Delitzscher Stadtchronik 1207-1990 - Teil IX - 1945-1955

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Delitzscher Stadtchronik - 1945-1955

(Quelle: Delitzscher Stadtchronik, verfasst von der Arbeitsgruppe Stadtchronik; Teil IX, 1945-1955; hrsg. von der Stadtverwaltung Delitzsch 1998.)

Vorwort

Es war ein furchtbares Erbe, welches das faschistische Deutschland am Ende des II. Weltkrieges hinterlassen hatte. Über 50 Millionen Tote, allein 6 Millionen Deutsche darunter. Es gab kaum eine Familie, die nicht davon betroffen war. Dazu kamen unzählige Versehrte, der Verlust bedeutender Territorien, unermeßliche Zerstörungen und Millionen von Flüchtlingen und Ausgewiesenen aus Schlesien, Ostpreußen, Hinterpommern und dem Sudetenland. Es erwächst daraus für Deutschland die Chance und die Verpflichtung, sich als friedliebender, freier und demokratischer Staat gegenüber den Staaten der Welt zu entwickeln. Die Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen wurde im Juli 1945 abgeschlossen. Nach dem Potsdamer Abkommen ist festgelegt, daß ein Alliierter Kontrollrat gebildet wird. Dieser besteht aus den vier Oberkommandierenden der Besatzungsmächte und sie üben die Regierungsgewalt aus. Das Ziel der Besetzung ist die Entnazifizierung und Entmilitarisierung, die völlige Abrüstung und Vernichtung der Rüstungsindustrie, die Verurteilung der Kriegsverbrecher, die Erfüllung der Reparationsforderungen durch Demontage und Dekartellisierung der Wirtschaft sowie Demokratisierung des politischen Lebens. Im März 1946 bezichtigt Churchill die Sowjetunion der Expansion. Damit beginnt der „Kalte Krieg". Die Einheit der vier Mächte zerbricht daran. Die Besatzungszonen der USA und Großbritaniens schließen sich zunächst zur Bi-Zone zusammen. Schließlich bildet man 1949 unter Einbeziehung der Französischen Zone die Tri-Zone, aus der die Bundesrepublik Deutschland hervorgeht. Mit Hilfe des 1947 auf den Weg gebrachten ERP (European Revocery Prograrn, nach seinem Urheber kurz „MarshallPlan" genannt), gelingt es bald, eine am freien Markt orientierte erfolgreiche Wirtschaft aufzubauen. Ansätze zu einer zunächst vorgesehenen Bodenrefonn werden nicht weitergeführt. In der SBZ werden in freier Auslegung des Potsdamer Abkommens größere Betriebe enteignet und eine umfassende Bodenreform durchgeführt. Der enteignete Grundbesitz von Landwirten mit über 100 ha Betriebsgröße und von Kriegsverbrechern und Nationalsozialisten mit insgesamt ca. drei Millionen Hektar Fläche, wird an über 500000 Kleinbauern und Landlose verteilt. Bei Reparationsleistungen wird rigoros zugegriffen und selbst Nahrungsmittelbetriebe, wie die Zuckerfabrik Delitzsch sowie Verkehrseinrichtungen mit den Oberleitungen der Bahn werden demontiert. Die Gestaltung der sowjetisch besetzten Zone in Wirtschaft, Verwaltung und Kultur wird auf den Prinzipien der leninistischen und stalinistischen Ideologien aufgebaut. Die Traditionen des deutschen Kommunismus und die der Besatzungsmacht sind die ausschlaggebenden Faktoren zur Entwicklung der DDR. Die Erfahrungen der Sowjetunion beim Aufbau des Sozialismus werden ohne Berücksichtigung der Belange des besetzten Territoriums auf die Wirtschaft, des Verkehrs, der bestehenden Infrastruktur und Kultur übertragen. Mit der Einstellung des Interzonenhandels im März 1948 durch die westlichen Besatzungsmächte war die sowjetisch besetzte Zone und somit die spätere DDR vom Ruhrgebiet abgeschnitten. Dann folgten für die DDR einige Embargos für wichtige wirtschaftliche Güter. Aus dieser Situation heraus wurde in der DDR eine Schwerindustrie, zu Ungunsten der Leichtindustrie, aufgebaut. Die Gründung der beiden deutschen Staaten hatte als Voraussetzung die Auseinanderentwicklung Deutschlands, die sich aus der wachsenden Konfrontation der Besatzungsmächte ergab. Vor allem in der wirtschaftlichen Position war die DDR von vornherein der schwächere Teil Deutschlands. Der mit den Ergebnissen vom 17. Juni eingeleitete „Neue Kurs" zwingt die SED zu Zugeständnissen und Korrekturen von Fehlentwicklungen. Es dauert jedoch nicht lange, bereits 1954 schwenkt das „System" wieder zurück in die bisherige Wirtschaftliche Entwicklung vor 1953, wo die Schwerindustrie vor der Konsumindustrie vorherrschend war. Diese Faktoren sind bedeutsam für die Territorialgeschichte des Kreises und der Stadt Delitzsch. In der Ostzone und somit auch in Delitzsch wurde durch die Besatzungsmacht die Regelung der gesellschaftlichen Verhältnisse durchgesetzt. Ihr Hauptmerkmal war die Errichtung der „Diktatur des Proletariats" als Grundlage zur Herstellung sozialistischer Produktionsverhältnisse, d. h. vor allem der Bildung des gesellschaftlichen Eigentums an Produktionsmitteln. Die vorgelegte Chronik der Stadt Delitzsch von 1945 bis 1955 gibt darüber Aufschluß, wie sich dieser Prozeß in Delitzsch vollzog. Es wird darauf hingewiesen, daß eine Chronik Tatsachen schildert, Auskunft über Geschehenes gibt, ihr Material aus Dokumenten und Quellen bezieht die den Verfassern zugänglich waren. Wertungen über das Geschehene sind dem Leser überlassen. In den Texten der Chronik werden die in der Ostzone und ab Oktober 1949 in der ehemaligen DDR gebräuchlichen politischen Begriffe und Anreden verwendet.
Delitzsch im Dezember 1997 


1945 April
Nach der am 20. April erfolgten Übergabe der Stadt an das z. Batallion des 413. Regiments, einem Truppenteil der 104. US-Infanteriedivision mit dem Namen „Timberwolf", bereiten sich die amerikanischen Einheiten auf den weiteren Vormarsch in Richtung Bad Düben vor. Am 21. April schlägt der Divisionskommandeur Generalmajor Terry de la Mesa Allen seinen Gefechtsstand in der Schokoladenfabrik Böhme auf. Am Nachmittag gibt er seinen, nach dort bestellten Kommandeueren, die Befehle für die weiteren Kampfeinsätze. Das Ziel ist, daß durch Überwindung der Mulde ein breiter Abschnitt an der Elbe im Gebiet um Torgau erreicht wird. Als jedoch die Kommandeure zur Umsetzung der Befehle in ihre Einheiten zurückkehren wollen, wird vom Obergeordneten Armeekorps die Weisung erteilt, am Westufer der Mulde stehen zu bleiben. (Ein Teil der Truppen zieht in Richtung Mulde weiter, andere Truppenteile quartieren sich für die kommende Zeit in der Stadt ein. Die Ortskommandantur wird in der bisherigen Kreisleitung der NSDAP in der Eilenburger Straße 65 und die CIC-Dienststelle in der Gaststätte Preußischer Hof eingerichtet. Größere Gebäude, wie die Villa Freyberg, Am Wallgraben 5/6, Villa der Walzenmühle oder die der Familie Böhme in der Dübener Straße und Häuser in der Friedrich-Ludwig-Jahr Straße werden für die militärischen Einrichtungen von Stäben und Befehlsstellen in Beschlag genommen. Die bisherigen Bewohner werden umquartiert. In der Ortskrankenkasse (heute AOK) befindet sich das Offizierscasino, im RAW eine große Fahrzeugreparaturwerkstätte und das Feuerwehrdepot dient als Auffanglager für deutsche Kriegsgefangene. In der Schokoladenfabrik befindet sich neben einem Depot für Verpflegung und Ausrüstung das vorgeschobene Divisionshauptquartier, das rückwärtige befindet sich in Teutschenthal.) Die Soldaten werden in Privatquartieren untergebracht. Es verbleiben zunächst 800 amerikanische Soldaten in der Stadt. Mit dem 20. April 1945 treten für Delitzsch die Besatzungsrechte in Kraft, festgelegt in „Gesetze, Proklamationen, Verordnungen, Bekanntmachungen und Aufrufe der Militärregierung Deutschlands", der USamerikanischen Militärregierung (von 1945 Halle/Saale). Es enthält alle für die Bevölkerung wesentlichen Bestimmungen, nachdem sich das Leben unter den Bedingungen der Besetzung Deutschlands vollzieht. In der Proklamation Nr. 1 des Obersten Befehlshabers der Alliierten Streitkräfte, General Eisenhower, heißt es u. a.: „ ... Wir kommen als ein siegreiches Heer, jedoch nicht als Unterdrücker. In dem deutschen Gebiet, das von den Streitkräften unter meinem Oberbefehl besetzt ist, werden die den Nationalsozialismus und den deutschen Militarismus vernichten…"l Gemäß dieser grundsätzlichen Feststellung treten in zahlreichen Befehlen Bestimmungen in Kraft, die sich u. a. beziehen auf:
- Aufhebung der nationalsozialistischen Gesetze
- Auflösung der NSDAP
- zeitweilige Schließung von Gerichten, Abschaffung spezieller Gerichte (Sonder- und Parteigerichte der NSDAP)
- Währung, Sperre und Beaufsichtigung von Vermögen, Befugnisse von Banken
- Post-, Femsprech-, Telegrafen-, Funk- und Rundfunkwesen mit zeitweiliger Einstellung ihrer Funktionen.
- Zeitweilige Schließung des Zeitungs- und Vergnügungsgewerbes
- Verbrechen und strafbare Handlungen und deren Sühne, um die Sicherheit der Alliierten Streitkräfte zu gewährleisten und die öffentliche Ordnung im besetzten Gebiet   wiederherzustellen.
- Bestimmungen über Gerichte der Militärregierung, Amtssprache ist englisch, Personenverkehr, Ausgangsbeschränkungen und Abgabe von Schußwaffen und Munition.
- Vorerst gelten unter anderem folgende Bestimmungen der „Military-Government-Germany":
- Verbot des Verlassens der Häuser von 20.00 bis 6.00 Uhr (bei Verstößen wird von der Schußwaffe Gebrauch gemacht).
- Verbot des Entfernens vom Wohnort, ohne schriftliche Erlaubnis keine Benutzung der Eisenbahn, Kraftfahrzeuge und Krafträder.
- Verbot von Ansammlungen von mehr als fünf Personen, Ablieferung von Funksendeapparaten, Waffen aller Art und Kriegsmaterial.
- Anmeldung von Radioapparaten.
Am 23. April wird ein Dr. Dreßler eingestellt, der sich als ehemaliger KZ-Häftling ausgibt. Paul Scharf bleibt vorerst weiterhin als Bürgermeister im Amt, während der Landrat Meister zusammen mit aufgegriffenen deutschen Soldaten in Gefangenschaft gerät und über das Sammellager Helfta bei Eisleben nach Bad Kreuznach gebracht wird. Am 28. April wird vom General Allen in der Schokoladenfabrik dem Kommandeur der 118. Infanteriedivision der Roten Armee, Generalmajor Sohanow, ein feierlicher Empfang gegeben. Eine Patrouille der Timberwolf-Division hatte am 26. April bei Pretzsch an der Elbe den Kontakt mit den sowjetischen Truppen bekommen. Zu seinem Besuch in Delitzsch ist er über das noch unbesetzte Gebiet zwischen Mulde und Elbe mit einen amerikanischen Militärflugzeug eingeflogen worden.

1945 Mai
Bis zum 4. Mai haben sich amerikanischen Truppen in dem durch die besetzten Gebiet zwischen Elbe und Mulde zurückgezogen. Die neue Grenze zwischen den beiden Besatzungsgebieten verläuft mitten durch unseren Kreis zwischen Düben und Eilenburg längs der Mulde. Einige Tage danach ist mit dem „Undersecretary of War" Robert P. Patterson, ein hohes Regierungsmitglied, bei General Allen zu Gast in Delitzsch. Paul Hoyer, Besitzer der Delitzscher Bettfedernfabrik wird von der Militärverwaltung als Landrat eingesetzt. Durch Hantieren mit Fundmunition werden zwei Halbwüchsige bei der Detonation einer Handgranate in der Freiherr-vom-Stein-Straße verletzt. Die dort einquartierten Amerikaner lassen alle noch von Privatpersonen bewohnten Wohnungen innerhalb einer Stunde räumen. Es erfolgen einige Verhaftungen von Personen wegen aktiver Mitarbeit in der NSDAP bzw. deren Organisation. Der Direktor der Oberschule, Dr. Letz, wird am 6. Mai in ein politisches Untersuchungslager überführt und am 31. Mai mit folgendem Ergebnis wieder entlassen: „Intorrogation has cleared him of these charges." (Das Verhör hat ihn von diesen Beschuldigungen entlastet.). Ebenfalls werden einige Polizeiangehörige verhaftet, während ein geringer Teil von ihnen noch im Dienst bleibt. Emil Sache gelingt es, 12 ehemalige KPD-Mitglieder als Hilfspolizisten einstellen zu lassen. Die Kleinbahn, die am 10. April ihren Betrieb eingestellt hatte, nimmt am 12. Mai den Verkehr im beschränkten Umfange wieder auf. Die am 19. Mai erfolgte Umbenennung verschiedener Straßen (siehe Chronik Teil 8, S. 233) ist die letzte Amtshandlung des bisherigen Bürgermeisters Paul Scharf. Die Amerikaner lösen ihn durch den von ihnen dafür benannten Gollmaer Pfarrer Arno Erhardt ab. Ab dem 22. Mai werden die etwa 600 Soldaten mit 17 leichten und 53 mittelschweren Tanks in Delitzsch stationierten Truppen der Timberwolf-Division nach Halle verlegt. Damit wird die Belegung des RAW mit Fahrzeugen der US-Armee beendet. Auch die Schokoladenfabrik und die Schulen werden von ihnen beräumt. Als neue Besatzung erhält die Stadt Delitzsch nun Panzereinheiten der 7th Armored-Division. Mit etwa 40 Personen wird nun wieder begonnen, im RAW die Produktion aufzunehmen. Am 24. Mai wird durch den Oberschullehrer Herrmann Curth ein neuer evangelischer Kirchenchor gegründet. Im Rathaus erfolgt am 28. Mai die Konstituierung des „Antinazi-Arbeitsausschusses".Ihm gehören an:

Von der ehemaligen KPD:

Gotthold Pohle

 

Bruno Schmidt

 

Paul Gebhardt

Von der SPD:

Richard Hampe

 

Otto Bieler

Von den Demokraten:

Willi Dietze

 

Dr. Wilhelm Mischon.

Vom ehemaligen Zentrum:

Alfred Nickisch

und dem parteilosen

Hermann Scharf.

Als Verbindungsmann zum „Military-Government" wird bestimmt: Stellvertretender Landrat Paul Buhle, zum CIC Otto Geithe. Als enger Antinaziausschuß werden gewählt: als Vorsitzender Richard Hampe, stellvertretender Vorsitzender Gotthold Pohle und als Schrift führer Dr. Wilhelm Mischon. Anwesend bei dieser Konstituierung sind außerdem Fritz Schwahn und Bürgermeister Arno Erhardt. Zur Sicherung der Arbeit der Stadtverwaltung werden spezielle Ausschüsse gebildet, deren Vorsitzende sind:

für Verwaltungsausschuß

Richard Hampe

für Sicherheitsausschuß

Gotthold Pohle

für Schulausschuß

Fritz Schwahn

für Gesundheitsausschuß

Dr. Mischon

für Emährungsausschuß

Hermann Scharf

für Rechtsausschuß

Rechtsanwalt Klimm

für Verkehrsausschuß

Paul Gebhardt

für Ausschuß f. Sport undKörperpflege

Bruno Schmidt

für Ausschuß f. Kultur und Gesellschaft

Studienrat Dr. Schürer

für Ausschuß f. Gewerkschaft und Genossenschaftsfragen

Otto Bieler

Der Wirtschaftsausschuß bleibt vorerst unbesetzt. Die Schokoladenfabrik beginnt mit der Herstellung von Fondant. Daneben erfolgt noch die Trocknung von Gemüse, so von Rotkraut, Zwiebeln , Weißkraut und Kartoffeln. Die durchschnittlichen Monatslöhne der Arbeiter betragen 120, bis 140, RM. Am 31. Mai erfolgt die kirchliche Bestattung der ermordeten KZ-Häftlinge auf dem Friedhof in Delitzsch. Dabei werden 14 Särge mit den in Döbemitz exhumierten Toten beigesetzt. Die christliche Bestattung erfolgte, da bei sechs dieser Personen kleine christliche Kreuze gefunden worden waren. Bei den Toten handelt es sich um namentlich unbekannte Häftlinge faschistischer Konzentrationslager, die auf einem Marsch durch Delitzsch im April 1945 von den SS-Wachtruppen erschossen bzw. an Erschöpfung und Mißhandlungen gestorben sind. In der Umgebung von Döberitz wurden sie zunächst an einer Feldscheune und auf dem Friedhof verscharr. In den letzten Maitagen findet dazu auf dem Markt die Trauerfeier statt. Die Anteilnahme der Bevölkerung war groß. Die Trauerrede hielt der später als krimineller Betrüger entlarvte Polizeichef Manfred Pastube alias Dr. Dreßler. Im Friedhofsbuch steht dazu folgender Eintrag: „14 Personen aus dem KZ-Lager wurden auf dem Todesmarsch durch Delitzsch im April 1945 erschossen, im Auftrag der KP (gemeint ist damit die Kriminalpolizei) beigesetzt, Friedhof Neuer Teil, Abt. 7, Reihe 3, Gräber 1 bis 14 (ehemalige Kriegsgräber)". Die Todesmärsche zogen einmal von Halle durch Delitzsch Richtung Eilenburg, ein weiterer Zug zog von Torgau, über Eilenburg, Kospa, Krostitz vorbei an Mocherwitz und Zschortau, weiter in den Saalkreis.

1945 Juni
Seit einiger Zeit hat sich das Verhältnis zu der amerikanischen Besatzung recht freundschaftlich gestaltet. Kinder spielen auf den an der Blücherstraße und Moltkestraße abgestellten Panzern, Lebensmittel werden verschenkt, und im Garten der Gaststätte „Elberitzmühle" spielt ein Militärorchester zum Tanz. Am 6. Juni tagt der Verwaltungsausschuß der Stadt. Seine erste Aufgabe sieht er in der tätigen Mitarbeit bei der Säuberung der Stadt- und Kreisverwaltung, des Finanz- und Arbeitsamtes, der Krankenkasse und des Zollamtes von aktiven Nationalsozialisten und militaristisch eingestellten Beamten und Angestellten. Die 2. Sitzung des „Antinazi-Ausschusses" findet am 14. Juni statt. Hierbei wird mitgeteilt, daß am Vortag der bisherige Chef der politischen Polizei, Dr. Dreßler, von den Amerikanern verhaftet und daraufhin von Herrn Lutzmann entlassen worden ist. Es hatte sich herausgestellt, daß er sich diese Funktion mit falschen Angaben erschlichen hat. In Wirklichkeit heißt er Manfred Pastube und war KZ-Aufseher. In dieser Sitzung werden Fritz Schwahn als Schulrat, Erich Richter als Rektor der Knabenschule und Hermann Ulbricht als Rektor der Berufsschule benannt. Die Benennung des Rektors der Mädchenschule bleibt noch offen. Gleichzeitig werden die Richtlinien zur Entlassung von Lehrern besprochen, die sich aktiv in der NSDAP betätigt hatten. Hierunter fallen alle diejenigen, die vor dem 30. Januar 1933 der NSDAP angehörten, SS-Mitglieder oder SA-Sturmführer eingenommen haben. Am nächsten Tag, dem 15. Juni, findet eine Sondersitzung statt, weil der bisherige Bürgermeister Arno Erhardt um seine Entlassung aus dem Amt nachgesucht hat. Das hat eine Neuwahl zur Folge, diese findet am 17. Juni statt. Bis dahin amtiert Paul Gebhardt. Bei der Neuwahl werden Richard Hampe als Bürgermeister sowie als Stadträte Gotthold Pohle, Hermann Scharf, Dr. Mischon und Alfred Nickisch, dieser als Leiter des Wohnungsamtes bestimmt. Ihre Bestätigung durch die Kommandantur erfolgt am 22. Juni. An diesem Tag erscheint die Nr. 1 des „Nachrichtenblattes" für den Kreis Delitzsch mit einem Vorwort des Landrates Paul Hoyer „Zum Geleit", den dem er unter der Parole „Vorwärts zum neuen Aufstieg" die Einwohner des Kreises zu unbedingter Disziplin und zum guten Willen beim Wiederaufbau aufruft. In dem Nachrichtenblatt sind neben Verordnungen der „Military Government Gerrnany" Bekanntmachungen des Landrates enthalten. Eine davon befaßt sich mit den in den letzten Tagen aufgekommen unsinnigsten Gerüchten, die in Verbindung mit der bevorstehenden Neuregelung der Besatzungszonen umlaufen. Es wird darin aufgerufen, keine falschen Entschlüsse zu fassen, sondern dort zu verbleiben, wo bisher der Mittelpunkt der persönlichen Lebensbeziehungen war. Weiter wird mitgeteilt, daß der Oberbefehlshaber des amerikanisch besetzten Teiles Deutschlands vielen in der Endphase des Krieges gefangenen deutschen Soldaten erlaubt, in die Heimat zurückzukehren. Nach ihrer Entlassung werden sie von der amerikanischen Militärregierung ihres Heimatortes registriert. Am 27. Juni wird in der Stadt eine Razzia durchgefiihrt. Zwischen 4.00 und 5.00 Uhr werden alle männlichen Personen im Alter zwischen 16 und 65 Jahren durch amerikanische Soldaten aus den Wohnungen geholt und zu verschiedenen Sammelplätzen in der Stadt gebracht. Diejenigen, die im wehrpflichtigen Alter sind, aber keine Entlassungspapiere aufweisen können, sowie die als aktive Nazis von der politischen Polizei erkannten Personen werden aussortiert, im Feuerwehrdepot gesammelt und abtransportiert. Ende Juni erscheint folgender Aufruf zur Bildung von Gewerkschaften:
Arbeiter, Angestellte, Beamte,
Mit Genehmigung der amerikanischen Militärregierung entsteht auf demokratischer Grundlage unter Ausscheidung jeder parteipolitischen Tendenz eine neue wirtschaftliche Vereinigung für alle Arbeitnehmer, der „Freie Deutsche Gewerkschaftsbund und Umgebung".

Im Auftrag der Militärregierung
John H. Lynch, Cpt. SR

Die Bundesleitung
Otto Bieler

Für die Belieferung auf Lebensmittelkarten für die 77. Zuteilungsperiode vom 25. Juni bis 2. Juli erhalten Normalberechtigte über 18 Jahre:

Fleisch

700 g

 

(entspr. tägl.

3,45 g)

Butter, Margarine oder

 

 

 

 

Rohfett

100 g

 

(entspr. tägl.

. 3,45 g)

Brot

6.800 g

 

(entspr. tägl.

235,0 g)

Nährmittel

300 g

 

(entspr. tägl.

10,0 g)

Zucker

500 g

 

(entspr. tägl.

17,0 g).

Weiterhin gibt es für die Zuteilungsperiode 62,5 g Käse, 125 g KaffeeErsatz, 375 g Marmelade. Kinder unter 6 Jahren erhalten täglich 1 Liter Milch. Jugendliche von 6 bis 18 Jahren erhalten eine etwas größere Ration, vor allem bei Butter bzw. Fett mit 300 g (entspricht 10 g/Tag). Am 30. Juni beginnt der Abzug der amerikanischen Truppen.

1945 Juli
Die letzten Einheiten der Amerikaner verlassen am 3. Juli die Stadt. Tags zuvor ließen sie den am 13. Juni von ihnen verhafteten Manfred Pastube alias Dr. Dreßler wieder frei. Damit endet die Zeit der amerikanischen Besatzung. Für einige Zeit bleibt noch ein kleiner Posten von ihnen zurück. Er hat sein Quartier in der Villa Freyberg Am Wallgraben 516 und bewacht die nicht transportfähigen deutschen Kriegsgefangenen, die im Hilfslazarett in der Luisenschule (Pestalozzi-Schule) untergebracht sind. Am 4. Juli treffen die sowjetischen Besatzungstruppen ein. Der Gegensatz zu den abgezogenen amerikanischen Truppen, die wohlgenährt und gut gekleidet mit ihren geländegängigen und leistungsstarken Fahrzeugen die Stadt verlassen haben, ist groß. Jetzt ziehen lange Kolonnen mit struppigen Pferden bespannte „Panjewagen", auf denen sowjetische Soldaten in schäbiger Kleidung, auf Strohballen sitzend, durch die Straßen. Dazwischen fahren einige klapprige Lastkraftwagen. Nur die Offiziere tragen eine bessere Kleidung und fahren in Personenautos. Die auf Veranlassung ehemaliger KPD-Mitglieder aus Delitzsch zur Begrüßung der einrückenden Einheiten der Roten Armee angebrachten Transparente und roten Fahnen müssen auf Befehl des hier eingesetzten sowjetischen Militärkommandanten am darauffolgenden Tag wieder entfernt werden. Die sowjetische Kommandantur in der Dübener Straße 20 (heute Oskar-Reime-Gymnasium) nimmt bald darauf ihre Arbeit auf. Zu deren Einrichtung ist von der SMAD eine Gruppe von fünf Offizieren unter Leitung von Major Dubner beauftragt. Vorerst nehmen sie im Hotel „Zur Linde" Quartier und beziehen als Kommandantur, das bereits für diesen Zweck von den amerikanischen Streitkräften genutzte Gebäude Eilenburger Straße 65. (Später wird diese Einrichtung in die Gebäude Am Wallgraben 5/ 6 verlegt.) Als erster nimmt Oberstleutnant Werchinin dort Quartier, 1946 folgt ihm Major Orlow. Ihre ersten Bemühungen sind, die Wirtscjtaft wieder in Gang zu setzen, die Lebensmittelversorgung zu sichern und die zahlreichen Flüchtlinge unterzubringen. In dem „Nachrichtenblatt für den Kreis Delitzsch" erscheinen dazu einige Anordnungen wie z. B. Ablieferung von Hühnereiern, Milchbewirtschaftung, Meldung von Baustoffen, Festlegung von Preisen für Frühkartoffeln. Meldepflicht für nicht belegte Wohnungen, die bisher von den Evakuierten aus bombengefährdeten Gebieten belegt waren, wird angeordnet. Alle Lehrlinge sollen sich zwecks Feststellung ihrer augenblicklichen Berufsverhältnisse bis Ende Juli melden. Am 14. Juli teilt der Landrat mit, daß Gottesdienste und die Arbeit der Kirchenbehörden erlaubt sind, Sportveranstaltungen aber nicht ohne Genehmigung des Militärkommandanten. Dasselbe trifft für die Fortführung oder Neubildung von Vereinen zu. Wie alle bisherigen Organisationen wird auch der Tennissportverein verboten (der Tennisplatz wird später von der FDJ für Sportübungen genutzt). Auch der Kegelklub im ehemaligen Gasthaus „Zur Kugel" in der Grünstraße hat ein Vereinsverbot erhalten. In den Kinos dürfen nur von der Militärregierung genehmigte Filme vorgeführt werden. Mitte des Monats wird der Briefpostverkehr innerhalb des Kreises wieder aufgenommen. Dasselbe trifft für den Personenverkehr der Reichsbahn zu, allerdings sind hierzu Reisegenehmigungen erforderlich. In der Nacht vom 15. zum 16. Juli wird für den Bereich der Reichsbahndirektion Halle wie in der gesamten russischen Besatzungszone die Moskauer Uhrzeit eingeführt. In der Mitteilung des Landrates wird auch angewiesen, daß die Bewirtschaftung der Rittergüter in der bisherigen Weise zu erfolgen hat, da eine Verstaatlichung derselben nicht vorgesehen sei. Strenge Bestrafungen werden denjenigen angedroht, die Gerüchte über Plünderungen und Vergewaltigungen durch Angehörige der Roten Armee verbreiten. Tatsächliche Plünderungen sind über die Ortsbehörden der Kommandantur zu melden. Bürgermeister sollen weiterhin im Amt bleiben, wenn nicht eine besondere Entscheidung hinsichtlich ihrer Weiterverwendung getroffen wird. Da das Kraftwerk Muldenstein Strom liefert, kann das RAW am 17. Juli die Produktion wieder aufnehmen. Am 18. Juli wird auch eine Aufforderung des Finanzamtes zur Abgabe der Steuererklärung für 1944 veröffentlicht. Der Ausgabesatz für Speisekartoffeln beträgt pro Woche und Kopf 2,5 kg, für die letzte Woche Juli wird ein Ei auf den dafür vorgesehenen Abschnitt der Eierkarte ausgegeben. Bei derAusgabe der nächsten Lebensmittelkarten ist eine Kontrollkarte des Arbeitsamtes oder die Bescheinigung des Arbeitgebers über das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses vorzulegen. Das gilt für Männer im Alter von 14 bis 65 Jahren bzw. für Frauen von 14 bis 45 Jahren. Sonst erfolgt keine Ausgabe von Lebensmittelkarten. Ährenlesen ist in der Zeit von 7.00 bis 21.00 Uhr, mit Ausnahme der Mittagszeit, erlaubt. Das Ausgehverbot zwischen 23.00 und 5.00 Uhr bleibt bestehen. Eine weitere Anordnung ergeht an die Gemeinden. Sie sollen Ortsausschüsse zur Einbringung der Ernte bilden, die für die Bereitstellung von Arbeitskräften und Geräten zu sorgen haben. Am 21. Juli wird durch den Chef der Sowjetischen Militärverwaltung (SMAD) befohlen, die Produktion in allen Betrieben wieder aufzunehmen. Mit dem Befehl Nr. 2 der SMAD vom 10. Juni wird die Bildung von antifaschistisch-demokratischen Parteien erlaubt. Im Juli erfolgt daraufhin im „Preußischen Hof" die Wiedergründung der KPD unter Otto Geithe als Kreisvorsitzenden. In der gleichen Gaststätte konstituiert sich die SPD unter dem Vorsitz von Richard Hampe, Unterbezirksvorsitzender wird Paul Buhle. Am 28. Juli findet auf dem Markt eine Großkundgebung des antifaschistisch-demokratischen Block statt, auf der der Vizepräsident der Provinzialverwaltung Siewert eine Anspräche hält. Daneben ergreifen auch die Vertreter der anderen Parteien und als Vertreter der Militärverwaltung, Major Dubner, das Wort. Am 31. Juli erfolgt die Bildung der neuen „Freien Gewerkschaft". Als Sekretär wird Kurt Bernhardt gewählt. Da die Schulen noch mit Flüchtlingen belegt sind, wird einige Zeit versuchsweise für mehrere Klassen Schulunterricht im Freien abgehalten.

1945 August
Auf Entscheidung des Landrates übernimmt ein 1. August der Schulrat Fritz Schwahn das Kulturdezernat, sein Vertreter wird Dr. Schümer. In der Gaststätte „Preußischer Hof" wird die Kreisverband der SPD gegründet. Vorsitzender wird Fritz Schwahn. Am 6. August wird eine Verfügung der sowjetischen Militärverwaltung veröffentlicht, nach der die Zahl von Pensionen und Unterstützungen zeitweilig bis zur Überprüfung der Pensionsregeln sowie bis zur Neuerfassung und ärztlichen Untersuchung der Pensionäre eingestellt wird. Jedoch wird eine Unterstützung an nicht mehr arbeitsfähige Pensionäre, die sonst keine anderen Existenzquellen haben und nicht der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen angehört haben, in bisheriger Höhe weitergezahlt. Gemäß einer Anweisung des Präsidenten der Provinz Sachsen sind „aktive Nazis und ihre Familien aus ihren Wohnungen auszuweisen und in Notwohnungen unterzubringen. Wohnungsinhaber und Hausbesitzer, die Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen waren, sind in ihrem Wohnraum einzuschränken." Am 11. August sind auch die restlichen noch in ihrem Dienst befindlichen Polizisten entlassen worden und werden durch Neueinstellungen ergänzt. Aufgrund einer Verordnung des Präsidenten der Provinz Sachsen vom 13. August über die Bereinigung des Lehrkörpers von Nazis und Militaristen werden auch in Delitzsch mehrere Lehrer, darunter der Rektor und Konektor der Knabenschule aus ihren Dienst entlassen. Am 15. August zieht die sowjetische Kommandantur in das Behördenhaus in der Dübener Straße und in die Freybergschen Villen. Die sich bisher in der Dübener Straße befindlichen Ämter wurden vorher verlegt, und zwar das Amtsgericht ins Schloß die Kreiskasse zur Kreissparkasse die Preußische Reg.Kasse ins Monopol das Finanzamt zur Fa. Böhme das Preußische Hochbauamt in die Baracke der früheren Bauleitung der Luftwaffe, Ausgangs der Dübener Straße. Der Militärkommandant des Kreises Delitzsch, Oberstleutnant Werchinin, zieht ebenfalls in das Behördenhaus in der Dübener Straße. Während die Offiziere außer im Hotel „Zur Linde" auch in Privatwohnungen untergebracht sind, werden die Soldaten in den Räumen der numnehrigen Kommandantur einquartiert. Der Fuhrpark wird auf dem Schützenplatz stationiert. Die bisherige Kommandantur in der Eilenburger Straße 65 wird weiterhin von Dienststellen der Militäradministration genutzt. (In die Kellerräume des Behördenhauses und in der alten Kommandantur in der Eilenburger Straße werden in der darauffolgenden Verhaftungswelle die als aktive Nazi-und Kriegsverbrecher verdächtigten Personen bis zur Überführung in zentrale Lager eingesperrt. NKWD-Dienststellen und Gefängnisse werden in der Folgezeit im Wohnhaus Krombholz (Ecke Schäfergraben/ Angerstraße) und in der Elberitzstraße 6, dem Wohnhaus Gärtnerei Geißler, eingerichtet). Die KPD beauftragt Rudi Hermann und Fritz Schirmer, die Jugendarbeit unter Einbeziehung aller antifaschistischen Kräfte in Gang zu bringen. Am 28. August wird die Ortsgruppe der KPD gegründet. Als Sekretär wird Gotthold Pohle gewählt, 1. Stellvertreter wird Richard Sachse. In dieser Woche findet im Rathaus die Gründungsversammlung der LDP statt. Als Vorsitzende werden der Berufsschullehrer Hermann Ulbricht, als Stellverteter der Wirtschaftsbeauftragte des Landrates, Dr. Gerhard Schmidt und der Kaufmann Ludwig Dietze als Kassierer gewählt. Der Gemeindekirchenrat beschließt die Rückbenennung der Kriegergedächtniskirche in Marienkirche.

1945 September
Am 1. September eröffnet die LDP ihr Parteibüro in der Kohlstraße 15, Gaststätte „Ledererbräu". Die Durchführung der Bodenreform wird angeordnet. Die Stadt Delitzsch ist nicht unmittelbar von den Maßnahmen der Bodenreform betroffen. Jedoch im Kreisgebiet von Delitzsch werden zahlreiche Bauemgüter und ehemalige Rittergüter enteignet. DieSaatgut-Wirtschaften Badrina mit 338 ha, Reibitz mit 204 ha, Benndorf mit 269 ha, Hohenprießnitz mit 397 ha, Kleinwölkau und Göritz mit 663 ha, die Versuchswirtschaften Serbitz mit 163 ha und Noitzsch mit 210 ha Land werden nicht aufgeteilt, sondern als Mustergüter weitergeführt, aus denen die VEG entstehen. Zum größten Teil sind die anderen enteigneten Grundstücke parzelliert und als Neubauernstellen verteilt worden. Das Rittergut Löbnitz diente dagegen noch bis 1946 als Versorgungsgut der sowjetischen Besatzungstruppen. Wenige Monate später, bis zu Februar 1946, wird mit der Aufteilung der im Kreisgebiet enteigneten Güter an die Neubauern begonnen. So wird in Sausedlitz diese Maßnahme am 7. Januar 1946 vollzogen, wobei jede Neubauernstelle aus dem ehemaligen Rittergutsbesitz 9 ha Land erhält. Die insgesamt 422 ha aufzuteilendes Land erhalten 11 Landarbeiter und landlose Bauern, fünf landarme Bauern, sieben Kleinpächter, 18 Umsiedler und auch Industriearbeiter sowie die Gemeinden. Die charakteristischen Neubauernhäuser entstanden dann zwischen 1948 bis 1952. Um eine mögliche Umkehrung dieses Prozesses zu unterbinden, werden auf behördliche Anweisung die aktuellen Grundbücher und Akten der enteigneten Liegenschaften in der zweiten Hälfte des Jahres 1946 vernichtet. Im Kreis Delitzsch, bisher noch aus 140 Gemeinden und den Städten Delitzsch, Eilenburg und Landsberg bestehend, werden neben den Gütern ehemaliger nationalsozialistischer Führungskräfte in der Folge 34 Bauerngüter enteignet. Der Boden wird an ca. 1000 Umsiedler und Landarbeiter, 90 landarme Bauern und als Kleinparzellen an 900 Arbeiter und Angestellte aufgeteilt. Am 6. September erscheint eine Verordnung des Präsidenten der Provinz Sachsen über die Säuberung der Verwaltung von „nazistischen Elementen". Zu dieser Zeit bestehen sowohl die Provinzialverwaltung als auch die drei Regierungsbezirksverwaltungen ausschließlich aus Antifaschisten. Nun wird angeordnet, daß auch im Kreis, in den Gemeinden und allen Reichsbehörden so Bahn und Post) grundsätzlich alle ehemaligen Mitglieder der NSDAP, egal ob Beamte, Angestellte oder Arbeiter, zu entfernen sind. Ausnahmen bleiben einer Nachprüfung - und besonderen Anordnungen vorbehalten. Naziverbrecher und Naziverbände sowie ehrenamtliche Mitarbeiter vom Zellenleiter an aufwärts und ihm gleichgestellte Funktion in Naziverbänden und alle SS- sowie Gestapo-Angehörige sind sofort zu entlassen. Bei Entlassung besteht kein Anrecht auf Pension bzw. Weiterzahlung bereits erhaltener Pension oder Rente. So werden aufgrund dieser Anordnung aus dem RAW 65 Beamte und etwa 100 Arbeiter bis zum 22. September entlassen. Gleiche Maßnahmen sind in der Volksbildung durchzuführen, insbesondere sind alle Nazisten aus leitenden Positionen zu entfernen. Naziverbrechern und Parteiaktivisten ist die Konzession zur Führung von Geschäften und Wirtschaftsbetrieben zu entziehen. Diese Verordnung erscheint am 13. September. Zur Durchführung dieser Maßnahmen ist die „Reinigungskommission" durch den Antifaschistischen Block zu bilden. Am 9. September findet die 1. Kreisdelegiertenkonferenz des FDGB in der „Elberitzmühle" statt. Als Gäste nehmen dabei der Vorsitzende der KPD Otto Geithe und der Vorsitzende der SPD Fritz Schwahn teil. Am 10. September wird der „Antifaschistische Jugendausschuß" gebildet. Der engere Ausschuß besteht aus Rudi Herrmann (Jugendleiter), Ruth Arndt (Mädelvertreterin), Fritz Schirmer (Stellv. und Kulturobmann), dem erweiterten Ausschuß gehören Kurt Oehmichen (Arbeitsamt), Arno Braune (SPD), Paul Schlenkrich (KPD) und Herrmann Ulbricht (LDP) an. Am 22. September wird vom Bezirkspräsidenten die Kreisbodenkommission bestätigt, die aufgrund der Verordnung zur Durchführung der Demokratischen Bodenreform gebildet wurde. Ihr gehören an: Landrat Hoyer, Otto Herrmann, Paul Scheibe, Alfred Arlt, Alexander Lamprecht (später kommt Fritz Apel hinzu). Der Neuaufbau der Polizei wird abgeschlossen. Der Leiter für den Kreis wird Friedrich Weißer, der Leiter für die Stadt wird Martin Deutschmann. Ende des Monats werden die noch benutzbaren Baracken auf dem Flugplatzgelände zur Aufnahme der Schwarzmeerdeutschen" hergerichtet. Hierbei handelt es sich um Volksdeutsche aus Bessarabien und der Ukraine, die während des Krieges im Wartegau angesiedelt worden waren und bei dem Rückzug der Wehrmacht nach Deutschland geflüchtet sind. Da sie früher Bürger der Sowjetunion waren, sollen sie von der Besatzungsmacht wieder zurückgeführt werden.

