachsen-Anhalt sind in die Kandidatenlisten folgende Bürger aus Delitzsch aufgenommen worden: Karl Böttcher (LDP), Erna Majewski (DFD), Walter Naumann (NDPD), Willi-Otto Schmidt (CDU). Wegen der allgemein hohen Anzahl der bei dieser Wahl als ungültig erklärten Stimmen wird vom Innenminister der Landesregierung Sachsen-Anhalt, Siewert eine nochmalige Überprüfung angeordnet, wobei ein sehr strenger Maßstab an die Feststellung der Ungültigkeit anzulegen ist. So werden nach Weisung des Innenministers der Landesregierung alle Stimmen, die ohne Ankreuzen in die Urne eingeworfen wurden, als „Ja-Stimme" gezählt. Das gilt auch für diejenigen Stimmzettel, die nur mit einer Bemerkung, wie „Für Freiheit" versehen oder die ganz durchkreuzt wurden. Erst durch diese erneute Auszählung wird eine Zustimmung von 68 % erreicht. In der Sitzung der Stadtverordneten vom 18. Mai wird u. a. beschlossen:
- Auflösung sämtlicher Stiftungen (Armenstiftung, Grabpflegestiftung, Friedhofverwaltungs-Stiftung, Kinder- und Lehrlingsstiftung, Dr. Schulze-Stipendienfonds.)
- Aufstellung eines Mahnmals für die Opfer des Faschismus in der Bitterfelder Straße auf Antrag der VVN.
- Überlassung von Gelände für den Bau der neuen Berufsschule.
Der Haushaltsplan 1949 wird mit 2.486.200 DM in Einnahme und Ausgabe verabschiedet

1949 Juni
Der Landrat weist auf die Durchführung eines Feldschutz-Wachdienstes hin, um Flurdiebstähle zu verhindern. Geldstrafen bis zu 3.000, DM und Gefängnisstrafen bis zu sechs Monaten werden angedroht. Es tritt erneut eine Kartoffelkäferplage auf. Daher werden wieder Suchdienste angeordnet: "Jeder Kartoffelesser und -anbauer ist verpflichtet, sich an der Suchaktion zu beteiligen". Für die besten Sucher werden auch wieder Süßwarenprämien ausgesetzt (1 kg Kartoffelkäfer= 2 kg Süßwaren, für jedes Eigelege = 20 g Süßwaren). In der Stadtverordnetenversammlung am 28. Juni wird beschlossen:
-.Teilfinanzierung des Bauvorhabens„ 12-Familienhaus" Securiusstraße/ Kosebruchweg, das von dem KWU ausgeführt wird.
- Die Jahnturnhalle wird den Sportvereinen zur Nutzung übergegeben.
- Die Notgrube in Grube Ludwig wird dem KWU angeschlossen.
(Außerdem gehören zu ihm folgende Betriebe und Einrichtungen: Wasserwerk, Bauhof, Gartenbaubetrieb, Schlosserei, Kanalisation, Freibad Elberitzmühle, Moorbad, Anschlagswesen, bebaute Grundstücke). Auf der Kreistagssitzung am 30. Juni wird die Nationale Front des Kreises Delitzsch gegründet.

1949 Juli
Der Verkauf von Rohkohle wird freigegeben. Dasselbe trifft für die Einheitsseife zu. Die Bauern können nach Erfüllung ihres Ablieferungssolls Kartoffeln an die Verbraucher abgeben. Am 1. Juli wird die VEAB (Vereinigung volkseigener Erfassungs-und Aufkaufbetriebe) gegründet. Die dazu gehörenden Kreiskontor für tierische Erzeugnisse haben ihren Sitz in der demontierten Zuckerfabrik und das Kreiskontor für pflanzliche Erzeugnisse in der früheren Walzenmühle.

1949 August
Durch Eröffnung weiterer Verkaufstellen erhöht sich die Zahl der HO-Geschäfte in der Stadt auf acht Läden und Kioske. Am 28. August finden mehrere Veranstaltungen anläßlich des 200. Geburtstages von Goethe statt, die von dem örtlichen Goetheausschuß vorbereitet wurden.

1949 September
Am 1. September wird die Kreisdienststelle des Deutschen Volkskongresses in der Gaststätte „Zum Kreuz" (Roßplatz 6) eröffnet. Ab 9. September werden in den wöchentlich einmal erscheinenden „Bekanntmachungen für den Kreis Delitzsch" auch Privatanzeigen veröffentlicht. Am 19. September wird im Karl-Marx-Haus eine außerordentliche Sitzung des Kreistages und der Stadtverordnetenversammlung zum Thema „Stellungnahme zu einer Regierungsbildung" abgehalten. Am 24. und 25. September findet die Hundertjahrfeier der Genossenschaftskasse (heute Volksbank mit Sitz in der Eilenburger Straße), verbunden mit einem Heimatfest, statt. (Am 28. B. 1849 wurde durch Dr. Hermann Schulze-Delitzsch eine „Kranken- und Sterbekasse" und am 1.12.1849 eine „Rohstoffassoziation der Tischler- und Schuhmacher" in Delitzsch gegründet). Der Festakt wird am 24. September in der Aula der Ehrenberg-Oberschule durchgeführt. Die Gedenkrede bei einer anschließenden Kranzniederlegung am Schulze-Delitzsch-Denkmal hält der Landtagspräsident Sachsen-Anhalt, Adam Wolfram, aus Halle. Das Denkmal besteht zu diesem Zeitpunkt nur noch aus dem alten Sokkel mit einer neu darauf angebrachten Schale. Am 25. September findet vormittags ein Konzert im Stadtpark unter Mitwirkung des Volkschores und des FDGB-Orchesters statt, nachmittags wird ein Festumzug durch die Stadt veranstaltet.

1949 Oktober
Am 8. Oktober findet auf dem Roßplatz aus Anlaß der Gründung der DDR eine Großkundgebung mit ca. 2.000 Teilnehmern statt. Abends führen die Werktätigen des RA W einen Fackelumzug zum Markt durch. Sie verpflichten sich zur Fertigung eines zusätzlichen „Aktivistenzuges". Am 10. Oktober fahren der Fanfarenzug der FDJ und 175 FDJler des Kreises in einer LKW-Kolonne nach Berlin, um dort am Fackelumzug der FDJ und an einer Großkundgebung auf dem Marx-Engels-Platz anläßlich der Gründung der DDR teilzunehmen. Dort überreicht der jüngste Pionier des Kreises Hans Funk gemeinsam mit Margot Feist (spätere Frau Honecker), dem neu gewählten Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck, einen Strauß roter Nelken. Im LW Rackwitz beginnt die Berufsausbildung für 100 Lehrlinge in einer eigenen Betriebsberufsschule. Die Belieferung der Lebensmittelkarten ist gesichert. Wiederum werden Aufkaufaktionen für „Freie Spitzen" von landwirtschaftlichen Erzeugnissen organisiert. Die Versorgung mit Einkellerungs-Kartoffeln für den Winter erfolgt differenziert anhand der LebensmittelkartenGruppen. (Gruppe 1 = Schwerstarbeiter mit 182,5 kg bis zur Gruppe 5 mit 100 - 130 kg). Bis Ende Oktober haben Werktätige des RAW beim Wiederaufbau des Berliner Bahnhofes im „freiwilligen Ehrendienst" 910 Stunden an Schacht- und Gleisbauarbeiten geleistet. Beginn der Partnerschaft zwischen den evangelischen Kirchengemeinden Delitzsch, Bad Eins und Braubach.

1949 November
Ab diesem Monat erhält die Lokalausgabe Bitterfeld der Landeszeitung der SED „Freiheit" auch Berichte und Mitteilungen aus dem Kreis Delitzsch. In der Stadtverordnetenversammlung am B. November wird Herr Gebhardt (SED) als neuer Stadtverordnetenvorsteher gewählt. Der bisher diese Funktion innehabende Stadtverordnete Leisch hat eine Arbeit außerhalb von Delitzsch übernommen. Auf dieser Sitzung wird der Antrag der SED-Fraktion auf Beseitigung des Kriegerdenkmals am Halleschen Turm mit 11 zu 16 Stimmen abgelehnt (die Abgeordneten der beiden bürgerlichen Partien stimmten dagegen). Angenommen wurde ein Antrag des Stadtausschusses der Hilfsaktion „Wir bauen auf zur Einführung einer Ehrendienstpflicht. Der Ehrendienst soll von der männlichen Bevölkerung im Alter von 15 bis 65 Jahren und der weiblichen Bevölkerung im Alter von 15 bis 45 Jahren abgeleistet werden. Es sind dafür jährlich vier Solidaritätseinsätze zu je acht Stunden vorgesehen. Bei Ableistung dieses Einsatzes in innerbetrieblicher Arbeit ist das erarbeitete Geld auf das Konto der Hilfsaktion zu überweisen. Schwerpunkte für den außerbetrieblichen Einsatz sind der Wiederaufbau des Berliner Bahnhofs und der Neubau der Berufsschule. Auf der Kreisdelegiertenkonferenz der SED, die am 12. und 13. November stattfindet, wird der Genosse Sälzer als l. Sekretär der Kreisleitung gewählt. Diese Funktion war ihm bereits vor einem Jahr übertragen worden. Am 14. November gründet sich die Betriebsgruppe des Landratsamtes der Gesellschaft für deutsch-sowjetischen Freundschaft, der 25% der Belegschaft ummittelbar beitreten. Sie stellt sich das Ziel, durch eine Werbeaktion in kürzester Zeit eine 100%ige Mitgliedschaft zu erreichen. Am 19. November meldet das Blankstahlwerk die Erfüllung seines Jahresplanes. Die Laienspielgruppe „Frohsinn" der FDJ ändert ihren Namen in „Kulturbrigade Friedrich Wolf`. Ihr Leiter Günter Hennig erklärt dazu: „Um den Gedanken einer wirklich fortschrittlichen Kultur in die Masse des Volkes zu tragen, ist es notwendig, mit alten Traditionen zu brechen und neue Wege zu beschreiten". Sie wollen nur noch Stücke mit zeitgemäßem Inhalt spielen. Das erste wird zur Stalinfeier am 21. Dezember aufgeführt werden. Es werden erneut Aufkaufaktionen landwirtschaftlicher Erzeugnisse zur Verbesserung der Lebensmittelversorgung durchgeführt. Sie finden vom 21. bis 27. November und vom 11. bis 18. Dezember statt. Die Bauern erhalten als Gegenwert für diese „Freien Spitzen" landwirtschaftliche Bedarfsartikel und Zuteilungen von Waren, die nur im geringen Umfang für die Verbraucher zur Verfügung stehen. Am 27. November eröffnet der Konsum im Hotel „Weißes Roß" einen Weihnachtsmarkt, auf dem Spielwaren, Tabakwaren, Spirituosen und andere Geschenkartikel bis zum 22. Dezember verkauft werden. Eine Statistik vom 23. November weist folgende Zusammensetzung der Lehrerschaft auf:

Altlehrer:

33

(davon   7 SED)

Neulehrer:

55

(davon 28 SED)

Berufsschullehrer.

24

(davon   7 SED)

Sie verteilen sich auf fünf Grundschulen, eine Oberschule und eine Berufsschule.

1949 Dezember
Am 6. Dezember veranstaltet der FDGB im „Lindenhof` einen Volkskunstabend. An ihm wirken als Laiemnusiker das 27 Mitglieder starke Mandolinenorchester, der Volkschor und die Laienspielgruppe der Volksbühne mit. Am 10. Dezember werden vier Mitglieder der LDP, darunter die Sekretärin der Landtagsfraktion der LDP und frühere Leiterin des Büros des Bürgermeisters der Stadt Delitzsch, Frau Eleonora Borschel, vom NKWD der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet. Sie stehen im Verdacht, mit Personen oder Organisationen in Westberlin Kontakt aufgenommen zu haben. (Im März 1950 wurde Frau Borschel durch ein sowjetisches Militärgericht zu 25 Jahren Arbeitslager wegen angeblicher Spionage und illegaler Gruppenbildung nach einem sowjetischen Strafgesetz verurteilt. Im April des gleichen Jahres wird sie den DDR-Behörden überstellt. Im September 1955 wird sie aus dem Frauenzuchthaus Burg Hoheneck entlassen. hm Oktober gelingt ihr die Flucht nach Westberlin). Der Kreisausschuß für den Deutschen Volkskongreß und die GDSF fordern in einem Aufruf die Einwohner der Stadt auf, zu Ehren des 70. Geburtstages des Generalissimus Stalin die Häuser zu schmücken und Fahnenschmuck anzubringen. Die dafür benötigte Illumination und das Dekorationsmaterial wird vom Kreisvolksausschuß ausgegeben. Der Rat des Landkreises übersendet dem Generalissimus Stalin zu seinem Geburtstag als „Zeichen freundschaftlicher Verbundenheit" einen 90 cm hohen geschnitzten Pokal. Die Stadtverordneten beschließen in ihrer Versammlung am 20. Dezember auf Antrag der SED-Fraktion, den Marktplatz in „Stalinplatz" umzubenennen. Weiterhin wird der Haushaltsplan für 1950 mit 3.137.000 DM in Einnahmen und Ausgaben verabschiedet. Vom 20. bis 23. Dezember findet zum ersten Mal nach dem Krieg ein Weihnachtsmarkt statt. Am 26. Dezember erfolgt die Wiedereröffnung der in Volkseigentum übergegangenen Kulturstätte „Karl-Marx-Haus" (früher Schützenhof). Das Gebäude wurde renoviert und der Saal erhielt ein neues Parkett. Die sowjetische Militärkommandantur ist in Delitzsch aufgelöst worden. Die von ihr beschlagnahmten Häuser in der Ludwig-Jahn-Straße werden den einstigen Bewohnern zurückgegeben. Wegen der allgemein verbesserten Versorgungslage schließt die Tauschzentrale der HO (Bismarckstraße 10) zum Jahresende.

1949 Zusammenfassung des Jahres
Die Verhältnisse im Kreis Delitzsch werden maßgeblich bestimmt durch die bereits im Vorjahr sich abzeichnende auseinanderstrebende Entwicklung des gesellschaftliche, politischen und wirtschaftlichen Lebens in den Besatzungszonen Deutschlands. Das Zerwürfnis zwischen den westlichen Alliierten und der Sowjetunion beschleunigt sich. Ein Friedensvertrag mit Gesamtdeutschland kommt nicht zustande. Die Besatzungsmächte sind bestrebt, ihre eigene gesellschaftliche Ordnung auf ihr Herrschaftsgebiet zu übertragen. So finden im IL Quartal verstärkt Kundgebungen und Demonstrationen im Hinblick auf die sich abzeichnende Spaltung in zwei Staaten unter dem Motto „Für Einheit und gerechten Frieden" statt. In ideologischer Hinsicht werden die Errungenschaften der Sowjetunion hervorgehoben und als erstrebenswertes Ziel in der im Oktober gebildeten Deutschen Demokratischen Republik dargestellt. Dabei wird die Rolle Stalins besonders hervorgehoben. Beiden deutschen Staaten wird jedoch vorerst die volle Souveränität vorenthalten, in der BRD durch das Besatzungsstatut, in der DDR durch die Sowjetische Kontrollkommission. Diese Ereignisse finden ihre Widerspiegelung in den Geschehnissen in der Stadt und im Kreis Delitzsch. In der Ostzone wird mit der „Deutschen Demokratischen Republik" ein Staat gebildet, in welchem die SED als „Partei der Arbeiterklasse" und auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus mit seiner Lehre von der „Diktatur des Proletariats" beansprucht. Daraus folgte zwangsläufig die Überführung der Produktionsmittel in Volkseigentum und der Aufbau einer sozialistischen Planwirtschaft. In den westlichen Besatzungszonen wird, entsprechend dem politischen Verständnis der dort stationierten Siegermächte, in der ebenfalls gegründeten Bundesrepublik Deutschland mit einer bürgerlichen parlamentarischen Demokratie auch eine freie Marktwirtschaft etabliert. Im Ergebnis des „Stalinkults" in der DDR wird der Markt in „Stalinplatz" umbenannt. Sich gegen diese Entwicklung einer Sowjetisierung stellenden Kräfte werden, auch durch Verhaftungen, ausgeschaltet. Im Bereich der Produktion sind in diesem Jahr folgende Erscheinungen charakteristisch: - Aufrufe von Werktätigen zur Erf üllung und Übererfüllung der Planauflagen des Zweijahrplanes; - Einführung der „Aktivistenbewegung" nach dem Vorbild der „Stachanow   Bewegung" in der Sowjetunion, Auszeichnung der ersten Aktivisten in Betrieben der Stadt und des Kreises. Das Leichtmetallwerk in Rackwitz eröffnet eine betriebseigene Berufsschule. 100 Lehrlinge werden eingestellt. Die Lebens- und Wohnverhältnisse normalisieren sich allmählich. In der Stadt werden einige HO-Geschäfte neu eröffnet. Die Versorgung mit Lebensmitteln, Textilien und Schuhen wird verbessert, jedoch wird die Verteilung von Bedarfsgütern nach wie vor auf Marken bzw. Zuteilungsscheinen beibehalten. Die VEAB (Volkseigener Erfassungs- und Aufkaufbetrieb) für landwirtschaftliche Erzeugnisse übernimmt die Entgegennahme der auf Grund der Pflichtablieferungsbestimmungen und der Aufkäufe nach erfüllter Ablieferungsnorm erzeugten landwirtschaftlichen Produkte. Zur Verbesserung der gesundheitlichen Betreuung wird die Kreispoliklinik eröffnet. Die Eingliederung der aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und dem Sudetenland Ausgewiesenen ist im wesentlichen abgeschlossen. Noch immer kehren Kriegsgefangene aus der Sowjetunion zurück, die in das Wirtschaftsleben eingegliedert werden müssen. Die Gründung der DDR als selbständiger Staat wird in Delitzsch mit einem Fackelumzug und einer Kundgebung auf dem Markt begrüßt. Eine Jugenddelegation nimmt an den Feierlichkeiten in Berlin teil.


1950

1950 Januar
Ab dem 1. Januar ist die Delitzscher Eisenbahn (Kleinbahn) Eigentum der deutschen Reichsbahn und hört auf, als selbständige Privatbahn zu existieren. Im Lokschuppen von Delitzsch-West sind nur noch Triebwagen und Diesellokomotiven stationiert. Die Dampflokomotiven sind im Lokschuppen der Reichsbahn zwischen der Zuckerfabrik und der Leipziger Straße untergebracht. Am 10. Januar wird der „Kreisvolksausschuß für Einheit und gerechten Frieden" entsprechend seines neuen gesellschaftlichen Auftrages in „Kreisausschuß der Nationalen Front des demokratischen Deutschlands" umbenannt. Vorsitzender wird Herr Erich Sälzer (SED), Sekretär Herr Naumann (NDPD). Die Hauptaufgabe der nächsten Monate besteht in der Vorbereitung der Volkswahlen am 15. Oktober 1950. Am 19. Januar wird der Wiederaufbau des am 16. April 1945 durch einen US-Jagdbomber zerstörten Bahnhofsgebäudes abgeschlossen. Dabei wurden 3.148 freiwillige Einsatzstunden, meist durch Angehörige der Reichsbahn, geleistet. 13. Januar - Der Marktplatz wird in Stalinplatz umbenannt. In der örtlichen Presse findet der Beschluß der Sowjetunion zur Auflösung der Internierungslager Buchenwald, Sachsenhausen und Bautzen eine allgemeine Zustimmung. Am 28. Januar wird in der zum Kulturhaus des RAW umgestalteten Turnhalle die Betriebssportgemeinschaft (BSG) des RAW gegründet. Der Kulturleiter des RAW, Albin Schneider, hat in einer Vorbesprechung die Aufgabe einer Betriebssportgemeinschaft erläutert: „Durch sie wird das Nur-Sportlertum überwunden. Dem Sport wird nunmehr ein gesellschaftlich und ideologisch klarer Inhalt gegeben." In der BSG sind bereits über 200 Mitglieder in sieben Sparten organisiert. Unter der Losung „Gegen den amerikanischen Imperialismus und dessen Vasallen Adenauer, für die Friedensfront unter der Führung der mächtigen Sowjetunion" veranstaltet der Ortsausschuß der NF in der Parkgaststätte eine Kundgebung. Als Redner tritt Minister Kamps von der Landesregierung Sachsen-Anhalt auf. Am 19. Januar wird bekanntgegeben, daß Anträge zur „Familienwiedervereinigung" für Angehörige, die noch in Polen, der CSR, Rumänien und Ungarn wohnen, beim Ministerium für auswärtige Angelegenheiten in Berlin gestellt werden können. Die ersten Umsiedlertransporte aus Polen werden im Rahmen dieser Aktion demnächst erwartet. Umsiedler, die ab 1. März 1949 aus Polen und ab 1. November 1949 aus den Gebieten der UdSSR eingetroffen sind, und anhanglose Heimkehrer, die ab 1. Juli 1949 aus der Kriegsgefangenschaft in der UdSSR entlassen wurden, erhalten Warengutscheine. Am 24. Januar wählen die Stadtverordneten zu ihrem Vorsteher Herrn Gebhardt (SED), zum 1. Stellvertreter Herrn Richter (LDP), zum 2. Stellvertreter Herrn Loske (CDU) und zum Schriftführer Herrn Dietrich (CDU). Der Stadtrat, Herr v. Mallotki (CDU), scheidet aus. An seine Stelle tritt Frau Dorothea Seiffert (CDU).

1950 Februar
Ab 3. Februar wird die Bewirtschaftung des Moorbades von dem KWU der Stadt übernommen. Es werden Wannen-, medizinische- und Moorbäder verabreicht. In diesem Monat nimmt der VEB Ziehwerk die Produktion von Blankstahl auf. Das Sozialamt Delitzsch ermöglicht in Verbindung mit der Volksbühne für 150 Fürsorgeempfänger einen kostenlosen Besuch der Vorführung der Operette „Orpheus in der Unterwelt" durch das Stadttheater Wurzen. Am 24. Februar führt die FDJ eine Großkundgebung zum Gedenken an junge Widerstandskämpfer mit allen Funktionären der FDJ und JP im Karl-Marx-Haus durch. Das Erscheinen ist Ehrenpflicht und dient als Voraussetzung zur Teilnahme am Freundschaftstreffen zu Pfingsten in Berlin. In der Blockausschußsitzung am 24. Februar wird bekanntgegeben, daß der Kreisvorsitzende der LDP, Herr Hermann Scharf, aufgrund der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen seine Funktion niedergelegt hat. In der „Freiheit" vom 21. Februar wird unter der Überschrift „Doppelzünglertum ist Verrat am Frieden" dem Kreisvorsitzenden der LDP, Herrn Scharf, vorgeworfen, daß in seiner politischen Arbeit Wort und Tat nicht übereinstimmte und er nicht gegen die reaktionären Kräfte im Kreisverband eingeschritten wäre. Sein Nachfolger wird Herr Biedermann. Da Herr Scharf noch Mitglied des Landesvorstandes und Landtagsabgeordneter ist, wird der Landesvorstand zu einer entsprechenden Stellungnahme aufgefordert. Der Antrag wurde mit 10 Stimmen gegen die vier Stimmen von CDU und LDP angenommen. Die Stadtverordneten beschließen am 28. Februar, daß die NDPD mit zwei Vertretern in die Stadtverordnetenversammlung mit beratender Stimme aufgenommen wird und weitere für die Ausschüsse benennen kann. Weiterhin beschließen sie, den Bau von Schulkinder-Spielplätzen vorzubereiten und den Nordplatz anläßlich des „Internationalen Frauentages" in „Clara-Zetkin-Platz" umzubenennen.

1950 März
Als zweite Betriebssportgruppe wird die BSG „MAS Delitzsch" gegründet. ihr gehören etwa 500 Mitglieder an, die meist zuvor verschiedenen, nunmehr aufgelösten örtlichen Sportgemeinschaften (SG) angehört hatten. Der Kreisausschuß der NF beschließt, eine Versammlungskampagne zur Popularisierung des Programmes der NF in der Zeit vom 15. März bis 20. März durchzuführen. Einen Höhepunkt stellt die Großkundgebung am 16. März in der Parkgaststätte Am Schützenplatz dar. Weiterhin wird beschlossen, für die Wahlen im Oktober ein gemeinsames Programm aller Parteien aufzustellen. Dazu heißt es: „Dieses erfordern die großen Aufgaben, die nur gemeinsam gelöst werden können. Auch soll verhindert werden, daß in einzelnen Parteien reaktionäre Kräfte die Oberhand gewinnen. Daher ist es notwendig, mit den alten Formen des Wahlkampfes zu brechen und neue Methoden zu entwickeln." In der Zeitung „Freiheit" erscheint ein Artikel, in dem die baldige Umbenennung der Heinrich-Kaufmann-Straße (heute August-FritzscheStraße) gefordert wird, da der Träger dieses Namens „reaktionäres bürgerliches Gedankengut" vertreten habe. Die jahreszeitlich bedingte Stromsperre für die Haushaltungen in der Zeit von 7.30 bis 9.00 Uhr und 15.00 bis 17.30 Uhr wird am 20. März aufgehoben. Im Laufe des Monats kehren die ersten Entlassenen aus den sowjetischen Internierungslagern zurück, darunter der im Oktober 1945 verhaftete frühere amtierende Bürgermeister Paul Scharf. Der Nordplatz wird auf Beschluß der Stadtverordneten in Clara-Zetkin-Platz umbenannt. Am 27. März erfolgt die vierte große Preissenkung der HO. Sie betrifft verschiedene Textilien und Lebensmittel, wie z.B.

Weißbrot, 1000 g

von

5,00 DM

auf

3,00 DM

Butter, 500 g

von

30,00 DM

auf

24,00 DM

Schweinefleisch, 500 g

von

25,50 DM

auf

19,00 DM

Kunsthonig, 500 g

von

5,00 DM

auf

3,00 DM

Bockwurst mit Salat

von

4,80 DM

auf

3,75 DM

Ei

von

2,00 DM

auf

1,00 DM

Herrensocken

von

9,00 DM

auf

6,50 DM

Herrensporthemden

von

6,00 DM

auf

45,0013M

Damenkleid

von

98,00 DM

auf

84,00 DM

Am 27. März wird in der „Freiheit" kritisiert, daß der stellv. Landrat Wagner (LDP) als Landwirt sein Ablieferungssoll nicht erfüllt habe. Die „Freiheit" meint daraufhin, Herr Wagner sei in dieser Position nicht mehr tragbar. Er legt daraufhin am 31. März sein Amt nieder. Sein Nachfolger wird Helmut Biedermann (LDP).

1950 April
Der Vorschlag, das durch die Räumung durch die sowjetische Kommandantur frei gewordene Behördenhaus (früher Lehrerseminar) als Schule zu benutzen, wird vom Bürgermeister Hampe wegen des zu hohen Bauaufwandes als nicht realisierbar erklärt. Dafür wird dieses Gebäude von der Volkspolizei als Kreisamt genutzt. Auch das Finanzamt und das Zollamt werden nach dort zurückverlegt. Ab l. April erscheint die Tageszeitung der SED „Freiheit" mit einer eigenen Kreisausgabe. Im gesamten Monat findet eine Sonderaktion zur Erfassung von Altpapier statt, da für die Erfüllung des Volkswirtschaftsplanes 1950 alle inneren Reserven mobilisiert werden sollen. Für 25 kg Altpapier werden z. B. als Prämie 20 Quadratmeter Dachpappe abgegeben. Am 2. April beschließt der Kreisblock der Nationalen Front die Erarbeitung eines gemeinsamen Wahlprogrammes und fordert die Ortsblockausschüsse auf, dieses auch für die Gemeinden zu veranlassen. Unter dem Motto „Unsere Arbeit ist Kampf für den Frieden" flirrt die FDJ ihre 5. Kreisdelegiertenkonferenz durch. Die Zahl der Mitglieder beträgt jetzt 6.450 Jugendfreunde im Kreis Delitzsch. Die Förderung der Jungaktivistenbewegung sei eines der wichtigsten Ziele der neuen Leitung. Herr Gräfe wird als Kreisvorsitzender wiedergewählt. Am B. April findet eine Kulturveranstaltung der Betriebsgruppe der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft (GDSF) des RAW statt. In dem überfüllten Saal wird durch Laien- und Volkskunstgruppen ein dreistündiges Programm geboten. Der Erlös der Veranstaltung wird der Jugend für ihr Deutschlandtreffen zur Verfügung gestellt. Bei Rechenschaftslegungen der Stadtverwaltung stehen zwei Probleme im Mittelpunkt: - Der Schulraummangel und die Einführung von Schichtunterricht (Schichtunterricht gab es bereits seit 1949, z. B. waren an der Comeniusschule zwei Grundschulen mit zwei Direktoren Herr Hruschka und Herr Wachsmuth mit wöchentlich wechselndem Schichtunterricht untergebracht. Die Klassenstärke beträgt bis zu 50 Schüler). - Die zu geringe Kapazität des Krankenhauses mit gegenwärtig 226 Betten. Zum Problem der Krankenversorgung beschließen die Stadtverordneten am 11. April als Notmaßnahme zur Behebung des Bettenmangels die Einrichtung eines Behelfskrankenhauses (Am Wallgraben 1) mit einer Kapazität von 40 bis 50 Betten. Das Gutheilstift wird derzeit vom Dezernat Gesundheit des Landratsamtes genutzt. (Das Gebäude wurde 1913 erbaut. Ein Fräulein Gutheil, gestorben 1909, hinterließ 30.000 RM. Mit diesem Kapital konnte der schon lange geplante Bau eines Siechenhauses begonnen werden. Die Stadtverwaltung gab dazu kostenlos das Baugelände mit 7.632 m²). Da aber insgesamt 250 Betten fehlten, wird beschlossen, eine Delegation zur Landesregierung zu entsenden. Als neuer Chefarzt wird Dr. Jockisch bestätigt. Als Vertreter der NDPD werden die Herren Franklin Schramm und Karl Schäfer als Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung mit beratender Stimme aufgenommen. Da an allen Schulen zu Beginn des neuen Schuljahres die Schulspeisung eingeführt werden soll, wird der Bau einer zentralen Schulküche flir erforderlich gehalten. Die Bevölkerung wird aufgerufen, hierfür von ihr nicht benötigte Kochkessel zur Verfügung zu stellen. Am 17. April fordern die Werktätigen des RAW in einer Versammlung, als Schlußfolgerung aus dem gemeinsamen Wahlprogramm eine gemeinsame Wahlliste aufzustellen. Am 26. April treffen 30 Kinder aus Salzgitter-Watenstedt zur Erholung in Delitzsch ein. Ihre Väter sind durch die von den „britischen Imperialisten" angeordneten Demontagen arbeitslos geworden. Der Neue Heiligbrunnen in der Oskar-Reime-Straße wird mit seinen Anlagen durch die Stadtverwaltung der Stadtgruppe der FDJ zur Instandhaltung und Pflege Überlassen. Die FDJ will dort ein „Kulturzentrum" errichten (es blieb nur beim Vorsatz). Am 30. April wird im Museum die Ausstellung „5 Jahre Aufbau 1945 bis 1950 - Kampf um die Einheit - Nationale Front" eröffnet.

1950 Mai
Am 1. Mai findet eine Großkundgebung auf dem Stalinplatz (Markt) statt. Etwa 10.000 Berufstätige sollen von ihren Stellplätzen durch die Stadt dorthin marschiert sein, so kommentiert es die Zeitung. Die „Volksbühne" im Kreis Delitzsch umfaßt jetzt etwa 3.000 eingetragene Mitglieder. Die Ortsvereinigung Delitzsch will für ihre Besuchergemeinde bis zur neuen Spielzeit, die im September beginnt, einen 2. Ring aufbauen. Die Aufführungen vom Elbe-Elster-Theater Wittenberg und vom Landestheater Dessau finden im Karl-Marx-Haus statt. Zum 6. Mai wird das „Kreisfriedenskomitee" gebildet. Als Vorsitzende wird Frl. Lemka (CDU) und als stellvertr. Vorsitzender Herr Biedermann (LDP) gewählt. In einem Aufruf wendet sich das Komitee gegen die drohende Gefahr eines neuen Krieges und leitet eine Unterschriftenaktion zum Verbot der Atombombe ein. Am B. Mai finden in vielen Betrieben Feierstunden statt. Anschließend führt ein Demonstrationszug zu den Gedenkstätten der „Helden der Roten Armee" auf dem Friedhof und der „Opfer des Faschismus", in der Bitterfelder Straße, um sie mit einer Kranzniederlegung zu ehren. Die Stadtverordneten beschäftigen sich am 23. Mai mit der „Wohnungsnot, die zur Katastrophe anwächst". Man will auf den Wohnungsneubau hinwirken. Am 29. Mai werden im Karl-Marx-Haus 100 Junge Pioniere zum Deutschlandtreffen der Jugend verabschiedet.

1950 Juni
Am „Internationalen Kindertag" am 1. Juni ziehen 3.000 Kinder durch die Stadt zum Elberitzsportplatz, um dort den Tag bei Sport und Spiel zu feiern. An ihrer Spitze marschieren Junge Pioniere, die mit dem neuen Leistungsabzeichen „Für gute Arbeit in der Schule" geehrt worden sind. An diesem Tag wird auch erstmals der „Tag der Volkspolizei" begangen. Am 16. Juni wird Albin Schneider durch den Landesvorstand der SED Sachsen-Anhalt als 1. Sekretär der Kreisleitung Delitzsch eingesetzt. Der bisherige Funktionsinhaber Emil Sälzer wird zu den bewaffneten Organen delegiert. Am 23. Juni erläßt der Kreisblockausschuß der Nationalen Front einen Aufruf zur Großsuchaktion für die Bekämpfung der Kartoffelkäfergefahr. Durch den aufgetretenen Befall würde das Ziel, nach der Ernte die Lebensmittelrationierung, außer Fleisch und Fett, aufzuheben, gefährdet. Unterzeichner sind Herr Hörnke (SED), Herr Biedermann (LDP), Herr Nickisch (CDU), Herr Naumann (NDPD), Herr Hoffmann (DBD), Herr Bernhardt (FDGB) Frau König (DFD), Herr Gräfe (FDJ). Für die Zeit der Sommerferien werden im Kreis Delitzsch für 2.000 Kinder Örtliche Ferienspiele eingerichtet. Das Volksbildungsamt des Kreises ordnet die „Aussonderung verbotener und unerwünschter Literatur" an. Sämtliche Büchereien, Bibliotheken, Buchhandlungen werden aufgefordert, ihre Bestände gründlichst zu überprüfen.

1950 Juli
Ab 1. Juli tritt ein Beschluß des Landtages zur Veränderung von Kreisgrenzen in Kraft. Damit verliert der Kreis Delitzsch den westlichen Teil mit der Stadt Landsberg und den Gemeinden Bageritz, Dölbau, Gollma, Gütz, Klepzig, Kockwitz, Lohnsdorf, Naundorf bei Reideburg, Sietzsch, Wiedersdorf, Zwebendorf, Queis, Reußen und Reinsdorf an den Saalkreis. Döbem kommt zum Kreis Bitterfeld. Am 1. Juli führt die 1. Handballmannschaft der MAS Delitzsch ein Freundschaftsspiel gegen Eintracht Braunschweig durch. Bürgermeister Hampe gibt für die Sportler einen Empfang. Die Stadtverordneten beschließen am 4. Juli, daß der begonnene Bau eines Acht-Familien-Hauses an der Securiusstraße Nr. 40 a und 40 b bis Jahresende fertiggestellt wird. Der Wiederaufbau der durch das Hochwasser 1947 zerstörten Schiefen Brücke (Brücke über den Wallgraben in der Holzstraße) wird vorbereitet. Die Fertigstellung wird für 1951 vorgesehen. Aus Anlaß der 100-Jahr-Feier der Konsumgenossenschaft findet vom B. Juli bis 18. Juli auf den Schützenplatz ein großes Volksfest statt. Am 1. Juli wird der 100. Geburtstag der Kreditgenossenschaft gefeiert. Nach einer Feierstunde in der Ehrenberg-Oberschule wird die von Prof. Brumme aus Leipzig neu geschaffene Statue aus Muschelkalk von Dr. Hermann Schulze-Delitzsch am Marienplatz enthüllt. (Im 17. Weltkrieg wurde 1944 die Bronzefigur entfernt und wahrscheinlich eingeschmolzen. Bis 1950 stand auf dem Granitsockel eine Schale. Hermann Schulze gilt als Begründer des deutschen Genossenschaftswesens. Er trat für Genossenschaften als Selbsthilfeeinrichtung des Handwerks und Gewerbes ein. Ein wichtiger Schritt auf diesem Wege war die Gründung von Kreditgenossenschaften, die heute als Volksbanken weiterbestehen. Nach 1945 legte die Bank fir Handwerk und Gewerbe aus Anlaß des Geburtstages von Hermann Schulze Blumengebinde am Sockel des Denkmals nieder). Am 15. Juli findet in der Stadtkirche anläßlich des 200. Todestages von J. S. Bach eine Feier mit einem Orgelkonzert statt. Superintendent Wilhelm Fries wird in den Ruhestand versetzt. (Er wurde 1878 in Barmen/ Wupper geboren, 1910 war er Pfarrer in Lebusa, Stadt an der Oder. Von 1928 bis 1950 war er Superintendent in Delitzsch. Er starb 1952 in Delitzsch). Es findet die fünfte Preissenkung der HO statt. So kosten jetzt 500 g Margarine nur noch 7,50 DM. Die Betriebssportgemeinschaft des RAW wird in „BSG Lokomotive Delitzsch" umbenannt.

1950 August
Am 1. August werden die Gemeinden Kertitz, Gertitz und Werben eingemeindet. Damit verbunden gibt es folgende neue Straßennamen: In Kertitz: Im Winkel, Am Teich, Schenkenberger Weg, Eschenweg. In Gertitz: Am grünen Hain, Am Anger, Windmühlenweg, Schkeuditzer Straße. In Werben: Lauesche Straße, Ackerweg. Bis zur Kreisdelegiertenkonferenz der NF am B. August sind in Delitzsch 13 neue Aufklärungslokale eingerichtet worden. Die Konferenz dient zur Vorbereitung der Oktoberwahlen. Es wird dazu festgelegt, daß auf 100 Wähler eine Aufklärungsgruppe mit der Zielstellung gebildet wird, den Sieg der Liste der NF zu sichern. Am 24. August versammeln sich mehrere Tausend „Friedenskämpfer" auf dem Stalinplatz zu einer Großkundgebung. Dabei erfolgt die Übergabe der Unterschriftenlisten zum Verbot der Atomwaffen an die Vertreter des Landesfriedenskomitees. 93% der erwachsenen Bevölkerung haben sich unter der Losung: „Jeder Namenszug zum Stockholmappell ist eine Stimme gegen die Kriegstreiber" in die Listen eingetragen.

1950 September
Ab 1. September werden auf Beschluß des Ministerrates die Lebensmittelrationen bei Fleisch und Fett um je 450 g im Monat erhöht. Im RAW wird die Werkpolizei als Betriebsschutz eingeführt. Am 22. September erfolgt im Lindenhof die Vorstellung der 40 Kandidaten der NF für das Stadtparlament. Am 24. September wird die Liste der 50 Kandidaten für den Kreistag, darunter 15 Bürger aus Delitzsch, veröffentlicht.

1950 Oktober
Ab 1. Oktober können Einkellerungskartoffeln frei käuflich erworben werden. Arbeitsunfähige Bürger ab 60 Jahre können sich 10 % der UraltkontenBeträge in Höhe bis zu 100,00 M auszahlen lassen. Am 4. Oktober findet eine große Wahlkundgebung im Karl-Marx-Haus mit Herr Prof. Bernhard Koenen, 1. Landessekretar der SED, der für die Volkskammer kandidiert, statt. Am 6. Oktober spricht der Volkskammer-Kandidat, Herr Gerald Götting, Vorsitzender der CDU, vor den Wählern im Lindenhof. Die Wahlen finden am 15. Oktober statt. Viele Belegschaften haben vorher zu einer offenen Wahl aufgerufen und sich verpflichtet, bereits bis Mittag ihre Stimmen für die Kandidaten der NF abzugeben. Die Wahlbeteiligung im Kreis beträgt 99,2 %. In der Stadt werden 17.071 gültige und 10 ungültige Stimmen abgegeben. Gegenstimmen sind nicht zu verzeichnen. Dem neuen Stadtparlament gehören an: Neun Abgeordnete der SED, fünf je der LDP und CDU, drei der NDPD und zwei der DBD sowie 16 Abgeordnete aus den Massenorganisationen. Von letzteren sind 14 Mitglieder der SED, einer Mitglied der CDU, einer parteilos. Wegen der Einrichtung von Klassenräumen im Behördenhaus werden die dort befindlichen Ämter bis auf das Volkspolizeikreisamt ausgelagert. Das Finanzamt befindet sich ab 19. Oktober in der Fabrikstr. 2.

1950 November
Für die Wintermonate werden wieder Stromabschaltungen oder Stromsperrzeiten durchgeführt. Ab 1. November ist das Stadtgebiet westlich der Bahn von 7.00 bis 7.45 Uhr und von 18.30 bis 19.15 Uhr und östlich der Bahn von 7.45 bis 8.30 Uhr und von 18.30 bis 19.15 Uhr betroffen. In der konstituierenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung werden zum Stadtverordnetenvorsteher Ernst Nitsch (SED) und zum 1. Stellvertreter Jugendfreund Albin Beer (FDJ) gewählt. Dem Präsidium gehören an: Herr Nitsch (SED), Herr Pscheidl (LPD), Herr Schmieder (CDU), Herr Schäfer (NDPD), Herr Pratzsch (DBD), Herr Beer (FDJ), Frl. Gawlik (DFD), Herr Paschke (VVN/VdgB), Herr Stegemeyer (FDGB). Dem Rat der Stadt gehören an:

Bürgermeister:

Herr Richard Hampe

(SED)

z. Bürgermeister:

Herr Karl Böttcher

(LDP)

Stadträte:

besoldet

Herr Alfred Nickisch

(CDU)

 

nicht besoldet

Herr Franklin Schramm

(NDPD)

 

Frau Margarete Teichert

(SED)

 

Herr Rolf Höpping

(FDJ)

 

Frau Lina Neubauer

(DFD/KB)

 

Herr Hermann Gebhardt

(FDGB).

1950 Dezember
Mit Beginn des Monats ist der Umbau eines Teiles des ehemaligen Lehrerseminars in der Dübener Straße (ehemaliges Behördenhaus) abgeschlossen. Es wird dort die 2. Grundschule eingerichtet. Damit ist der Nachmittagsunterricht in Delitzsch nicht mehr notwendig. Auf Vorschlag des Kreisvorstandes des DFD sind Spätverkaufsstellen eingerichtet worden. In Delitzsch sind es die Geschäfte in der Eilenburger Straße 23 und für Textilien in der Breite Straße 32. Der Lebens-mittelverkauf findet Montag bis Freitag von 6.00 bis 22.00 Uhr und Sonnabend von 6.00 bis 20.00 Uhr statt, für den Textilverkauf gilt am Mittwoch und Freitag eine verlängerte Öffnungszeit von 18.00 bis 21.00 Uhr. Der Bürgermeister Hampe tritt aus gesundheitlichen Gründen zurück und wird am 22. Dezember ehrenvoll durch die Stadtverordneten verabschiedet. Neuer Bürgermeister wird Gen. Paul Heinze (SED) aus Eilenburg. Ebenfalls am 22. Dezember wird Gen. Petersdorff (SED) als neuer Landrat in sein Amt eingeführt.

1950 Zusammenfassung des Jahres
Die Konfrontation der beiden Gesellschaftssysteme nimmt in diesem Jahr bedrohliche Formen an. Sie kumuliert in den im Juni ausbrechenden Korea-Krieg und im Eingreifen von UNO-Streitkräften, die unter US-Oberbefehl stehen. Diese Eskalation hat auch seine Auswirkungen auf die Innenpolitik der beiden deutschen Staaten. Der ideologische Kampf verschärft sich. In der DDR gibt es vor allem Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Führungsanspruch der SED, die sie in einem „Bündnis aller deutschen Kräfte" in Form des „Demokratischen Blockes" durchsetzt. Das findet Widerspruch von andersdenkenden Persönlichkeiten, obwohl sich auch der Zentralvorstand der LDP und der politische Ausschuß der CDU auf zentraler Ebene zur Blockpolitik bekennen. Auf dem III. Parteitag der SED findet mit der Wahl von Walter Ulbricht, als Generalsekretär dieser Partei, der doktrinäre stalinistische Kurs mit dem „demokratischen Zentralismus" seine Umsetzung. Kritik an diesem Kurs wird mit Schauprozessen und Parteiausschlüssen unterdrückt. Diese Politik zeigt auch auf lokaler Ebene ihre Auswirkungen. In Delitzsch wird der „Kreisausschuß der Nationalen Front des Demokratischen Deutschlands" gebildet, dessen Vorsitzender Erich Sälzer (l. Sekretär der SED-Kreisleitung) und dessen Sekretär Walter Naumann (NDPD) ist. Die Verwirklichung der marxistischen Theorie von der Diktatur des Proletariats in Form der Blockpolitik unter Führung der SED findet den Widerspruch des Landtagsabgeordneten Hermann Scharf (LDP) und des Stellvertreters des Landrates, Wagner (LDP). Beide werden zum Rücktritt von ihren Funktionen mit Hilfe der Presse veranlaßt. Das politische Geschehen in Delitzsch wird in diesem Jahre im besonderen Maße von der Vorbereitung und Durchlührung der „Volkswahlen" geprägt. Die Kundgebungen und Demonstrationen finden in der Regel unter der Regie der „Nationalen Front" statt. Inhaltlich geht es um die Vorbereitung der Volkswahlen als vorrangiges Ereignis. Die Kandidaten werden von der Nationalen Front aufgestellt. Wahllisten der einzelnen Parteien gibt es nicht. Der Kreisblockausschuß der „Nationalen Front" beschließt bereits im März ein gemeinsames Programm, um Wahlkämpfe der Parteien zu vermeiden. Andere Themen von Veranstaltungen in der Stadt beziehen sich auf die zentralen Probleme der politischen Auseinandersetzungen, Schlagwort dazu sind: „Kampf gegen den USA-Imperialismus", „Kampf um den Frieden unter Führung der Sowjetunion". Der Kreis-Blockausschuß befindet auf Kreisebene und der Stadtblockausschuß der „Nationalen Front" auf Stadtebene über die Besetzung der Funktionen in den Verwaltungen und in den Parlamenten. Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln verbessert sich. Nach vor den Wahlen im September werden die Lebensmittelrationen bei Fleisch und Fett erhöht. Einkellerungskartoffeln können frei verkäuflich erworben werden, eine weiter Preissenkung der HO wird begrüßt. Große Probleme gibt es im Wohnungswesen, die „zur Katastrophe" anwachsen. An den Schulen wird im Herbst die Schulspeisung eingeführt. Alles in allem haben sich die materiellen Lebensverhältnisse in der Stadt verbessert. Die Wahlen scheinen durch die Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen eine wachsende Zustimmung zur Politik der Regierung widerzuspiegeln. Jedoch gibt das Wahlverhalten der Bevölkerung kein objektives Bild der Stimmungslage, da durch massive Agitation und provokative Wahlhandlungen im Sinne einer „offenen Stimmabgabe" das Wahlergebnis entscheidend beeinflußt wird.


1951

1951 Januar
Am 1. Januar erfolgt der Zusammenschluß der Stadtsparkasse Eilenburg mit der Kreis- und Stadtsparkasse Delitzsch. Damit besteht im Kreis Delitzsch nur noch eine Sparkasse, die durch einen Kreistagsbeschluß die Firmenbezeichnung „Kreissparkasse Delitzsch" erhält. Die Rationierung für Getreideprodukte und Hülsenfrüchte wird am 2. Januar aufgehoben. Preissenkung in den HO-Läden: 1 kg Brot kostet 0,48 bis 0,65 DM und Brötchen 0,06 DM. Auf Antrag der NDPD wird am 23. Januar der Teil der Leipziger Straße vom Stalinplatz (Markt) bis zum Bahnübergang der Strecke Halle - Delitzsch in Straße der „Deutsch-Sowjetischen Freundschaft" umbenannt. Im Blankstahlwerk Delitzsch läuft die Nagelproduktion an. Durch den Einsatz neuer Maschinen wird die Produktion um 100 % erhöht. Die Schneiderei Robert Kühn & Söhne in der Karl-Liebknecht- Str. 17a hat für die Anfertigung von Konfektionsartikeln nachfolgende Preise:

für eine Rundbundhose

11,25 DM

einen Herrenmantel

40,00 DM

einen Anzug

41,25 DM

einen Damenmantel

37,50 DM

ein Kostüm ebenfalls

37,50 DM

Diese Preise setzen voraus, daß Stoff., Nähgarn und Knöpfe vom Kunden zur Verflgung gestellt werden.

1951 Februar
Im Stadtteil Werben wird die Ackerstraße in die Flurstraße und in Delitzsch die Heinrich-Kaufmann-Straße in August-Fritzsche-Straße umbenannt. (August Fritzsche gehört zu den Begründem des deutschen Genossenschaftswesens. Der Buchbindermeister August Fritzsche war der erste Geschäftsführer, der am 2. Juli 1850 in Eilenburg gegründeten Lebensmittelassoziation, während Heinrich Kaufmann, geh. 23. November 1864, in Steinberg (Schleswig) führend war in den deutschen Konsumgenossenschaften der Hamburger Richtung, die 1894 als Großeinkaufsgenossenschaft gegründet wurde. H. Kaufmann war ursprünglich Lehrer und später als Schriftsteller tätig. Er starb am 2. Juli 1928 in Hamburg). Beginn der Schulspeisung in Delitzsch. In einem Rundschreiben des Rates des Kreises wird die Forderung erhoben, daß die Schulspeisung als Warmverpflegung ausgegeben werden soll. Die Delitzscher Kleinbahn, seit 1950 der Deutschen Reichsbahn gehörend, hatte Schwierigkeiten in der Bereitstellung von ausreichenden Personenwagen. Die Züge haben mehr Gepäck- und Güterwaggons statt Personenwagen. Das geschieht auf beiden Streckenabschnitten Delitzsch - Glesien - Rackwitz und Rackwitz - Krensitz. Durch den Einsatz von Güter- und Gepäckwaggons fehlte es in den Waggons an der Beleuchtung und Beheizung. Der Theologe Prof. Dr. Herz aus Leipzig, Mitglied des Weltfriedensrates, berichtet im Karl-Marx-Haus Ober die II. Weltfriedenskonferenz. Die Stadtverordnetenversammlung ruft die Stadt Lünen in Westfalen zum Briefwechsel mit dem Thema „Deutsche an einen Tisch" auf. „ Eine weitere Verordnung über die Versorgung der Bevölkerung mit Textilien und Schuhen wird erlassen. Die HO senkt Preise, und die Rationierung für verschiedene Textilien wird aufgehoben.

1951 März
Der Rat der Stadt wendet sich mehrfach an dje Bevölkerung zur Mithilfe bei der Bekämpfung von mutwilligen Zerstörungen, wie das Abknicken von neu gepflanzten Bäumen und das Zerstören von Gaslaternen. Auf dem Markt wird ein alter gußeisener Brunnen entfernt. Jeder Stadtverordnete verpflichtet sich, bis zum 1. Mai ein „Hausfriedenskomitee" zu bilden, um den Erfolg der Volksbeugung gegen Remilitarisierung und für einen Friedensvertrag noch im Jahre 1951 abzusichern. Der Kreis Delitzsch beteiligt sich an der Vorbereitung für die „Große europäische Arbeiterkonferenz". Es finden Massenversammlungen im RA W und im Schokoladenwerk statt. Zur Unterstützung dieser Konferenz werden Sonderleistungen und Geldspenden erbracht.

1951 April
Die Stadtverordneten protestieren gegen die Bombardierung der Insel Helgoland. Sie dient den britischen Bombenflugzeugen als Übungsziel. Das Kommunale Wirtschaftsunternehmen (KWU) wird aufgelöst. Der bisherige Sitz war in der Zuckerfabrik. Im RAW wird eine dänische Delegation der „Europäischen Arbeiterkonferenz" empfangen. Die „Freiheit", Presseorgan der SED, veröffentlicht in Vorbereitung auf den 1. Mai 73 „Losungen des ZK der SED". Am 11. April finden drei Großveranstaltungen der NF im „Karl-MarxHaus", in der „Parkgaststätte" und der RAW-Kantine zur Vorbereitung der Volksbefragung statt. Die Stadtverordneten verpflichten sich zur Unterstützung der drei Stadtbezirke der NF. Das sind DelitzschNord mit fünf Wohnbezirken, Süd mit sechs Wohnbezirken und Ost mit vier Wohnbezirken. Die Betriebssportgemeinschaft (BSG) „Traktor" wird am 28. April gegründet.

1951 Mai
Die diesjährige Maidemonstration steht unter der Losung „Erhaltung des Friedens". Durch den Gesetzgeber werden zwei neue Auszeichnungsformen eingeführt, die Ehrennadel „Aktivist" und eine Medaille „Für ausgezeichnete Leistungen". Am 8. Mai, dem „Tag der Befreiung", nehmen 6000 Delitzscher am Demonstrationsumzug teil. Die amtlichen Bekanntmachungen fier den Kreis Delitzsch erhalten mit der Nr. 20 am 18. Mai eine neue Aufmachung. Neben dem Kreiswappen erscheint das Symbol für den ersten Fünfjahrplan. Bürgermeister Heinze nennt als wichtigste Aufgabe in der Wohnungspolitik, die noch immer in Baracken wohnenden 28 Familien unterzubringen. Bis zum 31.08. soll ein angemessener Wohnraum zugewiesen werden. Oberpfarrer Dr. Luther spricht auf einer Massenkundgebung im KarlMarx-Haus zur Vorbreitung der Volksbefragung zum Thema „Kampf gegen die Remilitarisierung und die Wiederbelebung des Faschismus in Deutschland". Die Schokoladefabrik Böhme AG wird am 26. Mai mit einer Belegschaftsstärke von 226 Personen in Volkseigentum übernommen. Die Produktion hat sich von 1950 mit 1200 t im Jahre 1951 auf 1230 t schokoladehaltige Erzeugnisse erhöht. (1950 waren unter dem Druck der Machtausübenden drei Belegschaftsmitglieder als Vorstand berufen worden. Ende 1950 werden zwei der Vorstandsmitglieder wegen Unterschlagung von Zucker verhaftet. Die Böhme AG kam am 30.10. 1950 unter Treuhandschaft. Die Führung des Betriebes lag nun in den Händen des Herrn Günther Böhme, der bis zum 21.07.1951 den Betrieb leitet. Ab 1951 wird unter Führung von Herrn G. Böhme intern daran gearbeitet, das Werk in die Bundesrepublik, nach Hamburg, zu verlegen, um dort die Produktion weiterzuführen. Im Rahmen des Strafverfahrens gegen die zwei Vorstandsmitglieder wurde 1951 die Böhme AG entschädigungslos enteignet, in Volkseigentum überführt und als Mitteldeutsches Süßwarenwerk Delitzsch weitergeführt).

1951 Juni
Die Volksbefragung gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands und für den Abschluß eines Friedensvertrages ergibt im Kreis Delitzsch eine Beteiligung von 99,5 %, und mit „JA" stimmen 95,48 %. Die Bevölkerung wird zum Bekämpfung des Kartoffelkäfers verpflichtet. „Die überraschend schnelle Ausbreitung des Kartoffelkäfers in Deutschland kann zu einer völligen Vernichtung unserer Einte führen, wenn nicht rechtzeitig mit allen Mitteln dagegen vorgegangen wird." Am 12. Juni wird erstmalig der „Tag des Lehrers" begangen. 23 Lehrer werden in einer Festsitzung der Stadtverordneten geehrt. Hildegard Schiller, Lehrerin an der Diesterweg-Schule (in der Bitterfelder Straße) wird als „Verdiente Lehrerin des Volkes" ausgezeichnet. Der Haushaltsplan der Stadt wird mit Ein- und Ausgaben auf 2.183.520 Mark festgesetzt. Die Kohlenversorgung der Bevölkerung beträgt für einen Zweipersonenhaushalt 275 kg. Zur Lebensmittelzusatzkarte A/B werden noch zusätzlich 125 kg, zur C l - 75 kg und zur D l - 50 kg Briketts ausgegeben. Rohbraunkohle ist frei erhältlich.

1951 Juli
Der seit 1928 in Delitzsch amtierende Superintendent Wilhelm Fries geht in den Ruhestand. Am 24. Juni wird der seit 1946 in Tangermünde als Pfarrer tätige Hans-Joachim König als Nachfolger in das neue Amt eingeführt. Der Kirchenmusiker Nöbel übernimmt nach einem Probespiel die Nachfolge des Organisten Emil Sauerteig. Dieser hatte das Amt seit 1907 ausgeführt und es aus Altersgründen niedergelegt. Die Stadtverordneten beraten in einer öffentlichen Sitzung über die Förderung der Jugend. Am z. Bauabschnitt der Delitzscher Berufsschule in der Karl-Marx-Straße wird die Richtkrone gesetzt. Das RAW erringt die Wanderfahne im Wettbewerb. Die Planerfüllung beträgt 117,6 % und die Gesamtarbeitsproduktivität 196,72 %. Bereits 1948 wurde im hiesigen Wasserwerk mit dem Neubau einer Wasseraufbereitungsanlage begonnen. Dieses Jahr wird die Enteisenung mit einem Kostenaufwand von 45.000 DM gebaut. Von der Münze bis zur Ritterstraße wird ein neuer Abwasserkanal mit einem Aufwand von 42.000 DM gebaut. Am 25. Juli wird der erste Selbstbedienungsladen als HO-Lebensmittel in der Eilenburger Straße in Delitzsch eröffnet.

1951 August
Der Schulrat Seiler unterzeichnet den Aufruf zum Wettbewerb „Schafft schönere Schulen". Der Berufsschulinspizient der Kreisverwaltung ruft die Bürger auf, sich zur Ausbildung als Berufsschullehrer zu melden. Die „Amtlichen Bekanntmachungen" des Kreises Delitzsch werden mit der Nr. 35 vom 31. 08. 1951 eingestellt, die seit 1946 erschienen waren. Ihren Wegfall begründet der Landrat Petersdorf mit den Worten: „Nach der weitgehenden Aufhebung der Rationierung ist diese nicht mehr von Bedeutung." Trotz dieser Feststellung erfolgt nach wie vor die Versorgung der Bevölkerung mit Bezugskarten für bestimmte Bedarfsgüter. Im September sind Butter, Margarine, Schlachtfette, Fleisch, Zucker und Seife u.a. noch immer rationiert. Die Bekanntmachungen über den Kreis Delitzsch erscheinen ab September in der „Freiheit", dem Organ der SED für Sachsen-Anhalt. Die Leipziger Straße wird am 3. August in „Straße der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft" umbenannt. Am 25. August werden die im RAW gebauten Reisezugwagen für die Regierung der DDR übergeben.

1951 September
Es beginnt der Aufbau der 10-Klassenschule. Die erste Zentralschule ist die „Friedens-Oberschule" Delitzsch. Erste Schule mit Übergang zur 10-Klassenschule ist die „Schulze-Delitzsch-Oberschule" (heute die Diesterweg-Schule in der Schulstraße). Die erste Berufspädagogische Kreiskonferenz findet in Delitzsch statt. Acht Jungarbeiter des RAW folgen einem Aufruf zum Einsatz in den Uranbergbau.

1951 Oktober
In der Parteiaktivtagung der SED spricht Gen. Fred Oelßner, Mitglied des ZK der SED, über ideologische Fragen zur Einheit Deutschlands und zum Erhalt des Friedens. Am B. Oktober, dem zweiten Jahrestag der Gründung der DDR, beteiligen sich 3000 Bürger am Fackelumzug. Die Situation bei der Einbringung der Ernte ist prekär. Es gibt erhebliche Rückstände. Die Stadtverordneten rufen die Bevölkerung zu Ernteeinsätzen auf und nehmen selbst geschlossen am Ernteeinsatz teil. Das RAW baut Schweinehütten und schließt Mastverträge ab. In den Schulen finden die Elternbeiratswahlen statt. Zu Ehren des 7. November, des 34. Jahrestages der Oktoberrevolution in Rußland, leisten die Betriebe Sonderschichten und melden zahlreiche Verpflichtungen. 25. Oktober, die „Schiefe Brücke" über den Wallgraben zur Holzstraße ist neu gebaut und erhält den Namen „Brücke der III. Weltfestspiele."

1951 November
Es erfolgt eine Anordnung für die Stadt und den Kreis Delitzsch zur Rattenbekämpfung. Im RAW werden sowjetische Neuerermethoden angewandt, so die „Kowaljow- Nina Nasserowa-Methode" und andere. Allmonatlich erscheint die Bekanntmachung „Versorgung der Bevölkerung im Monat". Im Anzeigenteil werden Weisungen für die Belieferung der einzelnen Versorgungsgruppen mit Nahrungsmitteln angegeben. Das RAW Delitzsch wird zum dritten Mal Wettbewerbssieger im Republikmaßstab und erhält als Auszeichnung eine Wanderfahne. Die Kreisorganisation des „Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands" umfaßt 240 Mitglieder.

1951 Dezember
Es erfolgt eine Veröffentlichung neuer gesenkter HO-Preise:

 

 

Alt

Neu

Fleisch

500 g

8,50

6,40

Wurst

500 g

10,00

8,00

Butter

500 g

12,00

10,00

Käse

500 g

6,00

5,10

Margarine

500 g

7,00

6,25

Tee

10 g

1,55

0,80

Wodka

0,71

19,50

9,25

Weine

0,71

10,00

7,50

Bier

0,31

1,10

0,97

Damen-Strümpfe (Kunstseide)

7,25

5,50

Damen-Schuhe (Schweinsoberleder)

68,00

48,00

Radio, 7 Röhren, 8 Kreise

850,00

765,00

Fotoapparate Contax

3.000,00

2.000,00

Glühlampe

4,00

2,00

Noch immer treten Abschaltzeiten für Elektroenergie in Kraft, von 16.30 bis 18.30 Uhr und im Notfall von 6.10 bis 7.45 Uhr. Für die Ladengeschäfte sind nur Lampen von 25 bis 60 Watt zur Schaufensterbeleuchtung und für die Innenraumbeleuchtung von 60 bis 100 Watt erlaubt. Die „Parkstraße" wird in „Chronist-Lehmann-Weg" umbenannt. (Der Chronist Lehmann hat sich große Verdienste um die chromstische Erfassung und Darstellung der älteren Geschichte der Stadt Delitzsch erworben. Seine Forschungen und Aufzeichnungen ermöglichen ein umfassendes und fast lückenloses Bild der Entwicklung der Stadt Delitzsch von 1207 -1701. Auf den Ergebnissen seiner Untersuchungen haben viele Heimatforscher aufgebaut. Er studierte klassische Sprachen und lebte in einer bescheidenen Stellung im Hause der Familie Schulze. Schulze war Bürgermeister der Stadt Delitzsch und Vater des bekannten Dr. Hermann Schulze-Delitzsch. Lehmann lebte bis zum 72. Lebensjahr in der Familie und erarbeitete die Chronik. Er starb 1852. Auf dem Marienfriedhof befand sich sein Grab. Die Grabtafel enthielt den Namen und die Inschrift „Der Chronist dieser Stadt, durch Wissen und Humanität seinen Freunden unvergeßlich. "Das Lehmannsche Grab befind sich links neben dem Eingang von der Mariensnaße aus. An der Mauer war die Grabplatte befestigt. Die Mauer zur Marienstraße und die Gräber wurden 1960 entfernt bzw. eingeebnet.)

1951 Zusammenfassung des Jahres
In diesem Jahr wird damit begonnen, daß Volksbildungswesen zu verändern. Neben dem Staatsbürgerkunde Unterricht, in dem die Ideologie des Marxismus-Leninismus gelehrt wird, erfolgt die Förderung des naturwissenschaftlichen Unterrichtes und Anfänge einer berufsbezogenen Ausbildung. Die 10-Klassenschule wird eingeführt. Der Tag des Lehrers wird mit Auszeichnungen und Verleihungen gefeiert. Noch immer gibt es Schwierigkeiten in der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und Konsumgütern. Mehr und mehr werden HO-Läden eröffnet, diese bieten ausreichende Mengen an Nahrungsmitteln an, jedoch zu erhöhten Preisen. Damit wird versucht, das geringe Angebot auf Lebensmittelkarten auszugleichen. Hin und wieder gibt es auch da Preissenkungen. Für viele Arbeiter und Angestellte sind dennoch die hohen Preise in den HO-Läden oft unerschwinglich. Die Bruttostundenlöhne für Maurerbetragen 1,60 DM und für Schlosser 1,78 DM. Die Mehrheit der Arbeiter und Angestellten hat einen Monatsverdienst von 348,00 DM. Im Juni 1951 gibt das ZK der SED die Losung heraus: „Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen." Diese Losung bildet den Mittelpunkt in der Argumentation, denn es komme darauf an, den volkseigenen Sektor der Wirtschaft entscheidend weiterzuentwickeln. Den Schwerpunkt bildet dabei die Schwerindustrie. Die Leichtindustrie, insbesondere die Konsumindustrie, wird vernachlässigt. Neuerermethoden aus der Sowjetunion wurden eingeführt, und im November feiert man erstmals den „Tag der sowjetischen Neuerer". Oft befaßten sich die Neuerervorschläge mit Selbstverständlichkeiten im Produktionsablauf. Die im Juni 1951 durchgeführte Volksbefragung gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands und für den Abschluß eines Friedensvertrages war die nach außenhin politische Hauptaufgabe. Sie richtete sich gegen die durch die Montanunion verstärkte Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in das westliche Lager. Der Wettbewerb wird in den Betrieben mehr zur Leistungssteigerung genutzt. Es ist richtig erkannt worden, daß nicht nur die Planerfifllung, sondern auch die Arbeitsproduktivität die ausschlaggebenden Faktoren bilden. Von vornherein wurde aber die sortimentsgerechte Erfüllung der Pläne vernachlässigt.


1952

1952 Januar
Landrat Petersdorf teilt mit, daß mit dem Neuaufbau der Zuckerfabrik im Frühjahr 1952 begonnen wird. Durch die Aufhebung der Kartoffelrationierung kommt es zu Hamsterkäufen und somit zum mangelnden Angebot. Die Stadtverordneten bekennen sich in ihrer ersten Sitzung zu dem Bestreben, die Einheit Deutschlands im Jahre 1952 zu erreichen. Der Stadtverordnetenvorsteher ist HerrNitsch (SED) sein Stellvertreter Herr Beer (FDJ). Weitere Mitglieder des Präsidiums und Vertreter der Parteien Herr Renner (LDPD), Herr Schmieder (CDU), Herr Schafe (NDPD) und Frau Vetter (FDGB).

1952 Februar
Entsprechend zentraler Werbung für den Einsatz im Erzbergbau nimmt eine Brigade des RAW für ein Jahr eine solche Tätigkeit auf. Eröffnung der Volksbuchhandlung in der Eilenburger Str. 31 als Zweigstelle der Halleschen Sortimentsbuchhaltung „Das gute Buch". Auf Befehl Nr. 64 der SMAD vom 17. April 1948 war die Böhme AG enteignet worden. Erst am 12. Februar 1952 erfolgt die Löschung im Handelsregister. Das Schokoladenwerk trägt nun den Namen „VVB Süßwarenindustrie Werk Böhme Delitzsch".

1952 März
Nachdem am 11. Juli 1949 der erste Spatenstich zum Bau einer Berufsschule erfolgte, ist nun bereits der z. Bauabschnitt fertiggestellt und bezogen. Am 7. März, dem Gründungstag der FDJ, findet die offizielle Einweihung statt. Das Gelände der Berufsschule umfaßt 22.000 Quadratmeter. Beim Bau der Schule wurden durch Lehrer, Schüler und Angestellte über 20.000 freiwillige Aufbaustunden geleistet. Bis zum Neubau dieser Bildungseinrichtung wurde der Unterricht an sechs verschiedenen Stellen erteilt. Der Direktor der Schule ist Paul Kopke. Bauleiter ist der Bauingenieur und Berufsschullehrer Gerhard Müller, ein Mann mit außerordentlicher Initiative und Tatkraft. (Er war auch der Gestalter der Grünanlagen und des 1956 eingeweihten „Jugendstadions Friedrich-Ludwig-Jahn" sowie der Kleinsportanlagen. In Anerkennung seiner Verdienste erhielt der Weg von der Ludwig-Jahn-Straße zur Karl-Marx-Straße den Namen „Gerhard-Müller-Weg. (Am 14. November 1858 wurde unter Rektor Giesel, der zugleich Rektor der 1858 gebildeten „Höheren Bürgerschule" war, eine Fortbildungsschule gegründet, die damals 92 Lehrlinge und Gesellen freiwillig besuchten. Am 1. Juli 1920 wurde die Berufsschulpflicht für alle männlichen Jugendlichen unter 18 Jahren eingeführt, die Fortbildungsschule entwickelte sich zur Berufsschule). Neue Stadträte werden benannt. Herr Günther Fishmer (FDJ) und Herr Harry Müller (NDPD). Die Delitzscher Bevölkerung wird vom Dezementen für Landwirtschaft aufgerufen, Kartoffeln aus Einkellerungsbeständen als Pflanzgut zur Verfügung zu stellen, da infolge schlechter Ernten das Pflanzgut nicht ausreicht. Organisation von Gemeinschaftsbesuchen des Films "Das verurteilte Dorf" und Diskussionen darüber sind der Aufmacher in den Zeitungen.

