Handschriftliche Chronik von 1816-1952 - 1863-1865

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1863

Die Kohlenwerks-Gebäude wurden an den Buchbinder Rühle in Bitterfeld im Februar für 910 Rtl. verkauft. Am 20ten Januar tobte ein heftiger N.W. Gewittersturm, während deßen das niedrige Barometer plötzlich stieg Der bisherige unbesoldete Magistrats-Assessor, Dr. med.Gerber, war von Neuem wieder auf 6 Jahre, vom 15ten December vorigen Jahres ab, gewählt und von der Königl. Regierung bestätigt worden. Das bisherige Gemeindehaus in der Grünstraße wurde als nunmehr überflüssig, an den Handarbeiter Thieme für das Meistgebot von 242 Rtl. überlassen.

Am 15ten October 1862 ward bekanntlich die bisherige Amtsvorstadt Grünstraße mit der Stadt vereinigt, wodurch natürlich der Wirkungskreis des Verfaßers dieser Zeilen als Stadt – Armen – Arzt wegen der Hinzufügung dieser größten Theils armen, mindestens 1600 Einwohner zählenden Gemeinde bedeutend vergrößert wurde; meine bisherige ohnehin geringe Besoldung von 25 Rtl., für welche ich jährlich durchschnittlich 50 Kranke zu behandeln hatte, mußt daher selbstverständlich erhöhet werden, ebenso auch die 11 Rtl. betragende Besoldung des Herrn Wundarztes Rathmann, welcher seit 6 Jahren die Stelle des Stadtwundarztes verwaltete. Wir beyde wurden nun im November 1862 deshalb auf dem Rathhause um unsre Ansicht vom Bürgermeister Hagedorn befragt, und gaben demselben die Erklärung zu Protokoll, daß wir eine Verdoppelung unserer Besoldung beantragten. Zugleich bat ich noch wegen der oft im Krankenhause zur Behandlung kommenden Fremden, für welche ich während meiner fünfzehnjährigen Amtswirksamkeit als Stadt-Armen-Arzt niemals etwas erhalten hatte, um eine kleine, gewiß sehr billige Zulage von 5 Rtl. In der Armen-Deputation, wo diese Sache den 21ten November zur Begutachtung kam, wurden aber, wie ich nachher erfuhr, für den Stadt-Armen-Arzt 15 Rtl. und für den Stadtwundarzt 5 Rtl. Zulage für genügend erachtet. Als dies hörte, gab ich am 5ten December dem Bürgermeister Hagedorn meine letzte Erklärung zu Protokoll mit dem ausdrücklichen Bemerken, daß ich zwar auf die 5 Rtl. Gehalts-Zulage wegen der Fremden verzichten wollte, dagegen aber, wenn man mir die Erhöhung meiner bisherigen Besoldung auf 50 Rtl nicht bewilligte, dieses Amt am 31ten Maerz 1863 unbedingt niederlegen würde; auch Herr Wundarzt Rathmann erklärte mit 20 Rtl. zufrieden gestellt zu seyn, im Falle der Nichtbewilligung aber die Stadtwundarzt-Stelle ebenfalls niederzulegen. Die Stadtverordneten, bey denen diese unerquickliche Angelegenheit nunmehr zur Entscheidung kam, bewilligten in richtiger Erkenntniß der Verhältniße einstimmig unsere Forderungen und zwar gleich vom Beginn des neuen Jahres an. Dies meldete uns der Magistrat den 31ten December 1862 Vormittags, worauf wir nun diese Sache für erledigt hielten, als wir plötzlich an demselben Tage Nachmittags noch ein zweites Schreiben vom Magistrat erhielten, in welchem er uns die Stellen kündigte.

Da dieser Gegenstand nunmehr auch zur Besprechung im Delitzscher Kreisblatt No.7 und 8 kam, erklärte der Magistrat, daß er den Vorschlag der Armen-Deputation in Betreff der Gehalts-Bestimmungen beygetreten sey, ebenso auch den Beschluß der Stadtverordneten-Versammlung, welche die von uns erwünschte Erhöhung bewilligte, genehmigt habe, mit diesen Gehalts-Verhältnißen die an mich und an Herrn pp. Rathmann erlassene Kündigung nicht in Verbindung zu bringen sey. Später wurde nun vom Magistrat beschloßen, daß am städtischen Krankenhause in allen Fällen ein besonderer Arzt, der auch zur chirurgischen Praxis befähigt ist, angestellt werden sollte; was für ein Grund den Magistrat zu diesem Beschluß bewogen haben mag, wißen wir nicht, aber das wißen wir und ist allgemein bekannt, daß unsere Stadt an dem nunmehr seit 3 ½ jahren verewigten Rathmann einen vortrefflichen praktischen Wundarzt und Geburtshelfer beseßen hat, welcher in diesen beyden Branchen der Heilkunst in einem langen Zeitraum