1945 Oktober
Am 1. Oktober beginnt wieder der regelmäßige Schulunterricht für alle Schüler. Mit Wirkung vom I. Oktober werden alle Krankenkassen des Kreises zur „Allgemeinen Krankenkasse für den Kreis Delitzsch" vereinigt. Am 6. Oktober stellt der Landrat Hoyer sein Amt zur Verfügung, da er sich nicht mehr in der Lage sieht, durch die Entlassung aller noch im Landratsamt tätigen Mitarbeiter, die Mitglied der NSDAP waren (28 Personen), seine Aufgaben zu lösen. Bis September waren bereits etwa 100 aktive Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen aus den verschieden Behörden entlassen worden. Sie wurden durch 32 Mitglieder der KPD, 23 der SPD und 57 aus den bürgerlichen Blockparteien bzw. Parteilose ersetzt. Am 14. Oktober erscheint in Delitzsch mit Genehmigung der russischen Militärverwaltung die „Delitzscher Allgemeine Zeitung", als amtliches Mitteilungsblatt für den Kreis, die Städte und andere Behörden im Kreis. In dieser Ausgabe ist ein Aufrufzur Bewerbung als Volkslehrer abgedruckt. Danach können Männer und Frauen im Alter zwischen 25 und 35 Jahren ohne pädagogische Vorbildung als Lehrer berufen werden. In einem halbjährigen Ausbildungslehrgang sollen sie auf ihren Beruf vorbereitet werden Der Antifaschistische Jugendausschuß kündigt in dieser Zeitung für die 2. Hälfte Oktober mehrere Veranstaltungen an, wie z. B. Tanzabende, Wanderungen, Filmvorführungen, Sport und Vorträge, aber auch Jugendgottesdienste. Am 18. Oktober wird Otto Herrmann (KPD), bisher Bürgermeister von Kyhna, vom Zentralausschuß des Antifaschistischen Blockes als neuer Landrat berufen. Er war von 1926 bis 1933 kommunistischer Landtagsabgeordneter. Seine Amtseinführung findet am 19. Oktober in Anwesenheit des Vertreters der sowjetrussischen Militärverwaltung, der Vertreterdes Zentralausschusses des Antifaschistischen Blocks und der Parteien statt. Am 19. Oktober führt die SPD eine große öffentliche Versammlung im „Schützenhof` durch, in der Rechtsanwalt Dr. Kunze aus Halle/ Saale zum Thema „Demokratie oder Militarismus" spricht. Am 20. Oktober wird der frühere Bürgermeister der Stadt, Paul Scharf, von der Besatzungsmacht verhaftet. Schon in den Wochen davor haben mehrere Verhaftungen stattgefunden. Systematisch werden jetzt bestimmte Kategorien ehemaliger Funktionsträger in der Nazizeit zuerst in die NKWD-Dienststellen und von dort in das Internierungslager Torgau verbracht, auch wenn ihnen keine Verbrechen oder nazistische Aktivitäten nachgewiesen werden können. Es wird in einem Aufruf zu einem Sondereinsatz am 21. Oktober am Nordplatz aufgerufen, an dem die Reste einer Bauanlage für einen Feuerlöschteich beseitigt werden sollen. Ab 22. Oktober können sich Evakuierte und Flüchtlinge, die aus den Besatzungszonen der westlichen Alliierten stammen, zwecks Rückführung in die Heimat melden. Am 23. Oktober findet der erste Singeabend in der Singegemeinschaft Delitzsch" statt. Am 24. Oktober wird eine Nebenstelle „Umsiedlerbetreuung der Stadt Delitzsch" eröffnet. Hier wird ein Suchdienst für vermißte Angehörige eingerichtet. Vorerst bearbeitet er nur das Gebiet der Provinz Sachsen, aber seine Ausdehnung auf die gesamte russisch-besetzte Zone ist vorgesehen. Das Museum im Schloß ist wieder zur Besichtigung freigegeben worden. Am 25. Oktober werden alle im Bereich Gesundheitswesen tätigen Personen beim Gesundheitsamt, dessen amt. Leiter Dr. Kurtzhals ist, registriert. An diesem Tag findet am Abend eine Festkundgebung der LDP im „Schützenhof` statt. Dort spricht der l. Vorsitzende des Landesverbandes der Provinz Sachsen Karl Dibelius, ehem. Mitglied des Abgeordnetenhauses der Deutschen Nationalversammlung. Am 27. Oktober erscheint anstelle des „Verordnungsblattes für den Kreis Delitzsch" die „Delitzscher Allgemeine Zeitung". Darin wird mitgeteilt, daß die Bezugsscheine für Spinnstoffe und Schuhwaren bzw. die Kleiderkarten ab sofort gesperrt sind, daß alle Radiogerate zu melden und diejenigen, die mehr als 3 Röhren besitzen, diese abzuliefern sind und daß ein vorübergehendes Schlachtverbot besteht, da der Kreis Delitzsch 90 t Fleisch an das Notstandsgebiet Berlin abgeben muß. Das LW Rackwitz hat am 15. Oktober 1945 1.307 Beschäftigte. Da das Unternehmen als herrenlos eingestuft ist, übergibt es die Provinzialverwaltung an die russische Kommandantur. Das RAW Delitzsch hat im Oktober 1945 1.284 Beschäftigte und erhalt die Auftrage zur Reparatur von 1500 Personenwaggons und 300 Güterwaggons pro Quartal. Das Drahtziehwerk hat im gleichen Zeitraum 44 Beschäftigte. Der Betrieb ist nach dem Krieg auf die Reparatur von Landmaschinen und Fahrzeugen umgestellt worden. Der Inhaber H. Langer hat im Mal 1945 beim Einmarsch der Russen in seinem Stammwerk in Dohna Selbstmord begangen. Das Delitzscher Werk wird deshalb im November 1945 unter einen Sequestor gestellt. Als Treuhänder arbeitet Hers M. Müller.

1945 November
Ab 1. November erfolgt eine Neugestaltung der Lebensmittelrationierung. Danach erhalten pro Tag in Gramm:

.

Fett

Brot

Nahrm.

Kart.

Zucker

Marm.

Fleisch

1. Schwerstarbeiter

20

450

40

500

25

30

40

2. Schwerarbeiter

20

400

40

400

25

30

40

3. übr. Arbeiter

10

350

20

300

20

30

25

4. Angestellte

10

250

15

300

20

30

20

5. Kinder bis 15 J.

10

200

10

300

25

30

15

6. Sonst. Verbr.

-

200

10

300

15

30

-

Außerdem gibt es monatlich 200 g Kaffee-Ersatz, für die Kinder bis 15 Jahre nur 150 g. Werdende (ab 6. Monat) und stillende (bis 4. Monat nach der Geburt) Mütter erhalten je Monat zusätzlich 300 g Nährmittel, 300 g Zucker, 100 g Fett sowie täglich 1/4 l Milch. Am 3. November veröffentlicht der Bürgermeister im Verordnungsblatt" einen Bericht der Stadtverwaltung über die dringendsten zu lösenden Aufgaben. Danach steht an erster Stelle die Sorge um die vom Kriege am schwersten betroffenen Evakuierten und Flüchtlinge. Dabei ist deren Unterbringung und Wohnraumbeschaffung das Hauptproblem. Es befinden sich über 10.000 Flüchtlinge in der Stadt. Daher muß die Wohnraumbeschlagnahme-Ordnung im vollen Umfang zur Anwendung kommen. Auch muß für Ernährung, Kleidung und finanzielle Unterstützung der Flüchtlinge gesorgt werden. Einen weiteren Schwerpunkt stellt die Neuregelung des Fürsorgewesens dar, da durch die Sperrung der Renten und Pensionen große Teile der Einwohnerschaft in unverschuldete Not geraten sind. Um das Wohnungsproblem zu entspannen, wird die Fertigstellung der „Luftwaffensiedlung" vorbereitet und von der Stadtverwaltung gefördert. Einige Wohnungen werden im Rohbauzustand vermittelt und den Mietem die Fertigstellung überlassen. Am 4. November und nochmals am 11. November wird durch den Antifaschistischen Block eine Spinnstoffsammlung zugunsten der notleidenden Bevölkerung durchgeführt. Am 5. November wird der durch die Provinzialregierung im September angeordnete Ausschuß zur politischen Kontrolle und Säuberung der Wirtschaft gegründet (bis zum 15. April 1946 finden Ausschußsitzungen statt). Sein Vorsitzender wird der Wirtschaftsbeauftragte des Landrates, DR. Schmidt. Schriftführer wird Hermann Scharf (LDP); Mitglieder sind Herr Bernhardt (Gewerkschaft), Herr Lutzmann (KPD), Herr Prinz (SPD), Herr Eichstadt (CDU), Herr Braune (KPD), Herr Vetter (Gewerkschaft). Insgesamt sind 582 Gewerbeunternehmen im Kreis Delitzsch geprüft und entsprechende Entscheidungen gefällt worden. Diese stimmen nicht immer mit Beurteilungen übergeordnete Fachorgane (z B. Handwerkskammer) überein. Für Parteiaktivisten der ehemaligen NSDAP werden Geldbußen vom Ausschuß verhängt, so z B. bei Monteuren mit l0, RM Tageslohn 1, RM Stundenlohn vom Lohn gekürzt und zur Entrichtung für das Wiedergutmachungswerk verwendet. In größeren Unternehmen, wie RA W und L W Rackwitz, erfolgt die Säuberung der Betriebe von ehemals aktiven Nazis vorrangig unter führender Mitwirkung des jeweiligen Betriebsrates. Dabei werden Auflagen für Strafinaßnahmen erteilt, wie Lohnermäßigung, Herabstufung, Versetzung u. a. Ein Teil der Nazi-Aktivisten wird entlassen, führende Angestellte und Meister in untergeordnete Positionen versetzt. Fragebögen werden nicht weiter bearbeitet, wenn diese nicht vom Betriebsrat abgezeichnet sind. (Es werden Falle von Sippenhaftung festgestellt. So erhielt die Inhaberin eines Lebensmittelgeschäftes keine weitere „Betriebsführereigenschaft" zuerkannt, weil der Ehemann Mitglied der SS war. Zur Klärung der Nazivergangenheit konnten die in der Burg Wettin vorgefundenen Listen sämtlicher NSDAP-Mitglieder des Gaues verwendet werden. Kopien wurden den einzelnen Ortsausschüssen übergeben. Es erfolgen Sequestrationen (betrieblich eingesetzte Verwalter) gemäß Befehl 124 der SMAD, der die Beschlagnahme von Betrieben, Grundstücken und sonstigem Vermögen von Naziaktivisten fordert. Das Dampfsägewerk F. W. Beyer ist ab Dezember in Treuhandverwaltung, der ehemalige Inhaber ist als aktiver Nazifunktionär verhaftet worden. Er war Vorsitzender des Kreisgerichts. Bereits die Amerikaner veranlaßten eine Inhaftierung. (Im Mai 1946 kommt er in ein Internierungslager). Auch die Färberei Boenki und die Maschinenfabrik Dammhahn werden von einem Sequester verwaltet. Am 12. November wird mitgeteilt, daß die Belieferung mit Fleisch für die 3. Dekade um 50 % gekürzt wird. Für den restlichen Anteil wird Käse ausgegeben. Die Belieferung von Vollmilch für Kinder bis zu S Jahren wird auf'/. Liter pro Tag beschränkt. Am 15. November ergeht ein Aufruf zur Meldung als Laienlehrkraft für den russischen Sprachunterricht in der Schule. Die Bewerber dürfen jedoch nicht Mitglied der NSDAP gewesen sein. Am 22. November wird eine Anordnung der Provinzialverwaltung zur Einschränkung des Stromverbrauches in Industrie, Landwirtschaft, Verwaltung und Privathaushalten für alle Werktage in der Zeit von 7.00 bis 21.00 Uhr erlassen. Am 24. November findet auf dem Marktplatz der erste „Freie Markt" statt. Landwirte, die ihr Ablieferungssoll erfüllt haben, können überschüssige Erzeugnisse zu freien Preisen, die sie mit den Käufern vereinbaren, verkaufen. An diesem Tag haben sich auch alle Evakuierten aus Hessen, Hessen-Nassau, Baden und Württemberg im Rathaus zu melden, da am folgenden Tag der Rücktransport in ihre Heimat erfolgen soll. Das Kulturamt Delitzsch veranstaltet am 26. November in der Aula der Oberschule die erste festliche Veranstaltung mit Klavierkonzert, Gesang und Rezitation. Bei der Sitzung des Antifaschistischen Ortsausschusses am 27. November wurden u. a. folgende Beschlüsse gefaßt:
- Die Blockparteien werden aufgefordert, zwei Frauen zu benennen.
- Es werden 165 Straßenbeauftragte ernannt
- Für eine weitere Umbenennung von Straßen sollen die Parteien geeignete Vorschläge einreichen.
Für die Zeit vom 28. November bis zum 17. Dezember wird durch den Bürgermeister eine Registrierung der Delitzscher Bevölkerung angeordnet. Danach hat in Zukunft die Ausgabe der Lebensmittel zu erfolgen. Am 29. November gibt der Dezernent des Wohnungs- und Quartieramtes einen Bericht, wonach vom Wohnungsamt in der Zeit vom 1. September bis 30. November 188 Umzüge reguliert wurden. In derselben Zeit werden die Evakuierten und Umsiedler, die in den Schulen und in den Gaststätten „Schützenhof`, „Schwan", im Schloß und in Spröda untergebracht waren, dort herausgenommen. Insgesamt werden 2.635 Personen in Privatquartieren untergebracht. Außerdem werden für die russische Militärverwaltung 337 Offiziersquartiere ausgegeben. Eine Wohnungskommission, bestehend aus zwei Vertretern jeder Partei, steht dem Dezernenten in schwierigen Fällen beratend zu Seite. Am 30. November wird vom Bürgermeister Hampe ein Beschluß des Ortsausschusses des Antifaschistischen Blockes unterschrieben, um bei der russischen politischen Polizei die Haftentlassung des ehemaligen Bürgermeisters Paul Scharf zu erreichen. Darin wird dessen konsequente antifaschistische Haltung hervorgehoben. Wörtlich steht geschrieben: „Der Ausschuß bittet daher unter Berücksichtigung dieser Tatsache um nochmalige Überprüfung des Falles Paul Scharf mit dem Ziel der Haftentlassung, da er wirklich antifaschistische Taten vollbracht hat. Seine Verdienste sind die kampflose Übergabe der Stadt an die USA-Truppen, in dem er den Kampfkommandanten der Wehrmacht aufforderte, sich kampflos abzusetzen. Paul Scharf ist bei Aufbau unseres Wirtschaftslebens infolge seiner Stadt- und Kreiskenntnisse unbedingt erforderlich. Er hat bereits seit Beginn der Besatzung für die amerikanische Kommandantur und bis zu seiner Verhaftung für die russische Kommandantur als Getreidefachmann gearbeitet."

1945 Dezember
Am 1. und 2. Dezember findet wieder ein „Freier Markt" statt. Auf ihm werden gegen Vorlage der Lebensmittelkarte der Gruppe 5 und 6 Molkereiprodukte verkauft. Am B. Dezember wird das gleiche für die Gruppen 1 bis 4 durchgeführt. Auch danach finden weitere Märkte statt. Zur Vorbereitung der Wiedereröffnung der Landwirtschaftsschule werden nunmehr Anmeldungen entgegengenommen. Am 5. Dezember erfolgt die Auszahlung der Invaliden- und Angestelhenrenten, rückwirkend für die Monate Oktober und November. Am 6. Dezember erhalten auch die Bezieher der Lebensmittelkarten der Verbrauchergruppe 6, die bisher keinen Anspruch auf Fleisch und Fett hatten, täglich 15 g Fleisch und 7 g Fett. Personen über 6 Jahre können, soweit der Vorrat reicht, täglich %. 1 entrahmte Frischmilch erhalten. Es wird angekündigt, daß zum Weihnachtsfest auf alle Gruppenkarten 125 g Butter auf dem freien Markt gekauft werden können. Am 7. Dezember erfolgt der Rücktransport der restlichen noch in Delitzsch verbliebenen Evakuierten aus dem amerikanisch bzw. französisch besetzten Teil Deutschlands. Am 12. Dezember wird ein Aufruf zur Meldung als Volksrichter durch den Präsidenten der Provinzialverwaltung erlassen. Nach erfolgter Säuberung sollen der Justiz damit Kräfte zugeführt werden, die auch ohne Rechtsstudium Recht sprechen können. Geeignete Kräfte, die nicht der NSDAP angehört haben, sollen von den vier antifaschistischen Parteien vorgeschlagen werden. Die Versorgungslage ist immer noch sehr angespannt. So muß für die 3. Dekade die Fleischbelieferung um 10 % gekürzt werden. Dafür gibt es aber Käse und für die Gruppe 1 und 2 noch je 1 Ei. Für die Weihnachtsfeiertage werden aufgrund eines Befehls der SMAD auf jede Lebensmittelkarte 500 g Mehl und 250 g Zucker Oder Süßstoff ausgegeben. Auch die Kohle- und Energieversorgung bereitet große Schwierigkeiten. So wird am 18. Dezember bekanntgegeben, daß das Elektrizitätswerk Delitzsch bis auf weiteres Stromunterbrechungen in der Zeit von 17.00 bis 21.00 Uhr vornehmen muß. Für die Bevölkerung steht pro Woche nur 1 Ztr. Rohbraunkohle oder Briketts zur Verfügung. Daher darf auch durch die Bevölkerung in der stillgelegten „Grube Ludwig" bei Petersroda Rohbraunkohle gegraben werden. Sie wird vorwiegend mit Handwagen nach Delitzsch transportiert. Hotelzimmer und Gasthaussale dürfen nicht beheizt werden. Dasselbe trifft für Kirchen zu, und falls in den Mittagsstunden die Temperaturen nicht unter den Nullpunkt sinken, auch für Kinos. Der Schulunterricht soll auf wenige Schulen konzentriert werden. Am 22. Dezember wird das „Hilfswerk der Provinz Sachsen" von allen Parteien, Kirchen, Gewerkschaften und Frauenausschüssen gegründet. Dessen Aufgabe ist es, den Kindern und Jugendlichen über den schweren Winter hinweg zu helfen, den Umsiedlem eine neue Heimat zu schaffen, besondere Pflichten gegenüber den Opfern des Faschismus zu erfüllen, den heimkehrenden Soldaten zu helfen und hilflosen Kranken und alten Leuten beizustehen. Am 26. Dezember veranstaltet die Provinzial-Landesbühne im „Schützenhof` am Nachmittag ein „Kasperletheater" und abends einen „Bunten Abend". Am 27. Dezember werden die Eier- und Fischkarten für ungültig erklärt, weil für das Jahr 1945 keine Belieferung mehr erfolgen kann. Kinder bis zu 5 Jahren erhalten ab jetzt außer'/. t Vollmilch zusätzlich '/. 1 entrahmte Frischmilch, die Kinder bis zu 6 Jahren erhalten nunmehr täglich % 1 entrahmte Frischmilch. Am 29. Dezember wird das noch bestehende Ausgehverbot von 23.00 Uhr bis 5.00 Uhr aufgehoben. Die Anfang des Monats durchgeführte Einwohnerzählung hat ergeben, daß zu dieser Zeit in Delitzsch die ständige Wohnbevölkerung 18.359 (davon 9.909 männlich) und die gesamte Wohnbevölkerung 24.782 (davon 12.725 männlich) Personen beträgt.

1945 Zusammenfassung des Jahres
Nach der Übergabe der Stadt an die amerikanischen Streitkräfte geht der Krieg zwar weiter, für die Bewohner der Stadt ist es jedoch ein erster Hoffnungsschimmer. Der Selbstmord Hitlers am 30. April und die Kapitulation der Wehrmacht am B. Mai berührt kaum noch jemanden. Vor den Bürgem der Stadt steht jetzt das Problem, wie die Kriegsfolgen zu bewältigen sind. In den meisten Betrieben und Einrichtungen ruht zunächst die Arbeit. Die Behörden der Stadt und des Kreises kümmern sich vor allem um die Versorgung mit Lebensmitteln und um die Absicherung des dringendsten Bedarfs für das tägliche Leben. Dazu kommt bei vielen Familien die Ungewißheit über das Schicksal ihrer Angehörigen und der als Soldaten eingezogenen Männer. Bis Ende 1949 werden 566 gefallene, den Verwundungen erlegene oder in Gefangenschaft gestorbene Soldaten beurkundet. Auch später gibt es weitere Benachrichtigungen über Kriegssterbefälle durch das DRK, so daß die Zahl der Opfer des II Weltkrieges für unsere Stadt mehr als 600 Personen betragen dürfte. Auf dem Delitzscher Friedhof sind 154 hier verstorbene Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion, Polen und anderen Ländern beigesetzt. Außerdem sind 14 KZ-Häftlinge auf dem Friedhof beerdigt, die auf dem Marsch aus Konzentrationslagern hier den Tod gefunden haben. Nachdem Ende Mai die amerikanischen Kampftruppen durch andere Einheiten abgelöst worden sind, beginnt sich auch der Kontakt zwischen ihnen und der Bevölkerung, besonders zu den Kindern, zu verbessern und fast zu normalisieren. In geringem Umfang werden noch verantwortliche Führer der NSDAP und bestimmte Funktionträger verhaftet. Ein unsicheres Gefühl breitet sich in der Stadt aus, als ziemlich unvermittelt die bevorstehende Übergabe der von den Amerikanern besetzten Gebiete Sachsens, der Provinz Sachsen und Thüringen an die sowjetische Armee bekannt wird. Nur wenige begrüßen die einziehenden sowjetischen Truppen mit Freude. Von ihnen wird einerseits bald die Wiederingangsetzung der Wirtschaft veranlaßt und das gesellschaftliche Leben, vor allem durch Zulassung von Parteien und Gewerkschaften, neu gestaltet, aber andererseits erzeugt die ständig zunehmende Zahl der Verhaftungen und Intemierungen eine spürbare Unruhe unter vielen Bürgern. Bei den Betroffenen handelt es sich meist um „Naziaktivisten" oder „Militaristen", aber auch kleine Funktionäre und denunzierte Personen sind vor Verhaftungen nicht sicher. Ein Schuldnachweis ist nicht erforderlich. Daher kommt es, daß auch der in den letzten Kriegsjahren amtierende Bürgermeister Paul Scharf verhaftet und interniert wird, obwohl er maßgeblich an der Bewahrung der Stadt vor deren Zerstörung beteiligt war und der „Antifa"-Ausschuß" sogar mit Hinweis auf seine antifaschistische Haltung seine Feilassung beantragt hat. Aus Verwaltung, Schule, Justiz und Polizei sowie aus wirtschaftsleitenden Institutionen sind anfangs vorwiegend die aktiven Nazis entfernt worden. Später, in den letzten Monaten des Jahres, werden dann die meisten nominellen Mitglieder der verbotenen NSDAP entlassen. Hauptsorge bleibt weiterhin, das tägliche Leben zu verbessern und weiter zu normalisieren. Erschwert werden diese Bemühungen durch den steigenden Zustrom an Menschen durch die im Potsdamer Abkommen festgelegte Aussiedlung der in den Ostgebieten und im Sudetenland verbliebenen deutschen Bevölkerung. Zeitweise kommt im Spätherbst auf zwei Delitzscher ein Heimatvertriebener. Diese müssen in Notquartieren untergebracht und mit Kleidung, Betten und den nötigsten Haushaltgegenständen sowie mit Lebensmitteln versorgt werden. Einschränkungen mit Energie und Heizmaterial bringen schwere Belastungen für die Bevölkerung mit sich. Am Jahresende wird die noch bestehende nächtliche Ausgangssperre aufgehoben. Das neue Jahr wird mit gedämpften Optimismus erwartet.


1946

1946 Januar
Am Neujahrstag findet im Heimatmuseum ein Vortrag zum Gedenken des 150. Geburtstages von Christian Gottfried Ehrenberg statt. Der Vortrag konnte aufgrund der Kriegsereignisse im April des Vorjahres nicht gehalten werden. Am 2. Januar werden die Geschäfte der wiedergegründeten Konsumgenossenschaft (früher Konsumverein) in der Heinrich-Kaufmann-Straße (heute A.-Fritzsche-Straße) und der Halleschen Straße eröffnet. Am Abend dieses Tages veranstalten sowjetische Künstler ein Konzert mit Varieté-Vorführungen zugunsten des „Flüchtlingswerkes" im Saal des „Schützenhauses". In den ersten Januartagen wird mit der Demontage der Zuckerfabrik begonnen. Die Ausrüstungen sollen als Reparationsleistung zum Aufbau der im Il. Weltkrieg zerstörten Industrie in die Sowjetunion abtransportiert werden. Neben der Belegschaft der Zuckerfabrik werden dazu durch Auflagen auch Arbeitskräfte aus anderen Betrieben angefordert. Am 6. Januar findet die l. Sitzung des am Ende des Vorjahres gegründeten Zentralen Ausschusses des Antifaschistischen Blockes Delitzsch (Kreisantifa-Ausschuß) statt, auch wegen der Anzahl der Mitglieder „32er Ausschuß" genannt. Ihm obliegt die Aufgabe, „im Kampf um die Säuberung Deutschlands von den Überresten des Hitlerismus und für den Aufbau des Landes auf antifaschistischer Grundlage zusammenzuarbeiten, Rechtssicherheit und Freiheit des Geistes und des Gewissens herzustellen sowie gegen Völkerverhetzung und für Verpflichtung zur Wiedergutmachung einzutreten." Auf der Grundlage zentraler Richtlinien handelt der Kreisantifa-Ausschuß nach folgenden Grundsätzen:
- ehemalige Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen dürfen nicht Mitglied einer antifaschistisch-demokratischen Partei werden, es gibt auch keine Ausnahme bei Berufssoldaten.
- Als Ausnahme gelten nachgewiesener aktiver antifaschistischer Kampf und bei lediglich nomineller Mitgliedschaft in der NSDAP und ihrer Gliederungen für die nach dem dem 1. Januar 1920 Geborenen.
- Als aktivistische Mitglieder der NSDAP gelten: Mitglieder der NSDAP vom Zellenleiter aufwärts. Mitglieder der NSFK (national-soz. Fliegerkorps), NSKK (national-soz. Kraftfahrerkorps) vom Gruppenführer aufwärts. Mitglieder der NSF (national-soz. Frauenschaft) von der Zellenleiterin aufwärts). Alle weiteren Angehörigen sonstiger o.g. Dienststellen und vergleichbarer NS-Organisationen. Mitglieder der NSDAP, die vor dem 1. Mai 1933 der NSDAP beigetreten sind. Personen, die keine der o. g. Voraussetzungen erfüllen, sich jedoch in Wort und Schrift oder geheim als Vertreter oder Verfechter national-soz. Anschauungen betätigt oder fortgesetzt auf ihre Umgebung oder die ihnen Unterstellten im nationalsozialistischen Sinne eingewirkt haben.
- Die Ausschußarbeit umfaßte nachfolgende Bearbeitung: Rehabilitierungsanträge, Persönliche und berufliche Unbedenklichkeitsanträge Anträge für Leumundszeugnisse Politische Unbedenklichkeitserklärung zur Weiterbeschäftigung in der Verwaltung, Gesuche zur Eröffnung/Wiedereröffnung/Schließung von Gewerbeunternehmen. Anträge zur Befreiung ehemaliger Nazis von der Pflichtarbeit. Anträge auf Rentenzahlung und Auszahlung von Sparguthaben, Klärung zu Fragen der Mitgliedschaft in der NSDAP und ihrer Gliederungen.
Für die Bearbeitung derartiger Anträge und Auskünfte müssen Gebühren entrichtet werden. Für Auskünfte/Überprüfungen müssen 2, RM, ab 10.10.1946 3, RM und bei Wiederholungsprüfungen und abgelehntem Bescheid 10, RM gezahlt werden Zur weiteren Entscheidung und Bearbeitung der eingegangenen Beschwerden wird am 31. Mai 1946 der 3er Ausschuß gebildet mit Vertretern der CDU, LDP und SED. Die Kohlenversorgung bereitet ernste Schwierigkeiten. Vom Bürgermeister wird die Erfassung der vorhandenen Vorräte angeordnet. Dazu muß jeder Haushalt einen Erhebungsbogen ausfüllen. Eine gegenseitige Hilfe der Haushalte untereinander wird erwartet. Aufgrund bestehender Transportschwierigkeiten ist die Lebensmittelversorgung nicht gesichert. Daher kann zur Restbelieferung der Dezember-Lebensmittelkarten erst Anfang Januar aufgerufen werden. Dagegen kann ab 9. Januar die Milchversorgung für Kleinkinder von 0 bis 1 Jahr von 1/4 l Vollmilch auf  1/2 1 Vollmilch täglich erhöht werden. Am B. Januar appelliert der z. Bürgermeister Pohle an alle Männer von 17 bis 45 Jahren, sich für die Mitarbeit in der Freiwilligen Feuerwehr zu melden. Dabei ist Bedingung, daß sie einer der vier Blockparteien angehören, im Zentrum der Stadt wohnen und nicht auswärts arbeiten. Um der Stadt ein freundliches Gepräge zu geben, werden die Hausbesitzer bzw. Verwalter aufgefordert, alle noch vorhandenen Splitterschutzwände vor den Kellerfenstern, Erdanhäufungen, Hinweise auf Luftschutzkeller usw. bis 31. Januar zu entfernen. Zum 20. Januar erfolgt wieder ein Abtransport von Evakuierten, die aus dem Gebiet der britisch besetzten Zone stammen, in ihre Heimat. An diesem Tag führt das „Hilfswerk der Provinz Sachsen" überall eine Sammlung von Sach- und Geldspenden durch, die unter dem Motto steht: „Helft den Umsiedlern! Schafs ihnen Heimat, Brot und Arbeit!" Als Vorsitzender des Stadtausschusses des Hilfswerkes ist Pfarrer Unger gewählt worden. Am 23. Januar wird die Städtische Volksbücherei nach erfolgter „Säuberung und Neuordnung der Literatur im Saal des „Goldenen Adler" wieder eröffnet. Der Schulrat Schwahn verfügt am 24. Januar zur Regelung der Frage der Eltembeirate, an jeder Schule einen Eltemausschuß, bestehend aus bis zu acht Personen, zu bilden. Die Mitglieder sind im Einverständnis des Antifa-Ausschusses einzusetzen. Für Evakuierte, die aus der amerikanisch besetzten Zone stammen, wird am 20. Januar ein Transport in die Heimat zusammengestellt. Am Monatsende werden für den „Freien Markt", der ab jetzt regelmäßig stattfinden soll, zwecks einer möglichst gerechten Verteilung der Produkte Marktkarten für einen Unkostenpreis von 0,50 RM durch die Straßenbeauftragten verteilt. Unter „Freiem Markt" ist der Verkauf von Waren der Landwirtschaft zu verstehen, wobei die Erzeuger kein Ablieferungssoll haben oder ihr Soll erfüllt haben. Der Verkauf erfolgt ohne Lebensmittelkarten/Bezugsscheine zu frei vereinbarten Preisen. Auf Anordnung der Militärkommandantur vom 31. Januar müssen sich alle Angehörigen der früheren Wehrmacht, SA, SS, SD und NSDAP, welche in Delitzsch ankommen, bei ihr innerhalb von 48 Stunden registrieren lassen. Alle Fragen einer Umsiedlung werden dort sofort entschieden. In diesem Monat ist die Zahl der Flüchtlinge und Umsiedler in der Stadt auf etwa 8.000 gesunken, da inzwischen etliche von ihnen auf die Dörfer verteilt wurden oder zu ihren Angehörigen in die westlichen Besatzungszonen weitergezogen sind. Es konnten in den letzten Wochen die Lager „Weißes Roß", „Nordschlößchen", „Henning-Schrödter-Haus", „Walzenmühle" und „Stadt Berlin" aufgelöst werden. Die dort Untergebrachten wurden in Privatquartiere eingewiesen oder in noch bestehende Lager in der Stadt umquartiert.

1946 Februar
Ab Februar wird das „Verordnungsblatt Ihr den Kreis Delitzsch" ersetzt durch die „Bekanntmachungen für den Kreis Delitzsch, amtliche Mitteilungen der Kreise, Städte und anderen Behörden im Kreis Delitzsch. Herausgegeben mit Genehmigung der russischen Militärregierung." Am 1. Februar eröffnet die Katholische Kirche ein Altersheim mit 45 Plätzen im Nebengebäude der Kirche. Dorthin werden bisher im ehemaligen Kinderspielsaal des Hospitals notdürftig untergebrachte alte Leute verlegt. Bis 3. Februar müssen auf Anordnung der russischen Militärverwaltung alle Skier einschließlich Bindung und Stöcke in der Polizeiwache abgeliefert werden. Zwecks evtl. Rückgabe sind Name und Adresse unlösbar anzubringen. Auf Anordnung der SMAD sind bis 15. Februar sämtliche Luftschutzbunker zu beseitigen. Zu diesem Zweck werden zum Sonntag, dem 3. Februar, 8.00 Uhr, alle ehemaligen männlichen Mitglieder der NSDAP, SS, SA, NSKK und HJ im Alter von 16 bis 60 Jahren für die Beseitigung der Bunker in Delitzsch verpflichtet. Einsatzorte sind: Elberitzplatz, Pestalozzischule, Schloß, Schützenhausplatz, Marienfriedhof, Eisenbahnstraße, Karl-Liebknecht-Straße/EmilKrell-Straße. Hacken, Spaten, Schaufel sind mitzubringen. Bei Nichtbefolgung wird Bestrafung angedroht. Durch die Entlassung von Lehrern wegen ihrer Zugehörigkeit zur NSDAP werden in Kurzlehrgängen sogenannte Neulehrer ausgebildet und in den Schuldienst aufgenommen. Am 4. Februar wird der erste Neulehrerkursus im Festsaal der Oberschule eröffnet. An ihm nehmen 120 Bewerber teil. Er wird in der Pestalozzischule unter der Leitung von Dr. Löwe durchgeführt. hin Februar hat sich die Belieferung der Lebensmittelkarten im wesentlichen stabilisiert. Lediglich bei Butter bestehen noch Engpässe, so daß für Februar und März Butter nur an Kranke mit Berechtigungsschein und an werdende und stillende Mütter ausgegeben werden kann. Auf Empfehlung des Antifa-Blockes wird Dr. Zaar am 11. Februar wieder als ärztlicher Leiter des Krankenhauses eingesetzt. Zu dessen Abteilung gehören: das Krankenhaus in der Dübener Straße, die Infektionsabteilung in der Ludwig-Jahn-Straße (frohere Kindertagesstätte), die Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten in der Elisabethstraße, die neu zu errichtende Baracke im Garten des Krankenhauses. Vom 18. Februar bis 9. März finden im gesamten Kreis Typhus-.Schutzimpfungen für alle Personen im Alter von 6 bis 60 Jahren statt. Es werden Anwärter für die Schutzpolizei der Stadt Delitzsch gesucht. Bewerben können sich alle geistig und körperlich polizeitauglichen Männer bis zu 45 Jahren, die eine ausgedehnte konspirative Tätigkeit gegen das faschistische Regime während der faschistischen Ära nachweisen können. In der Schokoladenfabrik wird die Produktion von Schokoladentafeln aufgenommen. Dieser Produktionsbereich ist eine streng geschlossene Abteilung, und die Produkte sind nicht für den öffentlichen Verkauf bestimmt.

1946 März
Am 4. März wird der Städtische Kindergarten im Hospital eröffnet. Am 15. März erfolgt im RAW die Gründung der Freien Deutschen Jugend. Die FDJ ist die in der SBZ zugelassene Jugendorgansation. Weitere Jugendverbände sind nicht erlaubt. Am 20. März erscheint eine Bekanntmachung des Bürgermeisters, in der die Bevölkerung der Stadt aufgerufen wird, anläßlich des „Kreisparteitages der KPD und SPD" zu flaggen. Dieser findet am 24. März im „Schützenhof` statt. Hier vereinigen sich beide Parteien zu einer marxistisch-leninistischen Partei, die auf dem am 21. April in Berlin stattfindenden Gründungsparteitag den Namen „Sozialistische Einheitspartei Deutschlands" (SED) erhält. Als gleichberechtigte Vorsitzende der vereinten Partei im Kreis Delitzsch werden Otto Geithe (bisher KPD) und Fritz Schwahn (bisher SPD) gewählt. (Der „Schützenhof `wird danach in „Karl-MarxHaus" umbenannt). Die vorgeschichtliche Abteilung des Heimatmuseums wird am 24. März wieder eröffnet. Am 20. März 1946 müssen sich alle Männer im arbeitsfähigen Alter von den Handwerksbetrieben und Geschäften auf Anordnung der Kommandantur auf dem Marktplatz einfinden. Hier wird unter Mitwirkung der Stadtverwaltung und Kommandantur die Aufteilung in einzelne Gruppen vorgenommen ohne Rücksicht auf vorgebrachte Grunde, wie z. B. Betriebs- und Geschaftsschließung. Die einzelnen Gruppen werden zur Demontage der Zuckerfabrik Delitzsch, Kraftwerk Muldenstein, Reichsbahn (Abbau der elektrischen Fahrleitungen) u.a. abkommandiert. Zwischen dem 20. und 24. März werden wieder Rückführungstransporte für die noch in Delitzsch verbliebenen Evakuierten, die aus Berlin und den westlichen Besatzungszonen stammen, zusammengestellt. Am 25. März werden alle Umsiedler aufgefordert, sich einen „Umsiedlerpaß" ausstellen zu lassen. Ohne diesen werden ab 1. April an sie keine Lebensmittelkarten mehr ausgegeben. Der Kreis Delitzsch kann 16 Jugendliche aus den Reihen der werktätigen antifaschistischen Jugend zum Vorsemester zur Vorbereitung auf ein Universitätsstudium entsenden. Zu deren Unterstützung sind drei Stipendien in Höhe von je 1000,00 RM durch die Kreisbehörde gestiftet worden. Am 27. März teilt das Schulamt mit, daß der Religionsunterricht ausschließlich Angelegenheit der Religionsgemeinschaften ist. Damit steht er in keiner Beziehung mehr zum Schulunterricht. Im März bestehen wieder einige Schwierigkeiten bei der Lebensmittelversorgung. So werden teilweise Eier anstelle von Fleisch ausgegeben.

1946 April
Anfang April bleibt die Versorgungslage weiterhin angespannt. Die Belieferung mit Fleisch, Fett und Marmelade für die 1. Dekade bleibt vorerst gesperrt. Es wird auf einen späteren Aufruf hingewiesen. In der 3. Dekade gibt es nur zwei Drittel der vorgesehenen Fleischmenge. Aus Anlaß der Übergabe des Jugendheimes im Gebäude Schloßstraße 30 an die FDJ, findet am 3. April eine Jugendkundgebung mit anschließendem Fackelumzug statt. Vom Kreisausschuß des Hilfswerkes der Provinz Sachsen werden wieder Geld- und Sachsammlungen für Umsiedler und Heimkehrer durchgeführt. Die Straßenbeauftragten überprüfen bei der Ausgabe der Lebensmittelkarten für den nächsten Monat, ob alle Personen von 6 bis 60 Jahren zur Typhusschutzimpfung gewesen sind. Wer keinen Impfschein vorlegen kann, erhält keine Lebensmittelkarten. Die Gasversorgung ist immer noch nicht gesichert. Im April wird sie auf die Zeiten von 5.00 bis 7.00 Uhr, 11.00 bis 13.00 Uhr und 18.00 bis 19.00 Uhr beschränkt. Die noch immer verbliebenen Evakuierten aus den westlichen Besatzungszonen können sich in bestimmten zentralen Sammellagem für den Rücktransport melden. Dagegen wird für die aus dem Osten stammenden Umsiedler, welche vor dem 1. März in der sowjetischen Zone gemeldet sind, die Grenze nach dem Westen geschlossen. Ausnahmen gelten nur, wenn der Ernährer der Familie jetzt im Westen gefunden wurde und von dort eine Zuzugsgenehmigung vorliegt. Am 26. April findet in der Oberschule im Beisein von Schulrat Schwahn und Jugendamtsleiter Fritz Schirmer eine Elternversammlung unter dem Thema „Bleibt die Schule oder nicht` statt, da bei einigen Schülern eine reaktionäre Einstellung vermutet wird. Im Auftrage des Landrates gibt der Leiter der Wirtschaftsabteilung Dr. Schmidt bekannt, daß bis 30. April sämtliche Betriebe einschließlich Handwerk, Gewerbe und Einzelhandel, die der politischen Kontrolle und Säuberung unterliegen, Fragebögen auszufüllen haben. Die Sequestration erstreckt sich auf weitere Unternehmen, so die Bäckerei Karte, die Zigarrenfabrik Krombholz, die Buchdruckereien Günther und Walter, die Textilgeschafte Freitag und Hintzehnann, das Kolonialwarengeschäft Ufer und die Schlosserei Mietzsch. Aufgrund einer Verordnung des Präsidenten der Provinz Sachsen sind alle Pachtverträge über kleingärtnerisches Land, deren Pächter als Naziaktivisten eingestuft sind, vom Verpachter zu kündigen.