1952 April
Das 1945 durch eine Bombe zerstörte Gebäude des Berliner Bahnhofs wird mit einem Neubau eröffnet. Damit verbunden ist die Eröffnung der Mitropa-Gaststätte. Dieser erhält den neuen Namen „Unterer Bahnhof`. Die „Freiheit" veröffentlicht 85 Losungen zum l. Mai, verbunden mit der Ankündigung eines Volksfestes vom 1. - 11.05.1952. Auf dem Stadtgraben (Wallgraben) werden wieder Enten und Höckerschwäne ausgesetzt. Für die Kontrolle der Grün- und Parkanlagen werden vier ehrenamtliche Parkwächter eingesetzt. Die 2. Grundschule in Delitzsch (Dübener Straße 20) soll gemäß Beschluß der Stadtverordneten in „Friedensschule" umbenannt werden. In der Schule werden auch Schüler aus den umliegenden Gemeinden unterrichtet. Die Rationierung von Strümpfen und Sacken aus Zellwolle und Kunstseide wird aufgehoben. Die HO senkt Preise fier Eier und Speisen in HO-Gaststätten. Am 29. April genehmigen die Stadtverordneten den Erzeugem von gärtnerischen und landwirtschaftlichen Produkten den Verkauf von Obst und Gemüse auf dem Roßplatz. Auch in der Stadt Delitzsch wirkt sich die allgemeine Fluchtbewegung nach der Bundesrepublik Deutschland aus. Eine offizielle kommunale Statistik ist darüber nicht vorhanden. Zur Obersiedlung in den westlichen Teil Deutschlands entschließen sich vor allem Freiberufler wie Rechtsanwälte, auch Ärzte, besonders jedoch private Unternehmer, die in der allgemeinen zentralistischen Entwicklung der Wirtschaft die Entfaltung ihres Tätigkeitsfeldes eingeschränkt sehen und als Privatunternehmer keine Zukunftserwartungen haben. So übersiedelt z. B. der Mitgesellschafter des mittelständischen Industriebetriebes der „OHG" Emst Freyberg, Chemische Fabrik Delitia, in Delitzsch Herr Dr. Werner Freyberg, nach Westdeutschland. (Sein Geschäftsanteil wird durch den Staat unter Treuhand gestellt und später in Volkseigentum überführt. Auf diesem Weg verschafft sich der Staat Einfluß auf die Privatunternehmen, im konkreten Falle verwandelt er Privatvermögen in Volkseigentum).

1952 Mai
Es wird mit dem Wiederaufbau der Zuckerfabrik begonnen. Der Vertreter des Staatssekretariats für Nahrungs- und Genußmittel betont, daß die Weißzuckerfabrik Delitzsch eine der modernsten Zuckerfabriken in Mitteleuropa sein wird mit einer Verarbeitung von täglich 2.000 Tonnen Zuckerrüben. (Die Zuckerfabrik wurde nach dem Ende des II. Weltkrieges demontiert, die Anlagen als Raparationsleistung in die Sowjetunion transportiert). Die intemationale „Radfemfahrt für den Frieden" Warschau - Berlin - Prag führt im Mai zum Gedenken an das Kriegsende 1945 erstmalig durch die DDR. Die „Friedensfahrer" durchfahren die Stadt Delitzsch. Fast die gesamte Bevölkerung ist auf den Beinen, um den Fahrern einen herzlichen Empfang zu bereiten. Wegen der Absenkung des Grundwasserspiegels aufgrund des Kohleabbaues im Bitterfelder Raum werden im Wasserwerk der Sammelbrunnen ausgebaut und eine Unterwasserpumpe und neue Rohrleitungen zum Maschinenhaus verlegt. Gleichzeitig ist eine neue Chlorierungsanlage im Wasserwerk errichtet worden.

1952 Juni
Am 17. Juni beschließen die Stadtverordneten die Anlegung eines Kinderspielplatzes an der Ecke August-Fritzsche-Straße/Poststraße. Gemäß Beschluß der Stadtverordnetenversammlung wird der nördliche Teil der Albert-Böhme-Straße (von der Jahnstraße bis zur Dübener Straße) in Dr. Wilhelm-Külz-Straße umbenannt. Die Kandidaten der SED geben die ersten Verpflichtungen ab, bei der Grenzpolizei ihren „Ehrendienst" zu leisten. Die l. Handballmannschaft der BSG Lokomotive erreicht den Aufstieg in die Bezirksklasse. Unter der Leitung von Günter Hennig erreicht die „Zentrale Kulturbrigade Delitzsch" (Kulturensemble „Junge Garde") einen hohen künstlerischen Stand. In Anerkennung ihrer Leistungen nimmt sie am IV. Parlament der Freien Deutschen Jugend in Leipzig teil.

1952 Juli
Aufruf der Stadtverwaltung zur Großkundgebung auf dem Stalinplatz (Markt). Es soll die Entschlossenheit zur Verteidigung der Heimat bekräftigt werden. Die Tageszeitung „Freiheit" berichtet über den Abend der Volksmusik mit verschiedenen Mandolinenorchestern vor etwa 600 Zuhörern im Karl-Marx-Haus. Das Delitzscher Mandolinenorchester leitet Gustav Exner. Das Schöffengericht verurteilt einen Großbauern und Angehörige der VEAB zu Gefängnisstrafen wegen Unregelmäßigkeiten bei der Kontrolle der Pflichtablieferungen und Erteilung von Schlachtgenehmigungen. Ein Ehepaar aus der Schulstraße wird zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt. Ihnen wird die Schädigung des Ansehens der Verwaltungsorgane (Wohnungsamt) vorgeworfen. Aufruf des DFD-Kreisvorstandes: „Helft uns, den Kampf gegen das RIAS-Hören mit aufzunehmen, verpflichtet Euch öffentlich und schriftlich dazu". (Der RIAS war ein Rundfunksender im amerikanischen Sektor von Westberlin, gesendet wurde von 1946 bis 1992). Im RAW wird mit einem Richtfest der Aufbau des neuen Kesselhauses gefeiert. Die Uhr am Halleschen Turm erhält eine neues Zifferblatt, das Dach des Turmes wird dabei mit instandgesetzt.

1952 August
Der Kreis Delitzsch gehört aufgrund des „Gesetzes zur weiteren Demokratisierung des Staatsapparates" und der damit verbundenen neuen Einteilung der Kreise entsprechend ihrer wirtschaftlichen Struktur nunmehr zum Bezirk Leipzig. Von den bisher 144 Gemeinden verbleiben im Kreis Delitzsch 50, neu gebildet wird der Kreis Eilenburg mit den im Osten des bisherigen Kreisgebietes gelegenen Gemeinden. Eilenburg wird Kreisstadt. Durch die territoriale Neugliederung entfällt für den Kreis Delitzsch die Zeitung „Freiheit". Nun erscheinen die amtlichen Veröffentlichungen in der „Leipziger Volkszeitung" (LVZ). Der neue Kreistag konstituiert sich, Vorsitzender des Rates des Kreises wird Rolf Kosky (SED). Zum neuen Schulrat wird Herr Georg Dittmer berufen. Unter seiner Leitung werden weitere Veränderungen im Schulwesen des neuen Kreisgebietes durchgeführt. Die mehrstufigen kleinen Dorfschulen verschwinden durch schrittweise Überführung der Schüler in die Zentralschulen größerer Gemeinden. Am 7. Oktober 1952 teilt der Vorsitzende des Rates des Kreises mit, daß im Kreis Delitzsch zwei Oberschulen, fünf vollausgebaute Schulen, neun Zentralschulen, vier wenig gegliederte Schulen, 34 Schulen für die Klassen 1 - 4 bestehen. Durch die Bildung der Zentralschulen in Glesien, Zschemitz, Radefeld, Rackwitz, Zschortau, Zwochau, Reibitz, Löbnitz und Wölkau erhalten alle Kinder die Möglichkeit, sich eine umfassende 10-Klassenbildung zu erwerben. Das wird als die Beseitigung eines alten Unrechtes gegenüber den Kindern der Dörfer aufgefaßt und in den Orten begrüßt. Am 31. August erringt die 1. Handballmannschaft der Betriebssportgemeinschaft „Traktor Delitzsch" bei der Il. Zentralen Spartakiade der Sportvereinigung Traktor erneut den Pokalsieg. Der Kreis Delitzsch wird von einer großen Kartolffelkäferplage heimgesucht. Schüler und andere Helfer werden eingesetzt, um die Käfer vom Kartoffelkraut abzulesen. Die Pioniere des Kreiskinderheimes in Schenkenberg sammeln in zwei Tagen 20.000 Kartoffelkäfer. Am 16. August erfolgt die Gründung der LPG „7. Oktober" in Schenkenberg.

1952 September
Der Neuaufbau der Zuckerfabrik und der Erweiterungsbau des Ziehwerkes gehen zügig voran. Die Stadtverordneten rufen die Bevölkerung zur tatkräftigen Mitarbeit auf. Als neuer Bürgermeister wird Herr Walter Lange (SED) gewählt. Der bisherige Bürgermeister Herr Paul Heinze wird 1. Sekretär der SEDKreisleitung Eilenburg. Der Haushaltsplan der Stadt wird in Einnahme und Ausgabe auf 1.570.400 DM festgesetzt. Gründungs-Generalversammlung der Konsumgenossenschaft für den Kreis Delitzsch. Aufgrund von Sabotagefällen in den Betrieben erfolgt ein Beschluß zu erhöhter Wachsamkeit. Folgende Vorkommnisse werden gemeldet: Im RAW werden Gepäcknetze zerschnitten, Manometer zerschlagen, in die Achsenlager Sand gestreut. Im LW Rackwitz erfolgt Zettelpropaganda mit dem Ziel der Zersetzung der Arbeitsmoral. Im Ziehwerk werden Flugblätter in deutscher und russischer Schrift mit Hetzparolen zwischen die Ladungen geschmuggelt. Im RAW wird die Grundorganisation der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) gegründet. Es wird der Beschluß gefaßt, in Delitzsch ein neues Schwimmbad zu bauen, das die Möglichkeit zu Wettkämpfen auf einer 50 m Bahn gewährleistet.

1952 Oktober
Beginn der Kartoffeleinkellerung. Zunächst erfolgt die Versorgung der gesamten Bevölkerung vorerst mit 125 kg pro Kopf. Die Bevölkerung wird aufgerufen, sich an der Kartoffelrodung zu beteiligen.

Stromsperren im Oktober:

17.30 bis 21.30 Uhr

stromunsichere Zeiten:

06.00 bis 09.00 Uhr

 

10.00 bis 14.00 Uhr

Auf dem Markt findet eine Kundgebung der „Nationalen Front" statt, es spricht Ottmar Geschke zum Thema: „Deutsche Verständigung für einen Friedensvertrag gegen den Generalkriegsvertrag". Der VEB Ziehwerk liegt in der Wettbewerbsgruppe der Kaltstahlwalzwerke und Ziehereien der DDR an der Spitze. Aus Anlaß des 100. Todestages des Turnvaters Friedrich Ludwig Jahn zeichnet der Kreisvorsitzende des Deutschen Tum- und Sportbundes (DTSB), Walter Luprich, die Sportsfreundinnen Erna Maschke, die Sportsfreundin Else Fischer sowie die Sportsfreunde Gerhard Lahn und Willi Hesse für ihre aktive Arbeit bei der Betreuung junger Sportler aus. Im Brunnenschutzgelände des Wasserwerkes werden auf einer Fläche von etwa fünf Hektar Bäume angepflanzt.

1952 November
In der Stadtverordnetenversammlung vom 31. November 1952 wird berichtet, daß folgende Bauleistungen und Instandsetzungsarbeiten erfüllt wurden: Die Friedrich-Engels-Straße ist ausgebessert, die Beleuchtung in der Adolf-Tauche-Siedlung ist verbessert. Die Brücke über den Lober am Moorbad ist gebaut. Das Kanalisationsnetz ist an einigen Stellen generalüberholt, auch die Reinigung des Kanalnetzes erfolgte. Die auf dem Marienfriedhof renovierte Bedürfnisanstalt ist wenige Wochen nach den Reparaturen demoliert worden. In der Stadtgärtnerei werden Schweinehütten aufgestellt. Die Schweine-Freihaltung ist als eine gesunde Tierhaltung von der Sowjetunion übernommen worden. Die Wehre des Lobers werden monatlich gereinigt.

1952 Dezember
Im Entwurf des Kreisplanes der SED im Nationalen Aufbauwerk ist vorgesehen, an der Tennisanlage ein Sportlerheim zu bauen. Wegen der Neueinteilung der Kreise trennen sich die Sparkassen Delitzsch-Eilenburg nach einem Jahr wieder. Die Sparkasse in Delitzsch heißt nun Kreissparkasse Delitzsch. Der seit dem 15. Oktober 1950 im Amt befindliche Stadtverordnetenvorsteher Herr Emst Nitsch wird verabschiedet. Er besucht für ein Jahr die Karl-Marx-Hochschule der SED in Berlin. Die katholische Kirche erhält eine neue Orgel. Sie wurde von der Fa. Eule in Bautzen hergestellt. Die Orgelweihe findet am 24. Dezember statt.

1952 Zusammenfassung des Jahres
Ende Juli werden die fünf Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Mecklenburg aufgelöst. Statt der Länder werden in der DDR 14 Bezirke gebildet. Mit der Bildung der Bezirke werden die letzten Reste von Föderalismus und Landestraditionen beseitigt. Der bisherige Kreis Delitzsch wird administrativ verkleinert. Aus Teilen des Altkreises Delitzsch wird der neue Kreis Eilenburg gebildet. Einige Orte um Landsberg im Westen des Kreises Delitzsch wechselten bereits am 1. Juli 1950 in den Saalkreis über. Der Kreis Delitzsch gehört nun zum neugebildeten Bezirk Leipzig. Die Bezirke bilden dabei das mittlere Verwaltungsorgan. Für Delitzsch kommt es damit zur Bildung eines veränderten Kreistages unter dem neuen Ratsvorsitzenden Herrn Rolf Kosky (SED). In der Umsetzung der Beschlüsse der 2. Parteikonferenz der SED wird mit der Kollektivierung der Landwirtschaft begonnen. Bis Ende des Jahres werden im Kreis Delitzsch 22 LPG gegründet. Oft nicht freiwillig und teils unter Druck der Kreisparteileitung der SED. Die Preise für Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände werden in der HO erneut gesenkt. Dennoch ist der Lebensstandard noch immer auf einem niedrigen Niveau. Im VVB Süßwarenindustriewerk beträgt der Durchschnittslohn im Monat etwa 225. DM. Die Baumaßnahmen zur Gewerblichen Berufsschule, am Unteren Bahnhof und im Wasserwerk werden zum Abschluß gebracht, während der Neuaufbau der Zuckerfabrik und der weitere Ausbau des Ziehwerkes zügig vorangehen. Es beginnt eine Kampagne, ausgehend von der führenden Partei der SED, gegen das Hören der sogenannten feindlichen Sender. Gemeint sind damit die Sender „RIAS" und „Sender Freies Berlin". Beide Sender haben ihren Sitz in Westberlin.


1953

1953 Januar
Die landwirtschaftliche Struktur des Kreises Delitzsch: Zur Zeit bestehen im Kreis Delitzsch 23 LPG mit 2.200 ha und 8 Gründungskomitees; Die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche wird von 2474 Bauern bewirtschaftet. Nach offiziellen Mitteilungen kommen eine Reihe von Großbauem ihren Ablieferungspflichten nicht nach. 17 Großbauem haben Steuerschulden von über 125.000 DM. Das Ablieferungssoll der landwirtschaftlichen Erzeugnisse ist zwischen LPG und Einzelbauer unterschiedlich hoch festgelegt. Die Einzelbauern haben ein wesentlich höheres Ablieferungssoll gegenüber den LPG. Dazu erhalten die Bauern als Mitglieder der LPG Futterzuteilungen zur individuellen Viehhaltung, und insgesamt haben die LPG eine geringere Steuerlast. In Delitzsch findet die Kreisdelegiertenkonferenz der LPG-Bauem statt. Einige LPG sind zum Typ III übergegangen. (Die LPG untergliedern sich in die Typen I, II und III. Das Ziel der Kollektivierung in der Landwirtschaft ist für alle LPG der Typ III.) - Typ I: Die Mitglieder bewirtschaften einzeln die Felder, Wiesen, Wald und Vieh. Der Grund und Boden bleibt Privatbesitz. Die Mitglieder stellen ihren eigenen Maschinenpark im Bedarfsfall der LPG gegen Bezahlung zur Verfügung. - Typ II: Die Maschinen und das Vieh werden in die LPG eingebracht. Der Wert der Maschinen und des Viehbestandes werden als Jahresanteil an die Mitglieder ausbezahlt. - Typ III: Komplexe gemeinsame Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen, der Ausrüstungen und Maschinen sowie zentrale Viehhaltung. Der Grund und Boden bleibt Privateigentum. Mitgliedern der LPG dieses Typus ist die individuelle Viehhaltung für den Eigenbedarf und Verkauf gestattet. Unabhängig vom Typ der LPG kann jedes Mitglied 0,5 ha Feld für den Eigenbedarf nutzen. Daneben bestanden weiter die VEG und kirchliche Landwirtschaftsbetriebe. Die Produktionsstätte für Plasterzeugnisse heißt ab diesem Monat VEB Plastex, Leipziger Straße 25 (Fa. Georgi). Das LW Rackwitz fährt zum Geburtstag des Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck, eine Höchstleistungsschicht. Der VEB Ziehwerk Delitzsch wird Sieger im Wettbewerb der metallurgischen Betriebe der DDR. Die Kulturbrigade „Junge Garde", ihr Leiter ist Günter Hennig, beschließt, sich zu einem Kulturensemble zu entwickeln. (Die „Junge Garde, eine Kulturbrigade der FDJ", besteht aus Jugendfreunden verschiedener Berufe, verwaltet sich selbst und hat ein beachtliches künstlerisches Niveau erreicht). Die Stadtverordneten beschließen am 20.01. die Fertigstellung der Grünanlagen am Oberen und Unteren Bahnhof, Ecke Karl-LiebknechtEisenbahnstraße und im Kreuzungsbereich der Holzstraße und Kohlstraße.

1953 Februar
Die Stadtverordneten beschäftigen sich erneut mit der Fertigstellung des 8-Familien-Wohnhauses in der Securiusstraße/Kosebruchweg. In diesem Jahr soll nun endlich der Bau übergeben werden. (Das Gebäude sollte in freiwilligen Arbeitseinsätzen errichtet werden. Verzögerungen ergaben sich vor allem deshalb, weil das im Kreis vorhandene Baumaterial vorrangig für das Neubauernprogramm benötigt wurde. Im Kreis Delitzsch wurden über 600 Neubauemgehöfte gebaut). Es findet die erste Kreisversammlung des Deutschen Roten Kreuzes der DDR im Kreis Delitzsch statt. In der Tagespresse wird gegen die noch bestehenden Großbauernwirtschaften vorgegangen. Die Großbauern zahlen zu geringe Löhne an die Landarbeiter, Großbauem gehören nicht in die LPG, so der Tenor der Presse.

1953 März
Die Sowjetunion gibt am 5. März den Tod von LW. Stalin bekannt. Auf dem Markt findet anläßlich des Todes von Stalin eine Trauerkundgebung statt. 7000 Bürger, vorwiegend Arbeiter aus den volkseigenen Betrieben und Angestellte werden während der Arbeitszeit zu dieser Trauerkundgebung befohlen. In der Freybergschen Villa am Wallgraben wird erneut die sowjetische Militär-Kommandantur eingerichtet. Alle Bauern der Gemeinde Brodau beschließen, Mitglieder der LPG zu werden. Brodau ist damit das erste voll-genossenschaftliche Dorf des Bezirkes Leipzig. Die LPG stellt aus diesem Anlaß 14 Schweine zusätzlich für die Volksemährung zur Verfügung. Das RAW Delitzsch schließt mit den LPG „Fortschritt" aus Kattersnaundorf und „Immer voran" aus Benndorf Freundschaftsverträge ab, die das Ziel haben, die LPG in ihrer Entwicklung besonders durch Übernahme von Reparaturen an landwirtschaftlichen Geräten zu unterstützen. Am 19. März findet auf dem Markt eine Protestkundgebung gegen die in Bonn erfolgte Ratifizierung des „Generalvertrages" statt. Der Sprecher ist der Vorsitzende des Kreisausschusses der NF Albin Schneider. In der Stadtverordnetenversammlung übernimmt der Schulleiter der Gewerblichen Berufsschule Günter Wolf die Verpflichtung, mit Lehrern und Schülern zur Fertigstellung des 8-Familien-Hauses in der Securiusstraße (Nr. 40a und b) freiwillige Arbeitsstunden zu leisten. Weiterhin verpflichten sich die Lehrer und Schüler der Betriebsberufsschule des HO/KONSUM, 10.000 freiwillige Aufbaustunden zu leisten.

1953 April
Am 10. April wird auch der südliche Teil der Albert-Böhme-Straße (Dübener Straße bis zu Eilenburger Straße) in Dr.-Wilhelm-Külz-Straße umbenannt. Im VEB Ziehwerk Delitzsch wird die Richtkrone über einer neuen Produktionshalle hochgezogen . Täglich berichtet die Presse von Normerhöhungen in den Produktionsbetrieben. Das RA W meldet „Weg mit den alten Noturen"und das LW Rackwitz erbringt hohe Steigerungsraten in der Produktion. Die Agitation gegen „Agenten und Volksfeinde" wird mehr und mehr zum Inhalt der Tagespresse. Die Schlagzeilen dazu lauten: „Wachsamkeit gegen Volks- und Parteifeinde", „Der Fachmann als Agent", "Großschieber mit gefälschten Lebensmittelkarten, rücksichtslose Gewinnsucht zum Schaden des Volkes". In der am 28. April durchgeführten Stadtverordnetenversammlung wird die mangelnde Bereitschaft bei freiwilligen Arbeitseinsätzen durch die Bevölkerung beklagt. Der Viehbestand im Kreis Delitzsch beträgt im 1. Quartal 1953: 453 Rinder und 1.178 Schweine. Am 15. April beschließen die Stadtverordneten, daß zwei Großbauem, Willy Boerl und Paul Krone aus Kertitz, wegen Nichterfüllung ihres Ablieferungssolles das Recht auf die Führung ihrer Betriebe verwirkt haben. Desweiteren haben sie binnen 48 Stunden die Wohnung zu räumen und die Stadt zu verlassen, was einer Enteignung gleichkam. Die beiden landwirtschaftlichen Betriebe übernimmt der Rat des Kreises bzw. die LPG in Schenkenberg zur weiteren Bewirtschaftung. Ebenso wird gegen den Großbauern Robert Becker aus Delitzsch in der Bitterfelder Straße 19 folgender Beschluß gefaßt: Gemäß Gesetzblatt Nr. 25 der DDR vom 19. 2. 1953 ist ihm die Fähigkeit der Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes mit sofortiger Wirkung abzusprechen und der Betrieb nach dem Gesetzblatt § 1 , Abs. 2, in die Hände des Rates des Kreises zu übergeben. Damit verbunden ist gleichzeitig, daß binnen einer Woche die Wohnung nebst den dort wohnenden Angehörigen zu räumen ist. Der Rat der Stadt, Abteilung Wohnungswesen, wird beauftragt, für eine anderweitige Unterbringung der Familie zu sorgen. Eine weitere Auswirkung war, daß der zuständige Stadtrat für Landwirtschaft mit sofortiger Wirkung von seiner Funktion zu beurlauben ist.

1953 Mai
Die Kreisseite in der LVZ „entlarvt die verkappten Agenten und Saboteure". Die „Junge Gemeinde" wird als Terrororganisation gebrandmarkt (Die Junge Gemeinde ist die Jugendgruppe innerhalb der ev. Kirche). Die Friedensfahrer fahren auf der Etappe von Leipzig nach Berlin durch die Stadt Delitzsch. Tausende Bürger der Stadt haben sich an den Straßen der Stadt eingefunden und jubeln vor allem „Täve" Schur und „Lotte" Meister zu, die sich in der Spitzengruppe befinden. Die Mannschaft der DDR besteht noch aus Gustav-Adolf Schur, Bernhard Trefflich, Lothar Meister und Paul Dinter. Das Mandolinenorchester Delitzsch, unter Leitung von Gustav Exner, stellt sich mit einem volkstümlichen Konzert vor. Das Orchester hat sich der Kreiskulturstätte angeschlossen und will beitragen, das „KarlMarx-Haus" zum Mittelpunkt des Kulturlebens in Stadt und Kreis zu machen. In der Stadtverordnetenversammlung wird festgelegt, daß durch die schlechte Erfüllung der Ablieferung tierischer Erzeugnisse (vor allem durch großbäuerliche Betriebe) eine Gefährdung der Versorgung der Bevölkerung eingetreten ist. Es werden Maßnahmen zur Verstärkung der Kontrolle getroffen. Im Kreis Delitzsch gibt es jetzt 37 LPG, die 25 % der gesamten Bodenfläche des Kreises bewirtschaften.

1953 Juni
Die Ereignisse des 17. Juni 1953 in der Stadt Delitzsch haben sich nach Erinnerungen von Zeitzeugen und Befragungen betroffener Bürger sowie Einsichtnahme in Dokumente wie folgt abgespielt: Erste Informationen Ober Unruhen und Streiks in den Chemiebetrieben Bitterfeld/Wolfen erreichen die Stadt Delitzsch in den Vormittagsstunden des 17. Juni. Nach dem Eintreffen der Schichtzüge aus dem Bitterfelder Chemierevier formiert sich am Nachmittag am Unteren Bahnhof eine Demonstration. Das erste Ziel der Demonstranten ist die SEDKreisleitung in der Eilenburger Straße 82, gegenüber des Bahnhofs. Transparente und Losungen, die am Gebäude angebracht sind, werden abgerissen. Ein Polizeioffizier wird tätlich angegriffen. Der Versuch des l. Sekretärs der SED Albin Schneider, zu den Demonstranten zu sprechen, geht in den Protestrufen unter. Nachdem einige Demonstranten den Versuch unternehmen, in das Gebäude der Kreisleitung einzudringen, vereiteln sowjetische Soldaten diese Absicht, indem sie einige MPI-Salven in die Luft abfeuern. Daraufhin verlassen die Demonstranten den Ort und marschieren zum Volkspolizeikreisamt (VPKA) in die Dübener Straße 20 (heute OskarReime-Gymnasium). Vor diesem Gebäude formiert sich der Demonstrationszug. Ein Teilnehmer bemächtigt sich eines Lautsprecherwagens der Polizei und nutzt ihn zur Verbreitung politischer Losungen gegen die Verhältnisse in der DDR Die vor dem Gebäude postierten Polizisten werden entwaffnet. Daraufhin werden aus dem oberen Stockwerk Gewehrschüsse abgegeben, zunächst in die Luft, und dann in die Menschenmenge. Zwei junge Männer, die auf der Straßenseite der Schokoladenfabrik stehen, werden getroffen. Der 19-jährige Gerhard Dubielzig aus Delitzsch ist sofort tot. Der 20 Jahre alte Joachim Bauer aus Brodau wird am Kopf getroffen und stirbt noch am selben Abend im hiesigen Krankenhaus. Verletzt werden ferner noch ein Minderjähriger und ein Mann, der nach seiner Genesung verhaftet wird. Nach diesen Vorfällen löst sich die Demonstration auf. Soldaten der sowjetischen Militärkommandantur rücken an und übemehmen die Bewachung der Kreisleitung der SED, des VPKA und der Militärkommandantur Am Wallgraben. In der Stadt patrollieren Militärstreifen mit schußbereiten Waffen. Als am Abend sowjetische Panzer eintreffen ist der Aufstand in Delitzsch bereits beendet. Die Militärkommandanturen verhängen den Ausnahmezustand und verbieten Ansammlungen von mehr als drei Personen. Weiterhin wird von 21.00 Uhr bis 5.00 Uhr eine Ausgangssperre verhängt. Gerhard Dubielzig war Schlosser im RAW. Dort herrscht über seinen Tod große Betroffenheit. Zunächst wird nicht gearbeitet. Durch eine Geldsammlung für die Hinterbliebenen beweisen die Arbeitskollegen ihre Anteilnahme. Das von den Arbeitskollegen im RAW und der Belegschaft des Schokoladenwerkes gesammelte Geld wird zunächst von den Behörden konfisziert, muß aber wegen der darauf erfolgten Proteste der Spender, den Familienangehörigen des Getöteten ausgehändigt werden. Sein Leichnam, der noch am 17. Juni nach Leipzig überführt wurde, wird, ohne daß die Angehörigen ihn noch einmal sehen konnten. Joachim Bauer war Maurer bei der Firma Zschemitz in der Beerendorfer Straße. Auch dessen Leichnam wird nach Leipzig überführt und beide schließlich auf Anweisung eingeäschert. An der Beisetzung der Urnen dürfen nur die engsten Familienangehörigen teilnehmen. Es beginnt eine Welle von Verhaftungen in der Stadt und im Kreis Delitzsch (die letzten Verhaftungen im Rahmen der Ereignisse des 17. Juni finden im März/ April 1954 statt). Neben den genannten zwei Todesopfern des 17. Juni im Gebiet des heutigen Kreis Delitzsch, finden Verhaftungen und Verurteilungen weiterer Personen vor dem Bezirksgericht in Leipzig statt. Bekannt sind neun Personen aus Delitzsch: drei Personen aus Zschortau; zwei Personen aus Döbernitz; eine Person aus Hayna; eine Person aus Krensitz; eine Person aus Brodenaundorf; eine Person aus Kyhna; eine Person aus Lissa; sieben Personen aus Bad Düben Insgesamt werden die genannten Personen mit 1029 Haftmonaten verurteilt. Der aus offizieller DDR-Betrachtung dargestellte Sachverhalt, daß es sich bei dem Aufstand um eine gelenkte Aktion faschistischer Provokateure, Unternehmer und Kapitalisten gehandelt hat, widerspricht die nachfolgende Statistik für das Kreisgebiet: Von den direkt betroffenen Toten, Verwundeten, Verhafteten und Angeklagten waren 22 Arbeiter, davon 14 Facharbeiter, zwei technisch/ kaufmännische Angestellte, ein Unternehmer, eine Person ohne Beruf und zwei Frauen. Drei minderjährige Jugendliche gingen aufgrund ihres Alters straffrei aus. In den Tagen nach dem 17. Juni erscheinen in der LVZ folgende Schlagzeilen:
Provokateure wurden geschlagen. Kein Platz für faschistische Provokateure, der 17. Juni muß für die Arbeiter eine Lehre sein. Bekanntgabe von Verordnungen des Ministerrates zur weiteren Verbessenmg der Versorgung mit Nahrungsgütem. Erleichterungen bei den Pflichtablieferungen der landwirtschaftlichen Betriebe. Erhöhung der Renten und Sozialfürsorgeunterstützungen. Fahrpreisermäßigungen bei der DR. Im Kreis Delitzsch erhalten einige Bauern ihren enteigneten Hof zurück. Unter dem Titel: „Urteilt selbst", es erscheinen Zeitungsartikel über die sogenannten Provokateure mit Fotos (diese Artikel provozieren bereits eine Vorverurteilung der verhafteten Bürger).

1953 Juli
Der Kreistag beschäftigt sich mit den Maßnahmen zur Verwirklichung des „Neuen Kurses". (Unter diesem Begriff sind Maßnahmen zu verstehen, die von der Regierung beschlossen wurden, tun die eingetretenen Disproportionen in der Wirtschaft auszugleichen. Bisher lag in der gesamten Wirtschaftsführung der Schwerpunkt in der Entwicklung der Schwerindustrie. Die Leichtindustrie wurde damit vernachlässigt, was zu einer Senkung des Lebensniveaus führte.) Zu den Verbesserungen gehören:
56 Wohnungen sollen noch 1953 gebaut werden.
Die Fleischkarten sind voll mit Fleisch zu beliefern.
Erhöhung der Mindestrente um 10 Mark monatlich.
Neuregelungen zur Vergütung für Ärzte.
Senkung des Ablieferungssolls für Gemüse.
Preissenkung für Fisch (Rollmops 100 g von 0,80 DM auf 0,50 DM
Verbilligte Kinokarten für Rentner und Schwerbeschädigte
Preissenkungen für Vergaserkraftstoff im freien Verkauf von 3, DM auf 1,80 DM.
Annahme von Anträgen für Reisen in die Bundesrepublik Deutschland.
Es erfolgt die Rückgabe von enteigneten Privatbetrieben. Im Kreis Delitzsch werden 15 Handwerksbetriebe neu eröffnet. Die beiden Delitzscher Gewerbetreibenden Fritz Geidel und Peter Hoyer werden am 15. Juli aus dem Untersuchungsgefängnis in Leipzig entlassen. Sie waren Anfang März verhaftet wurden, weil sie sich nach dem Tode Stalins in einer Gaststätte abfällig über ihn geäußert haben und die Wirtschaftspolitik der DDR kritisierten. Gemäß Beschluß des ZK der SED werden auch in Delitzsch die „Kampfgruppen der Arbeiterklasse" gegründet. Die Bildung der Kampfgruppen ist ein Ergebnis zu den Vorkommnissen am 17. Juni. Zu deren Gründung ergeht folgender Aufruf: „Bewußte Arbeiter und Werktätige aus den sozialistischen Betrieben, Verwaltungen, Institutionen und Schulen werden auf freiwilliger Grundlage Mitglieder von Kampfgruppen und unterziehen sich an den Wochenenden der Ausbildung, um in der Lage zu sein, den Aufbau des Sozialismus und die erreichten Errungenschaften, wenn notwendig, auch mit der Waffe zu verteidigen". Auf dem Stalinplatz (Markt) wird ein Bauernmarkt abgehalten. Das Angebot umfaßt Wurst, Butter, Milch, Käse, Quark und anderes. Die Preise liegen unter denen der HO. Das erste Reit-, Spring- und Fahrturnier findet in Delitzsch auf dem Sportplatz am Karl-Marx-Platz statt. Die Gewerbliche Berufsschule führt nach einem erfolgreichen Ausbildungsjahr eine Abschlußfeier durch, wo der Schulleiter Günter Wolf 45 Berufsschüler auszeichnen kann. Vier Jugendliche werden zum Studium an Hochschulen delegiert. Die Boxsportler der BSG Lokomotive Delitzsch Backofen, Peschütter und Moosbauer werden DDR-Meister der Sportvereinigung „Lokomotive". Der Sportsfreund Klose von der SV Traktor Delitzsch wird DDRMeister im 1000- und im 3000 m-Lauf der Jugend. Das Kreisgericht zieht aus dem Schloß aus. im Dachgeschoß findet das Museum erweiterte Räumlichkeiten. Neuer Leiter wird ehrenamtlich Herr Bienroth, der am 1. August sein Amt antritt. Erst jetzt, zum 31. Juli, darf die Todesanzeige zum Tode G. Dubielzig in der LVZ erscheinen.

1953 August
Am 6. August erscheint in der LVZ die Todesanzeige zum Tode von J. Bauer. Die Strombereitstellung ist im Kreis Delitzsch unzureichend. Das erfordert eine Verlegung der Druschzeiten für Getreide auf das Wochenende. Die Stadtverordneten beraten erneut die Situation in der Stadt aufgrund der „Verschärfung der Klassenkampfes" und des „Neuen Kurses". Themen der Beratung sind vor allem:
Sicherung der Lebensmittelversorgung,
Fürsorgeunterstützung für Hilfsbedürftige,
Wohnraumfragen,
Feriengestaltung für Kinder,
Interzonenverkehr.
Der Haushaltsplan der Stadt Delitzsch beläuft sich in Einnahmen und Ausgaben auf 1.494.750 DM. Die Stadt erhebt folgende Steuern:
Grundsteuer,
Kraftfahrzeugsteuer,
Vergnügungssteuer,
Kinosteuer,
Hundesteuer,
Erhebung von Gemeindesteuern nach bestehenden Vorschriften.
Am 18. August werden durch die Stadtverordneten neue Stadträte bestätigt. Für den zurückgetretenen Stadtrat für Landwirtschaft Nickisch wird Armin Johannemann (CDU) eingesetzt. Im Dezemat Gesundheit, Soziales und Wohnungswesen löst Günter Haunstein (NDPD) Harry Müller ab. Die erste Handballmannschaft der BSG Traktor Delitzsch wird Sieger im Pokalwettbewerb der Sportvereinigungen Traktor im Bezirk Leipzig. Karin Ballhom, BSG Traktor Delitzsch, wird DDR-Jugendmeisterin im Tennis.

1953 September
Der Ministerrat der DDR zeichnet das RA W Delitzsch mit dem Ehrentitel „Siegerbetrieb im Wettbewerb der DDR" aus. Dieses Werk wird damit als erstes Reichsbahnausbesserungswerk der DDR mit der Wanderfahne ausgezeichnet. Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung: Der Marienfriedhof wird in Marienpark umbenannt. Dem Vorschlag der Gewerblichen Berufsschule zum Bau eines Sportplatzes an der Karl-Marx-Straße wird zugestimmt. Der Rat der Stadt veranlaßt durch den Austausch von Geländestücken, daß das Ackergelinde ostwärts des Schulgebäudes für den Bau der Sporteinrichtung zur Verfügung steht. Hinter dem RAW-Sportplatz ist der Bau eines Schwimmstadions geplant. Auch hier soll das Gelände durch Austausch bereitgestellt werden (diese Vorhaben wurde nicht ausgeführt). Der Stadtverwaltung liegen 805 Anträge auf Wohnungszuweisung vor, davon 327 mit dem Vermerk „dringlich". Der Vorsitzende der Ständigen Kommission Volksbildung des Kreistages Karl Plath, befürwortet die Umwandlung in ein Kreismuseum, welches weiterhin im Schloßgebäude untergebracht ist. Die Gestaltung sollte nach folgenden Gesichtspunkten erfolgen: Kulturgeschichte mit heimatlichem Charakter und Gegenstände der Volkskunde, Heimat- und Siedlungsforschung, Gerätschaftten und Leistungen des Handwerks, Mobiliar und Einrichtungsgegenstände, Leben und Werk Ehrenbergs und Schulze-Delitzsch, kirchliche Altertümer und künstlerisches Schaffen aus der Gotik und Renaissance. Zur Sicherung der Trinkwasserversorgung ist eine Probebohrung auf dem Südteil des Wasserwerkes bis zu einer Tiefe von 107 Metern niedergebracht worden. Damit können im zweiten Grundwasserhorizont für die kommenden Jahre Tiefbrunnen errichtet werden. Die Wasserförderung stieg von 524.375m³ im Jahre 1938 auf 1.041.020m' im Jahre 1953.

1953 Oktober
Im RAW wird der Verbesserungsvorschlag des Ing. A. Schüler und dem Kollektiv Lüddicke realisiert. Bei dem Vorschlag handelt es sich um die Einführung von Leuchtstoffröhren in die Reisezugwagen unter Beibehaltung der Nutzung der in den Wagen befindlichen Lichtmaschinen und Batterien. Die Bedeutung dieses Vorschlages wird dadurch unterstrichen, daß die Neuerung im internationalen Maßstab angewendet werden soll. Der Ing. A. Schüler erhält die Auszeichnung „Verdienter Aktivist". Der Vorsitzende des Rates des Kreises, Rolf Kosky, gibt einen Oberblick über das in den vier Jahren des Bestehens der DDR Erreichte. So wurden erreicht:
600 Neubauernstellen sind neu gebaut, Wert 4,6 Millionen.
Die MTS Döbemitz besitzt heute 56 Traktoren, zu ihrer Gründung waren es neun.
120 Wohnungen wurden im Kreis gebaut, 1953 werden weitere 34 fertiggestellt.
Bau der Gewerblichen Berufsschule in Delitzsch.
Im Ziehwerk erfolgte der Bau einer Produktionshalle mit einer Länge von 120 Metern, sowie der Bau einer besonderen Lagerhalle. Die Produktionssteigerung von 1949 zu 1953 betragt 600 %. Das RAW hat für den gleichen Zeitraum eine Produktionssteigerung von 230,9 %. Das Schulwesen hatte im Kreis 1945 56 einklassige, 27 mehrklassige Schulen und fünf voll ausgebaute Schulen in Delitzsch. 1949 acht einklassige, 42 mehrklassige Schulen und neun voll ausgebaute Schulen. 1953 zwei PolytechnischeOberschulen, fünf voll ausgebaute Schulen, neun Zentralschulen, vier wenig gegliederte Schulen und 34 Schulen für die Klassen eins bis vier. Für die gesundheitliche Betreuung stehen das Krankenhaus mit 194 Betten und sechs Säuglingsbetten zur Verfügung. Gleichzeitig erfolgt die Erweiterung der Kreispoliklinik auf zwei Häuser und zwei Außenstellen, sowie die Errichung einer Hauptberatungsstelle zur Bekämpfung der Tuberkulose. Die Renovierung des Krankenhausgebäudes in der Jahnstraße ist abgeschlossen. Harry Martini wird bei der Bestenermittlung der Boxer der SV Lokomotive DDR-Meister in Güstrow. Durch eine umfangreiche Preissenkung bis zu 20 % verbessert sich die Lebenslage der Bevölkerung. Etwa 12.000 Warenartikel werden verbilligt. Die Volkshochschule in Delitzsch hat sechs Außenstellen im Kreisgebiet und vier Außenstellen in den Betrieben RAW, Ziehwerk, LW Rackwitz und in der Zuckerfabrik. Die Volksbücherei Delitzsch hat in 64 Dörfern Ausleihstationen und 13 Betriebsleihbüchereien.

1953 November
Die erste Handballmannschaft der BSG Traktor (DDR-Liga) wird ungeschlagen Herbstmeister und schafft sich damit eine gute Ausgangsposition für den Aufstieg in die höchste Spielklasse der Oberliga. (Der Mannschaft gehören an: Schmidt, Schirmer, Huth, Göricke, Rosenkranz, Klotz, Ley, Riedel, Geithe, Schaberg, Lückert und Rülicke).

1953 Dezember
Für die Stadträtin Lina Neubauer übernimmt Eleonore Wiersig als Stadträtin das Dezernat Volksbildung. Die Stadtverordneten beschließen 1955 den Bau eines Kindergartens im Schloßgebäude. Das Grundstück Schloßstraße 28 (heute 2. Verwaltungsgebäude der Stadtverwaltung) muß dafür beraumt werden. Aus den dort befindlichen Wohnungen sind 46 Personen mit neuem Wohnraum zu versorgen.

1953 Zusammenfassung des Jahres
In den Dörfern ist die Umgestaltung der Landwirtschaft im vollen Gange. Zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land schließt das RA W mit mehreren LPG Verträge zur Reparatur und Instandhaltung des Maschinenparkes ab. Die Kollektivierung der Landwirtschaft wird mit dem Ziel forciert, möglichst alle Bauern als Mitglieder der Genossenschaften zu gewinnen. Unmittelbar nach dem Tode Stalins wird auch in Delitzsch wieder eine sowjetische Militärkommandantur eingerichtet. In der Tagespresse erscheinen ständig Meldungen über Produktionserfolge durch Steigerung der Arbeitsproduktivität, bei gleichen Löhnen. In den Betrieben wird zur Wachsamkeit gegenüber Agenten und Volksfeinden aufgefordert. Gleichzeitig nehmen die Repressalien gegen privatgeführte Landwirtschaftsbetriebe zu. Es erfolgt die Enteignung von drei dieser Betriebe im Stadtgebiet von Delitzsch. Handwerkern wird der Entzug von Lebensmittelkarten angedroht. Der 17. Juni mit seinen Ereignissen fordert auch Opfer in der Stadt Delitzsch. Zwei tödliche Verletzte und zahlreiche Verhaftungen sind die Folge. Der umnittelbar vor dem 17. Juni eingeleitete „Neue Kurs" der Regierung zur Verbesserung der Lebenslage der Bevölkerung steht im Mittelpunkt der Arbeit der Stadtverordnetenvertretung in der Stadt. Besonderes Augenmerk erhält dabei der Wohnungsbau. Eine beachtliche Entwicklung nimmt in diesem Jahr der Sport. Die Boxsportler der BSG Lokomotive erringen DDR-Meistertitel. Die BSG Traktor Delitzsch, mit ihrer ungeschlagenen Handballmannschaft, schafft für die kommende Saison den Aufstieg in die Oberliga. Die Umgestaltung des Bildungswesens für die gemeinbildenden Schulen im Kreis Delitzsch ist erfolgreich abgeschlossen.


1954

1954 Januar
Im Aussprachelokal der NF können kostenlos Fernsehsendungen angesehen werden. Dazu stehen im Kreis Delitzsch fünf Fernsehapparate zur Verfügung.

1954 Februar
100 Mitarbeiter des RAW gründen eine Betriebswohnungsbaugenossenschaft, um dazu beizutragen, die Mitarbeiter des RAW mit ausreichendem, bequemen und zweckentsprechendem Wohnraum zu versorgen. Albin Schneider wird zur Kreisdelegiertenkonferenz der SED erneut zum 1. Sekretär gewählt. Der Stadtverordnetenversammlung gehörten z. Z. 36 Stadtverordnete an. Es erfolgt die Neuwahl des Präsidiums: Ab dem 7. Februar wird der Omnibusverkehr zwischen Delitzsch und Löbnitz aufgenommen.

Vorsteher

Herr Beer

(FDJ)

Mitglieder

Herr Edler

(SED)

 

Herr Renner

(LDP)

 

Herr Erler

(NDPD)

 

Frau Mayer

(DFD)

 

Herr Gruber

(CDU)

Als Bürgermeister wird Herr Lange und als Stadträte werden die Herren Gebhardt, Wirsig, Hainstein, Schlegel und Herr Johannemann gewählt, der am 20.11. von Herrn Stempelwitz abgelöst wird. Das RAW stellt Massenbedarfsartikel her, z B. Ofenrohre, Putzschränkchen, Kinderbetten, Waschhocker, Kohleschaufeln usw. Das LW Rackwitz produziert ebenfalls Massenbedarfsartikel für den Haushalt. (Die Produktion von Massenbedarfsartikeln ist notwendig, um das mangelnde Angebot in den Geschäften auszugleichen. Daß dabei Betriebe des öfteren spezifische Produkte, die nicht zum Produktionsprozeß passen, fertigen müssen, bleibt unberücksichtigt). Bei einem Meeting erheben die Werktätigen des RAW folgende Forderungen an die in Berlin tagende Außenministerkonferenz der UdSSR, USA, Großbritanniens, Frankreichs:
Volksabstimmung zu der Frage, ob das deutsche Volk einen Friedensvertrag oder die Verträge von Bonn und Paris will.
Zustimmung zur Bildung einer gesamtdeutschen provisorischen Regierung,
Durchführung wirklich freier, demokratischer Wahlen,
Abzug aller Besatzungstruppen aus ganz Deutschland vor der Bildung der gesamtdeutschen provisorischen Regierung.
Tausende Delitzscher protestieren bei einer Demonstration gegen die Ablehnung der Vorschläge der SU zum Abschluß eines Friedensvertrages mit ganz Deutschland und zur Herstellung der Einheit Deutschlands sowie gegen die Pläne der USA in der Bundesrepublik eine 50jährige Besatzung aufrecht zu erhalten. Am Stalinplatz 1 (Markt) eröffnet der Optiker Epperlein aus Radefeld sein Geschäft. Alle privaten Einzelhändler und Gastwirte müssen monatlich an den Rat des Kreises über den Verkauf folgender Waren berichten: Tabakwaren, Spirituosen, Textilien, Motor- und Fahrräder, Fotoapparate und Eimer.

1954 März
Als Stadtrat für das Dezemat Wirtschaft wird Herr Schlegel (SED) gewählt. Die Stadtverordneten diskutieren, die Eisenbahnstraße in Richtung RAW zu verlängern. Es wird beschlossen, zunächst einen Fuß- und Radweg als Erleichterung für die RAW-Arbeiter anlegen zu lassen. . Der Kreistag ruft die Bevölkerung auf, alle nicht benötigten Kartoffeln zur Sicherung des Bedarfs an Pflanzkartoffeln zur Verfügung zu stellen. Erneut findet ein Bauermnarkt auf dem Stalinplatz statt. Verkauft werden 20 kg Butter, 3000 Eier, 40001 Milch, 450 kg Quark und die Fleischmenge von zwei Schweinen. Einige Einwohner werden vom Wohnungswesen aufgefordert, größeren Wohnraum gegen kleineren zu tauschen. 57 m' für zwei Personen werden als zu groß angesehen. Für TBC-Kranke werden Sonder- und Zusatzlebensmittelkarten ausgegeben. An die Besucher und Käufer des Bauernmarktes ergeht die Bitte, die Verkaufsstände nicht so wie bisher zu bedrängen. Ein Artikel in der LVZ des Leiters der Abteilung „Erfassung und Aufkauf“ weist auf die Schwierigkeiten bei der Versorgung der Bevölkerung mit Einkellerungskartoffeln hin und mahnt säumige Ablieferer.

1954 April
Im März werden sechs Bürger aus dem Kreis Delitzsch und der Stadt Delitzsch wegen ihrer Teilnahme am Volksaufstand am 17. Juni 1953 verhaftet. Am 4. Juni 1954 werden sie insgesamt zu 20 Jahren Zuchthaus und jeweils zu fünf Jahren Sühnemaßnahmen gemäß der Kontrollratsdirektive Nr. 38 Artikel IX verurteilt. (Der Artikel sagt u. a. aus: Verhaftung und Bestrafung von Kriegsverbrechern, Nationalsozialisten und Militaristen, Kontrolle und Überwachung von möglicherweise gefährlichen Deutschen. Die Sühnemaßnahmen nach den Artikeln VIII - XI beinhalten Strafen, Vermögenseinziehungen, Ausschluß aus öffentlichen Ämtern, Verlust des aktiven und passiven Wahlrechts, Berufsverbote, Aufenthaltsbeschränkungen u. a.). Delegierte zum IV. Parteitag der SED sind u. a. Albin Schneider, 1. Sekretär der Kreisleitung der SED und Paul Scheibe, Genossenschaftsbauer in der LPG Badrina. Im RAW werden ab sofort Diät- und Wahlessen für die Werktätigen verabreicht. Die Sportfreunde Backofen und Schimski werden DDR-Beste der SV Lokomotive im Boxen. Es wird der Delitzscher Männerchor gegründet. Auf einer Großkundgebung mit Tausenden Werktätigen berichtet Albin Schneider über die Ergebnisse des IV. Parteitages der SED. Der Kreis Delitzsch wurde bester Kreis des Bezirkes Leipzig im Wettbewerb aller LPG. Auf dem neuen Sozialgebäude des VEB Ziehwerk wird die Richtkrone aufgezogen. Das Sozialgebäude enthält einen großen Kultursaal, Lesezimmer, Sitzungszimmer, technisches Kabinett und einen kleinen Kulturraum.

1954 Mai
Über 10.000 Delitzscher (laut LVZ) bekennen sich bei der Maidemonstration für Frieden, Einheit, Demokratie und Sozialismus und lehnen die EVG (Europäische Verteidigungsgmeinschaft - und die NATO) ab. Mit dem Sieg im letzten Punktspiel in der Feldhandball-Liga der DDR gegen Dynamo-Ost Leipzig (11 :9) erreicht die 1. Mannschaft der BSG Traktor Delitzsch erstmalig in der Geschichte des Delitzscher Handballsportes den Aufstieg in die Oberliga, der höchsten Spielklasse der DDR Immer noch Stromkontingentierung. Abends sind pro Haushalt zwei Stunden lang nur 100 Watt zugelassen. Raumheizung mit Elektroenergie ist nur nachts von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr erlaubt.

1954 Juni
Am 1. Juni wird der Tag des Kindes mit Sport und Spiel begangen. Am Abend treffen sich die Kinder zu einem Fackelumzug. Auch für den Kindertag wird eine Losung veröffentlicht: Der Internationale Kindertag ist eine „Kampftag" für alle Kinder. Das Elberitzbad eröffnet die Badesaison. Der Kreistag wendet sich auf Vorschlag der SED-Kreisleitung an die Abgeordneten des Kreises Bingen und schlägt vor, sich gleichfalls für das Verbot von Atom-und anderen Massenvernichtungswaffen einzusetzen. Es ist vorgesehen, Delegationen auszutauschen. Ferner ruft der Kreistag dazu auf, die vom 27. - 29. 6. 1954 stattfindende Volksbefragung zu einem eindeutigen Bekenntnis aller Bürger für einen Friedensvertrag und den Abzug der Besatzungstruppen zu machen. Die 1. Handballoberligamannschaft der BSG Traktor fährt gegen den Karlsruher Sportclub Mühlburg „Phönix" ein Freundschaftsspiel vor 2.000 Zuschauern durch. Das ist ein Beitrag zum Gespräch zwischen den Sportlern beider deutscher Staaten. (Diese Begegnungen der Sportler sind von der SED-Führung vorbereitet und gewollt, sie dienen der politischen Propaganda). 1954 gibt es eine Vielzahl von Sportvergleichen mit westdeutschen Mannschaften, die alle dem Ziel dienen sollen, durch den Sportverkehr einen Beitrag zur Herstellung der Einheit Deutschlands zu leisten, z. B. 13.6. Fußball Lok Delitzsch : 1893 Niederkaufungen (3:3), 27.5. Fußball Traktor: VfB Bielefeld 03 (2:2). Wieder erfolgt eine Preissenkung für Lebensmittel und Industriewaren. Die Preise für Schuhe, Zigarren, Dauerbackwaren, Fischkonserven und Schlachtfette werden gesenkt. In der Eilenburger Chaussee erhalten vier Familien die Wohnungsschlüssel für die bezugsfertigen Wohnungen aus dem Wohnungsbauprogramm des VEB Ziehwerk. Vom 17. bis 20. Juni findet im Karl-Marx-Haus eine Kreis-Leistungsschau der Industrie, des Handwerks und des Handels statt. Diese Ausstellung findet großen Anklang bei der Bevölkerung. Gezeigt werden u. a. Erzeugnisse der Chemischen Fabrik Freiyberg zur Bekämpfung von Ungeziefer, Schmuck aus dem VEB LW Rackwitz, Schokoladenerzeugnisse des VEB Mitteldeutsches Süßwarenwerk mit Kostproben, alle Biersorten des VEB Brauerei-Krostitz, Qualitätszigarren der Fa. Krombholz, Hausschuhe der Fa. Steinfurth aus Zschortau sowie Erzeugnisse der Handwerksbetriebe. Klempnermeister Heinrich stellt eine komplette Badeeinrichtung aus, die Handwerksgenossenschaft „Holz" ein formschönes Eßzimmer. Die Damenschneiderinnen veranstalten gemeinsam mit den Kürschnermeistem für Pelzbekleidung und den Putzmachern eine Modenschau. Erzeugnisse des Lebensmittelhandwerks runden das Bild ab. Die Volksbefragung für einen Friedensvertrag und den Abzug der Besatzungstruppen oder für einen EVG-Generalvertrag unter Belassung der Besatzungstruppen auf 50 Jahre, erzielt das erwartungsgemäß überwältigende Bekenntnis der Bürger für einen Friedensvertrag und Truppenabzug. Durch die übliche massive agitatorische Beeinflussung geben viele Arbeitsbrigaden bereits vormittags geschlossen ihre Stimmen offen ab. Die Wahlkabinen werden von den Bürgern kaum genutzt. Sie stehen meist in den entlegensten Ecken der Wahllokale.

1954 Juli
Vom Rat des Kreises wird angeordnet, daß die Geschäfte an Sonnabenden von 8.00 bis 16.00 Uhr geöffnet sein müssen. Lebensmittelgeschäfte sollen auch sonntags von 8.00 bis 10.00 Uhr öffnen und Möbelverkaufseinrichtungen ebenfalls Sonntags von 14.00 bis 18.00 Uhr. Die Bezirkshygiene-Inspektion ordnet an, daß Wasser nur im abgekochten Zustand verwendet werden soll. Der Verkauf von Rohfleischprodukten, wie Hackepeter, hat zu unterbleiben, da die notwendigen Kühleinrichtungen zum Lagern im Geschäft fehlen. Das Volksmusik-Sechstett des RAW Delitzsch wird im Zentralen Ausscheid der Instrumentalsolisten (Volksmusik) in Karl-Marx-Stadt zweiter Republiksieger. Die Volksmusikgruppe steht unter der Leitung von Werner Brade. Die Hallesche Straße, Richard-Wagner-Straße und die Beerendorfer Straße werden zur Zeit neu gepflastert. Länger anhaltender Regen führt an der Mulde zum Hochwasser. Zwischen Löbnitz und Roitzschjora bricht der Damm der Mulde, daß die Felder zwischen Roitzschjora, Tiefensee und Löbnitz überflutet werden. Am 11. Juli bricht auch der zweite Damm, so daß einige Häuser von Löbnitz geräumt werden müssen. Verluste an Menschen und Tieren können verhindert werden. Aus Delitzsch sind zahlreiche Einsatzhelfer, so die Kampfgruppen, das Deutsche Rote Kreuz, Angehörige der Parteien und Massenorganisationen im Einsatz. In den folgenden Tagen und Wochen werden durch Betriebe, Einrichtungen, Ortsvereinigungen der VdgB, LPG und Einzelpersonen zur Unterstützung der von der Naturkatastrophe Betroffenen Natural und Geldspenden aufgebracht. Das RAW, der Rat des Kreises und die Belegschaft des VEB Mitteldeutsche Süßwarenwerke spenden jeweils 2.000 M. Auch die Handwerker helfen durch ihre Teilnahme am Einsatzort sowie mit Geldspenden. Den Bauern von Löbnitz und Roitzschjora, die durch Überschwemmungen ihrer Felder Schaden erlitten haben, werden zunächst mit 750 dt Futtermittel als erste Hilfe zur Verfügung gestellt. An einem Sonntag leisten die Werktätigen des RAW zugunsten der durch das Hochwasser geschädigten Bevölkerung eine Sonderschicht. Der Reinerlös wird dem Zentralen Hilfsfonds überwiesen.

1954 August
In der im Aufbau befindlichen neuen Zuckerfabrik wird am 3. August die Trocknungsanlage in Betrieb genommen, um zunächst das zur Ablieferung gelangtes Getreide zu trocknen. Die Deutsche Versicherungsanstalt der DDR zahlt an Hochwassergeschädigte in Löbnitz und Roitzschjora vorerst 50 % des aufgetretenen Schadens in Höhe von 127.000 M. Die Bauern des Kreises Delitzsch liefern das erste Getreide der Ernte 1954 an den Staat In einer Sternfahrt aus den Gemeinden des Kreises treffen sie mit geschmückten Fahrzeugen in Delitzsch auf dem Markt ein. Nach einer Kundgebung erfolgt die Ablieferung beim Volkseigenen Erfassungs- und Aufkaufbetrieb (VEAB). Vom Staat erhält das Mitteldeutsche Süßwarenwerk Delitzsch 250.000 DM für den Bau eines Kindergartens mit einer Kapazität für 120 Kinder. Mehrere Eisenbahnerfamilien erhalten in den neu gebauten Wohnhäusern in der Dr.-Wilhelm-Külz-Straße Wohnungen zugewiesen.

1954 September
Die Preise für Lebensmittel, Genußmittel und Gebrauchsgüter werden wieder um durchschnittlich 20 % gesenkt. Erstmals kommen Leuchtstoffampen in privaten Haushalten zur Anwendung. In der Presse erfolgen Aufrufe zum Sammeln von Alteisen und Mohnkapseln. Der Vorplatz am Unteren Bahnhof als nunmehriges Eigentum der Stadt wird neu gestaltet. Erstmalig erscheint für die Stadt und den Kreis Delitzsch das Wochenblatt „Delitzscher Echo". Walter Ulbricht besucht den Kreis Delitzsch. In Kyhna stellt er sich als Spitzenkandidat der SED für die Volkskammer vor. Auch Frau Else Merke (DBD) von der LPG Schenkenberg sowie Helmut Biedermann, stellv. Vorsitzender des Rates des Kreises (LDPD) kandidieren für die Volkskammer. Für den Bezirkstag in Leipzig kandidieren aus Delitzsch Heinrich Bienroth (Museumsleiter, LDPD), Klempnermeister Horst Heinrich, Helmut Ronicke, Franz Wachter (alle NDPD) und Walter Wolf (Abt.Ltr. im RAW, SED).

1954 Oktober
Das Mitteldeutsche Süßwarenwerk Delitzsch nennt sich nun „VEB Sachar, Mitteldeutsches Süßwarenwerk". Im VEB Ziehwerk wird das neue Sozialgebäude seiner Bestimmung übergeben. Im III. Quartal wurden auf dem Bauernmarkt 11.300 kg Fleisch- und Wurstwaren, 43.001 Milch und 18.000 Eier verkauft. Am 7. Oktober der Gründung der DDR findet auf dem Karl-MarxPlatz mit 4.500 Teilnehmern eine Kundgebung statt. In Delitzsch leuchten des nachts 200 Straßenlampen. Noch sind es vorwiegend Gaslaternen. Nach dem Winterfahrplan 1953/54 verkehren täglich 14 Zugpaare von Delitzsch nach Leipzig und zurück. Die Fahrzeit beträgt 35 Minuten. Von Delitzsch nach Rackwitz und von Rackwitz nach Krensitz verkehren wochentags neun Zugpaare. Die Fahrtzeiten liegen bei etwa 35 Minuten. Neun Zugpaare verkehren von Halle - Delitzsch - Eilenburg und zurück. Der Zug von Delitzsch nach Halle benötigt 50 Minuten.

1954 November
Anstelle des Stadtrates Johannemann wird als Dezernent für Landwirtschaft Georg Stempelwitz (CDU) von den Stadtverordneten gewählt. In der Landwirtschaft des Kreises Delitzsch sind aus Lieferungen der Sowjetunion folgende Landmaschinen im Einsatz: 18 Mähdrescher S 4, sieben Rübenkombines, 26 Raupenschlepper und acht elektrische Melkanlagen. Der Kreis Delitzsch meldet als erster Kreis des Bezirkes Leipzig, daß die Auflage zur zusätzlichen Herstellung von Massenbedarfsgütem für 4 Mio. DM im Jahre 1954 mit 4,2 Mio. DM realisiert wurde. Aus der Stadt Delitzsch sind daran beteiligt der Schuh- und Kunststoffbetrieb Delitzsch, die Handwerksgenossenschaft Holz sowie viele mittlere und kleine Handwerksbetriebe. Ab dem 1. November entfällt in Delitzsch jeweils montags am Nachmittag die Postzustellung. Zum Jahrestag der Russischen Oktoberrevolution werden Konzerte und Tanzveranstaltungen geboten. Am Abend findet ein Fackelumzug statt. Von der NF erfolgen ständig Aufrufe zur verlustlosen Einbringung der Ernte. Die Rübenernte muß gesichert werden. Dazu werden Mitarbeiter von HO, Konsum und der Berufsschule eingesetzt. Sie leisten bei drei Emteeinsätzen 3.000 Stunden. Das Entwässerungsnetz östlich der Bahnlinie Delitzsch - Bitterfeld ist überlastet. Daraufhin erfolgt ein Baustopp für neue Gebäude in diesem Stadtteil. Für das Aufstellen von Fahrradständern vor den Geschäften wird folgender Gebührensatz von der Stadtverwaltung erhoben: für Fahnedständer bis 60 cm = 3 DM, bis 80 cm = 4 DM und darüber 5 DM. Der Erzbischof Dr. L. Jaeger aus Paderborn besucht die kath. Kirchengemeinde Delitzsch und deren Kuratien in Löbnitz und Zwochau.

1954 Dezember
Es findet das erste Konzert des Delitzscher Männerchores und des Volkskunstorchesters statt. Zur Aufführung gelangen Werke von Mozart, Beethoven, Mendelsson-Bartholdy sowie deutsche Volkslieder. In Delitzsch wird der Ortsausschuß für Jugendweihe gebildet. Den Vorsitz hat Alwin Beer (SED). Im April 1955 soll die erste Jugendweihe in Delitzsch stattfinden. Die Stadtverordneten beschäftigen sich tatsächlich mit den Problemen der gesamtdeutschen Politik. An den Versammlungen nehmen westdeutsche Gäste teil. Aus der Zeitungswerbung sind folgende Einzelhandelspreise zu entnehmen:

Fernsehapparat Typ Rembrandt

1.300 DM

Musiktruhe mit Tonband

2.300 DM

Radio

300 - 400 DM

Spirituosen

8,30 - 9,40 DM

Armbanduhren 15 bis 17 Steine

250 - 300 DM

Damennachthemden (Seide)

24 - 34 DM

Herrenanzüge

95 - 280 DM

Wintermäntel

190 - 240 DM

Damenkleider

33 - 150 DM

Damenpelzmäntel (Kanin, Nerz, Skunks, Seal, Kalb und Lamm)


920 - 1.270 DM

Weihnachtsbäume

 

bis 1,3 m

1,20 DM

bis 2,0 m

2,00 DM

bis 3,0 m

3,50 DM.

1954 Zusammenfassung des Jahres
Im März werden weitere sechs Bürger aus der Stadt und dem Kreis wegen ihrer Teilnahme an den Protesten am 17. Juni verhaftet und verurteilt. Ein Schwerpunkt der Tätigkeit der örtlichen Organe ist die Schaffung von Wohnraum. Im RAW wird eine Betriebs-Wohnungsbau-Genossenschaft gegründet. Das Ziehwerk stellt vier Familien in den neu erbauten Häusern an der Eilenburger Chaussee als Wohnraum zur Verfügung. In der Dr. - W ilhelm-Külz-Straße (Nr. 14 -20) werden die ersten Wohnungen in dem neu erbauten Wohnkomplex bezogen. Allmählich normalisieren sich die materiellen Lebensverhältnisse. Das Netz für den öffentlichen Straßen- und Schienenverkehr wird erweitert. Straßen werden ausgebaut, die Straßenbeleuchtung und die Trinkwasserversorgung verbessert. Bedeutsam sind auch die Fortschritte in der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Bedarfsgüter, wozu die Landbevölkerung mit Bauermnärkten, die Industriebetriebe, die Handwerker und der Handel beitragen. Die nach der Demontage der Zuckerfabrik als Reparationsleistung nunmehr neu errichtete Fabrik nimmt mit der Trocknung von Getreide den Teilbetrieb auf. Die Bevölkerung der Stadt und des Kreises nimmt lebhaften Anteil an den durch das Muldehochwasser im Raum Löbnitz und Roitzschjora betroffenen Menschen. Betriebe, Einrichtungen, Organisationen und zahlreiche Einzelpersonen leisten uneigenützige Hilfe.


1955

1955 Januar
Das „Delitzscher Echo" stellt nach nur vier Monaten sein Erscheinen ein. Das Kulturensemble „Junge Garde" schließt sich der Gewerblichen Berufsschule an. Die Maurerlehrlinge des Kreisbaubetriebes erleben mit ihrem Berufsschullehrer Gerhard Müller und den Sportlehrern der Gewerblichen Berufsschule eine Woche des Wintersportlagers auf dem Aschberg in Klingenthal (Vogtland). In der Sitzung der Stadtverordneten erfolgt die Wahl des Präsidiums der Stadtverordnetenversammlung.

Stadtverordnetenvorsteher:

Herr Beer

(FDJ)

Stellvertreter:

Her Edler

(SED)

Beisitzer:

Herr Gräber

(CDU)

Beisitzer:

Herr Renner

(LDPD)

Die Erklärung der Sowjetunion zur Beendigung des Kriegszustandes und zur Herstellung friedlicher Beziehungen mit Deutschland wird durch die Stadtverordneten begrüßt, ein Schreiben an den Obersten Sowjet der UdSSR wird beschlossen.

1955 Februar
Für die Teilnahme zur Jugendweihe wird verstärkt geworben. Die evangelische Kirche, besonders Pfarrer Wemer, spricht sich gegen die Jugendweihe aus. Bürger werden von der SED an Sonntagen als Agitator in die Dörfer des Kreises geschickt. Die Landbevölkerung soll über die von der Bundesrepublik eingegangenen Verträge sowie für die Maßnahmen der DDR zur Erhaltung des Friedens aufgeklärt werden. Die Zeitung gibt dafür Beispiele: „Freunde, gehen wir mit noch größerem Elan an unsere Arbeit, zeigen wir den Kriegsbrandstiftern, daß jeder, der es versuchen sollte, einen neuen faschistischen Raubkrieg über unser Vollos heraufzubeschwören, von der deutschen Jugend zerschmettert wird". Die Sparkasse Delitzsch macht Werbung für Sparverträge. Nach Aussagen der Sparkasse sind bereits 600 neue Sparverträge abgeschlossen worden.

1955 März
Die Ziehwerker fahren Höchstleistungsschichten, um damit gegen die Pariser Verträge zu demonstrieren. Der Kreisausschuß der NF ruft zu Aussprachen mit der Bevölkerung auf, um den Kampf gegen die Pariser Verträge zu aktivieren. Für einige Berufsbranchen werden Volksröntgenreihenuntersuchungen organisiert. Besonders Mitarbeiter der Lebensmittelbranche, Lehrer, Friseure und Heilberufe werden aufgefordert, sich gesundheitlich untersuchen zu lassen. Einige HO- und Konsumgeschäfte verlängern die Öffnungszeiten bis 19.00 Uhr. Die Tischtennismannschaft der BSG Traktor Delitzsch wird Meister der Bezirksliga. (Reichstein, Krempler, Mann, Schöne, Chybych, Caspar bilden die Mannschaft). Die Arbeiter-Wohnungsbau-Genossenschaft des RAW beginnt mit der Errichtung eines Wohnblockes von 21 Wohnungen in der Bitterfelder Straße. Der Betrieb hilft durch freiwillige Aufbaustunden von Werktätigen des RAW und durch finanzielle Unterstützung in Höhe von 25.000 Mark.

1955 April
Erstmals wird in Delitzsch die Jugendweihe durchgeführt. In der LVZ erscheint eine Danksagung aus Anlaß der Jugendweihe. Dagegen sind für die Konfirmation etwa 130 Glückwünsche für den gesamten Kreis veröffentlicht worden. Auf dem Gelände der „Parkgaststätte" (ehem. Schützenhaus) wird in diesem Jahr eine Kinderkrippe mit einer Kapazität von 40 Plätzen (14 für Säuglinge, 26 für Krabbelkinder) mit einem Kostenaufwand von 267.000 M erbaut. Vom 31. März bis zum 3. April führt die, junge Garde", Kulturensemble der FDJ in Delitzsch, eine Gastspielreise nach Niedersachsen durch. Am Vorabend des 1. Mai wird der traditionelle Staffellauf „Rund um die Altstadt` durchgeführt. Die Lehrerin und stellvertretende Direktorin der Ehrenberg-Oberschule, Martha Baumgärtel, erhält die „Goldene Ehrennnadel" des Deutschen Friedensrates der DDR.

1955 Mai
Am 1. Mai fmdet eine große Maidemonstration mit den Betriebskampfgruppen statt. Die Kampfgruppe tragen als Uniform blaue Kombinationen. Der B. Mai, dem „Tag der Befreiung" wird mit einer Festsitzung des Kreistages im Karl-Marx-Haus begangen. Die Bevölkerung ist aufgerufen, die Häuser zu schmücken. Die LVZ veröffentlicht die Losung, „Kein Haus ohne Fahnenschmuck". Die Eisenbahnstraße, zwischen der Dübener- und Eilenburger Straße, wird neu gepflastert. Zehn Jugendliche aus dem RAW melden sich zum freiwilligen Dienst in der Kasemierten Volkspolizei (KVP). Für einen Ferienurlaub werden von der Stadtverwaltung folgende Umtauschkriterien von Lebensmittelpunktkarten bekanntgemacht: Für 13 Tage Urlaub erhält der Urlauber

auf Grundkarte A:

550 g Fleisch

 

350 g Fett

 

530 g Zucker

auf Grundkarte C:

850 g Fleisch

 

630 g Fett

 

780 g Zucker

Die Stadtverordneten diskutieren die Ratifizierung des Warschauer Vertrages durch die Volkskammer der DDR und geben dieser Entscheidung einmütig ihre Zustimmung.

1955 Juni
Das Elberitzbad beginnt mit der Badesaison. Bis zum 30. Juni hat die Bevölkerung den Bedarf für die Einkellenmgskartoffeln zu melden. Der Verkauf von Hackfleisch und Kartoffelsalat wird wieder für die Großküchen verboten. Die Kreishygieneinspektion äußert Bedenken zu den hygienischen Zuständen. In den meisten Großküchen fehlen die Kühleinrichtungen zur Lagerung solcher Lebensmittel. An der Fassade des „Mitteldeutschen Süßwarenwerkes Sachar" steht noch der einstige Name der Böhme AG. In einer von der SED initiierten Leserzuschrift an die Zeitung wird die Böhme AG als das „vergessene, verfaulende Alte" bezeichnet. Die neue Zuckerfabrik, deren Bau nach der Demontage der alten Fabrik als Reparationsleitung vor zwei Jahren begonnen wurde, ist jetzt nahezu fertiggestellt und wird noch im Herbst die Produktion aufnehmen. Bereits jetzt werden die Trocknungsarbeiten ausgeführt. Wohnhäuser für die Spezialarbeiter werden außerhalb des 35 ha umfassenden Betriebsgeländes an der Fabrikstraße errichtet. Die Handballmannschaft der männlichen Jugend der Gewerblichen Berufsschule wird Bezirksmeister im Leistungsvergleich der Berufsund Betriebsberufsschulen.

1955 Juli
Im Karl-Marx-Haus findet die erste Jägerkonferenz des Kreises Delitzsch statt. Sie steht unter der Losung: „Jäger seid bereit zur Verteidigung der Heimat." Aus hygienischen Gründen verbietet der Kreisarzt Dr. Paschke das Baden in der Mulde. Die Stadtverordneten treffen Maßnahmen, den Staatsapparat wieder zu demokratisieren. Die einzelnen Kommissionen werden in Ständige Kommissionen umgewandelt. Damit ist auch eine Kommissionsarbeit zwischen den Stadtverordnetensitzungen möglich. Die Mitarbeiter der Firma Freyberg leisten Aufbaustunden zur Gestaltung des Geländes am Oberen Bahnhof. Im sogenannten Nationalen Aufbauwerk werden bis zum 30. Juni 3.081 freiwillige Arbeitsstunden geleistet.

1955 August
In der Kindertagesstätte Delitzsch-Ost wird Richtfest gefeiert. Für diese Einrichtung werden vom Staat 267.000 M zur Verfügung gestellt. Wieder eine Preissenkung. Die Preise für Zigaretten der Marken „Travel" und „Derby" werden gesenkt. Die Abteilung Volksbildung beim Rat der Stadt gibt bekannt: Schulkinder, die keine geordnete Mittagsmahlzeit einnehmen können, das betrifft Fahrschüler, Kinder berufstätiger Mütter u.a., erhalten für 0,40 Mark ein warmes Essen. Die Essenausgabe erfolgt in den Schulen. Die Mahlzeiten werden in einigen Betriebsküchen zubereitet. Den Essenteilnehmern stehen zu: 20 g Fleisch, 20 g Fett und 10 g Zukker, Lebensmittelkarten sind dafür nicht abzuliefern.

1955 September
1. September - Neuer Direktor der Ehrenberg-Oberschule ist Arno Schaberg. Im Karl-Marx-Haus wird für den Kreis Delitzsch die Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse (später URANIA) gegründet. Am 10. und 11. September sind 1.500 Erntehelfer im Einsatz. Sie roden 3.500 t Kartoffeln. Auf dem Stalinplatz (Markt) zeigen die Hochartisten „Die weißen Kondo` ihr Können mit Hochseilattraktionen. Der Zirkus „Alberti" gastiert für zwei Tage in Delitzsch. In der LVZ ist ein Bericht zur Entwicklung der Sportgemeinschaft BSG Traktor Delitzsch veröffentlicht: Die Männermannschaft der Handballer steigt 1954 in die Oberliga der DDR auf, die Fußballer spielen in der DDR-Liga, beim Billardkegeln wird Sportfreundin Baum DDRMeisterin, desgl. Sportfreund Herrmann, die Männermannschaft im Tischtennis spielt in der Bezirksliga, die Faustballer und Kegler gehören der Bezirksklasse an. Inge Fiebig erwirbt den DDR-Meistertitel im Frauen-Einzel. Die BSG delegiert junge befähigte Sportler zum Studium an die Deutsche Hochschule für Körperkultur (DHfK) nach Leipzig. Zahlreiche nationale Vergleichskämpfe mit westdeutschen Mannschaften finden statt (u.a. gegen Karlsruher SV und Hamburger Sportverein - Handball). Der 10. Jahrestag der „Demokratischen Bodenreform" wird in Delitzsch festlich begangen. Eine Delegation begibt sich zum Staatsakt nach Dresden, wo Paul Scheibe aus Badrina mit dem Titel „Hervorragender Genossenschaftler" ausgezeichnet wird. Der VE Gartenbau Delitzsch erhält auf der Gartenbauausstellung in Erfurt für seine züchterischen Leistungen bei Gladiolen eine Goldmedaille, die einzige, die auf dieser Ausstellung vergeben wird.

1955 Oktober
Der Minister Westphal gibt den Start zur Produktionsaufnahme in der neuen Zuckerfabrik als modernste Anlage der DDR Am 14. Oktober beginnt die erste Zuckerrübenkampagne. Der Plan sieht eine tägliche Verarbeitung von rd. 2.000 Tonnen Zuckerrüben vor. Das wird zunächst nicht erreicht. Tatsächliches Ergebnis 1955: täglich 646 t. Im Einsatz sind 506 Produktionsarbeiter. Am 7. Oktober findet zum 6. Jahrestag der DDR ein Festumzug statt, der mit einer Kundgebung am Stalinplatz beendet wird. Aus Anlaß des 10jährigen Bestehens des Volkschores unter Leitung von Hermann Hennig findet ein Chorkonzert statt. Bis Ende des Jahres werden weitere 40 Gaslaternen im Stadtgebiet in Betrieb genommen. In der Eilenburger Chaussee werden elektrische Straßenbeleuchtungen angebracht. In Auswirkung der von der Regierung der UdSSR erlassenen Anmestie kehrt, um nur einen Fall zu nennen, am 18. Oktober Hans-Joachim George aus dem Zwangsarbeitslager in die Heimat zurück. (Er wurde am 3. August 1950 verhaftet und von einem sowjetischen Militärtribunal wegen angeblicher Wirtschafts- und Militärspionage zur Zwangsarbeit nach Sibirien transportiert und dort zum Tode verurteilt. Ende 1951 erfolgt die Begnadigung zu 25 Jahren Zwangsarbeit „Unter Tage". Kurz nach seiner Rückkehr ging er nach Westdeutschland, und später war er als Senatsrat in Westberlin tätig).

1955 November
In der LVZ wird lobend hervorgehoben, daß es gelungen ist, die Eisenbahn-, Lauesche-, Hain-, Secunus- und Dübener Straße neu zu pflastern. Die HO bietet zur Freude der Hausfrauen reichlich Zitronen und Zitronat an. Am Halleschen Turm sind umfassende Maurer- und Zimmererarbeiten notwendig geworden. Das Mauerwerk der vier sechs Meter hohen Erker hat erheblich gelitten. Der Tutor hat sich nach Nordwesen gesenkt. 1955 erfolgt die Sicherung der brüchigen Mauern, das Dach wird provisorisch gedeckt. Im Frühjahr 1956 sollen die Erker zum Teil neu gebaut, und das Dach soll neu gedeckt werden. (Seit dem Bau des Halleschen Turmes 1394 - 1396 sind keine größeren Reparaturen ausgeführt worden, ein Kennzeichen der damals geleisteten Wertarbeit).

1955 Dezember
Im VEB Ziehwerk wird eine Regenerierungsanlage eingebaut. Die verbraucht Abfallbeize wird nicht mehr nach Neutralisation in den Lober abgeleitet. Jährlich werden etwa 350 t Eisensulfate gewonnen, die der chemischen Industrie als Rohstoff zur Verfügung gestellt werden. Das Ziehwerk spart jährlich 29 t Schwefelsäure ein. Eine Abgeordnetengruppe der Volkskammer der DDR besucht unseren Kreis. Sie wird vom Präsidenten der Volkskammer, Johannes Diekmann, geleitet. Zugegen sind Mitglieder einer Delegation des Obersten Sowjets. der UdSSR unter Leitung des Außenhandelsministers Patolitschew. Rolf Kosky, Vorsitzender des Rates des Kreises, erstattet Bericht über die Situation im Kreis. An der Beratung nimmt Paul Fröhlich, 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED, teil. Das Krankenhaus Delitzsch übernimmt das ehemalige Tbc-Kurheim Schloß Löbnitz. In Löbnitz werden in Zukunft nachbehandlungsbedürftige Patienten aufgenommen. Ferner werden hier Patienten versorgt, bei denen mit einem längeren Krankenhausaufenthalt gerechnet werden ruß. Die ärztliche Betreuung erfolgt durch Herrn Dr. Lämmerhirt. Die Außenstelle kann 120 Patienten aufnehmen. NAW-Einsätze in Delitzsch zeigen nicht den gewünschten Erfolg. Von 1.775 Helfern wurden 11.500 freiwillige Aufbaustunden geleistet, die eine Einsparung von 18.500 M brachten. Der „Demokratische Block"erklärt: Wer gegen die Jugendweihe ist, verneint den Fortschritt. Der 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED, Paul Fröhlich, startet in Delitzsch eine Vortragsreihe zum Thema „Religion vertreibt die Belange der Ausbeuter“. In einer Versammlung im Rathaus, die unter der Leitung der Abteilung Volksbildung des Rates des Kreises am 30. 12. stattfindet, wird eine Resolution angenommen, in der von der übergeordneten Kirchenbehörde gefordert wird: - Den Pfarrer Werner unverzüglich aus Delitzsch abzuberufen. Er hat sich mehrmals öffentlich gegen die Jugendweihe ausgesprochen. - Den Superintendenten anzuweisen, daß sich die Pfarrer in Zukunft ausschließlich ihrer seelsorgerischen Tätigkeiten zu widmen haben. Die Preise für Weihnachtsbäume betragen

 

bis

0,70 m

0,90 DM

 

bis

1,30 m

1,40 DM

 

bis

2,00 m

2,05 DM

und

bis

3,00 m

3,50 DM.

1955 Zusammenfassung des Jahres
Zehn Jahre nach Beendigung des II. Weltkrieges hat sich in der SBZ und der sich daraus gegründeten DDR eine gründliche Wandlung im Wirtschaftsgefüge, 'm der Landwirtschaft und im Schul- und Erziehungswesen. Durch die Enteignung von Betrieben und Unternehmen in der Industrie und Landwirtschaft entsteht als neue Eigentumsform das Volkseigentum. Volkseigentum in der DDR, ist der Teil des sozialistischen Eigentums, der direkt dem Staat unterstellt ist. Das sind insbesondere die volkseigenen Betriebe, alle Bodenschätze sowie das Verkehrs- und Transportwesen. In der Stadt und im Kreis Delitzsch werden wichtige volkseigene Betriebe gebildet.
- Reichsbahnausbesserungswerk Delitzsch: Gemäß Befehl Nr. 8 der SMAD wird die Deutsche Reichsbahn in die „Hände des Volkes" übergeben. Belegschaftsstärke: 1946 = 1325, 1948 = 1307, 1955 = 2038 - VEB Ziehwerk Delitzsch Die Enteignung des einstigen Rüstungsbetriebes erfolgte am 16. September 1948. Ab diesem Zeitpunkt ist es ein volkseigener Betrieb. 1950 nimmt dieser Betrieb die Blankstahlproduktion auf, 1952 erfolgen Produktionserweiterungen und 1954 wird das Sozialgebäude erbaut.
- Süßwarenwerke Böhme: Ab Januar 1950 wird der Betrieb treuhänderisch geleitet. Im Mai 1951 wird die Böhme-AG mit 226 Beschäftigten in Volkseigentum überführt. Im Februar 1952 erhält das Werk den Namen „VVB Süßwarenindustrie, Werk Böhme, Delitzsch", im Februar 1954 nennt es sich „VEB Mitteldeutsche Süßwarenwerke Delitzsch" und im Oktober heißt es „VEB Sachar, Mitteldeutsches Süßwarenwerk". Im September 1952 hat der Betrieb 552 Belegschaftsmitglieder.
- VEB Plastex: Dieser Betrieb wurde im Januar 1953 gebildet.
- Leichtmetallwerk Rackwitz: Dieser Betrieb wird auf Weisung des Präsidenten der Provinz Sachsen vom 30. September 1946 als ehemaliger Rüstungsbetrieb enteignet und in Volkseigentum überführt. Nach erfolgter Demontage im Rahmen der Reparationsleistungen beginnt im September 1946 der Wiederaufbau mit etwa 400 Belegschaftsmitgliedern.
- VEB Zuckerfabrik Delitzsch: Nach der Demontage des Werkes beginnt im März 1952 der Neuaufbau. Im August 1954 erfolgt die Inbetriebnahme der Trocknung. Die volle Inbetriebnahme erfolgt am 13. Oktober 1955.
- Handelsorganisation HO: Bildung der HO 1948.
- Chemische Fabrik Delicia: Dieses Unternehmen war bis zum 30. September 1958 in Privatbesitz.
Ab 1. Oktober 1958 war es ein Privatunternehmen mit staatlicher Beteiligung. Bis zur Enteignung im Jahre 1972 galten hier gesetzliche und steuerrechtliche Bestimmungen wie in einem Privatunternehmen. In der Landwirtschaft beginnen mit der Kollektivierung ebenso umwälzende Veränderungen. Die Voraussetzung zur Gründung der LPG war die 1945/ 46 rigoros durchgeführte Bodenreform. Wenn auch diese, von der sowjetischen Besatzungsmacht initiierten und später von den jeweiligen Landesregierungen durch Ländergesetze unterlegten Maßnahmen die Stadt Delitzsch nicht direkt betreffen, so sind Auswirkungen, wie Versorgungsprobleme mit landwirtschaftlichen Produkten oder menschliche Schicksale von Betroffenen bis in alle Bevölkerungsschichten zu spüren. Im Rahmen dieser Bodenreform wurden alle landwirtschaftlichen Güter mit einer Betriebsgröße ab 100 ha und größer entschädigungslos enteignet. Dazu kamen auch kleinere Höfe, die sich im Besitz von leitenden Funktionären der NSDAP, Kreisbauemleitung, Gestapo und Sicherheitsdienst sowie Kriegsverbrechern befanden. Für die Durchführung dieser Maßnahmen werden in den Landgemeinden Orts-Bodenreform-Kommissionen gebildet, zu deren Vorsitzenden meist die neu eingesetzten Bürgermeister berufen werden. Von diesen Kommissionen sind Listen mit den zu enteignenten Landwirten anzufertigen und mit Begründung an das Landratsamt zu melden. Zur Unterstützung dieser Aktionen treten auch Offiziere der sowjetischen Besatzungstruppen in Erscheinung. Die sich in den Landgemeinden vollziehenden „revolutionären Ereignisse" spiegeln die neuen Machtverhältnisse wieder und sind zwischen Willkür und Gesetz im Schutz sowjetischer Militäradministrative einzuordnen. Dazu Beispiele aus dem Kreis Delitzsch und der unmittelbaren Nachbarschaft:
- Der Besitz des Rittergutes Sausedlitz umfaßte mit Stichtag 3. September 1945 422 Hektar Land, umfangreichen Viehbestand, drei Traktoren und Ackergerät. Nach der vorgenommenen Enteignung erfolgte am 7. Januar 1946 die Landaufteilung an 11 Landarbeiter, fünf landarme Bauern, sieben Kleinpächter und 18 Umsiedler. Die einzelnen Neubauernstellen erhielten je neun Hektar Land. - Als aktiver Nationalsozialist und Sonderführer in der Ukraine wurde ein Landwirt im Nachbarkreis Bitterfeld mit einer ihm gehörenden landwirtschaftlichen Betriebsgröße von 72,25 ha Eigenland enteignet.
- Ein weiterer Fall betrifft einen Bezirksbauernführer, ebenfalls aus dem Nachbarkreis, der seit dem 26. Juni 1933 Mitglied der NSDAP war. Die Enteignung seines 43,50 ha umfassenden Grundbesitzes wurde damit begründet, daß er nach dem Absturz eines englischen Flugzeuges erklärt habe, daß diese Piloten als Verbrecher und Banditen das Ansehen nicht wert sind, da sie auf unsere Frauen und Kinder Bomben werfen.
Nach dem stalinistischen Diktat der vor Jahrzehnten in der UdSSR durchgeführten Zwangskollektivierung wird dieses Schema nach Gründung der DDR im Jahre 1949 auch hier in der Landwirtschaft eingeführt. Neben freiwilligen genossenschaftlichen Zusammenschlüssen kam es später auch zu regressiven Zwangsmaßnahmen:
- Im Juli 1952: Im Kreis Delitzsch beginnt die Gründung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Als erste Genossenschaft dieser Art entsteht „Florian Geyer" in Wiesenena. Am 30. November 1952 bestehen im Kreis bereits 20 LPG (in den ab 1952 gültigen Kreisgrenzen), am 29. Januar 1953 bestehen 25 und am 24. Mai 1953 bestehen 37 LPG. 1955 bewirtschafteten diese Genossenschaften 35,3% der innerhalb des Kreises gelegenen landwirtschaftlichen Nutzfläche.
- Die Vereinigung Volkseigener Güter (VVG) wird im Januar 1951 gebildet.
- Das VEG Gartenbau (VEG Saatzucht) geht im September 1953 aus der Gartenbaufirma Bär/ Einer (früher Fa. Poenicke) hervor.
Ähnlich wie in der Industrie und Landwirtschaft wird das Schul- und Erziehungswesen auf die „Ziele des Sozialismus" ausgerichtet. In den Monaten März/ April des Jahres 1945 findet auf Grund der Kriegsereignisse zumeist kein Unterricht statt. Die Schulen sind als Unterkünfte für die zahllosen Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten genutzt. Bis Anfang Juli wird die ehemalige Mädchenschule in der August-Bebel-Straße als Unterkunft und Lazarett für die amerikanischen Besatzungstruppen genutzt. Erst im Oktober beginnt wieder der planmäßige Unterricht an den Schulen. In den Sommermonaten fand teilweise auch schon Unterricht im Freien statt. In Delitzsch vorwiegend im Stadtpark und an den Wiesen des Werkstättenteiches am RAW. Die von der nationalsozialistischen Schulverwaltung früher gemaßregelten und entlassenen Lehrer wurden wieder in den Schuldienst übernommen. Darunter Fritz Schwahn, ein ehemaliges Mitglied der SPD. im November erscheinen neue Schulbücher. Zur Beseitigung des Lehrermangels erfolgt der Aufruf zur Ausbildung als Volkslehrer. In einem Lehrgang von acht Monaten erfolgt die Qualifizierung zum sogenannten Neulehrer. In Delitzsch gibt es im Herbst 1945 folgende Schulen:
- die ehemalige Mädchenschule in der August-Bebel-Straße (ab 1948 Comeniusschule);
- die ehemalige Knaben-Volksschule in der Bitterfelder Straße (ab 1948 Diesterweg-Schule, später Fritz-Weineck-Schule, heute Teil des Ehrenberg-Gymnasiums);
- die ehemalige Oberrealschule am Gerberplan (heute Ehrenberg-Gymnasium); die ehemalige Mittelschule in der Schulstraße (später Schulze-Delitzsch-Schule, heute Diesterweg-Schule);
- die frühere Luisenschule (später Pestalozzischule in der Pestalozzistraße, ab Sommer 1949 Sonderschule für lernbehinderte Kinder).
Desweiteren gibt es in Delitzsch die Gewerbliche und die Kaufmännische Berufsschule. Im Zeitraum von 1946-1949 werden im Kreis Delitzsch 120 Bewerber für den Schuldienst in Lehrerbildungskursen ausgebildet. Die im Befehl Nr. 40 der SMAD angeordnete Umgestaltung des Schulwesens in der Sowjetischen Besatzungszone wird ab Februar 1946 schrittweise umgesetzt. Die Bildungsreform sieht die Überwindung der Bildungsschranken und gleiche Aufstiegsmöglichkeiten für alle Kinder vor. In der Folge wird das Prinzip der Verwirklichung der 10jährigen Oberschulbildung für alle Kinder in Angriff genommen. 1945/ 46 beträgt die durchschnittliche Schülerzahl 45 Kinder je Klasse. Neben der hohen Schülerzahl kommen Schwierigkeiten wegen fehlenden Schreibmaterials, Lehrbüchern und Anschauungsmaterialien für den Unterricht dazu. Im VEB LW Rackwitz beginnt im Oktober 1949 mit 100 Lehrlingen die Berufsausbildung. Am 1. September 1951 wird die Friedensoberschule in der Dübener Straße in eine erste 10-Klassen Schule umgebildet. Die Einweihung eines neuen Schulgebäudes der Gewerblichen Berufsschule in der Karl-Marx-Straße erfolgt am 7. März 1952. Zum Jahresende 1952 bestehen, nach der Gebietsreform, im Kreis Delitzsch folgende Schulen:
- Neun Zentralschulen bis zur 10. Klasse in den Gemeinden Glesien, Zschernitz, Radefeld, Rackwitz, Zschortau, Zwochau, Reibitz, Löbnitz und Wölkau;
- 34 Schulen in denen bis zur 4. Klasse unterrichtet wird. Danach erfolgt der Übergang dieser Schüler in die Zentralschule bzw. in die zehnklassige Schule nach Delitzsch;
- in der Stadt Delitzsch bestehen fünf Zehnklassenschulen und eine Oberschule bis zur 12. Klasse.
Die Einführung des neuen sozialistischen Bildungswesen in den höheren Schulen ist begleitet von einzelnen politisch motivierten Disziplinverstößen von Schülern, die zur Relagation führen. Begabte Schüler werden nach erfolgreichen Abschluß der Klasse 8 an die Erweiterte Oberschule (EOS) delegiert. Nach erfolgreicher Beendigung der 12. Klasse wird hier mit dem Abitur die Hochschulreife erreicht. Im Jahre 1955 bestehen im Kreis Delitzsch mit der Gewerblichen, der Kaufmännischen und der Landwirtschaftlichen Berufsschule, drei allgemeine Berufsschulen. Diese werden schrittweise in den Schulkomplex an der Karl-Marx-Straße integriert. Die Betriebe LW Rackwitz und das RAW haben je eine Betriebsberufsschule.


Delitzscher Stadtchronik - 1956-1990

(Quelle: Delitzscher Stadtchronik, verfasst von der Arbeitsgruppe Stadtchronik, Teil X, 1956-1990; hrsg. von der Stadtverwaltung Delitzsch 2001.)

Vorwort

Die vorliegende Cronik zeigt den sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungsprozess der Stadt Delitzsch für den Zeitraum von 1956 bis 1990 auf. Die Grundlage dieser Zusammenstellung von Fakten und Daten bildete die Auswertung archivarischer Quellen, gegengeprüfter mündlicher Mitteilungen, amtlicher Informationen und Publikationen. In den Zitaten und Ausführungen finden sich zeitgenössische Termini, die zum Zeitpunkt ihrer Verwendung Gegenstand der Agitation und Propaganda waren und sich täglich in dem „Organ der SED-Bezirksleitung“, der „Leipziger Volkszeitung“ finden lassen. Für die Autoren dieser Chronik bestand ein vorrangiges Bemühen darin, auch Meinungen und Aktionen von Systemgegnern und Andersdenkenden darzustellen, die außerhalb des vom damaligen DDR-Staat zugelassenen Informationsflusses zu ermitteln waren. Dazu gehörten beispielhafte Fälle über Einschränkungen der freien Meinungsäußerung, Verfolgungen und Repressalien gegenüber Einzelpersonen oder Organisationen auf lokaler Ebene. Aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen und zum Teil nicht immer beweiskräftiger Nachweisführung konnte aber nicht jeder Einzelfall berücksichtigt werden. Die Zahl der Bürger, die in der Zeit des Bestehens der DDR die Stadt Delitzsch im Rahmen von Ausreiseanträgen oder auch in Form der Abschiebung verlassen haben oder mussten, lässt sich nicht genau feststellen. Eine darüber geführte Statistik, bezogen auf einzelne Wohngemeinden, ist nicht überliefert. Weitestgehend unberücksichtigt bleiben in der vorliegenden Chronik alle für die Zeit typischen, aufgeblähten Planungsvorhaben und staatlichen Zielvorgaben, die im Grunde genommen nie erfüllt worden sind. Maßgeblich für die Aufnahme eines Sachverhaltes in die Arbeit war stets das ganz konkrete Ereignis, der Baubeginn oder die Fertigstellung eines bestimmten Vorhabens. Nach den ersten Nachkriegsjahren und dem mit Gewalt niedergeschlagenen Volksaufstand von 1953, begannen sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse erst langsam auf niedrigem Niveau zu stabilisieren. Auch aus Delitzsch zogen zahlreiche Bürger in die junge Bundesrepublik. Die administrative Position der Stadt wurde dadurch gestärkt, dass 1950 die bis dahin selbständigen Dörfer Kertitz, Gertitz und Werben nach Delitzsch eingemeindet worden sind. Eine Volkszählung ergab mit Stand vom 1. Januar 1954 für die nunmehr erweiterte Stadt Delitzsch 25.064 Einwohner. Etwa zum gleichen Zeitpunkt kamen die letzten deutschen Spätaussiedler aus Polen und Heimkehrer aus sowjetischen Gefangenenlagern. Auch am Beispiel der Stadt Delitzsch wird deutlich, dass die gesamte Entwicklung der DDR vom politischen Willen der UdSSR und ihrem stalinistisch geprägten System abhängig war. Eine eigenstaatliche Verantwortung wurde noch zusätzlich durch die Auswirkungen des „kalten Krieges“ und die Blockbildung in Europa eingeschränkt. Wirtschaft, Handel und Handwerk in der Stadt Delitzsch waren seit den beginnenden fünfziger Jahren von starken Umbrüchen gekennzeichnet, die zum Teil von staatlichen Repressionen begleitet worden sind. Dazu gehörten Enteignungen, Zwangsverwaltungen, Zusammenschlüsse privater Kleinhandwerker zu Produktionsgenossenschaften des Handwerks, staatliche Beteiligungen bis hin zur vollständigen Umwandlung in so genannte Volkseigene Betriebe. Anfänglich vorgenommene Investitionen wurden nicht konsequent weitergeführt, Maschinen auf Verschleiß gefahren, so dass nach 1973 zunehmend Schwierigkeiten auftraten. Dazu kam zum gleichen Zeitpunkt eine zu großen Teilen autarke Energiepolitik, die vorrangig auf Braunkohle ausgerichtet war. Dies hatte unmittelbare Auswirkungen auch auf den Kreis Delitzsch, der zum „energetischen Zentrum“ des Bezirkes Leipzig ausgebaut werden sollte. Unter diesen Verhältnissen plante man, den Kreis Delitzsch zu zwei Dritteln seiner Ausdehnung dem Abbau von Braunkohle in mehreren Großtagebauen zu opfern. Aufgrund dieser, wenn im Fazit nur teilweise umgesetzten Planungen, wurden im Kreisgebiet acht Landgemeinden vollständig und mehrere Ortsteile teilweise „devastiert“, d.h. abgebrochen. Für die aus diesen Dörfern stammende Bevölkerung entstanden in Delitzsch Wohnersatzbauten in der Richard-Wagner- und Bitterfelder Straße und in Delitzsch-Nord. Im Gegensatz dazu kam es aufgrund fehlender materieller und fachlicher Untersetzung zum großflächigen Verfall der Delitzscher Altstadt und damit auch zum Absinken des sozialen Niveaus der dort lebenden Einwohner. Beispielhaft dafür war der Abbruch der barocken Stadtmühle und der zunehmende Leerstand von nicht mehr bewohnbarer Altbausubstanz. Nicht zuletzt führten insbesondere die Verstaatlichung von letzten, bis 1972/73, privat geführten Betrieben und Unternehmen und die Auswirkungen der staatlichen Planwirtschaft zum ökonomischen Niedergang und dem Ende des Staates DDR im Herbst 1989. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der gesamtstaatlichen Produktion der DDR hatten auch zu Engpässen bei der Versorgung der Bevölkerung geführt, begleitet von weiter bestehenden Einschränkungen der Reisefreiheit, nicht bestehender Wahlfreiheit und fehlender demokratischer Strukturen. Nach der Einleitung der Perestroika in der UdSSR unter Gorbatschow seit 1985, führte die weitere Verweigerung der Menschenrechte in der DDR zu zunehmenden Protesten, die schließlich zum Untergang des Systems führten. Den eigentlichen Durchbruch brachten seit September 1989 die Montagsdemonstrationen in Leipzig, die ab dem Spätherbst auch in Delitzsch in Form der Montags-Andachten in der Stadtkirche durchgeführt worden sind. Zusammen mit dem „Fall der Mauer“ am 9. November 1989 als einer weiteren wichtigen Etappe auf dem Weg zu demokratischen Verhältnissen, führten sie schließlich am 3. Oktober 1990 zur Wiedervereinigung beider deutscher Staaten. Mit der Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion auf der Grundlage der sozialen Marktwirtschaft, fanden enorme Umbrüche in allen Lebensbereichen und in der Gesamten Wirtschaft statt. Das Jahr 1990 war für die folgende Reprivatisierung der ehemals volkseigenen Betriebe, Genossenschaften und anderer staatlich betriebenen Einrichtungen von besonderer Bedeutung. Sie wurden aus dem Leitungsverbund der Volkseigenen Kombinate entlassen und im rechtsverbindlichen Antragsverfahren zu selbständigen privaten Gesellschaften umgewandelt oder von der Treuhand verkauft. Damit verbunden waren aber auch Schließungen und Stilllegungen ganzer Betriebe, wie beispielsweise dem Ziehwerk und der ehemalige VEB Plastex. Alle Hoffnungen der von Arbeitslosigkeit betroffenen Arbeitnehmer richteten sich nach 1990 auf in der Planung befindliche Ansiedlungsvorhaben der mittelständischen Wirtschaft und neuer Gewerbegebiete.


1956

1956 Januar
Am 4. Januar findet eine Gemeindeversammlung in der Stadtkirche statt, an der etwa 1.400 Personen, darunter auch mehrere Katholiken, teilnehmen. Sie ist von der evangelischen Kirchengemeinde einberufen worden, um gegen die Diffamierung von Geistlichen, insbesondere von Pfarrer Werner, in der Presse und durch die Abteilung Volksbildung des Rates des Kreises Stellung zu beziehen. Im Beisein des Gemeindekirchenrates und weiterer Pfarrer des Kirchenkreises stimmen die Versammlungsteilnehmer der Haltung von Pfarrer Werner zu. Dieser hatte in einen Brief an eine Lehrerin die Unvereinbarkeit von Jugendweihe und Konfirmation erklärt. das
10. Januar: Die Stadtverordneten rechnen den Plan des Nationalen Aufbauwerkes (NAW) für 1955 ab. In 13.120 Stunden freiwilliger Arbeit wurde ein Nutzen von 20.860 DM erzielt.

1956 Februar
04. Februar: Auf einer Kreisdelegiertenkonferenz der SED wird der bisherige erste Kreissekretär Albin Schneider wieder gewählt. Die Konferenz beschäftigt sich hauptsächlich mit der Entwicklung des sozialistischen Sektors der Landwirtschaft. Zur Zeit werden 35,7% der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Kreis Delitzsch durch Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften und 5,7% durch Volkseigene Güter bewirtschaftet. Das wird als unzureichend kritisiert.
11. Februar: Bertha Lieske, wohnhaft in der Karl-Liebknecht-Straße 45 (ab 1990 Bismarckstraße), begeht ihren 98. Geburtstag. Damit ist sie zur Zeit die älteste Einwohnerin der Stadt.
16.-19. Februar: Bei den Meisterschaften im Hallentennis hat Inge Fiebig, Lehrerin an der Friedensschule, zum zweiten Mal den DDR-Meistertitel errungen. Zweifache DDR-Jugendmeisterin wurde Margret Krutzger von der BSG Traktor Delitzsch (im Mädchen-Doppel und im gemischten Doppel) sowie Kreismeisterin im Einzel.

1956 März
14. März: Der Kulturbund führt im Karl-Marx-Haus eine Veranstaltung zu Ehren Heinrich Heines durch. Sie wird vom Chefdramaturgen der Städtischen Bühne Leipzig, Ferdinand May, und Leipziger Künstlern gestaltet.

1956 April
Bei der Ausgabe der Lebensmittelkarten für Monat April erhalten alle Haushalte die „Ehrenkarte der Familie“. Darin sollen alle Leistungen für das NAW, Geldspenden, Sachleistungen oder Arbeitsstunden eingetragen werden.
Als Einsatztage des NAW werden festgelegt:
jeden Donnerstag von       16:00 - 19:00 Uhr
jeden 2. Samstag von        14:00 - 17:00 Uhr
jeden 2. Sonntag von         9:00 - 12:00 Uhr
Man beginnt mit Einsätzen am Oberen Bahnhof, an 21 Wohnungen in der Bitterfelder Straße und weiteren Objekten.
09. April: Die Zeitschrift „Junge Welt“ und die FDJ-Kreisleitung führen mit dem Rundfunktanzorchester unter Leitung von Allo Koll im Karl-Marx-Haus eine Jugendveranstaltung durch. Als Gesangssolisten treten unter anderen Sonja Siewert und Fred Frohberg auf, durch das Programm führt Heinz Quermann.
14. April: Das Mandolinenorcheste unter Leitung von Gustav Exner gibt gemeinsam mit dem Männerchor Delitzsch und dem RAW-Sextett im Karl-Marx-Haus ein Eröffnungskonzert für das „Nationale Aufbauprogramm“. Das Orchester wurde im April 1922 von Gustav Exner gegründet. Als Leiter wirkten später Herr Schotte (wohnhaft Mühlstraße), Herr Wünzer (Münze) und Herr Rohde (Elberitzstraße).
29. April: Eine Wochenkinderkrippe mit einer Kapazität von 40 Plätzen wird in der Nachbarschaft des Stadtparks eröffnet (heute Heilpädagogische Tagesstätte, Schützenplatz 3. In einer Wochenkrippe konnten berufstätige Frauen ihre Kinder im Alter von 1-6 Jahren rund um die Uhr zur Betreuung abgeben. Eine solche Kindereinrichtung befand sich auch in Schenkenberg.

1956 Mai
01. Mai: An der traditionellen Maidemonstration nehmen nach Zeitungsberichten etwa 13.000 Demonstranten teil. 100 Brieftauben werden zu Beginn der Kundgebung aufgelassen. Die Teilnahme an diesen Veranstaltungen wurde durch Druck in den Betrieben, Schulen und öffentlichen Einrichtungen gefordert und geschah nicht in jedem Fall als Akt freien Willens.
07. Mai: Das Reisebüro „DER Bitterfeld“ eröffnet in Delitzsch eine Annahmestelle im Tabakwarengeschäft Salmann, Eilenburger Straße 8. Angeboten werden Tagesfahrten nach Potsdam/Werder, Ochsenkopf/Oppin und Kurzaufenthalte in Altenberg und Geising.
11. Mai: Die Friedensfahrer mit der DDR-Mannschaft und ihrem Mannschaftskapitän Gustav Adolf Schur durchqueren auf der 7. Etappe von Leipzig nach Berlin erneut unsere Stadt.
18. Mai: Die Stadtverordneten beschließen, mit der Auswechslung der Gaslaternen gegen elektrische Straßenbeleuchtung im Stadtzentrum zu beginnen.
22. Mai: Mit einem Schulsportfest der Gewerblichen Berufsschule wird das in dreijähriger Arbeit errichtete „Jugendstadion Friedrich-Ludwig-Jahn“ feierlich eingeweiht. Initiatoren und Mitglieder des Leitungsstabes waren die Sportlehrer Alfred Schirmer und Siegfried Ebert, der Direktor Günter Wolf sowie der Bauingenieur und Berufsschullehrer Gerhard Müller, der die bautechnische Leitung mit außerordentlicher Einsatzbereitschaft wahrnahm. Zu dem Objekt gehörten ein Stadion mit Fußballplatz, Ballspielplätze, eine 400 Meter-Laufbahn, Anlagen für leichtathletische Disziplinen, ein Gebäude mit sanitären Anlagen, Umkleidekabinen, ein Funkraum, Küche und Versammlungsraum. Die Baumaßnahmen führten Maurerlehrlinge der Berufsschule aus. Als Startfinanzierung spendet die Sportgemeinschaft des Süßwarenwerkes 2000 Mark, während die übrigen Gelder aus Lotto- und Totomitteln zur Verfügung gestellt werden. Die Anlage kostet insgesamt 53.000 Mark. Hilfe gab es auch von anderen Schulen (EOS) und Handwerksbetrieben. Mit der Errichtung des „Sport- und Kulturzentrums“, um 1993, und die Erweiterung des Schulgebäudes und Anlagen für Parkplätze, verlor das Stadion seinen ursprüngliche Charakter. Die Nebenanlagen verschwanden durch den Ausbau der Molkereigenossenschaft, die auf diesem Gelände Garagen und Lagerräume errichtete.

1956 Juni
04. Juni: Es werden Preissenkungen für Industriewaren verkündet, die etwa 20-30% betragen. So werden die Preise reduziert:
1 Paar Perlonstrümpfe                                                                              von 25,50 DM auf   19,50 DM
1 Damenkleid aus Kunstseide                                                                   von 87,40 DM auf   66,80 DM
Kinderschuhe aus Schweinsleder mit Kreppsohle                          von 23,80 DM auf   18,00 DM
Herrenfahrrad                                                                                             von 261,00 DM auf 210,00 DM
45-Liter-Kühlschrank                                                                                   von 1.050,00 DM auf 840,00 DM
Das Durchschnittseinkommen eines Arbeiters beträgt zu diesem Zeitpunkt monatlich etwa 300-350 DM.
24. Juni: In einer nationalen Boxgroßkampfveranstaltung im Karl-Marx-Haus besiegt Lok Delitzsch den mehrfachen bayrischen Landesmeister 1. FC Nürnberg mit 11:9. Den besten Kampf liefert Harry Moosbauer, der bereits in der 1. Runde durch einen KO-Sieg gewinnt.

1956 Juli
15. Juli: Durch wolkenbruchartige Niederschläge treten der Strengbach und der Lober über ihre Ufer. Am folgenden Tag wird um 1700 Uhr Großalarm gegeben. Sechs Familien aus dem Rosenthal und drei Familien aus der Halleschen Straße müssen wegen Hochwassers ihre Häuser verlassen. Sie werden vorübergehend in der Oberschule und Pestalozzi-Schule einquartiert. Weitere Familien aus dem Rosenthal, dem Städtischen Moorbad und der Elberitzmühle müssen in die 1. Etage ihrer Häuser ziehen. Die Dörfer Schenkenberg, Benndorf, Paupitzsch, Sausedlitz, Kreuma und Mocherwitz sind ebenfalls vom Hochwasser betroffen.

1956 August
Bei dem am 4. August beendeten II. Deutschen Turn- und Sportfest wird Hans Kampa aus dem RAW zweifacher DDR-Meister im Schießen in den Einzeldisziplinen. Er erhält dafür den Meistertitel. Des weiteren erringt er noch einen 2. und 3. Platz und wird beim Freundschaftswettkampf der Nationalmannschaften der DDR, der VR Polen und der Tschechoslowakischen Republik der beste deutsche Schütze.
15. August: Eine Gruppe von fünf französischen Schülern aus der Nähe von Paris ist auf Einladung der Ehrenberg-Oberschule eingetroffen, um hier einen Teil der Ferien zu verbringen.
Die Handballmannschaft von Traktor Delitzsch verliert das Spiel gegen Lok Luckenwalde I mit 9:13. Damit ist ihr Abstieg aus der DDR-Oberliga besiegelt. Das letzte Spiel in der Oberliga findet am 07. Oktober statt.
25. August: Ein orkanartiger Sturm tobt über Delitzsch. In der Halleschen Straße, gegenüber dem Hospital „Sankt Georg“, wird ein Kastanienbaum entwurzelt. Der Baum fällt auf ein vorbeifahrendes Auto, an dem Sachschaden entstand.
31. August: Das VEG „Gartenbau“ wird auf der Export-Blumenschau in Leipzig für seine Gladiolenzüchtung mit einer Goldmedaille und für seine Tulpenzwiebelzüchtung mit einer Silbermedaille ausgezeichnet

1956 September
Mit Beginn des neuen Schuljahres wird die „Comenius-Schule“ unter Direktor Karl Plath als erste Schule der Stadt zu einer Mittelschule mit zehn Klassen umgestaltet.
Ab 1. September finden wieder Bauernmärkte statt. Es werden Fleisch-, Wurstwaren und Molkereiprodukte zu frei vereinbarten Preisen verkauft.
03. September: In der Sitzung der Stadtverordneten wird der Bürgermeister Walter Lange feierlich verabschiedet. Zum neuen Bürgermeister wird Rudolf Kunath (SED) gewählt.
15.-18. September: Auf dem Roßplatz findet eine Wanderausstellung des Deutschen Hygiene Museums Dresden unter dem Thema „Geheimnisse des Lebens“ statt. In der Ausstellung ist auch die „Gläserne Frau“ zu sehen.
21.-23. September: Bei den Boxmeisterschaften der Sportvereinigung Lok in Stendal erringen die Sportfreunde Backofen zum vierten Mal und Rödel zum zweiten Mal den Meistertitel. Damit haben sich beide für die DDR-Meisterschaften qualifiziert.
30. September: In der Ostsiedlung werden die ersten fünf Eigentumshäuser fertiggestellt.

1956 November
01. November: In der Stadt Delitzsch leben 24.000 Einwohner. Es gibt 1.200 Wohnungssuchende. Der Kreisausschuss der NF und der Rat der Stadt haben daher alle Verwaltungen, Organisationen, Institutionen und Betriebe zu einer Beratung eingeladen, um Maßnahmen zur Schaffung von Wohnraum zu beschließen. Die ersten Ergebnisse werden bereits in diesem Monat verzeichnet. Das Kreiskommando der NVA zieht aus der Schillerstraße 11 in das VP-Kreisamt in der Dübener Straße 20. Dadurch werden vier Wohnungen frei. Das Kreissekretariat der NF zieht in das „Maxim-Gorki-Haus“ in der Leipziger Straße 12.
05. November: Die bekannte Prager Marionettenbühne gastiert mit ihren lustigen Figuren Spejbl und Hurvinek im Karl-Marx-Haus.
Die Fußballmannschaft von Traktor Delitzsch I wird Bezirksmeister und hat damit den Aufstieg in die Bezirksliga erreicht.
17. November: Die Rekonstruktionsarbeiten am Halleschen Turm sind mit einem Aufwand von 28.000 DM abgeschlossen. Sie wurden von den Handwerksbetrieben Thier, Kittler und Pawlowski ausgeführt. Beim Abnehmen des Turmknopfes hatte man Urkunden aus den Jahren 1894 und 1937 gefunden. Der neu vergoldete Knopf mit Dokumenten aus diesem Jahr wird aufgesetzt.

1956 Dezember
18. Dezember: Für die Straßenbeauftragte und die Hausbeauftragten wird eine „Danke-Schön“-Veranstaltung durchgeführt, in der der Bürgermeister die vier Besten mit Prämien und Urkunden auszeichnet. Als Straßen- und Hausbeauftragte wurden Personen benannt, die als Partner zwischen dem Bürger und dem Rat der Stadt wirkten. Sie hatten alle Anliegen der Bürger dem Rat der Stadt mitzuteilen und waren u.a. verantwortlich für die Verteilung der Lebensmittelkarten. Ihnen unterstanden mehrere Straßen.
20. Dezember: Die AWG „Aufbau“, der zur Zeit 130 Mitglieder angehören, verweist auf folgende Ergebnisse: 21 Wohnungen wurden in der Bitterfelder Straße fertiggestellt, 12 Wohnungen sind in der Rosa-Luxemburg-Straße im Bau, die Richtkronen wurden aufgezogen. Die Fertigstellung soll im Sommer 1957 erfolgen.
28. Dezember: In der Stadtverordnetenversammlung werden die Ergebnisse im NAW gewürdigt. Es sind Leistungen im Wert von 53.000 DM erbracht worden. Die besten Helfer werden mit Aufbaunadeln geehrt (6 x Gold, 15 x Silber und 21 x Bronze). Zu den Ausgezeichneten mit der goldenen Nadel gehören der 75-jährige ehemalige Stadtgärtner Arthur Kampf und die Handwerksmeister Gustav Richter, Heinz Jacobshagen und Horst Heinrich. An vier Aufbauhelfer werden Wohnungszuweisungen in der Bitterfelder Straße als Anerkennung vergeben.


1957

1957 Januar
02. Januar: Die in einem ehemaligen Bibliotheksraum neu eingerichtete Zahnstation im RAW nimmt ihren Betrieb auf. Bereits am 1. Oktober 1949 war im Werk eine Sanitätsstelle eingerichtet worden, die später zum Betriebsambulatorium ausgebaut werden sollte.
05. Januar: In verschiedenen Außenbereichen der Stadt (Berliner Straße, Beerendorfer Straße) werden zehn umgesetzte Gaslaternen installiert. Der Ortsteil Gertitz erhält eine komplette elektrische Straßenbeleuchtung.
23. Januar: Eine Handelsdelegation der VR Polen unter Leitung des Ministers für Erfassung und Aufkauf besucht den Betrieb Ernst Freyberg, Chemische Fabrik Delitia, mit dem Ziel der Lieferung neuer Schädlingsbekämpfungsmittel an Polen.

1957 März
04. März: Im Karl-Marx-Haus findet der Rosenmontagsball mit dem Delitzscher Tanzpaar und Meister der Sonderklasse, Hasso Busch und Frau Günther statt.
06. März: Der 1. Internationale Vergleichskampf im Boxen zwischen Lok Delitzsch, verstärkt durch den SC Lok Leipzig und durch Lok LVB, und Plovdiv mit mehreren bulgarischen Meistern endet 10:10 Unentschieden. Die Gewinner für Lok Delitzsch sind Schimski und Rödel.
19. März: Wieder gibt es ein Loberhochwasser. Die Durchgangswege zur Elberitzmühle, zum Rosenthal und zu Teilen des Stadtparks sind gesperrt.
29. März: Eine statistische Auswertung hat ergeben, dass der Kinobesuch pro Einwohner von durchschnittlich 14,7 Filmveranstaltungen (1952) auf 17,7 Filmveranstaltungen (1956) gestiegen ist.

1957 April
24. April: Die AWG „Frohe Zukunft“, die im Mai vorigen Jahres durch den VEB „Sachar“ (Süßwarenfabrik ehemals Böhme), dem VEB Ziehwerk, dem VEB Thermoplast und dem VEB Zuckerfabrik gegründet worden ist, umfasst jetzt 600 Mitglieder. Sie gibt bekannt, daß auf dem Baugelände Ecke Dübener Straße/Dr.Wilhelm-Külz-Straße in den nächsten Tagen mit dem Ausheben der Baugrube für 12 Dreizimmer-Wohnungen begonnen wird. Bis Ende 1959 sollen dort sechs Vierzimmer- und 30 Dreizimmer-Wohnungen entstehen.

1957 Mai
01. Mai: Der Hallesche Turm wird nach den Reparaturarbeiten wieder zum Besteigen freigegeben. Vom Breiten Turm werden beim Eintreffen des 1. Mai-Umzuges die „Schwedischen Reitersignale“ geblasen.
08. Mai: Die Feierlichkeiten zum „Tag der Befreiung“ stehen unter dem Motto „Die Stadt empfängt das Land“. Die geschmückten Wagen der Delegationen aus den LPG und MTS werden von einer Schalmeienkapelle, einem Fanfarenzug und einer Blaskapelle empfangen. Es finden Kinderfeste, Sportveranstaltungen und andere Volksbelustigungen statt.
12. Mai: Im Sozialgebäude des RAW veranstaltet der Rat der Stadt eine Feierstunde für 75 Jugendweiheteilnehmer. Das Programm wird vom Städtischen Orchester Dessau unter Herbert Kegel, dem Männerchor Delitzsch unter Kurt Petermann und der Rezitatorin Käte May gestaltet. Die Festrede hält der Chefdramaturg des Städtischen Theaters Leipzig Ferdinand May. Das Sozialgebäude war unmittelbar zuvor fertiggestellt worden. Nach der Grundsteinlegung am 4. August 1955, der Fertigstellung des Rohbaus im September 1956, steht jetzt ein modernes Mehrzweckgebäude für das Werk und die Bevölkerung zur Verfügung.
16. Mai: Ein „Sowjetisches Tanz- und Gesangsensemble“ tritt im Sozialgebäude des RAW auf.
21. Mai: Der Privatbetrieb Ernst Freyberg Chemische Fabrik Delitia begeht mit einer Festveranstaltung seine 140-Jahrfeier. Mit einer Sonderausstellung „Von der Apotheke zum Industriebetrieb“ wird der Werdegang des Betriebes veranschaulicht.
25. Mai: Es findet die Gründungskonferenz des Kreisvorstandes des DTSB statt. Dessen Vorsitzender wird Walter Luprich.
30. Mai: Auf dem Platz der Parkgaststätte gastieren „Die weißen Condors“ mit ihrer Hochartisten-Schau.
31. Mai: Die Straßengemeinschaft Ludwig-Jahn-Straße verpflichtet sich, zu Ehren der Wahl am 23. Juni einen Kinderspielplatz im Rohbau fertigzustellen. Die Hausgemeinschaften Dübener Straße 37, 39 und 41 haben die Verpflichtung abgegeben, am Wahltag bis 930 Uhr die Kandidaten zu wählen. In der Wahlpropaganda wurde Betrieben, Institutionen und Hausgemeinschaften empfohlen, Verpflichtungen zu übernehmen, am Wahltag möglichst zeitig ihre Stimme abzugeben.

1957 Juni
07. Juni: Zur Vorbereitung der Wahlen zum Kreistag am 23. Juni finden mehrere Kundgebungen und Versammlungen statt, bei denen führende Vertreter aller in der „Nationalen Front“ vereinigten Parteien das Wort ergreifen. Als Abschluss der Wahlvorbereitung findet am 21. Juni auf dem Stalinplatz (heute Markt) eine Großkundgebung statt. Vertreter der Betriebe, Institutionen und Schüler sind gehalten, an der Kundgebung teilzunehmen.
Vom 14.-16. Juni findet das 2. Kreis Sport- und Kulturfest statt. Hieran nehmen Sportler aus Ost und West teil: Im Boxen Lok Delitzsch gegen Boxclub Immenstadt, im Handball Lok Delitzsch gegen Lübeck-Kücknitz und Traktor Delitzsch gegen FC Immenstadt.
23. Juni: Das Wahlergebnis zum Kreistag lautet:
97,91% Wahlbeteiligung,
99,85% Stimmen für die gemeinsame Liste der NF.
Es gibt keine Wahlprogramme der einzelnen Parteien, damit entfällt der in den westlichen Demokratien übliche Wahlkampf. Die Parteien (SED, LDPD, CDU, NDPD, DBD) und die Massenorganisationen (FDGB, FDJ, DFD) sind in der „Nationalen Front“ (NF) zusammengeschlossen. Die NF legt durch ihre Führungsgremien fest, welche Kandidaten aufgestellt werden. Desgleichen wird das gemeinsame Wahlprogramm beschlossen und der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt. Der Wahlakt besteht im Prinzip darin,dass nach Prüfung der Wahlbenachrichtigung und Person durch den Wahlvorstand vom Wähler der Wahlschein offen, ohne Ankreuzen in die Wahlurne eingeworfen wird. Das wird insofern begünstigt, da alle Kandidaten als Block zur Wahl stehen und auch ohne Kreuz die Wahl gültig ist. Wahlkabinen sind zwar in den Wahllokalen vorhanden, diese werden aber kaum von den Bürgern benutzt.
Auf ihrer letzten Sitzung vor Ablauf der Wahlperiode beschließen die Stadtverordneten den Haushaltsplan für 1957 mit 2.201.200 DM auf Einnahmen und Ausgaben. Die Mittel werden u.a. für die Umstellung der Straßenbeleuchtung mit Leuchtstoffröhren eingesetzt, so in der Eilenburger Straße, dem Roßplatz und am Unteren Bahnhof. Für Denkmalpflege sind 20.800 DM, für das Museum 31.900 DM und für die Schlämmung des Wallgrabens 80.000 DM eingeplant.

1957 Juli
In den Sommerferien helfen die Schüler in Schwerpunktbetrieben der Industrie und Landwirtschaft. So arbeiten die Schüler der 10. und 11. Klasse der Ehrenberg-Oberschule für 14 Tage in der Grube „Freiheit“ und in der Zuckerfabrik. Andere sind im VEB „Sachar“ und in den LPG eingesetzt.
24. Juli: Die LVZ meldet unter der Überschrift „RAW-Arbeiter entlarven Konterrevolutionär“. Im RAW wird ein Stellmacher verhaftet. Er wird der Antisowjethetze, der Verächtlichmachung des sozialistischen Aufbauwerkes, der Verherrlichung des Westens und der Verbreitung von RIAS-Parolen angeklagt. Bei einer etwas später erfolgten Gerichtsverhandlung wird er zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt.
25. Juli: Im Beisein von Mitgliedern der Betriebsleitung und der Kreisleitung der SED findet im RAW die 1. Technisch-Wissenschaftliche Konferenz.unter der Losung „Durch technisch-wissenschaftlichen Fortschritt zu hoher Arbeitsproduktivität“ statt.

1957 August
20. August: Beschluss der Stadtverordneten: Vom 15.-22. Juli 1958 wird ein Heimatfest aus Anlass der ersten urkundlichen Erwähnung der Stadt Delitzsch vor 750 Jahren durchgeführt. Mit dem Heimatfest sollen zugleich die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen des Reichsbahnausbesserungswerkes (heute die Deutsche Bahn AG) sowie zum 100jährigen Bestehen der Ehrenberg-Oberschule stattfinden.

1957 September
Das seit 1951 geschlossene Museum wird wieder eröffnet. Es zeigt in drei Räumen eine Ausstellung zur Stadtgeschichte. Durch die seit 1950 erfolgte Verlegung des bisherigen Gerichtes in das Schloss stand dem Museum nur noch das Dachgeschoss zur Verfügung, welches nur als Magazin diente.
03. September: Das erste von sechs Konzerten im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Stunde der Musik“ findet unter Mitwirkung von Nationalpreisträger Prof. Amadeus Webersinke, der Schumannpreisträgerin Annerose Schmidt und des Gewandhausmusikers Karl Suske statt.
08. September: Auf der nunmehr beendeten Leipziger Messe stellt sich der VEB „Sachar“ mit verschiedenen neuen Erzeugnissen vor. Es sind die Pralinenmischungen „Schmuckkästchen“ und „Aus Meisterhand“. Ein Auftrag in Lohnarbeit von Weinbrand-Pralinen für das kapitalistische Ausland wird abgeschlossen. Weitere Aussteller aus Delitzsch sind die Zigarrenfabrik Krombholz, der kunstgewerbliche Handwerksbetrieb Leutelt, dessen neueste Handtaschen-Modelle bis nach Amerika exportiert werden, und die Chemische Fabrik Ernst Freyberg.
11. September: Der antifaschistisch-demokratische Block ruft die Einzelbauern zum wiederholten Male zum Eintritt in die bestehenden LPG auf.
13. September: Auf der Gartenbauausstellung in Markkleeberg wird der VE Gartenbaubetrieb Delitzsch für sein Gladiolensortiment mit der Goldmedaille und für seine Topfchrysanthemen mit der Silbermedaille vom Minister für Land- und Forstwirtschaft ausgezeichnet. Der Gartenbaubetrieb Otto Geissler erhält für seine Nelken eine Anerkennung. Für hervorragende Leistungen im Wettbewerb der VE Gärtnereien wird am 14. September der Gartenbaubetrieb Delitzsch erstmalig als Republiksieger mit der Wanderfahne des Ministerrates ausgezeichnet.
17. September: Der erste Kommissionsvertra in Delitzsch zwischen dem privaten Einzelhändler für Schuh- und Lederwaren Leutelt und dem GHK für Schuh- und Lederwaren Leipzig wird beim Rat des Kreises in feierlicher Form unterzeichnet. Das erweiterte Angebot kommt ab 19. September zum Verkauf. Bis zum Jahresende gibt es in unserer Stadt fünf Kommissionshandelsgeschäfte. Kommissionsvertrag: Der private Einzelhandel und das Gaststättengewerbe schlossen die ersten Kommissionsverträge ab. Vertragspartner waren zunächst die volkseigenen Großhandelskontore, später die HO-Kreisbetriebe. Die privaten Einzelhändler hatten erhebliche Probleme, um ausreichend Ware vom privaten Großhandel zum Verkauf zu erhalten. Das führte dazu, dass die privaten Großhändler wegen nicht ausreichenden Warenfonds, wegen Überalterung des Unternehmens oder durch Übersiedlung nach dem Westen ihr Unternehmen schlossen. Das hatte zur Folge, dass private Einzelhändler ebenfalls ihre Geschäfte wegen ungenügender Wirtschaftlichkeit schließen mussten. Der private Einzelhandel wurde vom staatlichen Großhandel mit Waren beliefert, die nach der Versorgung von HO-Gaststätten und Konsum-Einkaufsstätten übrig blieben. Durch die Abschlüsse von Kommissionsverträgen erlangten die privaten Einzelhändler eine gleichberechtigte Warenversorgung und damit wirtschaftliche Stabilität. Ein Kommissionsvertrag legt das Warensortiment nach einzelnen Warengruppen fest, den durchschnittlichen Warenumsatz, die Warenbevorratung, die finanzielle Sicherheit und die Provisionshöhe, die sich in Abhängigkeit von der Umsatzhöhe entwickelte. Bei einigen Warensortimenten erhöhte sich der Umsatz zwischen 1958 und 1972 um mehr als das Fünffache.

1957 Oktober
Die Betriebssportgemeinschaften haben sich zu einer Beratung über einen Zusammenschluss versammelt. Die Vertreter der BSG Traktor Delitzsch lehnen einen Zusammenschluss ihrer Sektionen Fußball und Handball mit der BSG Lok ab. Ein Zusammenschluss mit der BSG Stahl, Empor und Einheit wird als möglich angesehen. Die BSG Lok besteht zur Zeit aus 13 Sektionen mit 855 Mitgliedern.
08. Oktober: Anlässlich der „Woche des Buches“ findet im RAW ein literarischer Nachmittag mit dem Schriftsteller Ludwig Turek, dem Autor des Buches „Die letzte Heuer“, statt. Am folgenden Tag liest Curt Corrinth im Jugendklubhaus.13. Oktober: Mit einem Abschiedsball wird das beliebte Tanzlokal „Parkgaststätte“ am Schützenplatz geschlossen. Der bisherige Pächter Heinrich Laube hat in Leipzig eine neue Gaststätte übernommen.
26. Oktober: Der Tanzkreis „Grün-Gold“ Delitzsch nimmt in Leipzig am Vorentscheid für die DDR-Meisterschaften im Gesellschaftstanz für die Klassen B, C und D teil. Die hierbei ermittelten besten Tanzpaare nehmen an den DDR-Meisterschaften der Klasse A und Sonderklasse in Leipzig teil.

1957 November
03. November: An diesem Tag wird Willy Otto Schmidt wegen seiner Kritik an führenden Persönlichkeiten des Staates, dem Sozialismus und zur Jugendweihe verhaftet. Im Januar 1958 wird er vom Bezirksgericht Leipzig verurteilt und bis zum Dezember 1958 in der Haftanstalt Waldheim inhaftiert. Er war bereits im Juli 1941 von der Gestapo verhaftet und in das KZ Sachsenhausen gebracht worden und konnte beim Todesmarsch der Häftlinge auf dem Wege zur Ostsee am 2. Mai 1945 fliehen.
Am 7. November findet zum 40. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution eine Festveranstaltung im RAW-Sozialgebäude statt. Mitwirkende sind das Große Staatliche Unter-haltungsorchester unter Musikdirektor Otto Kayser und der Chor der Ehrenberg-Oberschule unter Gerhard Münchmeyer. Am gleichen Tag findet vormittags eine Kranzniederlegung am Ehrendenkmal der sowjetischen Soldaten auf dem Friedhof statt.
10. November: Die Billardkegler der BSG Traktor, die in die DDR-Oberliga aufgestiegen sind, bestreiten ihren ersten Kampf gegen den mehrfachen DDR-Meister BSG Motor Grünau.

1957 Dezember
02. Dezember: Zwei Monate vor Vollendung ihres 100. Lebensjahres verstirbt die älteste Einwohnerin Bertha Lieske, Karl Liebknecht-Straße 45. Sie stammte aus Memel/Ostpreussen und hatte nach ihrer Flucht am Kriegsende bei Verwandten in Delitzsch Unterkunft gefunden.
Der Konsum erweitert sein Billig-Waren-Angebort (Bi-Wa) von um 50% im Preis gesenkten Saisonwaren, durch zusätzlichen Verkauf in seinen Textilwarengeschäften Breite Straße und Karl-Liebknecht-Straße (Bismarckstraße) sowie in seinem Schuhwarengeschäft in der Halleschen Straße. Ansonsten gibt es diese Artikel nur in der Bi-Wa-Spezialverkaufsstelle Bitterfelder Straße. Es handelt sich hierbei um fehlerhafte Waren.
15. Dezember: Das hiesige Postamt benutzt ab jetzt einen Sonderstempel mit der Aufschrift „Delitzsch 1958 - Heimatfest“.


1958

1958 Januar
09. Januar: Die von der SED dominierten Institutionen, die NF und der Staatsapparat werden zur massiven agitatorischen Beeinflussung der freien Bauern eingesetzt, um sie zum Eintritt in die LPG zu bewegen. In der Zeit von Januar bis März sind die Dörfer Benndorf, Kattersnaundorf. Löbnitz und Roitzschjora die Schwerpunkte, in diesen Dörfern gibt es bisher noch keine LPG.
Das Postamt Delitzsch teilt mit, dass in der Zeit vom 15. Dezember 1957 bis zum 07. Januar 1958 der Sonderstempel für das Heimatfest auf 63.000 Postsachen gestempelt wurde.
11. Januar: Auf der Kreisdelegiertenkonferenz der FDJ wird eine Entschließung verabschiedet, in der es unter anderem heißt: „Wir werden dafür sorgen, dass kein FDJ-ler und kein Jugendlicher unseres Kreises die Republik verlässt. Wer persönliche Besuche abstattet oder sogar seine Ferien im Staat der Monopolisten verbringt, hilft bewusst unserem Klassenfeind“. Damit werden die Jugendlichen und deren Eltern, die Kontakte zu ihren Verwandten und Bekannten in der BRD und West-Berlin pflegen, kriminalisiert.
27. Januar: Der neuerbaute Röntgentrakt als Anbau an das Kreiskrankenhaus wird in Betrieb genommen. Mit der Inbetriebnahme dieser modernen Station, einem medizinischen Labor und anderen Einrichtungen wird die medizinische Versorgung wesentlich verbessert.

1958 Februar
06. Februar: Zur Verbreiterung der Fahrbahn in der Karl-Liebknecht-Straße (Bismarckstraße) und zur Verbesserung der Sichtverhältnisse im Straßenverkehr werden die Linden entfernt. Auf dem Stalinplatz (Markt) werden wegen ungünstiger Bodenverhältnisse einige kranke Bäume gefällt.
20. Februar: Nach einer umfangreichen Renovierung wird das Ringtheater (Kino am Markt) mit einer neuen Vorführtechnik (Cinemascope) eröffnet. Im Capitol (Kino in der Halleschen Straße) wird eine Breitwandvorführtechnik eingeführt.
27. Februar: Auf Initiative von Klempnermeister Horst Heinrich (NDPD) wird eine Produktionsgenossenschaft des Klempnerhandwerks gegründet. Die Genossenschaft ist die erste Handwerksgenossenschaft im Kreis Delitzsch.
Es erfolgt die Gründung des „Motorsportklub Delitzsch-Rackwitz“. Dessen Trägerbetrieb ist das LW-Rackwitz. Der Motorsportklub weist die Sektionen Camping, Touristik und Motorsportfreunde auf.