1946 Mai
Der 1. Mai ist zum offiziellen Feiertag erklärt worden. Am Vorabend wird von Kindern und Jugendlichen ein Fackelumzug durchgeführt. Am Feiertag findet ein Umzug durch die Stadt mit einer anschließenden Kundgebung auf dem Markt statt, auf der Landrat Otto Herrmann, Bürgermeister Richard Hampe und ein Vertreter der Gewerkschaft Ansprachen halten. Nachmittags finden Volksbelustigungen und Sportveranstaltungen statt. Am 8. Mai erscheint eine Bekanntmachung, daß gemäß einer Anordnung der SMAD in diesem Monat eine Registrierung der Bevölkerung erfolgt. In einer weiteren Anordnung der SMAD wird veröffentlicht, daß für Reisen von einer Provinz in eine andere innerhalb der sowjetischen Besatzungszone eine Genehmigungspflicht eingeführt wird. Reisen in die westlichen Besatzungszonen werden grundsätzlich untersagt. Für die Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft wird beim Landratsamt ein Referat für entlassene Kriegsgefangene eingerichtet. Diese müssen sich dort melden und anschließend bei der russischen Kreiskommandantur registrieren lassen. Auf Befehl der hiesigen Kreiskommandantur dürfen Umsiedler, die bereits in anderen Kreisen und Provinzen aufgenommen worden sind, nicht in den Kreis Delitzsch umziehen. Am 13. Mai wird der zweite Kindergarten im Seitengebäude des Schlosses (heute naturgeschichtlicher Ausstellungsraum im Schloß) eröffnet. Nachdem bereits zu Beginn des Monats ein Aufruf des Amtes für Volksbildung beim Landrat zum Aufbau eines Volkschores erschienen ist, wird Mitte des Monats bekanntgegeben, daß das Kulturamt die Gründung eines Laientheaters beschlossen hat. Alle in Delitzsch wohnhaften Personen, die dort aktiv mitwirken wollen, werden gebeten, sich zu melden. Bei einer Entwicklung auf ein entsprechendes Niveau ist daran gedacht, es später als „Städtische Bühnen" zu führen. Ende des Monats wird erneut darauf hingewiesen, daß wegen der Gefahr eines Befalls mit Kartoffelkäfern alle Felder genauestens abzusuchen sind. Seit diesem Monat ist die Lebensmittelversorgung auf Karten nun prinzipiell gesichert. Lediglich bei Fleisch gibt es weiterhin zeitweise Probleme. Es werden dann ersatzweise Eier, Quark oder Käse abgegeben. Am 31. Mai wird von der Regierung die Abwicklungsstelle der Stadtverwaltung Rawitsch, (ehemals Warthegau, Stadt in der Provinz Posen), die Anfang 1945 im Zuge der Evakuierung bei Herannahen der Ostfront nach Delitzsch verlagert worden war, aufgelöst. Der bereits Ende des Vorjahres begonnene Umbau der kleinen ehemaligen katholischen Kirche zu einem Kinderheim wird vollendet. Es erhält den Namen „Adolf Baeseler-Heim" und ist für die Versorgung von 30 elternlosen Kindern eingerichtet.

1946 Juni
Der Mangel an Textilien hat eine große Nachfrage nach Igelit-Erzeugnissen (Igelit, ein Polymerisations-Produkt des Vinylchlorid, ein Kunststoff) zur Folge. Um diese zu steuern, werden ab 11. Juni die IgelitSchuhe, -Mäntel und -Umhänge und Schürzen nur noch gegen Sonderbescheinigungen abgegeben. Weiterhin wird zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Schuhreparaturen angeordnet, daß sich alle versorgungsberechtigten Personen bis 20. Juni unter Vorlage der Lebensmittelkarte bei einer Schuhreparaturwerkstatt anzumelden haben. Dort wird durch einen Stempelaufdruck die Annahme des Kunden bescheinigt. Es wird die Einrichtung der „Volkshochschule Delitzsch" angekündigt. Meldungen werden ab Mitte des Monats angenommen, die Eröffnung der Volkshochschule ist für den 1. Oktober 1946 vorgesehen. Auf Befehl der SMA Halle wird bis 16. Juni eine personelle Registrierung aller in Delitzsch untergebrachten Umsiedler vorgenommen.

1946 Juli
Am 12. Juli kommt wieder ein Umsiedlertransport, diesmal aus Brüx (Sudetenland) und Umgebung in der Stadt an. Die Umsiedler werden auf verschiedene Quartiere verteilt. Es erscheint eine Anweisung, nach der die bei der Demontage von elektrischen Kabelleitungen (elektrifizierte Reichsbahnstrecken) Beschäftigten statt bisher als „Schwerstarbeiter“ nunmehr als „Schwerarbeiter“ eingestuft werden. Am 15. Juli findet eine öffentliche Versammlung im „Karl-Marx-Haus" statt, in der Landrat Herrmann über das Thema „Ein Jahr Neuaufbau" spricht. Vom 21. bis 27. Juli findet eine Gesundheitswoche statt. Dazu werden im „Lindenhof` Vorträge von Delitzscher Ärzten u. a. über Kinderkrankheiten, drohende Seuchengefahr lind über die Tuberkulosegefahr gehalten. Am 21. Juli verstirbt der Ärztliche Direktor des Krankenhauses, Dr. Zaar. In einem Nachruf würdigt der Bürgermeister Richard Hampe seinen selbstlosen Einsatz bei der Führung des Krankenhauses unter den erschwerten Nachkriegsbedingungen. In den Delitzscher Betrieben finden wie überall in der Provinz Sachsen in der Zeit vom 22. bis 28. Juli „Betriebsratewahlen"statt. Am 28. Juli werden anläßlich des 75jährigen Bestehens des Stadtparks mehrere Veranstaltungen durchgeführt. Der Mittelschullehrer Horn hält in der Aula der Oberschule einen Vortrag über die Geschichte des Stadtparks. Anschließend findet eine Führung statt, und im Stadtpark musizieren das Städtische Orchester und der Volkschor. Am 29. Juli beantragt der Betriebsleiter der Zuckerfabrik Delitzsch, Aumüller, den Einhalt der Demontagen, was jedoch nicht erfolgt. (Die Produktionsmenge der Zuckerfabrik vor der Demontage betrug 20.000 t Zucker, 50.000 t Naßschnitzel, 2.500 t Trockenschnitzel, 8.000 t Trockenrüben, 2.000 t Trockenblatt und 4.000 t Melasse.) Der Landrat erläßt am 30. Juli einen Aufruf an die Bürgermeister und die Ortsausschüsse des Hilfswerkes der Provinz Sachsen. Danach kehren in der ersten Rate der aus Rußland entlassenen Kriegsgefangenen 32.000 in die Provinz Sachsen zurück, von denen ein großer Teil krank und pflegebedürftig ankommt. Nach Ablauf einer 14tägigen Quarantäne in den Lagern Korbin oder Torgau werden sie entlassen. Davon werden die Angehörigen benachrichtigt, die aufgefordert werden, nach dort einen vollständigen Entlassungsanzug (Ober- und Unterbekleidung) und etwas Taschengeld zu schicken. Für heimatlose Heimkehrer werden Geld- und Bekleidungsspenden erbeten. Für die am B. September stattfindende Wahl zur Stadtverordnetenversammlung wird ein Wahlausschuß unter der Leitung des z. Bürgermeisters Gotthold Pohle gebildet. Am 31. Juli erläßt der Landrat einen Aufruf an die Bevölkerung zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten mit der Bitte um Verständnis für die zu ergreifenden verschärften Maßnahmen. So werden ab sofort regelmäßig Razzien in Gaststätten, Kontrollen in „Häusern mit lebhaftem Männerbesuch" und allmonatliche Untersuchungen auf Geschlechtskrankheiten aller Personen, die im Lebensmittelhandel und in der Lebensmittelproduktion, in Gaststätten, im Friseurgewerbe, in Kinos, Badeanstalten und in Wäschereien arbeiten, durchgeführt. Bei Verstößen gegen die gesetzlichen Bestimmungen werden hohe Strafen angekündigt. Ende des Monats wird ein Aufruf von der Vorsitzenden des AntifaFrauenausschusses Schneemann veröffentlicht. Danach finden jeweils dienstags und donnerstags von 15.00 bis 18.00 Uhr für Kinder von 6 bis 10 Jahren auf dem Elberitz-Sportplatz Spiele statt. Anschließend gibt es Milch zu trinken. In diesem Monat bereiten sich die Parteien auf die Wahlen vor. Die Gemeindewahlen sind für den B. September und die Landtags- und Kreistagswahlen für den 20. Oktober angesetzt. Es werden Wahlversammlungen durchgeführt, in denen sich die Kandidaten vorstellen.

1946 August
Am 10. und 11. August wird vom Kreisausschuß Delitzsch des Hilfswerkes der Provinz Sachsen eine Sammlung für die in der nächsten Zeit zurückkehrenden Kriegsgefangenen, die Heimat, Haus und Hof, oftmals auch die Angehörigen, verloren haben, durchgeführt. Am 21. und 22. August findet die Abschlußprüfung für 120 Teilnehmer des Neulehrerkurses statt. Die Schüler der Oberschule führen am 23. August eine Kartoffelkäfersuche wegen der Gefahr eines stärkeren Befalls durch. Die Fachschaft Einzelhandel schlägt am 25. August folgendes vor: Schließung der Möbeltischlerei Ehricke (Eilenburger Straße) und der Drogerie Holland (Breite Straße), zur Übergabe an die Konsumgenossenschaft. Die Textilgeschäfte Hintzehnann (Breite Straße) und Freitag (Markt) sowie das Zigarrengeschäft Salmann (Eilenburger Straße). Die Färberei Boenki (Lauesche Straße) soll mit einem Antifaschistenals Betriebsleiter besetzt werden. Nicht geschlossen werden soll der Betrieb des Bierverlegers Dietrich (Elisabethstraße).

1946 September
In einem Bericht vom 2. September werden die Ergebnisse im Kampf gegen Schwarz- und Schleichhandel, Schieber und Hausierer im 1. Halbjahr bekanntgegeben, die durch das Amt für Handel und Versorgung im Kreis in Zusammenarbeit mit den Polizeiorganen, verstärkt durch ehrenamtliche Kräfte der SED, erzielt wurden. Die beschlagnahmten Waren wurden der öffentlichen Bewirtschaftung zugeführt bzw. verderbliche Lebensmittel an Krankenhäuser, Altenheime und Kinderheime verteilt. Die beim Verkauf erzielten Erlöse werden der Kreiskasse zugeführt. Am 4. September ergeht ein Aufruf vom Bürgermeister Hampe, unbenutzte Kochherde oder Öfen leihweise Umsiedlem zur Verfügung zu stellen. In Delitzsch sind derzeit 600 Umsiedlerfamilien ohne Heiz- und Kochgelegenheit. Das wichtigste Ereignis des Monats ist die Stadtverordnetenwahl vom 8. September. Das amtliche Ergebnis:

Wahlberechtigte:

15.889 Personen

 

Abgegebene Stimmen:

14.374

 

Gültige Stimmen:

13.821

 

Ungültige Stimmen:

 

553

Wahlbeteiligung:

 

90,4 %.

       

Sitze in der Stadtverordnetenversammlung:

SED

12

(5.511 Stimmen 40,8 %)

LDP

11

(5.133 Stimmen 37,1 %)

CDU

7

(3.051 Stimmen 21,8 %)

AFA (Antifa. Frauenausschuß)

 

 

126 Stimmen

Die Stadtverordneten sind:
SED: Hermann Gebhardt, Gustav Westram, Gerhard Hörnke, Walter Leisch, Hedwig Schlenkrich, Paula Waletzko, Margarete Teichert, Edgar Schwerin, Georg Hanoschek, Emil Sachse, Otto Müller, Rudi Herrmann.
LDP: Karl Böttcher, Dr. Wilhehn Mischen, Annemarie Bär, Reinhold Müller, Walter Krebs, Dr. Gerhard Schmidt, Hermann Scharf, Johann Wagner, Max Letsch, Rudolf Leutelt, Erich Richter.
CDU: Alfred Nickisch, Andreas Eichstädt, Helmut Eßmann, Heinz Kloß, Richard Weitze, Elisabeth König, Hans-Georg Löser (anstelle des im gleichen Monat wegen Krankheit ausgeschiedenen Franz Krettek).
Am 7. September teilt der Landrat des Kreises Delitzsch dem Bürgermeister Delitzsch als Ortspolizeibehörde folgendes mit: „Auflösung des Tennissportvereins Delitzsch - Die Auflösung erfolgte gemäß SMAD-Befehlen 124/125 vom 31.10.1945. Danach wurden die Vermögenswerte des Tennissportvereins konfisziert. Der Verein wurde von der FDJ übernommen. Der Landrat erhält von der Stadtverwaltung Delitzsch den Bericht zur „Auflösung des Tennissportvereins Delitzsch, worin steht: „Gegen die endgültige Überlassung der in meinem Bericht vom 14. des Monats genannten Baulichkeiten und Inventarstücke des Tennissportvereins Delitzsch an die Sparte Tennis der Freien Deutschen Jugend bestehen hier keine Bedenken." Am 18. September wird die Zusammensetzung des Wahlausschusses der Stadt Delitzsch für die Kreistags- und Landtagswahlen unter dem Vorsitz des bisherigen zweiten Bürgermeisters Gotthold Pohle mitgeteilt. Im Antifa-Ausschuß sind die vier antifaschistisch-demokratischen Parteien gleichberechtigt vertreten. in den ersten Monaten läuft die Zusammenarbeit, vor allem auf örtlicher Ebene, meist recht vertrauensvoll. Im Herbst gibt es jedoch bei der Vorbereitung der Wahlen schon einige Mißhelligkeiten zwischen den beiden bürgerlichen Parteien einerseits und der SED andererseits. So schreibt Hermann Scharf, Vorsitzender der LDP ein 17. September in einem Bericht an die russische Kommandantur: „... Wir setzen dabei aber voraus, daß im kommenden Wahlkampf, bei den Kreistags- und Landtagswahlen, mit fairen Mitteln gekämpft wird, wie es immer bei uns der Fall war und daß solche Gehässigkeiten, wie sie in einem am Abend vor der Wahl verbreiteten Flugblatt erbracht wurden, die mit der Würde einer so großen Partei, wie die SED, nicht vereinbar sind, künftig unterbleiben. Auch erbitten wir die Hilfe der Kommandantur." Am 1. Oktober übernimmt Dr. Burkhardt die ärztliche Leitung des Krankenhauses.

1946 Oktober
Am 4. Oktober findet die erste Sitzung der Stadtverordnetenversammlung im Rathaussitzungssaal statt. Damit ist nach 12 Jahren faschistischer Herrschaft wieder eine Gemeindevertretung in freier und geheimer Wahl gewählt worden. Bei diese konstituierenden Sitzung werden die Stadtverordneten durch Richard Hampe, der weiterhin Bürgermeister bleibt, in ihr Amt eingeführt und durch ihn verpflichtet. Bei der Wahl des Vorstehers der Stadtverordneten erhält Hans-Georg-Löser (CDU) 17 Stimmen, eine ist ungültig. Da aber die SED als stärkste Partei den Anspruch auf den Vorsitz erhebt, wird die Bestätigung des Stadtverordnetenvorstehers bis zum Vorliegen endgültiger Richtlinien verschoben. Vom 18. bis 21. Oktober können sich Eltern oder Angehörige, deren Kinder in den polnisch besetzten Gebieten zurückgeblieben sind, zwecks Ermittlung für eine spätere Rückführung im Rathaus beim Umsiedlerbetreuungswerk melden. Die Wahl am 20. Oktober erbrachte für den Kreistag folgendes Ergebnis:

Stimmberechtigt:

75.855

Abgegebene Stimmen:

71.419

Gültige Stimmen:

66.271

Ungültige Stimmen:

5.148

Wahlbeteiligung:

94,15 %

Die Stimmen erhielten:

SED

27.778

(41,92%)

22

Sitze

LDP

21.599

(32,59%)

16

Sitze

CDU

15.010

(22,65%)

11

Sitze

VdgB

1.184

( 2,84 %)

1

Sitz

Die Kreistagsabgeordneten aus der Stadt Delitzsch sind:
SED: Fritz Schwahn, Paul Buhle, Albin Schneider, Otto Geithe, Martha Bauer, Richard Hampe, Anna Kramann
LDP: Dr. Wilhelm Mischon, Herbert Meißner, Gertrud Michaelis, Werner Bülow
CDU: Dr. Georg König, Georg Hübner
Landtagsabgeordneter wird Hermann Scharf (LDP).
Bei der Sitzung der Stadtverordneten am 23. Oktober werden aufgrund der nun vorliegenden Richtlinien gewählt:

Stadtverordnetenvorsteher:

Walter Leisch

(SED)

1. Stellvertreter:

Erich Richter

(LDP)

2. Stellvertreter u. Schriftführer:

Richard Weitze

(CDU)

besoldete Stadträte:
Karl Böttcher       (LDP), gleichzeitig z. Bürgermeister
Gotthold Pohle    (SED)
unbesoldete Stadträte:
Dr. Kurt Hoyer     (LDP)
Otto Müller           (SED)
Afred Nickisch     (CDU)
Richard Weitze    (CDU)
Weiterhin werden in den Verfassungsausschuß (später auch Verwaltungsausschuß genannt) einstimmig gewählt:
SED:      Hedwig Schlenkrich, Walter Leisch, Rudi Herrmann
LDP:      Arno Klang, Albin Pscheidl, Walter Krebs
CDU:     Hans-Georg Löser, Helmut Eßmann
Den Vorsitz übernimmt Rechtsanwalt Arno Klang, Schriftführerin wird Hedwig Schlenkrich. Am 31. Oktober werden durch die Stadtverordnetenversammlung weitere Ausschüsse gebildet: Finanzausschuß (8 Mitglieder), Wohnungsauschuß (8 Mitglieder), Handel und Versorgung (8 Mitglieder), Wohlfahrtsausschuß (5 Mitglieder), Gesundheitswesen (8 Mitglieder), Wasserwerk (5 Mitglieder), Bauausschuß (8 Mitglieder), gärtnerische Anlagen (5 Mitglieder), Schulausschuß (8 Mitglieder). Am 29. Oktober wird eine Volks- und Berufszählung im Kreis Delitzsch durchgeführt. Die Böhme AG weist im Oktober 163 Beschäftigte auf. Der Produktionsplan für das III. Quartal beträgt 95 t Süßwaren, 85 t Eiweißnährmitteln und 48 t Süßwaren für die russische Handelsverwaltung. Für die Einkellerungsperiode vom 1. November 1946 bis 31. Juli 1947 werden pro Person 100 kg Kartoffeln bereitgestellt.

1946 November
Am 9. November findet in den „Capitol-Lichtspielen" eine „Kreislandvolktagung" statt. Allen Bürgermeistern sowie Funktionären und den drei Delegierten der VdgB wird durch Anordnung des Landrates die Teilnahme zur Pflicht gemacht. Bis 13. November müssen die Namen der ehemaligen Wehrmachtsangehörigen, die amtlich als „vermißt" bezeichnet sind, im Rathaus gemeldet werden. Diejenigen Wehrmachtsangehörigen, von denen seit Jahren lediglich keine Nachricht vorliegt, gelten noch nicht als „vermißt". Bei der Tagung der Stadtverordnetenversammlung am 14. November wird beschlossen, daß die Bauarbeiten in der „Luftwaffensiedlung" zu Ende geführt werden sollen. Die Delitzscher Tischler haben sich bereit erklärt, die Umsiedler mit dem unbedingt notwendigen Mobiliar (Schrank bis zu 120, RM, Tisch bis zu 50, RM, Hocker bis zu 8, RM) zu versorgen, soweit das erforderliche Material vorhanden ist. Die Fleischschnitte der III. Dekade aller Gruppenkarten werden Ende November/Anfang Dezember mit Fisch beliefert.

1946 Dezember
Den im Herbst des Jahres aus der Schule entlassenen Jugendlichen, die ohne Beschäftigung sind und das Ziel der Volksschule (8. Klasse) nicht erreicht haben, wird die Möglichkeit geboten, ein 9. Schuljahr zu durchlaufen. Am 12. Dezember wird in der „Goldenen Kugel", Grünstraße, eine Wärrnehalle für Umsiedler eröffnet. Die Emwohnerstatistik für 1946, als Ergebnis der Volkszählung, weist aus: Ständige Bevölkerung: 16.934 (d. h. Einheimische) Wohnbevölkerung: 25.053.

1946 Zusammenfassung des Jahres
Wie überall in Deutschland, so beeinträchtigen die Kriegsfolgen weiterhin das gesamte öffentliche Leben und das Befinden jedes einzelnen Bürgers unserer Stadt. Insbesondere am Jahresanfang gibt es zeitweise noch große Probleme bei der Belieferung der Lebensmittelkarten. Durch Schwarzhandel und Tauschgeschäfte, aber auch durch Diebstahl wird versucht, die kargen Rationen aufzubessern. Das trifft auch auf die Versorgung mit Bekleidung, Möbeln und fast allen Artikeln des täglichen Bedarfs zu. Alle Produkte unterliegen einer Erfassung und Rationierung. Nichterfüllung des Ablieferungssolls landwirtschaftlicher Erzeugnisse oder Verkauf unter der Hand von Artikeln, die der Bewirtschaftung unterliegen, werden mit Gefängnis, Geldstrafen oder Entzug der Gewerbegenehmigung bestraft. Die Kohleversorgung ist ebenfalls ungenügend. Um dieser Not abzuhelfen, wird die schon lange stillgelegte „Grube Ludwig" bei Petersroda zur Eigenversorgung freigegeben. Da dieser Alttagebau nicht gesichert ist, gibt es dort des öfteren Unfälle. In der kalten Jahreszeit sind Diebstähle von Kohlen aus Eisenbahnzügen an der Tagesordnung. Besonders kritisch ist die Situation bei den Flüchtlingen und Heimatvertriebenen, damals „Umsiedler" genannt. Die Flüchtlinge mußten vor der näher rückenden Front den Aufufen der NS-Funktionäre folgend, ihren Wohnsitz verlassen. Im Laufe des Jahres treffen weiterhin Transporte, einige aus Schlesien und den anderen Ostgebieten ein, die meisten aber aus dem Sudetenland ein. Die Ausweisung aus ihrer Heimat erfolgt aufgrund der Beschlüsse aller Siegermächte. Außer Handgepäck dürfen sie nichts mitnehmen, so daß es ihnen an fast allem mangelt. Anfangs meist in Sammellagern untergebracht, werden sie nach und nach in Privatquartiere eingewiesen. Oft muß eine mehrköpfige Familie in einem Raum wohnen. Die wachsende Zahl der Heimkehrer, in diesem Jahr in größerem Maße aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft, verursacht weiter Versorgungsprobleme. (An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß in den Veröffentlichungen des amtlichen Bekanntmachungsblattes meist von der „russischen" Militärverwaltung die Rede ist, während die Bezeichnung „sowjetisch" hauptsächlich bei der obersten Militäradministration (SMAD) verwendet wird). Die Betriebe in der Stadt arbeiten zwar alle wieder, aber die ständigen Materialschwierigkeiten erfordern ein hohes Improvisationsvermögen, um wenigstens einigermaßen einen kontinuierlichen Produktionsablauf sichern zu können. Die Säuberung der Verwaltung sowie der Staatsbetriebe (wie Reichsbahn und Post) und damit die Entlassung fast aller ehemaligen NSDAP-Mitglieder, war schon im Vorjahr abgeschlossen. Jetzt läuft die Überprüfung der privaten Wirtschaft und aller Selbständigen durch den Antifa-Ausschuß an. Den als sogenannte Naziaktivisten Eingestuften wird die Weiterführung des Betriebes bzw. Gewerbes untersagt. Die erste demokratische Wahl für die Stadtverordnetenversammlung findet statt. In diesem Jahr wird viel getan, um das kulturelle Leben in der Stadt zu entwickeln. Davon zeugen die Gründung des Volkschores, eines Laientheaters und eines Stadtorchesters. Im geselligen Leben, besonders auf den Tanzsälen, herrscht nach der bedrückenden Kriegszeit ein großer NachholbedarL Die demokratische Schulreform öffnet vielen Kindern aus der Arbeiterschaft den Weg in die höheren Schulen, auch wird deren Studium an einer Universität gefördert. Die Volkshochschule nimmt ihre Tätigkeit auf. Der im Krieg unterbrochene Wohnungsbau an der Eilenburger Chaussee wird für die Mitarbeiter des Ziehwerkes fortgesetzt (Anna-Seghers-Straße). Der in den letzten Kriegstagen zerstörte Berliner Bahnhof (Unterer Bahnhof) wird wieder aufgebaut. Der Bau der Gewerblichen Berufsschule wird vorbereitet, und die Stadtverordneten beschließen den Weiterbau der „Luftwaffensiedlung". Mit den Bauarbeiten wird allerdings noch nicht begonnen. Im allgemeinen hat sich das Leben der meisten Einwohner der Stadt bis auf die immer noch andauernden Versorgungsprobleme - vor allem bei der Ernährung und Versorgung mit Heizmaterial - im Laufe des Jahres erträglicher gestaltet, wenn auch noch lange nicht von normalen Lebensverhältnissen gesprochen werden kann.


1947

1947 Januar
In der Stadtverordnetenversammlung am 14. Januar wird das Präsidium neu gewählt. Es hat folgende Zusammensetzung:
Vorsitzender:       Herr Leisch           (SED)
l. Stellvertr.:          Herr Richter         (LDP)
2. Stellvertr.:         Herr Weitzke        (CDU)
Schriftführer:       Herr Dietrich        (CDU)
Neben der Beratung und Beschlußfassung des Haushaltsplanes, (in Höhe von 4.040.400 RM), steht die aufgrund des langen und strengen Winters äußerst prekäre Kohleversorgung im Mittelpunkt der Diskussion. Pro Haushalt (bzw. Doppelabschnitt) kann nur 1 Ztr. Knorpelkohle, pro Einzelabschnitt nur 25 kg abgegeben werden. Daher hat die Sicherung der Versorgung der Bevölkerung absoluten Vorrang. Neben Verboten der Beheizung von nicht lebenswichtigen Einrichtungen werden Maßnahmen zur sparsamen Verwendung von Heizmaterial und zum Unterbinden von Diebstählen getroffen. In diesem Zusammenhang werden neue Stromsperrzeiten und die Reduzierung der Öffnungszeiten der Geschäfte auf die Zeit des Tageslichtes, Lebensmittelgeschäfte z. B. an mehreren Tagen nur bis 16.30 Uhr, angeordnet. Schwierigkeiten gibt es auch wieder bei der Fleischversorgung. So werden in der 2. Dekade für 50 g Fleisch, 3 Stück Käse oder 200 g Quark ausgegeben. Bei einer weiteren Sitzung der Stadtverordneten wird ein Ausschuß für kulturelle Angelegenheiten und ein Steuerausschuß gebildet sowie das Schlämmen des Stadtgrabens und seine Neufüllung im Laufe des Jahres beschlossen. Am 30. Januar beschließt der Gesundheitsausschuß in Abstimmung mit dem Kreisarzt Dr. Kurtzhalß die Einrichtung einer Inneren Abteilung des Städtischen Krankenhauses (in der Nebenstelle Ludwig-JahnStraße). Die „Bekanntmachungen für den Kreis Delitzsch" erscheinen. Herausgeber ist das Landratsamt. Sie bringen aktuelle lokale Nachrichten, Verordnungen und Verhaltensweisen für die Bevölkerung.

1947 März
In der 1. Dekade kann Butter lediglich an Kinder bis zu fünf Jahren ausgegeben werden, die übrigen Versorgungsberechtigten erhalten statt dessen Schlachtfette. Zur Vorbereitung weiterer Hilfsaktionen für Umsiedler und heimatlose Heimkehrer findet am 1. März eine Versammlung aller Straßenbeauftragten und Helfer aus der Stadt im Schützenhof (später KarlMarx-Haus) statt. Am 10. März geht aus dem Ortsfrauenausschuß, der seit Dezember 1945 besteht, die Ortsgruppe des DFD hervor. Mitte März überschwemmt das in diesem Jahre außergewöhnlich starke Frühjahrshochwasser erhebliche Flächen entlang des Lober. Davon betroffen sind das Elberitzbad und der dortige Sportplatz, die Loberstraße bis in die Karl-Liebknecht-Straße/Eingang Stakenweg, die Anlagen der Gärtnerei Söhner an der Loberbrücke, die Stadtmühle und der Wallgraben bis zur Oberschule stehen unter Wasser. Am 18. März wird dadurch die „Schiefe Brücke" (Holzstraße) beschädigt und muß gesperrt werden. An den überschwemmten Gebäuden entstehen teilweise erhebliche Schäden. Männer aus Delitzsch werden zum Arbeitseinsatz nach Löbnitz verpflichtet. Dort ist die Mulde über das Ufer getreten. Im Kreis Delitzsch ergibt sich nach der erfolgten Entnazifizierung in Verwaltung und Werkschaft ein Personalstand von:

 

ges. Pers.

 

Entlassene PG

 

nicht entlassene

 

 

Mai 1945

 

ehemal. PG

 

Verwaltung

1035

 

431

 

46

Industrie

2506

 

344

 

197

Handel

90

 

1

 

12

Handwerk

1423

 

47

 

131

SAG-Betriebe

1271

 

17

 

117

Stadtverwaltung Delitzsch

238

 

65

 

13

Das RAW Delitzsch ist in dieser Aufstellung nicht enthalten. Bei der Versorgung mit Lebensmitteln gibt es wieder Probleme. So wird anstelle von Fleisch in der 3. Dekade Fisch und anstelle von Nährmitteln Bratlingspulver ausgegeben. Am 28. Februar kündigt der Schulrat Poltersdorf einen neuen Ausbildungslehrgang für Schulamtsbewerber (Neulehrer) an, der in Halle/ Saale für die Dauer eines Jahres eingerichtet werden soll. Ebenfalls an diesem Tag teilt der Leiter des Amtes für Volksbildung Fritz Schwahn eine Entscheidung der Landesregierung mit, nach der Zeitschriften aus den westlichen Zonen nicht in Volksbüchereien und Leihbüchereien eingestellt werden dürfen. Ende des Monats werden noch bestehende Einschränkungen von Dienststunden bei den öffentlichen Einrichtungen, die infolge des Kohlenmangels angeordnet worden waren, aufgehoben. Der Volkschor kann nun wieder seine Übungsstunden in der Oberschule aufnehmen. Ab jetzt laufen die offiziellen Bezeichnungen der kommunalen Körperschaften:

für den Landkreis:

Der Kreisrat

für die Stadt:

Der Rat der Stadt

für die Gemeinde:

Der Gemeinderat

Die Behördenleiter können ihre bisherige Bezeichnung (Landrat, Bürgermeister, Gemeindevorsteher) als Einzelperson weiterführen.

1947 April
Für die erste Dekade April kann erstmalig im Jahr 1947 eine vollständige Belieferung der Lebensmittelkartenabschnitte erfolgen. Es ist sogar möglich, anläßlich des Osterfestes eine Sonderzuteilung auszugeben, und zwar 400 g Zucker oder Süßwaren, 300 g Käse oder 400 g Quark, 500 g Fruchtsaft oder Obstkonserven. Am 11. April wird vom Amt für Volksbildung darauf hingewiesen, daß die kirchliche Erbauungs- und Unterweisungsarbeit nur in kirchlichen Räumen durchgeführt werden soll. Bei Benutzung gemieteter Räume sind die örtlichen Behörden darüber zu informieren. Die Arbeit darf sich ausschließlich auf die religiöse und kirchliche Betreuung der Jugendlichen beziehen. Jede andere Betätigung, sei es politischer, kultureller, unterhaltender oder sportlicher Art, ist der FDJ vorbehalten. Diese ist die alleinige Jugendorganisation, die innerhalb der sowjetischen Besatzungszone von der SMAD zugelassen ist. Am 13. April wird eine Ortsgruppe der „Verfolgten des Naziregimes" und anerkannter „Opfer des Faschismus" in der Gaststätte „Elberitzmühle" gegründet. Am 14. April findet die konstituierende Sitzung des Stadt-Antifa-Ausschusses statt.

Vorsitzende:

Herr Böttcher

(LDP)

 

Herr Nickisch

(CDU)

 

Herr Pohle

(SED)

Zwischen den drei Vorsitzenden findet ein vierwöchentlicher Wechsel in der Ausübung des Amtes statt. Einschließlich des Vorsitzenden stellt jede der Blockparteien zwei Mitglieder. FDJ, OdF, Kulturbund, VdgB, FDGB, antifaschistischer Frauenausschuß je ein Mitglied. Außerdem gehört noch der Bürgermeister dazu. Stimmrecht haben nur die Vertreter der drei Blockparteien. Beschlüsse besitzen nur bei Zustimmung der drei Parteien Gültigkeit. Bei Unstimmigkeiten werden diese an den Kreisantifa-Ausschuß weitergeleitet. Nachdem es am Jahresanfang zwischen den Blockparteien einige Unstimmigkeiten über die Person des Landrates gegeben hatte, kann die Amtseinführung der gewählten Kreisräte erst am 16. April erfolgen. Sie übernehmen folgende Dezernate: Otto Hermann - Landrat - Hauptverwaltung, Volksbildung, Bauwesen Herbert Meißner - stellv. Landrat - Finanzwesen
Helmut Fischer, stellv. Landrat         - Handel und Versorgung
Paul Buhle           - Kreisrat               - Fürsorge und Gesundheitswesen
Otto Wagner        - Kreisrat               - Landwirtschaft
Fritz Hülßmann   - Kreisrat               - Wirtschaft und Verkehr
Richard Weitze    - Kreisrat               - Arbeitsamt.
Als Abschluß der in diesem Monat laufenden Sammlungen von Sachspenden für Umsiedler und heimatlose Heimkehrer findet am 27. April eine Großaktion statt. In der Stadtverordnetenversammlung am 29. April beantragt die SEDFraktion die Einrichtung eines Kindergartens. Die CDU-Fraktion beantragt, bei den vorgesehenen Behörden vorstellig zu werden. Die Stadt ist sehr stark überbelegt. Für jeden Einwohner stehen nur 5,2 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung, während die Bewohner der benachbarten Städte über 8,2 m' je Einwohner verfügen.

1947 Mai
Die im Januar auf Grund eines Antrages der SED-Fraktion gebildete Kohlekommission hat nunmehr erreicht, daß die Stadt die Genehmigung zum Abbau von Kohle aus der Grube „Ludwig" bei Petersroda erhielt. Damit besteht Aussicht, daß der enorme Kohlemangel des vergangenen Winters sich nicht wiederholen wird. Jeglicher wilder Abbau ist wenige Tage vorher verboten worden. Am 9. Mai kündigt der Kreisrat strengste Bestrafungen bei Obstbaumdiebstählen an, die sich in der letzten Zeit gehäuft haben. Gartenbesitzer haben bei Kontrollen den Nachweis über den Erwerb ihrer Obstbäume zu erbringen. Am 23. Mai wird das Betreten der Felder und Fluren in der Zeit von 12.00 bis 14.00 und 19.00 bis 6.00 Uhr sowie sonntags bis auf weiteres verboten. Die Häuser der Ludwig-Lahn-Straße werden für die sowjetische Besatzungsmacht geräumt. Offiziere mit ihren Familien beziehen diese Häuser. Die bisherigen Einwohner in der Ludwig-Jahn-Straße werden umquartiert, so in das Grundstück Am Wallgraben 516. (Erst Ende 1949 nach erfolgter Auflösung der sowjetischen Kommandantur in der Dübener Straße 20, werden die Wohnungen in der Ludwig-Jahn-Straße allmählich beraumt). In diesem Monat wird der Lober auf seiner ganzen Strecke im Stadtgebiet geräumt.

1947 Juni
Die Versorgungslage in Stadt und Kreis bleibt weiterhin sehr ernst. Vor allem ist es notwendig, die Ernährung bis zum Anschluß an die neue Ernte zu sichern. Darüber findet am 1. Juni eine außerordentliche Sitzung des Kreistages statt Landrat Otto Hernnann erläßt hierzu einen Aufruf, in dem er an die Bevölkerung appelliert, sich des Ernstes der Lage bewußt zu sein und daher ihrer Pflicht restlos nachzukommen Dazu gehört: - sofortige Unterbindung des Schwarz- und Schleichhandels so wie der Kompensationsgeschäfte, - Schutz der Felder, insbesondere der Saaten und Wälder, - Hilfeleistung in der Landwirtschaft und Sicherung der rechtzeitigen Durchführung der erforderlichen landwirtschaftlichen Arbeiten, - Scharfe Kontrolle der Sollablieferung jedes Veranlagten. Das auferlegte Soll ist die Grundlage der Ernährung. In dem Beschluß des Kreistages werden weiter; Maßnahmen festgelegt. Danach wird nicht bestelltes Land an Bauern übergeben, die in der Lage sind, die Bestellarbeiten zu übernehmen. Bei Nichterfüllung des Milchsolls werden den Landwirten die Milchkühe weggenommen. Sie erhalten dafür keine Entschädigung. Laut einer Veröffentlichung vorn 2. Juni werden bei Diebstählen von Garten- und Feldfrüchten hohe Strafen angekündigt, und zwar Gefängnis bis zu 5 Jahren, bei Rückfällen oder Einbruchdiebstahl Zuchthausstrafen bis zu 10 Jahren. Die prekäre Lage erfordert es, daß alle dem Kreis Delitzsch zur Verfügung stehenden Kartoffelmengen zur Bepflanzung noch zu bestellender Bodenflächen eingesetzt werden. Daher können keine Kartoffeln an die Konsumenten abgegeben werden, die aufgrund ihrer noch nicht belieferten Kartoffelnornalkarte darauf Anspruch hätten. Statt dessen kann Frisch- oder Essiggemüse abgegeben werden. Auf der ordentlichen Kreistagssitzung steht der Mietvertrag für die Freybergsche Villa, die als Sitz für das Gesundheitsamt vorgesehen ist, zur Debatte. Ab Mitte Juni werden wieder Kartoffelkäfersuchaktionen durchgeführt. Auf Anordnung der SMA-Kommandatur müssen sämtliche Vervielfältigungsapparate bis 25. Juni auf der Polizeiwache im Rathaus registriert werden. Am 29. Juni findet im großen Saal des „Karl-Marx-Hauses" ein Sängertreffen aller Gesangsgruppen des Kreises statt, das durch ein Wettsingen gekrönt wird.

1947 Juli
Die Ortspolizei, die dem Bürgermeister unterstellt ist, umfaßt jetzt zwei leitende und 22 übrige Bedienstete sowie eine Angestellte für die Aufgaben der Schutzpolizei. Die Kriminalpolizei besteht aus drei Bediensteten. Alle diese Bediensteten gehören der SED an. Der Diebstahl von Garten- und Feldfrüchten, durch die allgemeine Not verursacht, nimmt übergroße Ausmaße an. Deshalb wird jetzt das Betreten der Feldwege fir die Monate Juni bis Oktober in der Zeit von 12.00 bis 15.00 Uhr und 22.00 bis 6.00 Uhr verboten. Kleingärtner und Bauern bilden Selbstschutzkommandos. Die „Amtlichen Bekanntmachungen" veröffentlichen entschädigungslose Enteignungen von Kühen und sogar von Hühnern im Kreisgebiet wegen Nichterfüllung des Ablieferungssolls sowie Urteile des Schöffengerichtes über Gefängnisstrafen wegen „Herausbuddelns" von Pflanzkartoffeln. Da weitere Umsiedlertransporte eintreffen, erfolgt ein Aufruf zur Meldung von freigewordenen„ Luftschutzbetten". Die Umsiedler frühere Transporte hatten bisher schon 150 Betten käuflich erworben.

1947 August
Durch die SMAD wird festgelegt, daß die Entnazifierungsausschüsse ihre Tätigkeit nur noch in den Zentralen der Bezirke und den Hauptstädten der Länder fortführen. Die ersten Kohletransporte von Grube „Ludwig" sind angekommen und werden ab 25. August von den Händlern verteilt. Am 29. August wird mitgeteilt, daß das „Hilfswerk der Provinz Sach sen" in „Volkssolidarität" umbenannt wird. Noch immer gelten die Bestimmungen der SMAD zur Erteilung von Reisegenehmigungen bei dienstlichen oder privaten Reisen.