1958 März
01. März: Die „Parkgaststätte“ wird unter der Regie der HO wiedereröffnet.
23. März: Das führende Tanzorchester der DDR „Schwarz-Weiß“ Magdeburg tritt in einem Sondergastspiel in Original-Rundfunkbesetzung mit der Sängerin Christel Bach und dem Sänger James W. Pulley aus Philadelphia im Karl-Marx-Haus auf.
26. März: Nach einer Pressemitteilung haben sich von 25 Abiturienten 18 verpflichtet, nach der Reifeprüfung den Dienst in der NVA anzutreten. Das sei ihre Antwort auf den Beschluß zur Aufrüstung in Westdeutschland.

1958 April
10. April: Zum Karfreitag wird unter der Leitung des Kantors der evangelischen Kirche, Manfred Heinig, die im Jahre 1653 vom damaligen Delitzscher Kantor Christoph Schultze komponierte Lukaspassion in der Stadtkirche wiederaufgeführt.
Als 2. Produktionsgenossenschaft des Handwerks wird die PGH Seilerwaren (später Werkstättenweg) gegründet. Sie ist aus der Firma Frenkel hervorgegangen, deren Geschäftsführer Herrmann Schräpler als Vorsitzender gewählt wird.

1958 Mai
01. Mai: Bei der Demonstration anlässlich des 01. Mai filmt die DEFA den Marschblock der Ehrenberg-Oberschule, an dessen Spitze Oberschüler, die nach dem Abitur ihren Ehrendienst bei der NVA ableisten sollen, marschieren. Sie tragen ein Transparent mit der Losung „123 Schüler von heute, 123 Volksarmisten von morgen“.
04. Mai: 165 Schüler = 42% der Schulabgänger nehmen an der Jugendweihe im Sozialgebäude des RAW teil. Die Festrede hält die Vizepräsidentin der Volkskammer Wilhelmine Schirmer-Pröscher. Das akademische Orchester der Karl-Marx-Universität Leipzig unter Horst Förster gestaltet das musikalische Programm.
11. Mai: Das Kulturensemble „Junge Garde“ feiert sein 10-jähriges Bestehen. Das Ensemble, mit Sitz im Sozialgebäude des RAW, besteht aus dem Chor, einer Tanzgruppe, einer Instrumentalgruppe, einer Laienspielgruppe und dem Kabarett „Die Stechfliege“.
Wegen des Neuaufschlusses des Braunkohlentagebaues Holzweißig werden die Eisenbahnstrecke Delitzsch-Grube Ludwig-Bitterfeld und die Fernverkehrsstraße F 184 verlegt. Am 30. Mai wird auf der neuverlegten Eisenbahnstrecke, die nun von Delitzsch über Petersroda nach Bitterfeld führt, der Probebetrieb aufgenommen.

1958 Juni
12. Juni: Die katholische Pfarrgemeinde feiert ihr 100-jähriges Bestehen. Das Glockengeläut ist aus diesem Anlass durch zwei in Apolda gegossene Bronzeglocken vervollständigt worden.
13. Juni: Der Sportpräsident des ADMV, Manfred von Brauchitsch, besucht den MC Rackwitz-Delitzsch. Aus diesem Grunde findet eine Ausstellung von Motorcross- und Rennmaschinen statt.
14. Juni: Auch die Stadtkirche hat zwei neue Stahlglocken als Ersatz für ihre im Krieg abgelieferten Bronzeglocken erhalten. Sie wurden ebenfalls in Apolda gegossen. An diesem Tag findet die feierliche Glockenweihe statt.
15. - 22. Juni: Das mit großer Beteiligung der Einwohner der Stadt vorbereitete Heimatfest, anlässlich der vor mehr als 750 Jahren erstmaligen urkundlichen Erwähnung der Stadt, wird begangen. Der Tag der Eröffnung, Sonntag der 15. Juni, beginnt mit einem Platzkonzert des Standortmusikkorps Leipzig der NVA. Das Fest wird mit Böllerschüssen am Rathaus durch den Bürgermeister Kunath eröffnet. Der Festumzug besteht aus 88 Gruppen. Der historische Teil beginnt mit der Darstellung des Einzuges des Markgrafen von Landsberg aus dem Jahre 1207. In den 68 Gruppen des historischen Teiles nehmen 850 Personen teil - davon 140 Reiter und sechs Reiterinnen, 180 Pferde und 18 Wagen. Die neuere Zeit ab 1945 wird in 20 Gruppen dargestellt. Daran beteiligen sich die Betriebe, Genossenschaften, Schüler und gesellschaftliche Organisationen. Den Abschluss bilden Einheiten der Kampfgruppen, der Transportpolizei und der NVA. Eine Fülle von Veranstaltungen findet an den folgenden Tagen statt, wobei jede unter einem bestimmten Motto steht:
Montag:                               Tag des Filmes
Dienstag:                             Tag der Schüler
Mittwoch:                             Tag der Frau
Donnerstag:                        Tag des Sportes
Freitag:                               Tag der kleinen Veranstaltungen
Sonnabend:                        Tag der Verteidigungsbereitschaft und der Jugend
Sonntag:                             Tag der Volkskunst.
Verbunden ist das Heimatfest mit einer Feier aus Anlass des 150. Geburtstages von Dr. Hermann Schulze-Delitzsch. Gleichzeitig wird das 100-jährige Schulbestehen der Ehrenberg-Oberschule begangen.
Am „Lindenhof“ wird eine Gedenktafel angebracht. Sie soll an das frühere Delitzscher Zentrum der revolutionären Arbeiterklasse erinnern. Dieser Gasthof war während des Kapp-Putsches im Jahre 1920 das Streikbüro. In den 20er Jahren fanden hier die ersten Jugendweihen statt.
30. Juni: Den Einzelhandelsgeschäften Bernhardt, Schröpfer, John und Hohmann wird die Geschäftserlaubnis entzogen. Die Läden werden von der staatlichen Handelseinrichtung (HO) weitergeführt. In einer Einwohnerversammlung in der Aula der Friedensschule wird diese Maßnahme von Vertretern der Bezirksstaatsanwaltschaft damit begründet, dass diese Personen illegale Wareneinkäufe bei der privatkapitalistischen Gesellschaft „Edleb“ getätigt haben. Drei von den ehemaligen Inhabern werden später zu Gefängnis oder Geldstrafen wegen „Wirtschaftsverbrechen und Steuerhinterziehung“ verurteilt.

1958 Juli
Am 01. Juli begeht die Kreissparkasse Delitzsch ihr 100-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass wird eine Festschrift herausgegeben.
Die Zigarrenfabrik Hans Krombholz muß auf staatlichen Druck eine staatliche Beteiligung aufnehmen.
06. Juli: Die Mulde hat im Raum Löbnitz-Roitzschjora an einigen Stellen die Deichkrone überspült. Daraufhin wird die Kreiskatastrophenkommission einberufen. Es kommen die Rettungszüge der Freiwilligen Feuerwehr, des VPKA und der Kampfgruppen sowie Handwerker und technisches Personal der Betriebe zum Einsatz.
12. Juli: Bei dem Tanzturnier Krakow-Delitzsch gewinnt der hiesige Tanzkreis „Grün-Gold“ den vom Rat der Stadt gestifteten Pokal.
Wegen der Beschimpfung von zwei Angehörigen der Transport-Polizei im Zug zwischen Bitterfeld und Delitzsch erhält ein Arbeiter eine Strafe von vier Monaten Gefängnis wegen Staatsverleumdung. Wegen Verbreitung von Gerüchten über Preiserhöhungen bei der Lebensmittelkartenabschaffung, wird ein anderer zu sechs Monaten und ein weiterer wegen angeblich provokatorischer Äußerungen und Verleumdung des Staatspräsidenten Wilhelm Pieck zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.
29. Juli: Als 3. PGH des Kreises wird durch die Friseurmeister Rommel, Bergmann und Richter die „PGH Friseure“ gegründet. Es betrifft zwei Damen- und einen Herrensalon mit 31 Arbeitskräften.
30. Juli: Baumeister Gustav Richter, Zimmermeister Oswin Zschernitz und Maurermeister Martin Zschernitz gründen die PGH des Bauhandwerks.
31. Juli: Die Stadtverordneten beschließen nach dem Volkskammergesetz vom 11.02.1958 die Aufstellung eines Stadtkomitees der Organisation „Freiwillige Luftschutzhelfer“.

1958 August
14.-29. August: Für diesen Zeitraum wird vom VPKA eine Überprüfung aller Hausbücher6 angeordnet.
15. August: Die Schneidermeisterinnen Bernhardt und Würzberger und der Schneidermeister Korschner gründen die PGH des Bekleidungshandwerkes „Modezentrum“ (vorher Bäckerei Brosig in der Pfortenstraße), der auch die 80jährige Obermeisterin Herdam beitritt. Die PGH „Maler“ wird von den Malermeistern Jacobshagen, Berge, Wagner, Menzel und Kraus gegründet.
19. August: Die Leihbüchereien Paul Krause und Fiebig werden geschlossen. Zur Begründung wird angegeben, dass sie mit ihrem Buchbestand den gesellschaftlichen Anforderungen nicht mehr genügen. Die Buchhandlung Gustav Krause (Markt) wird mit gleicher Begründung am 15.09. geschlossen.
23. August: Wegen des Mangels an Arbeitskräften während der Erntezeit werden die MTS durch Arbeiter aus dem Ziehwerk, die als Traktoristen eingesetzt werden, unterstützt. Der VEB „Sachar“ stellt 31 Kollegen zur Trocknung von Futtermitteln im 3-Schicht-Einsatz in die Zuckerfabrik ab.
27. August: Der Rat der Stadt gibt die Erfüllung des Woh-nungsbaues bekannt: 1956 Bau von 21, 1957 Bau von 57 und 1958 Bau von 122 Wohnungen im Stadtgebiet.
27. August: Es wird die PGH „Dachdecker“ (später mit Sitz in der Berliner Straße) gegründet, der 32 Mitglieder und drei Kandidaten angehören. Aus Delitzsch sind die Betriebe der Meister Adalbert Kittler, Heinz Kloß, Horst Bräunig und Fritz Krieg dabei. Damit bestehen im Kreis neun PGH mit 225 Mitgliedern und 28 Kandidaten.
28. August: Die Gärtnereien Fritz Dörfel und Artur Feige schließen sich zur GPG „Gottfried Ehrenberg“ zusammen.
31. August: Als Höhepunkt der katholischen Pfarrgemeinde zum 100-jährigen Jubiläum findet ein feierliches Pontifikalamt mit dem Weihbischof Rintelen aus Magdeburg statt.
In diesem Jahr wurde die 1860 erbaute Turmwindmühle im Delitzscher Ortsteil Werben, in der Laueschen Straße 93, stillgelegt. Nachdem man den Besitzern einen Umbau derselben zum Wohnhaus baurechtlich verweigert hat, wurde sie noch im gleichen Jahr vollständig abgebrochen und die geborgenen Steine für den Neubau eines Hauses an der gegenüberliegenden Straßenseite verwandt.

1958 September
01. September: Der polytechnische Unterricht wird ab Klasse 7 in der Comenius-Schule, die im vorigen Jahr als 1. Mittelschule umgestaltet worden war, eingeführt. In diesem Schuljahr werden bereits 33% aller Schüler die Schule bis zur 10. Klasse besuchen.
Anlässlich des „Tages des Friedens“ findet auf dem Stalinplatz (Markt) eine Großkundgebung statt. An dieser nimmt eine Delegation aus der Tschechoslowakei zum Auftakt der „Deutsch-Tschechoslowakischen Woche“ teil
Für 170 Prüflinge der Gewerblichen Berufsschule findet die feierliche Freisprechung durch den Direktor Günther Wolf statt. Bei der Abschlussfeier erfolgt auch die Aufnahme von 120 neuen Berufsschülern.
07. September: Im Rathaus wird die 1. „Sozialistische Namensweihe“7, an der Kinder bis zum 7. Lebensjahr teilnehmen können, feierlich begangen. Weitere Weihen für Kinder von Betriebsangehörigen der Zuckerfabrik und des VEB „Sachar“ finden in den nächsten Tagen statt.
Die Mannschaft des Blindenrollballs der BSG „Traktor“ wird DDR-Meister 1958.
14. September: Zum „Gedenktag der Opfer des Faschismus“ erhalten 30 Widerstandskämpfer aus dem Kreis Delitzsch die „Medaille für Verdienste im Widerstandskampf gegen den Faschismus“. Unter den Ausgezeichneten sind aus Delitzsch: Paul Bär, Kurt Bernhard, Richard Hampe, Paul Heinrich, Walter Kretzschmar, Franz Neubauer, Paul Remus, Otto Rohne, Richard Sachse, Bruno Schmidt, Werner Standke, Walter Thiermann, Fritz Wiesner, Fritz Zelt, Walter Lorenz
15. September: Es wird die PGH „Ausbau“ unter Vorsitz von Fliesen- und Fußbodenlegermeister Gustav Pfordte gegründet. Damit gehören von den zehn PGH des Kreises sieben zum Bau- und Baunebengewerbe.

1958 Oktober
Am 1. Oktober muß die Offene Handelsgesellschaft (OHG) Ernst Freyberg Delitzsch, chemische Fabrik Delitia eine staatliche Beteiligung8 aufnehmen. Neuer Mitgesellschafter wird mit einer Kapitaleinlage die Deutsche Investitionsbank Berlin.
04.-05. Oktober: Im Karl-Marx-Haus finden die 2. Deutschen Meisterschaften im Billardkegeln statt, an denen auch die DDR-Meisterin von 1954, Herta Braun, von Traktor Delitzsch teilnimmt. In diesem Jahr stellt diese Sportgemeinschaft mit Herta Holzweißig die Vizemeisterin bei den Frauen.
09. Oktober: Wieder findet eine Preissenkungen statt. Bei:
Boxcalfschuhen mit Ledersohle                             von 86,70 DM auf 54,35 DM
Kinderschnürstiefeln mit Porosohle                        von 27,80 DM auf 21,45 DM
Handtaschen aus Box- und Rindleder                    von 90,00 DM auf 67,50 DM
Schulranzen aus Rindleder                                     von 54,85 DM auf 26,90 DM
Schulranzen aus Kunstleder                                   von 15,60 DM auf 13,75 DM
Kühlhauseiern                                                         von   0,44 DM auf   0,39 DM
31. Oktober: 3.000 Pioniere des Kreises nehmen in der Stadt am „1. Erntefest der Jungen Pioniere“ teil. Im Vorfeld halfen sie bei der Maispflege und Ernte. Nach einem Umzug findet eine Kundgebung mit dem 1. Sekretär der SED-Kreisleitung Albin Schneider statt. Mit diesem Erntefest wird eine gezielte Gegenveranstaltung von staatlicher Seite gegenüber dem protestantischen Reformationstag und dem Erntedankfest bezweckt.

1958 November
12. November: Anlässlich ihres 10-jährigen Bestehens eröffnet die HO des Kreises eine Leistungsschau in der Gaststätte „Grüne Linde“. Die ersten drei Geschäfte wurden am 15. Januar 1949 eröffnet. Jetzt werden von der HO 23 Industriewaren-, 58 Lebensmittelgeschäfte und 23 Gastwirtschaften betrieben.
Der Preis für 1 St. Butter sank von 30,00 DM auf 2,50 DM
Der Preis für 1 Ei sank von                                2,50 DM auf 0,45 DM
Der Preis für 1 Stück Torte sank von              5,00 DM auf 0,95 DM
Der bisherige Bezirkstagsabgeordnete und Vorsitzendert der PGH Aufbau Horst Heinrich (NDPD) wird als Abgeordneter in die Volkskammer der DDR gewählt.
21. November: Die Berufsschule begeht im Karl-Marx-Haus ihre 100-Jahr-Feier. Das Festprogramm wird vom Orchester des VEB AGFA Wolfen und dem Kulturensemble „Junge Garde“ gestaltet.
23. November: Die AWG Aufbau (RAW), Frohe Zukunft (Sachar), Einheit (Rat des Kreises) und Aufbau (LW Rackwitz) schließen sich unter dem Namen „Vereinigte AWG“ zusammen. In ihr sind 700 Mitglieder erfasst.
In diesem Monat erreicht die Zuckerfabrik eine tägliche Verarbeitungskapazität von 2.107 Tonnen Zuckerrüben.

1958 Dezember
06. Dezember: Die verlängerte Eisenbahnstraße (von der Dübener Straße bis zur Karl-Marx-Straße) wird nach erfolgtem Straßenausbau wieder für den Verkehr freigegeben.
13. Dezember: Die Pionierorganisation feiert in den Schulen gemeinsam mit den Patenbetrieben ihren 10. Geburtstag.
Zum Jahresende sind in den Betrieben des Kreises Delitzsch beschäftigt:
VEB       RAW Delitzsch                                                    2 412
                LW Rackwitz                                                      1 680
                Schokoladenwerk                                                 770
                Zuckerfabrik                                                          396
                Ziehwerk                                                               286
VEB       Kunststoffverarbeitung Plastex                                 79
                Brauerei Krostitz                                                     45
                Kreisbaubetrieb                                                     235
BSB       Steinfurt Zschortau                                                  166
                Freyberg Delitia                                                     149
                Flämig, Kunststoffverarbeitung                                20
                Zschernig in Zschernitz                                           12
                Hahn, Baugeschäft                                                  19


 1959

1959 Januar
Die bisherige Fernverkehrsstraße F 184 wird wegen des Tagebauanschlusses zwischen Benndorf und Holzweißig für den Verkehr gesperrt, da sie künftig in das Tagebaugelände einbezogen werden soll.
12. Januar: In der Stadt Delitzsch sind 800 Wohnungssuchende gemeldet.
Die Fleischer aus Delitzsch, Löbnitz und Pohritzsch gründen die PGH Fleischer. In ihr sind unter dem Vorsitz vom Fleischermeister Kurt Krutzger 30 Mitglieder und sechs Lehrlinge vereinigt.
13. Januar: In der Stadtverordnetenversammlung werden die Ergebnisse des NAW und die neuen Zielstellungen bekanntgegeben: Die Leistungen von 1958 in Höhe von 250 TDM wurde mit 341,5 TDM überboten. Vier Aufbaunadeln in Gold und 33 in Silber werden dafür verliehen. Gerhard Müller erhält für die Leistungen beim Bau des Ludwig-Jahn-Stadions eine goldene Aufbaunadel.

1959 Februar
In den Räumen der ehemaligen Buchhandlung Schmidt-Krause (Markt) wird eine Leihbibliothek eröffnet.
02. Februar: Eine weitere Preissenkung für Lebensmittel wird bekannt gegeben, beispielsweise: Sahna-Margarine von 5,00 DM/kg auf 4,00 DM/kg und Weißzucker von 1,80 DM/kg auf 1,50 DM/kg.
20. Februar: In der Kreisvolkshochschule beginnt ein Lehrgang zum Erlernen der deutschen Sprache für übergesiedelte Bürger aus Polen.
Der Kreis Delitzsch wird zum Anbauzentrum für Tulpenzwiebelkulturen erklärt. Der Leitbetrieb ist der VE Gartenbaubetrieb unter seinem Leiter Kurt Griebel. Auf acht Hektar wurden bereits seit 1955 Tulpen vermehrt.

1959 März
04. März: Es wird der zusätzliche Bau von 36 Wohnungen (12 durch AWG und 24 durch staatlichen Wohnungsbau) von den Stadtverordneten beschlossen. Die für die Zuweisung vorgesehenen Wohnungssuchenden müssen dafür je 300 Aufbaustunden leisten.

1959 April
03. April: Das Zentrale Kulturensemble der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland tritt mit etwa 100 Mitwirkenden im Sozialgebäude des RAW auf.
25. April: Auf der Gartenbauausstellung Leipzig-Markkleeberg wird der VE Gartenbaubetrieb mit zwei Goldmedaillen für Tulpen ausgezeichnet.
An der diesjährigen Jugendweihe nehmen 62% der 14-jährigen Jugendlichen des Kreises teil (1955 waren es 12,9%, 1958 45,4%). Teilnehmer an der Konfirmation sind noch 39 Jugendliche (1956 = 276 Konfirmanden). 60 % der Neugeborenen werden von den Eltern zur „Sozialistischen Namensgebung“ angemeldet.

1959 Mai
01. Mai: Nach einem Zeitungsbericht nehmen diesmal 15.000 Demonstranten an der Kundgebung zum 01. Mai teil. An der Spitze der Demonstranten marschieren die Hundertschaften der Kampfgruppen und die Kollektive der Betriebe, die den Kampf um den Ehrentitel „Brigade der sozialistischen Arbeit“ aufgenommen haben. Ihnen folgen die Paten-LPG.
05. Mai: In einer Feierstunde wird das 10-jährige Bestehen der Poliklinik (Ecke Schäfergraben-Angerstraße) begangen. Seit dem 01.01.1954 ist sie mit dem Krankenhaus unter Leitung des amtierenden Direktors Dr. Dr. Schulze-Warnecke zusammengeschlossen. Dr. Koch ist als stellvertretender ärztlicher Direktor gleichzeitig Chefarzt der Inneren Abteilung des Krankenhauses und der Poliklinik. Weiterhin gehören ihr vier Fachärzte, ein praktischer Arzt, sechs Assistenzärzte, der Kreissportarzt, ein Zahnarzt und ein Jugendzahnarzt haupt- oder nebenamtlich sowie sechs Krankenschwestern und Hilfspersonal an.
30. Mai: Die Kreisleitung der FDJ veranstaltet ein Internationales Amateurtanzturnier mit Paaren aus Krakow (VR Polen) und aus dem Tanzkreis „Grün-Gold“ Leipzig-Delitzsch mit dem Deutschen Meisterpaar Hasso und Brigitte Busch aus Delitzsch. Letztere sind auf dem VI. Parlament der FDJ in Rostock als Sieger hervorgegangen und werden die DDR bei den Weltfestspielen in Wien vertreten.
Das evangelische Kinderheim im ehemaligen Diakonat (Mühlstraße 3) wird geschlossen, da die Anzahl der zu betreuenden Kriegswaisenkinder ständig zurückgeht. Dafür wird dort ein evangelisches Gemeindezentrum eingerichtet.

1959 Juni
Das für den 6. und 7. Juni geplante Kreissportfest muss am 7. Juni vorzeitig abgebrochen werden. Wolkenbruchartige Niederschläge verhinderten weitere Veranstaltungen.
Im Laufe des Monats stellt die AWG die ersten Wohnungen in der Dübener Straße fertig (bis Jahresende will sie Wohnungen an 158 Familien übergeben).

1959 Juli
01. Juli: Dr. Joachim Freyberg, der Seniorchef und Mitinhaber der Firma „Ernst Freyberg, Chemische Fabrik Delitia“ verstirbt. Er war der letzte Namensträger des über vier Generationen in Delitzsch und weit über die Grenzen der Stadt hinaus wirkenden Familienunternehmens der OHG Ernst Freyberg. Sein Urgroßvater, der Apotheker Carl Christian Freyberg (1790-1855), kaufte 1817 die Apotheke „Zum weißen Adler“ in Delitzsch. Er, sein Sohn Carl August Freyberg (1820-1897) sowie sein Enkel Ernst Freyberg (1861-1925) waren neben ihrem Beruf als Apotheker und Unternehmer durch ehrenamtliche verantwortliche Tätigkeit als Stadtverordnetenvorsteher und Baudezernenten mit ihrer Heimatstadt Delitzsch eng verbunden.
28. Juli: Die Stadtverordneten stimmen dem Antrag der BPO des Rates der Stadt und der SED-Kreisleitung auf Entbindung des Bürgermeisters Kunath von seinen Funktionen wegen Verstoßes gegen die Prinzipien der sozialistischen Ethik und Moral zu. Er hatte Anfang des Jahres von einer Bürgerin als Dank für die Befürwortung einer Westbesuchsreise ein Paket mit 100g Bohnenkaffee und einigen Zigarren entgegengenommen. Als amtierender Bürgermeister wird der ehrenamtliche Stadtrat Wolfgang Schulze eingesetzt.

1959 August
14. August: Im Sozialgebäude des RAW findet ein Nationaler Boxkampf zwischen der Südwestauswahl Rheinland-Pfalz und der Bezirksauswahl Cottbus, die durch die drei Delitzscher Lok-Sportler Backofen, Rast und Bogena verstärkt wird, statt.
18. August: Die führende Buchhandlung Reinhold Pabst in der Breiten Straße wird auf amtliche Anordnung geschlossen. Von ihr ist eine Buchbenachrichtigungskarte verschickt worden, die aus alten Beständen stammte und noch den Unterschriftsausdruck „Heil Hitler“ trug. In der Presse wird darüber geurteilt: „Das entschuldigt niemand, selbst wenn ein vorgetäuschtes Versehen diese Angelegenheit in seiner Tragweite abschwächen soll. In manchen Dingen hört das Versehen auf und wird zur berechnenden Absicht. So sehen wir das“.
Ende August wird der im Juli begonnene Umbau des Karl-Marx-Hauses abgeschlossen. Der Saal kann wieder genutzt werden, dagegen die Kücheneinrichtung erst Anfang 1960 wieder.

1959 September
Am 25. September wird die PGH Kürschner gegründet. Sie besteht aus 16 Mitgliedern. Vereinigt sind die Firmen Gräfe (Eilenburger Straße) und König (Gerberplan), der Vorsitzende ist Karl Gräfe jun. Die Firmen Meyerhofer, Grosch und Bastian gründen die PGH Polsterer und Dekorateure mit 40 Mitgliedern.

1959 Oktober
04.-10. Oktober: In der Festwoche zum 10. Jahrestag der DDR findet eine große Anzahl von Veranstaltungen statt. An diesem Tag wird am Karl-Marx-Haus die Erinnerungstafel zur Vereinigung der beiden Arbeiterparteien KPD und SPD, die 1946 in diesem Haus stattfand, feierlich enthüllt.
27. Oktober: Die Vereinigung der beiden Handballmannschaften Lok und Traktor zu BSG Lok wird bekanntgegeben. Dadurch soll ein Wiederaufstieg in die Bezirksliga ermöglicht werden.

1959 November
07. November: Ein Klub für die Organisation kultureller Veranstaltungen wird gegründet, dessen Leitung der Stadtrat John übernimmt. Die Aufgaben des Klubs bestehen in der Bildung von Zirkeln der Literatur, Film, Musik, Angewandte und Bildende Kunst.
14. November: Auf Vorschlag der SED-Kreisleitung wird vom Rat der Stadt mit dem Sammeln von Küchenabfällen begonnen. Sie werden von den LPG „Fortschritt“ in Brodau/Gertitz, „Neues Leben“ Beerendorf, „Freundschaft“ und Lissa als Schweinefutter zur Steigerung der Fleischproduktion genutzt.
30. November: Nach einem Bericht der Abteilung Handel und Versorgung gibt es zur Zeit in der Stadt noch 94 private Gewerbetreibende, von denen 24 einen Kommissionsvertrag abgeschlossen haben. (Abschlüsse 1957:5, 1958:16, 1959:3). In der Stadt Delitzsch hatten 13 Textilwareneinzelhändler einen Kommissionsvertrag. Das verbesserte und ausgesuchte Warenangebot und die besondere Verkaufskultur des Einzelhandels hatte zur Folge, dass sie dem staatlichen und genossenschaftlichen Handel unerwünschte Konkurrenz machten. In Delitzsch waren Kommissionshändler: die Textilgeschäfte Baum, Beier, Didwiszus, Faupel, Freitag, Haupt, Hanisch, Linz und die Gaststätten Bräustübl, Boeck und Elberitzmühle.

1959 Dezember
29. Dezember: Die Stadtverordnetenversammlung berät den Perspektivplan bis 1965. In diesem Jahr sind von der AWG nur 152 Wohnungen fertiggestellt worden. Rohbaufertig hat die AWG 116, die GWG 16 und der Staatliche Wohnungsbau 24 Wohnungen hergestellt.
In einer von 1953 bis 1961 geführten Chronik der Stadt Delitzsch ist ein Kommentar zu einer Weihnachtsfeier vermerkt: „In Zukunft wird darauf geachtet werden müssen, dass auch die Feierstunden mehr sozialistischen Ausdruck zeigen. Hoffen wir, dass es unseren Komponisten gelingt, sozialistische Weihnachtslieder zu komponieren und sie in den Schulen und Kindergärten zu singen, damit sie ebenso populär werden wie die Lieder vergangener Zeit. Nicht Christ wird der Retter sein, sondern das Volk muss sich selbst retten, vor der einlullenden und auf fremde Hilfe hoffenden Menschen und ihren Liedern. Nur der Sozialismus und der Kommunismus garantiert die Befreiung von Not und Elend. Dem Aberglauben, dass überirdische Mächte eine Änderung bringen werden, müsste entschieden und bedingungslos gegenüber getreten werden“.
Die Stadt hat zur Zeit 23.500 Einwohner.


1960

1960 Januar
Im Ortsteil Kertitz wird die „LPG Flemmingstal“ gegründet, der neun Einzelbauern und -bäuerinnen unter dem Vorsitz von Herbert Schröder angehören.
Das RAW führt die Massengüterproduktion die bereits im Vorjahr aufgenommen worden war, weiter. Es werden vorrangig Spannungsregler für Fernseh- und Elektrogeräte produziert.
26. Januar: Die Stadtverordneten bestätigen einstimmig den bisherigen BGL-Vorsitzenden des RAW Otto Paul als neuen Bürgermeister. Als erste Amtshandlung nimmt er die Auszeichnung der besten Aufbauhelfer der Stadt vor.

1960 Februar
10. Februar: Auf Initiative des im Vorjahr gegründeten „Stadtklub für Künstler“ findet ein Konzert des Staatlichen Orchesters Weißenfels unter dem Motto „Ein großes Orchester stellt sich vor“ im Karl-Marx-Haus statt.
14. Februar: Auf der Jahreshauptversammlung der AWG Aufbau wird berichtet, dass sich die Mitgliederzahl seit der Vereinigung im November 1958 auf 1.072 per 31.12.1959 erhöht hat. Im Spätsommer wird mit dem Bau von Wohnungen in der Beerendorfer Straße (Delitzsch-Ost) begonnen.

1960 März
11. März: Es findet ein Handwerkerforum für alle noch individuell arbeitenden Handwerker statt. Karl Hübner, Vorsitzender des Rates des Kreises, Otto Paul, Bürgermeister, Helmut Glock, Vorsitzender des Ortsausschusses der NF, Vertreter der Handwerkskammer und der PGH diskutieren mit den Handwerkern. Das Konfektionsgeschäft Preller, der Handwerksbetrieb Leutelt und das Lebensmittelgeschäft Moke schließen Kommissionsverträge ab.
26. März: Die letzten freien Bauern des Kreises Delitzsch, darunter auch die aus den Ortsteilen der Kreisstadt, müssen auf staatlichen Druck nun in die LPG eintreten. Damit findet die Zwangskollektivierung unter dem Schlagwort „Sozialistischer Frühling auf dem Lande“ ihren Abschluss.

1960 April
01. April: Die Volksmusikschule mit Sitz in der Friedensschule wird unter der Leitung von Werner Brade eingerichtet.
Am 02. und 03.04. veranstaltet der Stadtklub im Karl-Marx-Haus ein Konzert. Der Chor der Erweiterten Ehrenberg-Oberschule unter der Leitung des Musiklehrers Gerhard Münchmeyer und das Staatliche Orchester Weißenfels gestalten das musikalische Programm.
03. April: Die in Delitzsch bestehende gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft gibt bekannt, dass sie nunmehr mit dem Bau von einigen Wohnblöcken beginnen will und dass sich dafür Interessenten melden können. Die GWG ist 1957 als Nachfolger des seit 1927 bestehenden Mieterbauvereins gegründet worden. Sie baute 1960/61 in der Blücher- und Poststraße/Ecke August-Fritzsche-Straße Zwei- und Dreiraumwohnungen (1996 schließt sie sich der UNITAS-Leipzig an).
09. April: Als 16. PGH des Kreises wird die PGH „Ofensetzer“ unter dem Vorsitz des Meisters Hottenrott gegründet.

1960 Mai
19. Mai: Die Anwärter eines Einsatzkommandos des Transportpolizeiabschnittes Halle, die im Stadtforst auf dem ehemaligen Flugplatzgelände (heute Asylbewerberheim) stationiert sind, werden auf dem Marktplatz vereidigt.
23. Mai: Die Diesterweg-Oberschule beginnt als erste Schule der Stadt mit ihren beiden 6. Klassen mit der Ganztagserziehung10.
In der Zeitschrift „Bildende Kunst“ 1960 Nr. 3 werden die künstlerischen Leistungen des Künstlerehepaars Heinrich und Rose Binroth, Hallesche Straße 37, gewürdigt. Mit ihren künstlerisch gewebten Wandbehängen sind sie weit über die Grenzen des Kreises Delitzsch bekannt geworden.

1960 Juni
Die „Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse“ veranstaltet auf dem Roßplatz eine Sonderausstellung zur politischen Erziehung. Es sind Waffen und Ausrüstungsgegenstände der NVA, der Kampfgruppen und der GST zu sehen.
Die Kanalisationsarbeiten in der Elberitzstraße sind beendet. In der Karl-Liebknecht-Straße (Bismarckstraße) wird die Pflasterung weitergeführt. In der Beerendorfer Straße beginnen die Erdarbeiten für die Kanalisation.
Nach den Pfingstfeiertagen wird die Parkgaststätte geschlossen. Das Gebäude wird danach als Möbelverkaufsstelle weiter genutzt.

1960 Juli
31. Juli: Ein internationales Fußballspiel auf dem Elberitz-Sportplatz gewinnt der Bezirksligist Traktor Delitzsch gegen die Amateurauswahl von Reggio-Emilia (Italien) mit 1:0.

1960 August
Im Jahre 1730 war auf der Straßenkreuzung Marienstraße-Bitterfelder Straße eine Ganzmeilen-Postsäule errichtet worden. Nach dem Verlust des Originals, fertigte man um 1895 eine Replik, die auf dem Roßplatz aufgestellt wurde. Sie wird jetzt durch den Malermeister Pawlowski restauriert.
08. August: Die HO eröffnet im Eckhaus Holzstraße/ Straße der DSF eine Gaststätte „Fischbackstube“.

1960 September
01. September: Mit Beginn des Schuljahres bestehen in Delitzsch:
1 Erweiterte Oberschule: Ehrenberg EOS; 4 Polytechnische Oberschulen: Friedens-, Comenius-, Diesterweg-, Schulze-Delitzsch-POS; 1 Sonderschule: Pestalozzi-Schule.
An der Diesterweg-POS ist ein Schulanbau fertiggestellt worden. Er wurde in 6.250 Stunden freiwilliger Arbeitsleistung von den Maurerlehrlingen der Gewerblichen Berufsschule gebaut und besteht aus einem Hortraum sowie drei Fachkabinetten. Auf dem Hofgelände der Friedens-POS werden durch den Ausbau einer Baracke acht neue Klassenräume geschaffen. Die Volksmusikschule nimmt ihre Lehrtätigkeit mit einem einjährigen Vorschulkurs für Kinder aus der 3. Klasse auf.
05.-07. September: Die „Aeros Eisrevue 1960“ gastiert in ihrem 2000-Mann-Zelt auf dem Karl-Marx-Platz. Auf der ersten transportablen Kunsteisbahn der DDR treten Eisläufer aus der CSSR, Polen und der DDR auf.
24. September: Im 2. Nationalen Amateurtanzturnier mit dem Tanzklub Blau-Gold Hannover gewinnt der hiesige Tanzkreis Grün-Gold. Teilnehmer sind auch die Ehepaare Busch und Weihmann aus Delitzsch. Sie gehören der Sondertanzklasse der Deutschen Nationalmannschaft an.
30. September: Die ersten 40 Wohnungen auf dem Gelände gegenüber des Karl-Marx-Hauses werden den neuen Mietern übergeben. Das Wohngebiet erhält den Namen „Am Karl-Marx-Platz“.

1960 Oktober
02. Oktober: Die Freiwillige Feuerwehr begeht ihren 100. Jahrestag. Sie wurde 1860 von Turnern des Turnvereins 1845 gegründet.
17. Oktober: Als 17. PGH im Kreis gründen vier Meister mit ihren zehn Beschäftigten die PGH „Tischler“ unter dem Vorsitz von Tischlermeister Otto Schachtel (Holzstraße).
24. Oktober: In der seit Pfingsten geschlossenen Parkgaststätte wird eine Verkaufsstelle für Gebrauchtmöbel eröffnet.

1960 November
Die Kanalisationsarbeiten in der Beerendorfer Straße sind beendet.
02. November: Die neue Straße im Wohngebiet Nord zwischen der Mittelstraße und dem Karl-Marx-Platz erhält den Namen „Werner-Seelenbinder-Straße“.
06. November: Der im RAW-Sozialgebäude stattfindende nationale Vergleichskampf im Boxen mit der Mannschaft Hannover-Rintelen wird von der Mannschaft Lok Delitzsch gewonnen.
Bürgermeister Otto Paul macht den ersten Spatenstich zum Aufbau eines neuen Wohnviertels in der Beerendorfer Straße. Vorgesehen ist, für 3.000 Personen Wohnungen zu bauen, mit einer Schule, einem Kindergarten und Krippe, einer Gaststätte und einem Frisörgeschäft sowie mit dem Bau eines Garagenkomplexes für 300 PKW.

1960 Dezember
15. Dezember: Mit der Einführung des neuen Arbeitsgesetzbuches werden die Betriebe aufgefordert, Betriebskollektivverträge abzuschließen. Der BKV soll für den Betrieb das wichtigste Dokument zur Erfüllung des Planes in allen Belangen sein.
Eine Bande unter Führung des Klempnerlehrlings Helmut T. hat sich vor dem Amtsgericht zu verantworten. Sie zerstörte im Mai 15 Glaslaternen im Stadtpark, „stürmte“ einen HO-Kiosk, wurde allerdings durch Passanten an dessen Plünderung gehindert. Ein Vortrag vor Jugendlichen im „Haus der jungen Talente“ (Schlossstraße 30) wird in erzieherischer Absicht durchgeführt, indem Tonbandaufnahmen von der Gerichtsverhandlung genutzt werden.
Der Volkswirtschaftsplan der örtlich geleiteten Industrie im Kreis Delitzsch wird im Teil Industrielle Bruttoproduktion von den halbstaatlichen Betrieben wie folgt erfüllt.
Fa. G. Steinfurt KG, Zschortau                            2,70 Mio.
Fa. H. Krombholz KG, Delitzsch                          1,57 Mio.
Fa. B. Flämig, Delitzsch                                        0,60 Mio.
Fa. W. Zschernig, Zschernitz                               0,23 Mio.
Fa. E. Freyberg, OHG Delitzsch                          4,95 Mio.
davon einen Exportanteil von                               0,62 Mio.
Die Leistungen des Handwerks betragen in diesem Jahr insgesamt 33,523 Mio. Mark. Der Anteil der PGH beträgt davon 7,297 Mio. Mark.
Die AWG Aufbau hat per 31.12. einen Stand von 1.386 Mitgliedern, 472 Wohnungen sind bezogen.


1961

1961 Januar
01. Januar: Der VEB Taxi Leipzig richtet eine Außenstelle in Delitzsch ein. Nach dem Aufstellen einer Rufsäule am unteren Bahnhof können die Taxis direkt von dort angefordert werden. Außerdem wird ein PKW-Ausleihdienst eingerichtet.
14. Januar: Im Maxim-Gorki-Haus (heute Haus der Volkssolidarität in der Leipziger Straße) wird in einer Festveranstaltung durch das Mitglied der Volkskammer und des Bezirksausschusses der Volkssolidarität, Dr. med. Harms, der Veteranenklub „Jenny Matern“ eröffnet.
In der Eilenburger Straße 13 (Modehaus Tenzer) bricht gegen 2000 Uhr ein Feuer aus. Vier Familien müssen evakuiert werden. Das Löschen des Brandes wird durch starken Frost behindert. Der Sachschaden beträgt 65.000 Mark.

1961 Februar
07. Februar: Die HO eröffnet in der Eilenburger Straße eine Automatenverkaufsstelle, in der Backwaren, Tabakerzeugnisse, Kaffee, Kakao, Süßigkeiten, kosmetische Artikel, Haushaltschemie, Schreibwaren, Filme und Glühbirnen angeboten werden.
22. Februar: Im Saal der ehemaligen Gaststätte „Lindenhof“ wird eine Verkaufsstelle für Gebrauchtmöbel eröffnet.

1961 März
03. März: Das Ehepaar Binroth stellt den Brigaden des RAW einen von ihnen gestalteten Wandbehang vor, der für den großen Saal im Urlauberschiff „Völkerfreundschaft“ bestimmt ist.
14. März: Im Grundstück Gerberplan 13 (ehemals Fischgeschäft Soban) wird ein Internat für die Sonderschule eingerichtet. 18 Kinder können dort untergebracht werden.
15. März: Bei der Wohnraumzählung werden in Delitzsch 2.333 Gebäude mit 7.237 Wohnungen erfasst. Die gesamte Wohnfläche beträgt 325.820 m2.
Wohnungen mit einem Zimmer                     558
                        mit zwei Zimmern                2.511
                        mit drei Zimmern                 2.997
                        mit vier Zimmern                    881
                        mit fünf Zimmern und mehr    290
24. März: Das Sonderklasse-Tanzpaar Busch errang bei einem Tanzturnier mit Spitzentanzpaaren aus Belgien, Dänemark, Westdeutschland, Österreich und der DDR den 2. Platz. Es wird am 22. April bei den in Köln stattfindenden Mitteleuropäischen Meisterschaften an den Start gehen.
Nach starken Regenfällen überschwemmt der Lober Teile der Stadt. Diese Situation wird durch den Braunkohletagebau noch verschärft, da Wasser vom Tagebau in den Lober eingespeist wird. Ein rascher Abfluss war nicht gewährleistet, das Problem einer Loberregulierung wird wieder diskutiert.

1961 April
22. April: Ein Rundstreckenrennen für Radfahrer wird durchgeführt. Die Strecke führt durch die Eisenbahnstraße, Karl-Marx-Straße, Clara-Zetkin-Platz (Nordplatz), Bitterfelder Straße, Roßplatz und Eilenburger Straße. 65 Fahrer aus fünf Sportklubmannschaften und den Friedensfahrermannschaften aus der DDR, Rumänien und der UdSSR nehmen daran teil. Darunter befindet sich der Olympiasieger Kapitonow (UdSSR); die Weltmeister und Friedensfahrtsieger Stoltze, Eckstein und Schur aus der DDR.
29. April: Auf der diesjährigen Internationalen Gartenbauausstellung in Erfurt ist das VEG Saatzucht Delitzsch (ehemals VE Gartenbaubetrieb) vertreten, das dort 125.000 Tulpen gepflanzt hat. Einige der Züchtungen wurden für ihre Qualität mit Preisen ausgezeichnet. Das VEG Saatzucht hat an der F 184 Delitzsch-Leipzig bis Brodau ein Feld zur Tulpenvermehrung angelegt. Im Frühjahr blühen dort 2,5 Millionen Tulpen.
92% der Schulabgänger aus dem Kreisgebiet nehmen in diesem Jahr an der Jugendweihe teil.
In der evangelischen Marienkirche werden eine Taufschale, ein Lesepult und eine Christusfigur aufgestellt, die von der Holzbildhauerin Elli Violn-Nahmacher gestaltet worden sind.

1961 Mai
01. Mai: Anlässlich des „Feiertages der Werktätigen“ findet ein Fußballspiel der Stadtauswahl (BSG Traktor und Lok) gegen die sowjetische Armee-Auswahlmannschaft Grimma statt.
Zum Monatsbeginn wird die Sächsische Bettfedernfabrik Paul Hoyer unter Treuhandverwaltung gestellt. Der Firmenchef hat sich mit seiner Familie dem ständig anwachsenden Druck seitens der Behörden, eine staatliche Beteiligung aufzunehmen, durch die Flucht in die BRD entzogen.
05. Mai: Auf dem Wallgraben wird ein Gondelbetrieb eröffnet. An der Bootsanlegestelle am Veteranenklub stehen dafür vier Ruder- und fünf Paddelboote bereit.
Ein Projekt zum Ausbau des Freibades am Werkstättenteich wird in Auftrag gegeben, kommt aber nicht zur Ausführung. Als Begründung werden Waffen- und Munitionsfunde angegeben. Tatsächlich haben in den letzten Tagen des Krieges im April Angehörige des aufgebotenen „Volkssturmes“ und desertierte Soldaten dort Waffen versenkt. Der Werkstättenteich war früher ein beliebtes Freibad der Delitzscher Bevölkerung, das rege genutzt wurde, zumal auch eine kleine Gaststätte (Familie Knopf) zur Verfügung stand. In der Folge wurde der Werkstättenteich mit Abfällen des RAW als Deponie verfüllt.
17. Mai: Die Kreislichtspiele beginnen mit Vorführungen von Filmen im Garten der ehemaligen „Parkgaststätte“. Sie finden während der warmen Jahreszeit jeden Mittwoch um 2100 Uhr statt.
In der Zuckerfabrik erfolgt die technologische Anpassung zur Verarbeitung von kubanischem Rohrzucker. Am 26. Mai wird dieser in 32 Waggons in der Zuckerfabrik angeliefert. Durch den reichen Futteranfall in diesem Frühjahr wurden in den Trocknungsanlagen der Zuckerfabrik 8.906 Dezitonnen Grünmasse getrocknet.

1961 Juni
01. Juni: In Delitzsch-Ost wird mit dem industriellen Häuserbau (Großblockbauweise) begonnen.
Im Kreiskrankenhaus wird der neu eingebaute Krankenaufzug in Betrieb genommen.
In der Nacht vom 06. zum 07. Juni wird in das Uhrengeschäft am Stalinplatz (Markt) eingebrochen. Es werden vorwiegend sowjetische Uhren gestohlen.
14. Juni: Das Spitzentanzpaar der Junioren-Sonderklasse, das Ehepaar Busch, das bereits 5 mal den Meistertitel errungen hat, wird mit dem „Preis für künstlerisches Volksschaffen, II. Klasse“ ausgezeichnet. Hasso Busch errang mit seiner Partnerin von 1955 bis 1967 insgesamt 15 DDR-Meistertitel in den Tanzdisziplinen „Standard“ und „Latein“. Er war damit der erfolgreichste Turniertänzer der DDR. Außerdem nahm er bis 1956 an zwei Gesamtdeutschen Meisterschaften und Länderkämpfen sowie an zwei Europameisterschaften und einer Weltmeisterschaft teil. 1969 beendete er seine aktive Laufbahn. Er war danach Übungsleiter in Leipzig und nach seiner 1974 erfolgten Übersiedlung in die BRD Tanztrainer in Köln. Er starb 1993.
18. Juni: Es findet ein großes Kreissängertreffen statt. Am Karl-Marx-Haus findet eine Leistungsschau der Blas- und Schalmeien-Orchester, der Chöre und Singegruppen statt. Am Abend wird ein Massensingen der Chöre mit dem Großen Staatlichen Orchester Weißenfels unter der Leitung von Gerhard Münchmeyer durchgeführt.

1961 Juli
02. Juli: Nach Abschluss des 1. Lehrjahres veranstaltet die Volksmusikschule ein Schülerkonzert. Etwa 100 Schüler treten in Musikgruppen und in Chören auf. Insgesamt lernen an dieser Einrichtung etwa 200 Kinder und Jugendliche.
25. Juli: Die Zuckerfabrik beginnt mit der Getreidetrocknung.

1961 August
13. August: Über den Stadtfunk wird der Bau des „Anti-faschistischen Schutzwalles“ bekanntgegeben. Dies ist die offizielle Bezeichnung im Staatsjargon der DDR, in der Umgangssprache nennt man sie jedoch „Die Mauer“.
Der Rat der Stadt teilt mit, dass zur kontinuierlichen Versorgung der Bevölkerung mit Butter die Aufstellung von Kundenlisten notwendig ist. Hierzu ist ein Abschnitt der Kartoffelbezugsberechtigung bis zum 25. August in der jeweiligen Verkaufsstelle vorzulegen.
24.-25. August: Unter der Devise: „Es ist höchste Zeit, aufs Dach zu steigen,“ fordern angeblich Brigaden aus dem RAW auf, die Fernsehantennen in eine andere Richtung zu drehen, nämlich in die „des Friedens und nicht in die des Krieges“. Antennen auf zahlreichen Häusern, die noch immer in die Richtung westlicher Fernsender zeigen, werden von FDJ-Brigaden und von der Feuerwehr gewaltsam abgesägt. Solche Vorfälle geschehen beispielsweise in der Freesestraße und in der Karl-Liebknecht-Straße. Diese Aktionen wurden von der SED-Kreisleitung initiiert und gesteuert.
Die erste Ordnungsgruppe der FDJ11 des Kreises, der 36 Jungen und Mädchen angehören, wird im Jugendstadion durch die SED-Kreisleitung vereidigt. Sie geloben „Die Feinde der Sozialistischen Republik zu schlagen, die Ehre der Partei der Arbeiterklasse und der FDJ zu verteidigen und jeden Auftrag für das Vaterland und den Frieden zu erfüllen“.

1961 September
01. September: In der Presse wird mitgeteilt, dass die Fernsehapparate mehrerer Einwohner der Stadt wegen öffentlich organisiertem Westfernsehens von der Volkspolizei beschlagnahmt worden sind.
17. September: Die Wahl für die örtliche Volksvertretung in der Kreisstadt hat bei einer Wahlbeteiligung von 99,3% eine 100%ige Zustimmung für die Kandidaten der NF gebracht. Es ist das beste Ergebnis im Bezirk Leipzig.
23. September: Die Erweiterte Ehrenberg-Oberschule gibt bekannt, dass sie fünf Ordnungsgruppen, bestehend aus 50 FDJ-lern gebildet hat.
27. September: Auf der konstituierenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung wird das SED-Mitglied Otto Paul als Bürgermeister wiedergewählt.
30. September: Die Festwoche anlässlich des 12. Jahrestages der DDR wird mit einem Filmball eröffnet, an dem bekannte Künstler der DEFA, u.a. der NPT und Drehbuchautor Günter Rücker und der Schauspieler Hanjo Hasse teilnehmen.

1961 Oktober
07. Oktober: Anlässlich des Gründungstages der DDR findet vormittags auf dem Stalinplatz eine Großkundgebung statt. Nachmittags stehen Sport, Kabarett, Musik und Chorkonzerte auf dem Programm. Abends ist Tanz im Karl-Marx-Haus und im Sozialgebäude des RAW. Am Vorabend ist ein Kreisappell der FDJ-Ordnungsgruppen durchgeführt worden. Die GST beginnt ebenfalls mit der Aufstellung derartiger Einsatzgruppen.
17. Oktober: Die Presse veröffentlicht den Beschluss des Pädagogischen Rates der Erweiterten Ehrenberg-Oberschule. Darin wird von den Schülern gefordert, keine „Rundfunk- und Fernsehsendungen der NATO-Staaten und Sender anderer kapitalistischen Staaten zu hören oder zu sehen und ihre Hetze zu verbreiten“. Verstöße gegen dieses Verbot werden mit den im § 34 der Schulordnung festgelegten Maßnahmen bestraft. Die Eltern werden ersucht, ihre Kinder dabei zu unterstützen.

1961 November
06. November: Der VEB KWV eröffnet am Clara-Zetkin-Platz 6 (heute Nordplatz) eine Selbsbedienungswäscherei mit vier Waschmaschinen.
25. November: Auf einer Tagung der SED-Kreisleitung wird Albin Schneider unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes von der Funktion als 1. Sekretär der Kreisleitung entbunden. Als Nachfolger wird Willi Dau gewählt.
30. November: Im Stahlwettbewerb der DDR steht in diesem Jahr der VEB Ziehwerk an der Spitze. Als Sieger erhält der Betrieb die Wanderfahne der VVB für die 2. Verarbeitungsstufe.

1961 Dezember
10. Dezember: Erstmalig wird der „Tag des Gesundheitswesens“ begangen. Aus diesem Anlass wird dem Ärztlichen Direktor des Kreiskrankenhauses/Poliklinik und Chefarzt der chirurgischen Abteilung Dr. Dr. Schulze-Warnecke die „Hufeland-Medaille in Silber“ verliehen.
13. Dezember: Auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung wird der „Stalinplatz“ wieder in „Markt“ umbenannt


1962

1962 Januar
01. Januar: Der VEB Kunststoff- und Textilverarbeitung wird zum Treuhänder für den Betrieb „Sächsische Bettfedernfabrik Paul Hoyer“ in der Angerstraße bestellt.
04. Januar: Aus Anlass der 100. Wiederkehr des Todestages des Delitzscher Chronisten Johann Gottlieb Lehmann wird auf dem ehemaligen Marienfriedhof seine Grabstätte neu gestaltet. Die Grabplatte wird ebenfalls restauriert. Die Grabplatte befindet sich seit etwa 1965 im Museum im Schloss.
18. Januar: In diesem Jahr werden neben einzelnen Eigenheimen vor allem 208 Wohnungen im Mietwohnungsbau fertiggestellt. Da der VEB Bau Delitzsch vorrangig für den Aufbau der Messestadt Leipzig eingesetzt wird, muss der Baubeginn weiterer Neubauten auf 48 Wohnungen als Kohleersatzbauten beschränkt werden.

1962 Februar
01. Februar: Nach längerer Schließzeit wird die Ausflugsgaststätte „Froschmühle“ in Kertitz durch den Konsum wiedereröffnet.
Ein Sturm verursacht am Dach der Stadtkirche großen Schaden. Der Rat der Stadt, der noch formal das Patronatsrecht inne hat, lehnt eine Kostenbeteiligung an der Schadensbehebung ab, so dass die Reparatur vorerst nicht durchgeführt werden kann.

1962 März
22. März: Der Chor der Ehrenberg-Oberschule hat bei einem Bezirksvergleich das Prädikat „Ausgezeichneter Chor der Oberstufe“ erhalten und wird als bester Chor des Bezirkes Leipzig am zentralen Leistungsvergleich in Eisenach teilnehmen. Radio DDR besucht den Chor und nimmt mehrere Musiktitel auf, die am 03. April gesendet werden.

1962 April
22. April: Das Mandolinenorchester begeht sein 40-jähriges Jubiläum. Der Leiter Gustav Exner ist Mitbegründer des Orchesters und seit 1922 mit ihm verbunden. An einer Festveranstaltung zu diesem Jubiläum wirken 150 Laienmusiker und Solisten vom Radio DDR mit.
08. Mai: Der Geschäftsführer der Zigarrenfabrik Krombholz KG, Hans Krombholz, verstirbt in Leipzig im Alter von 82 Jahren. Er hatte 1928 die seit 1854 bestehende Zigarrenfabrik in der Halleschen Straße 27 erworben.

1962 Juni
12. Juni: Die Judo-Mannschaft des TUS Iserlohn reist trotz des Beschlusses der westdeutschen Sportführung zum Abbruch der gegenseitigen Beziehungen zu einem Vergleichskampf gegen die SG-Dynamo an.
26.-29. Juni: Bei den in Dresden ausgetragenen Jugendmeisterschaften im Tennis erringt Karl-Heinz Rast von der BSG Traktor Delitzsch den Meistertitel im Einzel für Jungen.

1962 Juli
In diesem Monat verbringen 530 Kinder ihre Ferien im „Sputnik-Zentrum“, das im vorigen Jahr auf dem RAW-Sportplatz errichtet wurde. Im August werden nochmals 420 Teilnehmer erwartet.

1962 August
05. August: Der MC Rackwitz/Delitzsch des ADMV führt ein K-Wagen-Rennen durch. Die Strecke verläuft vom Roßplatz über die Bitterfelder Straße, Gerberplan, Wallgraben zurück zum Roßplatz. 135 Starter sind gemeldet, 6.000 Zuschauer werden gezählt. Der Sportfreund Nestler vom Kollektiv Längrich (KFZ-Werkstatt in der Halleschen Straße 36) erreicht den 5. Platz.
29. August: Im Museum wird eine Ausstellung zur „Geschichte der Landwirtschaft im Feudalismus-Kapitalismus-Sozialismus“ eröffnet.

1962 September
Ab 1. September haben alle Kinder im Kreis Delitzsch die Möglichkeit zu einem 10-jährigen Schulbesuch in den neu eingerichteten Polytechnischen Oberschulen.
02. September: Die Tischtennismannschaft der BSG Traktor Delitzsch erringt bei den Endkämpfen um die Landessport-Bestenermittlung der DDR in Quedlinburg den Titel des Mannschaftsmeisters.
Der Gemeindekirchenrat beschließt, die notwendigen Reparaturarbeiten an der Stadtkirche ausführen zu lassen. Die Gemeindemitglieder werden zu Arbeitsleistungen aufgerufen.

1962 Oktober
03. Oktober: Die Judo-Sportler erhalten in der ehemaligen Gaststätte „Goldene Kugel“ in der Grünstraße eine neue Trainingsstätte.
14. Oktober: Beim Leistungsvergleich der DDR-Chöre in Dessau hat der EOS-Chor unter der Leitung von Gerhard Münchmeyer das Prädikat „Sehr Gut“ erhalten.
28. Oktober: Nach Erringung des Bezirksmeistertitels im Handball hat Lok Delitzsch I jetzt den Aufstieg in die DDR-Liga geschafft.

1962 November
17. November: Bei einer Schlägerei in der Fabrikstraße an der Zuckerfabrik wird ein Mann durch Messerstiche tödlich verletzt. Der Täter, der unter Alkoholeinfluß stand, wird nach zwei Stunden gefasst und später verurteilt.
Während des ganzen Monats fanden wegen Maul- und Klauenseuche keine Sportveranstaltungen im Kreis statt.
1962 Dezember
21. Dezember: Das Telefonortsnetz Delitzsch wird auf den Selbstwahlfernsprechdienst umgestellt. Vorerst können hierdurch 25 andere Ortsnetze, beispielsweise Berlin, Halle, Leipzig und weitere Orte dieser Bezirke direkt angewählt werden.
30. Dezember: Zur Kreisdelegiertenkonferenz des KFA Schach weilt der Internationale Schachgroßmeister Wolfgang Uhlmann in Delitzsch. Bei einem Simultanspiel an 34 Brettern gewinnt er 26 Partien und beendet vier mit unentschieden.
Der Molkerei Delitzsch werden die Molkereien aus Zwochau und Bad Düben angegliedert. Daraufhin erfolgt eine Spezialisierung in der Produktionspalette. Es werden Trinkmilch in Flaschen, Schlagsahne, saure Sahne, Buttermilch, Kakaotrunk, Speisequark und Joghurt produziert. An das Trockenmilchwerk Torgau wird Magermilch und an die Zentrale Butterei in Leipzig-West der Rahm geliefert. Seit der Schließung der Molkerei Zwochau werden 140 t/pro Tag Rohmilch zur Versorgung der Kreise Delitzsch und Eilenburg verarbeitet.
Im RAW werden ab diesem Jahr und in den weiteren Jahren neue Maschinen in die Produktion aufgenommen; unter anderem zwei große Radsatzdrehmaschinen und ein Ultraschall-Radsatzprüfstand zur Prüfung der Radsätze.


1963

1963 Januar
Seit Anfang des Jahres herrscht andauernde Kälte mit bis zu -20oC. Diese Periode wird als der drittkälteste Winter des Jahrhunderts bezeichnet. Vom Ministerrat werden Maßnahmen zur Sicherstellung der Produktion und zur Versorgung der Bevölkerung mit Brennstoffen, Energie, Gas und Wasser getroffen. Der Kreisoperativstab beschließt unter anderem die Schließung einer Reihe von Verkaufsstellen, die nicht für die Versorgung der Bevölkerung von Bedeutung sind, Öffnung der anderen Läden erst ab 900 Uhr, Schließung aller öffentlichen Saal- und Kulturräume mit begrenzter Ausnahme der Lichtspielbetriebe. Schulen werden zusammengelegt und Kurzunterricht eingeführt. Die Diesterweg-Schule wird geschlossen. Zwei weitere verkürzen den Unterricht auf drei bis vier Tage in der Woche, die Winterferien werden auf Anfang Februar vorverlegt. Die Straßenbeleuchtung und die Lichtwerbung werden eingeschränkt, Verwaltungen und Institutionen werden zusammengelegt. Nach einer kurzfristigen Minderung der Kälte in der zweiten Monatshälfte sinkt die Temperatur wieder auf -17oC und steigt bis Ende Februar nicht über 0 Grad Celsius.

1963 Februar
10. Februar: Der Chor der EOS nimmt an der Festveranstaltung der besten Volkskunstgruppen der DDR im Klubhaus Espenhain teil, die vom Deutschen Fernsehfunk direkt übertragen wird.
25. Februar: Im RAW wird im Sozialgebäude das Werkrestaurant eröffnet.

1963 März
11. März: Der VEB Ziehwerk Delitzsch erhält auf der Leipziger Frühjahrsmesse für ein Exponat das Messediplom.

1963 April
13. April: Die Judoka aus Iserlohn/BRD treffen auf die Mannschaft der SG Dynamo, die durch Kämpfer von der DHfK Leipzig verstärkt ist.

1963 Mai
02. Mai: Der Waschstützpunkt in der Karl-Liebknecht-Straße (ehem. „Lindenhof“, Bismarkstraße) wird mit fünf Waschautomaten in Betrieb genommen.
18. Mai: Für das 2. Delitzscher K-Wagenrennen haben sich 160 Fahrer aus sechs Bezirken angemeldet. Das ist die stärkste Beteiligung an allen bisher in der DDR ausgetragenen Rennen. Der Deutsche Fernsehfunk der DDR überträgt diese Veranstaltung.

1963 Juni
09. Juni: Der Schlossturm wird nach seiner Instandsetzung wieder geöffnet. Die Etagen des Turmes sind als Museumsräume für die Stadtgeschichte neu eingerichtet.
26. Juni: Die Stadtverordneten beschließen folgende Grundsätze zur Wohnraumvergabe:
für 1 - 2 Personen                  1-Raum-Wohnung
für 2 - 3 Personen                  2-Raum-Wohnung
für 3 - 4 Personen                  2 - 3-Raum-Wohnung
für 4 - 5 Personen                  3 - 4-Raum-Wohnung
ab 6 Personen                       4-Raum-Wohnung.
Es gibt 1.217 Wohnungssuchende, davon müssen 111 dringend mit Wohnungen versorgt werden. Die Einwohnerzahl der Stadt Delitzsch beträgt 23.000 Personen. Sie leben in 7.732 Wohnungen.

1963 Juli
03. Juli: Im Werkstättenteich wird ein Angehöriger des RAW von einem Arbeitskollegen vor dem Ertrinken gerettet. Er hatte beim Schwimmen das Bewusstsein verloren. Aus diesem Anlass weist der Rat der Stadt daraufhin, dass dort das Baden auf eigene Gefahr geschieht.

1963 September
01. September: Für 380 neu eingeschulte Kinder beginnt der erste Schultag. Ende des vorigen Schuljahres wurden 3.344 Kinder und Jugendliche in sieben Schulen der Stadt unterrichtet.
19.September: Eine Kreiswählerkonferenz wird mit den Kandidaten für die Volkskammer, unter Teilnahme des Mitglieds des Politbüros Genossen Paul Fröhlich durchgeführt. Weitere Teilnehmer sind die Kandidaten für die Volkskammer Horst Heinrich (NDPD), Vorsitzender der PGH „Aufbau“, die Kandidatin für den Bezirkstag Hilda Grabsch (SED), VEB Ziehwerk, und Bruno Henger (SED), RAW, Bezirkstagsnachfolgekandidat.
24. September: Für die neue Theatersaison ist das Elbe-Elster-Theater Wittenberg verpflichtet worden. Im renovierten Karl-Marx-Haus sind zehn Vorstellungen vorgesehen.
Im Schlossturm wird ein Automatenfernrohr aufgestellt, das aus NAW-Mitteln gekauft wurde.
28. September: Der Berufsschullehrer und Bauingenieur Gerhard Müller verstirbt im Alter von 54 Jahren. Er hat sich große Verdienste beim Bau der Berufsschule und des Jugendstadions erworben. Ihm zu Ehren wird der Verbindungsweg von der Ludwig-Jahn-Straße zur Karl-Marx-Straße „Gerhard-Müller-Weg“ benannt. Der Beschluss der Stadtverordneten vom 14. April 1965 erfolgt auf Vorschlag des Direktors der Berufsschule Günter Wolf.

1963 Oktober
08. Oktober: Eine HO-Kaufhalle für Nahrungs- und Genussmittel wird in der Mittelstraße eröffnet.

1963 November
13. November: Die neue Fernverkehrsstraße F 184 von Delitzsch nach Bitterfeld wird für den Verkehr freigegeben. Sie führt jetzt über Petersroda. Die bisherige Straßenführung über Benndorf, Grube Ludwig und Holzweißig musste wegen des Braunkohleaufschlusses verlegt werden.
17. November: Ihren ersten Boxkampf in der DDR-Liga gewinnt Lok Delitzsch gegen Empor Dresden/Stahl Freiberg mit 14:6.

1963 Dezember
12. Dezember: Am Vorabend des 15. Geburtstages der Pionierorganisation wird auf dem Schulhof der Diesterweg-Oberschule eine Thälmann-Büste enthüllt. Die Pioniere hatten das Geld für deren Anschaffung gesammelt. Die Einweihung wird durch den Direktor der Zuckerfabrik, Genossen Bernhardt, vorgenommen, der persönliche Verbindungen zu Ernst Thälmann hatte.


1964

1964 Januar
01. Januar: Der VEB Färberei und Chemische Reinigung in der Laueschen Straße erhält den Status eines Dienstleistungsbetriebes.
05. Januar: Die BSG Traktor und Lok schließen sich unter dem Namen BSG Lok zusammen, der auch die SG Einheit beitritt. Zunächst folgen diesem Beschluß aber nicht alle Sektionen. Die BSG Stahl und die SG Dynamo bleiben weiterhin eigenständig.
30. Januar: Durch den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung werden im Neubaugebiet Delitzsch-Ost folgende Straßennamen vergeben: Johannes-R.-Becher-Straße, Erich-Weinert-Straße und F.-C.-Weiskopf-Straße.

1964 Februar
19. Februar: Der Sanitätsrat Dr. Felix Winkelhausen verstirbt im Alter von 84 Jahren. Er hatte sich am 10.01.1909 in Delitzsch als Arzt niedergelassen und über 50 Jahre praktiziert. Ihm war am 08.12.1961 in Würdigung und Anerkennung seiner Verdienste um die gesundheitliche Betreuung der Einwohner des Kreises Delitzsch vom Minister für Gesundheitswesen der Titel „Sanitätsrat“ verliehen worden.
26. Februar: Das VEG Saatzucht, Zierpflanzen Erfurt, Betriebsteil Delitzsch hat etwa drei Millionen Tulpen in 56 verschiedenen Sorten und 10.000 Gladiolen vermehrt.

1964 März:
20. März: Der seit einigen Jahren nicht mehr arbeitende „Klub der Intelligenz“ wird neu gegründet. Zur Eröffnungsveranstaltung liest die Leipziger Schriftstellerin Hildegard Rauchfuß aus ihren Büchern.

1964 April
Einen empfindlichen Verlust stellt für die Einwohner das Hinscheiden des Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenleiden, Sanitätsrat Dr. Dietrich Schröder dar, der seine Praxis im Haus Am Wallgraben 13 hatte.
05. April: Aus Anlass des 30-jährigen Bestehens der Blaskapelle des RAW findet im dortigen Sozialgebäude ein Konzertnachmittag statt.
29. April: Am Vorabend des 1. Mai wird die PGH „Aufbau“ als erste Genossenschaft der DDR vom Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht mit dem Orden „Banner der Arbeit“ ausgezeichnet.

1964 Mai
08. Mai: Die Fachgruppe „Aquarien und Terrarien“ des Kulturbundes hat im Gebäude des ehemaligen „Neuen Heiligbrunnen“ in der Oskar-Reime-Straße ein Zierfischaquarium für 26 Fischarten und ein Fischaufzuchtbecken eingerichtet. Der Pavillon in den Grünanlagen am Moorbad wurde bereits 1954 von der Fachgruppe ausgebaut und mit Aquarien bestückt. Dieser Pavillon hatte auch den Beinamen „Roßmäßler-Häuschen“.12
20. Mai: Der 1. Sekretär der Kreisleitung der SED, Dr. Willi Dau, wird in die Bezirksleitung der SED berufen. Seine Aufgabe im Kreis Delitzsch übernimmt Richard Tänzer.
31. Mai: Aus Anlass des „Internationalen Kindertages“ wird der Kinderspielplatz an der Emil-Krell-Straße übergeben. Zur Übergabe findet ein Kinderfest statt.