1947 September
Zu Beginn des Schuljahres wird in der Oberschule zum ersten Mal eine Klasse begabter Volksschul-Abgänger aufgenommen, die in vier Jahren zum Abitur geführt werden sollen. Am 14. September findet auf dem Städtischen Friedhof eine Ehrung der Opfer des Faschismus statt. Am Abend wird im Karl-Marx-Haus eine Gedenkfeier durchgeführt, die durch das Städtische Orchester und den Volkschor musikalisch umrahmt wird. Am 23. September findet im „Café Einheit" (früher „Café Bolte") eine Sitzung mit Vertretern der Parteien, Organistionen und Behörden statt, in der über die Gestellung von Arbeitskräften für den Erzbergbau in Aue und Annaberg beraten wird. Es soll erreicht werden, anstelle von Zwangseinweisungen Arbeitskräfte auf freiwilliger Basis zu finden. Nachdem in der 2. Dekade wiederum die Fleischmarken nicht voll beliefert werden konnten und als Ersatz Eier und Quark ausgegeben werden, erfolgt ab der 3. Dekade eine planmäßige Belieferung.

1947 Oktober
Am 3. Oktober erscheint ein Aufruf zur freiwilligen Arbeitsaufnahme im Mansfelder Bergbau. Der Kreis Delitzsch hat hierzu 70 Arbeitskräfte zu stellen. Neben verschiedenen Behörden, dem FDGB und der FDJ unterzeichnen ihn als Vertreter der Kreisleitungen der Parteien: Geithe (SED, H. G. Löser (CDU) und Letsch (LDP). Am 14. Oktober beschließt die Stadtverordnetenversammlung den Bau einer Berufsschule. Am 17. Oktober bittet die Stadtverordnetenversammlung in einem Aufruf an die Bevölkerung um Möglichkeiten, für mindestens acht Tage einem unterernährten Kind ein kostenloses Mittagsessen zu gewähren. Ab 20. Oktober treten wieder Einschränkungen im Verbrauch von Elektroenergie für Behörden, Ladengeschäfte, Industrie und Gewerbe in Kraft.

1947 November
Am 25. November beschließen die Stadtverordneten folgende Umbenennung von Schulen:
1. und 2. Grundschule (Knabenschule) in „Diesterwegschule",
3. und 4. Grundschule (Mädchenschule) in „Comeniusschule",
5. Grundschule (ehem. Hilfsschule) in „Pestalozzischule",
6. Grundschule (ehem. Mittelschule) in „Schulze-Delizch-Schule",
Oberschule in „Ehrenberg-Oberschule".
(An der Umbenennung hat der Vorsitzende des Schulausschusses, Hans-Georg Löser, maßgeblichen Anteil. Ihm ist es zu danken, daß die Schulen nicht die Namen kommunistischer Führer erhalten). In diesem Zusammenhang wird beschlossen: Am 4. Dezember findet eine Würdigung des großen Naturforschers und Sohnes der Stadt Delitzsch, Christian Gottfried Ehrenberg, vor allen Schülern der Ehrenberg-Oberschule statt. Weiterhin beschließen die Stadtverordneten, den Vorplatz des Berliner Bahnhofes (Unterer Bahnhof) einzuebnen.

1947 Dezember
Die Kohleversorgung der Stadt erfolgt weiterhin durch den Abbau der Braunkohle in Grube „Ludwig". Weil hier unvorhergesehene größere Abraummengen zu beseitigen sind, müssen die Preise erhöht werden. (Bei Direktabholung aus der Grube erfolgt ein Zuschlag von 0,75 RM/ je 100 kg, beim Bezug vom Händler 1,20 RM/ je 100 kg. In der Stadtverordnetenversammlung am 19. Dezember wird über die Erweiterung des Krankenhauses beraten. Das Krankenhaus verfügt über eine Kapazität von 195 Krankenbetten. Da die Stadt jetzt ca. 26.000 Einwohner hat, ist das nicht ausreichend. Es werden daher zur Errichtung einer Baracke im Haushalt 40.000 RM vorgesehen. Weiterhin wird festgelegt, in der Nähe der Stadt ein Gutshaus zu erwerben, um dort ein behelfsmäßiges Neben- oder Hilfskrankenhaus einzurichten. Am 31. Dezember erscheint die Pressemitteilung der „Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion". Der Geschäftsführer Erich Böhm berichtet in Delitzsch über ihr Vorhaben.

1947 Zusammenfassung des Jahres
Das Jahr läuft wieder unter äußerst komplizierten politischen und wirtschaftlichen Bedingungen ab. Der lang anhaltende Winter und das danach folgende Hochwasser verstärken die ohnehin großen Engpässe in der Versorgung der Bevölkerung, zumal die bei Kriegsende noch vorhandenen Mittel und Reserven restlos aufgebraucht sind. Bis zum Anschluß an die neue Ernte ist die Belieferung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, die es nur auf Zuteilung gibt, oft nicht gesichert. Deshalb wird mit schweren Strafen gegen den Schwarzhandel vorgegangen. Die Bauern, die ihr Ablieferungssoll nicht erreichen, werden mit harten Sanktionen bestraft. Zur Verbesserung der Kohleversorgung eröffnet die Stadt die Notgrube Grube „Ludwig", in der Braunkohle für die Bevölkerung abgebaut wird. Mit dem im Laufe des Jahres zunehmenden Differenzen zwischen den Westalliierten und der Sowjetuinon vertieft sich die Spaltung Deutschlands zunehmend. Jedes dieser beiden Gesellschaftssysteme verstärkt ihren ideologischen Einfluß in den von ihnen besetzten Ländern um das jeweilige Gesellschaftssystem auf sie zu übertragen. Diese unterschiedlichen Entwicklungswege in der weiteren Gestaltung des Wiederaufbaues spiegeln sich auch in der örtlichen Ebene wieder. Noch arbeiten die drei Parteien im antifaschistisch-demokratischen Block in vieler Hinsicht gleichberechtigt zusammen, zumindest wird dies nach außenhin so verkündet. Die SED erhält jedoch immer mehr Unterstützung durch die Besatzungsmacht und damit Einfluß auf das öffentliche Leben, während die Eigenständigkeit der bürgerlichen Parteien zurückgeht. Nachdem bereits zu Jahresanfang die Lebensmittelkarte VI weggefallen ist, bringt die Einstellung der Demontagen und die Reduzierung der Reparationen aus der laufenden Produktion und die Übergabe von 74 bisherigen SAG an die Landesregierung eine weitere Verbesserung der Versorgung. Die lokalen Behörden bemühen sich weiter sehr tatkräftig um eine Linderung der herrschenden Not. Der wachsende Zustrom der im offiziellen Sprachgebrauch „Umsiedler` genannten Heimatvertriebenen kompliziert aber immer wieder die Situation. Zum Jahresende ist aber eine allmähliche Besserung des alltäglichen Lebens zu spü ren. Die schwerste Not, verursacht durch das verbrecherische Naziregime, ist überwunden. Im Ziehwerk und im Reichsbahn-Ausbesserungwerk kam die Produktion langsam wider in Gang. Die hauptsächliche Produktion besteht in der Reparatur von Landmaschinen und der Herstellung von Fahrzeugen für die Landwirtschaft, wozu man das Material aus alten Kriegsfahrzeugen verwandte. Im RA W gab es vor allem Probleme in der Materialbeschaffung, zum Teil werden Ersatzteile im Werk selbst hergestellt.


1948

1948 Januar
Am 15. Januar wird Walter Georgi, Mitinhaber der Fa. Walter Georgi & Co., unter dem Verdacht der Warenhortung verhaftet. Es wird ab 19. Januar ein Treuhänder zur Weiterführung des Betriebes, der Industriehandschuhe und andere Arbeitsschutzbekleidung herstellt, eingesetzt. Am 17. Januar findet ein Kreisvolkskongreß im „Karl-Marx-Haus" statt. Entsprechend einer Festlegung des im Dezember des Vorjahres in Berlin abgehaltenen 1. Deutschen Volkskongresses soll in jedem Kreis ein Kreisausschuß für ein „Volksbegehren zur Einheit Deutschlands und für einen gerechten Frieden" gebildet werden. Dieser wird vom Kreisausschuß für den Kreis Delitzsch nach den entsprechenden Erklärungen durch die Vertreter der Blockparteien (SED, CDU, FDJ, FDGB, VdgB, LDP) einstimmig gewählt (Vorsitzender: Bürgermeister Hampe, Sekretär: Walter Naumann). Am 27. Januar erfolgt in der Stadtverordetenversammlung die Neuwahl des Präsidiums:

Vorsitzender:

Leisch

(SED)

1. Stellvertreter:

Richter

(LDP)

2. Stellvertreter.

Weitze

(CDU)

Schriftführer:

Dietrich

(CDU)

Dem Antrag der SED über die Ausgabe von Freikarten für Kulturveranstaltungen an die Straßenbeauftragten als Anerkennung für deren Arbeit wird zugestimmt. Der Rat der Stadt besteht aus folgenden Personen:

1. Bürgermeister

Hampe

(SED)

2. Bürgermeister

Böttcher

(LDP)

besoldete Stadträte

Pohle

(SED)

 

Nickisch

(CDU)

ehrenamtl. Stadträte

Dr. Schmidt

(LDP)

 

Hörnke

(SED)

 

v. Mallotki

(CDU)

1948 Februar
Es bestehen wieder Schwierigkeiten in der Versorgung der Bevölkerung mit Fleisch. Deshalb müssen in der 1. Dekade auf die Fleischabschnitte aller Gruppenkarten Heringe ausgegeben werden. Wegen „Sabotage an der Volksernährung" werden am 4. Februar durch das Schöffengericht mehrere Urteile gegen Bürger des Kreises ausgesprochen. Es werden mehrmonatige Haftstrafen, verbunden mit Geldstrafen wegen Schwarzschlachtung, illegal gelagertem Getreide und der Abgabe von Mehl ohne Bezugsberechtigung verhängt. Die nicht gesicherte Ernährungssituation veranlaßt den Kreistag, sich auf seiner Sitzung am 19. Februar vornehmlich mit der Erfassung ablieferungspflichtiger Erzeugnisse, mit den Aufgaben des KreisEmährungsausschusses und mit der Vorbereitung der Frühjahrsbestellung zu befassen. Vom 27. Februar bis 29. Februar führt der Kreisausschuß der Volkssolidarität im Rahmen der Umsiedlerwoche in allen Gemeinden eine Sachwertsammlung für die Neubürger durch. Dabei werden von Helfern des Ortsausschusses in Delitzsch alle Haushalte aufgesucht, um die Spenden von Wäsche, Kleidung, Schuhwaren, Hausrat, Möbel und Betten listenmäßig zu erfassen. Die Stadtverordneten stimmen in ihrer Sitzung am 27. Februar dem Antrag der VVN auf Errichtung eines Mahnmals für die Opfer des Faschismus zu.

1948 März
In der 1. Dekade März ist wiederum die ordnungsgemäße Belieferung auf Lebensmittelkarten nicht gesichert. Für die Erwachsenen wird anstelle von Fett im Verhältnis 1 zu 4 Sirup und für die Gruppenkarten 3 und 4 anstelle von Fleisch gesalzener Hering ausgegeben. Am 1. März nimmt die Geschäftsstelle des Kreiskomitees für die Volkskongreßbewegung ihre Tätigkeit auf. Ebenfalls mit Beginn des Monats wird durch den Kreisausschuß der Volkssolidarität in der Bitterfelder Straße 7 eine gemeinnützige Warentauschzentrale eröffnet. Ab diesem Monat erhält die verlängerte Einst-Toller-Straße, hinter der Eisenbahnüberführung am Weg nach Döbemitz gelegen, den Namen Poetenweg. Am 5. März findet im „Ringtheater" (Markt) ein Kreisbauemtag statt, auf dem über die wirtschaftliche Lage, die Aufgaben des VdgB und Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung beraten wird. Auf dem am 12. März stattfindenden Landarbeitertag werden die Aufgaben und Verpflichtungen zur Sicherung der Ernährung erläutert, und in einer Resolution wird die Zustimmung zu den Zielen der Volkskongreßbewegung und zur Volksabstimmung für ein einheitliches Deutschland einstimmig gegeben. Der Kreisverband der Kleingärtner e.V. ruft alle Vorstände der Kleingartenvereine und die Bürgermeister der Orte, in denen kein Verein besteht, auf, bis zum 22. März den Stand der Verteilung von Gartenland an Umsiedler zu melden. Vom 16. bis 31. März wird in Delitzsch die 100-Jahrfeier der deutschen bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848 begangen. In dem Aufruf dazu heißt es: „Einwohner der Stadt Delitzsch, vor 100 Jahren kämpfte das deutsche Volk film Einheit und Freiheit. Der Kampf blieb erfolglos, weil die demokratischen Kräfte in sich nicht einig und zu schwach waren. Heute gilt unser Kampf dem gleichen Ziel. Der Einsatz aller Deutschen ist erforderlich, damit das 1848 begonnene Werk sich 1948 vollende. Beweist, daß Ihr die Forderung der Zeit verstanden habt, durch Eure Teilnahme an den aus diesem Anlaß stattfindenden Veranstaltungen". Unterzeichnet vom Kulturausschuß der Stadt, Ortskomitee des Volkskongresses für Einheit und gerechten Frieden CDU, LDP, SED, FDGB, DFD, FDJ, Kulturbund, VdgB und VVN. Im Rahmen der 100-Jahrfeier finden eine Ausstellung im Jugendheim des Schlosses, Veranstaltungen im Festsaal der Oberschule, eine Kundgebung auf dem Markt und am 18. März um 10.30 Uhr eine Kranzniederlegung auf dem Friedhof und um 20.00 Uhr eine Kundgebung im Karl-Marx-Haus statt. In einer Bekanntmachung wird mitgeteilt, daß bis 20. März letztmalig Berufungen gegen die Entscheide der Entnazifizierungskommission bei der Landesregierung eingereicht werden können. In der Stadtverordnetenversammlung wird die Haushaltsatzung fier 1948 mit 3.926.800,00 RM in Einnahme und Ausgabe beschlossen.

1948 April
Es gibt in allen drei Dekaden Schwierigkeiten bei der Belieferung der Lebensmittelkarten mit Fleisch und Fett. Statt dessen werden für bestimmte Gruppenkarten Eier und Speisequark bzw. Zucker ausgegeben. Ab 14. April wird ein neuer Fußweg vom RAW zum Werbener Weg für den Verkehr freigegeben. Am 21. April teilt das Umsiedlerbetreuungswerk, Nebenstelle Delitzsch, mit, daß ab sofort Zuzugsgenehmigungen zwecks Familienzusammenführung von Deutschen aus der CSR nur noch für Personen erteilt werden, die in Delitzsch Angehörige 1. Grades ansässig haben. Am 23. April wird ein Aufruf zur Sammlung von Altpapier als Rohstoffquelle für die Papierindustrie veröffentlicht. Für die Abgabe von 2 kg Altpapier gibt es Prämien-Gutscheine für 2 Schachteln Streichhölzer oder 2 Schulhefte oder 20 Papiertüten oder 2 Rollen Toilettenpapier. Am 30. April erläßt der Landrat Herrmann eine Anordnung zur Durchführung des Orts- und Feldschutzdienstes. Darin wird darauf verwiesen, daß das Betreten von Wiesen, Weiden Feldern und Wäldern ab eine Stunde nach Sonnenuntergang bis eine Stunde vor Sonnenaufgang sowie zwischen 11.00 und 13.00 Uhr verboten ist. Es werden Gefängnisstrafen bis zu sechs Monaten und Geldbußen angedroht.

1948 Mai
Am 8. Mai wird die am 1. Oktober 1947 gegründete Kommanditgesellschaft „Privatkrankenhaus Schloß Löbnitz" in das Handelsregister beim Amtsgericht eingetragen. Persönlich haftender Gesellschafter ist der Kaufmann Hermann Scharf in Löbnitz. Am 10. Mai berät der Emährungsausschuß der Stadt über die Versorgung mit Saat- und Pflanzgut. Während es bei Getreide ausreichend vorhanden ist, stehen bei Kartoffeln nur 83 % zur Verfügung. Die Fehlmenge soll durch Teilen der Kartoffeln ausgeglichen werden. Der am 19. Mai in Landsberg tagende Kreistag richtet einen einstimmig angenommenen „Aufruf zum Volksbegehren" an die Bevölkerung des Kreises. Diese wird darin aufgefordert, sich an dem „Volksbegehren" für die Einheit Deutschlands zu beteiligen. Sie soll durch ihre Einzeichnung in die ausliegenden Listen ihr Bekenntnis für ein einheitliches demokratisches Deutschland ablegen. Die Listen liegen vom 23. 5. bis 30. 5. in acht Einzeichnungsbezirken aus. Berechtigt ist jeder Einwohner ab 14 Jahre unter Vorlage des Personalausweises bzw. der Registrierkarte.

Unterzeichner des Aufrufes:

für die CDU

Hübner

für die LDP

Frohne

für die SED

Geithe

Bis zum Abschluß des „Volksbegehrens" haben sich im Kreis 71.501 Einwohner über 20 Jahre (= 96,7 % der Einzeichnungsberechtigten) und 10.377 Einwohner von 14 bis 20 Jahren (= 90,4 % der Einzeichnungsberechtigten) in die Listen eingetragen. Am 22. Mai wird das evangelische Kinderheim in der Mühlstraße 3 eröffnet, in dem 33 Waisenkinder Aufnahme finden. Den Vorsitz des Vorstandes übernimmt Pfarrer Unger, sein Stellvertreter wird der 2. Bürgermeister Böttcher. In der „Elberitzmühle" erfolgt die Gründung des Kreisverbandes Delitzsch der Demokratischen Bauempartei Deutschlands (DBD). Per 31. Mai schließt die private Warenaustauschzentrale in der Karl-Liebknecht-Straße 10 ihr dort eingerichtetes Geschäft.

1948 Juni
Am 9. Juni werden im Handelsregister des Amtsgerichts Delitzsch die Vertretungsbefugnisse der Geschäftsführer der „Delitzscher Rübensamenzucht GmbH", Zuckerfabrikdirektor Robert Aumüller, Delitzsch, und Generaldirektor Dr. Oskar Köhler, Maltsch, wegen Amtsniederlegung bzw. Ablauf der Wahlperiode gelöscht. Zum Vorsitzenden und Geschäftsführer wird der Landwirt Herbert Wehle, Delitzsch, bestellt. Bereits 1947 hat der Nachkomme des Gründers, Herr Kuntze, den Standort für die Delitzscher Pflanzenzucht GmbH nach Oberg (Stadtteil von Lahstedt/ Niedersachsen) verlegt. Er fand in Delitzsch keine Sicherheiten für eine weitere Fortführung seiner Arbeiten. (Heute hat die Firma Delitzsch Pflanzenzucht GmbH ihren Sitz in 29297 Bergen/ Niedersachsen). Am 13. Juni veranstaltet die Berufsgruppe des Damen-Schneider-Handwerks im Karl-Marx-Haus eine Modenschau. Am 22. Juni verurteilt das Amtsgericht in einem Schnellverfahren sieben Personen wegen Getreidediebstahls. Vom 25. bis 28. Juni wird wie überall in der SBZ, so auch in Delitzsch, die Währungsreform durchgeführt. Der Geldumtausch erfolgt dabei gegen Abgabe des Stammabschnittes der Lebensmittelkarte. Es werden die im Umlauf befmdlichen Reichs- und Rentenmark mit aufgeklebten Spezialkupons in Deutsche Mark der Deutschen Notenbank umgetauscht. Nach dem Ende des Il. Weltkrieges war eine Währungsreform unumgänglich. In den Westzonen geschah dieses separat am 20. Juni 1948. In der Ostzone wird auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht vorn 23. Juni der Umtausch am 25. bis 28. Juni 1948 durchgeführt. Die Zeit bis zum Neudruck von Papiergeld wurde in der SBZ durch Aufkleben von Spezialkupons überbrückt. Der Umtausch erfolgte nach einer sozialen Staffelung im wesentlichen im Verhältnis von 10 zu 1. 28. Juni - Auf einer Bürgermeistertagung spricht Landrat Herrmann über die „Verwerflichkeit der separaten Währungsreform in den Westzonen". Die daraufhin in der SBZ notwendige Währungsreform habe jetzt klare Verhältnisse geschaffen. Nun sei es erforderlich, daß der Schleich- und Schwarzhandel von vornherein unterbunden wird.

1948 Juli
Ab 1. Juli trägt die bisherige „Fa. Herbert Langer, Treuhandbetrieb Delitzsch", den Namen „Industriewerke Sachsen-Anhalt, Blankstahlwerk Delitzsch". Während des gesamten Monats erfordert eine Kartoffelkaferplage besondere Maßnahmen. Es werden Ableseaktionen durchgeführt, zu denen vorwiegend der Personenkreis aus Verwaltung und Schule verpflichtet wird. Außerdem erfolgt ein verstärkter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Neben der Fortführung der Altpapiersammlung gegen Prämiengutscheine werden weitere Sammlungen durchgeführt:
- Knochensammlung (für 3 kg gibt es 1 Stück Seife)
- Spinnstoff-Sammlung (für 1 kg gibt es 2 Einheiten Anrechtsgutscheine)
- Flaschen-Sammlung (pro Flasche gibt es 2 Zigaretten gegen Bezahlung)
Am 20. Juli wird die sofortige Schließung der Roßschlächterei Otto Kirchner, Holzstraße 10, durch den Landrat angeordnet. Der Besitzer hatte die angefallenen Fleischwaren bereits im voraus an unberechtigte Bürger verkauft. Während die Bevölkerung, die Anspruch auf eine Belieferung hatte, nichts erhielt. Am 9. Juli werden durch das Schöffengericht mehrere Fälle von Verstößen gegen die Wirtschaftsordnung verhandelt. Dabei werden neben hohen Geldstrafen Gefängnisstrafen von ü0 Monaten bis zu drei Jahren wegen Schwarzschlachtung verhängt. Die Besuchergemeinde Delitzch der Volksbühne Sachsen-Anhalt gibt den Veranstaltungsplan Juli /August bekannt. 30. 7. Bunter Abend „Der fröhliche Lautsprecher" mit Maxim Falcke B. und 9. B. „Rund um die Wiener Operette" (Revue) 28. B. „Anno dazumal" - anschließend Tanz.

1948 August
Die Kartoffelkäferbekämpfung wird weiter fortgesetzt. Für tatkräftigen Einsatz werden Geldprämien und für die Besten der SchulkinderSuchkolonnen Süßwarenprämien ausgegeben. Mit Wirkung vom 25. B. wird die Geschäftsstelle des Antifa-Blockausschusses, Eilenburger Straße 50, aufgelöst. Der Kreisantifablock bleibt aber bestehen und setzt sich aus den Vertretern der drei Blockparteien zusammen, die aller drei Monate den Vorsitzenden des Ausschusses im Wechsel stellen. Unterzeichner sind:
für die CDU          Loske
für die LDP           Böttcher
für die SED           Sälzer

1948 September
Am 16. September wird die Enteignung der aufgrund des Befehls Nr. 124 der SMAD vom 30. Oktober 1945 beschlagnahmten Vermögenswerte der Fa. Herbert Langer (das spätere Ziehwerk) rechtskräftig. Damit ist dieser Betrieb endgültig in das Volkseigentum überführt worden. In diesem Monat erhält der Betrieb einen größeren Auftrag zum Bau von 100 Wassertankfahrzeugen für die Rote Armee. Die Druckerei Walter in der Karlstraße/ Am Wallgraben 18 wird ebenfalls enteignet. Am 14. September wird ein Stadtausschuß der Hilfsaktion „Wir bauen auf" unter der Leitung des Bürgermeisters Hampe gebildet. Er soll für die Durchführung einer Ehrendienstpflicht sorgen, die für alle Männer im Alter von 15 bis 45 Jahren vorgesehen ist. Sie sollen ihren Ehrendienst an vier Solidaritätstagen zu je acht Stunden ableisten. Er kann innerbetrieblich oder außerbetrieblich zur Beseitigung von Trümmern, Schaffung von Wohnraum und Neubauernhöfen, Herstellung von Schuhwerk und Möbeln für Umsiedler und Ausgebombte, durchgeführt werden. Es besteht auch die Möglichkeit, den Lohn für eine Mehrarbeit von 32 Stunden zu spenden. Am 30. September wird die Bevölkerung der Stadt durch ein tragisches Ereignis erschreckt. Der Stadtverordnete und Vorsitzende der Jungen Union, Hans Georg Löser, sollte aufgrund seiner oppositionellen Haltung und seiner Verbindung zu der Westberliner CDU verhaftet werden. Beim Versuch, sich der Verhaftung durch Flucht zu entziehen, wird er von Angehörigen des sowjetischen NKWD erschossen. (Hans Georg Löser war seit März 1946 Mitglied der CDU, Mitbegründer der Jungen Union und Fraktionssprecher der CDU. Die politischen Gegner zollten dem ausgezeichneten Redner ihren Respekt. Er hatte maßgeblichen Anteil an der Verbesserung der Lebenslage der Delitzscher Bevölkerung in den Notjahren. Unermüdlich arbeitete er im Kreis Delitzsch zur Bildung von Ortsverbänden der CDU. Sein Auftreten in der Öffentlichkeit wurde von Mitarbeitern der sowjetischen Kommandantur überwacht. Oft wurde er zur „Aussprache" in die Kommandantur befohlen. Hans-Georg Löser war ein Idealist und überzeugt von seiner Aufgabe, einen demokratischen Staat im Nachkriegsdeutschland mit aufzubauen). Die ehrenamtlichen Stadträte Dr. Schmidt und Hörnke scheiden aus. An ihre Stelle treten Letsch (LDP) und Margarete Teichen (SED).

1948 Oktober
Am l. Oktober eröffnet der Kreisausschuß der Volkssolidarität eine Nähstube. Mit ihr soll allen Hilfsbedürftigen, die keine Nähmaschine und Schneiderwerkzeug besitzen, die Gelegenheit zur Instandsetzung und Anfertigung von Kleidungsstücken gegeben werden. Für die Kartoffeleinkellerung erhalten

Gruppe I:

190 kg,

Gruppe II - IV und Kinder 5 - 15 Jahre:

160 kg

Kinder bis 5 Jahre:

130 kg.

Ab IV. Quartal erhalten alle Normalverbraucher erstmalig pro Dekade drei weiße Brötchen. Vom 2. Oktober bis 10. Oktober findet eine Kultur- und Volksbildungswoche der Stadt Delitzsch statt. Die Personenstandsaufnahme vom 10. Oktober ergibt folgende berufliche Gliederung der Bevölkerung der Stadt Delitzsch:

Fabrikarbeiter:

1.667

Bergarbeiter:

187

Land- und Forstarbeiter:

57

Sonstige Arbeiter:

3.814

Angestellte:

2.431

Studenten:

49

Handwerker-Selbständige:

384

mithelfende Familienangehörige:

128

Freie Berufe:

129

Landwirte - selbständig:

21

mithelfende Familienangehörige:

14

Rentenempfänger:

1.776

Am 15. Oktober wird, vorerst versuchsweise, die Gasversorgung seit dem Kriegsende erstmalig ganztägig durchgeführt. Das vorgeschriebene Kontingent des Gasverbrauchs muß aber eingehalten werden. Auf Anordnung der Kreiskommandantur haben sich alle ehemaligen Offiziere der deutschen Wehrmacht am 22. und 25. Oktober in der Dienststelle der Kommandantur, Dübener Straße, zu melden.

1948 November
Ab 1. November nimmt die neu gegründete National-demokratische Partei Deutschlands (NDPD) mit der Eröffnung ihrer Kreisgeschäftsstelle in der Gaststätte „Zum Kreuz" ihre praktische und organisatorische Arbeit auf. Unterschrift auf der Mitteilung: Naumann Bis zum 25. November können sich alle Umsiedler, die noch Kinder in Polen ansässig haben, zwecks Familienzusammenführung beim Stadtjugendamt melden. Alle infrage kommenden Grenzübergänge nach den westlichen Besatzungszonen sind gesperrt und werden von sowjetischen Truppen überwacht. Einreisen nach Westdeutschland können ab 1. November durch sowjetische Behörden genehmigt werden. Von der sowjetischen Kreiskommandantur werden aber nur Einzelgesuche zur Familienzusammenführung angenommen und nach Überprüfung Interzonenpässe ausgestellt.

1948 Dezember
Am 12. Dezember findet wieder ein „Freier Markt" in Delitzsch statt. Dazu erläßt der Landrat einen Aufruf: „Bauer! Es ist Deine moralische Pflicht, alle „Freien Spitzen" der Allgemeinheit zu geben. Duldet keinen Schwarzhandel, kein Kompensationsgeschäft. Helft der Stadt und der arbeitenden Industriebevölkerung. Paßt Euch der allgemeinen Versorgungslage an. Der Tag des „Freien Marktes", Sonntag, der 12. Dezember 1948, soll die enge Verbundenheit von Stadt und Land durch seinen Erfolg klar herausstellen. Bauer! Alle „Freien Spitzen" für den „Freien Markt"! Die Stadtverordneten beschließen am 14. Dezember die Einrichtung von Kinderspielplätzen am Elberitzplatz, Schützenplatz, Marienplatz und am „Musberg" (in der Nähe des Halleschen Turmes). Am 15. Dezember wird eine Arbeitsgemeinschaft zur Umsiedlerbetreuung gebildet, die die Verteilung von Textilien an Umsiedler vornimmt. Am 29. Dezember beginnt das Kreispolizeiamt mit der Annahme der Anträge für den Deutschen Personalausweis. Ausweispflichtig ist, wer das 15. Lebensjahr vollendet hat. Zum Jahreswechsel wendet sich der Landrat an die Bevölkerung des Kreises Delitzsch. Darin dankt er für die erfolgreiche Arbeit im abgelaufenen Jahr und führt dabei aus: „Das Jahr 1948 hat uns in unseren Erwartungen nicht enttäuscht. Die Emährung ist gesichert und bedeutend verbessert. Die Versorgung der Bevölkerung mit Textilien und Haushaltsgegenständen nimmt einen günstigeren Fortgang. Der „Freie Markt" ebnet den Weg zur freien Wirtschaft und damit zur Beendigung der Zwangswirtschaft. Das Jahr 1949 leitet den ersten Zweijahrplan als die Grundlage der künftigen Friedenswirtschaft ein."

1948 Zusammenfassung des Jahres
In diesem Jahr gilt die erste Etappe der Nachkriegszeit als beendet. Die Entnazifizierung wird Anfang des Jahres abgeschlossen, die sequestrierten Betriebe werden in Volkseigentum überführt und damit im Zusammenhang entstehen die VVB. Mit der Gründung der HO (Handelsorgansation) beginnt die Verstaatlichung des Einzelhandels. Mit dem von der SED verkündeten Halbjahrplan wird die Planwirtschaft eingeführt. Damit sind die ersten Elemente zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung geschaffen worden. Außenpolitisch bedeutungsvoll ist, daß die Gegensätze zwischen den drei Westalliierten und der Sowjetunion so stark werden, daß es zu einem Bruch zwischen ihnen kommt. Der Alliierte Kontrollrat löst sich auf. Mit der Einführung der Währungsreform - zuerst in den Westzonen - tritt eine weitere Verschärfung ein, die durch die von der Sowjetunion über Westberlin verhängte Blockade zu einer kritischen Situation führt. Die in den vergangenen Nachkriegsjahren sich abzeichnende Zweiteilung Deutschlands ist politisch vollzogen. Die Westalliierten Besatzungsmächte einerseits und die Sowjetunion andereseits setzen komproißlos in den von ihnen besetzten Territorien ihr Gesellschaftssystem durch. Gegen Jahresende wird von dem bisher verkündeten „besonderen deutschen Weg zurr Sozialismus" abgegangen. Die Sowjetunion gilt als das allein gültige Vorbild, der Personenkult um Stalin nimmt erheblich zu. Das Alltagsleben in unserer Stadt wird von dieser neuen politischen Situation vorerst wenig beeinflußt, die Lösung der Tageshagen ist wichtiger. Wenn auch zu Beginn des Jahres nochmals einige Engpässe in der Zuteilung von Lebensmitteln aufgetreten sind, so zeichnet sich doch die allmähliche Normalisierung der Lebensverhältnisse ab. Die Betriebe arbeiten wieder voll, ein Zuwachs in der Produktion ist zu verzeichnen, Arbeitskräfte werden eingestellt, die Betriebe können ihren Beschäftigten einige Vergünstigungen, vor allem durch Zusatzverpflegung, gewähren. Das Damenschneiderhandwerk führt eine Modenschau durch, die Volksbühne bringt monatliche Veranstaltungen, die Kulturgruppen der Stadt treten öfter auf. Die ersten Straßenbaumaßnahmen laufen an (Straßenbefestigung in der „Luftwaffensiedlung", Radweg vom Nordplatz zur Bahnüberführung am RAW). Die Wiederherstellung der Jahn-Turnhalle und das Anlegen von mehreren Kinderspielplätzen wird vorbereitet. Die Anzahl der aufzunehmenden Heimatvertriebenen geht stark zurück, es treffen nur noch kleinere Gruppen aus Ostpreußen und dem ehememaligen Warthegau ein. Nachzügler aus dem Sudetenland werden nur noch zur Familienzusammenführung mit Verwandten 1. Grades aufgenommen. Sammelaktionen zugunsten der Neubürger und für Heimkehrer sind weiterhin notwendig. Die neuen Inhalte in der Politik kann sich bei den örtlichen Vertretern der Stadtverordneten nur schwer durchsetzen. Die Schwierigkeiten bei den zu lösenden Alltagsproblemen, in der Hauptsache Fragen der Versorgung und der Unterbingung, zwingen meist zu einer einstimmigen Beschlußfassung. Wenn in wenigen, meist organisatorischen Angelegenheiten unterschiedliche Meinungen auftreten, so stimmen die Vertreter der beiden bürgerlichen Parteien, die zusammen die Mehrheit besitzen, in der Regel gemeinsam gegen die der SED. Die sich mit der Währungsreform verstärkenden Gegensätze zwischen Ost und West führen dazu, daß ein verstärkter politisch-ideologischer Druck durch die Besatzungsmacht und der von ihr gesteuerten Parteiorgane der SED und der Verwaltungsorgane auf die Bevölkerung ausgeübt wird. Die Folge ist eine massenhafte Flucht und Übersiedlung von Bürgern aus der Ost- in die Westzonen. Eine Opposition gegen die von der Besatzungsmacht gesteuerte Entwicklung wird hart verfolgt. Davon zeugt der tragische Tod des Stadtverordneten und Fraktionssprechers der CDU, Hans-Georg Löser im September 1948.


1949

1949 Januar
Bis Ende des Monats sind die Anträge auf Ausstellung des Deutschen Personalausweises einzureichen. Für Textilien und Schuhe werden wieder Punktkarten ausgegeben. Die Empfänger sind in verschiedene Kategorien eingeteilt, entsprechend der Gruppe 1 = Schwerstarbeiter - mit 140 Punkten bis Gruppe 5 mit 60 Punkten. Für Schuhreparaturen gibt es auf Abschnitt 1 der Januar-Lebensmittelkarte eine Vollbesohlung, auf Abschnitt 2 eine Teilbesohlung. Die Stadtverordneten beschließen am 14. 1. den behelfsmäßigen Ausbau des Schwimmbades in der Nähe des ehemaligen Flugplatzes Spröda. Im RAW wird vom 24. Januar in zusätzlichen 5050 Arbeitsstunden der „Aktivistenzug Nr. 1" hergestellt.

1949 Februar
Ab diesem Monat wird der Koksgrus frei verkäuflich. Die „Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion" führt eine Reihe von Veranstaltungen zur Propagierung ihres Gedankengutes durch. So spricht Prof. Dr. Victor Klemperer, Universität Halle, über „Die sowjetische Weltliteratur" und Prof. Dr. Steininger, Universität Berlin, über „Die Russen und wir" sowie ein hoher sowjetischer Offizier, SMA Halle, über „31 Jahre Sowjetarmee". Der Vorsitzende der DBD, Hofimann, gibt bekannt, daß die Partei eine Geschäftsstelle Am Wallgraben 20 eröffnet hat. Ab diesem Monat zahlt die Umsiedlerhilfe an alle, die nach dem 28.6.1948 aus Polen, der CSR und aus dem Kaliningrader Gebiet ausgesiedelt wurden, eine Beihilfe von 50,00 DM pro Person. Für noch in Polen lebende Deutsche können Zuzugsgenehmigungen zwecks Familienzusammenführung nach dort geschickt werden. Es werden dafür in Polen Transportzüge zusammengestellt. Am 25. Februar wird das „Kommunale Wirtschaftsunternehmen" (KWU) gegründet.

1949 März
Die Werktätigen des RAW rufen ihre Kollegen im RAW LeipzigEngelsdorf zu einem Wettbewerb zur Erfüllung und Übererfüllung des Zweijahrplanes auf. Das Ziel ist, die Produktion um 10 % zu steigern. Hierbei stellt die Aktivistenbewegung eine wichtige Basis dar. Erster Aktivist des RAW ist der Dreher Kurt Pittschaft. Am 29. März wird die Verurteilung von zwei Kohlediebinnen bekanntgegeben. Wegen wiederholten Diebstahls auf dem Gelände der Reichsbahn werden Strafen von drei Monaten Gefängnis und sechs Monaten Gefängnis (erhöhte Strafe wegen Schwarzhandels mit Kohle) ausgesprochen.

1949 April
Am 27. April bildet sich der „Volkskontrollausschuß" für die Stadt Delitzsch. Ihm gehören 10 Vertreter von demokratischen Organisationen und Parteien an. Seine Aufgaben sind:
-Einhaltung der Plandisziplin bei Produktion und Verteilung
-Beseitigung von Bürokratismus in Wirtschaft und Verwaltung
-Aufdeckung von wirtschaftsschädigenden Handlungen, vor allem von Sabotage, Spekulation, Schieberei und Kompensationsgeschäften.

1949 Mai
Der 1. Mai wird unter den Losungen „Für Einheit und gerechten Frieden" und „Zweijahrplan - Friedensplan" begangen. Gleichzeitig wird gegen den Marshall-Plan, das „Ruhrdiktat" und gegen das „Besatzungsstatut in den westlichen Zonen" demonstriert. Vom 1. bis 12. Mai zeigt das Heimatmuseum im Zeichensaal der Ehrenberg-Oberschule die Ausstellung „Der Zweijahrplan". Ab diesem Monat werden an Schulkinder zu ihrem Schulbrötchen fünf Gramm Marmelade ausgegeben. Am 5. Mai wird die im April eingerichtete Kreispoliklinik im Eckhaus Schäfergraben/Angerstraße vom Chefarzt dieser Einrichtung Dr. Koch feierlich eröffnet. Sie besteht aus: Innere Abteilung, Chirurgische Abteilung, HNO-Abteilung, Physikalische Abteilung (etwas später kommt noch eine Gynäkologische Abteilung dazu). Alle Heimkehrer und Umsiedler, die seit 1948 in die SBZ gekommen sind, erhalten 100 Zusatzpunkte für ihre Kleiderkarte. Am 15. Mai findet die Wahl der Delegierten zum 3. Deutschen Volkskongreß statt. Im Stimmkreis 2 Land Sachsen-Anhalt sind in die Kandidatenlisten folgende Bürger aus Delitzsch aufgenommen worden: Karl Böttcher (LDP), Erna Majewski (DFD), Walter Naumann (NDPD), Willi-Otto Schmidt (CDU). Wegen der allgemein hohen Anzahl der bei dieser Wahl als ungültig erklärten Stimmen wird vom Innenminister der Landesregierung Sachsen-Anhalt, Siewert eine nochmalige Überprüfung angeordnet, wobei ein sehr strenger Maßstab an die Feststellung der Ungültigkeit anzulegen ist. So werden nach Weisung des Innenministers der Landesregierung alle Stimmen, die ohne Ankreuzen in die Urne eingeworfen wurden, als „Ja-Stimme" gezählt. Das gilt auch für diejenigen Stimmzettel, die nur mit einer Bemerkung, wie „Für Freiheit" versehen oder die ganz durchkreuzt wurden. Erst durch diese erneute Auszählung wird eine Zustimmung von 68 % erreicht. In der Sitzung der Stadtverordneten vom 18. Mai wird u. a. beschlossen:
- Auflösung sämtlicher Stiftungen (Armenstiftung, Grabpflegestiftung, Friedhofverwaltungs-Stiftung, Kinder- und Lehrlingsstiftung, Dr. Schulze-Stipendienfonds.)
- Aufstellung eines Mahnmals für die Opfer des Faschismus in der Bitterfelder Straße auf Antrag der VVN.
- Überlassung von Gelände für den Bau der neuen Berufsschule.
Der Haushaltsplan 1949 wird mit 2.486.200 DM in Einnahme und Ausgabe verabschiedet

1949 Juni
Der Landrat weist auf die Durchführung eines Feldschutz-Wachdienstes hin, um Flurdiebstähle zu verhindern. Geldstrafen bis zu 3.000, DM und Gefängnisstrafen bis zu sechs Monaten werden angedroht. Es tritt erneut eine Kartoffelkäferplage auf. Daher werden wieder Suchdienste angeordnet: "Jeder Kartoffelesser und -anbauer ist verpflichtet, sich an der Suchaktion zu beteiligen". Für die besten Sucher werden auch wieder Süßwarenprämien ausgesetzt (1 kg Kartoffelkäfer= 2 kg Süßwaren, für jedes Eigelege = 20 g Süßwaren). In der Stadtverordnetenversammlung am 28. Juni wird beschlossen:
-.Teilfinanzierung des Bauvorhabens„ 12-Familienhaus" Securiusstraße/ Kosebruchweg, das von dem KWU ausgeführt wird.
- Die Jahnturnhalle wird den Sportvereinen zur Nutzung übergegeben.
- Die Notgrube in Grube Ludwig wird dem KWU angeschlossen.
(Außerdem gehören zu ihm folgende Betriebe und Einrichtungen: Wasserwerk, Bauhof, Gartenbaubetrieb, Schlosserei, Kanalisation, Freibad Elberitzmühle, Moorbad, Anschlagswesen, bebaute Grundstücke). Auf der Kreistagssitzung am 30. Juni wird die Nationale Front des Kreises Delitzsch gegründet.