1964 Juni
Zum „Tag der Eisenbahner“ findet auf dem Sportplatz an der Elberitzmühle ein Fußballfreundschaftsspiel zwischen dem Bezirksligisten Lok Delitzsch und dem Deutschen Meister 1964 BSG Chemie Leipzig, statt.
28. Juni: Das Kreismuseum im Schloss wird aufgrund von Bauarbeiten (Neuputz des Turmes und Aufbringen eines Kupferdaches) bis Jahresende geschlossen. In dieser Zeit wird dafür der Breite Turm geöffnet, in dem einige Exponate gezeigt werden. An der Stadtkirche werden ebenfalls Reparaturarbeiten durchgeführt und eine neue Turmuhr eingebaut.

1964 August
01. August: Es erfolgt die Ausgabe neuer Banknoten im Verhältnis 1:1 mit der Bezeichnung „Mark der Deutschen Notenbank“. Die bisherigen Geldscheine bleiben noch bis 30.04.1965 gültig.
05. August: Ab sofort ist das Baden im Werkstättenteich verboten. Bei der Beseitigung des Unrats durch Tauchsportler des RAW werden Waffen und Munition aus der Zeit des II. Weltkrieges gefunden.

1964 September
05. September: Werner Parré (Lok Delitzsch) wird Deutscher Vizemeister im Billardkegeln. Die 16-jährige Helga Reiwand (GST-Sportschießen) aus dem RAW wird Deutsche Jugendmeisterin in der Disziplin 60 Schuss liegend.
09. September: In den späten Abendstunden vernichtet ein Großfeuer einen Strohdiemen am Wasserturm mit 96 Tonnen Stroh. Als Brandursache wird Brandstiftung ermittelt.
26.-27. September: Zur Kartoffelernte wird vom RAW, dem Schokoladenwerk, den PGH und aus den Verwaltungen und Einrichtungen Personal abgestellt. Es werden vor allem Angestellte als Helfer eingesetzt.

1964 Oktober
07. Oktober: Der 15. Jahrestag der DDR wird mit einem Festprogramm begangen. Am Denkmal der Opfer des Faschismus, Bitterfelder Straße, werden Kränze niedergelegt.
24. Oktober: Der Klub für Gesellschaftstanz des RAW tritt mit einem Tanzturnier an die Öffentlichkeit. Vor zwei Jahren wurde dieser Klub von den Tanzpaar Weihmann gegründet.
30. Oktober: Das 75-jährige Jubiläum der Sparte „Rassegeflügel Delitzsch“ wird mit einer Kreisleistungsschau im Lindenhof begangen.

1964 Dezember
In der Kampagne der Zuckerfabrik werden jetzt täglich über 1.800 t Zuckerrüben verarbeitet.
Im Ziehwerk wird ein Kohleheizwerk mit einem Kostenaufwand von 2,1 Mio. Mark erbaut.
Das RAW hat 2.300 Beschäftigte. In diesem Werk werden sämtliche vierachsigen Reisezugwagen der Deutschen Reichsbahn gewartet.
In der „Leipziger Volkszeitung“ heißt es, dass im Zeitraum von 1957-1964 in Delitzsch-Nord und Delitzsch-Ost 1.200 Neubauwohnungen geschaffen wurden. In Delitzsch leben rund 24.000 Einwohner. Der Rat der Stadt Delitzsch besteht aus 11 Mitgliedern, die aus der Mitte der 55 Stadtverordneten entsprechend den Vorschlägen der Fraktionen der Parteien und gesellschaftlichen Organisationen vorgeschlagen werden. Die Parteien und Organisationen sind in der NF zusammengefasst. Dem Rat der Stadt gehören an:
Otto Paul, SED                   Vorsitzender des Rates und Bürgermeister
Gerhard Clasen, NDPD     1. Stellvertreter
Kurt Räuber, CDU              2. Stellvertreter
Günter Löhnert, SED         Sekretär des Rates
Dem Rat gehören ferner sieben ehrenamtliche Mitglieder an, davon ein Vertreter der LDPD und einer der DBD.
Nachdem durch Blitzschlag die alte Wohnhaus der Wassermühle in Benndorf, gelegen an der Rödgener Straße 8, stark beschädigt worden war, wurde das Gebäude vollständig abgebrochen. An dessen Stelle wurde unmittelbar darauf ein neues Wohnhaus erbaut. Die alte Wassermühle war bereits 1955 stillgelegt worden.


1965

1965 Januar
08. Januar: In einer Presseveröffentlichung wird der Perspektivplan für die Braunkohlenerschließung bekanntgegeben. Von 1967 bis 1969 sollen im Raum Schladitz, Lössen und Wolteritz die Aufschlussarbeiten durchgeführt werden. Diese Pläne werden bis 1976 nicht umgesetzt. Der 1969/70 vorgesehene Aufschluß eines weiteren Tagebaues im Raum Zaasch/ Schenkenberg, wird nicht realisiert.

1965 Februar
Der Malermeister Pawlowski, Hallesche Straße, der bereits mehrere Denkmalspflegearbeiten ausführte, hat die Restaurierung von Gemälden im Saal des Wölkauer Schlosses abgeschlossen.
20. Februar: Die Billard-Kegelmannschaft Lok Delitzsch I hat nach ihrem Sieg über Fortschritt West Leipzig den Aufstieg in die DDR-Liga geschafft.
25. Februar: Der Kreistag beschließt den Volkswirtschaftsplan 1965, worin der Baubeginn von 208 Wohnungen und die Fertigstellung von 142 Wohnungen, einer Schule und einer Kaufhalle in Delitzsch-Ost und die Ausstattung des Breiten Turmes mit einem Kupferdach enthalten sind.

1965 März
In den ersten Tagen des Monats führt starker Schneefall zu vielfältigen Behinderungen. Es werden deshalb alle Sportveranstaltungen ausgesetzt und die Sportler zur Unterstützung des Katastropheneinsatzdienstes beim Schneeräumen aufgerufen. Die Fernverkehrsstraßen 2 und 184 nach Leipzig können freigehalten werden. Ab dem 4. März sind unter Mitarbeit vieler freiwilliger Helfer die Verbindungsstraßen im Kreis wieder passierbar.
09. März: Die Firma Ernst Freyberg, Chemische Fabrik Delitia, hat auf der vom 28.02.-09.03. dauernden Jubiläumsmesse „800 Jahre Leipziger Messe“ Exportaufträge für Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln nach Bulgarien, Ägypten und Indonesien abgeschlossen. Der Direktor einer indonesischen Firma weilt in dieser Zeit zu einer Betriebsbesichtigung in Delitzsch.

1965 April
01. April: Die „Capitol-Lichtspiele“, Hallesche Straße 32, werden wegen zurückgegangener Besucherzahlen geschlossen.
05. April: An der Bahnunterführung in der Eilenburger Chaussee wird ein Fußgänger von einem Motorrad angefahren und tödlich verletzt.
18. April: Nach Abschluss der Bauarbeiten wird das Kreismuseum mit einer Ausstellung junger Künstler der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig „Delitzsch ein Grafikzyklus“ wieder eröffnet. Das Schloss wird im Laufe des Jahres neu verputzt.

1965 Mai
02.-09. Mai: Aus Anlass der Feier zum „20. Jahrestag der Befreiung“ finden „Festtage der sozialistischen Kultur statt“. An der Festveranstaltung am 08. Mai nehmen der ehemalige stellvertretende Kreiskommandant bis 1948, Major Dubner, und der Politoffizier der sowjetischen Kommandantur 1945/46, Oberleutnant Astachow, teil. Beide sind als Gäste zu einem 14-tägigen Aufenthalt eingeladen worden.
12. Mai: Im Nachgang zu den Festtagen tritt das sowjetische Gesangs- und Tanzensemble NOHRA im Karl-Marx-Haus auf.
15. Mai: Bei Säuberungsarbeiten im Wallgraben wird am Wehr an der Stadtmühle in einem vermoderten Einkaufsbeutel eine weibliche Kinderleiche gefunden.
16. Mai: Der VEB Kraftverkehr eröffnet eine Bus-Ausflugslinie in die Dübener Heide. Der Bus fährt jeden Sonntag um 800 Uhr ab Wallgraben zum Forsthaus Oppin.
29. Mai: Der „Klub für Gesellschaftstanz“ im RAW veranstaltet ein Tanzturnier der Sonderklasse, an dem alle Paare der Spitzenklasse der DDR, darunter die amtierenden Meister der Senioren Heinz und Ruth Weihmann (Delitzsch) und der Junioren Hasso und Brigitte Busch (früher Delitzsch, jetzt Leipzig) teilnehmen.

1965 Juni
03. Juni: In der Stadtverordnetenversammlung wird bekanntgegeben, dass es trotz der umfangreichen Wohnungsneubauten immer noch 595 Wohnungssuchende in der Stadt gibt.
06. Juni: Der RAW-Chor fährt zu Pfingsten zu einer Konzertreise nach Rakovnik (CSSR), der Partnerstadt von Delitzsch.

1965 Juli
01. Juli: Der VEB Stadtwirtschaft wird gegründet. Sein Leiter, Peter Frey, wird der bisherige Leiter des VEB Kommunale Stadtwirtschaft.
Der seit März 1958 in Delitzsch amtierende evangelische Pfarrer Schierbaum wird als Superintendent nach Kemberg berufen.

1965 August
In diesem Monat finden in den Betrieben, in den Wohnbezirksausschüssen der NF sowie vor Arbeitskollektiven zahlreiche Rechenschaftslegungen von Abgeordneten der Stadtverordneten-versammlung statt. Damit verbunden ist die Kandidatenvorstellung für die kommende Legislaturperiode.
28. August: In der Beerendorfer Straße wird eine neue Schule eingeweiht, die den Namen „Otto-Grotewohl-Oberschule“ (heute Grundschule Ost) erhält. An der Einweihungsfeier nimmt die Witwe des ersten Ministerpräsidenten der DDR, Johanna Grotewohl, teil. Der Unterricht beginnt dort am 1. September mit 900 Schülern.

1965 September
21. September: Als 18. PGH des Kreises wird die PGH „Elektro-Rundfunk-Fernsehen“ unter dem Vorsitz von Elektromeister Bodo Quinque gegründet. Die seit 1958 entstandenen PGH hatten 844 Mitglieder und 25 Kandidaten vereint. Es gab noch 380 private Handwerker gegenüber 720 individuell arbeitenden Handwerksbetrieben vor 10 Jahren im Kreis Delitzsch.

1965 Oktober
04. Oktober: Die HO „Kaufhalle-Ost“ wird eröffnet und das HO-Café „Freundschaft“ (ehemals „Ledererbräu“ Kohlstraße) wird nach langer Schließzeit und nach einem Umbau der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht.
Am 26. Oktober findet die konstituierende Sitzung des Kreistages Delitzsch statt. Diese Sitzung ist verbunden mit der Wahl des Rates des Kreises. Karl Hübner (SED) wird als Vorsitzender des Rates des Kreises bestätigt.
28. Oktober: Die Stadtverordneten wählen Otto Paul (SED) als Bürgermeister, stellvertretende Bürgermeister werden Gerhard Clasen (NDPD) sowie Johannes Stein (CDU).
30. Oktober: Mit dem Gewandhausquartett wird die neue Veranstaltungsreihe „Rathauskonzert“ eröffnet.

1965 November
05.-06. November: Erfolge der Delitzscher Schützen bei den DDR- Meisterschaften des Deutschen Schützenverbandes: Jugend B - Deutscher Meister Behrend Hubara (Einzel) und Mannschaftssieg zusammen mit Reiner Pönitzsch und Klaus Meyer; Jugend A - Arthur Schipolowski und Gerhard Teicher.
13. November: Im RAW findet vor den Werktätigen die Vereidigung von Soldaten der Dienststelle Bad Düben statt, wozu auch alle Schüler der Klassen 8-12 hinzugezogen werden.

1965 Dezember
07. Dezember: Das Arbeitertheater des RAW führt das Märchen „Rotkäppchen und der Wolf“ auf. In der Vorweihnachtszeit wird es in 15 Veranstaltungen gezeigt.
29. Dezember: Die Renovierungsarbeiten am Breiten Turm sind beendet. Er wurde neu verfugt und mit einem Kupferdach versehen.
Sieben Betriebe des Kreises Delitzsch mit staatlicher Beteiligung beschäftigen 530 Werktätige, davon 404 Produktionsarbeiter. Die Handwerksbetriebe produzierten und erbrachten Dienstleistungen im Wert von insgesamt 44,34 Mio. MDN. Der Anteil der privaten Handwerksbetriebe beläuft sich auf 18,8 Mio. MDN. Betriebe im Kreis und in der Stadt Delitzsch erbrachten folgende Leistungen:
VEB Delitzscher Süßwaren                        188,60 Mio.
            davon Export                                      1,03 Mio.
VEB Zuckerfabrik                                          24,60 Mio.
            davon Export                                      0,75 Mio.
BSB Ernst Freyberg OHG                             11,50 Mio.
            davon Export                                      3,20 Mio.
BSB Steinfurt KG Zschortau                          4,30 Mio.
            davon Export                                      0,10 Mio.
VEB Plastex                                                    4,90 Mio.
VEB Brauerei Krostitz                                   12,40 Mio.
Molkerei Delitzsch                                         20,90 Mio.
BSB Krombholz KG                                         2,63 Mio.
Der VEB Hochbau errichtete in diesem Jahr in der R.-Wagner-Straße eine neue Produktionshalle. Dieser Betrieb ist nicht identisch mit der unmittelbar benachbart liegenden PGH Hochbau, einem Zweigbetrieb des an der Leninstraße liegenden Hauptbetriebes. Der VEB Hochbau Delitzsch nannte sich um 1975 VEB Ingenieur-Hochbau Leipzig, Betriebsteil Nord und trug anschließend zuletzt bis 1990 den Namen VEB Bau- und Montagekombinat Süd-Betonwerk Delitzsch.


1966

1966 Januar
01. Januar: Die Gründung des „Schulze-Delitzsch-Frauenchores“ im VEB Delitzscher Kakao- und Schokoladenwerke wird vorbereitet. Es dauert noch bis zum Dezember, bis der Chor einen ersten Auftritt hat. Der Schulze-Delitzsch-Männerchor besteht bereits seit 1954.
25.-26. Januar: Auf dem Roßplatz wird in einem geheizten Zelt der Riesenwal Goliath ausgestellt. Er wog ursprünglich 68,2 Tonnen, ist 22 m lang, wurde 1954 in Norwegen gefangen und in Frankreich konserviert.

1966 Februar
24. Februar: Die Stadtverordneten beschließen den Haushaltsplan mit einem Umfang von 2,417 Mio. Mark; einen weiteren Schwerpunkt bildet der Wohnungsbau in Delitzsch-Ost.
25. Februar: Beim Vernichten von Magnesiumpulver im halbstaatlichen Betrieb Delicia erleiden drei Betriebsangehörige schwere Verletzungen, an deren Folgen sie nach einigen Tagen im Krankenhaus sterben.
27. Februar: Auf der F 183a ereignet sich kurz vor Delitzsch ein tödlicher Verkehrsunfall. Ein Motorradfahrer, von Storkwitz kommend, wird aus der Linkskurve herausgetragen und prallt gegen einen Baum.

1966 März
24. März: Die Eilenburger Straße wird aus Anlass des 20. Jahrestag der SED in Wilhelm-Pieck-Straße umbenannt.
27. März: Der Chor der Ehrenberg-Oberschule unter Leitung von Gerhard Münchmayer veranstaltet gemeinsam mit dem Staatlichen Orchester Leipzig, Solisten der Leipziger Oper und dem RAW-Männerchor ein Opernkonzert.

1966 April
24. April: Das VEG Saatzucht wurde bei der IGA-Eröffnungsschau mit zwei Goldmedaillen und einer Silbermedaille für seine Tulpen und Narzissen ausgezeichnet.
30. April: Nach umfangreichen Renovierungen wird das „Haus der jungen Talente“ in der Schloßstraße 30 wiedereröffnet. Vorhaben für seine Nutzung sind Gesprächsrunden mit prominenten Persönlichkeiten, Vorträge aus Wissenschaft und Technik sowie Literaturabende, Zirkel aus den verschiedensten Bereichen und die Pflege der Geselligkeit bei Tanzveranstaltungen.
Den LVZ-Staffellauf, an dem die Mannschaften der einzelnen Schulen teilnehmen, eröffnet die Silbermedaillengewinnerin der Olympischen Spiele vom Rom, Hanna Langer-Hübner, mit einem Startschuss. Die Siegerehrung nimmt Gustav-Adolf Schur vor.

1966 Juni
27. Juni: Der vom Konsum und der Zuckerfabrik in Eigenleistung geschaffene Kindergarten mit 60 Plätzen im Schlossgelände wird eröffnet. Diese in einer Baracke untergebrachte Tagesstätte wird bis zum Abbruch 1999 dafür genutzt. Sie befand sich auf dem Gelände des später rekonstruierten barocken Schloßgartens.

1966 Juli
12. Juli: Die Handballer von Traktor Delitzsch erzielen beim letzten Spiel der Saison gegen Stahl Calbe nur ein Unentschieden und steigen daher aus der DDR-Liga ab.

1966 August
20. August: Der seit 1945 stillgelegte Springbrunnen im alten Stadtpark, auch alter Heiligbrunnen genannt, wird wieder in Betrieb genommen.

1966 September
Das VEG Saatzucht beginnt mit der Neugestaltung der Grünflächen vor dem Unteren Bahnhof am Taxi-Stand.
10. September: Der GST-Fahrschullehrer Hilmar Schäfer wird bei einer Ausbildungsfahrt tödlich verletzt. Er war während der Fahrt auf das Trittbrett des LKW gestiegen, um ein fremdes Motorengeräusch zu überprüfen. Dabei stürzte er ab und wurde vom Hinterrad überfahren.

1966 Oktober
Anlässlich des „Tages der Republik“ am 7. Oktober findet ein Appell der Kampfgruppen auf dem Markt statt. Der 1. Sekretär der SED Kreisleitung, Richard Tänzer, verleiht der besten Hundertschaft das „Ernst-Thälmann-Ehrenbanner“ und zeichnet 172 Kämpfer mit der Medaille „Für treue Dienste in der Kampfgruppe der Arbeiterklasse“ aus. Gleichzeitig wird ein Militärkabinett im Schloss eröffnet. An diesem Tag erfolgt auch die Schlüsselübergabe für 36 WE eines Wohnblocks in der Beerendorfer Straße.
10. Oktober: Mit der Einführung eines arbeitsfreien Sonnabends für jede zweite Woche werden neue Öffnungszeiten des Einzelhandels eingeführt. Außer den Verkaufsstellen für Milch, Brot und Fleisch, die weiterhin am Sonnabend Vormittag geöffnet sind, beginnen alle anderen Geschäfte nach einem arbeitsfreien Sonnabend am folgenden Montag erst ab 1400 Uhr mit dem Verkauf.
13. Oktober: Der erste NAW-Einsatz zum Umbau der bisher für Altstoffeinlagerungen genutzten Halle in der Eilenburger Straße 80 zu einer Turnhalle wird von den Jugendlichen des RAW durchgeführt.
16. Oktober: Beim Endlauf zu den deutschen Touristik-Meisterschaften für Automobile bis 750 cm3 erringt Werner Ronneberg vom MC Delitzsch/Rackwitz auf „Wartburg“ die Goldmedaille und wird damit „Deutscher Touristikmeister“.
31. Oktober: In der Nacht zum 31. Oktober fällt in der Toilette der HOG „Linde“ eine Frau einem schweren Raubüberfall mit versuchter Vergewaltigung zum Opfer. Der Täter kann noch im Laufe des nächsten Tages gestellt werden. Er wird im folgenden Jahr als Wiederholungstäter zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

1966 Dezember
03. Dezember: Die ersten Tiere für den geplanten Tiergarten Delitzsch treffen aus dem Zoologischen Garten Wroclaw (Breslau) ein. Sie werden zunächst bei dem Genossenschaftsbauern Franz Kirsch untergebracht. Er hat die an seinem Gehöft in Klitzschmar angrenzende Sandgrube in den letzten Jahren in ein „Kleinod für Tiere“ umgewandelt.
07. Dezember: Bei einem Konzert „Melodien aus Wien“ des Staatlichen Orchesters Leipzig (Sitz Borna), einigen Solisten und dem Schulze-Delitzsch-Männerchor tritt auch der neue Schulze-Delitzsch-Frauenchor unter der Leitung von Dr. Petermann zum ersten Mal öffentlich auf.
17. Dezember: Ein siebenjähriger Junge wird in der Bitterfelder Straße in der Höhe des Wasserwerkes von einem PKW Trabant überfahren und erliegt wenig später seinen Verletzungen.


1967

1967 Januar
17. Januar: Der bekannte und beliebte Charakterdarsteller und Filmschauspieler Fred Delmare ist Gast einer Veranstaltung des WBA I in der HOG „Linde“.
23. Januar: Obermedizinalrat Dr. Dr. Schulze-Warnecke übernimmt als ärztlicher Direktor des Kreiskrankenhauses eine neue Krankenstation mit 34 Betten.

1967 Februar
04. Februar: Bei einem Leistungsvergleich der besten Chöre des Bezirks Leipzig belegt der RAW-Männerchor gemeinsam mit einem Leipziger Männerchor den ersten Platz.

1967 März
13. März: In einer im Januar aufgenommenen Sendereihe des Deutschen Fernsehfunks Berlin wird im März über die Betriebssportgemeinschaft Lok Delitzsch, Sektionen Boxen und Handball, berichtet.
21. März: Die „Ständige Kommission für kulturelle Massenarbeit“ der Stadtverordneten und der Stadtklub stellen ihre Konzeption zur Durchführung eines traditionellen Jahresstadtfestes ab 1968 in einer Einwohnerversammlung zur Diskussion. Daraus resultieren die ab 1968 veranstalteten Parkfeste.
Die 19. PGH im Kreis, die PGH „Kfz-Handwerk“ aus den ausschließlich Delitzscher Betrieben Müller, Bauer, Lehmann und Schumann wird gegründet. Ihr Vorsitzender wird Werner Müller.

1967 April
01. April: Eine neue vollautomatische selbstaufnehmende Straßenkehrmaschine beginnt mit ihren planmässigen Touren zur Säuberung der Straßen.
19. April: 3.550 Stunden waren notwendig, um in freiwilliger Arbeit südlich der Wilhelm-Pieck-Straße Nr. 80 (im Hintergrundstück) eine neue Turnhalle einzurichten und zur Nutzung freigegeben.

1967 Mai
01. Mai: Der „Feiertag der Arbeit“ steht im Zeichen der Vorbereitungen für die Wahlen zur Volkskammer und den Bezirkstagen. Als Kandidaten aus unserer Stadt sind für die Volkskammer die stellvertretende Kreisschulrätin Ursula Dörner (DFD) und der PGH-Vorsitzende Horst Heinrich (NDPD) sowie für den Bezirkstag der Schlosser Bruno Henger (FDGB) aus dem RAW, die Kraftfahrerin Hilde Grabsch (DFD) aus dem Ziehwerk und der Vorsitzendes der PGH „Dachdecker“ Adalbert Kittler (NDPD) vorgeschlagen worden.
Am 1. Mai erfolgt auf dem moorigen Wiesengelände, am Ende der Gartenanlage zum Rosenthal, der erste Spatenstich zum Bau des Delitzscher Tiergartens.
24. Mai: Die langjährige Obermeisterin des Damenschneiderhandwerkes und Mitbegründerin der PGH „Modezentrum“, Anna Herdam, verstirbt im Alter von 90 Jahren.

1967 Juni
18. Juni: Der Superintendent Hans-Joachim König, der seit 1951 dieses Amt ausübte, verstirbt im Alter von 66 Jahren.
27. Juni: Wolkenbruchartige Niederschläge führen zu einzelnen Kellerüberflutungen. Unter der Eisenbahnbrücke in der Karl-Marx-Straße zum RAW erreichte der Wasserstand eine Höhe von 1,70m.

1967 Juli
09. Juli: Einen Stadtvergleichskampf gegen eine Mannschaft aus Poznan (VR Polen) gewinnen die Boxer von Lok Delitzsch mit 10:6. Sie setzen damit unter ihrem Trainer Harry Moosbauer ihre diesjährige Siegesserie fort.
21. Juli: Der Konsum eröffnet eine neue Industriewarenverkaufsstelle für Rundfunk, Fernsehen und Elektrogeräte am Markt Nr.2. Sie hat unter anderem folgende Angebote:
Fernsehgerät Dürer 94 (47cm Bildröhre) für      1.620 Mark
Fernsehgerät Sybille 108 (59cm Bildröhre) für   2.050 Mark
Kühlschrank Kristall 140 für                                1.350 Mark
Waschmaschine Saalfeld für                                  570 Mark
Trockenschleuder Sicco für                                     400 Mark
Elektroherd EWS für                                                642 Mark
Bei der II. Kinder- und Jugendspartakiade des Bezirkes Leipzig erringt die Mannschaft der Schützen der Jugend B mit Behrend Habura, Martin Hoffmann und Harald Wendt bei 60 Schuss liegend mit 1.709 Ringen einen neuen deutschen Rekord.

1967 August
06. August: Bürgermeister Otto Paul, Stadtrat Clasen, Stadtrat Heinrich Binnoth und der Vorsitzende des Ortsausschusses der NF Helmut Glock eröffnen in Rakovnik (CSSR) eine Fotoausstellung „Delitzsch und seine Bürger im Jahr 1967“. Sie ist vom Museum gestaltet worden. Es werden in ihr 80 Großfotos des Fotografen Helmut Bode gezeigt. Mit der Stadt Rakovnik besteht seit Ende vorigen Jahres ein Freundschaftsvertrag.
15. August: 14 französische Kinder mit zwei Betreuern sind in der Otto-Grotewohl-Oberschule eingetroffen, um bis zum 30. August an den Ferienspielen der Kinder und Jugendlichen teilzunehmen.

1967 September
01. September: Im Süßwarenbetrieb „VEB Delitzscher“ wird die Produktion von krustenlosen Likörbohnen aufgenommen. Bis Jahresende sollen 30 Tonnen davon in den Handel kommen.
10. September: Die Sparte „Imker“ Delitzsch feiert in einer Festveranstaltung ihr 100-jähriges Bestehen.
Die Fa. OHG „Ernst Freyberg, Chemische Fabrik Delitia“, begeht mit einer Festwoche ihr 150-jährigen Bestehen. Sie ist die Geburtsstätte der weltbekannten „Delicia“ Schädlingsbekämpfungsmittel. Sie besitzt 74 registrierte Warenzeichen, von denen 35 auch in der BRD geschützt sowie acht international eingetragen sind. Die von den 225 Belegschaftsmitgliedern erzeugten Produkte werden in 24 Länder der Welt auf vier Kontinente exportiert. In der ersten Etage des Kreismuseums im Schloss wird aus diesem Anlass die Ausstellung „150 Jahre im Dienst der Schädlingsbekämpfung - von der Apotheke zum chemischen Industriebetrieb“ gezeigt. Der Festempfang im „Karl-Marx-Haus“ findet im Beisein mehrerer ausländischer Gäste statt. Auf dem Betriebsgelände wird ein neues Sozialgebäude eingeweiht. Am 17. September wird der Betrieb zum „Tag der offenen Tür“ von vielen Besuchern besichtigt.
16. September: Nach einer umfangreichen Rekonstruktion wird der „Lindenhof“ in der Grünstraße als HO-Gaststätte wiedereröffnet. Die Übergabe dieses traditionsreichen Arbeiterlokals nimmt der Bürgermeister Otto Paul vor.

1967 November
06. November: Als 20. PGH des Kreises gründen die Bäckermeister Kalms, Seefeld, Schlosser, Hahne aus Delitzsch und Höppner aus Schenkenberg sowie Willingshofer aus Krostitz die PGH des „Bäcker- und Konditorhandwerkes“. Sie umfasst 16 Mitglieder, Vorsitzender ist der Bäckermeister Kalms.
07. November: Im Kreismuseum wird zu Ehren des 50. Jahrestages der „Großen Sozialistischen Oktoberrevolution“ die Ausstellung „Die Entwicklung der Arbeiterbewegung seit der Jahrhundertwende“ und im Militärtechnischen Kabinett „Die Entwicklung der Sowjetarmee von den Roten Garden bis zu den strategischen Raketentruppen“ gezeigt.

1967 Dezember
02. Dezember: Zur Kulturkonferenz der Stadt wird beschlossen, dass unter der Regie des Stadtklubs die drei Kulturzentren „Lindenhof“, „Karl-Marx-Haus“ und „Schloss“ gebildet werden. Das laut Stadtverordnetenbeschluss vorgesehene traditionelle Volksfest soll als „Parkfest“ in Verbindung mit dem „Tag der Eisenbahner“ ab 1968 durchgeführt werden.
13. Dezember: Der Leiter des Moorbades Paul Völler rettet einen achtjährigen Jungen, der auf dem Lober hinter dem Moorbad im Eis eingebrochen war.
16. Dezember: In der Veranstaltungsreihe des Kreiskulturhauses „Achtung-Heitere Muse“ spielt Herbert Roth mit seinen Solisten auf.


1968

1968 Januar
10 Januar: Es setzt eine Kältewelle ein, die bis zum 15. Januar anhält. Die Temperaturen sinken bis auf -15o C. Starker Schneefall verursacht durch zahlreiche Verwehungen schwere Verkehrsstörungen. Die Katastrophenkommission wird am 11. Januar einberufen. In den Morgenstunden des 12. Januar sind im gesamten Kreisgebiet kaum noch Straßen durchgängig befahrbar. Auf der Bahnstrecke Halle-Delitzsch sind bei Klitzschmar zwei Züge, und auf der Bahnstrecke Delitzsch-Leipzig ist ein Zug im Schnee steckengeblieben. Nach pausenlosem Einsatz zahlreicher Hilfskräfte sind die Fernverkehrsstraßen ab 13. Januar wieder freigeräumt.
Ein Wetterumschwung mit Regen am 15. Januar führt durch Schmelzwasser zu Hochwasser. Betroffen sind Lober, Leine und Mulde. Die Schafsbrücke über den Lober am Rosenthal steht unter Wasser. Am 18. Januar ist die Gefahr gebannt.

1968 Februar
09. Februar: Im Sozialgebäude des RAW wird die 33. Folge der Sendung „Alte Liebe rostet nicht“ vom Radio DDR aufgenommen. Sie wird in altbewährter Weise von Günter Hansel und Manfred Uhlig, den Scherbelberger Musikanten und dem Radio DDR-Unterhaltungsorchester gestaltet.
22. Februar: Die Stadtverordneten beschließen den NAW-Plan des Jahres 1968. Die Schwerpunkte sind: Abschlussarbeiten zur Eröffnung des Tiergartens, Fertigstellung des Erweiterungsbaus Kindergarten-Ost (zusätzlich 100 Plätze), die Gestaltung der Außenanlagen am Schloss, der 2. Bauabschnitt Erweiterung des Freibades und der 2. Bauabschnitt Umbau „Lindenhof“, Rekonstruktion eines Teiles der Eilenburger Straße (Abschnitt Eisenbahnstraße-Töpfergasse) und den Abriß der Gebäude Markt 22 (mit Gaststätte „Roter Löwe) und Markt 23 (mit Gaststätte „Goldener Schwan“), für den geplanten Bau eines „HO-Kaufhaus“.
27. Februar: Es werden die bisher unter einer gemeinsamen Verwaltung stehenden Betriebe KWV und VEB Stadtwirtschaft getrennt. Als Leiter werden Peter Frey und Siegfried Schräpler bestätigt.
Die „HO-Kaufhalle Nord“ in der Mittelstraße wird neu erbaut eröffnet.

1968 März
20. März: In einer Veranstaltung des Kulturbundes spricht der Intendant der städtischen Bühnen Leipzig, Prof. Karl Kayser, Mitglied des ZK der SED und Volkskammerabgeordneter, über „Die sozialistische Verfassung der DDR.

1968 April
Am 5. April, dem Vortag des Volksentscheides über die Verfassung der DDR, findet am Abend ein Fackelumzug der FDJ und der Jungen Pioniere statt. Beim anschließenden Lagerfeuer tritt erstmals der „Delitzscher Singeklub“ der FDJ auf.

1968 Mai
Am 1. Mai wird im Breiten Turm eine Ausstellung des Kreismuseums „Delitzscher Baudenkmale“ eröffnet.
Im Festumzug zum 01. Mai wird eine im RAW gebaute „Parkbahn“ der Öffentlichkeit vorgeführt. Sie soll in Zukunft zwischen Roßplatz und Tiergarten zum Einsatz kommen.
05. Mai: Eine Familie in der Dübener Straße wird von einem schrecklichen Unglück betroffen. Während die Eltern verreist sind, werden die beiden Söhne, 14 und 18 Jahre alt, im Schlaf durch ausströmendes Gas aus der Backröhre des Gasherdes getötet.

1968 Juni
15. Juni: Der Bürgermeister Otto Paul übergibt offiziell den Tiergarten. Der erste Bauabschnitt umfasst 1,3 Hektar. Mit den weiteren Bauabschnitten soll der Tiergarten seine endgültige Größe von vier Hektar erreichen. Franz Kirsch, der Initiator dieser Einrichtung, erinnert noch einmal an die Anfangszeit. „Bei der Eröffnungsfeier, als das Blasorchester der LPG Schenkenberg mit flotten Weisen aufspielte, musste ich an die hektischen Monate zurückdenken. Die Anstrengungen haben sich jedoch gelohnt.“ Der Unionsfreund Kirsch unterstrich die Bedeutung der Wassergeflügelzucht, die der eigentliche Lebensnerv des Gartens ist. Durch gute Nachzucht war es nämlich möglich, zahlreiche Huftiere und Säuger aus den Tiergärten der DDR, der CSSR und der VR Polen einzutauschen. Bedeutende Geschenke erhielt der Tiergarten vom VEB Pelzbekleidung, es sind die beiden Braunbären. Die Trampeltiere spendete das BKK Bitterfeld.
Vom 28.-30. Juni findet auf der Festwiese im Stadtpark das 1. Delitzscher Parkfest statt. Es soll in Zukunft jährlich Ende Juni durchgeführt werden, wohl in Anlehnung an den Zeitpunkt des früher begangenen Peter- und Paul Tages. Eine Festplakette wird nach den Entwurf des Delitzscher Künstlers Heinrich Binroth geprägt. Mit etwa 33.000 Besuchern ist das 1. Parkfest ein großer Erfolg. Das vielseitige Programm findet viel Anklang. Es enthält Sport- und Musikveranstaltungen und ein gut gestaltetes Programm der Konzert- und Gastspieldirektion Leipzig. Das Parkfest endet mit einem Tagesfeuerwerk.
30. Juni: Die Tennismannschaft der Männer Lok I hat den Staffelsieg in der Staffel III der Verbandsliga errungen und wird mit dem Sieger der Staffel IV am 1. September um den Aufstieg in die Sonderliga der DDR kämpfen, den sie dann aber verliert.

1968 Juli
11. Juli: Eine schwere Explosion zerstört die Vinylchlorid/Polyvinylchlorid- Anlage im VEB Chemiekombinat Bitterfeld. Das Unglück forderte etwa 50 Tote und 260 Verletzte, wobei unter den Opfern auch zwei dort beschäftigte Einwohner aus Delitzsch und ein Einwohner aus Zschortau ihr Leben verloren. Die Explosion war so heftig, dass die Fenster der Westseite des Bitterfelder Bahnhofs und umliegender Häuser zu Bruch gingen.

1968 August
01. August: Es wird die „Gemeinschaft der Förderer des Tiergartens und der Grünanlagen“ gegründet. Augenblicklich sind 265 Tiere in 54 verschiedenen Arten im Tiergarten zu sehen.

1968 September
01. September: Es erfolgt die Schlüsselübergabe für den Erweiterungsbau des Kindergartens-Ost, in der Dübener Straße) der den Namen „Anne Frank“ erhält. Mit 100 zusätzlichen Plätzen werden jetzt in der Stadt 700 Kinder ganztägig und 40 Kinder halbtags betreut.
Nachdem das Kreisgericht aus dem Schloss ausgezogen ist, werden der Kreismusikschule fünf Räume und dem Wehrkreiskommando ein Raum für das Militärkabinett übergeben. Weitere Räume erhält das Kreismuseum.
02. September: Im Zuge der Beseitigung von Sturmschäden erhält die Turmkuppel des Halleschen Turmes ein neues Dach aus Kupferblech. Dafür stellt der Rat der Stadt 27.250 Mark zur Verfügung.
8. September: Der am 1. Juli berufene evangelische Superintendent Otto Martin, geboren 1923 in Crottendorf/Erzgebirge, wird im Beisein von Probst Berndt in sein Amt eingeführt.

1968 Oktober
13. Oktober: Bei den Deutschen Meisterschaften im Schießen erringt die B-Jugendmannschaften der GST des RAW mit den Kameraden Hoffmann, Hänsel und Wendt sowie im Einzelklassement der Kamerad Martin Hoffmann den Titel „Meister der DDR“.

1968 November
November: Mit Beginn des Monats ist die Produktion in dem halbstaatlichen Betrieb „Krombholz KG, Zigarrenfabrik“ vollständig auf die Produktion von Metallwaren umgestellt worden. Produziert wird an den beiden Standorten Hallesche Straße/ Ecke Badergasse und im Hofgebäude Ritterstraße 6/8. Die Zigarrenfabrikation war bereits seit Mai zurückgefahren und die hierbei eingesetzten Arbeiterinnen wurden auf ihre neue Tätigkeit umgeschult. Ab Juli begann die Montage von Büroheftern und Heftzangen. Es folgten die Herstellung von Thermoschaltern und Reglern. Mit den jetzt montierten Metallverarbeitungsmaschinen können alle Vorprodukte zur Endmontage von Warmwasserbereitern hergestellt werden.

1968 Dezember
Am 1. Dezember wird beim Rat der Stadt eine „Abteilung Zivilverteidigung13 und Innere Angelegenheiten“ gebildet, die dem Bürgermeister direkt unterstellt ist.


1969

1969 Januar
11. Januar: Auf der Kreisdelegiertenkonferenz der Nationalen Front wird der Kommissionshändler Friedrich Leutelt (NDPD), Mitglied des Nationalrates der NF der DDR und Träger des Vaterländischen Verdienstordens in Bronze, zum Vorsitzenden des Kreisausschusses der NF gewählt.
16. Januar: In der Ratssitzung wird der Abbruch des Kriegerdenkmales am Halleschen Turmes, das an den Deutsch-Französischen Krieg 1870-1871 erinnert, bis zum 31. März gefordert. Im Vorjahr wurde in einer Eingabe ausgesagt, dass dieses Denkmal unserer Gesellschaftsordnung unwürdig sei. Teile des Denkmales sind später auf der einstigen Deponie im heutigen Stadtteil Delitzsch-West gefunden worden.
27. Januar: Die bekannte und von der Einwohnern der Stadt Delitzsch geachtete Ärztin Frau SR Dr. med. Anna Schröder verstirbt im Alter von 90 Jahren. Über fast fünf Jahrzehnte hat sie ihre Arbeit in der Praxis am Wallgraben mit großer Hingabe ausgeübt.

1969 Februar
06. Februar: Die Stadtverordneten beschließen den Volkswirtschaftsplan 1969, in dem beispielsweise vorgesehen sind:
Baubeginn einer Großbäckerei
Eröffnung des erweiterten Freibades
Gestaltung des Schlossplatzes
III. Bauabschnittes des Tiergartens
Verbreiterung der Wilhelm-Pieck-Straße
Eigenleistungen der Betriebe und Wohnbezirke in Höhe von 6,5 Millionen Mark
Abbruch der Gaststätten „Löwe“ und „Schwan“ am Markt.
15. Februar: Die Schillerbrücke, einst aus Gusseisen, muss wegen baulicher Mängel abgerissen werden. An deren Stelle wird eine Brücke aus Spannbeton errichtet. Am 28. April 1905 war dort die erste Brücke über den Stadtgraben errichtet worden. Wegen der bevorstehenden Feier des 100. Todestages des Dichters Friedrich Schiller am 9. Mai erhielt die Brücke den Namen „Schiller-Brücke“.

1969 März
17. März: Die Sauna am Freibad wird eröffnet. Die Benutzung kostet für Erwachsene 2,-M, für Rentner und Jugendliche 1,-M. Sie steht an drei Tagen für Frauen und an drei Tagen für Männer zur Verfügung.

1969 Mai
01. Mai: Am Festumzug des 1. Mai nehmen etwa 10.000 Personen aus dem Kreisgebiet teil. Dieser Tag war dem 20. Jahrestag der DDR und dem 5. Turn- und Sportfest gewidmet.
Am 23. Mai erscheinen der Bürgermeister der Stadt Delitzsch mit Vertretern der Bezirksbehörde und der Kreisdienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit bei der Familie Freyberg und fordern ultimativ den Verkauf der von der Staatssicherheit bisher gemieteten Grundstücke Am Wallgraben 6-8. Da seitens der Familie Freyberg keine Veranlassung zu einem solchen Verkauf besteht, versucht man, durch restriktive Maßnahmen sich dieser Grundstücke zu bemächtigen. Eingaben und Beschwerden der Betroffenen haben keinen Erfolg. Nötigung und Drohungen führen schließlich nach fast sechsmonatigen Verhandlungen zum Zwangsverkauf von Teilen des Grundstückes an das Ministerium für Staatssicherheit.

1969 Juni
21. Juni: Nach zweijähriger Bauzeit wird anlässlich der V. Kreis- und Jugendspartakiade eine 50-m-Wettkampfbahn im Elberitzbad eingeweiht.
27.-29. Juni: Beim 2. Parkfest sind Auftritte von Hochseilartisten, einem sowjetischen Volkskunstensembles sowie Boxkämpfe der Mannschaft der BSG Lok Delitzsch gegen eine Staffel von Gornik Bydgoszcz (VR Polen) besondere Höhepunkte.

1969 Juli
03. Juli: Bei der diesjährigen Zählung der unter Schutz gestellten Großtrappen wird in unserem Kreis ein Bestand von 43 Stück festgestellt. Mit der späteren Erschließung der Tagebaue im Südwesten des Kreises Delitzsch verlieren die Großtrappen ihren Lebensraum.
15. Juli: In einer vom „Klubrat Schloss“ organisierten Veranstaltung hält der Ex-Weltmeister und Sieger der Friedensfahrt, Bernhard Eckstein, der nun als Fotoreporter tätig ist, im „Haus der jungen Talente“ einen Farb-Dia-Vortrag „Die Friedensfahrt“.

1969 September
Die Sektion Billardkegeln der BSG Lok Delitzsch erhielt den ehrenvollen Auftrag, Gastgeber für die „Deutschen Meisterschaften der DDR“ im Billardkegeln zu sein. Die Meisterschaften werden vom 19.-21. September im Sportbereich des RAW ausgetragen.

1969 Oktober
Am 01. Oktober werden Karl Hübner, Vorsitzender des Rates des Kreises, und Richard Tänzer, erster Sekretär der Kreisleitung der SED, mit dem „Vaterländischen Verdienstorden“ in Bronze ausgezeichnet.
04. Oktober: Der vom WBA Süd VI im Rahmen der „Volkswirtschaftlichen Masseninitiative“ geschaffene Kinderspiel- und Sportplatz an der Oststraße wird den Kindern zur Nutzung übergeben.
Am 7. Oktober wird der 20. Jahrestag der Gründung der DDR mit einer Kundgebung auf dem Marktplatz und einer Festveranstaltung begangen. Auf dieser Veranstaltung werden verdienstvoller Bürger des Kreises Delitzsch ausgezeichnet.

1969 November
In den seit einigen Jahrzehnten geschlossenen Gasträumen der Gaststätte Lindenhof in der Grünstraße, wird in diesem Monat wieder der Gaststättenbetrieb aufgenommen. Sie trägt den Namen „Lindenklause“ und ist ein „Bulgarisches Nationalitätenrestaurant“.

1969 Dezember
23. Dezember: Eine Einwohnerin der Stadt fällt früh Morgens einem Verbrechen zum Opfer, an dessen Folgen sie stirbt. Der 29-jährige Täter wird nach einigen Stunden von der Polizei festgenommen.


1970

1970 Januar
In der Silvesternacht setzt starker Schneefall ein, so dass mit Jahresbeginn erhebliche Störungen im Straßenverkehr auftreten. Die Straße Delitzsch-Krostitz ist zeitweise wegen hoher Schneeverwehungen unpassierbar. Bis 5. Januar sind noch viele Nebenstraßen zu den Dörfern nur einseitig befahrbar. Erst ab 6.Januar lässt der Schneefall nach.
01. Januar: Es wird der VEB Reko-Bau, mit Sitz in der Schkeuditzer Straße, gegründet. Er soll zum Leitbetrieb für alle in der Erzeugnisgruppe Baureparaturen erfassten kreisgeleiteten Betriebe entwickelt werden.
Das Büro für Städteplanung legt einen Bebauungsplan vor, wonach der komplexe Wohnungsbau in Delitzsch-Nord für vorerst 755 Wohnungen vorbereitet wird.
06. Januar: Wegen Personalmangels wird der Verkauf von Fahrausweisen am Oberen Bahnhof eingestellt. Sie sind nun am Schalter des Unteren Bahnhofs erhältlich.
21. Januar: Der Ärztliche Direktor des Kreiskrankenhauses Dr. Dr. Schulze-Warnecke legt auf eigenen Wunsch seine Funktion als Kreisarzt und Mitglied des Rates des Kreises nieder. Diese Aufgabe wird von Dr. Harald Heuschkel übernommen.

1970 Februar
13. Februar: Die Boxgemeinschaft Lok Delitzsch/SC Lok Leipzig II bestreitet ihren ersten Punktekampf in der DDR-Liga um die Deutsche Meisterschaft gegen BSG Turbine Freiberg. Sie gewinnen mit 18:0.

1970 März
05. März: Es setzt starker Schneefall ein, der bis zum 9. März andauert. Am 6. März sind dadurch die Straßen nach Eilenburg, Leipzig, Bad Düben und Bitterfeld zeitweilig gesperrt.
22. März: Die Kommunalwahl in der DDR wird auch in Delitzsch durchgeführt.
27. März: Die PGH Aufbau hat mit Unterstützung anderer Betriebe die neue Schillerbrücke fertiggestellt.

1970 April
04. April: Der hiesige Bürger Goldstein rettet einen vierjährigen Jungen aus der Gutenbergstraße im Lober vor dem Ertrinken.
11. April: Zu Beginn der „Lenin-Tage“, die zu Ehren des 100. Geburtstages von W. I. Lenin bis zum 22. April andauern, wird ein „Internationaler Subbotnik“ durchgeführt. Es werden deshalb alle Sportveranstaltungen abgesagt. Im Kreis beteiligen sich 8.500 Bürger, die eine freiwillige Arbeit zur Aufholung von Planrückständen in den Betrieben, bei der Altstoffsammlung, an NAW-Objekten der Wohnbezirke oder in der Grünanlagenpflege leisten.
15. April: Die Beerendorfer Straße wird während einer Feierstunde in „Lenin-Straße“ umbenannt. Dabei wird vor der Kaufhalle Ost eine vom Bildhauer Dieter Dietze geschaffene Lenin-Büste enthüllt.
16. April: In der konstituierenden Sitzung der neuen Stadtverordnetenversammlung wird Otto Paul (SED) als Bürgermeister wiedergewählt. Erster Stellvertreter des Bürgermeisters wird Gerhard Clasen (NDPD), zweiter Stellvertreter wird Manfred Salomon (CDU). Dazu werden noch neun weitere Abgeordnete in den Rat gewählt. Die Kreistagsabgeordneten wählen Karl Hübner (SED) wieder zum Vorsitzenden des Rates des Kreises.
22. April: An einer Festveranstaltung anlässlich des 100. Geburtstages von Lenin nehmen Angehörige der Sowjetarmee und sowjetische Genossen, die im VEB Ziehwerk an einem Invest-Objekt mithelfen, teil. Die Festansprache hält der 1. Sekretär der SED Kreisleitung Richard Tänzer unter dem Motto „Der Leninismus ist die feste Basis aller unserer Erfolge.“ Das Kulturprogramm wird vom Staatlichen Orchester Leipzig, dem EOS-Chor, dem Schulze-Delitzsch Männerchor und von Rezitatoren der EOS gestaltet.
26. April: In der Eilenburger Chaussee wird ein 77-jähriger Radfahrer von einem in Richtung Mocherwitz fahrenden PKW erfasst und tödlich verletzt.
29. April: Vor der Bitterfelder Straße 9 ereignet sich ein weiterer tödlicher Verkehrsunfall. Ein bei der Aschekübelentleerung rückwärts fahrendes Müllfahrzeug des VEB Stadtwirtschaft überfährt ein dreijähriges Kind.

1970 Mai
01. Mai: Auf dem Stadtgraben ist ein von einem Spezialbetrieb gefertigtes beleuchtetes Wasserspiel in Betrieb genommen worden. Es ist von der PGH Aufbau im Rahmen des Wettbewerbs „Schöner unsere Städte und Gemeinden - Mach mit“ installiert worden.
22. Mai: Die DDR-Fußballauswahlmannschaft der Junioren erringt in einem Europawettkampf in Schottland den Turniersieg. Der Mannschaft gehört seit längeren der 19jährige Delitzscher Joachim Fritzsche an, der schließlich 1973 auch in der DDR-Nationalmannschaft aufgenommen werden wird.
24. Mai: Die BSG Lok begeht in einer bis zum 31. Mai dauernden Festwoche ihr 25-jähriges Bestehen. Sie hat sich von sieben Sektionen mit 208 Mitgliedern bei ihrer Gründung auf 13 Sektionen mit 2.240 Mitgliedern entwickelt. Besonders erfolgreich sind die Sektionen Tennis, die in der Verbandsliga spielt, und Radpolo, die der DDR-Liga angehört.
29.-30. Mai: Es findet ein Beethoven-Konzert statt, das vom großen Chor und vom Kammerchor der EOS, dem RAW Männerchor, dem Staatliche Orchester Leipzig und Solisten aus Leipzig und Altenburg gestaltet wird. Es bildet gleichzeitig den Auftakt zu den 1. Arbeiterfestspielen des RAW, die bis zum 19. Juni dauern.
30. Mai: Zur Eröffnung der Badesaison wird ein neues Lehrschwimmbecken mit 25-Meter-Bahnen übergeben. Damit ist die Erweiterung des Freibades abgeschlossen.

1970 Juni
14. Juni: Am 2. Jahrestag des Tiergartens kann der Tiergartenleiter Franz Kirsch 1.560 Besucher begrüßen. Zur Zeit weist der Tiergarten einen Bestand von 280 Tieren in 80 verschiedenen Arten auf. Neue Errungenschaften sind zwei Rhesusaffen und ein Puma. Der VEB Rohrtechnik übernimmt den kostenlosen Bau eines Bärenzwingers.
Die „Froschmühle“ im Delitzscher Ortsteil Kertitz ist als Ausflugsgaststätte wieder eröffnet worden.
17. Juni: Es beginnt der 2. Bauabschnitt in der Wilhelm-Pieck-Straße (Eilenburger Straße). Dazu wird der Durchgangsverkehr Kreuzungsbereich Töpfergasse bis zum Roßplatz gesperrt. Mit der Hauptinstandsetzung wird der Bau eines Telefonkanals und die Verbreiterung ab Wilhelm-Pieck-Straße 30 um 2,5 Meter verbunden. Nach Abschluss der Arbeiten wird am Roßplatz eine Verkehrsampel installiert.
28.-29. Juni: Zum 3. Parkfest findet ein Leistungsvergleich der sechs Blasorchester des Kreises satt. Das Orchester des RAW erhält das Prädikat „Leistungsklasse A“ (Oberstufe).

1970 Juli
09. Juli: Im Mehrzweckgebäude des Stadions der Eisenbahner findet ein Forum mit dem FIFA-Schiedsrichter Rudi Glöckner statt. Er leitete das Finalspiel der Weltmeisterschaften in Mexiko, Brasilien gegen Italien.
24. Juli: Auf dem Roßplatz findet ein Gemüsemarkt statt, auf dem jeweils vom Donnerstag bis Sonnabend vom sozialistischen Handel (Konsum und HO) Gemüse, Obst und Gefäße zum Einkochen angeboten werden.

1970 August
Die Mindestrenten in der DDR sind zu diesem Zeitpunkt auf äußerst niedrigem Niveaus festgesetzt. Es erhält beispielsweise im August diesen Jahres eine Frau aus Delitzsch nach 36jähriger Berufstätigkeit ihren Bescheid über den Bezug der Altersrente, der auf 254,06 Mark berechnet wurde.

1970 September
In diesem Monat werden in einer Ausstellung im Kreismuseum Grafiken mit Ansichten der Altstadt gezeigt, die von Studenten der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, unter der Leitung von Prof. Wolfgang Mattheuer, geschaffen worden sind.
24. September: In einer Auszeichnungsveranstaltung wird dem Ehrenberg-Chor in Leipzig der Titel „ Hervorragendes Volkskunstkollektiv“ verliehen.

1970 November
07. November: Ein vom WBA Süd VI als NAW-Objekt geschaffener Spielplatz mit Verkehrskindergarten an der Oststraße wird eingeweiht.
14. November: In der Wilhelm-Pieck-Straße. wird die Vereidigung von Soldaten aus der Pateneinheit der NVA aus Halle, in der viele Soldaten aus dem Kreis dienen, vorgenommen. Nachmittags sind die Soldaten Gäste in den Betrieben, abends findet im Karl-Marx-Haus ein Soldatenball statt.

1970 Dezember
04. Dezember: Die Freiwillige Feuerwehr begeht mit einer Festveranstaltung ihr 110-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass werden vom Bürgermeister Otto Paul Beförderungen und Auszeichnungen mit der „Medaille für treue Dienste“ und der „Ehrennadel der Stadt“ an den Wehrleiter Theo Rödler und dessen Stellvertreter Werner Franke vorgenommen.
Am 6. Dezember findet gemeinsam mit den Betriebsfeuerwehren ein „Kampfappell“ auf dem Markt statt.
08. Dezember: Beim „Abend der heiteren Muse“ tritt das bekannte Gesangsduo Monika Hauff und Klaus-Dieter Henkler auf.
22. Dezember: Der Sportler Erich Pornack von der Sektion Kegeln der BSG Lok ist DDR-Vizemeister der Senioren geworden. Am 29. Dezember erringt die Sektion Billardkegeln der BSG Lok in der DDR-Liga (Staffel Ost) den Herbstmeistertitel.


1971

1971 Januar
11. Januar: In der Wilhelm-Pieck-Straße ereignet sich in Höhe der Querstraße ein tödlicher Verkehrsunfall. Ein Omnibus erfasst einen Fußgänger beim Überqueren der Straße. Der Verletzte verstirbt am Abend im Krankenhaus Delitzsch.

1971 März
20. März: Die Volks-, Berufs-, Wohnraum- und Gebäudezählung ergibt: Der Kreis hat 56.290 Einwohner, davon wohnen 24.409 Einwohner in der Kreisstadt.

1971 April
Es wird mit der Umgestaltung des Elberitzplatzes in Gemeinschaftsarbeit zwischen Betrieben der Stadt, der Comenius-Oberschule und den Einwohnern des WBA Süd II im Rahmen des NAW begonnen. Weitere Objekte sind die Gestaltung der Grünfläche am Oberen Bahnhof und einer Freifläche in der Eilenburger Chaussee.
24. April: Auf der Kreisdelegiertenkonferenz der SED wird Richard Tänzer als 1. Sekretär der Kreisleitung wiedergewählt.

1971 Mai
29. Mai: In der Nacht wird bei einer Messerstecherei ein Bürger der Stadt tödlich verletzt. Der Täter kann kurz danach ermittelt und in Haft genommen werden.

1971 Juni
12. Juni: Der Zuckerfabrik wird eines der 114 Ehrenbanner des ZK der SED für hervorragende Leistungen im Wettbewerb zu Ehren des VIII. Parteitages verliehen. Sie steht an der Spitze aller Zuckerfabriken der DDR und soll aufgrund dieser Erfolge zum Modellbetrieb der Zuckerindustrie entwickelt werden.
29. Juni: Beim 4. Parkfest tritt das Ensemble der sowjetischen Streitkräfte „Nohra“ mit 75 Mitwirkenden auf. Weitere Höhepunkte sind die Darbietungen der Hochseiltruppe Geschwister Weisheit, das Dressurreiten der Sektion Reitsport Löbnitz und der Auftritt des Meistertanzpaares Weihmann.
30. Juni: Entsprechend des Volkswirtschaftsplanes werden 12 Wohnungen in der Karl-Liebknecht-Straße (Bismarckstraße) und 32 Wohnungen in der Breitscheid-Straße fertiggestellt und den Mietern übergeben.

1971 Juli
01. Juli: Der evangelischen Pastorin Haaß wird die 3. Pfarrstelle im Bereich Delitzsch-Ost übertragen.
09. Juli: Eine Ammoniakleitung, die das Argarchemische Zentrum mit den Leunawerken „Walter Ulbricht“ verbindet, ist fertiggestellt. Damit wird die Stickstoffdüngung mit flüssigem Ammoniak auch auf den Feldern des Kreises wesentlich vereinfacht.

1971 August
11. August: Im Stadion der Eisenbahner findet erstmals ein Fußball-Länderspiel statt. Vor 2.000 Zuschauern spielen im „Turnier der Freundschaft“ die Junioren-Mannschaften der UdSSR und Kuba (Ergebnis 2:2).

1971 September
01. September: Der Kinderhort im VEB „Delitzscher“ zur Betreuung von 250 Kinder, in der Ludwig-Jahn-Straße, wird eröffnet.

1971 November
12. November: Der Betriebsleiter der Krombholz KG Metallverarbeitung und Vizepräsident des Deutschen Handballverbandes der DDR, Wolfgang Ley, wird mit der höchsten Auszeichnung des DTSB, der „Friedrich-Ludwig-Jahn-Medaille“ geehrt.

1971 Dezember
15. Dezember: Das vor fünf Monaten gegründete Kinderballett des VEB „Delitzscher“ tritt zur Weihnachtsfeier im Lindenhof mit dem Stück „Das verlorene Märchenbuch“ zum ersten Mal öffentlich auf.
18. Dezember: Der ehemalige Turner der BSG Lok, Lutz Mack, (jetzt SC Chemie Halle) wird bei den Meisterschaften der DDR gemeinsam mit Klaus Köste Deutscher Meister im Pferdsprung und belegt den 3. Platz im Bodenturnen.
Im Verlauf diesen Jahres war der halbstaatliche Betrieb Metallwaren Hans Krombholz KG zum VEB Metallwaren umgestaltet worden.


1972

1972 Januar
Januar: Die Kreispoliklinik wird aus der Struktur des Kreiskrankenhauses herausgelöst und als selbständige Einrichtung von fortan von Dr. Helmut Stietzel geleitet.
Die Süßwarenfabrik VEB „Delitzscher“ arbeitet ab jetzt zur Ausnutzung der im vorigen Jahr installierten hochproduktiven Anlage im 2-Schicht-System.

1972 März
14. März: Im Kreismuseum wird die 1. Kunstausstellung des Kreises eröffnet. Sie zeigt 156 Werke, die von Laienkünstlern geschaffen wurden.

1972 April
02. April: Der 16jährige Nachwuchsboxer Norbert Lösch der BSG Lok wird bei den Jugendmeisterschaften DDR-Vizemeister.
06. April: Die Arbeiten für den Ausbau eines Grüngürtels um die Stadt werden begonnen. Hierbei erfolgen Baumanpflanzungen vom Dr.-Laue-Weg bis zum Tiergarten und die Bepflanzung des Rodelberges. Gleichzeitig wird auf dem Gelände zwischen dem Lober und der Richard-Wagner-Straße ein Laubwald, vorwiegend Pappeln, angepflanzt. Dieser soll als Schutzgürtel gegen Schadstoffbelastungen des mit Kohle betriebenen Heizhauses der Zuckerfabrik dienen.
15. April: Das Mandolinenorchester begeht sein 50-jähriges Bestehen mit einem Konzert im Karl-Marx-Haus. Der langjährige Ensembleleiter Gustav Exner wird vom Bürgermeister Otto Paul mit der „Ehrennadel der Stadt“ ausgezeichnet.

1972 Mai
01. Mai: Das Privatunternehmen mit staatlicher Beteiligung OHG Ernst Freyberg, chemische Fabrik Delitia Delitzsch wird verstaatlicht. Es firmiert jetzt unter dem Namen „VEB Delicia“.
Das VEG „Saatzucht“ weiht in der Leipziger Straße, südlich des Bahnüberganges, ein Sozialgebäude ein. Daneben ist eine Vermarktungshalle zum Sortieren und Verpacken von Blumenzwiebeln im Bau. In diesem Jahr sollen über 1,5 Millionen Tulpen-, 600.000 Gladiolen-, 900.000 Narzissenzwiebeln und andere Zierpflanzen zum Versand kommen. Die Blumenanbaufläche beträgt 31 Hektar.
26. Mai: Zwischen Rackwitz und Krensitz findet die letzte Personenbeförderung der „Delitzscher Kleinbahn“ statt. Bereits seit 1966 hatte man abschnittsweise andere Teile dieser einstmals umfangreichen Kleinbahnstrecke stillgelegt.

1972 Juni
11. Juni: Die Süßwarenfabrik VEB „Delitzscher“ erhält für ihr Erzeugnis „Korallensplitter“ eine der 49 Goldmedaillen, die auf der „Agra-Markkleeberg“ für Produkte der Nahrungsmittelindustrie verliehen werden.
19. Juni: Die zentrale Produktionsstätte der PGH des Bäcker- und Konditorhandwerks am Naundorfer Weg (Abriss 1998, dann Extra-Markt) nimmt die Produktion auf. Dort stellen 50 Mitarbeiter vorerst vier verschiedene Sorten Brot, Brötchen und 32 Konditorwaren her.
23. Juni: Zum 5. Parkfest tritt das bulgarische Volkskunstensemble „Plowdiv“ mit 24 Tänzerinnen und Tänzern sowie einem Orchester auf. Insgesamt werden für das Fest 17.000 Plaketten verkauft.

1972 Juli
Die beiden 14-jährigen Mädchen Karin Tennler und Sigrid Zimmermann sind bei den Hallenradsportmeisterschaften der Schüler DDR-Meister im Radpolo geworden.
22. Juli: Die Eröffnung der Tennis-Meisterschaften der Pioniere und Schüler nimmt der Vizepräsident des DDR-Tennisverbandes Karl-Heinz Sturm vor. Er gehörte früher der Sektion Tennis der BSG Traktor Delitzsch an und war mehrfacher DDR-Meister in der Einzel- und in der Doppel-Disziplin. Auch als Torhüter in der Handball-Ligamannschaft der BSG Traktor zeichnete er sich als hervorragender Sportler aus.

1972 September
Die barocken Sandsteinverzierungen am Schlossportal und die auf der Brücke zum Schlosseingang sind von dem Dresdener Bildhauer Hempel restauriert und teilweise ersetzt worden.
Die Jugendmannschaft der GST-Tauchsportler des RAW ist in der Disziplin Mannschaftsübung DDR-Meister geworden. Die Herrenmannschaft errang in der Gesamtwertung die Silbermedaille. Der Radsportler der BSG Lok Hans-Dieter Pfordte hat mit drei weiteren Sportlern des Bezirkes Leipzig bei den DDR-Meisterschaften den 1. Platz im 50 km-Vierer-Straßenmannschaftsfahren belegt.

1972 Oktober
13. Oktober: Bei der diesjährigen Versammlung der BSG Lok gibt der Vorsitzende Erich Bielig bekannt, dass sie mit 2.552 Mitgliedern in 14 Sektionen zu einer der größten Sportgemeinschaften der DDR gehört. Hierbei wird die 73-jährige Else Fischer, die noch als Übungsleiterin für Schwimmen und Turnen aktiv ist, mit der höchsten Auszeichnung des Deutschen Turnverbandes der DDR, der „Ehrenurkunde des DTV“ geehrt.
Der RAW-Männerchor und das Blasorchester des RAW sind mit dem Titel „Hervorragendes Volkskunstensemble der DDR“ ausgezeichnet worden.

1972 November
In den Abendstunden des 12. November brennt die im Hof der Friedens-Oberschule für Kinder von Angehörigen der Volkspolizei eingerichtete Kindergartenbaracke vollständig nieder. Der Schaden beträgt 420.000 Mark. Die Kinder werden ab sofort in anderen Einrichtungen betreut. Ein Neubau im Stadtpark wird bereits im Dezember vorbereitet.

1972 Dezember
14. Dezember: Auf Einladung des WBA Süd VI hält der bekannte Sportreporter Heinz Florian Oertel in Delitzsch einen Lichtbildervortrag über die olympischen Sommerspiele in München.
30. Dezember: Der Erweiterungsbau der Pestalozzi-Schule für Lernbehinderte in der Weststraße ist fertiggestellt. Dadurch sind acht neue Klassenräume entstanden.
Die wirtschaftlichen Umbrüche in diesem Jahr in der DDR, haben auch für kleinere volkseigene Delitzscher Betriebe Veränderungen nach sich gezogen. Es kam zur Gründung des „Agrochemischen Zentrum (ACZ)“, mit Sitz in der Schkeuditzer Straße 80 (heute Delitzscher Landhandel- und Dienstleistungs GmbH). In diesem Jahr erfolgte auch der Zusammenschluß der VdgB-BHG „Delitzsch-Ost“ (Sitz Dübener Straße 42) und der VdgB-BHG „Delitzsch-West“ (Sitz in der Walzenmühle, Leipziger Straße) zur gemeinsam verwalteten „Bäuerlichen Handelsgenossenschaft“ (BHG) mit Sitz in der Leipziger Straße.


1973

1973 Januar
Der VEB Stadtwirtschaft hat die letzten noch in Betrieb befindlichen Gas-Straßenleuchten durch moderne elektrische Leuchten ersetzt.
Die ständig gestiegene Verschmutzung des Lobers und des Stadtgrabens durch Abwässer der Industrie (LW Rackwitz, Ziehwerk, Zuckerfabrik) und durch die Landwirtschaft, haben den Bau einer zentrale Kläranlagen erforderlich gemacht. Eine neue mechanische Reinigung wurde als Provisorium errichtet. Diese geht in diesem Monat in Betrieb. Damit ist auch die Voraussetzung für die Schlämmung des Stadtgrabens gegeben, die im Rahmen der „Sommerinitiative der Schüler und Studenten“ in diesem Jahr mit drei Durchgängen der Schüler der 9.-12. Klasse durchgeführt wird.

1973 Februar
16. Februar: Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Heitere Muse“ findet im Rathaussaal ein „Busch-Abend“ mit dem bekannten Schauspieler NPT Günter Grabbert statt.

1973 März
18. März: Auf der Leipziger Frühjahrsmesse wird das Süßwarenwerk VEB Süßwaren „Delitzscher“ vom Außenhandelsorgan der DDR und der VVB als bester Exportbetrieb des Industriezweiges ausgezeichnet.
23. März: Eine Feldscheune im Ortsteil Gertitz wird durch einen von Kindern im Alter von 14 Jahren verursachten Brand völlig vernichtet.
27. März: An der Einmündung der Anna-Seghers-Straße in die Eilenburger Chaussee wird beim Zusammenstoß eines LKW mit einem Motorrad der Soziusfahrer tödlich verletzt.
Der Gemeindekirchenrat beschließt, im Zusammenhang mit der Neudeckung des Daches der Marienkirche den 1874 aufgesetzten Dachreiter zu entfernen und ihn später durch ein großes Kreuz zu ersetzen.

1973 April
12. April: In der Stadtverordnetenversammlung wird bekanntgegeben, dass 1972 von den 108 Verkehrsunfällen im Kreis Delitzsch 35 Unfälle auf das Stadtgebiet entfallen sind. Die hiesige Feuerwehr musste zur Bekämpfung von 24 Bränden ausrücken.
15.-16. April: Auf dem Tennisplatz am Schloss findet ein Länderkampf der Junioren DDR gegen Rumänien statt.
21. April: Der Chor der Ehrenberg-Oberschule nimmt an einem Sängerwettstreit in Eisenach teil und qualifiziert sich zur Teilnahme an den X. Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Berlin.

1973 Mai
24. Mai: Nach vielen Jahren wird Delitzsch auf der von Dresden nach Halle führenden Etappe wieder von der Friedensfahrt durchfahren.

1973 Juni
11. Juni: 3.000 Gäste besuchen das Tierparkfest anlässlich des fünfjährigen Bestehens. Hauptattraktion ist die Taufe zweier junger Bären auf die Namen „Taps“ und „Michi“.
23. Juni: Ein Höhepunkt des diesjährigen Parkfestes ist der Auftritt des „Erich Weinert-Ensembles“ der NVA.
29. Juni: Der Block 33 mit 40 Wohnungen in der Friedrich-Engels-Straße wird übergeben, der Block 32 wird bis 30. September fertiggestellt.