1949 Juli
Der Verkauf von Rohkohle wird freigegeben. Dasselbe trifft für die Einheitsseife zu. Die Bauern können nach Erfüllung ihres Ablieferungssolls Kartoffeln an die Verbraucher abgeben. Am 1. Juli wird die VEAB (Vereinigung volkseigener Erfassungs-und Aufkaufbetriebe) gegründet. Die dazu gehörenden Kreiskontor für tierische Erzeugnisse haben ihren Sitz in der demontierten Zuckerfabrik und das Kreiskontor für pflanzliche Erzeugnisse in der früheren Walzenmühle.

1949 August
Durch Eröffnung weiterer Verkaufstellen erhöht sich die Zahl der HO-Geschäfte in der Stadt auf acht Läden und Kioske. Am 28. August finden mehrere Veranstaltungen anläßlich des 200. Geburtstages von Goethe statt, die von dem örtlichen Goetheausschuß vorbereitet wurden.

1949 September
Am 1. September wird die Kreisdienststelle des Deutschen Volkskongresses in der Gaststätte „Zum Kreuz" (Roßplatz 6) eröffnet. Ab 9. September werden in den wöchentlich einmal erscheinenden „Bekanntmachungen für den Kreis Delitzsch" auch Privatanzeigen veröffentlicht. Am 19. September wird im Karl-Marx-Haus eine außerordentliche Sitzung des Kreistages und der Stadtverordnetenversammlung zum Thema „Stellungnahme zu einer Regierungsbildung" abgehalten. Am 24. und 25. September findet die Hundertjahrfeier der Genossenschaftskasse (heute Volksbank mit Sitz in der Eilenburger Straße), verbunden mit einem Heimatfest, statt. (Am 28. B. 1849 wurde durch Dr. Hermann Schulze-Delitzsch eine „Kranken- und Sterbekasse" und am 1.12.1849 eine „Rohstoffassoziation der Tischler- und Schuhmacher" in Delitzsch gegründet). Der Festakt wird am 24. September in der Aula der Ehrenberg-Oberschule durchgeführt. Die Gedenkrede bei einer anschließenden Kranzniederlegung am Schulze-Delitzsch-Denkmal hält der Landtagspräsident Sachsen-Anhalt, Adam Wolfram, aus Halle. Das Denkmal besteht zu diesem Zeitpunkt nur noch aus dem alten Sokkel mit einer neu darauf angebrachten Schale. Am 25. September findet vormittags ein Konzert im Stadtpark unter Mitwirkung des Volkschores und des FDGB-Orchesters statt, nachmittags wird ein Festumzug durch die Stadt veranstaltet.

1949 Oktober
Am 8. Oktober findet auf dem Roßplatz aus Anlaß der Gründung der DDR eine Großkundgebung mit ca. 2.000 Teilnehmern statt. Abends führen die Werktätigen des RA W einen Fackelumzug zum Markt durch. Sie verpflichten sich zur Fertigung eines zusätzlichen „Aktivistenzuges". Am 10. Oktober fahren der Fanfarenzug der FDJ und 175 FDJler des Kreises in einer LKW-Kolonne nach Berlin, um dort am Fackelumzug der FDJ und an einer Großkundgebung auf dem Marx-Engels-Platz anläßlich der Gründung der DDR teilzunehmen. Dort überreicht der jüngste Pionier des Kreises Hans Funk gemeinsam mit Margot Feist (spätere Frau Honecker), dem neu gewählten Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck, einen Strauß roter Nelken. Im LW Rackwitz beginnt die Berufsausbildung für 100 Lehrlinge in einer eigenen Betriebsberufsschule. Die Belieferung der Lebensmittelkarten ist gesichert. Wiederum werden Aufkaufaktionen für „Freie Spitzen" von landwirtschaftlichen Erzeugnissen organisiert. Die Versorgung mit Einkellerungs-Kartoffeln für den Winter erfolgt differenziert anhand der LebensmittelkartenGruppen. (Gruppe 1 = Schwerstarbeiter mit 182,5 kg bis zur Gruppe 5 mit 100 - 130 kg). Bis Ende Oktober haben Werktätige des RAW beim Wiederaufbau des Berliner Bahnhofes im „freiwilligen Ehrendienst" 910 Stunden an Schacht- und Gleisbauarbeiten geleistet. Beginn der Partnerschaft zwischen den evangelischen Kirchengemeinden Delitzsch, Bad Eins und Braubach.

1949 November
Ab diesem Monat erhält die Lokalausgabe Bitterfeld der Landeszeitung der SED „Freiheit" auch Berichte und Mitteilungen aus dem Kreis Delitzsch. In der Stadtverordnetenversammlung am B. November wird Herr Gebhardt (SED) als neuer Stadtverordnetenvorsteher gewählt. Der bisher diese Funktion innehabende Stadtverordnete Leisch hat eine Arbeit außerhalb von Delitzsch übernommen. Auf dieser Sitzung wird der Antrag der SED-Fraktion auf Beseitigung des Kriegerdenkmals am Halleschen Turm mit 11 zu 16 Stimmen abgelehnt (die Abgeordneten der beiden bürgerlichen Partien stimmten dagegen). Angenommen wurde ein Antrag des Stadtausschusses der Hilfsaktion „Wir bauen auf zur Einführung einer Ehrendienstpflicht. Der Ehrendienst soll von der männlichen Bevölkerung im Alter von 15 bis 65 Jahren und der weiblichen Bevölkerung im Alter von 15 bis 45 Jahren abgeleistet werden. Es sind dafür jährlich vier Solidaritätseinsätze zu je acht Stunden vorgesehen. Bei Ableistung dieses Einsatzes in innerbetrieblicher Arbeit ist das erarbeitete Geld auf das Konto der Hilfsaktion zu überweisen. Schwerpunkte für den außerbetrieblichen Einsatz sind der Wiederaufbau des Berliner Bahnhofs und der Neubau der Berufsschule. Auf der Kreisdelegiertenkonferenz der SED, die am 12. und 13. November stattfindet, wird der Genosse Sälzer als l. Sekretär der Kreisleitung gewählt. Diese Funktion war ihm bereits vor einem Jahr übertragen worden. Am 14. November gründet sich die Betriebsgruppe des Landratsamtes der Gesellschaft für deutsch-sowjetischen Freundschaft, der 25% der Belegschaft ummittelbar beitreten. Sie stellt sich das Ziel, durch eine Werbeaktion in kürzester Zeit eine 100%ige Mitgliedschaft zu erreichen. Am 19. November meldet das Blankstahlwerk die Erfüllung seines Jahresplanes. Die Laienspielgruppe „Frohsinn" der FDJ ändert ihren Namen in „Kulturbrigade Friedrich Wolf`. Ihr Leiter Günter Hennig erklärt dazu: „Um den Gedanken einer wirklich fortschrittlichen Kultur in die Masse des Volkes zu tragen, ist es notwendig, mit alten Traditionen zu brechen und neue Wege zu beschreiten". Sie wollen nur noch Stücke mit zeitgemäßem Inhalt spielen. Das erste wird zur Stalinfeier am 21. Dezember aufgeführt werden. Es werden erneut Aufkaufaktionen landwirtschaftlicher Erzeugnisse zur Verbesserung der Lebensmittelversorgung durchgeführt. Sie finden vom 21. bis 27. November und vom 11. bis 18. Dezember statt. Die Bauern erhalten als Gegenwert für diese „Freien Spitzen" landwirtschaftliche Bedarfsartikel und Zuteilungen von Waren, die nur im geringen Umfang für die Verbraucher zur Verfügung stehen. Am 27. November eröffnet der Konsum im Hotel „Weißes Roß" einen Weihnachtsmarkt, auf dem Spielwaren, Tabakwaren, Spirituosen und andere Geschenkartikel bis zum 22. Dezember verkauft werden. Eine Statistik vom 23. November weist folgende Zusammensetzung der Lehrerschaft auf:

Altlehrer:

33

(davon   7 SED)

Neulehrer:

55

(davon 28 SED)

Berufsschullehrer.

24

(davon   7 SED)

Sie verteilen sich auf fünf Grundschulen, eine Oberschule und eine Berufsschule.

1949 Dezember
Am 6. Dezember veranstaltet der FDGB im „Lindenhof` einen Volkskunstabend. An ihm wirken als Laiemnusiker das 27 Mitglieder starke Mandolinenorchester, der Volkschor und die Laienspielgruppe der Volksbühne mit. Am 10. Dezember werden vier Mitglieder der LDP, darunter die Sekretärin der Landtagsfraktion der LDP und frühere Leiterin des Büros des Bürgermeisters der Stadt Delitzsch, Frau Eleonora Borschel, vom NKWD der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet. Sie stehen im Verdacht, mit Personen oder Organisationen in Westberlin Kontakt aufgenommen zu haben. (Im März 1950 wurde Frau Borschel durch ein sowjetisches Militärgericht zu 25 Jahren Arbeitslager wegen angeblicher Spionage und illegaler Gruppenbildung nach einem sowjetischen Strafgesetz verurteilt. Im April des gleichen Jahres wird sie den DDR-Behörden überstellt. Im September 1955 wird sie aus dem Frauenzuchthaus Burg Hoheneck entlassen. hm Oktober gelingt ihr die Flucht nach Westberlin). Der Kreisausschuß für den Deutschen Volkskongreß und die GDSF fordern in einem Aufruf die Einwohner der Stadt auf, zu Ehren des 70. Geburtstages des Generalissimus Stalin die Häuser zu schmücken und Fahnenschmuck anzubringen. Die dafür benötigte Illumination und das Dekorationsmaterial wird vom Kreisvolksausschuß ausgegeben. Der Rat des Landkreises übersendet dem Generalissimus Stalin zu seinem Geburtstag als „Zeichen freundschaftlicher Verbundenheit" einen 90 cm hohen geschnitzten Pokal. Die Stadtverordneten beschließen in ihrer Versammlung am 20. Dezember auf Antrag der SED-Fraktion, den Marktplatz in „Stalinplatz" umzubenennen. Weiterhin wird der Haushaltsplan für 1950 mit 3.137.000 DM in Einnahmen und Ausgaben verabschiedet. Vom 20. bis 23. Dezember findet zum ersten Mal nach dem Krieg ein Weihnachtsmarkt statt. Am 26. Dezember erfolgt die Wiedereröffnung der in Volkseigentum übergegangenen Kulturstätte „Karl-Marx-Haus" (früher Schützenhof). Das Gebäude wurde renoviert und der Saal erhielt ein neues Parkett. Die sowjetische Militärkommandantur ist in Delitzsch aufgelöst worden. Die von ihr beschlagnahmten Häuser in der Ludwig-Jahn-Straße werden den einstigen Bewohnern zurückgegeben. Wegen der allgemein verbesserten Versorgungslage schließt die Tauschzentrale der HO (Bismarckstraße 10) zum Jahresende.

1949 Zusammenfassung des Jahres
Die Verhältnisse im Kreis Delitzsch werden maßgeblich bestimmt durch die bereits im Vorjahr sich abzeichnende auseinanderstrebende Entwicklung des gesellschaftliche, politischen und wirtschaftlichen Lebens in den Besatzungszonen Deutschlands. Das Zerwürfnis zwischen den westlichen Alliierten und der Sowjetunion beschleunigt sich. Ein Friedensvertrag mit Gesamtdeutschland kommt nicht zustande. Die Besatzungsmächte sind bestrebt, ihre eigene gesellschaftliche Ordnung auf ihr Herrschaftsgebiet zu übertragen. So finden im IL Quartal verstärkt Kundgebungen und Demonstrationen im Hinblick auf die sich abzeichnende Spaltung in zwei Staaten unter dem Motto „Für Einheit und gerechten Frieden" statt. In ideologischer Hinsicht werden die Errungenschaften der Sowjetunion hervorgehoben und als erstrebenswertes Ziel in der im Oktober gebildeten Deutschen Demokratischen Republik dargestellt. Dabei wird die Rolle Stalins besonders hervorgehoben. Beiden deutschen Staaten wird jedoch vorerst die volle Souveränität vorenthalten, in der BRD durch das Besatzungsstatut, in der DDR durch die Sowjetische Kontrollkommission. Diese Ereignisse finden ihre Widerspiegelung in den Geschehnissen in der Stadt und im Kreis Delitzsch. In der Ostzone wird mit der „Deutschen Demokratischen Republik" ein Staat gebildet, in welchem die SED als „Partei der Arbeiterklasse" und auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus mit seiner Lehre von der „Diktatur des Proletariats" beansprucht. Daraus folgte zwangsläufig die Überführung der Produktionsmittel in Volkseigentum und der Aufbau einer sozialistischen Planwirtschaft. In den westlichen Besatzungszonen wird, entsprechend dem politischen Verständnis der dort stationierten Siegermächte, in der ebenfalls gegründeten Bundesrepublik Deutschland mit einer bürgerlichen parlamentarischen Demokratie auch eine freie Marktwirtschaft etabliert. Im Ergebnis des „Stalinkults" in der DDR wird der Markt in „Stalinplatz" umbenannt. Sich gegen diese Entwicklung einer Sowjetisierung stellenden Kräfte werden, auch durch Verhaftungen, ausgeschaltet. Im Bereich der Produktion sind in diesem Jahr folgende Erscheinungen charakteristisch: - Aufrufe von Werktätigen zur Erf üllung und Übererfüllung der Planauflagen des Zweijahrplanes; - Einführung der „Aktivistenbewegung" nach dem Vorbild der „Stachanow   Bewegung" in der Sowjetunion, Auszeichnung der ersten Aktivisten in Betrieben der Stadt und des Kreises. Das Leichtmetallwerk in Rackwitz eröffnet eine betriebseigene Berufsschule. 100 Lehrlinge werden eingestellt. Die Lebens- und Wohnverhältnisse normalisieren sich allmählich. In der Stadt werden einige HO-Geschäfte neu eröffnet. Die Versorgung mit Lebensmitteln, Textilien und Schuhen wird verbessert, jedoch wird die Verteilung von Bedarfsgütern nach wie vor auf Marken bzw. Zuteilungsscheinen beibehalten. Die VEAB (Volkseigener Erfassungs- und Aufkaufbetrieb) für landwirtschaftliche Erzeugnisse übernimmt die Entgegennahme der auf Grund der Pflichtablieferungsbestimmungen und der Aufkäufe nach erfüllter Ablieferungsnorm erzeugten landwirtschaftlichen Produkte. Zur Verbesserung der gesundheitlichen Betreuung wird die Kreispoliklinik eröffnet. Die Eingliederung der aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und dem Sudetenland Ausgewiesenen ist im wesentlichen abgeschlossen. Noch immer kehren Kriegsgefangene aus der Sowjetunion zurück, die in das Wirtschaftsleben eingegliedert werden müssen. Die Gründung der DDR als selbständiger Staat wird in Delitzsch mit einem Fackelumzug und einer Kundgebung auf dem Markt begrüßt. Eine Jugenddelegation nimmt an den Feierlichkeiten in Berlin teil.


1950

1950 Januar
Ab dem 1. Januar ist die Delitzscher Eisenbahn (Kleinbahn) Eigentum der deutschen Reichsbahn und hört auf, als selbständige Privatbahn zu existieren. Im Lokschuppen von Delitzsch-West sind nur noch Triebwagen und Diesellokomotiven stationiert. Die Dampflokomotiven sind im Lokschuppen der Reichsbahn zwischen der Zuckerfabrik und der Leipziger Straße untergebracht. Am 10. Januar wird der „Kreisvolksausschuß für Einheit und gerechten Frieden" entsprechend seines neuen gesellschaftlichen Auftrages in „Kreisausschuß der Nationalen Front des demokratischen Deutschlands" umbenannt. Vorsitzender wird Herr Erich Sälzer (SED), Sekretär Herr Naumann (NDPD). Die Hauptaufgabe der nächsten Monate besteht in der Vorbereitung der Volkswahlen am 15. Oktober 1950. Am 19. Januar wird der Wiederaufbau des am 16. April 1945 durch einen US-Jagdbomber zerstörten Bahnhofsgebäudes abgeschlossen. Dabei wurden 3.148 freiwillige Einsatzstunden, meist durch Angehörige der Reichsbahn, geleistet. 13. Januar - Der Marktplatz wird in Stalinplatz umbenannt. In der örtlichen Presse findet der Beschluß der Sowjetunion zur Auflösung der Internierungslager Buchenwald, Sachsenhausen und Bautzen eine allgemeine Zustimmung. Am 28. Januar wird in der zum Kulturhaus des RAW umgestalteten Turnhalle die Betriebssportgemeinschaft (BSG) des RAW gegründet. Der Kulturleiter des RAW, Albin Schneider, hat in einer Vorbesprechung die Aufgabe einer Betriebssportgemeinschaft erläutert: „Durch sie wird das Nur-Sportlertum überwunden. Dem Sport wird nunmehr ein gesellschaftlich und ideologisch klarer Inhalt gegeben." In der BSG sind bereits über 200 Mitglieder in sieben Sparten organisiert. Unter der Losung „Gegen den amerikanischen Imperialismus und dessen Vasallen Adenauer, für die Friedensfront unter der Führung der mächtigen Sowjetunion" veranstaltet der Ortsausschuß der NF in der Parkgaststätte eine Kundgebung. Als Redner tritt Minister Kamps von der Landesregierung Sachsen-Anhalt auf. Am 19. Januar wird bekanntgegeben, daß Anträge zur „Familienwiedervereinigung" für Angehörige, die noch in Polen, der CSR, Rumänien und Ungarn wohnen, beim Ministerium für auswärtige Angelegenheiten in Berlin gestellt werden können. Die ersten Umsiedlertransporte aus Polen werden im Rahmen dieser Aktion demnächst erwartet. Umsiedler, die ab 1. März 1949 aus Polen und ab 1. November 1949 aus den Gebieten der UdSSR eingetroffen sind, und anhanglose Heimkehrer, die ab 1. Juli 1949 aus der Kriegsgefangenschaft in der UdSSR entlassen wurden, erhalten Warengutscheine. Am 24. Januar wählen die Stadtverordneten zu ihrem Vorsteher Herrn Gebhardt (SED), zum 1. Stellvertreter Herrn Richter (LDP), zum 2. Stellvertreter Herrn Loske (CDU) und zum Schriftführer Herrn Dietrich (CDU). Der Stadtrat, Herr v. Mallotki (CDU), scheidet aus. An seine Stelle tritt Frau Dorothea Seiffert (CDU).

1950 Februar
Ab 3. Februar wird die Bewirtschaftung des Moorbades von dem KWU der Stadt übernommen. Es werden Wannen-, medizinische- und Moorbäder verabreicht. In diesem Monat nimmt der VEB Ziehwerk die Produktion von Blankstahl auf. Das Sozialamt Delitzsch ermöglicht in Verbindung mit der Volksbühne für 150 Fürsorgeempfänger einen kostenlosen Besuch der Vorführung der Operette „Orpheus in der Unterwelt" durch das Stadttheater Wurzen. Am 24. Februar führt die FDJ eine Großkundgebung zum Gedenken an junge Widerstandskämpfer mit allen Funktionären der FDJ und JP im Karl-Marx-Haus durch. Das Erscheinen ist Ehrenpflicht und dient als Voraussetzung zur Teilnahme am Freundschaftstreffen zu Pfingsten in Berlin. In der Blockausschußsitzung am 24. Februar wird bekanntgegeben, daß der Kreisvorsitzende der LDP, Herr Hermann Scharf, aufgrund der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen seine Funktion niedergelegt hat. In der „Freiheit" vom 21. Februar wird unter der Überschrift „Doppelzünglertum ist Verrat am Frieden" dem Kreisvorsitzenden der LDP, Herrn Scharf, vorgeworfen, daß in seiner politischen Arbeit Wort und Tat nicht übereinstimmte und er nicht gegen die reaktionären Kräfte im Kreisverband eingeschritten wäre. Sein Nachfolger wird Herr Biedermann. Da Herr Scharf noch Mitglied des Landesvorstandes und Landtagsabgeordneter ist, wird der Landesvorstand zu einer entsprechenden Stellungnahme aufgefordert. Der Antrag wurde mit 10 Stimmen gegen die vier Stimmen von CDU und LDP angenommen. Die Stadtverordneten beschließen am 28. Februar, daß die NDPD mit zwei Vertretern in die Stadtverordnetenversammlung mit beratender Stimme aufgenommen wird und weitere für die Ausschüsse benennen kann. Weiterhin beschließen sie, den Bau von Schulkinder-Spielplätzen vorzubereiten und den Nordplatz anläßlich des „Internationalen Frauentages" in „Clara-Zetkin-Platz" umzubenennen.

1950 März
Als zweite Betriebssportgruppe wird die BSG „MAS Delitzsch" gegründet. ihr gehören etwa 500 Mitglieder an, die meist zuvor verschiedenen, nunmehr aufgelösten örtlichen Sportgemeinschaften (SG) angehört hatten. Der Kreisausschuß der NF beschließt, eine Versammlungskampagne zur Popularisierung des Programmes der NF in der Zeit vom 15. März bis 20. März durchzuführen. Einen Höhepunkt stellt die Großkundgebung am 16. März in der Parkgaststätte Am Schützenplatz dar. Weiterhin wird beschlossen, für die Wahlen im Oktober ein gemeinsames Programm aller Parteien aufzustellen. Dazu heißt es: „Dieses erfordern die großen Aufgaben, die nur gemeinsam gelöst werden können. Auch soll verhindert werden, daß in einzelnen Parteien reaktionäre Kräfte die Oberhand gewinnen. Daher ist es notwendig, mit den alten Formen des Wahlkampfes zu brechen und neue Methoden zu entwickeln." In der Zeitung „Freiheit" erscheint ein Artikel, in dem die baldige Umbenennung der Heinrich-Kaufmann-Straße (heute August-FritzscheStraße) gefordert wird, da der Träger dieses Namens „reaktionäres bürgerliches Gedankengut" vertreten habe. Die jahreszeitlich bedingte Stromsperre für die Haushaltungen in der Zeit von 7.30 bis 9.00 Uhr und 15.00 bis 17.30 Uhr wird am 20. März aufgehoben. Im Laufe des Monats kehren die ersten Entlassenen aus den sowjetischen Internierungslagern zurück, darunter der im Oktober 1945 verhaftete frühere amtierende Bürgermeister Paul Scharf. Der Nordplatz wird auf Beschluß der Stadtverordneten in Clara-Zetkin-Platz umbenannt. Am 27. März erfolgt die vierte große Preissenkung der HO. Sie betrifft verschiedene Textilien und Lebensmittel, wie z.B.

Weißbrot, 1000 g

von

5,00 DM

auf

3,00 DM

Butter, 500 g

von

30,00 DM

auf

24,00 DM

Schweinefleisch, 500 g

von

25,50 DM

auf

19,00 DM

Kunsthonig, 500 g

von

5,00 DM

auf

3,00 DM

Bockwurst mit Salat

von

4,80 DM

auf

3,75 DM

Ei

von

2,00 DM

auf

1,00 DM

Herrensocken

von

9,00 DM

auf

6,50 DM

Herrensporthemden

von

6,00 DM

auf

45,0013M

Damenkleid

von

98,00 DM

auf

84,00 DM

Am 27. März wird in der „Freiheit" kritisiert, daß der stellv. Landrat Wagner (LDP) als Landwirt sein Ablieferungssoll nicht erfüllt habe. Die „Freiheit" meint daraufhin, Herr Wagner sei in dieser Position nicht mehr tragbar. Er legt daraufhin am 31. März sein Amt nieder. Sein Nachfolger wird Helmut Biedermann (LDP).

1950 April
Der Vorschlag, das durch die Räumung durch die sowjetische Kommandantur frei gewordene Behördenhaus (früher Lehrerseminar) als Schule zu benutzen, wird vom Bürgermeister Hampe wegen des zu hohen Bauaufwandes als nicht realisierbar erklärt. Dafür wird dieses Gebäude von der Volkspolizei als Kreisamt genutzt. Auch das Finanzamt und das Zollamt werden nach dort zurückverlegt. Ab l. April erscheint die Tageszeitung der SED „Freiheit" mit einer eigenen Kreisausgabe. Im gesamten Monat findet eine Sonderaktion zur Erfassung von Altpapier statt, da für die Erfüllung des Volkswirtschaftsplanes 1950 alle inneren Reserven mobilisiert werden sollen. Für 25 kg Altpapier werden z. B. als Prämie 20 Quadratmeter Dachpappe abgegeben. Am 2. April beschließt der Kreisblock der Nationalen Front die Erarbeitung eines gemeinsamen Wahlprogrammes und fordert die Ortsblockausschüsse auf, dieses auch für die Gemeinden zu veranlassen. Unter dem Motto „Unsere Arbeit ist Kampf für den Frieden" flirrt die FDJ ihre 5. Kreisdelegiertenkonferenz durch. Die Zahl der Mitglieder beträgt jetzt 6.450 Jugendfreunde im Kreis Delitzsch. Die Förderung der Jungaktivistenbewegung sei eines der wichtigsten Ziele der neuen Leitung. Herr Gräfe wird als Kreisvorsitzender wiedergewählt. Am B. April findet eine Kulturveranstaltung der Betriebsgruppe der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft (GDSF) des RAW statt. In dem überfüllten Saal wird durch Laien- und Volkskunstgruppen ein dreistündiges Programm geboten. Der Erlös der Veranstaltung wird der Jugend für ihr Deutschlandtreffen zur Verfügung gestellt. Bei Rechenschaftslegungen der Stadtverwaltung stehen zwei Probleme im Mittelpunkt: - Der Schulraummangel und die Einführung von Schichtunterricht (Schichtunterricht gab es bereits seit 1949, z. B. waren an der Comeniusschule zwei Grundschulen mit zwei Direktoren Herr Hruschka und Herr Wachsmuth mit wöchentlich wechselndem Schichtunterricht untergebracht. Die Klassenstärke beträgt bis zu 50 Schüler). - Die zu geringe Kapazität des Krankenhauses mit gegenwärtig 226 Betten. Zum Problem der Krankenversorgung beschließen die Stadtverordneten am 11. April als Notmaßnahme zur Behebung des Bettenmangels die Einrichtung eines Behelfskrankenhauses (Am Wallgraben 1) mit einer Kapazität von 40 bis 50 Betten. Das Gutheilstift wird derzeit vom Dezernat Gesundheit des Landratsamtes genutzt. (Das Gebäude wurde 1913 erbaut. Ein Fräulein Gutheil, gestorben 1909, hinterließ 30.000 RM. Mit diesem Kapital konnte der schon lange geplante Bau eines Siechenhauses begonnen werden. Die Stadtverwaltung gab dazu kostenlos das Baugelände mit 7.632 m²). Da aber insgesamt 250 Betten fehlten, wird beschlossen, eine Delegation zur Landesregierung zu entsenden. Als neuer Chefarzt wird Dr. Jockisch bestätigt. Als Vertreter der NDPD werden die Herren Franklin Schramm und Karl Schäfer als Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung mit beratender Stimme aufgenommen. Da an allen Schulen zu Beginn des neuen Schuljahres die Schulspeisung eingeführt werden soll, wird der Bau einer zentralen Schulküche flir erforderlich gehalten. Die Bevölkerung wird aufgerufen, hierfür von ihr nicht benötigte Kochkessel zur Verfügung zu stellen. Am 17. April fordern die Werktätigen des RAW in einer Versammlung, als Schlußfolgerung aus dem gemeinsamen Wahlprogramm eine gemeinsame Wahlliste aufzustellen. Am 26. April treffen 30 Kinder aus Salzgitter-Watenstedt zur Erholung in Delitzsch ein. Ihre Väter sind durch die von den „britischen Imperialisten" angeordneten Demontagen arbeitslos geworden. Der Neue Heiligbrunnen in der Oskar-Reime-Straße wird mit seinen Anlagen durch die Stadtverwaltung der Stadtgruppe der FDJ zur Instandhaltung und Pflege Überlassen. Die FDJ will dort ein „Kulturzentrum" errichten (es blieb nur beim Vorsatz). Am 30. April wird im Museum die Ausstellung „5 Jahre Aufbau 1945 bis 1950 - Kampf um die Einheit - Nationale Front" eröffnet.

1950 Mai
Am 1. Mai findet eine Großkundgebung auf dem Stalinplatz (Markt) statt. Etwa 10.000 Berufstätige sollen von ihren Stellplätzen durch die Stadt dorthin marschiert sein, so kommentiert es die Zeitung. Die „Volksbühne" im Kreis Delitzsch umfaßt jetzt etwa 3.000 eingetragene Mitglieder. Die Ortsvereinigung Delitzsch will für ihre Besuchergemeinde bis zur neuen Spielzeit, die im September beginnt, einen 2. Ring aufbauen. Die Aufführungen vom Elbe-Elster-Theater Wittenberg und vom Landestheater Dessau finden im Karl-Marx-Haus statt. Zum 6. Mai wird das „Kreisfriedenskomitee" gebildet. Als Vorsitzende wird Frl. Lemka (CDU) und als stellvertr. Vorsitzender Herr Biedermann (LDP) gewählt. In einem Aufruf wendet sich das Komitee gegen die drohende Gefahr eines neuen Krieges und leitet eine Unterschriftenaktion zum Verbot der Atombombe ein. Am B. Mai finden in vielen Betrieben Feierstunden statt. Anschließend führt ein Demonstrationszug zu den Gedenkstätten der „Helden der Roten Armee" auf dem Friedhof und der „Opfer des Faschismus", in der Bitterfelder Straße, um sie mit einer Kranzniederlegung zu ehren. Die Stadtverordneten beschäftigen sich am 23. Mai mit der „Wohnungsnot, die zur Katastrophe anwächst". Man will auf den Wohnungsneubau hinwirken. Am 29. Mai werden im Karl-Marx-Haus 100 Junge Pioniere zum Deutschlandtreffen der Jugend verabschiedet.

1950 Juni
Am „Internationalen Kindertag" am 1. Juni ziehen 3.000 Kinder durch die Stadt zum Elberitzsportplatz, um dort den Tag bei Sport und Spiel zu feiern. An ihrer Spitze marschieren Junge Pioniere, die mit dem neuen Leistungsabzeichen „Für gute Arbeit in der Schule" geehrt worden sind. An diesem Tag wird auch erstmals der „Tag der Volkspolizei" begangen. Am 16. Juni wird Albin Schneider durch den Landesvorstand der SED Sachsen-Anhalt als 1. Sekretär der Kreisleitung Delitzsch eingesetzt. Der bisherige Funktionsinhaber Emil Sälzer wird zu den bewaffneten Organen delegiert. Am 23. Juni erläßt der Kreisblockausschuß der Nationalen Front einen Aufruf zur Großsuchaktion für die Bekämpfung der Kartoffelkäfergefahr. Durch den aufgetretenen Befall würde das Ziel, nach der Ernte die Lebensmittelrationierung, außer Fleisch und Fett, aufzuheben, gefährdet. Unterzeichner sind Herr Hörnke (SED), Herr Biedermann (LDP), Herr Nickisch (CDU), Herr Naumann (NDPD), Herr Hoffmann (DBD), Herr Bernhardt (FDGB) Frau König (DFD), Herr Gräfe (FDJ). Für die Zeit der Sommerferien werden im Kreis Delitzsch für 2.000 Kinder Örtliche Ferienspiele eingerichtet. Das Volksbildungsamt des Kreises ordnet die „Aussonderung verbotener und unerwünschter Literatur" an. Sämtliche Büchereien, Bibliotheken, Buchhandlungen werden aufgefordert, ihre Bestände gründlichst zu überprüfen.

1950 Juli
Ab 1. Juli tritt ein Beschluß des Landtages zur Veränderung von Kreisgrenzen in Kraft. Damit verliert der Kreis Delitzsch den westlichen Teil mit der Stadt Landsberg und den Gemeinden Bageritz, Dölbau, Gollma, Gütz, Klepzig, Kockwitz, Lohnsdorf, Naundorf bei Reideburg, Sietzsch, Wiedersdorf, Zwebendorf, Queis, Reußen und Reinsdorf an den Saalkreis. Döbem kommt zum Kreis Bitterfeld. Am 1. Juli führt die 1. Handballmannschaft der MAS Delitzsch ein Freundschaftsspiel gegen Eintracht Braunschweig durch. Bürgermeister Hampe gibt für die Sportler einen Empfang. Die Stadtverordneten beschließen am 4. Juli, daß der begonnene Bau eines Acht-Familien-Hauses an der Securiusstraße Nr. 40 a und 40 b bis Jahresende fertiggestellt wird. Der Wiederaufbau der durch das Hochwasser 1947 zerstörten Schiefen Brücke (Brücke über den Wallgraben in der Holzstraße) wird vorbereitet. Die Fertigstellung wird für 1951 vorgesehen. Aus Anlaß der 100-Jahr-Feier der Konsumgenossenschaft findet vom B. Juli bis 18. Juli auf den Schützenplatz ein großes Volksfest statt. Am 1. Juli wird der 100. Geburtstag der Kreditgenossenschaft gefeiert. Nach einer Feierstunde in der Ehrenberg-Oberschule wird die von Prof. Brumme aus Leipzig neu geschaffene Statue aus Muschelkalk von Dr. Hermann Schulze-Delitzsch am Marienplatz enthüllt. (Im 17. Weltkrieg wurde 1944 die Bronzefigur entfernt und wahrscheinlich eingeschmolzen. Bis 1950 stand auf dem Granitsockel eine Schale. Hermann Schulze gilt als Begründer des deutschen Genossenschaftswesens. Er trat für Genossenschaften als Selbsthilfeeinrichtung des Handwerks und Gewerbes ein. Ein wichtiger Schritt auf diesem Wege war die Gründung von Kreditgenossenschaften, die heute als Volksbanken weiterbestehen. Nach 1945 legte die Bank fir Handwerk und Gewerbe aus Anlaß des Geburtstages von Hermann Schulze Blumengebinde am Sockel des Denkmals nieder). Am 15. Juli findet in der Stadtkirche anläßlich des 200. Todestages von J. S. Bach eine Feier mit einem Orgelkonzert statt. Superintendent Wilhelm Fries wird in den Ruhestand versetzt. (Er wurde 1878 in Barmen/ Wupper geboren, 1910 war er Pfarrer in Lebusa, Stadt an der Oder. Von 1928 bis 1950 war er Superintendent in Delitzsch. Er starb 1952 in Delitzsch). Es findet die fünfte Preissenkung der HO statt. So kosten jetzt 500 g Margarine nur noch 7,50 DM. Die Betriebssportgemeinschaft des RAW wird in „BSG Lokomotive Delitzsch" umbenannt.

1950 August
Am 1. August werden die Gemeinden Kertitz, Gertitz und Werben eingemeindet. Damit verbunden gibt es folgende neue Straßennamen: In Kertitz: Im Winkel, Am Teich, Schenkenberger Weg, Eschenweg. In Gertitz: Am grünen Hain, Am Anger, Windmühlenweg, Schkeuditzer Straße. In Werben: Lauesche Straße, Ackerweg. Bis zur Kreisdelegiertenkonferenz der NF am B. August sind in Delitzsch 13 neue Aufklärungslokale eingerichtet worden. Die Konferenz dient zur Vorbereitung der Oktoberwahlen. Es wird dazu festgelegt, daß auf 100 Wähler eine Aufklärungsgruppe mit der Zielstellung gebildet wird, den Sieg der Liste der NF zu sichern. Am 24. August versammeln sich mehrere Tausend „Friedenskämpfer" auf dem Stalinplatz zu einer Großkundgebung. Dabei erfolgt die Übergabe der Unterschriftenlisten zum Verbot der Atomwaffen an die Vertreter des Landesfriedenskomitees. 93% der erwachsenen Bevölkerung haben sich unter der Losung: „Jeder Namenszug zum Stockholmappell ist eine Stimme gegen die Kriegstreiber" in die Listen eingetragen.

1950 September
Ab 1. September werden auf Beschluß des Ministerrates die Lebensmittelrationen bei Fleisch und Fett um je 450 g im Monat erhöht. Im RAW wird die Werkpolizei als Betriebsschutz eingeführt. Am 22. September erfolgt im Lindenhof die Vorstellung der 40 Kandidaten der NF für das Stadtparlament. Am 24. September wird die Liste der 50 Kandidaten für den Kreistag, darunter 15 Bürger aus Delitzsch, veröffentlicht.

1950 Oktober
Ab 1. Oktober können Einkellerungskartoffeln frei käuflich erworben werden. Arbeitsunfähige Bürger ab 60 Jahre können sich 10 % der UraltkontenBeträge in Höhe bis zu 100,00 M auszahlen lassen. Am 4. Oktober findet eine große Wahlkundgebung im Karl-Marx-Haus mit Herr Prof. Bernhard Koenen, 1. Landessekretar der SED, der für die Volkskammer kandidiert, statt. Am 6. Oktober spricht der Volkskammer-Kandidat, Herr Gerald Götting, Vorsitzender der CDU, vor den Wählern im Lindenhof. Die Wahlen finden am 15. Oktober statt. Viele Belegschaften haben vorher zu einer offenen Wahl aufgerufen und sich verpflichtet, bereits bis Mittag ihre Stimmen für die Kandidaten der NF abzugeben. Die Wahlbeteiligung im Kreis beträgt 99,2 %. In der Stadt werden 17.071 gültige und 10 ungültige Stimmen abgegeben. Gegenstimmen sind nicht zu verzeichnen. Dem neuen Stadtparlament gehören an: Neun Abgeordnete der SED, fünf je der LDP und CDU, drei der NDPD und zwei der DBD sowie 16 Abgeordnete aus den Massenorganisationen. Von letzteren sind 14 Mitglieder der SED, einer Mitglied der CDU, einer parteilos. Wegen der Einrichtung von Klassenräumen im Behördenhaus werden die dort befindlichen Ämter bis auf das Volkspolizeikreisamt ausgelagert. Das Finanzamt befindet sich ab 19. Oktober in der Fabrikstr. 2.

1950 November
Für die Wintermonate werden wieder Stromabschaltungen oder Stromsperrzeiten durchgeführt. Ab 1. November ist das Stadtgebiet westlich der Bahn von 7.00 bis 7.45 Uhr und von 18.30 bis 19.15 Uhr und östlich der Bahn von 7.45 bis 8.30 Uhr und von 18.30 bis 19.15 Uhr betroffen. In der konstituierenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung werden zum Stadtverordnetenvorsteher Ernst Nitsch (SED) und zum 1. Stellvertreter Jugendfreund Albin Beer (FDJ) gewählt. Dem Präsidium gehören an: Herr Nitsch (SED), Herr Pscheidl (LPD), Herr Schmieder (CDU), Herr Schäfer (NDPD), Herr Pratzsch (DBD), Herr Beer (FDJ), Frl. Gawlik (DFD), Herr Paschke (VVN/VdgB), Herr Stegemeyer (FDGB). Dem Rat der Stadt gehören an:

Bürgermeister:

Herr Richard Hampe

(SED)

z. Bürgermeister:

Herr Karl Böttcher

(LDP)

Stadträte:

besoldet

Herr Alfred Nickisch

(CDU)

 

nicht besoldet

Herr Franklin Schramm

(NDPD)

 

Frau Margarete Teichert

(SED)

 

Herr Rolf Höpping

(FDJ)

 

Frau Lina Neubauer

(DFD/KB)

 

Herr Hermann Gebhardt

(FDGB).