1973 Juli
21. Juli: Der Stadtfanfarenzug veranstaltet auf dem Markt ein Konzert als Generalprobe zu den X. Weltfestspielen in Berlin.

1973 August
Anlässlich der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten hat der EOS-Chor einige Auftritte in Berliner Stadtbezirken.
12. August: Schüler der oberen Klassen der Delitzscher Schulen haben den Stadtgraben entschlammt. Beteiligt waren 339 Jungen und Mädchen und 38 Lehrer. Geholfen haben ferner Betriebe des Kreises und 88 Mitglieder des Anglerverbandes. Insgesamt hat man etwa 18.000m3 Schlamm (Schlammtiefe 1m bei 1,15km Länge des Grabens) ausgehoben, wovon 4.000m3 für die Unterfüllung der neuen Böschung eingesetzt wurden. Weiterhin wurden 2.000 Meter neue Uferbefestigung mit Faschinen gesetzt.

1973 September
12. September: Das zweite Haus des Lehrlingswohnheim-Komplexes des Süßwarenwerkes VEB „Delitzscher“, im an der Dübener Straße gelegenen Werksgelände, wird mit 36 Plätzen übergeben.

1973 Oktober
05. Oktober: Eine Fußgängerbrücke über die Bahnlinie von der Eisenbahnstraße zur Leninstraße (heute Beerendorfer Straße) wird ihrer Bestimmung übergeben (Ihr Abbruch erfolgte 1997).
18. Oktober: Die SED-Kreisleitung entspricht der Bitte des Bürgermeisters Otto Paul, ihn nach fast 14-jähriger Tätigkeit altershalber von seiner Funktion zu entbinden. Die Stadtverordneten wählen als Nachfolger Hans-Joachim Kumrow aus dem LW-Rackwitz.

1973 November
30. November: Der Kindergarten am Park, wird als Ersatzbau der niedergebrannten Baracke an der Friedensschule mit 180 Plätzen nach knapp elfmonatiger Bauzeit zur Nutzung übergeben.

1973 Dezember
14. Dezember: Die Mittelstraße wird auf Beschluss der Stadtverordneten in „Dr.-Salvador-Allende-Straße“ umbenannt.
Vor Weihnachten wird ein Zeitungskiosk des Postamts am Roßplatz eröffnet (heute Standort eines Imbiss-Pavillon).
Der Kreis Delitzsch zählt derzeit 55.047 Einwohner.


1974

1974 Januar
11. Januar: Der mit einem Bau- und Einrichtungsaufwand von 1,2 Millionen Mark fertiggestellte Erweiterungsbau (Zwischentrakt) der Poliklinik wird an den Ärztlichen Direktor Dr. Helmut Stietzel übergeben. Damit sind sechs ärztliche Arbeitsplätze und eine physiotherapeutische Abteilung geschaffen worden.
In einer Pressemitteilung gibt der Rat der Stadt bekannt, dass die Postsäule auf dem Roßplatz wegen fortgeschrittener Zersetzung abgebaut und durch eine Replik ersetzt werden soll.
Das Schulze-Delitzsch-Denkmal am Marienplatz wird angeblich zwecks Verfestigung der Oberfläche und des angegriffenen Sockels abmontiert und in eine Spezialwerkstatt gebracht. Einige Tage später erscheinen „Leserbriefe“ in der LVZ, die das Entfernen des Denkmals fordern, da der jetzige Platz in der Wilhelm-Pieck-Straße nicht mehr zeitgemäß sei.

1974 Februar
14. Februar: Ein Ehrenmal mit der Büste von Otto Grotewohl wird an der nach ihm benannten Schule in Delitzsch-Ost in der Leninstraße (heute Beerendorfer Straße) eingeweiht.
19. Februar: Ein Verkehrsunfall mit tödlichen Folgen ereignet sich auf der Kreuzung Loberstraße/Karl-Liebknecht-Straße (Bismarck-straße). Ein Postauto kann wegen überhöhter Geschwindigkeit auf regennasser Fahrbahn nicht rechtzeitig abgebremst werden und überfährt einen Fußgänger.

1974 April
In der Richard-Wagner-Straße werden vier Wohnblöcke mit jeweils 40 Wohnungen gebaut. Teilweise sind sie als Ersatzwohnungen für aus Paupitzsch, wegen der geplanten Devastierung des Dorfes, übergesiedelte Einwohner geschaffen worden.

1974 Mai
23 Mai: Der Staatszirkus der VR Rumänien „Zirkus Bukarest“, der erstmalig in der DDR auftritt, gastiert auf dem Karl-Marx-Platz.

1974 Juni
01. Juni: Anlässlich des „Internationalen Kindertages“ wird eine kombinierte Kindereinrichtung in der Johannes-R.-Becher-Straße mit 180 Kindergarten- und 80 Krippenplätze eröffnet. Sie erhält den Namen „Freundschaft“.
14. Juni: In der Stadtverordnetenversammlung wird Hans-Joachim Kumrow als Bürgermeister wiedergewählt. Bereits einige Tage zuvor hatte der Kreistag den bisherigen Vorsitzenden des Rates des Kreises, Karl Hübner, erneut in seiner Funktion bestätigt.
24. Juni: Dem VEB „Zuckerfabrik“ wird für sein Exponat „Weißzucker“ die Agra-Goldmedaille verliehen

1974 Juli
01.07.: In der Breiten Straße 32 befindet sich eine Filiale der „Industrie- und Handelsbank der DDR“, die an diesem Tag in „Staatsbank der DDR“ umbenannt wird. Geschäftskunden dieser Devisenkonten verwaltenden Bank waren ausschließlich volkseigene Unternehmen und Bürger mit Valuta-Währung. In diesem Gebäude befand sich bis 1945 das traditionsreiche Bankhaus „Paul Schauseil und Co., Kommanditgesellschaft-Bankgeschäft in Halle“. Nach 1990 Geschäftsstelle der Dresdner Bank.
In der Nacht vom 5. zum 6. Juli wird eine 16-jährige Schülerin aus Eifersucht im Affekt ermordet. Nach mehreren Tagen wurde ein 17-jähriger Mitschüler als Täter verhaftet, der die Leiche im Lober in der Nähe des Schlosses verborgen hatte. Der Täter wurde im März des folgenden Jahres zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

1974 August
06. August: Die mit einem Kostenaufwand von 250.000 Mark neu gestaltete Karl-Liebknecht-Straße (Bismarckstraße) wird für den Verkehr freigegeben.

1974 Oktober
05. Oktober: Die Stresemannstraße wird in Fritz-Heckert-Straße umbenannt.
06. Oktober: Es werden zwei Linien des Stadtverkehrs eröffnet. Ab dem 8. Oktober starten die Busse an der Fußgängerbrücke in der Leninstraße und verkehren von Delitzsch-Ost zur Kaufhalle Nord und nach Döbernitz.
07. Oktober: Das Wilhelm-Pieck-Ehrenmal wird am Marienplatz, am bisherigen Standort des Schulze-Delitzsch-Denkmals, eingeweiht. Letzteres hat man in den Stadtpark versetzt.
Das bekannte Ausflugslokal „Froschmühle“ im Delitzscher Ortsteil Kertitz wird in diesem Monat geschlossen und während der folgenden Wintermonate abgebrochen.

1974 November
04. November: Es erfolgt die Schlüsselübergabe an 28 Familien für Wohnungen eines als Lückenbebauung in der Karl-Liebknecht-Straße errichteten Wohnblockes.

1974 Dezember
Bis Jahresende haben sich im Kreis 156 Verkehrsunfälle, davon sechs mit tödlichem Ausgang ereignet.
Im Kreis zählt man etwa 20 Großtrappen. Der Elbe-Biber, der sich seit 1960 in der Alten Mulde bei Löbnitz angesiedelt hat, hat jetzt einen Bestand von sechs Paaren.


1975

1975 Februar
Das VEG „Saatzucht“ hat seine Fläche zur Tulpenvermehrung auf 50 Hektar erweitert. Damit ist es möglich, dass bis zum 3. Mai drei Millionen Tulpenzwiebeln zum Verkauf bereitgestellt werden.
22. Februar: Die BSG Lok feiert das 25-jährige Jubiläum ihres Bestehens. Sie ist mit 2.660 Mitgliedern in 15 Sektionen und mit 60 Übungsleitern die größte BSG des Bezirkes Leipzig.

1975 März
27. März: Das Karl-Marx-Haus schließt für längere Zeit, da es grundlegend rekonstruiert werden soll.

1975 April
17. April: Eine industrielle Rindermastanlage (VEB IRIMA) nimmt an der Benndorfer Landstraße ihre Tätigkeit auf. Die Belegschaft umfasst 197 Mitarbeiter, im April sind zunächst 1.150 Kälber zur Mast eingestallt worden. Bis zum Jahresende sollen es 12.000 Kälber sein. Diese Massentierhaltung führte in den nächsten Jahren zu tiefgreifenden ökologischen Problemen, da die anfallende Gülle übermäßig stark auf die Felder aufgebracht und dadurch der Lober immer wieder verunreinigt wurde, was zu Fischsterben führte.
19.-20. April: Der Kammerchor der beiden Schulze-Delitzsch-Chöre unter Leitung von Dr. Petermann vertrat die DDR bei einem internationalen Volksliederfestival in der VR Ungarn auf Einladung des Ungarischen Rundfunks.

1975 Mai
09. Mai: Aus Anlass des 30. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus ist der Ehrenhain für die gefallenen Sowjetsoldaten auf dem Friedhof neu gestaltet und ein Obelisk aufgestellt worden. Der Ehrenhain wird im Beisein des Majors Dubner, der 1945 als Politoffizier der Sowjetischen Kommandantur tätig war, eingeweiht.

1975 Juni
23. Juni: Die neu erbaute „Konsum-Kaufhalle-West“ (Ecke Pestalozzistraße/Hallesche Straße 50) wird eröffnet.

1975 Juli
01. Juli: Die ersten 40 Filterpumpen zum Absenken des Grundwasserspiegel im Haldenstützenbereich der Förderbrücke des zukünftigen Tagbaues Delitzsch-Südwest werden in Betrieb genommen. Das abgepumpte Grundwasser wird in den Lober und davon ausgehend auch in den Stadtgraben geleitet.
18. Juli: Der evangelische Superintendent Martin übersiedelt nach Würzburg in die BRD. Seine Vertretung übernimmt der in Zwochau amtierende Pfarrer Schewe. Er verbleibt dennoch in der Pfarrstelle in Zwochau.
27. Juli: Klaus Pluhm wird DDR-Meister im Tennisdoppel der Jugend.

1975 August
30. August: Mit einem Laubenfest wird das Spartenheim der Kleingartensparte „Am Wasserturm“ eingeweiht. Es wurde in fast 3½ jähriger Bauzeit im „Mach-mit-Wettbewerb“ mit Bauleistungen im Wert von 150.000 M von den Mitgliedern errichtet und ist bereits das vierte Heim dieser Art in der Stadt. Ein weiteres ist in der Kleingartensparte „Delitzsch-Ost“ im Bau.

1975 September
Die GST-Tauchsportler des RAW stellen acht der 11 Wettkampfteilnehmer des Bezirks Leipzig bei den DDR-Meisterschaften im Orientierungstauchen. Ellen Komolka erringt dabei eine Bronzemedaille und wird als „Kader“ der Nationalmannschaft nominiert.

1975 Oktober
Der Schulze-Delitzsch-Männerchor weilt auf Einladung des „Demokratischen Verbandes der Deutschen in Ungarn“ in Palotaboszok. Zu der dortigen Volkskunstgruppe bestehen seit zwei Jahren freundschaftliche Beziehungen.

1975 November
03. November: In der Bitterfelder Straße 43 am Clara-Zetkin-Platz (heute Nordplatz) wird das Postamt 2 „Delitzsch-Nord“ eröffnet.
13. November: Der Anschluss von der Bahnstrecke Halle-Eilenburg zur Kohlebahn für den Tagebauaufschluss Delitzsch-Südwest ist fertiggestellt.

1975 Dezember
03. Dezember: Die Freiwillige Feuerwehr feiert ihr 115-jähriges Bestehen.
In diesem Monat werden der letzte der drei Wohnblöcke mit insgesamt 140 Wohnungen und ein Wohnblock mit 40 Wohnungen in der Leninstraße (Beerendorfer Straße) übergeben. Abgeschlossen wurde im Herbst diesen Jahres auch der vollständige Abbruch der traditionsreichen Gastwirtschaft und vormaligen Wassermühle „Froschmühle“, im Delitzscher Ortsteil Kertitz. Sie war bereits seit etwa 1972 geschlossen, da der durch Abwässer verunreinigte Mühlteich eine unerträgliche Geruchsbelästigung zur Folge gehabt hat. Sie konnte auch durch die im Juli/August 1974 durchgeführte Schlämmung des Teiches –ausgeführt von Delitzscher Schülern- nicht abgestellt werden.


1976

1976 Februar
02. Februar: Die Feuerwehr muß gegen 2230 Uhr ausrücken, um einen Brand in einem Holzgebäude in der Bitterfelder Straße zu löschen. Dabei wird das im Vorjahr angeschaffte moderne W 50-Löschfahrzeug erstmals eingesetzt.
07. Februar: Die fertiggestellte Sporthalle an der neuen Schule in Delitzsch-Ost wird übergeben. Sie besitzt eine nach internationalen Maßen gebaute Parkettfläche und bietet für 450 Zuschauer Sitzplätze. Außerdem befindet sich in ihr ein Lehrschwimmbecken. Im Anschluss an ein Festprogramm findet ein Hallenhandballspiel zwischen zwei Oberliga-Mannschaften statt.

1976 März
01. März: Die neue Schule in Delitzsch-Ost erhält den Namen „Artur Becker“. Neben den Klassenzimmern sind auch Fachkabinette und Horträume eingerichtet worden. Vorerst werden in 18 Klassen 567 Schüler und ab dem neuen Schuljahr 750 Schüler in 24 Klassen von 40 Lehrern unterrichtet. Gleichzeitig wird die anliegende „Oststraße“ in „Artur-Becker-Straße“ umbenannt.
Im VEB „IRIMA“ sind jetzt 13.500 Mastbullen eingestallt, von denen ab Juli monatlich 1.000 Stück an den Schlachthof geliefert werden.
24. März: Die Versuchs- und Entwicklungsstelle für Wagenwirtschaft der Deutschen Reichsbahn in Delitzsch, Berliner/ Ecke Dübener Straße, stellt den von ihr entwickelten und in Halberstadt gebauten Reisezugwagen dem 1. Sekretär der SED-Kreisleitung vor.

1976 April
1. April: Der Umbau des Karl-Marx-Hauses ist abgeschlossen. Es hat jetzt auch ein großes Foyer, eine Nachtbar und einige Mehrzweckräume für kleinere Veranstaltungen sowie eine moderne Kücheneinrichtung.
Die im Zuge des künftigen Tagebauaufschlusses Delitzsch Südwest vorgenommene Verlegung und Vertiefung des Lobers, die bereits im Vorjahr ab Döbernitz durch den Stadtpark bis zur Halleschen Straße erfolgt ist, wird bis nach Schenkenberg weitergeführt.

1976 Mai
An der Demonstration zum 1. Mai nehmen erstmals die Kumpel aus dem entstehenden Tagebau Delitzsch-Südwest teil. Laut Perspektivplan sollen nach dem Aufschluss von zwei weiteren Tagebauen (Delitzsch-Süd und Bitterfeld) in den Jahren ab 1980 etwa 10% des Kohlebedarfs der DDR in unserem Territorium bis zum Jahre 2030 gewonnen werden. Dafür sollen 25 Gemeinden und Ortsteile in unserem Kreis und vom angrenzenden Kreis Leipziger-Land devastiert werden. Außerdem soll in den achtziger Jahren im Raum Beerendorf ein Großkraftwerk mit 2.480 Megawatt gebaut werden, für dessen Betreibung 4.500 Werktätige vorgesehen sind.
Für diesen Teil des Kohle-Energie-Programms der DDR sind in Delitzsch-Nord und in Delitzsch-West große Neubauviertel mit 6.000 Wohnungen geplant. Planungen sehen ein Anwachsen der Einwohnerzahl der Stadt Delitzsch auf 40.000 Einwohner vor.
13. Mai: Der von einer Feierabendbrigade des VEB Stadtwirtschaft mit Unterstützung weiterer örtlicher Betriebe gebaute Kleinfeld-Fußballplatz an der Leninstraße (Beerendorfer Straße) ist fertiggestellt. Ein weiterer entsteht in der nächsten Zeit an der Eilenburger Chaussee. Beide Sportstätten werden kaum genutzt und liegen bald brach.
20. Mai: Der aus einem anderen Tagebau am 23. März in Marsch gesetzte Eimerkettenbagger ist am 12. Mai im Tagebau Südwest eingetroffen und beginnt mit dem Einschnitt für die Aufschlussarbeiten.

1976 Juni
04. Juni: Ein Brand im VEB Dienstleistungskombinat in der Laueschen Straße, hat einen beträchtlichen Sachschaden verursacht. Durch das schnelle Eingreifen der Freiwilligen Feuerwehr konnte eine Ausbreitung des Brandes verhindert werden.
25.-27. Juni: Der Höhepunkt des diesjährigen Parkfestes ist der Auftritt der Beat-Gruppe „Karat“ und des Tanzensembles der DDR, das hiermit seine Tournee durch 20 Länder Europas, Asiens und Afrikas beendet.
26. Juni: Aus Anlass des 100. Todestages des in Delitzsch geborenen Naturforschers Christian Gottfried Ehrenberg, findet eine festliche Veranstaltung in der Aula der EOS statt. Dabei wird erstmals für die beste naturwissenschaftliche Leistung in den Reifeprüfungen der „Ehrenberg-Preis“ verliehen. Der Biologielehrer Rolf Bolling hat zu diesem Gedenktag eine Broschüre über Leben und Werk Ehrenbergs verfasst.

1976 Juli
17. Juli: Auf dem Obst- und Gemüsemarkt auf dem Roßplatz können ab jetzt auch die Kleingärtner und nichtorganisierte Gartenbesitzer Waren zum Verkauf anzubieten.. Bisher konnten sie ihre Produkte nur an staatliche Aufkaufstellen abgeben. Jetzt erhalten sie gegenüber den Aufkaufspreisen die höheren Einzelhandelspreise.
19. Juli: Der in Delitzsch geborene Lutz Mack, Mitglied der Turner-Nationalmannschaft der DDR, hat in den XXI. Olympischen Spielen in Montreal die Bronzemedaille errungen.
In diesem Monat sind 20 junge Praktikanten aus Vietnam im RAW eingetroffen. Sie erhalten dort ab 1. September eine zweieinhalbjährige Ausbildung als Schienenfahrzeugschlosser.

1976 August
Im Laufe des Monats entstehen eine Nebenstelle der Post und eine Arzneimittelausgabe als neue Dienstleistungseinrichtungen in Delitzsch-Ost, Johannes R.-Becher-Straße, nachdem bereits im Juni eine Annahme- und Ausgabestelle des VEB Dienstleistungsbetriebes und danach der Salon der PGH Friseure dort eröffnet worden waren.

1976 September
26. September: Die Fachgruppe Numismatik gestaltet im Karl-Marx-Haus eine Münzausstellung, in der u. a. Münzen des Königreiches Sachsen, der Weimarer Republik und das Notgeld der Stadt Delitzsch gezeigt werden.

1976 November
22.-24. November: Es ereignen sich zwei tödliche Verkehrsunfälle. Das Müllfahrzeug des VEB Stadtwirtschaft überfährt in Zaasch einen Bürger, der seinen Verletzungen im Krankenhaus erliegt. In der Bitterfelder Straße wird ein 15-jähriger Schüler vor der Schule von einem PKW überfahren; er verstirbt ebenfalls an den Folgen seiner Verletzungen.
27.-28. November: In der Artur-Becker-Sporthalle findet ein internationaler Vergleichskampf junger Sportlerinnen aus neun Ländern in der Leistungsgymnastik statt.

1976 Dezember
30. Dezember: Mit der Übergabe eines Wohnblocks mit 80 Wohnungen in Delitzsch-Ost wird das diesjährige Wohnungsbauprogramm beendet. Für die Klubgaststätte „Drushba“ in diesem Wohnungsbaugebiet ist der Grundstein gelegt worden. In der Nordstraße wird zur Zeit ein Neubaublock als Lückenbebauung errichtet.
Im VEB Rindermast bei Benndorf betreuen 230 Arbeitskräfte 21.384 Rinder. Die Jahresproduktion beträgt 7000 Tonnen Schlachtrind, das sind 12% des Schlachtviehaufkommens des Bezirkes Leipzig. Diese Massentierhaltung führt zu großen Umweltproblemen.


1977

1977 Januar
Es wird mit der Vorbereitung für die Erschließungsarbeiten für das neue Wohngebiet Delitzsch-Nord begonnen. Dort ist vorgesehen, dass bis 1983 etwa 2.500 Wohnungen gebaut werden. Der Wohnungsbau wird in diesem Jahr in Delitzsch-Ost mit der Errichtung von vier Wohnblocks und einigen Eigenheimen fortgesetzt. Insgesamt sollen in diesem Jahr 155 Neubauwohnungen fertiggestellt werden.

1977 Februar
In einem Zeitungsbericht wird gemeldet, dass sich im Vorjahr im Kreis 213 Verkehrsunfälle ereignet haben, bei denen 155 Personen verletzt und 14 Personen getötet wurden.
28. Februar: Nachdem ein Absetzer aus dem Tagebau Holzweißig überführt worden ist, beginnt jetzt die Aufschlussbaggerung für den Tagebau Delitzsch-Südwest. Der erste Abraumzug verlässt den Tagebau und bringt den Abraum zum Tagebau „Freiheit III“ im Raum Bitterfeld zur Verschüttung. Der Aufschluss des Tagebaus Delitzsch-Südwest erfolgte gemäß den Festlegungen des IX. Parteitages der SED. In der Direktive zum Fünfjahrplan 1976-80 war der Abbau der Braunkohle in der DDR im umfassenden Ausmaß bestimmt worden. Davon war auch der Kreis Delitzsch betroffen. Die Erkundung der geologischen Verhältnisse hatte ergeben, dass im gesamten Kreisgebiet Braunkohle lagert.

1977 April
06. April: In der Stadtverordnetenversammlung wird der Bürgermeister Hans-Joachim Kumrow (SED) abberufen. Dessen bisheriger Stellvertreter Wolfgang Neubert (SED) wird mit der Führung der Amtsgeschäfte beauftragt, bis er schließlich am 15. Dezember zum Bürgermeister gewählt werden sollte.
15. April: Der Arbeiter Harry Kloppe aus dem RAW rettet in der Elisabethstraße 12 einer 80-jährigen Frau das Leben. Sie war infolge der Rauchentwicklung bei einem Brand in ihrer Wohnung bereits ohnmächtig geworden. Ihr Retter unternahm sofort Wiederbelebungsversuche und bekämpfte den Brand bis zum Eintreffen der Feuerwehr.

1977 Mai
27. Mai: Eine vom Filmklub am Schloss errichtete Freilichtbühne wird zum Pfingsttreffen der Jugend und Studenten eröffnet.

1977 Juni
10.-12. Juni: Höhepunkte zum 10. Parkfest sind die Auftritte von Dagmar Frederic und Peter Wieland sowie des Tanzensembles der DDR.

1977 September
Der Staatliche Forstwirtschaftsbetrieb Wermsdorf erhält den Auftrag, zur Abschirmung gegen das geplante Kraftwerk im Osten der Stadt einen 40 Hektar großen Grüngürtel anzupflanzen. Dieser trägt künftig den Namen „Stadtwald“.

1977 Oktober
Der EOS-Chor fährt gemeinsam mit dem Volkskunstensemble des VEB Eilenburger Chemiewerk zu einer einwöchigen Konzertreise in die VR Bulgarien. Das Programm ist dem 60. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution gewidmet.

1977 November
20. November: In der Artur-Becker-Sporthalle findet ein Boxländerkampf DDR-VR Polen statt, an dem die Nachwuchs-Olympiakader beider Länder teilnehmen.

1977 Dezember
15. Dezember: Dem Arbeiterveteranen Albin Schneider (ehemaliger 1. Sekretär der SED-Kreisleitung) und Otto Paul (ehemaliger Bürgermeister) wird die Ehrenbürgerschaft der Stadt Delitzsch verliehen.
30. Dezember: Mit der Schlüsselübergabe für einen Wohnblock mit 50 Wohnungen ist der Wohnungsbau in Delitzsch-Ost im wesentlichen abgeschlossen.


1978

1978 Februar
18. Februar: Die Betriebszeitung des RAW, der „Werkstätten Express“ feiert das 25jährige Jubiläum ihres Bestehens. Sie wird von Anbeginn von der Betriebsparteiorganisation der SED des RAW herausgegeben und soll als ein „kollektiver Propagandist, Agitator und Organisator“ wirken.
23. Februar: Der „Klub der Intelligenz“ wird neu gegründet, er erhält später den Namen „Ehrenberg-Klub“. Auf seiner ersten Veranstaltung in der Tanzbar des Karl-Marx-Hauses treten in einer Gesprächsreihe „Gefragte Gäste“ der Journalist und Autor des „Eulenspiegel“ John Stave, die Cartoonisten Andreas E. Mueller und Ulrich Forchner als Interviewpartner des Fernsehmoderators Jürgen Schulz auf.

1978 März
28. März: Beim Überholen eines abbiegenden Fahrzeuges des VEB Stadtwirtschaft kommt ein Kradfahrer auf der F184 in Richtung Bitterfeld von der Fahrbahn ab und rammt einen Baum. Der Kradfahrer wird tödlich verletzt.

1978 April
05. April: Die Kleingartensparte Delitzsch-Ost hat nach dreijähriger Bauzeit ihr Spartenheim fertiggestellt.

1978 Mai
Anfang des Monats erfolgt in der Ortslage Wolteritz der erste Spatenstich zur Eröffnung des Tagebaues „Breitenfeld-Nord“. Der Aufschluss soll 1980 und die Kohleförderung ab 1985/86 erfolgen.

1978 Juni
Es wird mit der Montage der Wohnblocks im Neubaugebiet Nord I begonnen.
10. Juni: Es ereignet sich auf der Eilenburger Chaussee in Höhe der Döbernitzer Mühle ein tödlicher Unfall. Dabei wurde ein Moped aus der Kurve getragen, dessen Fahrer an den Folgen seiner Verletzungen verstarb.
16. Juni: Der Tiergarten besteht jetzt seit zehn Jahren. In dieser Zeit ist sein Bestand auf 547 Tiere in 107 Arten angewachsen. Im Vorjahr hatte er 47.200 Besucher aufzuweisen.

1978 Juli
01. Juli: Nach erfolgter Innenrenovierung erhält die Hospitalkirche eine neue Weihe. Unter Leitung von Heinrich Bienroth gestalteten die Maler Klaus Rast, dessen Sohn sowie der Maler K.-H. Schnade den Innenraum dieser Kirche.

1978 August
Das RAW hat das erste für das Verkehrsmuseum Dresden restaurierte ältere Schienenfahrzeug (einen Reisezugwagen) übergeben.

1978 September
Das Fotoatelier Kühnemann in der Eilenburger Straße 55 begeht sein 50-jähriges Geschäftsjubiläum.

1978 Oktober
Eine Wohngebietsgaststätte in Delitzsch-Ost wird unter dem Namen „Drushba“ (Freundschaft) eröffnet. In diesem Neubaugebiet wohnen etwa 6.000 Einwohner. Nach Schließung der Gaststätte im Jahre 1990, wird dort ein „Konsum“ Markt und eine Apotheke eingerichtet.
Der bisherige Pfarrer der katholischen Gemeinde, Paul Schulte, ist nach fast 30-jähriger verdienstvoller Amtsführung in den Ruhestand getreten. Sein Nachfolger wird Pfarrer Eugen Gedigk.

1978 Dezember
In der Nacht vom 29. zum 30. Dezember tritt ein Temperatursturz mit starkem Schneefall ein, der von der Ostsee aus auf alle Bezirke übergreift. In Delitzsch sinkt die Temperatur von +10°C am 29. Dezember auf -15°C am 31. Dezember. Seit dem 30. Dezember befindet sich der Winterdienst des VEB Stadtwirtschaft zur Räumung der Verkehrswege im ununterbrochenen Einsatz. Die Folge dieses Wintereinbruches ist, dass vorwiegend in öffentlichen Gebäuden und Handelseinrichtungen erhebliche Rohrbrüche zu verzeichnen sind.


1979

1979 Januar
Die strenge Kälte setzt sich in den ersten Tagen des neuen Jahres fort. Nachdem es in der Silvesternacht zu Stromabschaltungen und Unregelmäßigkeiten im Zug- und Busverkehr gekommen war, werden im Laufe des Neujahrstages die Straßen wieder befahrbar gemacht. Die Betriebe können ab 2. Januar, wenn auch noch mit Einschränkungen, ihre Produktion wieder aufnehmen. Ab 3. Januar wird auch die Abraumförderung im Tagebau Delitzsch-Südwest möglich. In den ersten Tagen des Januar müssen in Folge der extremen Temperaturen mehrere Geschäfte vorübergehend schließen. Während am 7. Januar früh noch -20°C gemessen werden, steigt am 8. Januar die Temperatur bis auf 0°C, wobei durch einsetzenden Sprühregen der Straßenverkehr wegen Glatteisbildung beeinträchtigt wird.
11. Januar: Ein Schlosser aus dem RAW, Heinz Ziegler, rettet ein achtjähriges Kind vor dem Ertrinken aus dem Stadtgraben.
25. Januar: Der Delitzscher Günter Lohse, Chefregisseur des Leipziger Opernhauses, tritt als Gast in der Gesprächsreihe des Klubs der Intelligenz, „Prominente des Kreises und Bezirkes stellen sich vor“ auf.

1979 Februar
03. Februar: Im Tagebau Südwest trifft der Eimerkettenbagger in einer Tiefe von 35 Metern auf die erste Kohleschicht.

1979 März
Die seit einigen Monaten laufenden Arbeiten zur Verlegung des zweiten Gleises auf der Bahnstrecke Halle-Eilenburg sind zwischen dem Oberen Bahnhof und Hohenroda abgeschlossen und werden jetzt bis Krensitz weitergeführt.
21. März: Im RAW erfolgt die Grundsteinlegung für eine Produktionshaupthalle, die das Kernstück der Rekonstruktion des Werkes darstellt.
30. März: Die Stadtverordneten wählen Karl Lubienski zum Bürgermeister, nachdem der bisherige Amtsinhaber Wolfgang Neubert am 20. März von seiner Funktion abberufen worden war.

1979 April
30. April: Die „Ostsiedlung“ wird in „Otto-Grotewohl-Straße“ umbenannt (heute wieder Ostsiedlung).

1979 Mai
02. Mai: Es beginnen Bauarbeiten zur Umgestaltung der Straßenführung am Unteren Bahnhof und der Ausbau der Breiten Straße als Boulevard. Die Fassaden der Häuser sollen dem Charakter der Altstadt entsprechend einen angemessenen Farbanstrich erhalten.   Der Straßenabschnitt Roßplatz-Markt wird zur Fußgängerzone ausgebaut.
20. Mai: Im Haus Markt Nr.14 eröffnet die Familie Harzone ein Eiscafé. In der Stadt gibt es zur Zeit neun Speiselokale, 14 Biergaststätten, zwei Cafés, eine Tanzbar, eine Jugendtanzgaststätte, drei Eisdielen, drei Kioske, drei Spartenheime (Am Wasserturm, Gute Hoffnung, Delitzsch-Ost) und sechs Saisongaststätten.
Bei der Konstituierung der neuen Volksvertretungen nach den Kommunalwahlen werden Karl Hübner als Vorsitzender des Rates des Kreises und Lothar Elze als dessen 1. Stellvertreter sowie Karl Lubienski als Bürgermeister der Stadt, Ingobert Löbel als dessen 1. Stellvertreter, zwei weitere Stellvertreter und neun Mitglieder gewählt.

1979 Juni
In der Presse erscheinen folgende Meldungen über aus Delitzsch stammende Spitzensportler:
Roland Kreer, jetzt bei 1.FC. Lok Leipzig, gehört der Nachwuchsauswahl der DDR in Fußball an.
Wolfgang Schmidt, jetzt beim DDR-Meister SC Lok Leipzig, ist Mitglied der DDR-Nationalmannschaft im Handball und hat bereits im März an einem Länderspiel gegen Äthiopien teilgenommen.
Lutz Mack, zweimaliger Weltmeister und dreimaliger Europameister im Geräteturnen, vielfacher DDR-Meister und Bronzemedaillengewinner bei den Olympischen Spielen von Montreal 1976 in der Mannschaftswertung, ist jetzt Kapitän der Turnerriege der Nationalmannschaft geworden.
Ein internationales Kolloqium der Unterorganisation der UNO, der UNIDO; findet im VEB Delicia statt.
Der Gastgeberbetrieb als spezialisiertes und international bekanntes Unternehmen auf dem Fachgebiet der Herstellung und Anwendung von Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln informiert die aus mehreren Ländern der Welt angereisten ausländischen Fachleute über den neuesten Forschungs- und Entwicklungsstand. Der VEB Delicia ist auf einigen Fachgebieten Alleinhersteller dieser Erzeugnisse im Bereich des Rates der gegenseitigen Wirtschaftshilfe (RGW).
Diesen Monat beginnen die Montagearbeiten von weiteren Wohnblocks in Delitzsch-Nord. Es werden zwei Oberschulen, eine Turnhalle, eine Kindereinrichtung mit 180 Kindergarten- und 90 Krippenplätzen, ein Café, ein Friseursalon und die Gaststätte „Stadt Delitzsch“ sowie ein Heizwerk errichtet.

1979 Juli
Es beginnen Straßenbauarbeiten zum Ausbau der Securiusstraße bis zum Naundorfer Weg.
15. Juli: Unter Mithilfe von Jugendlichen des zweiten Durchganges der Sommerinitiative der FDJ und Arbeitern der örtlichen Betriebe, die entsprechende Kommunalverträge abgeschlossen haben, wird mit der Umgestaltung des Marktes begonnen. Er wird als Parkplatz benutzt und soll nunmehr mit Hochbeeten, Bänken und Kugelleuchten ausgestattet werden.

1979 August
25.-26. August: Die Interessengemeinschaft „Ortschronisten“ des Kulturbundes der DDR zeigt im Karl-Marx-Haus die Ausstellung „Delitzsch - Stadt und Gemeinden im 30. Jahr der DDR“. Eine Leistungsschau gestalten die Fachgruppen „Rosen und Stauden“, „Numismatik“, „Philatelie“ und „Denkmalpflege“. In der „Galerie im 1. Stock“ werden Bilder und andere Kunstwerke von Laienschaffenden aus dem Kreis Delitzsch gezeigt.
28. August: Die „Friedrich-Naumann-Straße„ wird in „Otto-Herrmann-Straße“ umbenannt. Damit soll das Lebenswerk des aktiven Widerstandskämpfers und Kommunisten gewürdigt werden. Er gehörte im „Dritten Reich“ der Leipziger Widerstandsgruppe von Georg Schumann an und war im Oktober 1945 vom sowjetischen Kommandanten zum Landrat des Kreises Delitzsch ernannt worden.

1979 September
01. September: Auf Beschluss des Rates des Kreises wird der VEB „Kreisdirektion des Straßenwesens“, Sitz Hallesche Straße am Ortsausgang Richtung Brehna, gegründet.
Der VEB Rohrtechnik stellt den von ihm entwickelten und gebauten 1. Sonnenkollektor der DDR vor. Mit einer Fläche von 4 m2 ist er für den Eigenheimbau und für den Einsatz in Industrie und Landwirtschaft vorgesehen.
21. September: Vor der Wohngebietsgaststätte „ Drushba“ wird ein Springbrunnen eingeweiht. Er ist vom VEB Rohrtechnik im Rahmen des „Mach-mit-Wettbewerbes“ gebaut, bald aber durch Vandalismus zerstört worden.

1979 Oktober
07. Oktober: Der neugestaltete Marktplatz wird entsprechend der Vorgaben vom Juli des Jahres der Öffentlichkeit übergeben. Als Ersatz für die weggefallenen Parkflächen ist die August-Fritsche-Straße als Parkplatz eingerichtet worden.
15. Oktober: Es wird mit der Aufforstung des vorgesehenen 40 Hektar großen Stadtwaldes zwischen Lenin-Straße (Beerendorfer Straße) und Dübener Landstraße begonnen. Etwa 25 Hektar werden von Schülern der Erweiterten Ehrenberg-Oberschule mit Eichenschösslingen bepflanzt. Einen weiteren Teil der Bepflanzung des Stadtwaldes übernimmt die Jagdgenossenschaft mit verschiedenen Nadel- und Laubwaldschösslingen.

1979 November
17. November: In der Wilhelm-Pieck-Straße werden die Wehrpflichtigen der Unteroffiziersschule „Kurt Bennewitz“ durch ihren Kommandeur, Generalmajor Werner Käseberg, vereidigt. Nach dreijährigen Bauzeit der Kasernenanlage, nördlich von Benndorf, wird im Spätherbst mit der Zusammenführung der im Raum Eilenburg und Züllsdorf befindlichen Einheiten die NVA-Kaserne bei Benndorf belegt. Sie wird als Unteroffiziersschule 2 der Landstreitkräfte der NVA eingerichtet. Die Ausbildungszeit an dieser Einrichtung beträgt für Unteroffiziere sechs Monate und ein Jahr für Fähnriche. Sie führt den Namen „Kurt Bennewitz“, der als Widerstandskämpfer in einem Konzentrationslager des faschistischen Deutschlands zum Tode verurteilt und hingerichtet worden war. Dem ersten Kommandeur dieser Schule folgt Generalmajor Rainer Dürichen, der dann von Oberst Bogdanow abgelöst wird. Letzterer führt die Unteroffiziersschule bis zu ihrer Auflösung und Übernahme durch die Bundeswehr. Unter Nutzung der vorhandenen Anlagen und Gebäude wird diese Einrichtung als Heeresunteroffiziersschule IV (HUS IV) der Bundeswehr weitergeführt.

1979 Dezember
03. Dezember: Der erste Kohlezug verlässt den Tagebau Delitzsch-Südwest. Bis Ende des kommenden Jahres ist eine Förderung von 350.000 Tonnen vorgesehen.
08. Dezember: Die erste von drei Schulen im Neubaugebiet Delitzsch-Nord ist fertiggestellt. Der Unterricht beginnt mit 200 Schülern, insgesamt sind 26 Klassen und Unterrichtsräume eingerichtet worden. Bis zum Ende des Monats haben in diesem Neubaugebiet 600 Bürger in 260 Wohnungen ein neues Zuhause bekommen. Die zuerst fertiggestellte Straße erhält den Namen Hermann-Matern-Straße. Für die anderen sind folgende Namen festgelegt worden: Ernst-Schneller-Straße, Georgi-Dimitroff-Straße, Clement-Gottwald-Straße, Straße der Jugend, Straße des Friedens, Straße der Solidarität, Adolf-Hennecke-Straße, Alexander-Puschkin-Straße, Otto-von-Guericke-Straße. Weitere Wohnblocks werden in der Rosa-Luxemburg-Straße und in der Rudolf-Breitscheid-Straße gebaut. Die im Neubauviertel entstehenden Fuß- und Radwege erhalten die Namen Maienweg, Birkenweg, Rosenweg, Sonnenwinkelweg, Amselweg und Am Bogen.
09. Dezember: Im VEB Delicia Delitzsch wird eine offizielle Brandschutzkontrolle durchgeführt. Mit dieser Tarnung wird parallel dazu, unter konspirativen Bedingungen und der Mitwirkung eines Informellen Mitarbeiters (IM) der Kreisdienststelle des MfS, von Spezialisten der Abteilung 26 der Bezirksverwaltung des MfS in Leipzig, die gesamte Fernsprechanlage des Betriebes für Zwecke konspirativer Überwachung abhörtechnisch präpariert.
11. Dezember: Der Direktor des Krankenhauses, OMR Dr. Dr. Horst Schulze-Warneke wird anlässlich des „Tages des Gesundheitswesens“ mit dem Ehrentitel „Verdienter Arzt des Volkes“ ausgezeichnet.


1980

1980 Januar
02. Januar: Die erste kombinierte Kindereinrichtung in Delitzsch-Nord mit 180 Kindergarten- und 90 Krippenplätzen nimmt ihren Betrieb auf.
30. Januar: Das neue Lehrlingswohnheim des RAW mit 100 Plätzen wird zur Nutzung freigegeben..

1980 März
01. März: Zum 24. Jahrestag der NVA lädt die Unteroffiziersschule „Kurt Bennewitz“ die Bevölkerung zu einem Treffen in die Garnison ein. Dort finden militärische Vorführungen, sportliche Wettkämpfe und ein Platzkonzert statt. Es gibt auch Erbseneintopf aus der „Gulaschkanone“.
Das im Auftragswerk des Roten Kreuzes entstandene Gemälde „Feiertag“ des Leipziger Kunstmalers Heinz Mäde erhält im Karl-Marx-Haus seinen festen Platz.

1980 Mai
Anlässlich des 1. Mai wird die Zuckerfabrik als Beste der 47 Werke der DDR in der Kampagne 1979/80 mit der Wanderfahne des Ministers ausgezeichnet. Gleichzeitig erhält sie ebenso wie das RAW wegen jahrelanger guter Ergebnisse im Sozialistischen Wettbewerb den Orden „Banner der Arbeit“, Stufe I.

1980 Juni
01.Juni: Weil Delitzsch wieder Garnisonstadt geworden ist, wird nun auch hier das „Fest der sozialistischen Soldatenfamilie“ begangen. Zum Auftakt gibt das Stabsmusikkorps der Landstreitkräfte der NVA auf dem Karl-Marx-Platz ein Konzert.
27. Juni: Nach der am 21. März 1979 erfolgten Grundsteinlegung für den Bau einer neuen „Hauptproduktionshalle“ im RAW, kann jetzt das Richtfest für den 1. Bauabschnitt feierlich begangen werden. Die weiteren Baumaßnahmen dauern noch bis zum Spätherbst des Jahres 1986 an. Erst am 1. Juli 1986 konnte der Probebetrieb mit der Aufarbeitung von „Halberstädter 26,4-Meter-Wagen aufgenommen werden.

1980 August
09. August: In der Artur-Becker-Sporthalle findet ein Volleyball-Länderspiel der Junioren-Auswahlmannschaften Bulgarien und DDR statt.

1980 September
01. September: Zu Beginn des neuen Schuljahres wird die zweite Neubauschule mit ihrer Turnhalle in Delitzsch-Nord ihrer Bestimmung übergeben.
In Delitzsch-Ost wurde eine neue Kleingartensparte gegründet. Im Stadtgebiet von Delitzsch und den unmittelbar angrenzenden Gemeinden befinden sich noch weitere Kleingartenanlagen:
„Altes Lobertal“                      seit 1946       Benndorf
„Wiesengrund“                       seit 1991       Benndorf
„Schenkenberger Park“         seit 1980       Schenkenberg
„Freundschaft“                       seit 1946       Ortsteil Rödgen
„Delitzsch-Kertitz“                  seit 1991       Ortsteil Kertitz
„Am Schachtweg“                  seit 1924       Delitzsch-Stadtgebiet
„Rosenthal“                            seit 1933       Delitzsch-Stadtgebiet
„Grüne Oase“                         seit 1989       Delitzsch-Stadtgebiet
„Am Wasserturm“                   seit 1920       Delitzsch-Süd
„Döbernitzer Weg“                  seit 1991       Delitzsch-Süd
„Sonneneck“                           seit 1982       Delitzsch-Süd
„Kleinwirte“                              seit 1938       Delitzsch-Süd
„Dr. Schreber“                         seit 1954       Delitzsch-Nord
„Gute Hoffnung“                      seit 1946       Delitzsch-Nord
„Eigene Scholle“                     seit 1919       Wittenberger Straße
„Zur Erholung“                        seit 1933       Eilenburger Chaussee
„Frohe Zukunft“                       seit 1930       Eilenburger Chaussee
„Frühauf“                                 seit 1920       Eilenburger Chaussee
„Die Laubenpieper“                 seit 1991       Elberitzmühle

1980 Oktober
02.-08. Oktober: Der Schulze-Delitzsch-Männerchor reist in die VR Ungarn. Er folgt damit einer Einladung des Verbandes der in Ungarn lebenden Deutschen. Mit dem Verband bestehen bereits seit 1973 Kontakte.
06. Oktober: Die erste POS in Delitzsch-Nord erhält den Namen „Karl Liebknecht“. Die zweite POS dort legt einen „Ehrenhain“ für Rosa Luxemburg an.
In der Unteroffiziersschule „Kurt Bennewitz“ wird in Anwesenheit von dessen Witwe ein Ehrenhain mit Büste des Namensgebers eingeweiht.
07. Oktober: Im Heimattiergarten wird ein „Tiergarten-Schaufenster“ sowie ein Luchsgehege seiner Bestimmung übergeben. Der Tiergarten hat jetzt etwa 500 Tiere in 100 Arten in seinem Bestand. Seit seiner Gründung vor 12 Jahren konnte Anfang des vorigen Monats der 500.000 Besucher begrüßt werden. Am Abend tritt das Staatliche Folklore-Ensemble mit 80 Mitwirkenden im Karl-Marx-Haus auf.
Die seit 1971 auf dem Roßplatz stehenden Gemüsehalle wird abgebaut. Der Obst- und Gemüsemarkt wird auf den Marktplatz verlegt.

1980 November
28. November: Mit einem historischen Konzert auf Originalinstrumenten, ausgeführt von den Leipziger Stadtpfeifern, wird das 400-jährige Jubiläum des Beginns der Anstellung eines Türmers und Stadtpfeifers auf dem Breiten Turm in der Aula der EOS gefeiert.

1980 Dezember
18. Dezember: Es beginnt der Probelauf für den Regelbetrieb im Tagebau Delitzsch-Südwest. Bis Ende Oktober waren bereits 33 Millionen Tonnen Abraum über den Abraumförderbrückenverband abgebaggert worden. Im nächsten Jahr sollen drei Millionen Tonnen Rohbraunkohle gefördert werden.
24. Dezember: Der Bürgermeister Karl Lubinski übergibt die 1.000ste Wohnung in Delitzsch-Nord an die Mieter.
In diesem Jahr wurde auch das neu erbaute Wehrkreiskommando der NVA in der Halleschen Straße 58 zur Nutzung übergeben. Die Planung für diesen Neubau begann bereits 1974, der Baubeginn verzögerte sich aber mehrmals. Auf dem Gelände standen bis um 1974 mehrere Scheunen, die in diesem Zusammenhang abgebrochen worden sind. Ursprünglich hatte sich das Wehrkreiskommando ab 1956 im Gebäude Schillerstraße 9, dann zeitweilig im Gebäude der Polizei in der Dübener Straße und schließlich bis 1980 in der Beethovenstraße befunden.
In diesem Jahr hat der VEB Saatzucht/ Zierpflanzen mit dem Bau von Folienzelten begonnen. Diese sollen die traditionellen Gewächshäuser, die mit einer Ölheizung ausgerüstet waren, ablösen. In diesem Betrieb arbeiten zur Zeit 98 Arbeitskräfte.


1981

1981 Februar
27. Februar: Anlässlich des 25. Jahrestages der NVA findet eine Festveranstaltung im Karl-Marx-Haus statt, die von Mitgliedern des Städtischen Theaters Leipzig, dem Rundfunk-Kinderchor Leipzig und dem Staatlichen Orchester Borna gestaltet wird.

1981 März
Im Verlauf der diesjährigen „Tage der Wissenschaft und Kultur“ des Kulturbundes liest der syrische Schriftsteller Farid Al Atassi am 19. März im Karl-Marx-Haus.
Am 20. März findet eine Tagung des Bezirksvorstandes der Gesellschaft für Denkmalpflege zu „Aufgaben der Denkmalpflege im Zusammenhang mit der Braunkohleförderung“ im Bezirk Leipzig statt. Am geleichen Tag beginnen die Arbeiten zur Erweiterung des Stadtparkes um 3,2 Hektar in Richtung Naundorfer Mühle. Sie umfassen den Randbereich der Erzbergerstraße sowie die Wiesen am Loberlauf.

1981 April
01.April: Im Tagebau Delitzsch-Südwest beginnt der Regelbetrieb der Kohlegewinnung.
In diesem Monat beginnen die „Werterhaltungsmaßnahmen“ in der Stadtmitte. Dazu gehören die Neugestaltung des Roßplatzes, die Fassadenerneuerung der Gebäude an der Südseite des Marktes mit dem Rathaus und die Komplexreparaturen im Straßenzug Wilhelm-Pieck-Straße bis zur Töpfergasse. Bei den durchgeführten Arbeiten handelte es sich aber nicht um Maßnahmen grundsätzlicher Rekonstruktion, sondern allenfalls um oberflächliche Verschönerungsarbeiten durch Fassadenanstriche.
02. April: Die Gesellschaft für Heimatgeschichte des Kulturbundes bildet einen neuen Kreisvorstand. Aus der Gesellschaft für Natur und Umwelt wird ein selbständiger Kreisverband gebildet.
06.-12. April: In der 2. Kreisausstellung des künstlerischen Volksschaffens im Jugendklubhaus gibt es etwa 200 Exponate des bildnerischen Schaffens, der Fotografie, der Keramik und der Textilgestaltung zu sehen. Dazu gibt es dort auf Tafeln dargebotene Einblicke in die Arbeit des Arbeitertheaters LW Rackwitz, diverser Chöre und des traditionsreichen Mandolinenorchesters.
13. April: Die Oberschule Nord II erhält den Ehrennamen „Rosa-Luxemburg“.
29. April: Auf einem Leserforum der LVZ teilt der Vorsitzende des Rates des Kreises, Karl Hübner, auf eine Anfrage mit, dass infolge des konzentrierten Wohnungsbaues und der dazu gehörenden Nachfolgeeinrichtungen in Delitzsch-Nord in den nächsten Jahren keine Baukapazität zur Errichtung eines Hallenbades bereitgestellt werden kann.

1981 Mai
02. Mai: In der Laueschen Straße gerät ein Traktor durch den Bruch der Hinterachse auf die rechte Straßenseite. Dabei wird ein Fußgänger erfasst, der an den Folgen der Verletzung am Unfallort verstirbt.
24. Mai: In einem Sonderkonzert treten im Karl-Marx-Haus der Schlagerstar Frank Schöbel und die Sängerin Gabi Rückert auf. Durch das Programm mit Sketcheinlagen führt Herbert Köfer.

1981 Juni
14. Juni: Es finden Wahlen zur Volkskammer und zum Bezirkstag statt. Die Wahlbeteiligung im Kreis beträgt 99,21%, wobei von den 99,97% gültigen Stimmen 99,80% auf die Kandidaten des Wahlvorschlages der Nationalen Front entfallen.
Aus Delitzsch werden Horst Heinrich (NDPD), Vorsitzender der PGH Klempner „Aufbau“ und Ursula Völkner (DFD), stellvertretende Kreisschulrätin als Volkskammerabgeordnete und Herbert Eichler (NDPD), stellvertretender Vorsitzender der PGH „Dachdecker“ sowie Bärbel Bergmann (SED) aus dem Zuckerkombinat Leipzig, Stammbetrieb Delitzsch, als Abgeordnete des Bezirkstages gewählt.
30. Juni: Die vom VEB Rohrtechnik zur „Messe der Meister von Morgen“ (MMM) 1980 entwickelte Solaranlage wird als erste dieser Art im Bezirk Leipzig in Betrieb genommen. Sie wird in den Sommermonaten für die Warmwasserversorgung des Betriebes und der daneben liegenden „Artur-Becker-Oberschule“ eingesetzt.

1981 Juli
Es wird mit der Innenrenovierung der Stadtkirche begonnen. Da staatlicherseits keine Rüstkapazität bereitgestellt wird, können die Wände nur bis zu einer Höhe von 8,5 Metern geweißt werden. Hierfür hat der Malermeister Pawlowski der Kirchengemeinde ein Malergerüst unentgeltlich überlassen. Alle Arbeiten werden von den Gemeindemitgliedern in Eigenleistung durchgeführt.
Die Marienkirche wird mit Hilfe finanzieller Zuschüsse der Staatlichen Denkmalhilfe renoviert. Auf dem westlichen Teil des Daches wird ein vergoldetes Metallkreuz angebracht. Dort befand sich früher der Glockenturm.
06.-07. Juli: In der Nacht muss die Freiwillige Feuerwehr zu vier verschiedenen Bränden ausrücken, die durch Brandstiftung verursacht worden sind. Durch Hinweise der Bevölkerung kann der Brandleger kurz danach verhaftet werden.
23.-26. Juli: Der GST-Kreisvorstand ist mit der Ausrichtung der 29. DDR-Meisterschaften im Modellflug beauftragt worden, an der etwa 100 Modellflugsportler teilnehmen. Der Austragungsort befindet sich auf einem Gelände zwischen Mocherwitz und Krostitz.

1981 August
23.-24. August: In der Johannes-R.-Becher-Straße brennt eine Mansardenwohnung völlig aus. Ein Wohnzimmerbrand in der Töpfergasse kann dagegen rechtzeitig gelöscht werden.
In diesem Jahr beendete der letzte Ross-Schlächter Otto Wachsmuth, Mauergasse 3, sein Gewerbe. Seit 1864 bestand dort dieser Schlachtbetrieb. Vor ihm waren in der Mauergasse die Ross-Schlächter Kirchner, Reiche, Jensch und Weise tätig.

1981 September
01. September: Nach einer umfassenden Renovierung wird der Schlossturm wieder eröffnet. In der darin nunmehr erweiterten Ausstellung des Museums ist auch ein eintausend Jahre alter slawischer Brunnen zu sehen, der im vorigen Jahr bei Bauarbeiten in der Beethovenstraße geborgen worden war.
12.-13. September: Die Bezirksausstellung der Fachgruppe Numismatik ist nach Delitzsch vergeben worden. Sie findet im Karl-Marx-Haus statt, wo auch ein Münzschlagwerk aufgestellt ist, auf dem aus Aluminiumrohlingen Gedenkmünzen geprägt werden.
15. September: Von Mitarbeitern der Kreisdienststelle des MfS Delitzsch und Spezialisten der Bezirksverwaltung Leipzig des MfS wird im Rahmen eines operativen Vorganges, in Abwesenheit der Bewohner, eine konspirative Durchsuchung eines Einfamilienhauses in Delitzsch, Rosenthal, durchgeführt. Während der über 16 Stunden andauernden Durchsuchung sollte der Nachweis vom Verrat wirtschaftlicher Geheimnisse, Durchführung strafbarer Handlungen und von Spionageverbrechen erbracht werden. Die Besitzer des Hauses erfuhren von diesem Vorgang erst nach 1990 im Rahmen der Einsicht in ihre „STASI-Akte“.
18. September: Erstmalig wird das von der Unteroffiziersschule in Benndorf ausgestaltete „Fest der sozialistischen Soldatenfamilien“ in einem Wohnbezirk der Stadt durchgeführt. Es findet im Wohnbezirk Nord XI statt; etwa 3.500 Besucher werden gezählt.

1981 Oktober
02. Oktober: Die Wohngebietsgaststätte „Stadt Delitzsch“ im Neubaugebiet Delitzsch-Nord wird eröffnet.
09. Oktober: Die 1.500ste Wohnung in Delitzsch-Nord wird übergeben. Für dieses Wohngebiet wird einer neu angelegten Straße der Name „Lessingstraße“ bestätigt.
11. Oktober: Bei der Bestenermittlung der Altersturner (25-80 Jahre) in Zwickau wird Frank Lahn (38) in der Altersklasse I DDR-Bester im Mehrkampf.
15. Oktober: Auf dem Gelände der Unteroffiziersschule wird die gastronomische Einrichtung „Haus der NVA“ eröffnet. Sie ist auch für die Öffentlichkeit zugänglich und hat einen Saal mit 800 Sitzplätzen

1981 November
Auf dem X. Pelzkongress der sozialistischen Länder in Prag erhält der VEB Pelzbekleidung Delitzsch, Sitz Eilenburger Straße, für einen Pelzmantel eine der drei an die DDR vergebenen Goldmedaillen.
20. November: Das Gelände östlich des Werkstättenweges wird zum Aufbaugebiet für Eigenheime bestätigt (Baubeginn 1982).

1981 Dezember
11. Dezember: Der Bürgermeister überreicht dem Lehrmeister Detlef Seeger den Schlüssel des von den Lehrlingen des VEB Reko-Bau und Schülern im Polytechnischen Unterricht renovierten Halleschen Turmes zur Nutzung für die drei Arbeitsgemeinschaften „Junge Bauhistoriker“, Junge Fotografen“ und „Polytechnik“. Seit September haben die Schüler im Polytechnischen Unterricht außerdem an der Rekonstruktion und dem Neuaufbau der Stadtmauer zwischen Mühlstraße und Tennisplatz gearbeitet.
31. Dezember: Bei der zu diesem Stichtag vorgenommenen Wohnraum- und Gebäudezählung wurde u. a. festgestellt, dass 73,7% der Wohnungen eine Warmwasserversorgung, 75,9% Bad oder Dusche und 75,1% ein Innen-WC besitzen. Die Einwohnerzahl hat sich auf 25.747 Personen erhöht (16.655 Bürger im arbeitsfähigen Alter, 4.204 Rentner, 4.887 Kinder bis zu 15 Jahren). Hierzu gehört auch der Ortsteil Gertitz, dessen Einwohnerzahl von ca. 200 (1975) auf ca. 300 gestiegen ist, da dort in diesem Jahr drei Wohnblocks mit 36 Wohneinheiten übergeben worden sind. Auch ein Teil der aus dem devastierten Kattersnaundorf umgesiedelten Familien fand dort neuen Wohnraum. Trotz des umfangreichen Wohnungsneubaues sind zum Jahresende noch 1.016 Wohnungssuchende, darunter 506 Notfälle, registriert.


1982

1982 Januar
11. Januar: Der bekannte Berliner Liedermacher Gerhard Schöne tritt auf Einladung des Kulturbundes in der Aula der Ehrenberg-Oberschule auf.

1982 Februar
Im Rahmen der 33. Kunstausstellung findet in der vor vier Jahren eingerichteten „Kleinen Galerie“ im Karl-Marx-Haus eine Ausstellung mit Werken des in Delitzsch beheimateten Architektur-Professors Geisler (Kunsthochschule Giebichenstein in Halle) statt.
22. Februar: Bei den in Berlin durchgeführten DDR-Meisterschaften der Pioniere im Flossenschwimmen und Streckentauchen gewinnt die Schülerin Heike Preuß von der GST-Sektion Tauchsport des RAW in der 4x200-Meter-Staffel im Flossenschwimmen die Goldmedaille.

1982 März
20. März: Die Schulze-Delitzsch-Chöre geben ein gemeinsames Konzert mit dem Chor „Krasnohorska“ aus Brno (CSSR), mit dem seit 1978 ein Patenschaftsvertrag besteht.
24. März: Auf der Kreisparteiaktivtagung wird Gerhard Kießling als 1. Sekretär der SED-Kreisleitung bestätigt; der bisherige 1. Sekretär Richard Tänzer hatte aus gesundheitlichen Gründen um seine Abberufung gebeten.

1982 Mai
01. Mai: Es erfolgt die Schlüsselübergabe für die zweite kombinierte Kindereinrichtung Nord mit 180 Kindergarten- und 90 Krippenplätzen, die den Namen „Bummi“ erhält.
21. Mai: Das RAW Delitzsch wird mit der Ehrenplakette des Präsidiums des DTSB der DDR für seine verdienstvolle Arbeit auf dem Gebiet der Körperkultur und des Sportes ausgezeichnet, die vom Werkdirektor Genossen Wesarg entgegen genommen wird. Die BSG Lok betreut mit ihren 142 Übungsleitern 3.000 Mitglieder in 15 Sektionen.

1982 Juni
13. Juni: Anlässlich des „Tages der Eisenbahner“ veranstalten die Kulturgruppen des RAW zusammen mit der Kinder- und Jugendtanzgruppe des Stammbetriebes Delitzsch des VEB Kombinat Süßwaren vor 700 Zuschauern ein Estradenprogramm im Tierpark.
13. Juni: Nachdem die Renovierungsarbeiten in der Stadtkirche vorerst abgeschlossen sind, findet in ihr der Kreiskirchentag statt. Ab jetzt kann die Kirche wieder regelmäßig für den Gottesdienst genutzt werden.
25. Juni: Der Höhepunkt der diesjährigen Veranstaltungsreihe des Ehrenbergklubs ist der Auftritt des bekannten Berliner Humoristen Hansgeorg Stengel.

1982 Juli
Es wird mit dem Bau eines Fußweges in der Securiusstraße ab Naundorfer Weg in Richtung Schenkenberg und eines Radweges in der Bitterfelder Straße ab Rosa-Luxemburg-Straße stadtauswärts begonnen, der Ende September fertiggestellt sein soll.
Nach umfangreicher Renovierung wird im Museum der Ausstellungsraum „Tiere heimischer Landschaft“ wieder eröffnet, in der 80 Tierarten vorgestellt werden.

1982 August
05. August: Die seit einiger Zeit herrschende Hitzewelle (bis 30oC) hat den Wasserverbrauch in der Stadt von 6000-8000 m3 auf 18.000 m3 pro Tag ansteigen lassen. Damit ist die Kapazität des Wasserwerkes erschöpft, wodurch einschränkende Maßnahmen erforderlich sind. So ist beispielsweise das Gießen der Gartenanlagen nur in den Nachtstunden erlaubt und das Autowaschen untersagt. Am 11. August können die Einschränkungen wieder aufgehoben werden.
Die bisher vom Kraftwerk Thierbach genutzten Gebäude in der Spröde (Neubauernhäuser und ehemaliges Forsthaus) werden auf unbestimmte Zeit, bis zur Klärung über den Bau eines Heizwerkes, für private Nutzung zur Naherholung vergeben.

1982 September
01. September: Im zweiten im Kreis Delitzsch erschlossenen Braunkohlentagebau „Breitenfeld-Nord“, wird am Ortsrand von Wolteritz der Probebetrieb aufgenommen.
In der dritten neugebauten Schule in Delitzsch-Nord, der „Karl-Marx-Schule, beginnt der Unterricht mit vorerst 200 Schülern.
17. September: Seit der Inbetriebnahme im April 1975 ist im VEB Irima das 100.000ste männliche Kalb zur Aufzucht und Mast eingestallt worden. Die Jungbullen kommen nach 15 Monaten mit 450 Kilogramm zur Schlachtung, zumeist für den Export.
24. September: Ein schwerer Verkehrsunfall ereignet sich in der Nacht in der Securiusstraße. Ein radfahrendes Ehepaar wird von einem alkoholisierten Kradfahrer angefahren. Alle drei Beteiligten werden dabei schwer verletzt. Der Kradfahrer stirbt nach drei Tagen an den Folgen seiner Verletzungen.

1982 Oktober
01. Oktober: Die Außenstelle Delitzsch der Musikschule Leipzig Land erhält am „Weltmusiktag“ ein renoviertes Haus -Ecke Gerberplan/Weg zum Schützenplatz- in dem für etwa 100 Schüler 5 Unterrichtsräume zur Verfügung stehen.
04. Oktober: Nach erfolgtem Umbau wird in der Beethoven-Straße 14 eine neue Kinderkrippe für 35 Kinder in Nutzung genommen.
06. Oktober: Die auf einem Tonband aufgenommenen „Schwedischen Reitersignale“ werden über zwei Tonsäulen erstmalig vom Breiten Turm abgespielt. Sie sollen ab jetzt jeden Freitag um 16.15 Uhr zu hören sein.
Die evangelische Kirchgemeinde Delitzsch nimmt Patenschaftskontakte mit der Gemeinde in Bad Ems in der BRD auf.

1982 November
Nachdem die Plattenverlegung auf dem „Kleinen Markt“ beendet worden ist, beginnen die weiterführenden Arbeiten am „Großen Markt“.

1982 Dezember
01. Dezember: Die Ambulanz in Delitzsch-Nord ist fertiggestellt. Sie beginnt mit zwei Arztplätzen. Bis 30. April 1983 werden dort drei Ärzte, vier Zahnärzte, vier Zahntechniker und eine Fachschwester ihre Tätigkeit aufnehmen. Auch eine Apothekenausgabestelle wird dort eingerichtet.
03. Dezember: Es findet ein Konzertabend mit Ute Freudenberg und der Gruppe „Elefant“ statt.
05. Dezember: Der evangelische Pfarrer Laqua wird in die Kirchgemeinde eingeführt. Er bleibt hier bis zu seinem Weggang Ende 1987.
Zum Jahresende gibt es nach der Fertigstellung von weiteren 620 Neubauwohnungen in Delitzsch-Nord 2.340 Wohnungen. Die Einwohnerzahl der Stadt beträgt 26.288 Personen. Insgesamt gibt es 11.085 Wohnungen in der Stadt.
In der Stadt Delitzsch sind die Verkehrsunfälle gegenüber dem Vorjahr von 49 auf 65 angestiegen, wobei sich die Zahl der Verletzten von 39 auf 53 Personen und die Anzahl der Toten von einen auf zwei erhöhte. Im Kreisgebiet ereigneten sich 191 Verkehrsunfälle mit 160 Verletzten, darunter 13 Kinder. Sieben Personen kamen ums Leben.


1983

1983 Januar
02. Januar: Das zu einer Kinderkrippe mit 25 Plätzen umgebaute Haus Bitterfelder Straße 23 wird zur Nutzung übergeben.
26. Januar: In der Stadtverordnetenversammlung wird mitgeteilt, dass in diesem Jahr der Wohnungsbau in Delitzsch-Nord mit der Errichtung von 220 Wohnungen abgeschlossen wird. Neue Standorte für den innerstädtischen Wohnungsbau sind in der Altstadt geplant. Die Rekonstruktion der Fassaden und des Straßenaufbaus der Breiten Straße werden vorbereitet.

1983 Februar
14. Februar: Der Omnibus-Stadtverkehr wird mit neuen Linien zum Wohngebiet Delitzsch-Nord, das schon jetzt ca. 7.000 Einwohner aufweist, erweitert.

1983 März
Da nunmehr alle Standorte für den Eigenheimbau in Delitzsch-Ost vergeben sind, wird die Fläche zwischen Schachtweg und Hainstraße –im Westen der Stadt- zum neuen Aufbaugebiet erklärt. Diese Straße trägt später den Namen „An den Gärten“.
Der VEB Gebäudewirtschaft erhält den Auftrag zum Abriss der Stadtmühle, nachdem dieser durch ein Gutachten vom 10. Oktober 1982 von der Staatlichen Bauaufsicht gefordert wurde. Im Jahre 1958 war die Restaurierung der Fassade dieses denkmalgeschützten Gebäudes erfolgt. Kurz darauf beschädigte ein Kraftfahrzeug die Freitreppe. Eine Behebung des Schadens erfolgte nicht. Wegen fehlender Baukapazität konnte die erforderliche Sanierung der Mühle nicht vorgenommen werden. Der 1966 beschlossene Abriss dieses barocken Gebäudes kam wegen des Einspruchs des Institutes für Denkmalpflege nicht zur Ausführung Man überließ es dem Verfall. Einige wertvolle Teile konnten gesichert werden und sollten für einen geplanten Wiederaufbau Verwendung finden. Eine Dokumentation mit Nutzungskonzept wurde für einen Wiederaufbau bis 1987 erarbeitet. Dieser kam nicht zur Ausführung.
Nachdem die Kleingartensparte „Sonneneck“ gegründet wurde, besteht der VKSK nunmehr aus 19 Kleingartensparten, zwei Siedlungssparten und neun Züchtersparten.
21. März: Die prominenten Unterhaltungskünstler Dagmar Frederic und Peter Wieland gastieren mit ihrem „Showkonzert 83“ im Karl-Marx-Haus.

1983 April
28. April: Die Kommunale Berufsschule in der Karl-Marx-Straße erhält den Namen „Clara Zetkin“ (heute Berufliches Bildungszentrum Dr. Hermann Schulze-Delitzsch).