1950 Dezember
Mit Beginn des Monats ist der Umbau eines Teiles des ehemaligen Lehrerseminars in der Dübener Straße (ehemaliges Behördenhaus) abgeschlossen. Es wird dort die 2. Grundschule eingerichtet. Damit ist der Nachmittagsunterricht in Delitzsch nicht mehr notwendig. Auf Vorschlag des Kreisvorstandes des DFD sind Spätverkaufsstellen eingerichtet worden. In Delitzsch sind es die Geschäfte in der Eilenburger Straße 23 und für Textilien in der Breite Straße 32. Der Lebens-mittelverkauf findet Montag bis Freitag von 6.00 bis 22.00 Uhr und Sonnabend von 6.00 bis 20.00 Uhr statt, für den Textilverkauf gilt am Mittwoch und Freitag eine verlängerte Öffnungszeit von 18.00 bis 21.00 Uhr. Der Bürgermeister Hampe tritt aus gesundheitlichen Gründen zurück und wird am 22. Dezember ehrenvoll durch die Stadtverordneten verabschiedet. Neuer Bürgermeister wird Gen. Paul Heinze (SED) aus Eilenburg. Ebenfalls am 22. Dezember wird Gen. Petersdorff (SED) als neuer Landrat in sein Amt eingeführt.

1950 Zusammenfassung des Jahres
Die Konfrontation der beiden Gesellschaftssysteme nimmt in diesem Jahr bedrohliche Formen an. Sie kumuliert in den im Juni ausbrechenden Korea-Krieg und im Eingreifen von UNO-Streitkräften, die unter US-Oberbefehl stehen. Diese Eskalation hat auch seine Auswirkungen auf die Innenpolitik der beiden deutschen Staaten. Der ideologische Kampf verschärft sich. In der DDR gibt es vor allem Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Führungsanspruch der SED, die sie in einem „Bündnis aller deutschen Kräfte" in Form des „Demokratischen Blockes" durchsetzt. Das findet Widerspruch von andersdenkenden Persönlichkeiten, obwohl sich auch der Zentralvorstand der LDP und der politische Ausschuß der CDU auf zentraler Ebene zur Blockpolitik bekennen. Auf dem III. Parteitag der SED findet mit der Wahl von Walter Ulbricht, als Generalsekretär dieser Partei, der doktrinäre stalinistische Kurs mit dem „demokratischen Zentralismus" seine Umsetzung. Kritik an diesem Kurs wird mit Schauprozessen und Parteiausschlüssen unterdrückt. Diese Politik zeigt auch auf lokaler Ebene ihre Auswirkungen. In Delitzsch wird der „Kreisausschuß der Nationalen Front des Demokratischen Deutschlands" gebildet, dessen Vorsitzender Erich Sälzer (l. Sekretär der SED-Kreisleitung) und dessen Sekretär Walter Naumann (NDPD) ist. Die Verwirklichung der marxistischen Theorie von der Diktatur des Proletariats in Form der Blockpolitik unter Führung der SED findet den Widerspruch des Landtagsabgeordneten Hermann Scharf (LDP) und des Stellvertreters des Landrates, Wagner (LDP). Beide werden zum Rücktritt von ihren Funktionen mit Hilfe der Presse veranlaßt. Das politische Geschehen in Delitzsch wird in diesem Jahre im besonderen Maße von der Vorbereitung und Durchlührung der „Volkswahlen" geprägt. Die Kundgebungen und Demonstrationen finden in der Regel unter der Regie der „Nationalen Front" statt. Inhaltlich geht es um die Vorbereitung der Volkswahlen als vorrangiges Ereignis. Die Kandidaten werden von der Nationalen Front aufgestellt. Wahllisten der einzelnen Parteien gibt es nicht. Der Kreisblockausschuß der „Nationalen Front" beschließt bereits im März ein gemeinsames Programm, um Wahlkämpfe der Parteien zu vermeiden. Andere Themen von Veranstaltungen in der Stadt beziehen sich auf die zentralen Probleme der politischen Auseinandersetzungen, Schlagwort dazu sind: „Kampf gegen den USA-Imperialismus", „Kampf um den Frieden unter Führung der Sowjetunion". Der Kreis-Blockausschuß befindet auf Kreisebene und der Stadtblockausschuß der „Nationalen Front" auf Stadtebene über die Besetzung der Funktionen in den Verwaltungen und in den Parlamenten. Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln verbessert sich. Nach vor den Wahlen im September werden die Lebensmittelrationen bei Fleisch und Fett erhöht. Einkellerungskartoffeln können frei verkäuflich erworben werden, eine weiter Preissenkung der HO wird begrüßt. Große Probleme gibt es im Wohnungswesen, die „zur Katastrophe" anwachsen. An den Schulen wird im Herbst die Schulspeisung eingeführt. Alles in allem haben sich die materiellen Lebensverhältnisse in der Stadt verbessert. Die Wahlen scheinen durch die Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen eine wachsende Zustimmung zur Politik der Regierung widerzuspiegeln. Jedoch gibt das Wahlverhalten der Bevölkerung kein objektives Bild der Stimmungslage, da durch massive Agitation und provokative Wahlhandlungen im Sinne einer „offenen Stimmabgabe" das Wahlergebnis entscheidend beeinflußt wird.


1951

1951 Januar
Am 1. Januar erfolgt der Zusammenschluß der Stadtsparkasse Eilenburg mit der Kreis- und Stadtsparkasse Delitzsch. Damit besteht im Kreis Delitzsch nur noch eine Sparkasse, die durch einen Kreistagsbeschluß die Firmenbezeichnung „Kreissparkasse Delitzsch" erhält. Die Rationierung für Getreideprodukte und Hülsenfrüchte wird am 2. Januar aufgehoben. Preissenkung in den HO-Läden: 1 kg Brot kostet 0,48 bis 0,65 DM und Brötchen 0,06 DM. Auf Antrag der NDPD wird am 23. Januar der Teil der Leipziger Straße vom Stalinplatz (Markt) bis zum Bahnübergang der Strecke Halle - Delitzsch in Straße der „Deutsch-Sowjetischen Freundschaft" umbenannt. Im Blankstahlwerk Delitzsch läuft die Nagelproduktion an. Durch den Einsatz neuer Maschinen wird die Produktion um 100 % erhöht. Die Schneiderei Robert Kühn & Söhne in der Karl-Liebknecht- Str. 17a hat für die Anfertigung von Konfektionsartikeln nachfolgende Preise:

für eine Rundbundhose

11,25 DM

einen Herrenmantel

40,00 DM

einen Anzug

41,25 DM

einen Damenmantel

37,50 DM

ein Kostüm ebenfalls

37,50 DM

Diese Preise setzen voraus, daß Stoff., Nähgarn und Knöpfe vom Kunden zur Verflgung gestellt werden.

1951 Februar
Im Stadtteil Werben wird die Ackerstraße in die Flurstraße und in Delitzsch die Heinrich-Kaufmann-Straße in August-Fritzsche-Straße umbenannt. (August Fritzsche gehört zu den Begründem des deutschen Genossenschaftswesens. Der Buchbindermeister August Fritzsche war der erste Geschäftsführer, der am 2. Juli 1850 in Eilenburg gegründeten Lebensmittelassoziation, während Heinrich Kaufmann, geh. 23. November 1864, in Steinberg (Schleswig) führend war in den deutschen Konsumgenossenschaften der Hamburger Richtung, die 1894 als Großeinkaufsgenossenschaft gegründet wurde. H. Kaufmann war ursprünglich Lehrer und später als Schriftsteller tätig. Er starb am 2. Juli 1928 in Hamburg). Beginn der Schulspeisung in Delitzsch. In einem Rundschreiben des Rates des Kreises wird die Forderung erhoben, daß die Schulspeisung als Warmverpflegung ausgegeben werden soll. Die Delitzscher Kleinbahn, seit 1950 der Deutschen Reichsbahn gehörend, hatte Schwierigkeiten in der Bereitstellung von ausreichenden Personenwagen. Die Züge haben mehr Gepäck- und Güterwaggons statt Personenwagen. Das geschieht auf beiden Streckenabschnitten Delitzsch - Glesien - Rackwitz und Rackwitz - Krensitz. Durch den Einsatz von Güter- und Gepäckwaggons fehlte es in den Waggons an der Beleuchtung und Beheizung. Der Theologe Prof. Dr. Herz aus Leipzig, Mitglied des Weltfriedensrates, berichtet im Karl-Marx-Haus Ober die II. Weltfriedenskonferenz. Die Stadtverordnetenversammlung ruft die Stadt Lünen in Westfalen zum Briefwechsel mit dem Thema „Deutsche an einen Tisch" auf. „ Eine weitere Verordnung über die Versorgung der Bevölkerung mit Textilien und Schuhen wird erlassen. Die HO senkt Preise, und die Rationierung für verschiedene Textilien wird aufgehoben.

1951 März
Der Rat der Stadt wendet sich mehrfach an dje Bevölkerung zur Mithilfe bei der Bekämpfung von mutwilligen Zerstörungen, wie das Abknicken von neu gepflanzten Bäumen und das Zerstören von Gaslaternen. Auf dem Markt wird ein alter gußeisener Brunnen entfernt. Jeder Stadtverordnete verpflichtet sich, bis zum 1. Mai ein „Hausfriedenskomitee" zu bilden, um den Erfolg der Volksbeugung gegen Remilitarisierung und für einen Friedensvertrag noch im Jahre 1951 abzusichern. Der Kreis Delitzsch beteiligt sich an der Vorbereitung für die „Große europäische Arbeiterkonferenz". Es finden Massenversammlungen im RA W und im Schokoladenwerk statt. Zur Unterstützung dieser Konferenz werden Sonderleistungen und Geldspenden erbracht.

1951 April
Die Stadtverordneten protestieren gegen die Bombardierung der Insel Helgoland. Sie dient den britischen Bombenflugzeugen als Übungsziel. Das Kommunale Wirtschaftsunternehmen (KWU) wird aufgelöst. Der bisherige Sitz war in der Zuckerfabrik. Im RAW wird eine dänische Delegation der „Europäischen Arbeiterkonferenz" empfangen. Die „Freiheit", Presseorgan der SED, veröffentlicht in Vorbereitung auf den 1. Mai 73 „Losungen des ZK der SED". Am 11. April finden drei Großveranstaltungen der NF im „Karl-MarxHaus", in der „Parkgaststätte" und der RAW-Kantine zur Vorbereitung der Volksbefragung statt. Die Stadtverordneten verpflichten sich zur Unterstützung der drei Stadtbezirke der NF. Das sind DelitzschNord mit fünf Wohnbezirken, Süd mit sechs Wohnbezirken und Ost mit vier Wohnbezirken. Die Betriebssportgemeinschaft (BSG) „Traktor" wird am 28. April gegründet.

1951 Mai
Die diesjährige Maidemonstration steht unter der Losung „Erhaltung des Friedens". Durch den Gesetzgeber werden zwei neue Auszeichnungsformen eingeführt, die Ehrennadel „Aktivist" und eine Medaille „Für ausgezeichnete Leistungen". Am 8. Mai, dem „Tag der Befreiung", nehmen 6000 Delitzscher am Demonstrationsumzug teil. Die amtlichen Bekanntmachungen fier den Kreis Delitzsch erhalten mit der Nr. 20 am 18. Mai eine neue Aufmachung. Neben dem Kreiswappen erscheint das Symbol für den ersten Fünfjahrplan. Bürgermeister Heinze nennt als wichtigste Aufgabe in der Wohnungspolitik, die noch immer in Baracken wohnenden 28 Familien unterzubringen. Bis zum 31.08. soll ein angemessener Wohnraum zugewiesen werden. Oberpfarrer Dr. Luther spricht auf einer Massenkundgebung im KarlMarx-Haus zur Vorbreitung der Volksbefragung zum Thema „Kampf gegen die Remilitarisierung und die Wiederbelebung des Faschismus in Deutschland". Die Schokoladefabrik Böhme AG wird am 26. Mai mit einer Belegschaftsstärke von 226 Personen in Volkseigentum übernommen. Die Produktion hat sich von 1950 mit 1200 t im Jahre 1951 auf 1230 t schokoladehaltige Erzeugnisse erhöht. (1950 waren unter dem Druck der Machtausübenden drei Belegschaftsmitglieder als Vorstand berufen worden. Ende 1950 werden zwei der Vorstandsmitglieder wegen Unterschlagung von Zucker verhaftet. Die Böhme AG kam am 30.10. 1950 unter Treuhandschaft. Die Führung des Betriebes lag nun in den Händen des Herrn Günther Böhme, der bis zum 21.07.1951 den Betrieb leitet. Ab 1951 wird unter Führung von Herrn G. Böhme intern daran gearbeitet, das Werk in die Bundesrepublik, nach Hamburg, zu verlegen, um dort die Produktion weiterzuführen. Im Rahmen des Strafverfahrens gegen die zwei Vorstandsmitglieder wurde 1951 die Böhme AG entschädigungslos enteignet, in Volkseigentum überführt und als Mitteldeutsches Süßwarenwerk Delitzsch weitergeführt).

1951 Juni
Die Volksbefragung gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands und für den Abschluß eines Friedensvertrages ergibt im Kreis Delitzsch eine Beteiligung von 99,5 %, und mit „JA" stimmen 95,48 %. Die Bevölkerung wird zum Bekämpfung des Kartoffelkäfers verpflichtet. „Die überraschend schnelle Ausbreitung des Kartoffelkäfers in Deutschland kann zu einer völligen Vernichtung unserer Einte führen, wenn nicht rechtzeitig mit allen Mitteln dagegen vorgegangen wird." Am 12. Juni wird erstmalig der „Tag des Lehrers" begangen. 23 Lehrer werden in einer Festsitzung der Stadtverordneten geehrt. Hildegard Schiller, Lehrerin an der Diesterweg-Schule (in der Bitterfelder Straße) wird als „Verdiente Lehrerin des Volkes" ausgezeichnet. Der Haushaltsplan der Stadt wird mit Ein- und Ausgaben auf 2.183.520 Mark festgesetzt. Die Kohlenversorgung der Bevölkerung beträgt für einen Zweipersonenhaushalt 275 kg. Zur Lebensmittelzusatzkarte A/B werden noch zusätzlich 125 kg, zur C l - 75 kg und zur D l - 50 kg Briketts ausgegeben. Rohbraunkohle ist frei erhältlich.

1951 Juli
Der seit 1928 in Delitzsch amtierende Superintendent Wilhelm Fries geht in den Ruhestand. Am 24. Juni wird der seit 1946 in Tangermünde als Pfarrer tätige Hans-Joachim König als Nachfolger in das neue Amt eingeführt. Der Kirchenmusiker Nöbel übernimmt nach einem Probespiel die Nachfolge des Organisten Emil Sauerteig. Dieser hatte das Amt seit 1907 ausgeführt und es aus Altersgründen niedergelegt. Die Stadtverordneten beraten in einer öffentlichen Sitzung über die Förderung der Jugend. Am z. Bauabschnitt der Delitzscher Berufsschule in der Karl-Marx-Straße wird die Richtkrone gesetzt. Das RAW erringt die Wanderfahne im Wettbewerb. Die Planerfüllung beträgt 117,6 % und die Gesamtarbeitsproduktivität 196,72 %. Bereits 1948 wurde im hiesigen Wasserwerk mit dem Neubau einer Wasseraufbereitungsanlage begonnen. Dieses Jahr wird die Enteisenung mit einem Kostenaufwand von 45.000 DM gebaut. Von der Münze bis zur Ritterstraße wird ein neuer Abwasserkanal mit einem Aufwand von 42.000 DM gebaut. Am 25. Juli wird der erste Selbstbedienungsladen als HO-Lebensmittel in der Eilenburger Straße in Delitzsch eröffnet.

1951 August
Der Schulrat Seiler unterzeichnet den Aufruf zum Wettbewerb „Schafft schönere Schulen". Der Berufsschulinspizient der Kreisverwaltung ruft die Bürger auf, sich zur Ausbildung als Berufsschullehrer zu melden. Die „Amtlichen Bekanntmachungen" des Kreises Delitzsch werden mit der Nr. 35 vom 31. 08. 1951 eingestellt, die seit 1946 erschienen waren. Ihren Wegfall begründet der Landrat Petersdorf mit den Worten: „Nach der weitgehenden Aufhebung der Rationierung ist diese nicht mehr von Bedeutung." Trotz dieser Feststellung erfolgt nach wie vor die Versorgung der Bevölkerung mit Bezugskarten für bestimmte Bedarfsgüter. Im September sind Butter, Margarine, Schlachtfette, Fleisch, Zucker und Seife u.a. noch immer rationiert. Die Bekanntmachungen über den Kreis Delitzsch erscheinen ab September in der „Freiheit", dem Organ der SED für Sachsen-Anhalt. Die Leipziger Straße wird am 3. August in „Straße der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft" umbenannt. Am 25. August werden die im RAW gebauten Reisezugwagen für die Regierung der DDR übergeben.

1951 September
Es beginnt der Aufbau der 10-Klassenschule. Die erste Zentralschule ist die „Friedens-Oberschule" Delitzsch. Erste Schule mit Übergang zur 10-Klassenschule ist die „Schulze-Delitzsch-Oberschule" (heute die Diesterweg-Schule in der Schulstraße). Die erste Berufspädagogische Kreiskonferenz findet in Delitzsch statt. Acht Jungarbeiter des RAW folgen einem Aufruf zum Einsatz in den Uranbergbau.

1951 Oktober
In der Parteiaktivtagung der SED spricht Gen. Fred Oelßner, Mitglied des ZK der SED, über ideologische Fragen zur Einheit Deutschlands und zum Erhalt des Friedens. Am B. Oktober, dem zweiten Jahrestag der Gründung der DDR, beteiligen sich 3000 Bürger am Fackelumzug. Die Situation bei der Einbringung der Ernte ist prekär. Es gibt erhebliche Rückstände. Die Stadtverordneten rufen die Bevölkerung zu Ernteeinsätzen auf und nehmen selbst geschlossen am Ernteeinsatz teil. Das RAW baut Schweinehütten und schließt Mastverträge ab. In den Schulen finden die Elternbeiratswahlen statt. Zu Ehren des 7. November, des 34. Jahrestages der Oktoberrevolution in Rußland, leisten die Betriebe Sonderschichten und melden zahlreiche Verpflichtungen. 25. Oktober, die „Schiefe Brücke" über den Wallgraben zur Holzstraße ist neu gebaut und erhält den Namen „Brücke der III. Weltfestspiele."

1951 November
Es erfolgt eine Anordnung für die Stadt und den Kreis Delitzsch zur Rattenbekämpfung. Im RAW werden sowjetische Neuerermethoden angewandt, so die „Kowaljow- Nina Nasserowa-Methode" und andere. Allmonatlich erscheint die Bekanntmachung „Versorgung der Bevölkerung im Monat". Im Anzeigenteil werden Weisungen für die Belieferung der einzelnen Versorgungsgruppen mit Nahrungsmitteln angegeben. Das RAW Delitzsch wird zum dritten Mal Wettbewerbssieger im Republikmaßstab und erhält als Auszeichnung eine Wanderfahne. Die Kreisorganisation des „Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands" umfaßt 240 Mitglieder.

1951 Dezember
Es erfolgt eine Veröffentlichung neuer gesenkter HO-Preise:

 

 

Alt

Neu

Fleisch

500 g

8,50

6,40

Wurst

500 g

10,00

8,00

Butter

500 g

12,00

10,00

Käse

500 g

6,00

5,10

Margarine

500 g

7,00

6,25

Tee

10 g

1,55

0,80

Wodka

0,71

19,50

9,25

Weine

0,71

10,00

7,50

Bier

0,31

1,10

0,97

Damen-Strümpfe (Kunstseide)

7,25

5,50

Damen-Schuhe (Schweinsoberleder)

68,00

48,00

Radio, 7 Röhren, 8 Kreise

850,00

765,00

Fotoapparate Contax

3.000,00

2.000,00

Glühlampe

4,00

2,00

Noch immer treten Abschaltzeiten für Elektroenergie in Kraft, von 16.30 bis 18.30 Uhr und im Notfall von 6.10 bis 7.45 Uhr. Für die Ladengeschäfte sind nur Lampen von 25 bis 60 Watt zur Schaufensterbeleuchtung und für die Innenraumbeleuchtung von 60 bis 100 Watt erlaubt. Die „Parkstraße" wird in „Chronist-Lehmann-Weg" umbenannt. (Der Chronist Lehmann hat sich große Verdienste um die chromstische Erfassung und Darstellung der älteren Geschichte der Stadt Delitzsch erworben. Seine Forschungen und Aufzeichnungen ermöglichen ein umfassendes und fast lückenloses Bild der Entwicklung der Stadt Delitzsch von 1207 -1701. Auf den Ergebnissen seiner Untersuchungen haben viele Heimatforscher aufgebaut. Er studierte klassische Sprachen und lebte in einer bescheidenen Stellung im Hause der Familie Schulze. Schulze war Bürgermeister der Stadt Delitzsch und Vater des bekannten Dr. Hermann Schulze-Delitzsch. Lehmann lebte bis zum 72. Lebensjahr in der Familie und erarbeitete die Chronik. Er starb 1852. Auf dem Marienfriedhof befand sich sein Grab. Die Grabtafel enthielt den Namen und die Inschrift „Der Chronist dieser Stadt, durch Wissen und Humanität seinen Freunden unvergeßlich. "Das Lehmannsche Grab befind sich links neben dem Eingang von der Mariensnaße aus. An der Mauer war die Grabplatte befestigt. Die Mauer zur Marienstraße und die Gräber wurden 1960 entfernt bzw. eingeebnet.)

1951 Zusammenfassung des Jahres
In diesem Jahr wird damit begonnen, daß Volksbildungswesen zu verändern. Neben dem Staatsbürgerkunde Unterricht, in dem die Ideologie des Marxismus-Leninismus gelehrt wird, erfolgt die Förderung des naturwissenschaftlichen Unterrichtes und Anfänge einer berufsbezogenen Ausbildung. Die 10-Klassenschule wird eingeführt. Der Tag des Lehrers wird mit Auszeichnungen und Verleihungen gefeiert. Noch immer gibt es Schwierigkeiten in der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und Konsumgütern. Mehr und mehr werden HO-Läden eröffnet, diese bieten ausreichende Mengen an Nahrungsmitteln an, jedoch zu erhöhten Preisen. Damit wird versucht, das geringe Angebot auf Lebensmittelkarten auszugleichen. Hin und wieder gibt es auch da Preissenkungen. Für viele Arbeiter und Angestellte sind dennoch die hohen Preise in den HO-Läden oft unerschwinglich. Die Bruttostundenlöhne für Maurerbetragen 1,60 DM und für Schlosser 1,78 DM. Die Mehrheit der Arbeiter und Angestellten hat einen Monatsverdienst von 348,00 DM. Im Juni 1951 gibt das ZK der SED die Losung heraus: „Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen." Diese Losung bildet den Mittelpunkt in der Argumentation, denn es komme darauf an, den volkseigenen Sektor der Wirtschaft entscheidend weiterzuentwickeln. Den Schwerpunkt bildet dabei die Schwerindustrie. Die Leichtindustrie, insbesondere die Konsumindustrie, wird vernachlässigt. Neuerermethoden aus der Sowjetunion wurden eingeführt, und im November feiert man erstmals den „Tag der sowjetischen Neuerer". Oft befaßten sich die Neuerervorschläge mit Selbstverständlichkeiten im Produktionsablauf. Die im Juni 1951 durchgeführte Volksbefragung gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands und für den Abschluß eines Friedensvertrages war die nach außenhin politische Hauptaufgabe. Sie richtete sich gegen die durch die Montanunion verstärkte Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in das westliche Lager. Der Wettbewerb wird in den Betrieben mehr zur Leistungssteigerung genutzt. Es ist richtig erkannt worden, daß nicht nur die Planerfifllung, sondern auch die Arbeitsproduktivität die ausschlaggebenden Faktoren bilden. Von vornherein wurde aber die sortimentsgerechte Erfüllung der Pläne vernachlässigt.


1952

1952 Januar
Landrat Petersdorf teilt mit, daß mit dem Neuaufbau der Zuckerfabrik im Frühjahr 1952 begonnen wird. Durch die Aufhebung der Kartoffelrationierung kommt es zu Hamsterkäufen und somit zum mangelnden Angebot. Die Stadtverordneten bekennen sich in ihrer ersten Sitzung zu dem Bestreben, die Einheit Deutschlands im Jahre 1952 zu erreichen. Der Stadtverordnetenvorsteher ist HerrNitsch (SED) sein Stellvertreter Herr Beer (FDJ). Weitere Mitglieder des Präsidiums und Vertreter der Parteien Herr Renner (LDPD), Herr Schmieder (CDU), Herr Schafe (NDPD) und Frau Vetter (FDGB).

1952 Februar
Entsprechend zentraler Werbung für den Einsatz im Erzbergbau nimmt eine Brigade des RAW für ein Jahr eine solche Tätigkeit auf. Eröffnung der Volksbuchhandlung in der Eilenburger Str. 31 als Zweigstelle der Halleschen Sortimentsbuchhaltung „Das gute Buch". Auf Befehl Nr. 64 der SMAD vom 17. April 1948 war die Böhme AG enteignet worden. Erst am 12. Februar 1952 erfolgt die Löschung im Handelsregister. Das Schokoladenwerk trägt nun den Namen „VVB Süßwarenindustrie Werk Böhme Delitzsch".

1952 März
Nachdem am 11. Juli 1949 der erste Spatenstich zum Bau einer Berufsschule erfolgte, ist nun bereits der z. Bauabschnitt fertiggestellt und bezogen. Am 7. März, dem Gründungstag der FDJ, findet die offizielle Einweihung statt. Das Gelände der Berufsschule umfaßt 22.000 Quadratmeter. Beim Bau der Schule wurden durch Lehrer, Schüler und Angestellte über 20.000 freiwillige Aufbaustunden geleistet. Bis zum Neubau dieser Bildungseinrichtung wurde der Unterricht an sechs verschiedenen Stellen erteilt. Der Direktor der Schule ist Paul Kopke. Bauleiter ist der Bauingenieur und Berufsschullehrer Gerhard Müller, ein Mann mit außerordentlicher Initiative und Tatkraft. (Er war auch der Gestalter der Grünanlagen und des 1956 eingeweihten „Jugendstadions Friedrich-Ludwig-Jahn" sowie der Kleinsportanlagen. In Anerkennung seiner Verdienste erhielt der Weg von der Ludwig-Jahn-Straße zur Karl-Marx-Straße den Namen „Gerhard-Müller-Weg. (Am 14. November 1858 wurde unter Rektor Giesel, der zugleich Rektor der 1858 gebildeten „Höheren Bürgerschule" war, eine Fortbildungsschule gegründet, die damals 92 Lehrlinge und Gesellen freiwillig besuchten. Am 1. Juli 1920 wurde die Berufsschulpflicht für alle männlichen Jugendlichen unter 18 Jahren eingeführt, die Fortbildungsschule entwickelte sich zur Berufsschule). Neue Stadträte werden benannt. Herr Günther Fishmer (FDJ) und Herr Harry Müller (NDPD). Die Delitzscher Bevölkerung wird vom Dezementen für Landwirtschaft aufgerufen, Kartoffeln aus Einkellerungsbeständen als Pflanzgut zur Verfügung zu stellen, da infolge schlechter Ernten das Pflanzgut nicht ausreicht. Organisation von Gemeinschaftsbesuchen des Films "Das verurteilte Dorf" und Diskussionen darüber sind der Aufmacher in den Zeitungen.

1952 April
Das 1945 durch eine Bombe zerstörte Gebäude des Berliner Bahnhofs wird mit einem Neubau eröffnet. Damit verbunden ist die Eröffnung der Mitropa-Gaststätte. Dieser erhält den neuen Namen „Unterer Bahnhof`. Die „Freiheit" veröffentlicht 85 Losungen zum l. Mai, verbunden mit der Ankündigung eines Volksfestes vom 1. - 11.05.1952. Auf dem Stadtgraben (Wallgraben) werden wieder Enten und Höckerschwäne ausgesetzt. Für die Kontrolle der Grün- und Parkanlagen werden vier ehrenamtliche Parkwächter eingesetzt. Die 2. Grundschule in Delitzsch (Dübener Straße 20) soll gemäß Beschluß der Stadtverordneten in „Friedensschule" umbenannt werden. In der Schule werden auch Schüler aus den umliegenden Gemeinden unterrichtet. Die Rationierung von Strümpfen und Sacken aus Zellwolle und Kunstseide wird aufgehoben. Die HO senkt Preise fier Eier und Speisen in HO-Gaststätten. Am 29. April genehmigen die Stadtverordneten den Erzeugem von gärtnerischen und landwirtschaftlichen Produkten den Verkauf von Obst und Gemüse auf dem Roßplatz. Auch in der Stadt Delitzsch wirkt sich die allgemeine Fluchtbewegung nach der Bundesrepublik Deutschland aus. Eine offizielle kommunale Statistik ist darüber nicht vorhanden. Zur Obersiedlung in den westlichen Teil Deutschlands entschließen sich vor allem Freiberufler wie Rechtsanwälte, auch Ärzte, besonders jedoch private Unternehmer, die in der allgemeinen zentralistischen Entwicklung der Wirtschaft die Entfaltung ihres Tätigkeitsfeldes eingeschränkt sehen und als Privatunternehmer keine Zukunftserwartungen haben. So übersiedelt z. B. der Mitgesellschafter des mittelständischen Industriebetriebes der „OHG" Emst Freyberg, Chemische Fabrik Delitia, in Delitzsch Herr Dr. Werner Freyberg, nach Westdeutschland. (Sein Geschäftsanteil wird durch den Staat unter Treuhand gestellt und später in Volkseigentum überführt. Auf diesem Weg verschafft sich der Staat Einfluß auf die Privatunternehmen, im konkreten Falle verwandelt er Privatvermögen in Volkseigentum).

1952 Mai
Es wird mit dem Wiederaufbau der Zuckerfabrik begonnen. Der Vertreter des Staatssekretariats für Nahrungs- und Genußmittel betont, daß die Weißzuckerfabrik Delitzsch eine der modernsten Zuckerfabriken in Mitteleuropa sein wird mit einer Verarbeitung von täglich 2.000 Tonnen Zuckerrüben. (Die Zuckerfabrik wurde nach dem Ende des II. Weltkrieges demontiert, die Anlagen als Raparationsleistung in die Sowjetunion transportiert). Die intemationale „Radfemfahrt für den Frieden" Warschau - Berlin - Prag führt im Mai zum Gedenken an das Kriegsende 1945 erstmalig durch die DDR. Die „Friedensfahrer" durchfahren die Stadt Delitzsch. Fast die gesamte Bevölkerung ist auf den Beinen, um den Fahrern einen herzlichen Empfang zu bereiten. Wegen der Absenkung des Grundwasserspiegels aufgrund des Kohleabbaues im Bitterfelder Raum werden im Wasserwerk der Sammelbrunnen ausgebaut und eine Unterwasserpumpe und neue Rohrleitungen zum Maschinenhaus verlegt. Gleichzeitig ist eine neue Chlorierungsanlage im Wasserwerk errichtet worden.

1952 Juni
Am 17. Juni beschließen die Stadtverordneten die Anlegung eines Kinderspielplatzes an der Ecke August-Fritzsche-Straße/Poststraße. Gemäß Beschluß der Stadtverordnetenversammlung wird der nördliche Teil der Albert-Böhme-Straße (von der Jahnstraße bis zur Dübener Straße) in Dr. Wilhelm-Külz-Straße umbenannt. Die Kandidaten der SED geben die ersten Verpflichtungen ab, bei der Grenzpolizei ihren „Ehrendienst" zu leisten. Die l. Handballmannschaft der BSG Lokomotive erreicht den Aufstieg in die Bezirksklasse. Unter der Leitung von Günter Hennig erreicht die „Zentrale Kulturbrigade Delitzsch" (Kulturensemble „Junge Garde") einen hohen künstlerischen Stand. In Anerkennung ihrer Leistungen nimmt sie am IV. Parlament der Freien Deutschen Jugend in Leipzig teil.

1952 Juli
Aufruf der Stadtverwaltung zur Großkundgebung auf dem Stalinplatz (Markt). Es soll die Entschlossenheit zur Verteidigung der Heimat bekräftigt werden. Die Tageszeitung „Freiheit" berichtet über den Abend der Volksmusik mit verschiedenen Mandolinenorchestern vor etwa 600 Zuhörern im Karl-Marx-Haus. Das Delitzscher Mandolinenorchester leitet Gustav Exner. Das Schöffengericht verurteilt einen Großbauern und Angehörige der VEAB zu Gefängnisstrafen wegen Unregelmäßigkeiten bei der Kontrolle der Pflichtablieferungen und Erteilung von Schlachtgenehmigungen. Ein Ehepaar aus der Schulstraße wird zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt. Ihnen wird die Schädigung des Ansehens der Verwaltungsorgane (Wohnungsamt) vorgeworfen. Aufruf des DFD-Kreisvorstandes: „Helft uns, den Kampf gegen das RIAS-Hören mit aufzunehmen, verpflichtet Euch öffentlich und schriftlich dazu". (Der RIAS war ein Rundfunksender im amerikanischen Sektor von Westberlin, gesendet wurde von 1946 bis 1992). Im RAW wird mit einem Richtfest der Aufbau des neuen Kesselhauses gefeiert. Die Uhr am Halleschen Turm erhält eine neues Zifferblatt, das Dach des Turmes wird dabei mit instandgesetzt.

1952 August
Der Kreis Delitzsch gehört aufgrund des „Gesetzes zur weiteren Demokratisierung des Staatsapparates" und der damit verbundenen neuen Einteilung der Kreise entsprechend ihrer wirtschaftlichen Struktur nunmehr zum Bezirk Leipzig. Von den bisher 144 Gemeinden verbleiben im Kreis Delitzsch 50, neu gebildet wird der Kreis Eilenburg mit den im Osten des bisherigen Kreisgebietes gelegenen Gemeinden. Eilenburg wird Kreisstadt. Durch die territoriale Neugliederung entfällt für den Kreis Delitzsch die Zeitung „Freiheit". Nun erscheinen die amtlichen Veröffentlichungen in der „Leipziger Volkszeitung" (LVZ). Der neue Kreistag konstituiert sich, Vorsitzender des Rates des Kreises wird Rolf Kosky (SED). Zum neuen Schulrat wird Herr Georg Dittmer berufen. Unter seiner Leitung werden weitere Veränderungen im Schulwesen des neuen Kreisgebietes durchgeführt. Die mehrstufigen kleinen Dorfschulen verschwinden durch schrittweise Überführung der Schüler in die Zentralschulen größerer Gemeinden. Am 7. Oktober 1952 teilt der Vorsitzende des Rates des Kreises mit, daß im Kreis Delitzsch zwei Oberschulen, fünf vollausgebaute Schulen, neun Zentralschulen, vier wenig gegliederte Schulen, 34 Schulen für die Klassen 1 - 4 bestehen. Durch die Bildung der Zentralschulen in Glesien, Zschemitz, Radefeld, Rackwitz, Zschortau, Zwochau, Reibitz, Löbnitz und Wölkau erhalten alle Kinder die Möglichkeit, sich eine umfassende 10-Klassenbildung zu erwerben. Das wird als die Beseitigung eines alten Unrechtes gegenüber den Kindern der Dörfer aufgefaßt und in den Orten begrüßt. Am 31. August erringt die 1. Handballmannschaft der Betriebssportgemeinschaft „Traktor Delitzsch" bei der Il. Zentralen Spartakiade der Sportvereinigung Traktor erneut den Pokalsieg. Der Kreis Delitzsch wird von einer großen Kartolffelkäferplage heimgesucht. Schüler und andere Helfer werden eingesetzt, um die Käfer vom Kartoffelkraut abzulesen. Die Pioniere des Kreiskinderheimes in Schenkenberg sammeln in zwei Tagen 20.000 Kartoffelkäfer. Am 16. August erfolgt die Gründung der LPG „7. Oktober" in Schenkenberg.

1952 September
Der Neuaufbau der Zuckerfabrik und der Erweiterungsbau des Ziehwerkes gehen zügig voran. Die Stadtverordneten rufen die Bevölkerung zur tatkräftigen Mitarbeit auf. Als neuer Bürgermeister wird Herr Walter Lange (SED) gewählt. Der bisherige Bürgermeister Herr Paul Heinze wird 1. Sekretär der SEDKreisleitung Eilenburg. Der Haushaltsplan der Stadt wird in Einnahme und Ausgabe auf 1.570.400 DM festgesetzt. Gründungs-Generalversammlung der Konsumgenossenschaft für den Kreis Delitzsch. Aufgrund von Sabotagefällen in den Betrieben erfolgt ein Beschluß zu erhöhter Wachsamkeit. Folgende Vorkommnisse werden gemeldet: Im RAW werden Gepäcknetze zerschnitten, Manometer zerschlagen, in die Achsenlager Sand gestreut. Im LW Rackwitz erfolgt Zettelpropaganda mit dem Ziel der Zersetzung der Arbeitsmoral. Im Ziehwerk werden Flugblätter in deutscher und russischer Schrift mit Hetzparolen zwischen die Ladungen geschmuggelt. Im RAW wird die Grundorganisation der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) gegründet. Es wird der Beschluß gefaßt, in Delitzsch ein neues Schwimmbad zu bauen, das die Möglichkeit zu Wettkämpfen auf einer 50 m Bahn gewährleistet.

1952 Oktober
Beginn der Kartoffeleinkellerung. Zunächst erfolgt die Versorgung der gesamten Bevölkerung vorerst mit 125 kg pro Kopf. Die Bevölkerung wird aufgerufen, sich an der Kartoffelrodung zu beteiligen.

Stromsperren im Oktober:

17.30 bis 21.30 Uhr

stromunsichere Zeiten:

06.00 bis 09.00 Uhr

 

10.00 bis 14.00 Uhr

Auf dem Markt findet eine Kundgebung der „Nationalen Front" statt, es spricht Ottmar Geschke zum Thema: „Deutsche Verständigung für einen Friedensvertrag gegen den Generalkriegsvertrag". Der VEB Ziehwerk liegt in der Wettbewerbsgruppe der Kaltstahlwalzwerke und Ziehereien der DDR an der Spitze. Aus Anlaß des 100. Todestages des Turnvaters Friedrich Ludwig Jahn zeichnet der Kreisvorsitzende des Deutschen Tum- und Sportbundes (DTSB), Walter Luprich, die Sportsfreundinnen Erna Maschke, die Sportsfreundin Else Fischer sowie die Sportsfreunde Gerhard Lahn und Willi Hesse für ihre aktive Arbeit bei der Betreuung junger Sportler aus. Im Brunnenschutzgelände des Wasserwerkes werden auf einer Fläche von etwa fünf Hektar Bäume angepflanzt.

1952 November
In der Stadtverordnetenversammlung vom 31. November 1952 wird berichtet, daß folgende Bauleistungen und Instandsetzungsarbeiten erfüllt wurden: Die Friedrich-Engels-Straße ist ausgebessert, die Beleuchtung in der Adolf-Tauche-Siedlung ist verbessert. Die Brücke über den Lober am Moorbad ist gebaut. Das Kanalisationsnetz ist an einigen Stellen generalüberholt, auch die Reinigung des Kanalnetzes erfolgte. Die auf dem Marienfriedhof renovierte Bedürfnisanstalt ist wenige Wochen nach den Reparaturen demoliert worden. In der Stadtgärtnerei werden Schweinehütten aufgestellt. Die Schweine-Freihaltung ist als eine gesunde Tierhaltung von der Sowjetunion übernommen worden. Die Wehre des Lobers werden monatlich gereinigt.

1952 Dezember
Im Entwurf des Kreisplanes der SED im Nationalen Aufbauwerk ist vorgesehen, an der Tennisanlage ein Sportlerheim zu bauen. Wegen der Neueinteilung der Kreise trennen sich die Sparkassen Delitzsch-Eilenburg nach einem Jahr wieder. Die Sparkasse in Delitzsch heißt nun Kreissparkasse Delitzsch. Der seit dem 15. Oktober 1950 im Amt befindliche Stadtverordnetenvorsteher Herr Emst Nitsch wird verabschiedet. Er besucht für ein Jahr die Karl-Marx-Hochschule der SED in Berlin. Die katholische Kirche erhält eine neue Orgel. Sie wurde von der Fa. Eule in Bautzen hergestellt. Die Orgelweihe findet am 24. Dezember statt.