1983 Mai
01. Mai: Als 27. Gaststätte der Stadt eröffnet der Konsum das „Büfett am Markt“ –Markt Nr.19- als Tagesbar. Der bisherige Stand an gastronomischen Einrichtungen umfasst 18 HO-Gaststätten, zwei Konsumgaststätten, zwei Kommissionshandelsgaststätten, zwei private Gaststätten und zwei Mitropagaststätten.
05. Mai: Anlässlich des 165. Geburtstages von Karl Marx erhält die POS Nord III den Namen „Karl-Marx-Schule“. Zum feierlichen Appell wird auch ein „Karl-Marx-Denkmal“ enthüllt, das der aus Delitzsch stammende und jetzt in Berlin ansässige Bildhauer Werner Richter geschaffen hat.
06. Mai: Infolge Brandstiftung wird das Holzlager des VEB Gebäudewirtschaft völlig zerstört. Der Brandstifter, der wenige Tage später ergriffen wird, erhält eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten.
27. Mai: Zum Abschluss der Arbeiten zur Neugestaltung des Marktplatzes wird der dort nach einem Entwurf des Bildhauers Werner Richter gestaltete Brunnen mit dem Namen „Marktbrunnen“ übergeben.
In der Schkeuditzer Straße erleidet ein Kradfahrer beim Überholen von zwei Radfahrern einen schweren Unfall, an dessen Folgen er im Krankenhaus verstirbt.

1983 Juni
04. Juni: Das Stabsmusikkorps der Landstreitkräfte der NVA gibt im Tierpark ein Militärkonzert.
18.-19. Juni: Beim Parkfest ist der erfolgreiche Delitzscher Boxer Siegfried Mehnert, der sich jetzt mit der DDR-Nationalmannschaft auf die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Los Angeles vorbereitet, Mitglied der Jury für das „Kinderfest mit Adi“.
Die Fachgruppe „Rosen und Stauden“ des Kulturbundes gestaltet anlässlich ihres 10-jährigen Bestehens im Saal des Karl-Marx-Hauses eine Rosenausstellung, die 5.000 Gäste besuchen.

1983 August
13. August: Ein 19-jähriger Kradfahrer fährt unter Alkoholeinfluss in der Laueschen Straße (Ortsteil Werben) frontal gegen eine Gartensäule. Er verstirbt an der Unfallstelle, die Soziusfahrerin wird schwer verletzt.
16. August: Karl Hübner (SED) wird nach fast 25-jähriger Tätigkeit als Vorsitzender des Rates des Kreises aus gesundheitlichen Gründen von seiner Funktion entbunden. Als sein Nachfolger wird der bisherige 1. Stellvertreter Lothar Elze (SED) gewählt.

1983 September
25. September: Die katholische Gemeinde begeht ihre 125-Jahr-Feier. Aus diesem Anlass ist der Altarraum der Kirche neu gestaltet worden.

1983 Oktober
In Neubaugebiet Delitzsch-Nord wird die „Nord-Apotheke“ eröffnet.
27. Oktober: In der Artur-Becker-Sporthalle wird ein Ländervergleichskampf der Nachwuchsmannschaften im Boxen DDR - SR Rumänien ausgetragen.
28. Oktober: Im „Haus der NVA“ findet die 218. Folge der beliebten Sendereihe „Alte Liebe rostet nicht“ mit Günter Hansel und Manfred Uhlig statt. Mitwirkende sind auch das Große Rundfunkorchester Leipzig und die Sängerin Regina Thoß. Die Übertragung im Radio DDR erfolgt am 6. November.

1983 November
01. November: In Delitzsch-Nord wird in der Rosa-Luxemburg-Straße ein Wohnblock für altersgerechtes Wohnen mit 95 Einraum- und 20 Zweiraumwohnungen bezogen. Weitere 220 Wohnungen in diesem Wohngebiet sind bezugsfertig. Damit gibt es in Delitzsch-Nord 2.672 Wohnungen. Des weiteren wurden in der Stadt noch 56 Wohnungen in der Bitterfelder Straße gebaut, die bis Jahresende bezogen werden. Die Zahl der Eigenheime hat sich durch 34 Neubauten seit September 1971 auf 293 erhöht. Ferner sind 22 Eigenheime zwischen der Laueschen Straße und dem Werkstättenweg im Bau.
Ein neuer Busbahnhof am unteren Bahnhof mit sechs Bahnsteigen wird in Betrieb genommen.

1983 Dezember
Auf dem Weihnachtsmarkt ist eine Pyramide aufgestellt, die mit Märchen- und Tiermotiven von der PGH Tischler gestaltet wurde.
Zum Ende des Monats wird die Marktgestaltung einschließlich der Fassadenerneuerung abgeschlossen.
Im Wohngebiet Delitzsch-Nord ist für die Karl-Marx-Schule die Sporthalle fertiggestellt worden. Damit gibt es nun in Delitzsch-Nord zwei Sporthallen.
Im Kreisgebiet ereigneten sich in diesem Jahr 188 Verkehrsunfälle.


1984

1984 Januar
14. Januar: Auf der Kreisdelegiertenkonferenz der SED, die im Beisein des Mitgliedes des ZK der SED und stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrates der DDR Wolfgang Rauchfuß stattfindet, wird der Genosse Gerhard Kießling als 1. Sekretär der SED-Kreisleitung wiedergewählt. Sein Stellvertreter wird wiederum Werner Eidner, die Kreisleitung besteht aus 55 Mitgliedern sowie 11 Kandidaten und das Sekretariat der Kreisleitung aus 11 Mitgliedern.
20. Januar: Im Gebäude Gerberplan 4 und im Lager des VEB Gebäudewirtschaft entstehen durch Brandstiftung zwei Brände, bei denen jedoch durch den schnellen Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr größerer Schaden vermieden werden kann. Der Täter wird noch am gleichen Tag verhaftet.
26. Januar: Delitzsch gehört zu den 100 besten Städten und Gemeinden, die vom Präsidenten des Nationalrates der NF der DDR Prof. Dr. Dr. Lothar Kolditz für hervorragende Leistungen in der Bürgerinitiative „Schöner unsere Städte und Gemeinden - mach mit“ mit einer Ehrenurkunde des Ministerrates und des Nationalrates ausgezeichnet werden.

1984 Februar
06. Februar: Die Breite Straße wird zur Vorbereitung der in diesem Jahr anstehenden komplexen Rekonstruktion für den Durchgangsverkehr gesperrt. Begonnen wird mit den Grundstücken mit ungeraden Hausnummern. Nach der im nächsten Jahr geplanten Fortführung der Arbeiten an den Grundstücken mit geraden Hausnummern soll diese Straße zu einer Fußgängerzone gestaltet werden.
25. Februar: Ein Schaufelradbagger überquert bei seiner Überführung vom Tagebau Delitzsch-Südwest zum Tagebau Goitzsche in Höhe von Rödgen die F 184 und die Bahnlinie. Er wird ab März die Braunkohleförderung aufnehmen.
29. Februar: Bei einem Zugunglück auf der Strecke Delitzsch-Halle in Hohenturm werden sechs Lehrlinge aus dem RAW Delitzsch getötet.

1984 März
Zur Zeit arbeiten 1.500 Bergleute in den Tagebauen im Kreisgebiet, von denen 600 mit ihren Familien in Delitzsch-Nord wohnen.
21. März: Am frühen Nachmittag ereignete sich im oberen Stockwerk des Hauses Anna-Seghers-Straße 3 eine Gasexplosion. Der Wohnungsinhaber, ein alter Mann, verliert dabei sein Leben. Außerdem entsteht beträchtlicher Sachschaden.

1984 Mai
Die neu gebaute Brücke an der ehemaligen Stadtmühle wird für den Verkehr freigegeben. Eine weitere Straßenbaumaßnahme in diesem Jahr ist die Fertigstellung des Rad- und Gehweges in der Leninstraße bis zur J.-R.-Becher-Straße. Die Arbeiten zur Parkerweiterung in Richtung Naundorfer Mühle werden fortgesetzt und sind auch für das nächste Jahr vorgesehen.
06. Mai: Es finden Kommunalwahlen statt. Bei der einige Tage später stattfindenden Konstituierung der Stadtverordnetenversammlung wird Karl Lubienski (SED) wiederum als Bürgermeister bestätigt. Weiterhin gehören dem Rat der Stadt noch drei Stellvertreter, der Sekretär und acht hauptamtliche Stadträte an. Der Kreistag wählt erneut Lothar Elze zum Vorsitzenden des Rates des Kreises.
25. Mai: Zu seinem 30-jährigen Jubiläum gibt der Schulze-Delitzsch-Männerchor unter der Leitung von Eberhard Volke ein Konzert, an dem der Schulze-Delitzsch-Frauenchor unter der Leitung von Jürgen Heine, Gesangssolisten und das Staatliche Orchester Borna mitwirken.
30. Mai: Im „Stadion der Eisenbahner“ wird die 20. Kreis-Kinder- und Jugendspartakiade mit 3.000 Teilnehmern durch einen feierlichen Appell eröffnet. Im Anschluss an die offizielle Zeremonie tritt die Hochseilgruppe „Gebrüder Weisheit“ auf, die eines der führenden Artistenensembles dieser Art ist.

1984 Juni
30. Juni: Beginn des Delitzscher Parkfestes, das ab jetzt mit dem „Tag des Bergmanns“ verbunden wird.

1984 Juli
04. Juli: In der Stadtverordnetenversammlung wird mitgeteilt, dass in der vor 35 Jahren mit drei Ärzten und neun Schwestern gegründeten Kreispoliklinik nunmehr 23 Ärzte und 102 Beschäftigte des mittleren medizinischen Personals angestellt sind. Dazu kommen noch das neue Stadtambulatorium mit 12 Arztpraxen sowie 12 Ärzte im Kreiskrankenhaus. Im gesamten Kreis praktizieren 54 Humanmediziner und 32 Zahnärzte mit 1.100 Mitarbeitern.
04. Juli: Ein Radfahrer, der nach dem Öffnen der Schranken in Richtung Delitzsch-Ost gefahren ist, wird in der Leninstraße in Höhe des VEB Kohlehandel von einem LKW erfasst. Er stirbt an den Unfallfolgen kurz darauf im Kreiskrankenhaus.
Im ersten Halbjahr haben sich im Kreisgebiet bereits 91 Verkehrsunfälle ereignet, bei denen 66 Personen verletzt und vier Personen getötet wurden.

1984 September
01. September: Die Sporthalle II der Karl-Marx-Oberschule in Delitzsch-Nord wird ihrer Bestimmung übergeben.
17. September: Eine Kaufhalle in Delitzsch-Nord wird eröffnet.
Die als Lückenbebauung fertiggestellten Häuser Bitterfelder Straße 29/29 a und in R.-Breitscheid-Straße 75 werden vorrangig von den Einwohnern des devastierten Dorfes Grabschütz bezogen.

1984 Oktober
07. Oktober: Das frühere „Eilenburger Eck“ wird nach seinem Umbau als „Jugendklub Ost“ wieder eröffnet.
24-25. Oktober: In der Nacht sowie in den Morgenstunden gibt es zwei Brände. Im Abrissgrundstück Holzstraße 3 –das Haus wird erst 1988 abgebrochen- konnte ein Übergreifen des Brandes auf das Nachbargrundstück verhindert werden. In der Wohnunterkunft des BKK Bitterfeld in der R.-Breitscheid-Straße entsteht mittlerer Schaden.

1984 November
23-24. November: Ein Sturmtief verbunden mit einer Kaltfront überzieht unser Gebiet. Durch orkanartige Böen und Gewitter entstehen an mehreren Gebäuden Schäden. An über 30 Dächern können sie kurzfristig behoben werden, während drei Wohnhäuser von Schäden größeren Umfangs betroffen sind.

1984 Dezember
Zum 1. Advent kann die evangelischen Marienkirche wieder für den Gottesdienst genutzt werden. Das Kircheninnere wurde seit Beginn des Jahres zum Teil wieder in Eigenleistung durch die Gemeinde renoviert.
03. Dezember: Die dritte kombinierte Kindereinrichtung in Delitzsch-Nord mit 90 Krippen- und 180 Kindergartenplätzen wird übergeben. Sie erhält den Namen „Buratino“. Die erste Kindereinrichtung in Delitzsch-Nord erhielt im gleichen Jahr den Namen „Sonnenland“.
Mit der symbolischen Schlüsselübergabe durch den Bürgermeister wird der Jugendklub Nord als dritte Einrichtung dieser Art eröffnet (1994 befindet sich dann dort ein griechisches Restaurant).
1984 ereigneten sich in der Stadt 55 Verkehrsunfälle mit 49 Verletzten und zwei Toten.
In diesem Jahr besteht die Delitzscher Bäckerinnung 550 Jahre. Die staatliche Handelsorganisation HO hat in der Stadt 105 Verkaufsstellen, wo 865 Arbeitskräfte tätig sind.
Auch begannen in diesem Jahr die Abbrucharbeiten der historischen Wohnhäuser der Südseite der Holzstraße zwischen den Hausnummern 4 bis 26, mit dem Haus Nr.14. Damit fällt ein wichtiger Teil der Delitzscher Altstadt der DDR-Wohnungsbaupolitik zum Opfer. Die Häuser stammten größtenteils aus dem 16./17. Jahrhundert.


1985

1985 Januar
Es wird eine Wohnungstauschzentrale im Rathaus eingerichtet. Deren Aufgabe besteht darin, die unterbelegten Wohnungen vieler, vor allem älterer Bürger an Familien mit Kindern zu vermitteln. Ein Tausch soll eine angemessene Belegung fördern und damit zur Erfüllung der Zielstellung, „in der DDR die Wohnungsfrage als soziales Problem bis zum Jahr 1990 zu lösen“, beitragen.

1985 Februar
Für das von 1986-1990 zu errichtende Neubaugebiet Delitzsch-West sind folgende Straßennamen bestätigt worden: Loberaue, Weißdornweg, Kastanienweg, Straße der Freundschaft, Straße der Aktivisten, Franz-Neubauer-Straße.

1985 April
In der Eilenburger Chaussee beginnt der Bau eines kombinierten Rad- und Fußweges, der bis zur Gaststätte des Ziehwerkes führen soll.

1985 Mai
01. Mai: Die Ausstellung des Museums im Breiten Turm ist durch die Einrichtung einer Schusterwerkstatt erweitert worden.
04. Mai: Das Jugendblasorchester, bestehend aus 21 Jugendlichen, begeht sein 20-jähriges Jubiläum. Es wurde von Horst Brade 1965 mit 17 Schülern der Musikschule Leipzig-Land, Außenstelle Delitzsch gegründet. Es erhielt die Titel „Hervorragendes und Ausgezeichnetes Volkskunstkollektiv der DDR“.
07. Mai: Im Tagebaugebiet Goitzsche beginnt der Aufschluss des Baufeldes Rösa.
08. Mai: Am 40. Jahrestag des „Sieges über den Faschismus und die Befreiung des deutschen Volkes von der Nazibarbarei“ marschiert ein Demonstrationszug mit den Kranzdelegationen und 2.500 Teilnehmern zum Ehrenmal für die Opfer des Faschismus in der Bitterfelder Straße und zum Ehrenhain auf dem Friedhof. Dort wird im Rahmen dieser Veranstaltung auch ein Gedenkstein als Mahnmal für die 14 Opfer des KZ-Todesmarsches von 1945 aufgestellt. An der Gedenkfeier für die 118 Sowjetbürger, die als Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter ihr Leben ließen, die elf polnischen sowie zehn französischen Kriegsopfer und die 14 unbekannten ermordeten KZ-Häftlinge nehmen auch junge Sowjetsoldaten der Leipziger Pateneinheit teil.

1985 Juni
In diesem Jahr muss das Parkfest auf Grund von Quarantänemaßnahmen wegen einer Tierseuche ausfallen.
13. Juni: Aus Anlass des 40. Jahrestages der Gründung des FDGB versammeln sich 1.500 Kollegen im RAW. Dort verleiht der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Reichsbahn, Helmut Maldins, im Namen des Ministers für Verkehrswesen der DDR und des Generaldirektors der DR dem Werk den Namen des ersten Vorsitzenden des Bundesvorstandes des FDGB, „Herbert Warnke“.
16. Juni: Eine Unterkunftsbaracke in der Richard-Wagner-Straße brennt vollständig nieder.
24. Juni: Im Hofgebäude des Verkehrserziehungszentrums am Schäfergraben wird die Ausstellung „125 Jahre Freiwillige Feuerwehr Delitzsch“ eröffnet.

1985 Juli
03. Juli: Im St.-Georg-Hospital begeht die Delitzscher Einwohnerin Emma Böhme ihren 100. Geburtstag.
25. Juli: In der Sitzung des Rates wird berichtet, dass es jetzt in der Stadt 11.649 Wohnungen gibt, von denen 77,9 % mit Bad oder Dusche, 78,6 % mit IWC und 27,7 % mit Zentral- oder Fernheizung ausgestattet sind. Es liegen immer noch etwa 1.300 Wohnungsanträge vor. Der Bedarf an neuen Wohnungen bis zum Jahr 1990 wird auf 1.000 Wohnungen eingeschätzt. Er soll durch das zukünftige Neubaugebiet Delitzsch-West mit 700 Wohnungen, Lückenbebauung in der Innenstadt und durch den jährlichen Bau von 15 Eigenheimen abgedeckt werden.

1985 August
26. August: Ein neues Postamt für das Wohngebiet Delitzsch-Nord wird in der Rudolf-Breitscheid-Straße eröffnet.

1985 September
Zum Schulbeginn ist ein Lehrschwimmbecken in der „Comenius-POS“ fertiggestellt worden.
14.-15. September: In der Artur-Becker-Sporthalle finden die DDR-Meisterschaften der Junioren-Judokas mit 240 Aktiven statt.
Das Kreismuseum hat aus Anlass des 40. Jahrestages der Zerschlagung des Faschismus eine Wanderfotoausstellung „Entwicklung der Landwirtschaft vom Feudalismus bis zum Sozialismus“ gestaltet.

1985 Oktober
Es beginnen die Sanierungsarbeiten der Museumsräume im Schloss, die seit 1974 baupolizeilich gesperrt sind.
07. Oktober: An dem im Karl-Marx-Haus stattfindenden Internationalen Tanzturnier der Junioren Klasse C nehmen Nachwuchspaare aus der Bulgarischen VR, der CSSR und der DDR, darunter auch „Grün-Gold“ Leipzig, teil.
Im Heimattiergarten werden die Bären in einem neuen Gehege untergebracht.

1985 November
10. November: Ausgangs des Fußgängerüberweges zur Leninstraße wird ein Passant von einem PKW angefahren und dabei tödlich verletzt.
16. November: Im Neubaugebiet Delitzsch-Nord wird eine Familienplastik feierlich übergeben. Sie wurde von der bulgarischen Bildhauerin Emilia Nikolowa-Beyer im Auftrag des Bundesvorstandes des DFD gestaltet.
Für den Neubau von Reihenhäusern in der Holzstraße und Mauergasse hat man begonnen die historische Wohnhausbebauung an der Südseite der Holzstraße abzubrechen. Bis 1990 sollen dort 25 Eigenheime errichtet werden.

1985 Dezember
03. Dezember: Aus Anlass der 125-Jahrfeier der Freiwilligen Feuerwehr findet im Depot am Schäfergraben ein feierlicher Empfang statt. Sie hat 91 Mitglieder, von ihnen sind 67 Aktive, davon fünf Frauen.
15. Dezember: Das diesjährige Weihnachtskonzert ist dem 20-jährigen Bestehen des Schulze-Delitzsch-Frauenchores gewidmet. Sein Auftritt unter der Leitung von Jürgen Heine wird vom Schlossquartett und Peter Zimmer als Sprecher begleitet.
Der erste Spatenstich für den neuen Stadtteil Delitzsch-West wird vorgenommen.
26. Dezember: Ein Kellerbrand in der Straße der Jugend 17 zerstört die Versorgungsleitungen.
In diesem Monat nimmt der Betrieb VEB Backwaren in einem dafür neu errichteten Produktionsgebäude in der Securiusstraße (heute Gelände des Extra-Einkaufsmarktes) seinen Betrieb auf.
Zum Jahresende ist die Fassadengestaltung der Häuser in der Breiten Straße abgeschlossen; die Gestaltung der Fußgängerzone soll im nächsten Jahr erfolgen.
Weiterhin ist am Schäfergraben/Ecke Bitterfelder Straße ein Block mit 26 Wohnungen fertiggestellt worden, der sich am Standort des ehemaligen „Armenhauses“ befindet. Im nächsten Jahr soll an einer Stelle in der Bitterfelder Straße ein weiterer Block errichtet werden.
Die Kleingärtner des Kreises Delitzsch lieferten 615 Tonnen Gemüse und 693 Tonnen Obst an die hiesigen Verkaufsstellen.
Der Durchschnittslohn der Arbeiter und Angestellten des RAW beträgt 11360 Mark im Jahr.


1986

1986 Januar
03. Januar: Im Karl-Marx-Haus beginnt die neue Veranstaltungsreihe „Klassische Musik“ mit dem Delitzscher Schlossquartett. Diesem gehören Bernd Röhricht, Peter Gräfe, Hans-Jörg Teske und Norbert Schischke.
14. Januar: Der Maurer Paul Sander, wohnhaft im Rosenthal, begeht seinen 100. Geburtstag, wenige Tage später verstirbt er.
Zur Kreisdelegiertenkonferenz der SED in Delitzsch wird Gerhard Kießling zum 1. Sekretär wiedergewählt.
22. Januar: Im Tiergarten werden sechs Bärenkinder geboren.

1986 Februar
08. Februar: Der Stabsfähnrich Harald Klemm rettet zwei Kinder aus dem Wallgraben vor dem Ertrinken.

1986 März
12. März: Der Gärtnermeister Rolf Dörfel und sein Kollektiv erhalten die „Ehrennadel der Stadt Delitzsch“.

1986 April
23. April: In der Breiten Straße wird das neue „Café Boulevard“ eröffnet. Im Delitzscher Ortsteil Werben wird an diesem Tag in einem dafür umgebauten ehemaligen Schulgebäude ebenfalls eine neue Gaststätte ihrer Bestimmung übergeben. In der Stadt bestehen damit nunmehr 14 Speisegaststätten, neun Bierstuben, fünf Cafés und eine Eisdiele.
25. April: Die Freiflächengestaltung im Wohnbezirk Nord ist fertiggestellt. Die Stadtgärtnerei pflanzte 100 Starkbäume in den Stadtbezirken Nord, Ost und im Park.

1986 Mai
03. Mai: Im Karl-Marx-Haus findet ein Sängertreffen mit den Chören aus Bitterfeld und Delitzsch statt.
20. Mai: In der Veranstaltungsreihe des Ehrenberg-Clubs im Karl-Marx-Haus spricht Professor Dr. h.c. mult. Manfred von Ardenne über Probleme und Ergebnisse seiner gegenwärtigen Forschung.
24. Mai: Im Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion in Delitzsch erfolgt die Vereidigung der Soldaten aus der Unteroffiziersschule „Kurt Bennewitz“.

1986 Juni
12. Juni: Die Breite Straße erhält einen neuen Straßenbelag.
13. Juni: Nach vielen Eingaben der Bewohner wird die Freilichtbühne am Schloß für Rockkonzerte mit einer Lärmschutzwand versehen.
18. Juni: Auf dem Schützenplatz baut die Deutsche Post eine neue Fernsprech- und Fernmeldedienstanlage.
29. Juni: Nach erfolgter Restaurierung des „Apfelbiss-Paares“, Adam und Eva am Turm der Stadtkirche, wird die Tradition des Apfelbisses wieder aufgenommen.

1986 Juli
04. Juli: Auf Grund der anhaltenden hochsommerlichen Temperaturen wird die Bevölkerung zum sparsamen Wasserverbrauch aufgerufen.

1986 August
07. August: Die Erschließungsarbeiten für den Wohnbezirk Delitzsch-West beginnen.

1986 Oktober
07. Oktober: Nach Abschluss der Rekonstruktionsmaßnahmen wird die Breite Straße durch den Bürgermeister Karl Lubienski als Fußgängerzone übergeben.
23. Oktober: An der Leninstraße (Beerendorfer Straße) hinter dem Garagenkomplex wird eine Fläche von 4,3 Hektar für einen neuen Friedhof vorbereitet.
Delitzsch hat drei Tankstellen, die im Wechsel an den Wochenenden geöffnet haben. Eine führt nur Benzin für Viertaktmotoren, so dass für die Pkw-Fahrer mit Viertakt-PKW (Lada, Skoda u. a.) Versorgungsprobleme bestehen.

1986 Dezember
Zum diesjährigen Weihnachtsmarkt wird die Figurengruppe „Apfelbiss“ im Turm der Stadtkirche erneut bedient. Zur Eröffnung bietet man eine Riesenstolle an.
15. Dezember: Die Eisenbahnstrecke Delitzsch-Eilenburg ist fertig elektrifiziert.
24. Dezember: Die moderne Produktionsanlage des VEB Backwaren Delitzsch in der Securiusstraße wird vorfristig in Betrieb genommen.


1987

1987 Januar
Das Jahr beginnt mit starken Schneefällen und länger anhaltendem Frost. Es kommt teilweise zu Stromabschaltungen und Verkehrsbehinderungen.
13. Januar: Der langjährige Betriebsdirektor des VEB Pelzbekleidung in der Eilenburger Straße 22, Karl Gräfe, wird in den Ruhestand verabschiedet.

1987 April
22. April: Das Mandolinenorchester begeht sein 65-jähriges Bestehen.
23. April: Vor Beginn der Montage der Wohnblocks in Delitzsch-West werden 344 Wohnungen vergeben. Davon entfallen 90 Wohnungen für Einwohner aus den zu devastierenden Dörfern Seelhausen, Schladitz und Sausedlitz, 120 Wohnungen für das BKK Bitterfeld, 50 Wohnungen für die NVA und 84 für die Kommunale Wohnraumvergabe.
Das im Vorjahr gelieferte Orgelpositiv – eine pedallose Standorgel- erklingt zum ersten Mal wieder in der Stadtkirche. Die aus dem Jahre 1889 stammende Orgel ist seit Jahren nicht mehr spielbar. An eine Reparatur ist in absehbarer Zeit nicht zu denken.

1987 Mai
Die Stadtverwaltung schließt mit 169 Betrieben Kommunalverträge über betriebliche Leistungen für die Stadt ab. Der Leistungsumfang beträgt 3,7 Millionen Mark.
25. Mai: Beim Spielen verursachen Kinder im RAW Delitzsch einen Brand. Drei Reisezugwagen und ein Güterwagen werden dabei beschädigt.
28.Mai: Montagebeginn des ersten Wohnblockes im Neubaugebiet Delitzsch-West.

1987 Juni
Unerlaubt befuhr eine Motorradbesatzung einen befestigten Weg im Stadtpark Delitzsch. Der Fahrer prallte dabei gegen einem Baum und verstarb an den Folgen der Verletzung. Der Soziusfahrer erlitt schwere Verletzungen.
Der Rat der Stadt schließt 16 Nutzungsvereinbarungen mit Kleintierhaltern zur Grünfutter- und Heugewinnung von öffentlichen Grünanlagen ab.

1987 Juli
04. Juli: Das 19. Parkfest wird mit Böllerschüssen und den Schwedensignalen eröffnet.
Am gleichen Tag wird der evangelische Superintendent Heinrich Behr, der am 1. Mai gewählt wurde, in sein Amt eingeführt.
26. Juli: Das aus Spenden von westdeutschen Katholiken finanzierte Altersheim „Sankt Maria am Rosenthal“ in der Hainstraße, wird durch den Bischof Johannes Braun aus Magdeburg eingeweiht.

1987 August
04. August: Im Heizwerk Delitzsch-Nord wird ein neuer Schornstein errichtet. Mittels eines Hubschraubers werden die Schornsteinsegmente montiert.

1987 September
Im Kreis gibt es noch 82 private Handwerksbetriebe, davon 57 im Bereich Handel und Gaststätten –zeitgenössisch Örtliche Versorgungswirtschaft (ÖVW) genannt- , 16 im Bereich Bau und neun im Bereich Verkehr. Desweiteren bestehen zehn PGH für Bau, Frisör, Modezentrum, Dachdecker, Maler, Fleischer, Ofenbau, Tischler, Elektriker, KFZ und drei Einkaufs- und Liefergenossenschaften (Metall, Holz und Lederwaren).
Zur Erweiterung des Grüngürtels in der Loberaue werden Bäume in den Rubachwiesen an der Richard-Wagner-Straße angepflanzt.

1987 Oktober
23. Oktober: In einem feierlichen Gottesdienst in Wittenberg erfolgt die Ordination der Pastorin Höck, die bereits im Juli ihre Tätigkeit in Delitzsch aufgenommen hat.

1987 Dezember
09. Dezember: In diesem Jahr erhalten 39 Kinder die „Sozialistische Namensweihe“. Die Musikschule umrahmt diese Veranstaltung, die im Delitzscher Rathaus stattfindet.
31. Dezember: Die Zuckerfabrik beendet die Zuckerrübenkampagne mit der Produktion von 35.200 Tonnen Zucker.
In diesem Jahr erfolgten 70 Wiedereingliederungen von Strafentlassenen; darunter sind 38 Personen, die aus Anlass der Amnestie zum 38. Jahrestag der DDR vorzeitig entlassen wurden.
An der Kinder- und Schulspeisung nahmen in diesem Jahr ca. 83% der Kinder teil. An den Delitzscher Markttage beteiligten sich in diesem Jahr 472 Kleingärtner. Es wurden 24,1 Tonnen Obst und Gemüse sowie für 63.400 Mark Blumen verkauft.
Die abschließende Unfallbilanz für 1987 lautet: Insgesamt 174 Verkehrsunfälle im Kreis Delitzsch. Als Ursachen werden überhöhte Geschwindigkeit, Vorfahrtsverletzungen, Fahren unter Alkohol und falsches Überholen angegeben.


1988

1988 Januar
19. Januar: Im „Haus der Dame“, ein Konfektionsgeschäft für Damenbekleidung in der Breiten Straße, wird eingebrochen. Dabei werden auch zahlreiche Bekleidungsstücke beschädigt.

1988 Februar
12. Februar: Für das Bauvorhaben des Wasserwerkes in der Bitterfelder Straße und der Zentralen Abwasserbehandlung Delitzsch nördlich der Kosebruchteiche an der Fernverkehrsstraße 184, werden acht Millionen Mark bereitgestellt.
Eine sogenannte Investbauleitung zum Bau einer Schwimmhalle im Neubaugebiet Delitzsch-West wird bestätigt. Diese Schwimmhalle wird nach 1990 nicht fertiggestellt, man brach 1996 alle Baulichkeiten ab und errichtet an diesem Standort an der Securiusstraße eine Tankstelle.

1988 März
10. März: Mit der „Ehrennadel der Stadt Delitzsch“ wurde Detlef Seeger für seine Arbeiten im Denkmalschutz ausgezeichnet.
18. März: Jugendliche Rowdys überfallen in der Securiusstraße zwei männliche Personen. Die Täter konnten durch die Polizei ermittelt werden.
Die Arbeitspläne der Interessengemeinschaft zur Stadtverschönerung und zur Verbesserung der Lebens- und Wohnbedingungen werden durch die Stadtverordneten bestätigt. Unter Leitung des Kulturbundes wird durch die Arbeitsgruppe „Rosen und Stauden“ der Rosengarten neu gestaltet, sowie aus Anlass des 50. Jahrestages der Pogromnacht Restaurierungsarbeiten an den erhaltenen Grabsteinen des Jüdischen Friedhofs durchgeführt.

1988 April
06. April: Aus „seuchenprophylaktischen Gründen“ macht sich in den Gartenanlagen ein Abschuss von Elstern erforderlich.

1988 Mai
27. Mai: Die neue POS Delitzsch-West wird übergeben. Neben dieser gibt es in Delitzsch weitere Polytechnische Oberschulen:
Comenius-, Friedens-, Fritz-Weineck-, Artur-Becker-, Pestalozzi-, Karl-Marx-, Karl-Liebknecht-, Rosa-Luxemburg- und die Otto-Grotewohl-Schule.

1988 Juni
Die private Baufirma Koslowski beginnt mit den Sicherungsarbeiten am Hauptgebäude des Schlosses. Dabei werden Teile der Lehmstakendecken im Obergeschoß entfernt, um die Außenwände zu entlasten. Ein stellenweiser Befall mit echtem Hausschwamm wird festgestellt.
24. Juni: Der Tierpark Delitzsch feiert sein 20-jähriges Jubiläum.

1988 September
In der Stadt Delitzsch gibt es noch 20 private Einzelhändler. Davon arbeiten 12 mit Kommissionsverträgen.
Ende des Monats wird der vorerst letzte Wohnblock im Neubaugebiet Delitzsch-West fertiggestellt. Von 1984-1988 wurden insgesamt 722 Wohnungen in Delitzsch-West neu erbaut.

1988 November
09. November: Aus Anlass des 50. Jahrestages der Pogromnacht wird am Jüdischen Friedhof eine Gedenktafel enthüllt.
17. November: Nach Entscheidung der Staatlichen Bauaufsicht erfolgt der Abriss der Gaststätte „Stadt Delitzsch“ in der Leipziger Straße/ Ecke Richard-Wagner-Straße.

1988 Dezember
Im Herbst herrschte im Kreis Delitzsch ein überdurchschnittliches Feldmausaufkommen, was zu Ernteverlusten führte.
An der Durchführung des diesjährigen Weihnachtsmarktes beteiligen sich 64 Gewerbetreibende und 64 Hobbybastler.
Es wird bekannt gegeben, daß für die Kinder- und Schulspeisung in der Stadt aus dem Haushalt 1,68 Millionen Mark zur Verfügung gestellt worden sind. Die Eltern hatten dafür einen Unkostenbeitrag von 0,55 Mark pro Schüler für das Essen und für ein Kindergartenkind 0,35 Mark zu zahlen.
In diesem Jahr ereigneten sich in der Stadt 50 Verkehrsunfälle mit 37 Verletzten und einem Toten.


1989

1989 Januar
Das bekannte Hotel „Weißes Roß“ mit der traditionsreichen Gaststätte am Roßplatz 3 wird geschlossen.

1989 Februar
23. Februar: Am ehemaligen Moorbad am Wallgraben wird wegen großer Bauschäden der westliche Flügel des Hauptgebäudes abgerissen.

1989 März
03. März: Auf dem Gelände an der westlichen Umgehungsstraße wird südlich vom Tiergarten die Kleingartenanlage „Zur Oase“ angelegt.

1989 April
06. April: Ein neuer Eigenheimkomplex wird zwischen der Hainstraße und dem Schachtweg für 18 Eigenheime bestätigt. Die dabei neu entstehende Straße erhält den Namen „An den Gärten“.
15. April: Die „Rußbutte“, eine Gaststätte in der Leipziger Straße (zwischen Holzstraße und Mauergasse), wird wegen geplanter Baumaßnahmen geschlossen. Mit einer geplanten Neubebauung an der Ecke Holz-/Leipziger Straße wird das Gebäude 1991 abgerissen.
Die „Ölberggruppe“ genannte Plastik an der Stadtkirche wird nach einer seit 1985 andauernden gründlichen Restaurierung wieder aufgestellt.
28. April: Seit einiger Zeit findet im Jugendclub Delitzsch-Nord die Gesprächsrunde „Um Acht“ statt. Darin beschäftigt man sich mit Fragen der Demokratie, die durch Flugblätter veröffentlicht werden. Damit gehört der Jugendclub zu den Schwerpunkten der Überwachung durch die Staatssicherheit in Delitzsch.

1989 September
Die alte Rühlmann-Orgel in der Stadtkirche ist wieder spielbar gemacht worden und ertönt nach fast dreijähriger Pause wieder.
Die Pastorin Michaela Höck befestigt vor den Fenstern ihrer Wohnung in der Marienstraße zwei Gorbatschow-Losungen.

1989 Oktober
07. Oktober: Der neu gestaltete Roßplatz wird übergeben. Verbunden damit war die Freigabe des von dem Bildhauer Bruno Kubas gestalteten Brunnens.
16. Oktober: Die erste Montagsandacht findet aufgrund der politischen Umwälzungen in der Stadtkirche statt.
26. Oktober: Es beginnen die regelmäßigen Rathausgespräche zu aktuellen Problemen in der Stadt. Sie finden kaum eine Resonanz in der Bevölkerung.
Im Delitzscher Ortsteil Kertitz stürzt am Eschenweg die namensgebende Esche auf das letzte noch mit einem Strohdach gedeckte Wohnhaus. Es wird im darauffolgenden Jahr vollständig abgebrochen.

1989 November
09. November: Im Evangelischen Gemeindehaus beginnen Gespräche zur gesellschaftlichen Veränderung in Delitzsch. Dabei stellen sich erstmals Vertreter des Neuen Forum, der SDP und des Demokratischen Aufbruchs vor.
13. November: In der Stadtkirche findet eine Andacht mit dem Thema „Wahrheit und Lüge“ statt, daran nehmen mehrere hundert Bürger der Stadt teil. Im Anschluss daran findet die erste Demonstration der Wendezeit in Delitzsch statt. Sie führt durch die Breite Straße, Kohlstraße, Karl-Liebknecht-Straße (Bismarckstraße), Eisenbahnstraße, Wilhelm-Pieck-Straße (Eilenburger Straße), Breite Straße bis zum Markt und zum Gebäude der Kreisdienststelle des MfS. Vor dem eigentlichen Demonstrationszug läuft mit einigem Abstand auf einem Teil des Weges provokativ eine Abordnung der SED-Kreisleitung. Diese Gruppe löst sich Ecke Karl-Liebknecht-Straße/ Poststraße auf.
Die Demonstration verläuft friedlich mit Unterstützung von Ordnern, die mit weißen Armbinden ausgestattet sind, und der Volkspolizei.
17. November: Der Superintendent Behr verlangt in einem Schreiben an den Rat des Kreises, die Kreisdienststelle der Staatssicherheit Am Wallgraben 6-8 aufzulösen.
20. November: Die Andacht in der Stadtkirche steht unter dem Motto „Demokratie“. Anschließend erfolgt wieder eine Demonstration durch die Stadt. Vor dem Gebäude der SED-Kreisleitung (Ecke Wilhelm-Pieck-Straße/Eisenbahnstraße) und am Rathaus werden Kerzen aufgestellt und Transparente abgelegt.
27. November: In einer Andacht in der Stadtkirche unter dem Thema „Ökologie“ wird zu den enormen Umweltschäden im Kreis Delitzsch gesprochen.
30. November: Auf Bitte des Superintendenten Behr und der Pastorin Höck nimmt der Bürgermeister Lubienski an einer Andacht in der Stadtkirche teil. Dort wird u.a. die Einrichtung eines Pflege- und Feierabendheimes in der Dienststelle der Staatssicherheit und die Nutzung des Schwimmbeckens in der NVA-Kaserne in Benndorf (heute HUS IV) für die Bevölkerung gefordert. Ab Januar 1990 konnte das dortige Bad auch von der Öffentlichkeit genutzt werden.

1989 Dezember
02. Dezember: Es findet in der Stadt eine Schülerdemonstration für die Einführung der Fünf-Tage-Schulwoche statt.
03. Dezember: Auch durch den Kreis Delitzsch führt die Menschenkette, die sich durch die gesamte DDR erstreckt. Mit dieser Aktion soll der Wille zur Erneuerung der Gesellschaft und des Staates bekundet werden.
04. Dezember: In der Stadtkirche findet wieder eine Andacht mit dem Thema „Arbeit und Wirtschaft“ statt.
09. Dezember: Auf einem Bürgerforum im Karl-Marx-Haus wird die Umsetzung des Schulze-Delitzsch-Denkmals an seinen traditionellen Standort am Marienplatz gefordert.
11. Dezember: An diesem Montag werden am Vormittag sämtliche Akten des Kreisamtes für Nationale Sicherheit (vormals Kreisdienststelle der Staatssicherheit) nach Leipzig gebracht. Die Maßnahme fand unter Leitung der Volkspolizei mit dem stellvertretenden Leiter des VPKA, Major Kurt Ledig, sowie des Kreisstaatsanwalts, Vertretern des NEUEN FORUMs und des Demokratischen Aufbruchs sowie Mitgliedern der Untersuchungskommission des Kreistages zu Korruption und Amtsmißbrauch statt. Ein unabhängiger Vertreter der evangelischen Kirche begleitete den Aktentransport nach Leipzig und überwachte an Ort und Stelle die ordnungsgemäße Entladung und Übergabe.
17. Dezember: In der Stadt findet eine Demonstration gegen Ausländerfeindlichkeit statt.
19. Dezember: Erstmals tritt im Jugendclub Delitzsch-Nord der „Runde Tisch“ zur Beratung zusammen. Dazu sind alle Vertreter der Parteien, der Kirchen, Organisationen und der NVA eingeladen.
Im Verlauf dieses Monats werden die ersten Räume im Haus der SED-Kreisleitung an den VEB Kraftverkehr und den Kulturbund übergeben.
21. Dezember: Die meisten der bisherigen Mitglieder des Neuen Forum treten in die bestehenden Parteien ein.


1990

1990 Januar
1. Januar: Eine Revierförsterei für das „Revier Delitzsch“ wird eingerichtet und nimmt ihre Arbeit auf. Hauptaufgabe wird die Aufforstung von Kippenflächen der Braunkohletagebaue sein.
05. Januar: Die Öko-Gruppe des „Neuen Forum“ in Delitzsch konstituiert sich. Sie nennt sich nun „Grüne Alternative“. Als Ziel fordert sie eine grundlegende Veränderung im Umweltschutz.
09. Januar: Der SDP-Kreisverband Delitzsch wird im Gemeindehaus der Evangelischen Kirchengemeinde gegründet.
10. Januar: In dem zur Abstimmung in der 2. Gesprächsrunde des „Runden Tisches“ vorgelegten Entwurf zur Geschäftsordnung wird folgendes beschlossen:
Die Aufgaben des Runden Tisches bestehen in der politischen Meinungs- und Willensbildung bis zur Wahl der neuen Verwaltungs- und Führungsorgane.
Die Entgegennahme von Berichten von staatlichen Institutionen. Empfehlungen und Beschlüsse hinsichtlich der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens.
Vorbereitungen zur Durchführung demokratischer Wahlen
Die Teilnehmer am Runden Tisch sind die bisherigen etablierten Parteien in der DDR (wobei die SED durch die PDS vertreten ist). Die SPD nimmt als neue selbständige Partei teil.
Weiterhin sind alle Massenorganisationen und Kirchen zugelassen.
Die Vertreter des Rates des Kreises sowie der Stadtverwaltung nehmen als ständiger Beobachter teil.
Die Leitung des Runden Tisches wird durch die evangelische Kirche wahrgenommen.
11. Januar: Ein Bürgerkomitee unter Aufsicht der Kreisstaatsanwaltschaft führt eine Kontrolle in den Räumen des Kreisvorstandes der SED-PDS durch. Die dabei aufgefundenen Dokumente werden sichergestellt. Die Richtfunkanlage war zu diesem Zeitpunkt bereits außer Betrieb.
12. Januar: Der SPD-Kreisvorstand konstituiert sich. Der 1. Sprecher ist Theo Arnold.
24. Januar: Zur 5. Sitzung der Stadtverordneten wird der Jahresplan und Haushaltsplan für 1990 vorgetragen. Aus dem Bericht des stellvertretenden Bürgermeisters Matthias Fritsche geht hervor, daß die Gebäude der ehemaligen Kreisdienststelle des MfS dem Rat des Kreises, Abteilung Gesundheits- und Sozialwesen als neuer Rechtsträger übergeben worden sind. Die Musterungsbaracke der NVA in der Halleschen Straße soll in ein Rehabilitationszentrum für behinderte Bürger umgewandelt werden.
24. Januar: Unter Leitung der Pastorin Höck wird die 3. Gesprächsrunde am „Runden Tisch“ durchgeführt. Nunmehr finden die Gesprächsrunden im Großen Sitzungssaal des Rathauses statt. Ein Vertreter des Rates des Kreises berichtet über den Verbleib der Mitarbeiter der Dienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) sowie über die Verwendung der Dienstfahrzeuge: Von den 38 Mitarbeitern der Kreisdienststelle des MfS haben 31 Personen ein Arbeitsrechtsverhältnis in der Produktion erhalten. Die Fahrzeuge, ein Lada und vier Trabant wurden am 11. Januar dem Rat des Kreises übergeben. Sie werden im Gesundheits- und Veterinärdienstwesen eingesetzt. Aus dem Bestand der Kreisdienststelle des MfS sind fünf Schreibmaschinen und ein Kopiergerät der kommunalen Verwaltung zur Verfügung gestellt worden.
In seinem Bericht stellt der Kreisarzt Dr. Heuschkel fest, dass die medizinische Betreuung der Bevölkerung gewährleistet ist. Die Betreuung älterer und behinderter Bürger wird als nicht ausreichend angesehen.
Die Unteroffiziersschule „Kurt Bennewitz“ in Benndorf soll für soziale Zwecke genutzt werden und das sich daran anschließende Gelände der Naherholung dienen.
Es erfolgt ein Beschluß zur Überprüfung des VEB Delicia wegen angeblicher Lagerung von giftigen Produktionsrückständen. Gleichzeitig erfolgt eine Anzeige zur Herbeiführung einer Richterlichen Entscheidung zur Stilllegung des Betriebes.
25. Januar: Der Rat der Stadt beschließt, die Sozialistische Namensweihe nicht mehr vorzubereiten.
26. Januar: Die Vertreter des Runden Tisches stellen an den Ministerrat der DDR den Antrag zur Auflösung der NVA-Unteroffiziersschule „Kurt Bennewitz“ in Delitzsch mit dem Vorschlag, diese Gebäude als medizinische Einrichtung zu nutzen.
31. Januar: Dem Rat der Stadt liegen mehrere Anträge von Unternehmen der BRD vor, so zur Einrichtung eines Baumarktes, zweier Videotheken, eines Textilbetriebes für Jeansartikel und Topmoden, einer Autovertriebswerkstatt und einer Kaufhauskette.
Im Januar beginnt der Umbau des ehemaligen Gebäudes der Staatssicherheit am Wallgraben 5/6 zu einem Seniorenheim mit 30 Plätzen.
31. Januar: Bis zu diesem Tage gab es 50 Bürgereingaben zu 30 Sachkomplexen an die Untersuchungskommission beim Rat des Kreises Delitzsch zu Funktionsmissbrauch und Kooperation.
Auf der 5. Tagung des Kreistages gibt der Vorsitzende Lothar Elze einen Bericht zu der Lage im Kreis Delitzsch. Trotz der politischen Veränderungen, die sich vollziehen, sind die bestehenden Volksvertretungen und Räte handlungsfähig. Die Lebensbedürfnisse der Bevölkerung konnten gesichert werden. Die gesundheitlichen Betreuung der Bürger und die stationäre Versorgung im Krankenhaus kann mit Unterstützung von 72 Armeeangehörigen gesichert werden.
In Delitzsch wurde eine Messstation zur Ermittlung der Umweltbelastung eingerichtet.

1990 Februar
06. Februar: Der 16-jährige Matthias Denef, ehemaliger Schüler der Musikschule Delitzsch, hat sich für den 8. Bachwettbewerb im Fach Klavier qualifiziert. Seit September 1989 wird er von Prof. Herbert Sahling, Hochschule für Musik Leipzig, unterrichtet.
10. Februar: Der erste Bauabschnitt zur Rekonstruktion des Delitzscher Schlosses ist abgeschlossen. Die Baufirma Jürgen Koslowski und die PGH Löbnitz waren daran beteiligt. Das Gebäude steht auf der Bezirksdenkmalliste. In den folgenden Monaten kann mit dem Innenausbau begonnen werden.
12. Februar: In einer Sondersitzung beschließen die Stadtverordneten, dass ab diesem Jahr anstelle des Parkfestes wieder der Peter-und-Paul-Markt abgehalten wird.
14. Februar: Die 4. Gesprächsrunde des „Runden Tisch“ findet zu folgenden Themen statt: Ausbau des MfS-Gebäudes zu einem Seniorenheim; Bildung eines Bürgerkomitees zur Rückgabe der MfS-Akten aus Leipzig und die Sichtung der SED-Akten; Auflösung der Kampfgruppen, die im Kreis Delitzsch 738 Mitglieder hatten; Umweltverschmutzung des VEB Delicia.
Die Kreisdienststellenleiter der Staatssicherheit Low und des VPKA Ogiermann beantworten Fragen zu den jeweiligen Dienststellen. Die Kreisdienststelle des MfS hatte 38 hauptamtliche Mitarbeiter.
21. Februar: In der 5. Gesprächsrunde des „Runden Tisches“ gibt der Leiter des VPKA einen Bericht über die Kriminalität im Kreis Delitzsch. Vom 1. Januar bis zum 21. Februar 1990 gab es 232 Anzeigen. Vornehmlich traten strafbare Handlungen wegen Diebstahls von Fahrrädern und Motorrädern sowie von Körperverletzungen auf. Der Leiter des VPKA fordert zusätzliche Helfer, um die Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Vorbereitung der Wahlen auf der Grundlage des neuen Parteiengesetzes der DDR vom 21.02. diesen Jahres. Der Antrag des „Runden Tisch“ zur Rückgabe der MfS-Akten wurde abgelehnt, da Regierungsbeauftragte und Bürgerkomitees in Leipzig die Auswertung des Materials unter Einhaltung der Bestimmungen über Geheimhaltung vornehmen.
28. Februar: Der Runde Tisch trifft sich zu seiner sechsten Beratung. Das Hauptthema waren Fragen zur Volksbildung. Dazu berichten der Kreisschulrat , der Verantwortliche für den Bereich Berufsausbildung, die Referentin für Kindergärten und ein Lehrer.

1990 März
02. März: Das „Amt für Arbeit“ ist jetzt eine selbständige Behörde. Ihm obliegt die Arbeitsvermittlung sowie die Bearbeitung von Arbeitslosenunterstützungen.
03. März: - Die bundesdeutsche Rosenschule Kordes und Söhne schenkt der Stadt für den Rosengarten 2.000 Rosenstöcke.
14. März: Zur Vorbereitung der Wahlen zur Volkskammer finden zahlreiche Wahlveranstaltungen der verschiedenen Parteien und politischen Organisationen statt. Mehrfach sind prominente Politiker aus der BRD hier zu Gast, u.a. der Bundesbildungsminister Möllemann bei einer Veranstaltung der Freien Demokraten.
Der Stadtverordnetenversammlung wird vorgeschlagen, dass die bisherige „Fritz-Weineck-Oberschule“ in der Schulstraße wieder in „Diesterweg-Oberschule“ umbenannt wird.
15. März: Der Kreistag beruft die Wahlkommission des Kreises für die Wahlen am 06. Mai 1990. Gleichzeitig wird eine Kommission für die Fragen zum Zivildienst gebildet.
22. März: Der Kreisvorstand des FDGB wird zum 31. März 1990 aufgelöst. Eine weiter bestehende Geschäftsstelle wird von Dieter Müller geleitet.
24. März: Delitzsch hat 42 Arbeitslose, davon 28 Frauen.
27. März: Auf der Grundlage der Verordnung über die Gründung, Tätigkeit und Umwandlung von Produktionsgenossenschaften des Handwerks vom 08.03.1990, löst der VEB Kraftverkehr den Bereich Taxi auf. Ab dem 1. April erhalten die Taxifahrer die Gewerbegenehmigung zur Eröffnung eines privaten Taxibetriebes.
28. März: Es erfolgt die Gründung einer Baugewerbeinnung für den Kreis Delitzsch. In ihr sind das Maurer-, Fliesenleger-, Dachdecker-, Klempner- und Malerhandwerk vereint.
Der verdienstvolle Leiter des Delitzscher Tiergartens, Franz Kirsch, beendet nach 23-jähriger Tätigkeit aus gesundheitlichen und Altersgründen seine Arbeit. Seit der Gründung des Heimattiergartens im April 1967 entwickelte er sich zur größten tiergärtnerischen Einrichtung nach dem Leipziger Zoo im Bezirk Leipzig. Franz Kirsch hat daran den entscheidenden Anteil. Jetzt besitzt der Tiergarten ca. 500 Tiere in 111 Arten, eine Fläche von 5 Hektar mit Gehegen, Volieren, Ställen, Teichen und gepflegten Grünflächen. Der Tiergarten hat Kontakte mit Tiergärten im In- und Ausland.
Die Grüne Partei beantragt die Aufrechterhaltung des polytechnischen Unterrichtes durch die Betriebe. In diesem Monat wurden 14 Genehmigungen für private Gewerbe erteilt.
Die wirtschaftlichen Umbrüche dieser Zeit lassen sich deutlich am Beispiel des „VEB DELICIA“ ablesen. Im ersten Quartal des Jahres wurde er aus dem Kombinat Chemisch-Technische-Erzeugnisse herausgelöst und eine neue Leitungsebene hergestellt. Danach folgte die Auflösung des Kombinates, die Umwandlung des „VEB DELICIA“ in „DELICIA GmbH“ unter der Verwaltung der Treuhand. Im weiteren Verlauf des Jahres reichten die Alteigentümer –aus der Zeit vor der Verstaatlichung des Betriebes- ihre Rückgabeansprüche ein.

1990 April
Am 1. April begeht die Glaserei Zeidler, Delitzsch, Münze, ihr 100-jähriges Bestehen. Gegründet wurde der hervorragende Handwerksbetrieb, der sich über nunmehr 100 Jahre hinweg durch ausgezeichnete Qualitätsarbeit in Stadt und Land hohes Ansehen erwarb, am 1. April 1890 durch Glasermeister Hermann Zeidler. Fortgeführt wurde der Betrieb durch Ernst Zeidler. Nunmehr hat Glasermeister Rolf Zeidler den Betrieb übernommen, in dem er mit zwei Gesellen und einem Lehrling arbeitet, für die Verwaltungsarbeit und den Kundendienst ist seine Frau zuständig.
03. April:
Ein typisches Bild seit einiger Zeit sind die zahlreichen Händler aus der BRD, die ihre Waren für DM oder auch für Mark der DDR anbieten.
11. April: Auf der Generalversammlung beschließt die „Genossenschaftskasse für Handwerk und Gewerbe“ eine neue Satzung und die Umbenennung in „Volksbank Delitzsch e.G.“ Sie wird damit zu einer universellen Geschäftsbank, die künftig auch alle Kreditgeschäfte tätigen wird, wie Kredite für Existenzgründungen, Tourismus, Umweltschutz und Modernisierung.
18. April: In Delitzsch findet die letzte Sitzung des „Runden Tisches“ der Parteien und Organisationen statt. Es geht vor allem um Probleme des Arbeitsmarktes, ungerechtfertigte Kündigungen und andere Verletzungen der Rechte der Werktätigen, sowie um die Vorbereitung der Wahlen zum Landtag, Kreistag und der Stadtverordnetenversammlung. Die bisherigen Aufgaben des Runden Tisches werden künftig vom demokratisch gewählten Stadtparlament übernommen.
21. April: Der Arbeitsmarkt bietet folgendes Bild: Ohne Arbeitsrechtsverhältnis sind 109 Bürger, von denen 87 den Antrag auf staatliche Unterstützung stellten. Frei gemeldete Arbeitsplätze stehen für 16 Meister, 351 Facharbeiter und 164 ungelernte Arbeitskräfte bereit.
26. April: Die bisherige „BHG Delitzsch“ beschließt die Umwandlung in „Raiffeisen Bank- und Handelsgenossenschaft Delitzsch e.G“.

1990 Mai
06. Mai: Das Ergebnis der Kommunalwahlen im Kreis Delitzsch zum Kreistag lautet:
Parteien                              Stimmen           %            Mandate
CDU                                     34.756          41,65             21
SPD                                      15.119          18,12             9
PDS                                      10.407          12,47             6
BFD                                        6.809           8,16              4
DBD                                       3.719            4,46              2
Bauernverband                      3.247            3,89              2
Grüne Partei                           3.117            3,74              2
DSU                                       3.006             3,60              2
Volkssolidarität                       2.257             2,70             1
DFD                                          617              0,74             1
KPD                                          296              0,35             --
Kulturbund                                101              0,12             --
10 Mai: Das Mandolinenorchester Delitzsch, das auf eine 70-jährige Tradition zurückblicken kann, beendet seine Tätigkeit, weil kein Nachwuchs mehr für die Mandolinenmusik gewonnen werden konnte.
12. Mai: Die Wahlergebnisse vom 06.Mai für das Stadtparlament von Delitzsch werden bekannt gegeben:
CDU: 40, 82 % mit 13 Mandaten Heinz Bieniek, Hans-Wilhelm Braunsdorf, Gerhard Denef, Thomas Eichstedt, Marlis Fischer, Andreas Koch, Petra Kinne, Johannes Landeck, PhR. Joachim Rudolph, Egon Scholz, Udo Strauch, Astrid Schneider, Dr. Dietmar Wildführ.
SPD: 23,04 % mit 8 Mandaten Theo Arnold, Sabine Kollenda, Frank Möbius, Ralf Nietzschmann, Gerd Raschpichler, Richard Schumann, Willi Schulz, Jens Siebert.
PDS: 13,75 % mit 5 Mandaten Gerold Höfler, Elke Klaus, Albert Kunze, Bernd Müller, Klaus-Dieter Otto.
Grüne: 5,29 % mit 2 Mandaten Olaf Krieg, Olaf Schulz.
BFD: 4,89 % mit 2 Mandaten Thomas Felgner, Gotthard Woltmann.
DSU: 3,48 % mit 1 Mandat Günter Kalla.
VBS: 1,78 % mit 1 Mandat Olaf Ihbe.
DBD: 1,84 % mit 1 Mandat Hartmut Pfordte.
FDP: 1,38 % mit 1 Mandat Waldemar Pabst.
Sonstige        ohne Mandat 3,73 %.
19. Mai: Wie das Arbeitsamt mitteilt, gibt es gegenwärtig im Kreis Delitzsch 171 Arbeitslose. Es stehen dem 540 freie Stellen gegenüber.
In der Rathenaustraße 10 kommt es zu einem tragischen Unfall. Drei Rentnerinnen kommen in der heimeigenen Sauna ums Leben, weil sie die Tür von innen nicht öffnen können.
23. Mai: Das 26. Heimatkreistreffen aller Delitzscher aus Stadt und Land, aus Ost und West findet im Heimatkreis Delitzsch statt. Der Vorsitzende ist Dr. Hartick. An diesem erstmals stattfindenden Heimattreffen nehmen auch die ehemaligen Delitzscher teil, die nach 1945 in die BRD übergesiedelt sind.
31. Mai: Konstituierende Tagung des neugewählten Kreistages.
Gewählt wurden Michael Czupalla (CDU) zum Landrat und Dr. Gerd Raschpichler (SPD) zum Stellvertreter.

1990 Juni
01. Juni: In der konstituierenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung wird Herr Heinz Bieniek (CDU) zum Bürgermeister der Stadt Delitzsch und als Dezernenten :
Dezernat I   (Hauptamt, Personalamt)     Norbert Teresniak
Dezernat II (Rechtsamt)                          Richard Schumann
Dezernat III (Stadtkasse)                         Brigitta Pasternak
Dezernat IV (Bau, Wohnungswesen)       Helmut Weiser
gewählt. Ehrenamtliche Ratsmitglieder sind: Rene Brunzel, Theo Arnold, MR Dr. Dietmar Wildführ, Marlis Fischer. Die Amtsleiterstellen werden öffentlich ausgeschrieben.
Dem scheidenden Bürgermeister Karl Lubienski wird unter Beifall der Stadtverordnetenversammlung für sein Engagement zum Wohle der Bürger und der Stadt herzlich gedankt.
07. Juni: Es wird wie in den Nachbarkreisen auch im Kreis Delitzsch eine Bürgerbefragung über die künftige Länderzugehörigkeit durchgeführt. Wie am 19. Juli bekannt gegeben wird, entscheiden sich an diesem Tag die Stimmabgebenden wie folgt:
Von 41018 Bürgern geben 32112 (=78,29%) ihre Stimme ab. Davon sind 32047 (=99,8%) gültig. Für Sachsen stimmen 28605 (=89,26%) und für Sachsen-Anhalt 3442 (=11,7%).
08. Juni: Die Gärtner von Saatzucht/Zierpflanzen in Delitzsch haben ein „Gartencenter“ geschaffen. Angeboten werden Topfpflanzen, Schnittblumen, Stauden, Gehölze, Blumenzwiebeln und Gartenzubehör.
Am 9. Juni konstituiert sich der DRK-Kreisverband e. V., Vorsitzender ist Oberarzt MR Dr. Kademann, erster Stellvertreter Dr. Lehmann, zweiter Stellvertreter H.-D. Frömmichen.
15. Juni: Landrat Stückle und Dezernent Haußler aus dem Partnerschaftskreis Schwäbisch-Hall besuchen unseren Kreis und überreichen moderne Bürotechnik als Geschenk.
30. Juni: Der Landrat des Kreises Delitzsch, Michael Czupalla, wird vom Regierungsbevollmächtigten zum Sprecher der Landratsämter der Bezirksverwaltungsbehörde berufen.
Der Peter-und-Paul-Markt, der erstmals wieder gefeiert wird, ist trotz der Umstellungsprobleme der Währung -von Mark der DDR in DM- am 29. und 30. Juni ein großer Erfolg. Im nächsten Jahr soll der Jahrmarkt im Zusammenhang mit der 825. urkundlichen Ersterwähnung von Delitzsch besonders festlich begangen werden.

1990 Juli
01. Juli: Die Umstellung der Zahlungsmittel von Mark der DDR in D-Mark vollzieht sich in unserer Stadt ohne Probleme. In den Sparkassen und Banken herrscht ab 2. Juli Hochbetrieb.
03. Juli: Am 1. Juli nimmt die Dresdner Bank - Kreditbankfiliale in der Breiten Straße 32 mit 29 Mitarbeitern ihre Geschäftstätigkeit auf. Filialleiter werden Christine Borrmann und Gisela Krüger, die zuvor als Leiter der Deutschen Kreditbank AG tätig waren.
Die bisherige HO Delitzsch wird ab 1. Juli zur „Parat-Handelsgesellschaft mbH“.
Der Monheimer Stadtbrandmeister Ludwig Mertens übergibt der Delitzscher Freiwilligen Feuerwehr als Geschenk ein Löschfahrzeug, das mit Tragkraftspritzen ausgerüstet ist.
06. Juli: Am 3. Juli entsteht im Ziehwerk im Elektrokeller der Halle 5 ein Brand, der sich schnell ausdehnt und zu einem großen Schaden führt.
07. Juli: Die Zuckerfabrik Delitzsch feiert ihr 100jähriges Bestehen.
In den Gaststätten der Stadt herrscht derzeit gähnende Leere. Der Grund sind die im Vergleich zu den subventionierten DDR-Preisen hohen Preise. In der Gaststätte „Stadt Delitzsch“ kosten beispielsweise Röstkartoffeln mit Sülze nun 6,60 DM, vorher nur die Hälfte.
Am 19. Juli wird die „Arbeiterwohlfahrt“ (AWO) im Kreis Delitzsch neu gegründet. Ziel ist die Betreuung von Senioren und Behinderten.
In Delitzsch gibt es zur Zeit 30 Taxi-Fahrzeuge.
20. Juli: Im ersten Halbjahr 1990 sind auf der Grundlage des Treuhandgesetzes vom 17.06.1990 im Kreis Delitzsch 282 neue Gewerbe angezeigt worden.
Der „Tierschutzverein Delitzsch e.V.“ im Tierschutzverband und der „Armeesportverein Vorwärts Delitzsch e.V.“ werden gegründet.
21. Juli: Delitzsch geht zu Sachsen! So lautet die offizielle Bekanntgabe des Ergebnisses der Volksabstimmung zur künftigen Länderzugehörigkeit. Der Kreistag bekräftigt in seiner 2. außerordentlichen Sitzung die Bürgerbefragung und schlägt der Volkskammer vor, den Kreis Delitzsch dem Land Sachsen zuzuordnen.
27. Juli: 17 Metzger und Landwirte aus Schwäbisch Hall helfen den Kyhnaer Tierproduzenten beim Schlachten und Verarbeiten von 1.700 schlachtreifen Tieren. Das Schlachtvieh wurde auf Grund von Importen nicht mehr abgenommen, wodurch es zu enormen Überbeständen an Schlachtvieh kam. Einige LPG gehen zur eigenen Schlachtung ihrer Viehbestände über und verkaufen Wurst- und Fleischwaren an die Bevölkerung.
28. Juli: Aus einem Bericht der Polizei geht hervor, dass die Kriminalität stark zugenommen hat, und zwar um 10% gegenüber 1989. Von 500 Anzeigen entfielen 50% auf Eigentumsdelikte.
Vom 1. Januar bis 30. Juli traten im Kreis Delitzsch 99 Brände auf, die einen Gesamtschaden von 105.000 Mark verursachten.
Nach der gemeinsamen Erklärung der Regierungen der BRD und der DDR zur Regelung offener Vermögensfragen vom 11.07.1990 können jetzt Bürger beim neugebildeten Vermögens- und Ausgleichsamt beim Landkreis Delitzsch die Rückgabe von enteigneten Vermögenswerten beantragen.

1990 August
Etwa 360 private Gewerbe sind seit Jahresbeginn im Gewerbeamt des Landratsamtes angemeldet worden. Insbesondere der Gebrauchtwagenhandel hat im Kreis Delitzsch stark zugenommen.
Im Freibad ist Hochbetrieb, weil im Juli/August längere Zeit hochsommerliche Temperaturen herrschen. Die Feuerwehr musste am 31. Juli fünfmal ausrücken, um Straßenrand-, Graben- und Ödlandbrände zu löschen. Die Waldbrandwarnstufe IV wird ausgelöst.
09. August: Der Bau der Schwimmhalle in der Securiusstraße wird gestoppt. Für weitere Baumaßnahmen sind keine Mittel vorhanden.
12. August: Auf dem Schützenplatz wird gegenwärtig ein Parkplatz eingerichtet.
17. August: Im Kreis Delitzsch finden Protestveranstaltungen der Bauern statt. Ihre Forderungen betreffen den Absatz ihrer Erzeugnisse und den Preisverfall. Zeitweilig sperrten sie mit ihren Fahrzeugen mehrere Hauptverkehrsstraßen des Kreises.
22. August: Im Kreis Delitzsch gibt es jetzt 905 Arbeitslose. Dem gegenüber stehen 29 offene Stellen.
Die bisherige Sportvereinigung Lokomotive Delitzsch wird in „Eisenbahnsportverein Delitzsch“ (ESV) umbenannt. Die Sportgemeinschaft „Dynamo“ nennt sich jetzt „Polizeisportverein“ (PSV).
113 Delitzscher Kinder verbrachten kostenlos frohe Ferientage in der BRD. Initiator war der Landrat des Partnerkreises Schwäbisch Hall.
23. August: Mitarbeiter des Bauhofes Friedrichshafen helfen mit moderner Technik, eine verstopfte Schleuse am Zulauf des Lobers in den Wallgraben freizulegen.
24. August: In der Kaufhalle Nord am Clara-Zetkin-Platz (Nordplatz) eröffnet das Unternehmen „Norma“ einen Lebensmittelmarkt. Auf dem Marktplatz herrscht jetzt reges Markttreiben, geschäftstüchtige Händler aus der BRD bieten vorwiegend Waren an, die es im bisherigen Angebot nicht gab.
31. August: Die Raiffeisenbank und die Handelsgenossenschaft Delitzsch eröffnen an der Walzenmühle mit Unterstützung von Kooperationspartnern aus der BRD einen für „Delitzscher Verhältnisse noch nie dagewesenen Heimwerkerladen“.
Am 31. August wird der Aufruf der Gewerkschaft ÖTV zum einstündigen Warnstreik von etwa 500 Personen befolgt, unter ihnen waren Mitarbeiter der Gebäudewirtschaft, der Stadtwirtschaft, der Poliklinik. Gefordert wurde Lohnausgleich, weil sich die Waren und Dienstleistungen verteuerten.