1952 Zusammenfassung des Jahres
Ende Juli werden die fünf Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Mecklenburg aufgelöst. Statt der Länder werden in der DDR 14 Bezirke gebildet. Mit der Bildung der Bezirke werden die letzten Reste von Föderalismus und Landestraditionen beseitigt. Der bisherige Kreis Delitzsch wird administrativ verkleinert. Aus Teilen des Altkreises Delitzsch wird der neue Kreis Eilenburg gebildet. Einige Orte um Landsberg im Westen des Kreises Delitzsch wechselten bereits am 1. Juli 1950 in den Saalkreis über. Der Kreis Delitzsch gehört nun zum neugebildeten Bezirk Leipzig. Die Bezirke bilden dabei das mittlere Verwaltungsorgan. Für Delitzsch kommt es damit zur Bildung eines veränderten Kreistages unter dem neuen Ratsvorsitzenden Herrn Rolf Kosky (SED). In der Umsetzung der Beschlüsse der 2. Parteikonferenz der SED wird mit der Kollektivierung der Landwirtschaft begonnen. Bis Ende des Jahres werden im Kreis Delitzsch 22 LPG gegründet. Oft nicht freiwillig und teils unter Druck der Kreisparteileitung der SED. Die Preise für Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände werden in der HO erneut gesenkt. Dennoch ist der Lebensstandard noch immer auf einem niedrigen Niveau. Im VVB Süßwarenindustriewerk beträgt der Durchschnittslohn im Monat etwa 225. DM. Die Baumaßnahmen zur Gewerblichen Berufsschule, am Unteren Bahnhof und im Wasserwerk werden zum Abschluß gebracht, während der Neuaufbau der Zuckerfabrik und der weitere Ausbau des Ziehwerkes zügig vorangehen. Es beginnt eine Kampagne, ausgehend von der führenden Partei der SED, gegen das Hören der sogenannten feindlichen Sender. Gemeint sind damit die Sender „RIAS" und „Sender Freies Berlin". Beide Sender haben ihren Sitz in Westberlin.


1953

1953 Januar
Die landwirtschaftliche Struktur des Kreises Delitzsch: Zur Zeit bestehen im Kreis Delitzsch 23 LPG mit 2.200 ha und 8 Gründungskomitees; Die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche wird von 2474 Bauern bewirtschaftet. Nach offiziellen Mitteilungen kommen eine Reihe von Großbauem ihren Ablieferungspflichten nicht nach. 17 Großbauem haben Steuerschulden von über 125.000 DM. Das Ablieferungssoll der landwirtschaftlichen Erzeugnisse ist zwischen LPG und Einzelbauer unterschiedlich hoch festgelegt. Die Einzelbauern haben ein wesentlich höheres Ablieferungssoll gegenüber den LPG. Dazu erhalten die Bauern als Mitglieder der LPG Futterzuteilungen zur individuellen Viehhaltung, und insgesamt haben die LPG eine geringere Steuerlast. In Delitzsch findet die Kreisdelegiertenkonferenz der LPG-Bauem statt. Einige LPG sind zum Typ III übergegangen. (Die LPG untergliedern sich in die Typen I, II und III. Das Ziel der Kollektivierung in der Landwirtschaft ist für alle LPG der Typ III.) - Typ I: Die Mitglieder bewirtschaften einzeln die Felder, Wiesen, Wald und Vieh. Der Grund und Boden bleibt Privatbesitz. Die Mitglieder stellen ihren eigenen Maschinenpark im Bedarfsfall der LPG gegen Bezahlung zur Verfügung. - Typ II: Die Maschinen und das Vieh werden in die LPG eingebracht. Der Wert der Maschinen und des Viehbestandes werden als Jahresanteil an die Mitglieder ausbezahlt. - Typ III: Komplexe gemeinsame Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen, der Ausrüstungen und Maschinen sowie zentrale Viehhaltung. Der Grund und Boden bleibt Privateigentum. Mitgliedern der LPG dieses Typus ist die individuelle Viehhaltung für den Eigenbedarf und Verkauf gestattet. Unabhängig vom Typ der LPG kann jedes Mitglied 0,5 ha Feld für den Eigenbedarf nutzen. Daneben bestanden weiter die VEG und kirchliche Landwirtschaftsbetriebe. Die Produktionsstätte für Plasterzeugnisse heißt ab diesem Monat VEB Plastex, Leipziger Straße 25 (Fa. Georgi). Das LW Rackwitz fährt zum Geburtstag des Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck, eine Höchstleistungsschicht. Der VEB Ziehwerk Delitzsch wird Sieger im Wettbewerb der metallurgischen Betriebe der DDR. Die Kulturbrigade „Junge Garde", ihr Leiter ist Günter Hennig, beschließt, sich zu einem Kulturensemble zu entwickeln. (Die „Junge Garde, eine Kulturbrigade der FDJ", besteht aus Jugendfreunden verschiedener Berufe, verwaltet sich selbst und hat ein beachtliches künstlerisches Niveau erreicht). Die Stadtverordneten beschließen am 20.01. die Fertigstellung der Grünanlagen am Oberen und Unteren Bahnhof, Ecke Karl-LiebknechtEisenbahnstraße und im Kreuzungsbereich der Holzstraße und Kohlstraße.

1953 Februar
Die Stadtverordneten beschäftigen sich erneut mit der Fertigstellung des 8-Familien-Wohnhauses in der Securiusstraße/Kosebruchweg. In diesem Jahr soll nun endlich der Bau übergeben werden. (Das Gebäude sollte in freiwilligen Arbeitseinsätzen errichtet werden. Verzögerungen ergaben sich vor allem deshalb, weil das im Kreis vorhandene Baumaterial vorrangig für das Neubauernprogramm benötigt wurde. Im Kreis Delitzsch wurden über 600 Neubauemgehöfte gebaut). Es findet die erste Kreisversammlung des Deutschen Roten Kreuzes der DDR im Kreis Delitzsch statt. In der Tagespresse wird gegen die noch bestehenden Großbauernwirtschaften vorgegangen. Die Großbauern zahlen zu geringe Löhne an die Landarbeiter, Großbauem gehören nicht in die LPG, so der Tenor der Presse.

1953 März
Die Sowjetunion gibt am 5. März den Tod von LW. Stalin bekannt. Auf dem Markt findet anläßlich des Todes von Stalin eine Trauerkundgebung statt. 7000 Bürger, vorwiegend Arbeiter aus den volkseigenen Betrieben und Angestellte werden während der Arbeitszeit zu dieser Trauerkundgebung befohlen. In der Freybergschen Villa am Wallgraben wird erneut die sowjetische Militär-Kommandantur eingerichtet. Alle Bauern der Gemeinde Brodau beschließen, Mitglieder der LPG zu werden. Brodau ist damit das erste voll-genossenschaftliche Dorf des Bezirkes Leipzig. Die LPG stellt aus diesem Anlaß 14 Schweine zusätzlich für die Volksemährung zur Verfügung. Das RAW Delitzsch schließt mit den LPG „Fortschritt" aus Kattersnaundorf und „Immer voran" aus Benndorf Freundschaftsverträge ab, die das Ziel haben, die LPG in ihrer Entwicklung besonders durch Übernahme von Reparaturen an landwirtschaftlichen Geräten zu unterstützen. Am 19. März findet auf dem Markt eine Protestkundgebung gegen die in Bonn erfolgte Ratifizierung des „Generalvertrages" statt. Der Sprecher ist der Vorsitzende des Kreisausschusses der NF Albin Schneider. In der Stadtverordnetenversammlung übernimmt der Schulleiter der Gewerblichen Berufsschule Günter Wolf die Verpflichtung, mit Lehrern und Schülern zur Fertigstellung des 8-Familien-Hauses in der Securiusstraße (Nr. 40a und b) freiwillige Arbeitsstunden zu leisten. Weiterhin verpflichten sich die Lehrer und Schüler der Betriebsberufsschule des HO/KONSUM, 10.000 freiwillige Aufbaustunden zu leisten.

1953 April
Am 10. April wird auch der südliche Teil der Albert-Böhme-Straße (Dübener Straße bis zu Eilenburger Straße) in Dr.-Wilhelm-Külz-Straße umbenannt. Im VEB Ziehwerk Delitzsch wird die Richtkrone über einer neuen Produktionshalle hochgezogen . Täglich berichtet die Presse von Normerhöhungen in den Produktionsbetrieben. Das RA W meldet „Weg mit den alten Noturen"und das LW Rackwitz erbringt hohe Steigerungsraten in der Produktion. Die Agitation gegen „Agenten und Volksfeinde" wird mehr und mehr zum Inhalt der Tagespresse. Die Schlagzeilen dazu lauten: „Wachsamkeit gegen Volks- und Parteifeinde", „Der Fachmann als Agent", "Großschieber mit gefälschten Lebensmittelkarten, rücksichtslose Gewinnsucht zum Schaden des Volkes". In der am 28. April durchgeführten Stadtverordnetenversammlung wird die mangelnde Bereitschaft bei freiwilligen Arbeitseinsätzen durch die Bevölkerung beklagt. Der Viehbestand im Kreis Delitzsch beträgt im 1. Quartal 1953: 453 Rinder und 1.178 Schweine. Am 15. April beschließen die Stadtverordneten, daß zwei Großbauem, Willy Boerl und Paul Krone aus Kertitz, wegen Nichterfüllung ihres Ablieferungssolles das Recht auf die Führung ihrer Betriebe verwirkt haben. Desweiteren haben sie binnen 48 Stunden die Wohnung zu räumen und die Stadt zu verlassen, was einer Enteignung gleichkam. Die beiden landwirtschaftlichen Betriebe übernimmt der Rat des Kreises bzw. die LPG in Schenkenberg zur weiteren Bewirtschaftung. Ebenso wird gegen den Großbauern Robert Becker aus Delitzsch in der Bitterfelder Straße 19 folgender Beschluß gefaßt: Gemäß Gesetzblatt Nr. 25 der DDR vom 19. 2. 1953 ist ihm die Fähigkeit der Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes mit sofortiger Wirkung abzusprechen und der Betrieb nach dem Gesetzblatt § 1 , Abs. 2, in die Hände des Rates des Kreises zu übergeben. Damit verbunden ist gleichzeitig, daß binnen einer Woche die Wohnung nebst den dort wohnenden Angehörigen zu räumen ist. Der Rat der Stadt, Abteilung Wohnungswesen, wird beauftragt, für eine anderweitige Unterbringung der Familie zu sorgen. Eine weitere Auswirkung war, daß der zuständige Stadtrat für Landwirtschaft mit sofortiger Wirkung von seiner Funktion zu beurlauben ist.

1953 Mai
Die Kreisseite in der LVZ „entlarvt die verkappten Agenten und Saboteure". Die „Junge Gemeinde" wird als Terrororganisation gebrandmarkt (Die Junge Gemeinde ist die Jugendgruppe innerhalb der ev. Kirche). Die Friedensfahrer fahren auf der Etappe von Leipzig nach Berlin durch die Stadt Delitzsch. Tausende Bürger der Stadt haben sich an den Straßen der Stadt eingefunden und jubeln vor allem „Täve" Schur und „Lotte" Meister zu, die sich in der Spitzengruppe befinden. Die Mannschaft der DDR besteht noch aus Gustav-Adolf Schur, Bernhard Trefflich, Lothar Meister und Paul Dinter. Das Mandolinenorchester Delitzsch, unter Leitung von Gustav Exner, stellt sich mit einem volkstümlichen Konzert vor. Das Orchester hat sich der Kreiskulturstätte angeschlossen und will beitragen, das „KarlMarx-Haus" zum Mittelpunkt des Kulturlebens in Stadt und Kreis zu machen. In der Stadtverordnetenversammlung wird festgelegt, daß durch die schlechte Erfüllung der Ablieferung tierischer Erzeugnisse (vor allem durch großbäuerliche Betriebe) eine Gefährdung der Versorgung der Bevölkerung eingetreten ist. Es werden Maßnahmen zur Verstärkung der Kontrolle getroffen. Im Kreis Delitzsch gibt es jetzt 37 LPG, die 25 % der gesamten Bodenfläche des Kreises bewirtschaften.

1953 Juni
Die Ereignisse des 17. Juni 1953 in der Stadt Delitzsch haben sich nach Erinnerungen von Zeitzeugen und Befragungen betroffener Bürger sowie Einsichtnahme in Dokumente wie folgt abgespielt: Erste Informationen Ober Unruhen und Streiks in den Chemiebetrieben Bitterfeld/Wolfen erreichen die Stadt Delitzsch in den Vormittagsstunden des 17. Juni. Nach dem Eintreffen der Schichtzüge aus dem Bitterfelder Chemierevier formiert sich am Nachmittag am Unteren Bahnhof eine Demonstration. Das erste Ziel der Demonstranten ist die SEDKreisleitung in der Eilenburger Straße 82, gegenüber des Bahnhofs. Transparente und Losungen, die am Gebäude angebracht sind, werden abgerissen. Ein Polizeioffizier wird tätlich angegriffen. Der Versuch des l. Sekretärs der SED Albin Schneider, zu den Demonstranten zu sprechen, geht in den Protestrufen unter. Nachdem einige Demonstranten den Versuch unternehmen, in das Gebäude der Kreisleitung einzudringen, vereiteln sowjetische Soldaten diese Absicht, indem sie einige MPI-Salven in die Luft abfeuern. Daraufhin verlassen die Demonstranten den Ort und marschieren zum Volkspolizeikreisamt (VPKA) in die Dübener Straße 20 (heute OskarReime-Gymnasium). Vor diesem Gebäude formiert sich der Demonstrationszug. Ein Teilnehmer bemächtigt sich eines Lautsprecherwagens der Polizei und nutzt ihn zur Verbreitung politischer Losungen gegen die Verhältnisse in der DDR Die vor dem Gebäude postierten Polizisten werden entwaffnet. Daraufhin werden aus dem oberen Stockwerk Gewehrschüsse abgegeben, zunächst in die Luft, und dann in die Menschenmenge. Zwei junge Männer, die auf der Straßenseite der Schokoladenfabrik stehen, werden getroffen. Der 19-jährige Gerhard Dubielzig aus Delitzsch ist sofort tot. Der 20 Jahre alte Joachim Bauer aus Brodau wird am Kopf getroffen und stirbt noch am selben Abend im hiesigen Krankenhaus. Verletzt werden ferner noch ein Minderjähriger und ein Mann, der nach seiner Genesung verhaftet wird. Nach diesen Vorfällen löst sich die Demonstration auf. Soldaten der sowjetischen Militärkommandantur rücken an und übemehmen die Bewachung der Kreisleitung der SED, des VPKA und der Militärkommandantur Am Wallgraben. In der Stadt patrollieren Militärstreifen mit schußbereiten Waffen. Als am Abend sowjetische Panzer eintreffen ist der Aufstand in Delitzsch bereits beendet. Die Militärkommandanturen verhängen den Ausnahmezustand und verbieten Ansammlungen von mehr als drei Personen. Weiterhin wird von 21.00 Uhr bis 5.00 Uhr eine Ausgangssperre verhängt. Gerhard Dubielzig war Schlosser im RAW. Dort herrscht über seinen Tod große Betroffenheit. Zunächst wird nicht gearbeitet. Durch eine Geldsammlung für die Hinterbliebenen beweisen die Arbeitskollegen ihre Anteilnahme. Das von den Arbeitskollegen im RAW und der Belegschaft des Schokoladenwerkes gesammelte Geld wird zunächst von den Behörden konfisziert, muß aber wegen der darauf erfolgten Proteste der Spender, den Familienangehörigen des Getöteten ausgehändigt werden. Sein Leichnam, der noch am 17. Juni nach Leipzig überführt wurde, wird, ohne daß die Angehörigen ihn noch einmal sehen konnten. Joachim Bauer war Maurer bei der Firma Zschemitz in der Beerendorfer Straße. Auch dessen Leichnam wird nach Leipzig überführt und beide schließlich auf Anweisung eingeäschert. An der Beisetzung der Urnen dürfen nur die engsten Familienangehörigen teilnehmen. Es beginnt eine Welle von Verhaftungen in der Stadt und im Kreis Delitzsch (die letzten Verhaftungen im Rahmen der Ereignisse des 17. Juni finden im März/ April 1954 statt). Neben den genannten zwei Todesopfern des 17. Juni im Gebiet des heutigen Kreis Delitzsch, finden Verhaftungen und Verurteilungen weiterer Personen vor dem Bezirksgericht in Leipzig statt. Bekannt sind neun Personen aus Delitzsch: drei Personen aus Zschortau; zwei Personen aus Döbernitz; eine Person aus Hayna; eine Person aus Krensitz; eine Person aus Brodenaundorf; eine Person aus Kyhna; eine Person aus Lissa; sieben Personen aus Bad Düben Insgesamt werden die genannten Personen mit 1029 Haftmonaten verurteilt. Der aus offizieller DDR-Betrachtung dargestellte Sachverhalt, daß es sich bei dem Aufstand um eine gelenkte Aktion faschistischer Provokateure, Unternehmer und Kapitalisten gehandelt hat, widerspricht die nachfolgende Statistik für das Kreisgebiet: Von den direkt betroffenen Toten, Verwundeten, Verhafteten und Angeklagten waren 22 Arbeiter, davon 14 Facharbeiter, zwei technisch/ kaufmännische Angestellte, ein Unternehmer, eine Person ohne Beruf und zwei Frauen. Drei minderjährige Jugendliche gingen aufgrund ihres Alters straffrei aus. In den Tagen nach dem 17. Juni erscheinen in der LVZ folgende Schlagzeilen:
Provokateure wurden geschlagen. Kein Platz für faschistische Provokateure, der 17. Juni muß für die Arbeiter eine Lehre sein. Bekanntgabe von Verordnungen des Ministerrates zur weiteren Verbessenmg der Versorgung mit Nahrungsgütem. Erleichterungen bei den Pflichtablieferungen der landwirtschaftlichen Betriebe. Erhöhung der Renten und Sozialfürsorgeunterstützungen. Fahrpreisermäßigungen bei der DR. Im Kreis Delitzsch erhalten einige Bauern ihren enteigneten Hof zurück. Unter dem Titel: „Urteilt selbst", es erscheinen Zeitungsartikel über die sogenannten Provokateure mit Fotos (diese Artikel provozieren bereits eine Vorverurteilung der verhafteten Bürger).

1953 Juli
Der Kreistag beschäftigt sich mit den Maßnahmen zur Verwirklichung des „Neuen Kurses". (Unter diesem Begriff sind Maßnahmen zu verstehen, die von der Regierung beschlossen wurden, tun die eingetretenen Disproportionen in der Wirtschaft auszugleichen. Bisher lag in der gesamten Wirtschaftsführung der Schwerpunkt in der Entwicklung der Schwerindustrie. Die Leichtindustrie wurde damit vernachlässigt, was zu einer Senkung des Lebensniveaus führte.) Zu den Verbesserungen gehören:
56 Wohnungen sollen noch 1953 gebaut werden.
Die Fleischkarten sind voll mit Fleisch zu beliefern.
Erhöhung der Mindestrente um 10 Mark monatlich.
Neuregelungen zur Vergütung für Ärzte.
Senkung des Ablieferungssolls für Gemüse.
Preissenkung für Fisch (Rollmops 100 g von 0,80 DM auf 0,50 DM
Verbilligte Kinokarten für Rentner und Schwerbeschädigte
Preissenkungen für Vergaserkraftstoff im freien Verkauf von 3, DM auf 1,80 DM.
Annahme von Anträgen für Reisen in die Bundesrepublik Deutschland.
Es erfolgt die Rückgabe von enteigneten Privatbetrieben. Im Kreis Delitzsch werden 15 Handwerksbetriebe neu eröffnet. Die beiden Delitzscher Gewerbetreibenden Fritz Geidel und Peter Hoyer werden am 15. Juli aus dem Untersuchungsgefängnis in Leipzig entlassen. Sie waren Anfang März verhaftet wurden, weil sie sich nach dem Tode Stalins in einer Gaststätte abfällig über ihn geäußert haben und die Wirtschaftspolitik der DDR kritisierten. Gemäß Beschluß des ZK der SED werden auch in Delitzsch die „Kampfgruppen der Arbeiterklasse" gegründet. Die Bildung der Kampfgruppen ist ein Ergebnis zu den Vorkommnissen am 17. Juni. Zu deren Gründung ergeht folgender Aufruf: „Bewußte Arbeiter und Werktätige aus den sozialistischen Betrieben, Verwaltungen, Institutionen und Schulen werden auf freiwilliger Grundlage Mitglieder von Kampfgruppen und unterziehen sich an den Wochenenden der Ausbildung, um in der Lage zu sein, den Aufbau des Sozialismus und die erreichten Errungenschaften, wenn notwendig, auch mit der Waffe zu verteidigen". Auf dem Stalinplatz (Markt) wird ein Bauernmarkt abgehalten. Das Angebot umfaßt Wurst, Butter, Milch, Käse, Quark und anderes. Die Preise liegen unter denen der HO. Das erste Reit-, Spring- und Fahrturnier findet in Delitzsch auf dem Sportplatz am Karl-Marx-Platz statt. Die Gewerbliche Berufsschule führt nach einem erfolgreichen Ausbildungsjahr eine Abschlußfeier durch, wo der Schulleiter Günter Wolf 45 Berufsschüler auszeichnen kann. Vier Jugendliche werden zum Studium an Hochschulen delegiert. Die Boxsportler der BSG Lokomotive Delitzsch Backofen, Peschütter und Moosbauer werden DDR-Meister der Sportvereinigung „Lokomotive". Der Sportsfreund Klose von der SV Traktor Delitzsch wird DDRMeister im 1000- und im 3000 m-Lauf der Jugend. Das Kreisgericht zieht aus dem Schloß aus. im Dachgeschoß findet das Museum erweiterte Räumlichkeiten. Neuer Leiter wird ehrenamtlich Herr Bienroth, der am 1. August sein Amt antritt. Erst jetzt, zum 31. Juli, darf die Todesanzeige zum Tode G. Dubielzig in der LVZ erscheinen.

1953 August
Am 6. August erscheint in der LVZ die Todesanzeige zum Tode von J. Bauer. Die Strombereitstellung ist im Kreis Delitzsch unzureichend. Das erfordert eine Verlegung der Druschzeiten für Getreide auf das Wochenende. Die Stadtverordneten beraten erneut die Situation in der Stadt aufgrund der „Verschärfung der Klassenkampfes" und des „Neuen Kurses". Themen der Beratung sind vor allem:
Sicherung der Lebensmittelversorgung,
Fürsorgeunterstützung für Hilfsbedürftige,
Wohnraumfragen,
Feriengestaltung für Kinder,
Interzonenverkehr.
Der Haushaltsplan der Stadt Delitzsch beläuft sich in Einnahmen und Ausgaben auf 1.494.750 DM. Die Stadt erhebt folgende Steuern:
Grundsteuer,
Kraftfahrzeugsteuer,
Vergnügungssteuer,
Kinosteuer,
Hundesteuer,
Erhebung von Gemeindesteuern nach bestehenden Vorschriften.
Am 18. August werden durch die Stadtverordneten neue Stadträte bestätigt. Für den zurückgetretenen Stadtrat für Landwirtschaft Nickisch wird Armin Johannemann (CDU) eingesetzt. Im Dezemat Gesundheit, Soziales und Wohnungswesen löst Günter Haunstein (NDPD) Harry Müller ab. Die erste Handballmannschaft der BSG Traktor Delitzsch wird Sieger im Pokalwettbewerb der Sportvereinigungen Traktor im Bezirk Leipzig. Karin Ballhom, BSG Traktor Delitzsch, wird DDR-Jugendmeisterin im Tennis.

1953 September
Der Ministerrat der DDR zeichnet das RA W Delitzsch mit dem Ehrentitel „Siegerbetrieb im Wettbewerb der DDR" aus. Dieses Werk wird damit als erstes Reichsbahnausbesserungswerk der DDR mit der Wanderfahne ausgezeichnet. Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung: Der Marienfriedhof wird in Marienpark umbenannt. Dem Vorschlag der Gewerblichen Berufsschule zum Bau eines Sportplatzes an der Karl-Marx-Straße wird zugestimmt. Der Rat der Stadt veranlaßt durch den Austausch von Geländestücken, daß das Ackergelinde ostwärts des Schulgebäudes für den Bau der Sporteinrichtung zur Verfügung steht. Hinter dem RAW-Sportplatz ist der Bau eines Schwimmstadions geplant. Auch hier soll das Gelände durch Austausch bereitgestellt werden (diese Vorhaben wurde nicht ausgeführt). Der Stadtverwaltung liegen 805 Anträge auf Wohnungszuweisung vor, davon 327 mit dem Vermerk „dringlich". Der Vorsitzende der Ständigen Kommission Volksbildung des Kreistages Karl Plath, befürwortet die Umwandlung in ein Kreismuseum, welches weiterhin im Schloßgebäude untergebracht ist. Die Gestaltung sollte nach folgenden Gesichtspunkten erfolgen: Kulturgeschichte mit heimatlichem Charakter und Gegenstände der Volkskunde, Heimat- und Siedlungsforschung, Gerätschaftten und Leistungen des Handwerks, Mobiliar und Einrichtungsgegenstände, Leben und Werk Ehrenbergs und Schulze-Delitzsch, kirchliche Altertümer und künstlerisches Schaffen aus der Gotik und Renaissance. Zur Sicherung der Trinkwasserversorgung ist eine Probebohrung auf dem Südteil des Wasserwerkes bis zu einer Tiefe von 107 Metern niedergebracht worden. Damit können im zweiten Grundwasserhorizont für die kommenden Jahre Tiefbrunnen errichtet werden. Die Wasserförderung stieg von 524.375m³ im Jahre 1938 auf 1.041.020m' im Jahre 1953.

1953 Oktober
Im RAW wird der Verbesserungsvorschlag des Ing. A. Schüler und dem Kollektiv Lüddicke realisiert. Bei dem Vorschlag handelt es sich um die Einführung von Leuchtstoffröhren in die Reisezugwagen unter Beibehaltung der Nutzung der in den Wagen befindlichen Lichtmaschinen und Batterien. Die Bedeutung dieses Vorschlages wird dadurch unterstrichen, daß die Neuerung im internationalen Maßstab angewendet werden soll. Der Ing. A. Schüler erhält die Auszeichnung „Verdienter Aktivist". Der Vorsitzende des Rates des Kreises, Rolf Kosky, gibt einen Oberblick über das in den vier Jahren des Bestehens der DDR Erreichte. So wurden erreicht:
600 Neubauernstellen sind neu gebaut, Wert 4,6 Millionen.
Die MTS Döbemitz besitzt heute 56 Traktoren, zu ihrer Gründung waren es neun.
120 Wohnungen wurden im Kreis gebaut, 1953 werden weitere 34 fertiggestellt.
Bau der Gewerblichen Berufsschule in Delitzsch.
Im Ziehwerk erfolgte der Bau einer Produktionshalle mit einer Länge von 120 Metern, sowie der Bau einer besonderen Lagerhalle. Die Produktionssteigerung von 1949 zu 1953 betragt 600 %. Das RAW hat für den gleichen Zeitraum eine Produktionssteigerung von 230,9 %. Das Schulwesen hatte im Kreis 1945 56 einklassige, 27 mehrklassige Schulen und fünf voll ausgebaute Schulen in Delitzsch. 1949 acht einklassige, 42 mehrklassige Schulen und neun voll ausgebaute Schulen. 1953 zwei PolytechnischeOberschulen, fünf voll ausgebaute Schulen, neun Zentralschulen, vier wenig gegliederte Schulen und 34 Schulen für die Klassen eins bis vier. Für die gesundheitliche Betreuung stehen das Krankenhaus mit 194 Betten und sechs Säuglingsbetten zur Verfügung. Gleichzeitig erfolgt die Erweiterung der Kreispoliklinik auf zwei Häuser und zwei Außenstellen, sowie die Errichung einer Hauptberatungsstelle zur Bekämpfung der Tuberkulose. Die Renovierung des Krankenhausgebäudes in der Jahnstraße ist abgeschlossen. Harry Martini wird bei der Bestenermittlung der Boxer der SV Lokomotive DDR-Meister in Güstrow. Durch eine umfangreiche Preissenkung bis zu 20 % verbessert sich die Lebenslage der Bevölkerung. Etwa 12.000 Warenartikel werden verbilligt. Die Volkshochschule in Delitzsch hat sechs Außenstellen im Kreisgebiet und vier Außenstellen in den Betrieben RAW, Ziehwerk, LW Rackwitz und in der Zuckerfabrik. Die Volksbücherei Delitzsch hat in 64 Dörfern Ausleihstationen und 13 Betriebsleihbüchereien.

1953 November
Die erste Handballmannschaft der BSG Traktor (DDR-Liga) wird ungeschlagen Herbstmeister und schafft sich damit eine gute Ausgangsposition für den Aufstieg in die höchste Spielklasse der Oberliga. (Der Mannschaft gehören an: Schmidt, Schirmer, Huth, Göricke, Rosenkranz, Klotz, Ley, Riedel, Geithe, Schaberg, Lückert und Rülicke).

1953 Dezember
Für die Stadträtin Lina Neubauer übernimmt Eleonore Wiersig als Stadträtin das Dezernat Volksbildung. Die Stadtverordneten beschließen 1955 den Bau eines Kindergartens im Schloßgebäude. Das Grundstück Schloßstraße 28 (heute 2. Verwaltungsgebäude der Stadtverwaltung) muß dafür beraumt werden. Aus den dort befindlichen Wohnungen sind 46 Personen mit neuem Wohnraum zu versorgen.

1953 Zusammenfassung des Jahres
In den Dörfern ist die Umgestaltung der Landwirtschaft im vollen Gange. Zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land schließt das RA W mit mehreren LPG Verträge zur Reparatur und Instandhaltung des Maschinenparkes ab. Die Kollektivierung der Landwirtschaft wird mit dem Ziel forciert, möglichst alle Bauern als Mitglieder der Genossenschaften zu gewinnen. Unmittelbar nach dem Tode Stalins wird auch in Delitzsch wieder eine sowjetische Militärkommandantur eingerichtet. In der Tagespresse erscheinen ständig Meldungen über Produktionserfolge durch Steigerung der Arbeitsproduktivität, bei gleichen Löhnen. In den Betrieben wird zur Wachsamkeit gegenüber Agenten und Volksfeinden aufgefordert. Gleichzeitig nehmen die Repressalien gegen privatgeführte Landwirtschaftsbetriebe zu. Es erfolgt die Enteignung von drei dieser Betriebe im Stadtgebiet von Delitzsch. Handwerkern wird der Entzug von Lebensmittelkarten angedroht. Der 17. Juni mit seinen Ereignissen fordert auch Opfer in der Stadt Delitzsch. Zwei tödliche Verletzte und zahlreiche Verhaftungen sind die Folge. Der umnittelbar vor dem 17. Juni eingeleitete „Neue Kurs" der Regierung zur Verbesserung der Lebenslage der Bevölkerung steht im Mittelpunkt der Arbeit der Stadtverordnetenvertretung in der Stadt. Besonderes Augenmerk erhält dabei der Wohnungsbau. Eine beachtliche Entwicklung nimmt in diesem Jahr der Sport. Die Boxsportler der BSG Lokomotive erringen DDR-Meistertitel. Die BSG Traktor Delitzsch, mit ihrer ungeschlagenen Handballmannschaft, schafft für die kommende Saison den Aufstieg in die Oberliga. Die Umgestaltung des Bildungswesens für die gemeinbildenden Schulen im Kreis Delitzsch ist erfolgreich abgeschlossen.


1954

1954 Januar
Im Aussprachelokal der NF können kostenlos Fernsehsendungen angesehen werden. Dazu stehen im Kreis Delitzsch fünf Fernsehapparate zur Verfügung.

1954 Februar
100 Mitarbeiter des RAW gründen eine Betriebswohnungsbaugenossenschaft, um dazu beizutragen, die Mitarbeiter des RAW mit ausreichendem, bequemen und zweckentsprechendem Wohnraum zu versorgen. Albin Schneider wird zur Kreisdelegiertenkonferenz der SED erneut zum 1. Sekretär gewählt. Der Stadtverordnetenversammlung gehörten z. Z. 36 Stadtverordnete an. Es erfolgt die Neuwahl des Präsidiums: Ab dem 7. Februar wird der Omnibusverkehr zwischen Delitzsch und Löbnitz aufgenommen.

Vorsteher

Herr Beer

(FDJ)

Mitglieder

Herr Edler

(SED)

 

Herr Renner

(LDP)

 

Herr Erler

(NDPD)

 

Frau Mayer

(DFD)

 

Herr Gruber

(CDU)

Als Bürgermeister wird Herr Lange und als Stadträte werden die Herren Gebhardt, Wirsig, Hainstein, Schlegel und Herr Johannemann gewählt, der am 20.11. von Herrn Stempelwitz abgelöst wird. Das RAW stellt Massenbedarfsartikel her, z B. Ofenrohre, Putzschränkchen, Kinderbetten, Waschhocker, Kohleschaufeln usw. Das LW Rackwitz produziert ebenfalls Massenbedarfsartikel für den Haushalt. (Die Produktion von Massenbedarfsartikeln ist notwendig, um das mangelnde Angebot in den Geschäften auszugleichen. Daß dabei Betriebe des öfteren spezifische Produkte, die nicht zum Produktionsprozeß passen, fertigen müssen, bleibt unberücksichtigt). Bei einem Meeting erheben die Werktätigen des RAW folgende Forderungen an die in Berlin tagende Außenministerkonferenz der UdSSR, USA, Großbritanniens, Frankreichs:
Volksabstimmung zu der Frage, ob das deutsche Volk einen Friedensvertrag oder die Verträge von Bonn und Paris will.
Zustimmung zur Bildung einer gesamtdeutschen provisorischen Regierung,
Durchführung wirklich freier, demokratischer Wahlen,
Abzug aller Besatzungstruppen aus ganz Deutschland vor der Bildung der gesamtdeutschen provisorischen Regierung.
Tausende Delitzscher protestieren bei einer Demonstration gegen die Ablehnung der Vorschläge der SU zum Abschluß eines Friedensvertrages mit ganz Deutschland und zur Herstellung der Einheit Deutschlands sowie gegen die Pläne der USA in der Bundesrepublik eine 50jährige Besatzung aufrecht zu erhalten. Am Stalinplatz 1 (Markt) eröffnet der Optiker Epperlein aus Radefeld sein Geschäft. Alle privaten Einzelhändler und Gastwirte müssen monatlich an den Rat des Kreises über den Verkauf folgender Waren berichten: Tabakwaren, Spirituosen, Textilien, Motor- und Fahrräder, Fotoapparate und Eimer.

1954 März
Als Stadtrat für das Dezemat Wirtschaft wird Herr Schlegel (SED) gewählt. Die Stadtverordneten diskutieren, die Eisenbahnstraße in Richtung RAW zu verlängern. Es wird beschlossen, zunächst einen Fuß- und Radweg als Erleichterung für die RAW-Arbeiter anlegen zu lassen. . Der Kreistag ruft die Bevölkerung auf, alle nicht benötigten Kartoffeln zur Sicherung des Bedarfs an Pflanzkartoffeln zur Verfügung zu stellen. Erneut findet ein Bauermnarkt auf dem Stalinplatz statt. Verkauft werden 20 kg Butter, 3000 Eier, 40001 Milch, 450 kg Quark und die Fleischmenge von zwei Schweinen. Einige Einwohner werden vom Wohnungswesen aufgefordert, größeren Wohnraum gegen kleineren zu tauschen. 57 m' für zwei Personen werden als zu groß angesehen. Für TBC-Kranke werden Sonder- und Zusatzlebensmittelkarten ausgegeben. An die Besucher und Käufer des Bauernmarktes ergeht die Bitte, die Verkaufsstände nicht so wie bisher zu bedrängen. Ein Artikel in der LVZ des Leiters der Abteilung „Erfassung und Aufkauf“ weist auf die Schwierigkeiten bei der Versorgung der Bevölkerung mit Einkellerungskartoffeln hin und mahnt säumige Ablieferer.

1954 April
Im März werden sechs Bürger aus dem Kreis Delitzsch und der Stadt Delitzsch wegen ihrer Teilnahme am Volksaufstand am 17. Juni 1953 verhaftet. Am 4. Juni 1954 werden sie insgesamt zu 20 Jahren Zuchthaus und jeweils zu fünf Jahren Sühnemaßnahmen gemäß der Kontrollratsdirektive Nr. 38 Artikel IX verurteilt. (Der Artikel sagt u. a. aus: Verhaftung und Bestrafung von Kriegsverbrechern, Nationalsozialisten und Militaristen, Kontrolle und Überwachung von möglicherweise gefährlichen Deutschen. Die Sühnemaßnahmen nach den Artikeln VIII - XI beinhalten Strafen, Vermögenseinziehungen, Ausschluß aus öffentlichen Ämtern, Verlust des aktiven und passiven Wahlrechts, Berufsverbote, Aufenthaltsbeschränkungen u. a.). Delegierte zum IV. Parteitag der SED sind u. a. Albin Schneider, 1. Sekretär der Kreisleitung der SED und Paul Scheibe, Genossenschaftsbauer in der LPG Badrina. Im RAW werden ab sofort Diät- und Wahlessen für die Werktätigen verabreicht. Die Sportfreunde Backofen und Schimski werden DDR-Beste der SV Lokomotive im Boxen. Es wird der Delitzscher Männerchor gegründet. Auf einer Großkundgebung mit Tausenden Werktätigen berichtet Albin Schneider über die Ergebnisse des IV. Parteitages der SED. Der Kreis Delitzsch wurde bester Kreis des Bezirkes Leipzig im Wettbewerb aller LPG. Auf dem neuen Sozialgebäude des VEB Ziehwerk wird die Richtkrone aufgezogen. Das Sozialgebäude enthält einen großen Kultursaal, Lesezimmer, Sitzungszimmer, technisches Kabinett und einen kleinen Kulturraum.

1954 Mai
Über 10.000 Delitzscher (laut LVZ) bekennen sich bei der Maidemonstration für Frieden, Einheit, Demokratie und Sozialismus und lehnen die EVG (Europäische Verteidigungsgmeinschaft - und die NATO) ab. Mit dem Sieg im letzten Punktspiel in der Feldhandball-Liga der DDR gegen Dynamo-Ost Leipzig (11 :9) erreicht die 1. Mannschaft der BSG Traktor Delitzsch erstmalig in der Geschichte des Delitzscher Handballsportes den Aufstieg in die Oberliga, der höchsten Spielklasse der DDR Immer noch Stromkontingentierung. Abends sind pro Haushalt zwei Stunden lang nur 100 Watt zugelassen. Raumheizung mit Elektroenergie ist nur nachts von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr erlaubt.

1954 Juni
Am 1. Juni wird der Tag des Kindes mit Sport und Spiel begangen. Am Abend treffen sich die Kinder zu einem Fackelumzug. Auch für den Kindertag wird eine Losung veröffentlicht: Der Internationale Kindertag ist eine „Kampftag" für alle Kinder. Das Elberitzbad eröffnet die Badesaison. Der Kreistag wendet sich auf Vorschlag der SED-Kreisleitung an die Abgeordneten des Kreises Bingen und schlägt vor, sich gleichfalls für das Verbot von Atom-und anderen Massenvernichtungswaffen einzusetzen. Es ist vorgesehen, Delegationen auszutauschen. Ferner ruft der Kreistag dazu auf, die vom 27. - 29. 6. 1954 stattfindende Volksbefragung zu einem eindeutigen Bekenntnis aller Bürger für einen Friedensvertrag und den Abzug der Besatzungstruppen zu machen. Die 1. Handballoberligamannschaft der BSG Traktor fährt gegen den Karlsruher Sportclub Mühlburg „Phönix" ein Freundschaftsspiel vor 2.000 Zuschauern durch. Das ist ein Beitrag zum Gespräch zwischen den Sportlern beider deutscher Staaten. (Diese Begegnungen der Sportler sind von der SED-Führung vorbereitet und gewollt, sie dienen der politischen Propaganda). 1954 gibt es eine Vielzahl von Sportvergleichen mit westdeutschen Mannschaften, die alle dem Ziel dienen sollen, durch den Sportverkehr einen Beitrag zur Herstellung der Einheit Deutschlands zu leisten, z. B. 13.6. Fußball Lok Delitzsch : 1893 Niederkaufungen (3:3), 27.5. Fußball Traktor: VfB Bielefeld 03 (2:2). Wieder erfolgt eine Preissenkung für Lebensmittel und Industriewaren. Die Preise für Schuhe, Zigarren, Dauerbackwaren, Fischkonserven und Schlachtfette werden gesenkt. In der Eilenburger Chaussee erhalten vier Familien die Wohnungsschlüssel für die bezugsfertigen Wohnungen aus dem Wohnungsbauprogramm des VEB Ziehwerk. Vom 17. bis 20. Juni findet im Karl-Marx-Haus eine Kreis-Leistungsschau der Industrie, des Handwerks und des Handels statt. Diese Ausstellung findet großen Anklang bei der Bevölkerung. Gezeigt werden u. a. Erzeugnisse der Chemischen Fabrik Freiyberg zur Bekämpfung von Ungeziefer, Schmuck aus dem VEB LW Rackwitz, Schokoladenerzeugnisse des VEB Mitteldeutsches Süßwarenwerk mit Kostproben, alle Biersorten des VEB Brauerei-Krostitz, Qualitätszigarren der Fa. Krombholz, Hausschuhe der Fa. Steinfurth aus Zschortau sowie Erzeugnisse der Handwerksbetriebe. Klempnermeister Heinrich stellt eine komplette Badeeinrichtung aus, die Handwerksgenossenschaft „Holz" ein formschönes Eßzimmer. Die Damenschneiderinnen veranstalten gemeinsam mit den Kürschnermeistem für Pelzbekleidung und den Putzmachern eine Modenschau. Erzeugnisse des Lebensmittelhandwerks runden das Bild ab. Die Volksbefragung für einen Friedensvertrag und den Abzug der Besatzungstruppen oder für einen EVG-Generalvertrag unter Belassung der Besatzungstruppen auf 50 Jahre, erzielt das erwartungsgemäß überwältigende Bekenntnis der Bürger für einen Friedensvertrag und Truppenabzug. Durch die übliche massive agitatorische Beeinflussung geben viele Arbeitsbrigaden bereits vormittags geschlossen ihre Stimmen offen ab. Die Wahlkabinen werden von den Bürgern kaum genutzt. Sie stehen meist in den entlegensten Ecken der Wahllokale.

1954 Juli
Vom Rat des Kreises wird angeordnet, daß die Geschäfte an Sonnabenden von 8.00 bis 16.00 Uhr geöffnet sein müssen. Lebensmittelgeschäfte sollen auch sonntags von 8.00 bis 10.00 Uhr öffnen und Möbelverkaufseinrichtungen ebenfalls Sonntags von 14.00 bis 18.00 Uhr. Die Bezirkshygiene-Inspektion ordnet an, daß Wasser nur im abgekochten Zustand verwendet werden soll. Der Verkauf von Rohfleischprodukten, wie Hackepeter, hat zu unterbleiben, da die notwendigen Kühleinrichtungen zum Lagern im Geschäft fehlen. Das Volksmusik-Sechstett des RAW Delitzsch wird im Zentralen Ausscheid der Instrumentalsolisten (Volksmusik) in Karl-Marx-Stadt zweiter Republiksieger. Die Volksmusikgruppe steht unter der Leitung von Werner Brade. Die Hallesche Straße, Richard-Wagner-Straße und die Beerendorfer Straße werden zur Zeit neu gepflastert. Länger anhaltender Regen führt an der Mulde zum Hochwasser. Zwischen Löbnitz und Roitzschjora bricht der Damm der Mulde, daß die Felder zwischen Roitzschjora, Tiefensee und Löbnitz überflutet werden. Am 11. Juli bricht auch der zweite Damm, so daß einige Häuser von Löbnitz geräumt werden müssen. Verluste an Menschen und Tieren können verhindert werden. Aus Delitzsch sind zahlreiche Einsatzhelfer, so die Kampfgruppen, das Deutsche Rote Kreuz, Angehörige der Parteien und Massenorganisationen im Einsatz. In den folgenden Tagen und Wochen werden durch Betriebe, Einrichtungen, Ortsvereinigungen der VdgB, LPG und Einzelpersonen zur Unterstützung der von der Naturkatastrophe Betroffenen Natural und Geldspenden aufgebracht. Das RAW, der Rat des Kreises und die Belegschaft des VEB Mitteldeutsche Süßwarenwerke spenden jeweils 2.000 M. Auch die Handwerker helfen durch ihre Teilnahme am Einsatzort sowie mit Geldspenden. Den Bauern von Löbnitz und Roitzschjora, die durch Überschwemmungen ihrer Felder Schaden erlitten haben, werden zunächst mit 750 dt Futtermittel als erste Hilfe zur Verfügung gestellt. An einem Sonntag leisten die Werktätigen des RAW zugunsten der durch das Hochwasser geschädigten Bevölkerung eine Sonderschicht. Der Reinerlös wird dem Zentralen Hilfsfonds überwiesen.

1954 August
In der im Aufbau befindlichen neuen Zuckerfabrik wird am 3. August die Trocknungsanlage in Betrieb genommen, um zunächst das zur Ablieferung gelangtes Getreide zu trocknen. Die Deutsche Versicherungsanstalt der DDR zahlt an Hochwassergeschädigte in Löbnitz und Roitzschjora vorerst 50 % des aufgetretenen Schadens in Höhe von 127.000 M. Die Bauern des Kreises Delitzsch liefern das erste Getreide der Ernte 1954 an den Staat In einer Sternfahrt aus den Gemeinden des Kreises treffen sie mit geschmückten Fahrzeugen in Delitzsch auf dem Markt ein. Nach einer Kundgebung erfolgt die Ablieferung beim Volkseigenen Erfassungs- und Aufkaufbetrieb (VEAB). Vom Staat erhält das Mitteldeutsche Süßwarenwerk Delitzsch 250.000 DM für den Bau eines Kindergartens mit einer Kapazität für 120 Kinder. Mehrere Eisenbahnerfamilien erhalten in den neu gebauten Wohnhäusern in der Dr.-Wilhelm-Külz-Straße Wohnungen zugewiesen.

1954 September
Die Preise für Lebensmittel, Genußmittel und Gebrauchsgüter werden wieder um durchschnittlich 20 % gesenkt. Erstmals kommen Leuchtstoffampen in privaten Haushalten zur Anwendung. In der Presse erfolgen Aufrufe zum Sammeln von Alteisen und Mohnkapseln. Der Vorplatz am Unteren Bahnhof als nunmehriges Eigentum der Stadt wird neu gestaltet. Erstmalig erscheint für die Stadt und den Kreis Delitzsch das Wochenblatt „Delitzscher Echo". Walter Ulbricht besucht den Kreis Delitzsch. In Kyhna stellt er sich als Spitzenkandidat der SED für die Volkskammer vor. Auch Frau Else Merke (DBD) von der LPG Schenkenberg sowie Helmut Biedermann, stellv. Vorsitzender des Rates des Kreises (LDPD) kandidieren für die Volkskammer. Für den Bezirkstag in Leipzig kandidieren aus Delitzsch Heinrich Bienroth (Museumsleiter, LDPD), Klempnermeister Horst Heinrich, Helmut Ronicke, Franz Wachter (alle NDPD) und Walter Wolf (Abt.Ltr. im RAW, SED).

1954 Oktober
Das Mitteldeutsche Süßwarenwerk Delitzsch nennt sich nun „VEB Sachar, Mitteldeutsches Süßwarenwerk". Im VEB Ziehwerk wird das neue Sozialgebäude seiner Bestimmung übergeben. Im III. Quartal wurden auf dem Bauernmarkt 11.300 kg Fleisch- und Wurstwaren, 43.001 Milch und 18.000 Eier verkauft. Am 7. Oktober der Gründung der DDR findet auf dem Karl-MarxPlatz mit 4.500 Teilnehmern eine Kundgebung statt. In Delitzsch leuchten des nachts 200 Straßenlampen. Noch sind es vorwiegend Gaslaternen. Nach dem Winterfahrplan 1953/54 verkehren täglich 14 Zugpaare von Delitzsch nach Leipzig und zurück. Die Fahrzeit beträgt 35 Minuten. Von Delitzsch nach Rackwitz und von Rackwitz nach Krensitz verkehren wochentags neun Zugpaare. Die Fahrtzeiten liegen bei etwa 35 Minuten. Neun Zugpaare verkehren von Halle - Delitzsch - Eilenburg und zurück. Der Zug von Delitzsch nach Halle benötigt 50 Minuten.

1954 November
Anstelle des Stadtrates Johannemann wird als Dezernent für Landwirtschaft Georg Stempelwitz (CDU) von den Stadtverordneten gewählt. In der Landwirtschaft des Kreises Delitzsch sind aus Lieferungen der Sowjetunion folgende Landmaschinen im Einsatz: 18 Mähdrescher S 4, sieben Rübenkombines, 26 Raupenschlepper und acht elektrische Melkanlagen. Der Kreis Delitzsch meldet als erster Kreis des Bezirkes Leipzig, daß die Auflage zur zusätzlichen Herstellung von Massenbedarfsgütem für 4 Mio. DM im Jahre 1954 mit 4,2 Mio. DM realisiert wurde. Aus der Stadt Delitzsch sind daran beteiligt der Schuh- und Kunststoffbetrieb Delitzsch, die Handwerksgenossenschaft Holz sowie viele mittlere und kleine Handwerksbetriebe. Ab dem 1. November entfällt in Delitzsch jeweils montags am Nachmittag die Postzustellung. Zum Jahrestag der Russischen Oktoberrevolution werden Konzerte und Tanzveranstaltungen geboten. Am Abend findet ein Fackelumzug statt. Von der NF erfolgen ständig Aufrufe zur verlustlosen Einbringung der Ernte. Die Rübenernte muß gesichert werden. Dazu werden Mitarbeiter von HO, Konsum und der Berufsschule eingesetzt. Sie leisten bei drei Emteeinsätzen 3.000 Stunden. Das Entwässerungsnetz östlich der Bahnlinie Delitzsch - Bitterfeld ist überlastet. Daraufhin erfolgt ein Baustopp für neue Gebäude in diesem Stadtteil. Für das Aufstellen von Fahrradständern vor den Geschäften wird folgender Gebührensatz von der Stadtverwaltung erhoben: für Fahnedständer bis 60 cm = 3 DM, bis 80 cm = 4 DM und darüber 5 DM. Der Erzbischof Dr. L. Jaeger aus Paderborn besucht die kath. Kirchengemeinde Delitzsch und deren Kuratien in Löbnitz und Zwochau.

1954 Dezember
Es findet das erste Konzert des Delitzscher Männerchores und des Volkskunstorchesters statt. Zur Aufführung gelangen Werke von Mozart, Beethoven, Mendelsson-Bartholdy sowie deutsche Volkslieder. In Delitzsch wird der Ortsausschuß für Jugendweihe gebildet. Den Vorsitz hat Alwin Beer (SED). Im April 1955 soll die erste Jugendweihe in Delitzsch stattfinden. Die Stadtverordneten beschäftigen sich tatsächlich mit den Problemen der gesamtdeutschen Politik. An den Versammlungen nehmen westdeutsche Gäste teil. Aus der Zeitungswerbung sind folgende Einzelhandelspreise zu entnehmen:

Fernsehapparat Typ Rembrandt

1.300 DM

Musiktruhe mit Tonband

2.300 DM

Radio

300 - 400 DM

Spirituosen

8,30 - 9,40 DM

Armbanduhren 15 bis 17 Steine

250 - 300 DM

Damennachthemden (Seide)

24 - 34 DM

Herrenanzüge

95 - 280 DM

Wintermäntel

190 - 240 DM

Damenkleider

33 - 150 DM

Damenpelzmäntel (Kanin, Nerz, Skunks, Seal, Kalb und Lamm)


920 - 1.270 DM

Weihnachtsbäume

 

bis 1,3 m

1,20 DM

bis 2,0 m

2,00 DM

bis 3,0 m

3,50 DM.

1954 Zusammenfassung des Jahres
Im März werden weitere sechs Bürger aus der Stadt und dem Kreis wegen ihrer Teilnahme an den Protesten am 17. Juni verhaftet und verurteilt. Ein Schwerpunkt der Tätigkeit der örtlichen Organe ist die Schaffung von Wohnraum. Im RAW wird eine Betriebs-Wohnungsbau-Genossenschaft gegründet. Das Ziehwerk stellt vier Familien in den neu erbauten Häusern an der Eilenburger Chaussee als Wohnraum zur Verfügung. In der Dr. - W ilhelm-Külz-Straße (Nr. 14 -20) werden die ersten Wohnungen in dem neu erbauten Wohnkomplex bezogen. Allmählich normalisieren sich die materiellen Lebensverhältnisse. Das Netz für den öffentlichen Straßen- und Schienenverkehr wird erweitert. Straßen werden ausgebaut, die Straßenbeleuchtung und die Trinkwasserversorgung verbessert. Bedeutsam sind auch die Fortschritte in der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Bedarfsgüter, wozu die Landbevölkerung mit Bauermnärkten, die Industriebetriebe, die Handwerker und der Handel beitragen. Die nach der Demontage der Zuckerfabrik als Reparationsleistung nunmehr neu errichtete Fabrik nimmt mit der Trocknung von Getreide den Teilbetrieb auf. Die Bevölkerung der Stadt und des Kreises nimmt lebhaften Anteil an den durch das Muldehochwasser im Raum Löbnitz und Roitzschjora betroffenen Menschen. Betriebe, Einrichtungen, Organisationen und zahlreiche Einzelpersonen leisten uneigenützige Hilfe.


1955

1955 Januar
Das „Delitzscher Echo" stellt nach nur vier Monaten sein Erscheinen ein. Das Kulturensemble „Junge Garde" schließt sich der Gewerblichen Berufsschule an. Die Maurerlehrlinge des Kreisbaubetriebes erleben mit ihrem Berufsschullehrer Gerhard Müller und den Sportlehrern der Gewerblichen Berufsschule eine Woche des Wintersportlagers auf dem Aschberg in Klingenthal (Vogtland). In der Sitzung der Stadtverordneten erfolgt die Wahl des Präsidiums der Stadtverordnetenversammlung.

Stadtverordnetenvorsteher:

Herr Beer

(FDJ)

Stellvertreter:

Her Edler

(SED)

Beisitzer:

Herr Gräber

(CDU)

Beisitzer:

Herr Renner

(LDPD)

Die Erklärung der Sowjetunion zur Beendigung des Kriegszustandes und zur Herstellung friedlicher Beziehungen mit Deutschland wird durch die Stadtverordneten begrüßt, ein Schreiben an den Obersten Sowjet der UdSSR wird beschlossen.

1955 Februar
Für die Teilnahme zur Jugendweihe wird verstärkt geworben. Die evangelische Kirche, besonders Pfarrer Wemer, spricht sich gegen die Jugendweihe aus. Bürger werden von der SED an Sonntagen als Agitator in die Dörfer des Kreises geschickt. Die Landbevölkerung soll über die von der Bundesrepublik eingegangenen Verträge sowie für die Maßnahmen der DDR zur Erhaltung des Friedens aufgeklärt werden. Die Zeitung gibt dafür Beispiele: „Freunde, gehen wir mit noch größerem Elan an unsere Arbeit, zeigen wir den Kriegsbrandstiftern, daß jeder, der es versuchen sollte, einen neuen faschistischen Raubkrieg über unser Vollos heraufzubeschwören, von der deutschen Jugend zerschmettert wird". Die Sparkasse Delitzsch macht Werbung für Sparverträge. Nach Aussagen der Sparkasse sind bereits 600 neue Sparverträge abgeschlossen worden.

1955 März
Die Ziehwerker fahren Höchstleistungsschichten, um damit gegen die Pariser Verträge zu demonstrieren. Der Kreisausschuß der NF ruft zu Aussprachen mit der Bevölkerung auf, um den Kampf gegen die Pariser Verträge zu aktivieren. Für einige Berufsbranchen werden Volksröntgenreihenuntersuchungen organisiert. Besonders Mitarbeiter der Lebensmittelbranche, Lehrer, Friseure und Heilberufe werden aufgefordert, sich gesundheitlich untersuchen zu lassen. Einige HO- und Konsumgeschäfte verlängern die Öffnungszeiten bis 19.00 Uhr. Die Tischtennismannschaft der BSG Traktor Delitzsch wird Meister der Bezirksliga. (Reichstein, Krempler, Mann, Schöne, Chybych, Caspar bilden die Mannschaft). Die Arbeiter-Wohnungsbau-Genossenschaft des RAW beginnt mit der Errichtung eines Wohnblockes von 21 Wohnungen in der Bitterfelder Straße. Der Betrieb hilft durch freiwillige Aufbaustunden von Werktätigen des RAW und durch finanzielle Unterstützung in Höhe von 25.000 Mark.

1955 April
Erstmals wird in Delitzsch die Jugendweihe durchgeführt. In der LVZ erscheint eine Danksagung aus Anlaß der Jugendweihe. Dagegen sind für die Konfirmation etwa 130 Glückwünsche für den gesamten Kreis veröffentlicht worden. Auf dem Gelände der „Parkgaststätte" (ehem. Schützenhaus) wird in diesem Jahr eine Kinderkrippe mit einer Kapazität von 40 Plätzen (14 für Säuglinge, 26 für Krabbelkinder) mit einem Kostenaufwand von 267.000 M erbaut. Vom 31. März bis zum 3. April führt die, junge Garde", Kulturensemble der FDJ in Delitzsch, eine Gastspielreise nach Niedersachsen durch. Am Vorabend des 1. Mai wird der traditionelle Staffellauf „Rund um die Altstadt` durchgeführt. Die Lehrerin und stellvertretende Direktorin der Ehrenberg-Oberschule, Martha Baumgärtel, erhält die „Goldene Ehrennnadel" des Deutschen Friedensrates der DDR.

1955 Mai
Am 1. Mai fmdet eine große Maidemonstration mit den Betriebskampfgruppen statt. Die Kampfgruppe tragen als Uniform blaue Kombinationen. Der B. Mai, dem „Tag der Befreiung" wird mit einer Festsitzung des Kreistages im Karl-Marx-Haus begangen. Die Bevölkerung ist aufgerufen, die Häuser zu schmücken. Die LVZ veröffentlicht die Losung, „Kein Haus ohne Fahnenschmuck". Die Eisenbahnstraße, zwischen der Dübener- und Eilenburger Straße, wird neu gepflastert. Zehn Jugendliche aus dem RAW melden sich zum freiwilligen Dienst in der Kasemierten Volkspolizei (KVP). Für einen Ferienurlaub werden von der Stadtverwaltung folgende Umtauschkriterien von Lebensmittelpunktkarten bekanntgemacht: Für 13 Tage Urlaub erhält der Urlauber

auf Grundkarte A:

550 g Fleisch

 

350 g Fett

 

530 g Zucker

auf Grundkarte C:

850 g Fleisch

 

630 g Fett

 

780 g Zucker

Die Stadtverordneten diskutieren die Ratifizierung des Warschauer Vertrages durch die Volkskammer der DDR und geben dieser Entscheidung einmütig ihre Zustimmung.

1955 Juni
Das Elberitzbad beginnt mit der Badesaison. Bis zum 30. Juni hat die Bevölkerung den Bedarf für die Einkellenmgskartoffeln zu melden. Der Verkauf von Hackfleisch und Kartoffelsalat wird wieder für die Großküchen verboten. Die Kreishygieneinspektion äußert Bedenken zu den hygienischen Zuständen. In den meisten Großküchen fehlen die Kühleinrichtungen zur Lagerung solcher Lebensmittel. An der Fassade des „Mitteldeutschen Süßwarenwerkes Sachar" steht noch der einstige Name der Böhme AG. In einer von der SED initiierten Leserzuschrift an die Zeitung wird die Böhme AG als das „vergessene, verfaulende Alte" bezeichnet. Die neue Zuckerfabrik, deren Bau nach der Demontage der alten Fabrik als Reparationsleitung vor zwei Jahren begonnen wurde, ist jetzt nahezu fertiggestellt und wird noch im Herbst die Produktion aufnehmen. Bereits jetzt werden die Trocknungsarbeiten ausgeführt. Wohnhäuser für die Spezialarbeiter werden außerhalb des 35 ha umfassenden Betriebsgeländes an der Fabrikstraße errichtet. Die Handballmannschaft der männlichen Jugend der Gewerblichen Berufsschule wird Bezirksmeister im Leistungsvergleich der Berufsund Betriebsberufsschulen.

1955 Juli
Im Karl-Marx-Haus findet die erste Jägerkonferenz des Kreises Delitzsch statt. Sie steht unter der Losung: „Jäger seid bereit zur Verteidigung der Heimat." Aus hygienischen Gründen verbietet der Kreisarzt Dr. Paschke das Baden in der Mulde. Die Stadtverordneten treffen Maßnahmen, den Staatsapparat wieder zu demokratisieren. Die einzelnen Kommissionen werden in Ständige Kommissionen umgewandelt. Damit ist auch eine Kommissionsarbeit zwischen den Stadtverordnetensitzungen möglich. Die Mitarbeiter der Firma Freyberg leisten Aufbaustunden zur Gestaltung des Geländes am Oberen Bahnhof. Im sogenannten Nationalen Aufbauwerk werden bis zum 30. Juni 3.081 freiwillige Arbeitsstunden geleistet.

1955 August
In der Kindertagesstätte Delitzsch-Ost wird Richtfest gefeiert. Für diese Einrichtung werden vom Staat 267.000 M zur Verfügung gestellt. Wieder eine Preissenkung. Die Preise für Zigaretten der Marken „Travel" und „Derby" werden gesenkt. Die Abteilung Volksbildung beim Rat der Stadt gibt bekannt: Schulkinder, die keine geordnete Mittagsmahlzeit einnehmen können, das betrifft Fahrschüler, Kinder berufstätiger Mütter u.a., erhalten für 0,40 Mark ein warmes Essen. Die Essenausgabe erfolgt in den Schulen. Die Mahlzeiten werden in einigen Betriebsküchen zubereitet. Den Essenteilnehmern stehen zu: 20 g Fleisch, 20 g Fett und 10 g Zukker, Lebensmittelkarten sind dafür nicht abzuliefern.

1955 September
1. September - Neuer Direktor der Ehrenberg-Oberschule ist Arno Schaberg. Im Karl-Marx-Haus wird für den Kreis Delitzsch die Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse (später URANIA) gegründet. Am 10. und 11. September sind 1.500 Erntehelfer im Einsatz. Sie roden 3.500 t Kartoffeln. Auf dem Stalinplatz (Markt) zeigen die Hochartisten „Die weißen Kondo` ihr Können mit Hochseilattraktionen. Der Zirkus „Alberti" gastiert für zwei Tage in Delitzsch. In der LVZ ist ein Bericht zur Entwicklung der Sportgemeinschaft BSG Traktor Delitzsch veröffentlicht: Die Männermannschaft der Handballer steigt 1954 in die Oberliga der DDR auf, die Fußballer spielen in der DDR-Liga, beim Billardkegeln wird Sportfreundin Baum DDRMeisterin, desgl. Sportfreund Herrmann, die Männermannschaft im Tischtennis spielt in der Bezirksliga, die Faustballer und Kegler gehören der Bezirksklasse an. Inge Fiebig erwirbt den DDR-Meistertitel im Frauen-Einzel. Die BSG delegiert junge befähigte Sportler zum Studium an die Deutsche Hochschule für Körperkultur (DHfK) nach Leipzig. Zahlreiche nationale Vergleichskämpfe mit westdeutschen Mannschaften finden statt (u.a. gegen Karlsruher SV und Hamburger Sportverein - Handball). Der 10. Jahrestag der „Demokratischen Bodenreform" wird in Delitzsch festlich begangen. Eine Delegation begibt sich zum Staatsakt nach Dresden, wo Paul Scheibe aus Badrina mit dem Titel „Hervorragender Genossenschaftler" ausgezeichnet wird. Der VE Gartenbau Delitzsch erhält auf der Gartenbauausstellung in Erfurt für seine züchterischen Leistungen bei Gladiolen eine Goldmedaille, die einzige, die auf dieser Ausstellung vergeben wird.

1955 Oktober
Der Minister Westphal gibt den Start zur Produktionsaufnahme in der neuen Zuckerfabrik als modernste Anlage der DDR Am 14. Oktober beginnt die erste Zuckerrübenkampagne. Der Plan sieht eine tägliche Verarbeitung von rd. 2.000 Tonnen Zuckerrüben vor. Das wird zunächst nicht erreicht. Tatsächliches Ergebnis 1955: täglich 646 t. Im Einsatz sind 506 Produktionsarbeiter. Am 7. Oktober findet zum 6. Jahrestag der DDR ein Festumzug statt, der mit einer Kundgebung am Stalinplatz beendet wird. Aus Anlaß des 10jährigen Bestehens des Volkschores unter Leitung von Hermann Hennig findet ein Chorkonzert statt. Bis Ende des Jahres werden weitere 40 Gaslaternen im Stadtgebiet in Betrieb genommen. In der Eilenburger Chaussee werden elektrische Straßenbeleuchtungen angebracht. In Auswirkung der von der Regierung der UdSSR erlassenen Anmestie kehrt, um nur einen Fall zu nennen, am 18. Oktober Hans-Joachim George aus dem Zwangsarbeitslager in die Heimat zurück. (Er wurde am 3. August 1950 verhaftet und von einem sowjetischen Militärtribunal wegen angeblicher Wirtschafts- und Militärspionage zur Zwangsarbeit nach Sibirien transportiert und dort zum Tode verurteilt. Ende 1951 erfolgt die Begnadigung zu 25 Jahren Zwangsarbeit „Unter Tage". Kurz nach seiner Rückkehr ging er nach Westdeutschland, und später war er als Senatsrat in Westberlin tätig).

1955 November
In der LVZ wird lobend hervorgehoben, daß es gelungen ist, die Eisenbahn-, Lauesche-, Hain-, Secunus- und Dübener Straße neu zu pflastern. Die HO bietet zur Freude der Hausfrauen reichlich Zitronen und Zitronat an. Am Halleschen Turm sind umfassende Maurer- und Zimmererarbeiten notwendig geworden. Das Mauerwerk der vier sechs Meter hohen Erker hat erheblich gelitten. Der Tutor hat sich nach Nordwesen gesenkt. 1955 erfolgt die Sicherung der brüchigen Mauern, das Dach wird provisorisch gedeckt. Im Frühjahr 1956 sollen die Erker zum Teil neu gebaut, und das Dach soll neu gedeckt werden. (Seit dem Bau des Halleschen Turmes 1394 - 1396 sind keine größeren Reparaturen ausgeführt worden, ein Kennzeichen der damals geleisteten Wertarbeit).

1955 Dezember
Im VEB Ziehwerk wird eine Regenerierungsanlage eingebaut. Die verbraucht Abfallbeize wird nicht mehr nach Neutralisation in den Lober abgeleitet. Jährlich werden etwa 350 t Eisensulfate gewonnen, die der chemischen Industrie als Rohstoff zur Verfügung gestellt werden. Das Ziehwerk spart jährlich 29 t Schwefelsäure ein. Eine Abgeordnetengruppe der Volkskammer der DDR besucht unseren Kreis. Sie wird vom Präsidenten der Volkskammer, Johannes Diekmann, geleitet. Zugegen sind Mitglieder einer Delegation des Obersten Sowjets. der UdSSR unter Leitung des Außenhandelsministers Patolitschew. Rolf Kosky, Vorsitzender des Rates des Kreises, erstattet Bericht über die Situation im Kreis. An der Beratung nimmt Paul Fröhlich, 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED, teil. Das Krankenhaus Delitzsch übernimmt das ehemalige Tbc-Kurheim Schloß Löbnitz. In Löbnitz werden in Zukunft nachbehandlungsbedürftige Patienten aufgenommen. Ferner werden hier Patienten versorgt, bei denen mit einem längeren Krankenhausaufenthalt gerechnet werden ruß. Die ärztliche Betreuung erfolgt durch Herrn Dr. Lämmerhirt. Die Außenstelle kann 120 Patienten aufnehmen. NAW-Einsätze in Delitzsch zeigen nicht den gewünschten Erfolg. Von 1.775 Helfern wurden 11.500 freiwillige Aufbaustunden geleistet, die eine Einsparung von 18.500 M brachten. Der „Demokratische Block"erklärt: Wer gegen die Jugendweihe ist, verneint den Fortschritt. Der 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED, Paul Fröhlich, startet in Delitzsch eine Vortragsreihe zum Thema „Religion vertreibt die Belange der Ausbeuter“. In einer Versammlung im Rathaus, die unter der Leitung der Abteilung Volksbildung des Rates des Kreises am 30. 12. stattfindet, wird eine Resolution angenommen, in der von der übergeordneten Kirchenbehörde gefordert wird: - Den Pfarrer Werner unverzüglich aus Delitzsch abzuberufen. Er hat sich mehrmals öffentlich gegen die Jugendweihe ausgesprochen. - Den Superintendenten anzuweisen, daß sich die Pfarrer in Zukunft ausschließlich ihrer seelsorgerischen Tätigkeiten zu widmen haben. Die Preise für Weihnachtsbäume betragen

 

bis

0,70 m

0,90 DM

 

bis

1,30 m

1,40 DM

 

bis

2,00 m

2,05 DM

und

bis

3,00 m

3,50 DM.

1955 Zusammenfassung des Jahres
Zehn Jahre nach Beendigung des II. Weltkrieges hat sich in der SBZ und der sich daraus gegründeten DDR eine gründliche Wandlung im Wirtschaftsgefüge, 'm der Landwirtschaft und im Schul- und Erziehungswesen. Durch die Enteignung von Betrieben und Unternehmen in der Industrie und Landwirtschaft entsteht als neue Eigentumsform das Volkseigentum. Volkseigentum in der DDR, ist der Teil des sozialistischen Eigentums, der direkt dem Staat unterstellt ist. Das sind insbesondere die volkseigenen Betriebe, alle Bodenschätze sowie das Verkehrs- und Transportwesen. In der Stadt und im Kreis Delitzsch werden wichtige volkseigene Betriebe gebildet.
- Reichsbahnausbesserungswerk Delitzsch: Gemäß Befehl Nr. 8 der SMAD wird die Deutsche Reichsbahn in die „Hände des Volkes" übergeben. Belegschaftsstärke: 1946 = 1325, 1948 = 1307, 1955 = 2038 - VEB Ziehwerk Delitzsch Die Enteignung des einstigen Rüstungsbetriebes erfolgte am 16. September 1948. Ab diesem Zeitpunkt ist es ein volkseigener Betrieb. 1950 nimmt dieser Betrieb die Blankstahlproduktion auf, 1952 erfolgen Produktionserweiterungen und 1954 wird das Sozialgebäude erbaut.
- Süßwarenwerke Böhme: Ab Januar 1950 wird der Betrieb treuhänderisch geleitet. Im Mai 1951 wird die Böhme-AG mit 226 Beschäftigten in Volkseigentum überführt. Im Februar 1952 erhält das Werk den Namen „VVB Süßwarenindustrie, Werk Böhme, Delitzsch", im Februar 1954 nennt es sich „VEB Mitteldeutsche Süßwarenwerke Delitzsch" und im Oktober heißt es „VEB Sachar, Mitteldeutsches Süßwarenwerk". Im September 1952 hat der Betrieb 552 Belegschaftsmitglieder.
- VEB Plastex: Dieser Betrieb wurde im Januar 1953 gebildet.
- Leichtmetallwerk Rackwitz: Dieser Betrieb wird auf Weisung des Präsidenten der Provinz Sachsen vom 30. September 1946 als ehemaliger Rüstungsbetrieb enteignet und in Volkseigentum überführt. Nach erfolgter Demontage im Rahmen der Reparationsleistungen beginnt im September 1946 der Wiederaufbau mit etwa 400 Belegschaftsmitgliedern.
- VEB Zuckerfabrik Delitzsch: Nach der Demontage des Werkes beginnt im März 1952 der Neuaufbau. Im August 1954 erfolgt die Inbetriebnahme der Trocknung. Die volle Inbetriebnahme erfolgt am 13. Oktober 1955.
- Handelsorganisation HO: Bildung der HO 1948.
- Chemische Fabrik Delicia: Dieses Unternehmen war bis zum 30. September 1958 in Privatbesitz.
Ab 1. Oktober 1958 war es ein Privatunternehmen mit staatlicher Beteiligung. Bis zur Enteignung im Jahre 1972 galten hier gesetzliche und steuerrechtliche Bestimmungen wie in einem Privatunternehmen. In der Landwirtschaft beginnen mit der Kollektivierung ebenso umwälzende Veränderungen. Die Voraussetzung zur Gründung der LPG war die 1945/ 46 rigoros durchgeführte Bodenreform. Wenn auch diese, von der sowjetischen Besatzungsmacht initiierten und später von den jeweiligen Landesregierungen durch Ländergesetze unterlegten Maßnahmen die Stadt Delitzsch nicht direkt betreffen, so sind Auswirkungen, wie Versorgungsprobleme mit landwirtschaftlichen Produkten oder menschliche Schicksale von Betroffenen bis in alle Bevölkerungsschichten zu spüren. Im Rahmen dieser Bodenreform wurden alle landwirtschaftlichen Güter mit einer Betriebsgröße ab 100 ha und größer entschädigungslos enteignet. Dazu kamen auch kleinere Höfe, die sich im Besitz von leitenden Funktionären der NSDAP, Kreisbauemleitung, Gestapo und Sicherheitsdienst sowie Kriegsverbrechern befanden. Für die Durchführung dieser Maßnahmen werden in den Landgemeinden Orts-Bodenreform-Kommissionen gebildet, zu deren Vorsitzenden meist die neu eingesetzten Bürgermeister berufen werden. Von diesen Kommissionen sind Listen mit den zu enteignenten Landwirten anzufertigen und mit Begründung an das Landratsamt zu melden. Zur Unterstützung dieser Aktionen treten auch Offiziere der sowjetischen Besatzungstruppen in Erscheinung. Die sich in den Landgemeinden vollziehenden „revolutionären Ereignisse" spiegeln die neuen Machtverhältnisse wieder und sind zwischen Willkür und Gesetz im Schutz sowjetischer Militäradministrative einzuordnen. Dazu Beispiele aus dem Kreis Delitzsch und der unmittelbaren Nachbarschaft:
- Der Besitz des Rittergutes Sausedlitz umfaßte mit Stichtag 3. September 1945 422 Hektar Land, umfangreichen Viehbestand, drei Traktoren und Ackergerät. Nach der vorgenommenen Enteignung erfolgte am 7. Januar 1946 die Landaufteilung an 11 Landarbeiter, fünf landarme Bauern, sieben Kleinpächter und 18 Umsiedler. Die einzelnen Neubauernstellen erhielten je neun Hektar Land. - Als aktiver Nationalsozialist und Sonderführer in der Ukraine wurde ein Landwirt im Nachbarkreis Bitterfeld mit einer ihm gehörenden landwirtschaftlichen Betriebsgröße von 72,25 ha Eigenland enteignet.
- Ein weiterer Fall betrifft einen Bezirksbauernführer, ebenfalls aus dem Nachbarkreis, der seit dem 26. Juni 1933 Mitglied der NSDAP war. Die Enteignung seines 43,50 ha umfassenden Grundbesitzes wurde damit begründet, daß er nach dem Absturz eines englischen Flugzeuges erklärt habe, daß diese Piloten als Verbrecher und Banditen das Ansehen nicht wert sind, da sie auf unsere Frauen und Kinder Bomben werfen.
Nach dem stalinistischen Diktat der vor Jahrzehnten in der UdSSR durchgeführten Zwangskollektivierung wird dieses Schema nach Gründung der DDR im Jahre 1949 auch hier in der Landwirtschaft eingeführt. Neben freiwilligen genossenschaftlichen Zusammenschlüssen kam es später auch zu regressiven Zwangsmaßnahmen:
- Im Juli 1952: Im Kreis Delitzsch beginnt die Gründung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Als erste Genossenschaft dieser Art entsteht „Florian Geyer" in Wiesenena. Am 30. November 1952 bestehen im Kreis bereits 20 LPG (in den ab 1952 gültigen Kreisgrenzen), am 29. Januar 1953 bestehen 25 und am 24. Mai 1953 bestehen 37 LPG. 1955 bewirtschafteten diese Genossenschaften 35,3% der innerhalb des Kreises gelegenen landwirtschaftlichen Nutzfläche.
- Die Vereinigung Volkseigener Güter (VVG) wird im Januar 1951 gebildet.
- Das VEG Gartenbau (VEG Saatzucht) geht im September 1953 aus der Gartenbaufirma Bär/ Einer (früher Fa. Poenicke) hervor.
Ähnlich wie in der Industrie und Landwirtschaft wird das Schul- und Erziehungswesen auf die „Ziele des Sozialismus" ausgerichtet. In den Monaten März/ April des Jahres 1945 findet auf Grund der Kriegsereignisse zumeist kein Unterricht statt. Die Schulen sind als Unterkünfte für die zahllosen Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten genutzt. Bis Anfang Juli wird die ehemalige Mädchenschule in der August-Bebel-Straße als Unterkunft und Lazarett für die amerikanischen Besatzungstruppen genutzt. Erst im Oktober beginnt wieder der planmäßige Unterricht an den Schulen. In den Sommermonaten fand teilweise auch schon Unterricht im Freien statt. In Delitzsch vorwiegend im Stadtpark und an den Wiesen des Werkstättenteiches am RAW. Die von der nationalsozialistischen Schulverwaltung früher gemaßregelten und entlassenen Lehrer wurden wieder in den Schuldienst übernommen. Darunter Fritz Schwahn, ein ehemaliges Mitglied der SPD. im November erscheinen neue Schulbücher. Zur Beseitigung des Lehrermangels erfolgt der Aufruf zur Ausbildung als Volkslehrer. In einem Lehrgang von acht Monaten erfolgt die Qualifizierung zum sogenannten Neulehrer. In Delitzsch gibt es im Herbst 1945 folgende Schulen:
- die ehemalige Mädchenschule in der August-Bebel-Straße (ab 1948 Comeniusschule);
- die ehemalige Knaben-Volksschule in der Bitterfelder Straße (ab 1948 Diesterweg-Schule, später Fritz-Weineck-Schule, heute Teil des Ehrenberg-Gymnasiums);
- die ehemalige Oberrealschule am Gerberplan (heute Ehrenberg-Gymnasium); die ehemalige Mittelschule in der Schulstraße (später Schulze-Delitzsch-Schule, heute Diesterweg-Schule);
- die frühere Luisenschule (später Pestalozzischule in der Pestalozzistraße, ab Sommer 1949 Sonderschule für lernbehinderte Kinder).
Desweiteren gibt es in Delitzsch die Gewerbliche und die Kaufmännische Berufsschule. Im Zeitraum von 1946-1949 werden im Kreis Delitzsch 120 Bewerber für den Schuldienst in Lehrerbildungskursen ausgebildet. Die im Befehl Nr. 40 der SMAD angeordnete Umgestaltung des Schulwesens in der Sowjetischen Besatzungszone wird ab Februar 1946 schrittweise umgesetzt. Die Bildungsreform sieht die Überwindung der Bildungsschranken und gleiche Aufstiegsmöglichkeiten für alle Kinder vor. In der Folge wird das Prinzip der Verwirklichung der 10jährigen Oberschulbildung für alle Kinder in Angriff genommen. 1945/ 46 beträgt die durchschnittliche Schülerzahl 45 Kinder je Klasse. Neben der hohen Schülerzahl kommen Schwierigkeiten wegen fehlenden Schreibmaterials, Lehrbüchern und Anschauungsmaterialien für den Unterricht dazu. Im VEB LW Rackwitz beginnt im Oktober 1949 mit 100 Lehrlingen die Berufsausbildung. Am 1. September 1951 wird die Friedensoberschule in der Dübener Straße in eine erste 10-Klassen Schule umgebildet. Die Einweihung eines neuen Schulgebäudes der Gewerblichen Berufsschule in der Karl-Marx-Straße erfolgt am 7. März 1952. Zum Jahresende 1952 bestehen, nach der Gebietsreform, im Kreis Delitzsch folgende Schulen:
- Neun Zentralschulen bis zur 10. Klasse in den Gemeinden Glesien, Zschernitz, Radefeld, Rackwitz, Zschortau, Zwochau, Reibitz, Löbnitz und Wölkau;
- 34 Schulen in denen bis zur 4. Klasse unterrichtet wird. Danach erfolgt der Übergang dieser Schüler in die Zentralschule bzw. in die zehnklassige Schule nach Delitzsch;
- in der Stadt Delitzsch bestehen fünf Zehnklassenschulen und eine Oberschule bis zur 12. Klasse.
Die Einführung des neuen sozialistischen Bildungswesen in den höheren Schulen ist begleitet von einzelnen politisch motivierten Disziplinverstößen von Schülern, die zur Relagation führen. Begabte Schüler werden nach erfolgreichen Abschluß der Klasse 8 an die Erweiterte Oberschule (EOS) delegiert. Nach erfolgreicher Beendigung der 12. Klasse wird hier mit dem Abitur die Hochschulreife erreicht. Im Jahre 1955 bestehen im Kreis Delitzsch mit der Gewerblichen, der Kaufmännischen und der Landwirtschaftlichen Berufsschule, drei allgemeine Berufsschulen. Diese werden schrittweise in den Schulkomplex an der Karl-Marx-Straße integriert. Die Betriebe LW Rackwitz und das RAW haben je eine Betriebsberufsschule.