1990 September
Zu Schuldirektoren werden durch den Landrat berufen: Joachim Schiller an der Artur-Becker-Oberschule und Kurt Podsadny an der Oberschule Delitzsch-West.
Schmierereien an Häuserwänden und Mauern durch Sprayer haben in der Stadt zugenommen, sogar an historisch wertvollen Gebäuden in der Breiten Straße erfolgen diese Beschmutzungen.
Die Stadtverordneten bestätigen die Städtepartnerschaft mit Friedrichshafen und Monheim und fassen Beschlüsse zur Gewährleistung von Ordnung und Sauberkeit im Stadtgebiet. Ein weiterer Beschluss betrifft Ansprüche der Stadt auf kommunales Vermögen.
Neu gebildet wird die „Kaufmännisch-Landwirtschaftliche Berufsschule“ aus der ehemaligen Kommunalen Berufsschule und der Landwirtschaftlichen Berufsschule. Gewählt und bestätigt werden Ingeborg Bieling als Direktorin, Doris Dross als stellvertretende Direktorin und Rüdiger Teske als stellvertretender Direktor.
In Delitzsch wird der „Verband der Kriegs- und Wehrdienstopfer, Sozialrentner und Behinderten“ gegründet.
Am 22. September können 30 ältere Bürger der Stadt das zum Seniorenheim umgebaute ehemalige Gebäude der Staatssicherheit am Wallgraben als ihr neues Zuhause in Augenschein nehmen. Dort wird es Einzelzimmer als auch Doppelzimmer geben. Jedes Zimmer wird zentralgeheizt und hat fließend kaltes und warmes Wasser. Zur Betreuung stehen 14 Mitarbeiter zur Verfügung.
Die Jäger des Kreises Delitzsch gründen aus den Jagdgesellschaften Glesien, Laue und Zschortau den „Kreisverband e.V.“
Der Rest des Wilhelm-Pieck-Denkmals auf dem Marienplatz wird abgebaut, nachdem bereits Wochen zuvor die Büste gestohlen worden war. Das Schulze-Delitzsch-Denkmal, das dort seinen Platz von 1891-1974 hatte, soll zurück an diesen Standort.
28. September: Der Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Prof. Dr. Biedenkopf, weilt in Delitzsch und stellt das Wahlprogramm der CDU vor.

1990 Oktober
02. Oktober: Als Auftakt für den „Tag der Einheit“ findet in Delitzsch ein großes Feuerwerk und für Kinder ein Lampionumzug statt. In der Stadtkirche wird ein Gottesdienst mit Andacht unter dem Thema „Abschied von der DDR“ abgehalten.
03. Oktober: Nun ist Deutschland wieder vereint. In Delitzsch wird das Ereignis, das uns nach über 40 Jahren wieder zusammengeführt hat, nach Befragungen der Bürger durch die LVZ trotz einiger Skepsis freudig begrüßt. Zum ersten Mal erklingt die neue Nationalhymne. Im Ausbildungszentrum „Kurt Bennewitz“ der nun nicht mehr bestehenden NVA wird die Truppenfahne eingerollt.
Überwiegende Freude über die Wiedervereinigung und Hoffnung auf eine bessere Zukunft empfinden die Bürger. Verbunden damit ist die Sorge über die steigende Arbeitslosigkeit durch das Wegbrechen der Handelsbeziehungen zu den Staaten Osteuropas und die gründlichen Veränderungen in den Betriebsstrukturen der volkseigenen Großbetriebe.
Zum Tag der Deutschen Einheit findet ein gemeinsamer Festakt des Kreistages und der Stadtverordnetenversammlung im Karl-Marx-Haus statt. Als Gäste nehmen an der festlichen Veranstaltung Abordnungen aus dem Partnerkreis Schwäbisch Hall mit Landrat Stückle, aus den Partnerstädten Friedrichshafen und Monheim mit den Bürgermeistern Dr. Sigg und König teil. Umrahmt wird die Veranstaltung mit Darbietungen der Schulze-Delitzsch-Chöre, mit Rezitationen von Schülern der Erweiterten Ehrenberg-Oberschule und Delitzscher Musikschülern. Landrat Stückle aus Schwäbisch Hall überreicht dem Landrat des Kreises Delitzsch, Michael Czupalla, eine Fahne der BRD.
Nach neunmonatigen Umbauarbeiten des ehemaligen Stasi-Gebäudes am Wallgraben zu einem Seniorenheim, erfolgt die Übernahme durch den Bürgermeister Bieniek. Zugegen waren Vertreter der Kirchen und der stellv. Landrat, Dr. Raschpichler.
08. Oktober: Zur Situation auf dem Arbeitsmarkt: Im Kreis gibt es 1313 arbeitslose Bürger, davon 791 Frauen. 460 der Arbeitslosen sind unter 25 Jahre alt. Betroffen sind vor allem Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft und aus der Verwaltung.
Der Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble spricht auf einer öffentlichen Wahlveranstaltung der CDU im Karl-Marx-Haus zu den bevorstehenden Landtagswahlen.
10. Oktober: Auf der 3. Tagung der Stadtverordneten wird u.a. die Bildung eines Unterausschusses beschlossen, der die Umbenennung von Straßen, Wegen, Plätzen und öffentlichen Gebäuden vorbereiten soll. In einem weiteren Beschluss entscheiden sich die Abgeordneten zum Beitritt der Stadt Delitzsch zum Sächsischen Städtetag.
11. Oktober: Der „Museums- und Heimatverein Delitzsch e.V.“ wird neu gegründet. Er war bereits einmal am 6. September 1899 gegründet worden und stellte 1945 seine Vereinsarbeit ein. Für eine kurze Zeit bestand um 1960 nur noch ein Museumsbeirat.
14. Oktober: Bei den Landtagswahlen erzielt die CDU in Sachsen mit über 53 % der Wählerstimmen die absolute Mehrheit.
Die Ergebnisse im Kreis Delitzsch:
                                     Erststimme            Zweitstimme
CDU                               47,85 %                     50,36 %
SPD                               21,23 %                     24,58 %
Linke Liste/PDS             11,03 %                       9,67 %
FDP                                 8,89 %                       7,28 %
Forum/Grüne                   6,23 %                      4,54 %
DSU                                 3,75 %                      1,78 %
Dem Landtag gehören drei Vertreter unseres Kreises an, Dr. Dietmar Wildführ (CDU), Angelika Freifrau von Fritsch (FDP) und Helmut Pfordte (CDU).
In der Woche vom 17.-21. Oktober werden die Städtepartnerschaften Delitzsch-Friedrichshafen sowie Delitzsch-Monheim durch die Bürgermeister und Abordnungen der Stadtverordneten besiegelt. Beide Partnerstädte wollen der Stadt beim Aufbau helfen. Aus Friedrichshafen bringt der Bürgermeister einen Scheck über 60.000 DM mit. Das Geld soll zur Sanierung des Wallgrabens verwendet werden.
24. Oktober: Die abenteuerliche Jagd auf einen Schwan auf dem Stadtgraben wird erfolgreich zu Ende geführt. Dieser hatte einen Angelhaken geschluckt und konnte keine Nahrung mehr zu sich nehmen. Nachdem verschiedene Fangversuche gescheitert waren, gelang es schließlich, das Tier mit Netzen der Bundeswehrdienststelle zu fangen. Der Angelhaken, der sich im Zungenrücken befand, wurde durch den Tierarzt entfernt.
26. Oktober: Die Zuckerfabrik verarbeitet zur Zeit täglich 4.200 bis 4.300 Tonnen Zuckerrüben.

1990 November
01. November: Neuer Direktor des Delitzscher Tierparks wird Dr. Hans-Dieter Hohmann.
02. November: Eine Gruppe Sinti und Roma entwendet aus der Tankstelle Nohr 1.000 DM. Während sich die fünf Frauen der Gruppe bei Frau Nohr nach Waschmitteln erkundigten, drang eines ihrer Kinder in den Geschäftsraum der Tankstelle ein und erbeutete das Geld. Ein Zeuge, der das Geschehen beobachtet hatte, verfolgte die in Richtung Leipzig flüchtende Gruppe. Daraufhin warfen die Sinti und Roma das Geld weg und entkamen mit einem Pkw, der am Gartencenter geparkt war. Das Geld wurde eingesammelt und zur Tankstelle zurückgebracht.
05. November: Die Zahl der Verkehrsunfälle mit teilweise schweren Folgen hat in den letzten Monaten erheblich zugenommen. Die Polizei berichtet, dass in diesem Jahr bisher 216 Unfälle zu verzeichnen sind; dabei gab es 164 Verletzte und vier Tote. Seit dem 1. Juli sind 3.400 Kraftfahrzeuge neu zugelassen worden.
Auf dem Schützenplatz entstand ein neuer PKW-Parkplatz.
07. November: Die Zunahme des Straßenverkehrs sowie die Nichtbeachtung der Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung (vor allem der Geschwindigkeitsbegrenzungen) haben erneut zu Verkehrsunfällen geführt. Allein am 5. November ereigneten sich drei Verkehrsunfälle.
13. November: Erneut bereitet sich Delitzsch auf eine Wahl vor. Diesmal ist es die zum Deutsch Bundestag. Die Kandidaten unseres Wahlkreises aus Delitzsch sind Hans-Jürgen Moltrecht (Bündnis 90/Grüne) und Dr. Michael Friedrich (PDS).
14. November: Zwei Politessen nehmen ihre Tätigkeit in Delitzsch auf. Ihre Aufgabe steht darin, sich um den ruhenden Verkehr zu kümmern und die Parksünder zur „Kasse zu bitten“.
30. November: In einer festlichen Stadtverordnetenversammlung wird in Anwesenheit einer Abordnung der Stadt Monheim unter Leitung der Bürgermeisterin Ingeborg Friebe die Urkunde über die Städtepartnerschaft unterzeichnet.

1990 Dezember
02. Dezember: Es finden Wahlen zum Bundestag statt. Die Wahlbeteiligung im Wahlkreis 308 (Kreise Delitzsch, Eilenburg, Wurzen, Oschatz) beträgt 75,12 %.
Ergebnisse:
                                   Erststimme          Zweitstimme
CDU                            48,18 %                     47,41 %
SPD                             22,87 %                    23,01 %
PDS                               9,17 %                      8,44 %
DSU                               2,43 %                      1,31 %
FDP                             10,21 %                     11,94 %
Bündnis 90/Grüne         7,15 %                       5,05 %
BSA                               0,00 %                       0,02 %
LIGA                              0,00 %                       0,12 %
DIE GRAUEN                 0,00 %                      0,65 %
Rep.                                0,00 %                     1,44 %
KPD                                0,00 %                     0,04 %
NPD                                0,00 %                     0,28 %
ÖDP                                0,00 %                     0,17 %
Patrioten                         0,00 %                     0,01 %
SpAD                              0,00 %                     0,02 %
VAA                                 0,00 %                     0,09 %
03. Dezember: Die „Freiwillige Feuerwehr Delitzsch“ begeht in einer festlichen Veranstaltung den 130. Jahrestag ihrer Gründung.
05. Dezember: Im November gab es im Kreis Delitzsch 39 Verkehrsunfälle mit 27 Verletzten und zwei Toten. Häufigste Unfallursachen waren Fahren mit unangepasster Geschwindigkeit, Nichtbeachten der Vorfahrt und Fahren unter Alkoholeinfluß.
Vergleich zum Vorjahr (Stichtag 27. November):
1989:  308 Unfälle, 110 Verletzte, 4 Tote
1990:  485 Unfälle, 205 Verletzte, 6 Tote
06. Dezember: Die HO-Kaufhalle in der Straße der Jugend (Delitzsch-Nord) wird zu einem Supermarkt als „Extra-Markt“ umgestaltet.
08. Dezember: Der Kreistag beschließt die Gründung der „Kreiswerke GmbH“.
Im Kreis Delitzsch gibt es 1.954 Arbeitslose, 1.800 Personen verrichten Kurzarbeit.
17. Dezember: Das Ziehwerk in Delitzsch ringt um seine Existenz. Von den etwa 600 Werksangehörigen sind seit Juni 200 auf „ Kurzarbeitszeit Null“ gesetzt. Die Bestrebungen laufen darauf hinaus, als eigenständige Tochtergesellschaft der Henningsdorfer Stahl GmbH weiter zu bestehen.
27. Dezember: Der Landrat Michael Czupalla wendet sich zum Jahreswechsel an die Bürger des Kreises unter dem Motto „Mit Zuversicht in das kommende Jahr 1991“.
28. Dezember: Die Wäscherei in Delitzsch-Nord schließt ihre Pforten zum 31. Dezember 1990.
Die Kommunen des Kreises sind im Kreisverband des Sächsischen Städte- und Gemeindetages zusammengeschlossen. Die Stadt Delitzsch hat 1990 28.017 Einwohner. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes des Freistaates Sachsen entstanden im Zeitraum von 1972 bis 1990 in der Stadt Delitzsch 3492 Wohnungen. Die Zahl der durch bauliche Verwahrlosung und Abbruchmaßnahmen, vor allem in der Delitzscher Altstadt, aufgegebenen Wohnungen wurde nicht erfaßt.


Worterläuterungen

Ablaß

Erlaß der auferlegten Bußen

Abside, Apsis

Altarnische im Kirchenraum

Absolution

Freisprechung; Lossprechung von Sünden

Absumieren

vergeuden

Abtrag

Entrichtung einer Schuld; eines Schadenersatzes

Acceß

Zuwachs des Eigentums durch irgendeine Veränderung mit demselben; Anwartschaft auf eine Stelle oder Besoldung; Anwartschaft auf die Betreuung eines Altars

Achfahrt, Achtfahrt

Bußfahrt, z. B. für Totschlag

Acht

Todesstrafe

Ackerknechtsgesellschaft

Gesellschaft oder Bruderschaft der ackerbesitzenden Bürger, auch Ackerleute mit wirtschaftlichen, sozialen und religiösen Zielen

Adhärent

Anhänger

Adjunkt

Amtsgehilfe

admonieren

mahnen, zurechtweisen

Advokat

Sachwalter, Rechtsbeistand

Aerar

Staatskasse oder bestimmte Einnahmen

Aftersprache

Nachbesprechung bei Meisterzusammenkünften

Agende

geistliches Handbuch

Agio

Aufgeld

Agiotierung

Betreiben von Spekulationsgeschäften

Agnes

Witwe des Markgrafen Heinrich von Brandenburg

Akkord

Vertrag, Vergleich, Vereinbarung

akkordieren, accordieren

vereinbaren, übereinkommen

Akzidens

Zufälliges.,

Alantwein

Alant ist eine Pflanze, deren Wurzel zur Herstellung des Alantweines verwendet wurde

Albe

in der katholischen Kirche ein weißes Amtsgewand

Allerheiligen

katholisches Fest zum Gedächtnis aller Heiligen und Märtyrer, am 1. November

Altarist

Altarpfleger

alte Schocke

60 kleine Groschen = 20 gute Groschen

altes Rathaus

Gebäude Markt 18, 1456-59 Weinhaus, ab 1459 Garküche

Altsassen, Sasse

persönlich freier, aber mit seinem Gute abhängiger Bauer

Ampollen, Ampulle

bauchiges Gefäß, auch Ölgefäß, Lampe

Amtmann

mit einem Amt Betrauter, gleichzeitig Vorsteher eines Verwaltungsbereiches

amtssässig

Grundbesitzer, die das Amt, in dessen Bereich ihr Besitz liegt, in erster Instanz anzuerkennen haben

Angeld

Draufgeld, als Zeichen eines abgeschlossenen Ver­trages gegebener Vermögenswert, der in Geld erfolgt, wird in Anrechnung zum Kaufpreis gebracht

Antecessori

Vorgänger, Amtsvorfahr

Antependium

kostbarer Vorhang zur Bedeckung der Vorderseite des Altares

Antiphonarium

geistlicher Gesang

Apoplexie

Schlagfluß

Appellation

Berufung an ein höheres Gericht

Appellationsgericht

Berufungsgericht zweiter Instanz

Aquivalent

Gegenwart, Ersatz, Entschädigung

Arcana, Arkana

Geheimnis

Arche

im Wasserbauwesen kurzes künstliches Gerinne, auch Bezeichnung für Uferschutzbauten

Archidiakon

in der lutherischen Kirche Titel für den ersten Diakon der Stadtkirche

arma

Rüstzeug

Armistitien-Geld

Waffenstillstandsgeld

aspen

espen, Holz der Zitterpappel

assekurieren

versichern

assignieren

anweisen

Augsburgische Konfession

bedeutendste lutherische Bekenntnisschrift, von Melanchthon verfaßt, 1530 auf dem Augsburger Reichstag an Kaiser Karl V. überreicht. Die 28 Artikel betonen das Gemeinsame zwischen Protestanten und Katholiken, richten ihre Kritik gegen kirchliche Mißstände

ausgebracht

verpachtet, geliehen

ausgetan

vergeben

Auslobe

Ort für öffentliche Bekanntmachungen

Avocation

Abberufung

Baccalaureat

Würde des Baccalaureus, im Mittelalter unterster akademischer Grad

Bandelieren

breiter, von berittenen Truppen über die linke Schul­ter getragener Lederriemen, an dem die Patronen­tasche hängt

Bänke

Verkaufsstände

Bankschlachten, Freibank

Stätte, wo minderwertiges, aber nicht gesundheitsschädliches, auch durch Kochen unschädlich gemachtes Fleisch billiger als zum Marktpreis verkauft wird

Bankzins

Standgeld

Bann

Gebot oder Verbot unter Strafandrohung

Barfüßer Terminei

Haus der Bettelmönche

Barse

Barsche

Bartholomäi

24. August, Datum der Ermordung der Protestanten in Paris 1572

Beeren, in der Beeren

Bärenholz, bewaldetes Gelände nordwestlich vor Döbern

Bergfried

Turm auf dem Gelände der Marienkirche

besömmerte Brache

Bestellen der. Brache nach dem Ruhejahr mit Sommerfrucht

Bete

Steuer

Betfahrt

religiöse Bittfahrt

Bier, Viertel

2 Tonnen = 1/2 Faß; 1 Tonne = 75 Kannen

Biere, ganze

8 Tonnen = 2 Fässer

Bierlase

Bierkrug oder Bierkanne

Bierschröter

in den Städten von der Obrigkeit bestellte Auf- und Ablader, die die in den Ratskellern eingelegten fremden Biere gegen eine Gebühr in die Gaststätten zum Ausschank bringen

Biret

Barett, Kopfbedeckung

blutende Hostie

durch einzellige Lebewesen (Geißeltierchen) hervorgerufen

Bonifacii

5. Juni

Brache

das erste Umpflügen des Ackers nach der Ernte, worauf dieser im System der Dreifelderwirtschaft ein Jahr ruhte

Brandkataster

Verzeichnis für Immobilienversicherung des Grundbesitzes

Brauerbe

brauberechtigter Bürger mit besonderen Pflichten für die Stadtverteidigung. Brauerbenrecht war ein auf dem Grundstück ruhendes Privileg

Brauhaus

in Delitzsch das ehemalige Haus Markt Nr. 17

Breihahn,Broyhan, Breyhan

süßes würziges Weißbier, nach dem Braumeister Kurt Broyhan genannt

Bricke, Pricke

Flußneunauge

Bürgergehorsam

Ortsgefängnis, dort wurde man zum Gehorsam gebracht

Bürgerpflicht

zu leistende Gemeindedienste, Übernahme von Gemeindeämtern, Gemeindeabgaben

Burgstraße

Schloßstraße in Delitzsch

Butterhose

längliches Fäßchen, in das die Landleute die Butter drückten und darin zum Markte trugen. Diese Butter wurde auch Hosenbutter genannt

Caduzität, Kaduzität

Hinfälligkeit, Baufälligkeit, wüst liegendes Grundstück, von dem die Steuern nicht entrichtet werden können

Cancellen

Umfriedung, Gitter

Canonicus

Mitglied eines Dom- oder Stiftskapitals

Capistranus

Franzikanermönch und Bußprediger

carmen de natali Christi

Lied über die Geburt Christi

Casel

Meßgewand der katholischen Priester

Casel, Kasel

oberstes Kleid der katholischen Priester beim Messelesen

Cavillerei, Kavillerei

Abdeckerei

Chamlet

dünnes wollenes Zeug

Cisterzienser-Orden

katholischer Mönchsorden

Coadiutor, Koadiutor

in der katholischen Kirche der einem Pfarrer zeitweilig beigeordnete Geistliche für bestimmte Aufgaben

Collaborator, Kollaborator

Titel für Hilfsgeistliche und Hilfslehrer an höheren Schulen

Collation, Kollation

ein außer der bestimmten Essenszeit genossenes Mahl, auch: Frühstück; leichte Mahlzeit; Stärkung an Fasttagen

Collegiaten

Stiftsgenossen

Collegien

studentische Versammlung

Collekte

Sammlung freiwilliger Gaben in der Kirche

Commende, Kommende

Bezug von Einkünften aus einem Kirchenamt ohne dessen wirklichen Besitz

commentarii in epistolas Pauli

Erklärungen zu den Briefen des (Apostels) Paulus

conciliarischer Kanon

Konzilsbeschluß

conditionaliter

bedingt, bedingungsweise

Confession, Augsburger

wichtigste Bekenntnisschrift der lutherischen Kirchen (1530)

coniunctim

gemeinschaftlich

contra pestem

gegen die Pest

contribuieren, kontribuieren-

beisteuern, beitragen

Convocation

Zusammenkunft

corpus doctrinae Christianae

Gebäude der christlichen Lehre

Corpus iuris

Rechts-. Gesetzsammlung

Cossunge

Bezirk

cottunisieren

Tuche auf einer Seite aufrauhen, kräuseln

Courentor

Kirchenbeamter

Crucis

der 3. Quatember, der Mittwoch nach dem Tage der Kreuzeserhöhung, der 14. September

Damm, auf dem Damme, Thamm

Vorstadt vor Delitzsch, Hallesche Straße vor dem Halleschen Turm

Darre

Vorrichtung zum Trocknen oder schwachen Rösten von Obst, Getreide, Flachs, Holz, Malz usw. zur längeren Aufbewahrung oder weiteren Verwendung

Decem, Zehnt

Abgabe des zehnten Teils vom landwirtschaftlichen Ertrag

Dechant

Vorsteher in einem Stift

dedizieren

widmen, schenken

defendieren

verteidigen

Defensioner

Bezeichnung der Landwehr

deferieren

bewilligen

Dekret

Verordnung, Entscheidung

Deo et proxima

mit Gott und den Nachbarn

Depositengelder

Gelder, die bei einer amtlichen Stelle oder Bank zur Aufbewahrung, Verwaltung oder Benutzung hinterlegt sind

desseing

Vorhaben, Absicht, Plan

Diaeta

Buch über Einkünfte

Diakon

Hilfsgeistlicher, auch 2. oder 3. Pfarrer einer Gemeinde

Diakonat

Amt, Würde, auch die Amtswohnung des Diakonen oder Hilfspredigers

Dienstgeschirrgeld

Geld, das für Wagen, Pferde und Knecht, die die Untertanen dem Landesherren auf seine Reisen geben müssen, bezahlt wird

Diözese

Amtsgebiet eines Bischofs

Donativgeld

Geldleistungen der Rittergüter statt der sonst zu stellenden Pferde

Doppelhaken

Hakenbüchse auf Bockgestell mit fast 2 m langem Lauf, seit 1521 hauptsächlich im Festungskrieg gebraucht

Dörnze

Stube im neuen Rathaus

dotieren

beschenken

Dotierung

Schenkung

Dukaten

Goldmünze von großem Feingehalt

Dysenterie

Ruhr, Im Volksmund des Mittelalters wurde jede schwere, bösartige Volkskrankheit als Pest bezeichnet

Edikt

Erlaß

Ehrbare Mannen

Ritterschaf t

Eimer

altes Flüssigkeitsmaß

Einschwärzer

betreiben Schleichhandel

Elffer

Kommission aus 11 Personen bestehend, die berechtigt waren, Geld zu empfangen

Elle

Längenmaß

Entsagebrief

Drohbrief

Ephemeriden

Schriften, in denen Tagesbegebenheiten nach der Zeitfolge aufgezeichnet werden, auch Zeitungen und periodisch erscheinende Blätter

Estomihi

Bezeichnung des 7. Sonntages vor Ostern

ewiges Geleuchte

brennende Lampe

ex commiseratione

aus, wegen Mitleid, aus Erbarmen

ex lege diffamari

wegen Verleumdung

Exation

Eintreibung von Geldern

Exaudi

6. Sonntag nach Ostern

Excesse

Ausschreitungen, Gewalttätigkeit

Exekution

Vollstreckung der Todesstrafe

Exemtion

Befreiung von einer auferlegten Last

eximinieren

von einer Pflicht ausnehmen, befreien

Exkommunikation

Kirchenbann

Exorcismus

Beschwörung und Austreibung böser Geister

Expedition

Abfertigung

Exspektanz

Anwartschaft

Extorsion

Erpressung

fahrende Habe

bewegliche Güter, alle Sachen, die ihren Standort ver­ändern können, ohne ihr Wesen oder ihren Wert zu ändern

Fahung, fahen

Fangung, fangen

falsum

Fälschung

Faß Bier

hat 5 Schock oder 300 Kannen oder 2 Viertel

febris maligna

gefährliches Fieber

Fehdebrief

vorherige Ankündigung von Feindseligkeiten

feimen, fernen

anklagen

Femgericht

Feme, heimliches Gericht

Figuralgesang

kunstvoller mehrstimmiger Gesang

Findling

Findelkind

firmen

confirmieren = einsegnen

fl.

Abkürzung für Florin, die französische Bezeichnung des Guldens

Flagellanten

Mitglieder religiöser Bruderschaften zur Vergebung der Sünden

Folge

Kriegszug

Forststeine

Firststeine, Firstziegel

Fourage

Pferdefutter (Hafer, Heu, Stroh)

Fourier

Unteroffizier, der Quartiere und Lebensmittel beschafft

französische Krankheit

Syphilis

Fraternität

Bruderschaft

Frauenkirche

Marienkirche

freier Hof

von Feudalabgaben und Feudaldiensten frei

freier Stuhl

Gerichtsstätte der Stadtgemeinde Halle oder eines Patronatsherren

Freiheitsbrief

privilegierte Rechte, hier die Biermeilengerechtigkeit

Frei-Mannlehen

Lehen oder Hufen eines Freien, nur in der männlichen Linie vererbbar, mit besonderen Diensten verknüpft

Frohn, Fron

Fronbote, Bote oder Bevollmächtigter des Gerichtsherrn

Fronleichnam

Festtag der katholischen Kirche, Donnerstag nach Trinitatis (1. Sonntag nach Pfingsten)

Fundation

Stiftung

Galli, Gallus

16. Oktober

Ganztagserziehung

Die organisatorische Einheit des Unterrichts mit der außerunterrichtlichen Tätigkeit der Schüler. Sie umfasst den Unterricht, die Mittagspause, die Anfertigung von Hausaufgaben und die vielfältige Form der Freizeitgestaltung.

Garküche

Stadtküche im alten Rathaus, Markt Nr. 18

Gastnahrung

Gastwirtschaft

Gebräude

festgesetzte auf einmal zu brauende Menge Bier

Gedinge

rechtsverbindliche Abmachung

Gefälle

bestimmte an Grund und Bilden haftende Lasten (Grundlasten), die von dem Grundbesitz oder den Berechtigten in Form von Naturalien oder Geld als Zehnt zu entrichten waren

Gefangenenstöcke, Gefängnisstöcke

ausgehölte Klötze, an oder in denen Gefangene befestigt werden

Geleit

Schutz vor Gewalttätigkeiten gegenüber Personen durch bewaffnete Begleitung

Geleitsmann

Geleitzolleinnehmer, schützte Personen und Güter vor Überfällen

Gemäs, Gemäß

bezeichnet entsprechend wie Gewicht die Norm, wonach gemessen wird; auch ein einzelnes zum messen dienendes Gefäß

Gemeine

Gemeinde

Gerade

alter Rechtsausdruck für einen Teil der fahrenden Habe, der den weiblichen Erben zukam

Gerinnicht, Gerinne

künstlich angelegter offener Kanal für fließendes Wasser

Gerlitz oder Gerltitz

ehemaliges Dorf in der östlichen Dorfflur von Werben, wüst geworden Ende des 14. Jahhunderts

Gewende

hier als früheres Längenmaß verwendet

Gewetten

Friedensgeld, Geldstrafe für ein Verbrechen an den Staat oder den Richter

Goitsche

ehemaliger Wald zwischen Bitterfeld und Paupitzsch

Görlitz, Gerltitz

Wüstung südwestlich vor Laue, als Dorf wüst gewor­den Ende 14. Jahrhundert

Gotteskasten

Behältnis zur Aufbewahrung des einer Kirche gehörigen" oder in ihr gesammelten Geldes, auch Opferstock genannt

Gravamina

Beschwerden, Bedrückung

Gülden

ältere sächsische Währungseinheit zu 21 Meißner Groschen

Gülden

meißnische Gülden, ältere sächsische Währungsein­heit zu 21 Meißner Groschen, längere Zeit auf dem platten Lande gebräuchlich = 2,70 Mark der Talerwährung

Gutsbesitzer

Bauernhofbesitzer, damals nicht Rittergutsbesitzer

Hain

Hainstraße in Delitzsch

Halsgerichtsordnung, kaiserliche

Peinliche Gerichtsordnung Karls V. ("Carolina"); Gerichtszeremonie bei Vollstreckung der Todesstrafe

Halt

kriegerische Stellung

Handlohn

erneuerte Einsetzung entrichtet werden mußte; auch bei Veräußerung bäuerlicher Grundstücke gebräuchlich

Harfner

Harfenspieler

Hausbücher

Die Hausbücher enthalten Eintragungen, wer im Haus wohnt, auszieht oder stirbt. Wer Besuch mit mehr als drei Tagen Aufenthalt erhält, hat eine sofortige Meldung an das Volkspolizeiamt zu machen. Besonders der Aufenthalt von Bürgern der BRD wird kontrolliert.

Hausmühle

ehemalige Wassermühle im Bereich des Gerberplanes

Heergerät, Hergewäte

in der altdeutschen Rechtssprache die Kriegsausrüstung des Mannes; später auch andere zum persönlichen Eigentum des Mannes gehörende Gegenstände Kleinhändler von Lebensmitteln auf dem Markt

Heergewette

Heergewäte, Erbteil des Mannes

Heerwagen

alle Fahrzeuge, die dem Heer in das Feld folgten

heiliger Brunnen

im alten Stadtpark Nähe Securiusstraße

heimliches Gericht

Femgericht

Heinrich

Markgraf von Meißen

Heischung

Forderung

Hintergasse

alter Name der heutigen Schulstraße

Hirtenhaus

ehemals an der Bitterfelder - Ecke Karlstraße befindliches Wohnhaus des Stadthirten, jetzt PGH Polsterer und Dekorateure

Hof

festliche Zusammenkunft

Höken, Höker

Kleinhändler von Lebensmitteln auf dem Markt

Hose Butter

längliches Fäßchen, in das die Landleute die Butter drückten und darin zum Markte trugen

Hostilitäten

Feindseligkeiten

Hufe

Ackermaß, je nach Landschaft von verschiedener Größe; durchschnittlicher Besitz eines Bauern

Humerale

geistliches Gewand

Hundehitzler

Hundeschläger, Hundefänger

Hussiten

Anhänger des Jan Hus im 15. Jahrhundert, revolutionär-religiöse Bewegung

Illuminatur

Ausmalung

indebite

unverdient

Indulgenz

Ablaß

Infuln

Bänder an geistlichen Kopfbedeckungen

Insinuation, insinuieren

in der Rechtssprache soviel wie Zustellung

insnueren

verbieten, Einhalt gebieten

Insolentien

Frechheiten

intendieren

beabsichtigen

Intention

Absicht, Vorhaben, Zweck

Interdikt

Kirchenstrafe, Verbot geistlicher Handlungen

Interim

Bezeichnung für einstweilige Regelung bestimmter Zustände

Interzession

Eintreten für eine fremde Verpflichtung durch Rechtsgeschäfte, Bürgschaft, Vermittlung

intinieren

gerichtlich kundtun

Investitur

Einweisung in ein Amt

Invocavit

Name des 1. Festensonntages, 40. Tag vor Karfreitag, 6. Sonntag vor Ostern

iure patronatus

Patronatsrecht

ius nominandi Pastorem

das Recht, einen Pfarrer zu benennen

Jacobi, Jakobi

Jakobstag, 25. Juli

Jahrrente

fixierte städtische Steuerabgabe an den Landesherren, 1413 zusätzlich zur alten Bete eingeführt

Jakobs

25. Juli, Tag des heiligen Jakobus des

Johannis

24. Juni, Geburtstag Johannes des Täufers

Jubilate

3. Sonntag nach Ostern

Judenköpfe

Meißner Groschen

Judica

Name des 5. Fastensonntags

Jurisdiktion

Gerichtsbarkeit

Kabeln

Los, Anteil, wonach Gehölze und Wiese, auch Gemeindewiesen durch Los aufgeteilt werden

Kaland

geistliche Bruderschaft mit eigenem Altar, in Delitzsch 1333 gegründet, trafen sich am 1. Tag des Monats, daher ihr Name (Calendae)

kalekutschen Hahn

Truthahn

Kämmerei

Verwaltung der Einkünfte der Stadtgemeinde durch städtische Beamte

Kanne Butter

ein frühes deutsches Maß für Flüssigkeiten, seit 1851 auch Buttergewicht (1 kg)

Kapellan

katholischer Hilfsgeistlicher

Kapphähne, Kapaun

kastrierter, meist gemästeter Hahn

Kärner

Frachtfuhrmann

Kartek

Baumwollgewebe

Kasel, Casel

oberstes Kleid der katholischen Priester beim Messelesen

Kastenvorsteher

Kastner ist ein Beamter, dem die Verwaltung des landesherrlichen Kammergutes obliegt, besonders des Zehntgetreides. Der Name leitet sich her von Ge­treidekasten

Kemenate

im Mittelalter heizbares Zimmer, auch Wohngebäude einer Burg

kirchliche Freiheit

kirchlicher Rechtsbereich

Klafter

l Klafter = 3 Ellen lang

Klagspiegel, richterlicher

enthält Anklagevorschriften

Kleinod, der Schützen

Gegenstand von geringem Umfange, aber von Wert, u. a. Preis bei Wettkämpfen

Klerisei

geistlicher Stand

Knöpfe

Bezeichnung für Turmkugeln unter der Wetterfahne

Kodizill

letztwillige Verfügung, Zusatz zum Testament

Kofent

Dünnbier

Kogel

Kapuze

Kollegiaten

Mitglieder eines Kollegiums geistlicher Herren

Kommende

kirchliche Einkünfte

Kommissar

von Staats wegen mit etwas Beauftragter

Kommissionsvertrag

Der private Einzelhandel und das Gaststättengewerbe schlossen die ersten Kommissionsverträge ab. Vertragspartner waren zunächst die volkseigenen Großhandelskontore, später die HO-Kreisbetriebe. Die privaten Einzelhändler hatten erhebliche Probleme, um ausreichend Ware vom privaten Großhandel zum Verkauf zu erhalten. Das führte dazu, dass die privaten Großhändler wegen nicht ausreichenden Warenfonds, wegen Überalterung des Unternehmens oder durch Übersiedlung nach dem Westen ihr Unternehmen schlossen. Das hatte zur Folge, dass private Einzelhändler ebenfalls ihre Geschäfte wegen ungenügender Wirtschaftlichkeit schließen mussten. Der private Einzelhandel wurde vom staatlichen Großhandel mit Waren beliefert, die nach der Versorgung von HO-Gaststätten und Konsum-Einkaufsstätten übrig blieben. Durch die Abschlüsse von Kommissionsverträgen erlangten die privaten Einzelhändler eine gleichberechtigte Warenversorgung und damit wirtschaftliche Stabilität. Ein Kommissionsvertrag legt das Warensortiment nach einzelnen Warengruppen fest, den durchschnittlichen Warenumsatz, die Warenbevorratung, die finanzielle Sicherheit und die Provisionshöhe, die sich in Abhängigkeit von der Umsatzhöhe entwickelte. Bei einigen Warensortimenten erhöhte sich der Umsatz zwischen 1958 und 1972 um mehr als das Fünffache

Kommune

städtische Gemeinde

Konfirmation

kirchliche Handlung

Konfiskation

Einziehung, polizeiliche oder richterliche Strafe wegen strafbarer Handlung verfügte Wegnahme von Vermögen bzw. der Mittel und Erzeugnisse eines Verbrechens

Konkordienformel

Eintrachtsformel, auf Veranlassung des Kurfürsten August von Sachsen entstanden. Sollte Zerwürfnisse beilegen, die nach Luthers Tod dadurch entstanden -waren, daß besonders Kursachsen der milden Melanchthonschen Richtung folgte, während Niedersachsen und Württemberg streng lutherisch blieben. Durch diese Formel wurde jede Annäherung an die reformierte Kirche unmöglich gemacht.

Konrad

Markgraf von Wettin

Konsistorium

evangelische oberste staatliche Behörde der Kirchenverwaltung bis 1918

Kopial

Gebühr für eine gefertigte Abschrift

Korporale

Leinentücher für den geistlichen Gebrauch

Kovent, Kofent

Dünnbier

Kraut und Loth

Pulver und Blei

Krell, Nikolaus

Geheimer Rat des sächsischen Kurfürsten Christian I.

Kretzschmar

Schenkwirt

Kreuzwoche

genannt nach den drei Bettagen vor Himmelfahrt für gute Ernte der Feldfrüchte

Kryptokalvinisten

die heimlich der Lehre Kalvins anhängenden Lutheraner, insbesondere aber diejenigen Protestanten in Sachsen, die sich in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts an die milderen Anschauungen Melanchthons hielten und zu einer Vereinigung mit der reformierten Kirche hinneigten. Sie bildeten nach 1570 die herrschende Partei auf den Universitäten Leipzig und Wittenberg. Durch z. T. grausame Gewaltmaßnahmen erfolgte im 16. Jahrhundert ihre Unterdrückung.

Kufe

großer Bottich der Brauereien, auch ein Biermaß, in Sachsen zu 8 Tonnen = 7,859 hl

Kurantsteuer

Steuer in Geld, das nach den Landesgesetzen als voll­wertiges, umlauffähiges Geld galt

Kurrentknaben, Kurrende

Bezeichnung für bedürftige Schüler, die gegen Geldgaben auf den Straßen vor den Häusern, bei Begräbnissen u. a. geistliche Lieder sangen. Sie trugen kleine schwarze Radmäntel und, flache Zylinderhüte

Kuxe

Anteil am Bergwerkseigentum

L. S.

Loco sigilli (lat. = an Stelle des Siegels), bei Abschrif­ten von Dokumenten an die Stelle gesetzt, wo im Original das Siegel steht

Lägel

kleines Faß

Läger

Hohlmaß

Laienspiegel

enthält rechtliche Vorschriften für Laien

Landschaft

Gesamtheit der städtischen Vertreter eines Landes

Laßfelder

auf Widerruf verliehene Felder

Laßgut

Bauerngut, das bestimmten Gerichten oder dessen Statuten unterworfen ist

Lästerer

Bezeichung für Dorffleischer und Pfuscher ihres Handwerks, da sie das Fleisch nicht so geschickt zerlegen können (lästern = zerfetzen)

Lätare

3. Sonntage vor Ostern, Name des vierten Fastensonntags

Lauke

unterirdisches Gefängnis

Läuterung, Leuterung

in alten sächsischen Prozessen angewendetes Rechtsmittel, das die Abänderung eines Urteils in derselben Instanz ermöglichte, die es ausgesprochen hatte

Lecturist

Geistlicher niederen Ranges

Legat

letztwillige Zuwendung eines bestimmten Gegenstandes; ein Vermächtnis, das auf frommen und milden Gaben beruht

Lehden

unbebautes Land, Brache

Lehen

im Feudalismus das ausgedehnteste erbliche Nutzungsrecht an einer fremden Sache, das sich auf eine Verleihung seitens des Eigentümers gründet

Lehnsauflassung

unbestätigtes Lehen

Lehnware, Lehngeld,

Abgabe, die dem Lehnsherrn für die erteilte Verleihung des Eigentumsrechtes an einem Grundstück entrichtet wurde

Leibgedinge

für eine Person ein auf Lebenszeit ausbedungenes Einkommen

Leibzeichen

ein Stück des Leibes oder eines am Leib gewesenen Gegenstandes als Beweismittel einer von einem unbekannten oder entflohenen Täter verübten Tötung

Leibzins

Leibrente; Zinsen für Kapital, die an den Gläubiger zu Lebzeiten zu zahlen waren

leidensches Tuch

aus Leiden, Stadt in den Niederlanden

Lesterer, Lästerer

Bezeichnung für Dorffleischer und Pfuscher ihres Handwerks, da sie das Fleisch nicht so geschickt zer­legen können (lästern = zerfetzen)

Licentiat

mittelalterlicher akademischer Grad mit Lehrberechtigung

Lichtmeß

2. Februar

Lipczk

Leipzig

Lizentiat

im Mittelalter akademischer Titel untersten Grades

Lokat

Lakator, Vermieter, Verpächter

Losament, Logement

veraltetes Wort für Wohnung

Luciä

13. Dezember

Magister

Würde eines zum akademischen Unterricht befähig

Magnus

Herzog von Braunschweig

maintenieren

behaupten

Malder, Malter

frühes deutsches Getreidemaß

Malhügel

befestigte Grenzzeichen zur Begrenzung von Flurstücken oder Feldmarken

Malvasier

süßer Wein aus Madeira, Sardinien, Sizilien, nach der griechischen Stadt Monemvasia, ital. = Malvasia

Mandel

1/4 Schock, 15 Stück

Mandel Eier

15 Stück Eier

Marketender

Personen, die militärische Truppen begleiten zur Be­lieferung mit Nahrungsmitteln und dergleichen

Markte waschen

mundartliche Bezeichnung für Gemüse waschen für den Delitzscher Wochenmarkt

Massengüterproduktion

Für die Gesellschaft werden zu wenig und nicht immer bedarfsgerecht Waren für den täglichen Bedarf produziert. Der Staat fördert die Produktion der Schwerindustrie und vernachlässigt die Konsumgüterproduktion. Alle Betriebe der Industrie werden deshalb zur Herstellung von Konsumgütern verpflichtet.

melius est ill, quarr nil

etwas ist besser als nichts

Miasma

Krankheit erregender Stoff, der außerhalb des menschlichen Körpers gebildet ist

Michaelis

katholischer Feiertag, 29. September, in der evangelischen Kirche vielfach als Erntedankfest umgestaltet

Miloner

Mailänder

Minoriten

Minderbruder, Franziskanermönch

Misericordias Domini

die Barmherzigkeit des Herrn, Bezeichnung des 2. Sonntags nach Ostern

Mittfasten

Mittwoch vor dem Sonntag Lätare oder dieser selbst

Molestien

Belästigung

Monstranz

Schaugefäß für die geweihte Hostie

Münzfuß, auch Feingehalt

das Verhältnis von Schrot (= Gesamtmasse der Münze) und Korn (= Masse des Edelmetalls in der Münze) in einer Münze

Münzohm

Gehilfe des Münzmeisters, der für das Abwiegen der Metalle, die Beschickung der Schmelzöfen, die Her= stellung der Münzplatten und das Ausprägen der Münzen verantwortlich war. Er hatte eine gehobene Stellung in der Münzstätte

Nachrichter

der nach dem Verurteilenden richtet, das Todesurteil vollstreckt, der Scharfrichter oder Henker

Nachtmahl

Abendmahl

Nativitatis Mariae

astrol. Bezeichnung, Stand der Gestirne am Tage der Geburt Marias

neue Schocke

60 gute Groschen

Neustadt

die außerhalb der Altstadt, aber innerhalb des äußersten Stadtgrabens (Schäfergraben) gelegene Siedlung

Nobel

eine ursprünglich engliches Goldmünze, die auch in anderen Ländern nachgeschlagen wurde

Nösel, Nößel

früher übliches kleines Flüssigkeitsmaß (4x Quart)

Nosser

für ein Stück Hausvieh ohne Rücksicht auf Geschlecht und Alter, besonders bei Pferden, Rindern und Schafen gebraucht

Notul

von der Regierung erlassene Notstandsver-ordnung, die hinterher von der Volksver-tretung, Landtag oder ähnlichem bestätigt werden muß, ist bei Nichtzustimmung wieder rückgängig zu machen

Oculi

3. Fastensonntag, 4. Sonntag vor Ostern

Ofen

ungarisch Buda, Hauptstadt von Ungarn, seit 1872 mit Schwesterstadt Pest zu Budapest vereint

offener Flecken

eine Ortschaft, die mittlere Stellung zwischen Dorf und Stadt einnimmt, ohne Mauer

Offizial

geistliches Amt, Vertreter des Bischofs bei Ausübung der Gerichtsbarkeit

Ölberg

Skulpturengruppe an der Stadtkriche in Delitzsch

Ordinarius

Inhaber der kirchlichen Regierungsgewalt

Ordnungsgruppen der FDJ

1961 wurden diese Ordnungsgruppen aus bewussten Mitgliedern der FDJ gebildet. Sie sind eine spezielle Form der sozialistischen Jugendorganisation zur Verhinderung der Verletzung von Moral - und Rechtsnormen. Sie sollen helfen, die Beschlüsse der SED und des Arbeiter- und Bauernstaates zu verwirklichen.

Orterung

Teilung der Nutzung an Lehnsrechten

Osterland

bezeichnet ein Territorium, das im 10. Jahrhundert von der Saale über die Mulde bis zur Elbe reichte. Kern war die Mark Landsberg, dazu das Gebiet um Eilenburg und der westliche Teil der Niederlausitz. Nach einer Teilung im Jahre 1265 bleibt der Begriff auf ein Gebiet beschränkt, das die Mark Landsberg mit Gebieten um Weißenfels und Kamburg umfaßte. Im 14. Jahrhundert kommen das Pleißner Land sowie Gera und_ Schönburg dazu.

Pacificalia

Kußtafel, kleine mit dem Bilde eines Glaubenssymbol geschmückte Tafel, die in der katholischen Kirche vor der Kommunion zum Kusse gereicht wird

Pantaleonius

Pantaleon, Heiliger, einer der 14 Nothelfer, Gedenktag zum Märtyrertod: 27. Juli

Parchan

Parchend, Barchent, Baumwollgewebe

Pasquill

Schmähschrift, Schandschrift, Beleidigung in Schriftlicher, oder bildlicher Form

Patene

flache Metallschale zur Aufnahme der Hostien in der katholischen Kirche

Patron

Schutzherr

Patronatsrecht

Rechte des Patrons einer Kirche über Einsetzung des Pfarrers, Kirchenvermögen u.a.

Pein

Folterung, Srafe

Pennalismus

die Angewohnheit, daß neuaufgenommene Studenten auf Universitäten von älteren Studenten sklavisch unterworfen und mißbraucht werden. Seit 1600 systematisch herausgebildet. Edikte gegen den Pennalismus u. a. 1660 in Leipzig

per novationem

durch Umwandlung

Pertinenz

Zubehör

Peuver, Kaspar

Arzt und Gelehrter, Schwiegersohn Melanchtons und Vertreter des Kryptokelvinismus

Pfahlhaus

Bezeichnung für fast alle Häuser der Neustadt. Die Besitzer (Pfahlbürger) waren den Brauerben der Altstadt nicht ebenbürtig

Pforte

kleines Tor in der Stadtmauer nach Norden, heute Pfortenstraße

Pfründe

Lebensunterhalt

Physikat

Amt des Kreisarztes

Pietismus

. protestantische Bewegung des 17. und 18. Jahrhunderts gegen dogmatisch erstarrte Orthodoxie. P. legt Wert auf asketisches Leben ohne Tanz, Spiel, Theaterbesuch, das Tragen kostbarer Kleider etc. Hauptsitz des P. war u. a. Halle unter August Hermann Francke

Placker

diejenigen, die anderen viel Beschwerden machen

Pleban

Laienpriester

Plenipotentiarii

Gesandte mit unbeschränkter Vollmacht.

Pochbolzen

stumpfer Armbrustbolzen ohne Spitze oder Schneide

Pön

Strafe, Geldstrafe; Buße

Pönal-Inhibition

gerichtliches Verbot

ponderieren

abwägen

Positiv

kleine Orgel

Posseß, Possession

Besitz, Besitzung

Präbende

Pfründe, Einkünfte

Prädikant

Hilfsprediger

Prälat

höherer Geistlicher

Präsenzgelder

Gelder für Abgeordnete, die nur gezahlt werden für. die Tage, an denen diese an den. Landtagen anwesend waren

Prätention

Anspruch, Anmaßung

Prätext

Vorwand

Präzentor

Vorsänger, Kantor

Protonator

erster Sekretär eines hohen Gerichtes

Prozession

feierlicher Umzug

Pulpet

ältere Bezeichnung für Pult

Quasimodogeniti

Bezeichnung des ersten Sonntages nach Ostern

Quasiposeß

uneigentlicher Besitz, Scheinbesitz, Besitz einer un­körperlichen Sache

Quatember

ursprünglich die vierteljährlich gebotenen drei Fastentage der römischen Kirche, die zu bürgerlichen Zeitbestimmungspunkten wurden. In Sachsen fielen sie mit den kirchlichen Quatembertagen zusammen, z. B. mit Ostern, Johannis, Crucis und Weihnachten. Nach ihnen bestimmte man auch die Termine für öffentliche Abgaben, daher auch Quatembersteuern.

Rabach, Rubach

ehemaliges Dorf südlich vor Delitzsch, auf dem Gelände der Zuckerfabrik, wüst geworden zwischen 1410 und 1435

Rähmen, Rahmen

Vorrichtung zum Herstellen feiner Wollwaren; auch Rahmen zum Trocknen unter Spannung des gewaschenen und gewalkten Tuches

Ranzion

Lösegeld

Rathaus, altes

Eckhaus am Markt Nr. 18

Rauchware

Pelzware, Rauchwerk

Realinjurie

tätliche Beleidigung

reassumteren

Aufnehmen eines Verfahrens

Reconciliiert

nach Entweihung für die Kirchengemeinschaft wieder zugänglich gemacht

Reisig

gerüstet

Reisige

Krieger

Rekonvention

Gegenklage

rektor scholarum

Schulleiter

Rekurs, Rekurs

Rückgriff, Rezeß, Beschwerde

relaxieren

nachwirken

Remission

Zurücksendung

Remonstration

Gegenvorstellung

Renterei

Schösserei oder Amtshaus in Leipzig in der Klostergasse 5, bis 1534 in kurfürstlichem Besitz, war 1702 auch Betsaal, bestand bis 1902, an seine Stelle wurde das Kaufhaus Topas gebaut

Rentmeister

Rechnungsführer, Vorsteher des Rentamtes

Requisitorialien

Requisition: Anforderung, Betreibung; Ersuchen um Rechtshilfe

Reservate

Ausgabereservate, bis zum Schluß einer Finanzperiode nicht verwendete Summen

reskribieren

Bescheid erteilen

Reskript

Willensentschließung des Landesherren

resolvieren

eine Entscheidung fassen und kundgeben

restituieren

zurückerstatten, wiederherstellen

Retardat

Rückstand verspätete Geldgabe und Verzögerung bestimmter Leistungen

Reverenz

schriftliche Verpflichtung, durch die der Inhalt eines anderen Schriftstückes widerrufen wird

Revers

Ehrerbietung

Rezeß

Auseinandersetzung, Vergleich

Rh. Gulden

Rheinische Gulden

Rheinfall

Wein von Rivoglio in Isterien oder von Rivoli im Veronesischen

Riede

Rieda bei Zörbig

Riemergäßchen in Delitzsch

heute Milchgasse

Ries Papier

Qualitäts-Papierzählmaß, nach Papiergewichten verschieden, meist 1000 Bogen

Ritterspiele

Kampfspiele

Robitzmark

Flur eines Dorfes nordöstlich von Kyhna, wüst geworden vor 1457

Rogal, Regal

kleine Tragorgel mit Zungenpfeifen

Rondasirer

ein mit der Rondache (= Rundschild) Bewaffneter

Rosenthal

Siedlung in der Vorstadt am Stadtpark

röteln, rödeln

verschnüren

Rubach

ehemaliges Dorf südlich vor Delitzsch auf dem Gelände der Zuckerfabrik, wüst geworden zwischen 1410 und 1435

Rumormeister

Dienststellung im Landsknechtsheer, beauftsichtigte   die Angehörigen der Landsknechte, die dem Regiment nachzogen

Rute

früheres deutsches Maß für Entfernungen von Ländereien; Rute = 8 Dresdner Ellen, 1 sächsische Rute = 4,53 m

Sächsische Frist

6 Wochen und 3 Tage, es erfolgt eine dreimaue Aufforderung nach jeweils 2 Wochen und 1 Tag

Sadelhof

Sedelhof, Rittersitz mitbestimmten Rechten

Sakrament

gottesdienstliche Handlung, bei der unter sichtbaren Zeichen (Wasser, Brot, Wein u.a.) Gnadengaben vermittelt werden

salva venia

mit Verlaub

Salveguarde-

Schutzwache, die ein General oder Offizier einem einzelnen Haus oder einer Person zustand, um sie vor Plünderung und Mißhandlung zu sichern

salvieren

sich in Sicherheit bringen

Sandseiger

Sanduhr

Sangerhausen

Wüstung bei Benndorf

Saulage

Gelände östlich von Bitterfeld an den Mühlstrom-Wiesen

Sceleton

niedriger Schlitten

Schadendorf

ehemaliger Ortsteil von Pohritzsch

Scharren

Breite Str. Nr. 1

Scheidemünzen

kleinere Münzen für den täglichen Verkehr mit niedrigem Metallwert

schildigte Groschen, Schildgroschen

Meißner Groschen des 15. Jahrhunderts mit Landsberger Pfählen

Schock  

Anzahl von 60 Stück, auch Rechnungsmünze

Schockquantum

Steuerbezeichnung

Schöppe, Schöffe

hat unter Vorsitz des Richters das Urteil zu finden

Schöps

kastriertes männliches Schaf

Schoß

Steuer, insb. Vermögenssteuer

Schriftsasse

Grundbesitzer, der den Obergerichten in erster Instanz unterworfen war. Zu diesem Vorrecht der Gerichtsbarkeit kamen später weitere, mit Rang und Würde verbundene dazu, eine persönliche Schriftsässigkeit entwickelte sich

Schweineschneider

Kastrierer

Schwertgroschen

kursächsische Groschen des 15. Jahrhunderts mit zwei Kurschwertern

Schwertmagen

Verwandter in männlicher Linie

Seiger

Uhr

Seigerschwelle, Schelle

Glöckchen

sekretieren

absondern, verschließen, geheimhalten

seruitia, Servitien

Dienstbarkeit

Service

Dienstleistung

Setztartschen

größere Schilde zum Schutz des Körpers bis zur Brust

Sexagesimae

Der achte Sonntag vor Ostern, etwa als sechzigster Tag vor Ostern so genannt

Sicherzoll

eine in Sicheln festgelegte Abgabe

solenn

feierlich

Sozialistische Namensweihe

So wie die Jugendweihe die Konfirmation ersetzen soll, ist die Sozialistische Namensweihe das Gegenstück zur Taufe. Zwei Mal im Jahr führte die Abteilung Inneres des Rates der Stadt eine Namensweihe durch; neben den Eltern waren auch Paten zugelassen.

Spätener, Spetener

Tagelöhner

Speise einer Glocke

Bronze oder Gußeisen

Spille

eiserne Spindel, um die sich die Wetterfahne dreht

spoliieren

plündern

Sporteln

Körbchen mit Inhalt als Geschenk

Sprengkessel

Weihwasserkessel

Staatliche Beteiligung

Zu hohe Besteuerung der Privatbetriebe, beschränkte Materialkontingente und andere staatliche Restriktionsmaßnahmen machen eine Akkumulierung von betrieblichen Mitteln für die einfache und erweiterte Reproduktion nicht möglich. Die Beschaffung von frei verfügbarem Kapital ist deshalb nur durch die Mitbeteiligung und Kapitaleinlage des Staates möglich. Einem solchen Angebot zuzustimmen war für die Betriebe lebensnotwendig. Eine weitere Absicht des Staates war die Kontrolle des Wachstums der Volkseigenen Betriebe gegenüber gleichartigen Privatbetrieben.

staffieren

mit Beiwerk ausschmücken

Stände

Bezeichnung für verschiedene Personengruppen, die durch bestimmte Gemeinsamkeiten verbunden sind, z. B. Adel, Geistlichkeit, Bürger

Staupe, zur Staupe schlagen

öffentliche Strafe durch Auspeitschen auf den entblößten Rücken

Stechen

ritterliches Turnier zu Pferde

Stein

frühes Gewicht für Faserstoffe, meist 1/5 Zentner, in Preußen bis 1868 für Wolle = 10,29 kg, in Sachsen 10,28 kg

Steinweg

Eilenburger Straße

Stipendium

Stiftung, Geldbeihilfe für Schüler

Stockschillinge

Strafe für den Stock (=ausgehöhlter Klotz, an oder in dem ein Gefangener befestigt wird), die in Geld abgelöst wird

Störer

nicht den Innungen angehörende Gewerbetreibende

Straßen- und Hausbeauftragte

wurden Personen benannt, die als Partner zwischen dem Bürger und dem Rat der Stadt wirkten. Sie hatten alle Anliegen der Bürger dem Rat der Stadt mitzuteilen und waren u.a. verantwortlich für die Verteilung der Lebensmittelkarten. Ihnen unterstanden mehrere Straßen.

Streiflinge

Strümpfe

Stübchen

altes norddeutsches Flüssigkeitsmaß, 3h/,--4 Liter

Stück Wein

Maßbestimmung für Mengen, die keine zusammenhängende Masse bilden; Stück Wein ist soviel, wie in ein Stückfaß geht, auch: früheres fränkisches und schwäbisches Weinmaß unterschiedlicher Menge

Substitut

Amts- oder Stellvertreter

succurieren, sukkurieren

zu Hilfe eilen

Suffragan

einem Erzbischof unterstellter Bischof

supplicieren, supplizieren, Syndikus

um etwas nachsuchen, bitten der von einer Stadtgemeinde Bevollmächtigte zur Besorgung von Rechtsgeschäften

Synode

Versammlung in kirchlichen Angelegenheiten

Tabernakel

in der katholischen Kirche der Mittelaufbau des Altars zur Aufbewahrung der Monstanz

Tanzhaus

Haus Ritterstraße 2, später Adelstanzhaus genannt

Tarrasbüchse

Wallgeschütz

Tartschen

kleine Schilde

Taxe des Fleischers

abgeschätzter oder festgesetzter Preis

tempore pestis

in Zeiten der Seuche

ten Gelehrten

Tenebrae

Mittwoch, Donnerstag und Freitag in der Karwoche von 4 bis 5 Uhr abgehaltene Finstermessen, in denen alle Lichter bis auf eines ausgelöscht wurden

Terminei, Termineihaus, Terminei

Haus der Bettelmönche Terminierer Bettelmönch

Theding, Dingtag

Gerichtstag

Thomä

21. Dezember

Thum, Thumstift

alte Schreibweise für Dom

Tiare

Kopfbedeckung

Tortur

Folter, Marter

Trabanten

Leibwächter zu Fuß

Traiteur

Koch feiner Speisen, Stadtkoch, der fertige Speisen liefert und Geschirr zur Verfügung stellt

treuge Fleisch

trockenes Fleisch, Dörrfleisch

Trinitatis

1. Sonntag nach Pfingsten

Troublen

Unruhe; Verwirrung

Tupadel-Mark

Flur eines wüsten Dorfes bei Krensitz

überschlägige Mühle

Bezeichnung bei Wassermühlen, deren Wasserantrieb von oben erfolgt, heute ober- oder überschlächtig genannt

Ungeld

Auflage, die nicht in den Bereich der Pflichtleistung fällt.

unperturbieren

störungsfrei halten

Unschlitt

Talg

Unschlittlichte

Talglichte

Unsere lieben Frauen

Marienkirche, urspr. Frauenkirche genannt

unus bonus homo

ein guter Mensch

Urfrieden

Vergleich strittig gewesener Parteien, die in Gegen­wart eines Notars und Zeugen ihre Disputen beilegen

Urpheden, Urfehde

Fehdelosigkeit

Vakanz

das Erledigtsein einer Stelle, insbesondere einer kirchlichen

Vale!

Lebe wohl!

Vasallen

Gefolgsmänner

vel quasi

oder gleichsam

vermahlen

gerichtliche Verhandlung

verrainen

ein Stück Feld mit Grenzrainen oder jedes Grund­stück mit Grenzsteinen versehen

Viatica

Wegzehrung, einem Sterbenden gereichte letzte Kommunion

Viatikum

Zehrgeld, Reisegeld

Viertel

die Altstadt Delitzsch war in vier Viertel eingeteilt

Viertelsmeister

Vermittler zwischen Rät und dem Bürgertum,. ver­traten ein bestimmtes Stadtviertel

Vigilien

in der katholischen Kirche nächtlicher Gottesdienst, Nachtwachen

Vikar oder Altarist

Stellvertreter im Amt, Hilfsgeistlicher

Vikarie

seelsorgerischer Verwaltungssbezirk der Parochie

Viktualien

Lebensmittel

Visitation

Untersuchung

Visitatoren

zur Untersuchung einer Sache oder Person eingesetzte Personen, auch Klostergeistliche, denen die Inspizierung der Klöster übertragen wird

Vocatio, Vokatio

Berufung zu einem Amt

Vogelgesang

Orgelregister an sehr alten Orgeln, eine oft verwen­dete erstmalig 1551 erwähnte Spielerei an Orgeln. Der in einen metallischen Kessel einströmende Wind setzt das darin befindliche Wasser in Bewegung und bringt die darüber angebrachten 4-8 sehr kleinen und ungestimmten Zungenpfeifen zu einer zitternden Ansprache, die eine Ähnlichkeit mit Vogelgezwitscher hat

Vogelstange, an der Vogelstange

Teil des ehemaligen Schindangers, später Pflaumenangers zwischen Bitterfeld und Otto-Nuschke-Straße, der Rat der Stadt hatte dort den Schießplatz

Vogt

Vertreter des Landesherren

Vokation, Vokation

Berufung zu einem Amt

Vorbete

Fürbitte, Wahl- oder Vorschlagsrecht

Vorstadt

außerhalb der Alt- und Neustadt, aber innerhalb des erweiterten Stadtgebietes entstandene Siedlung. Zur Vorstadt gehörten das Rosental, auf dem Damme, die Grünstraße. Lehmann bezeichnet mit Vorstadt aber auch das Gebiet der Neustadt zwi­schen Roßplatz und Marienkirche

Vorwerk

der Wirtschaftshof, meist Dreihufenhof beim Rittersitz

Walkmühle

zur Verfilzung bestimmter Tuche

wällischer Wein

fremdländischer Wein

Walpurgis

Heilige, Beschützerin der Jahrmärkte und Zauber­künstler, Fest am 1. Mai

Walstatt

Kampfplatz

Wappner

Krieger mit Rüstung Wehmutter Hebamme

Wehmutter

Hebamme

Wehr

Bewaffnung, auch einzelne Waffe

Weichbild

Gebiet der Stadt, wo das Stadtrecht gilt

Weißbier

obergäriges Bier, hergestellt aus schwach gedarrtem Malz mit säuerlichem Geschmack durch Milchsäuregehalt

Weißgerber

der Gerber, der im Gegensatz zum Rotgerber die tierischen Häute mit Alaun bearbeitet

Weißig

ehemaliges Dorf südwestlich von Delitzsch, wüst geworden 1. Hälfte 15. Jahrhundert

Welchow,

nach Hermann von Welchow, bezieht sich auf das Gut Klein-Wölkau bei Schenkenberg

Wenden

ursprünglich deutsche Bezeichnung der Slawen allgemein, später nur auf die in der Lausitz seßhaften Slawen angewandt, die sich selbst Sorben nennen

Wiedertäufer

Anhänger einer Bewegung der Reformationszeit, die das gesellschaftliche Leben von der Bibel herzu gestalten sucht. Ziel war eine kommunistische Gemeinschaft nach dem Muster der Urgemeinde

Willkür, Willkür der Stadt

Stadtgesetze aus dem 15. Jahrhundert

Wisch

gedrehtes Büschel aus Stroh. Nach altem Rechtsbrauch diente der Strohwisch als Zeichen, das etwas der allgemeinen Benutzung entzogen ist.

Wispel

norddeutsches Getreidemaß

Wölkau

Gut Klein-Wölkau bei Kertitz

Wölkau, Rittergut

Gut, heute zu Kertitz gehörig

würdern

schätzen

Ziegelhof

befand sich in der Karlstraße

Zindel

eine Art Seidenstoff

Zivilverteidigung

Bestandteil der Landesverteidigung zur strategischen Sicherstellung der Lebensfähigkeit des Landes im zivilen Bereich unter Bedingung eines möglichen modernen Krieges. Der Zivilschutz trägt zugleich zur Erhöhung der Wirksamkeit der Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Natur- und anderen Katastrophen bei. Der in der DDR gebräuchliche Begriff Luftschutz wurde durch den Begriff Zivilverteidigung ersetzt

Zscherne, neue

Kreuzgasse

Zwillich

buntgestreiftes Gewebe für Bezüge von Matrazen


Verwendete Abkürzungen

ABI

Arbeiter- und Bauerninspektion

ACZ

Agrochemisches Zentrum

ADMV

Allgemeiner Deutscher Motorsport Verband

AK

Arbeitskraft

AWG

Arbeiter Wohnungsgenossenschaft

AWO

Arbeiterwohlfahrt

BBS

Bund der Berufssoldaten

BFDD

Bund freier Demokraten Deutschlands

BGL

Betriebsgewerkschaftsleitung

BHG

Bäuerliche Handelsgesellschaft

Bi-Wa

Billig Waren

BKV

Betriebskollektivvertrag

BPO

Betriebsparteiorganisation der SED

BRD

Bundesrepublik Deutschland

BSB

Betrieb mit staatlicher Beteiligung

BSG

Betriebssportgemeinschaft

CDU

Christlich-demokratische Union

CKB

Chemie-Kombinat Bitterfeld

CSSR

Tschechoslowakische Sozialistische Republik

DAMW

Deutsches Amt für Mess- und Warenwesen

DBD

Demokratische Bauernpartei Deutschland

DDR

Deutsche Demokratische Republik

DEFA

Filmgesellschaft der DDR

DFD

Demokratischer Frauenbund Deutschlands

DFF

Deutscher Fernsehfunk

DGB

Deutscher Gewerkschaftsbund

DRK

Deutsches Rotes Kreuz

DSU

Deutsche Soziale Union

DTSB

Deutscher Turn- und Sportbund

EOS

Erweiterte Oberschule

ESV

Eisenbahner-Sport-Verein

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

FDGB

Freier Deutscher Gewerkschaftsbund

FDJ

Freie Deutsche Jugend

FDP

Freie Demokratische Partei

GDSF

Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft

GHK

Großhandelskontor

GPG

Gärtnerische Produktionsgenossenschaft

GST

Gesellschaft für Sport und Technik

GWG

Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft

HO

Handelsorganisation

HOG

HO-Gaststätte

IGL

Industrie Gewerkschaftsleitung

IRIMA

Industrielle Rindermast (Betriebsbezeichnung)

KB

Kulturbund

KFA

Kreisfachausschuss

KG

Konsumgenossenschaft

KMU Leipzig

Karl-Marx-Universität

KOM

Kraftomnibus

KPD

Kommunistische Partei Deutschlands

KVP

Kasernierte Volkspolizei

KWV

Kommunale Wohnungsverwaltung

LDPD

Liberaldemokratische Partei Deutschlands

LNF

Landwirtschaftliche Nutzfläche

LPG

Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft

LVZ

Leipziger Volkszeitung

LW-Rackwitz

Leichtmetallwerk

MC

Motorclub

MDN

Mark der deutschen Notenbank

MfS

Ministerium für Staatssicherheit

MR

Medizinalrat

MTS

Maschinen- und Traktorenstation

NATO

North Atlantic Treaty Organization

NAW

Nationales Ausbauwerk

NDPD

National Demokratische Partei Deutschlands

NF

Nationale Front

NOK

Nationales Olympisches Komitee

NPT

Nationalpreisträger

NVA

Nationale Volksarmee

OHG

Offene Handelsgesellschaft

ÖTV

Öffentlicher Tarifverbund

PDS

Partei des demokratischen Sozialismus

PGH

Produktionsgenossenschaft des Handwerks

POS

Polytechnische Oberschule

PSV

Polizei-Sport-Verein

RAW

Reichsbahnausbesserungswerk

RIAS

Amerikanischer Rundfunksender in West-Berlin

SC

SDP

Sportclub

Sozialdemokratische Partei (der DDR)

SED

SpAD

Sozialistische Einheitspartei Deutschlands

Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands

SPD

Sozialdemokratische Partei Deutschlands

TRAPO

Transportpolizei

UdSSR

Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken

UNO

United Nations Organization

USA

Vereinigte Staaten von Amerika

VAA

VBS

VdgB

Vereinigung der Arbeitskreise für Arbeitnehmerpolitik und Demokratie

Verband der Berufssoldaten

Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe

VEB

Volkseigener Betrieb

VEG

Volkseigenes Gut

VP

Volkspolizei

VPKA

Volkspolizeikreisamt

VR

Volksrepublik

VS

Volkssolidarität

VVB

Vereinigung Volkseigener Betriebe

WBA

Wohnbezirksausschuss

WE

Wohnungseinheit

WM

Weltmeisterschaft

ZK

Zentralkomitee