Von 40 Jahren hier im Orte und deßen weitem Umkreise höchst segensreich gewirkt hat. Diesem achtungswerthen Manne wurde die Stadtwundarzt-Stelle gar nicht wieder angeboten; er sahe sie bey seinem hohen Wohlstande ohnehin nur als ein Ehrenamt an, deßen er nicht bedurfte, war aber deßen ungeachtet ebenso wie ich bereit unter der oben erwähnten Bedingung der angemeßenen Gehalts-Erhöhung das Amt beyzubehalten. Mir wurde zwar die Stadt-Armen-Arzt-Stelle wieder den 20ten Maerz angeboten, aber mit der Bemerkung, daß die Vereinigung derselben mit der Stelle des Arztes am Krankenhause vor der Hand unterbleiben solle, wenn ich bereit wäre, dieselbe gegen ein Fixum von 40 Rtl.jährlich wieder zu übernehmen. Auf solche Bedingungen konnte ich natürlich, zumal da auch das Krankenhaus einem anderen Arzt übergeben wurde, als Mann von Ehre nicht eingehen, da ich mein gegebenes Wort niemals breche, und antwortete dem Magistrat sofort am 21ten Maerz, daß ich das Amt des Stadt-Armen-Arztes, welches ich seit dem 16ten Maerz 1848 verwaltet hatte, niemals wieder aufnehmen, vielmehr treu meiner abgegeben Erkärung daßelbe am 31ten des Monats niederlegen würde. Einen solchen Ausgang dieser Sache hatte ich allerdings um so weniger erwartet, weil ich trotz der in den Jahren 1849, 1853 und 1857 in Folge von Cholera – Masern- und Nerverfieber-Epidemien sehr gestiegenen Krankenzahl doch niemals um eine Gratification oder Zulage gebeten hatte, und weil der Magistrat im Kreisblatte in einer Berichtigung noch am 24ten Januar erklärte, daß die erlaßene Kündigung eine neue Vereinbarung mit mir und Herrn pp.Rathmann nach Maaßgabe der über den künftigen Umfang der Arztstellen zu treffenden Feststellungen nicht ausschließe, und daß es der Wunsch und das Bestreben des Magistrats seyn würde, unsere beyderseitigen Verdienste, welche wir uns zeither um die städtische Armen-Krankenpflege erworben, dabey zu berücksichtigen. Auf meine Antwort an den Magistrat vom 21ten Maerz, in welchem ich ihm die Niederlegung der Stadt-Armen-Arzt-Stelle meldete, erhielt ich von Demselben ein vom Bürgermeister Hagedorn verfaßtes Dankschreiben folgenden Innhalts: „Ew. Wohlgeboren Entschluß, den Sie uns auf unseren Antrag vom 20ten des Monats durch die gefällige Erwiederung vom 21ten des Monats mitgetheilt haben, hat uns um so mehr mit Bedauern erfüllt, als wir einerseits glaubten, Ihnen mit jenem Antrage die Anerkennung ausgedrückt zu haben, welche wir durch Ihre eifrige und gewißenhafte Erfüllung Ihrer Berufspflichten als städtischer Armen-Arzt zu empfinden verpflichtet sind, und als wir anderseits die Ueberzeugung haben durften, daß nach Wegfall derjenigen Krankenbehandlung, welche welche dem Stadt-Armen-Arzte zeither zugleich im Krankenhaus oblag, - aus der Verpflichtung deßelben, - das normirte Gehalts-Fixum für ein angemeßenes zu halten sey. Wenn wir uns nun Ihrem Entschluße fügen müßen, so können wir dies nicht anders, als indem wir mit dem Bedauern deßelben Ihnen zugleich unseern wärmsten Dank für die Dienste aussprechen, welche Sie der städtischen Armen - und Krankenpflege geleistet haben; möge Sie, was Menschen nicht können, Gott dafür lohnen durch Erhaltung des besten der Erdengüter, die Gesundheit!
Delitzsch den 23ten Maerz 1863 Der Magistrat“

Es wurden nunmehr beyde Stellen, sowohl die des Stadt-Armen-Arztes mit der bisherigen Verpflichtung deßelben im städtischen Krankenhause die Kranken zu behandeln, als auch die des Stadtwund-Arztes miteinander vereinigt, und die Verwaltung derselben dem praktischen Arzte und Wundarzte Dr. Laue am 1ten April übergeben. Derselbe ist ein naher Verwandter des Bürgermeister Hagedorn und des Magistrats-Aßeßor Dr.Gerber, erst seit fünf Jahren im hiesigen Orte ansäßig, und mit den vom Magistrat normirten Fixis für beyde Stellen von 40 respective 16 Rtl. befriedigt. Ob aber bey einem solchen Verfahren, wo dergleichen ohnehin gering besoldete communal-ärztliche Stellen gleichsam an den Mindestfordernden vergeben werden, die Ehre, und die Achtung des ärztlichen Standes und die Würde der erhabenen Wissenschaft leiden oder nicht, diese Frage mag jeder Unbefangene sich selbst beantworten.Bey dieser Gelegenheit habe ich zugleich hinlänglich erfahren, was es für eine Bewandniß hat mit den Dankes-Versicherungen des Bürgermeister Hagedorn und den Beweisen der Fortdauer seiner freundschaftlichen Gesinnung gegen mich, welche derselbe in seinem oben (vid.pag.330) erwähnten Briefe ausspricht. Auf schöne Worte habe ich niemals Werth gelegt, sondern blos auf die That; wer in diesem Falle die Sachlage nicht genau kennt, könnte vielleicht mich und den seligen Rathmann falsch beurtheilen; aber unsere beyderseitige vierzigjährige Amts-wirksamkeit, so wie auch die öffentliche Meinung, die wir niemals scheueten, hat uns völlig gerechtfertigt. Noch muß ich bemerken, daß die neue Krankenhaus-Ordnung, welche vom Dr. Gerber nach dem Muster der Magdeburger angefertigt war, von der Stadtverordneten-Versammlung in ihrer Sitzung am 27ten Maerz mit Recht einstimmig abgelehnt worden ist, weil dießelbe für die Bedürfniße der Stadt Delitzsch jedenfalls zu großartig und zu kostspielig wär, indem zur Einrichtung mindestens 12 Zimmer und 26 Betten nöthig wären.

Aus den sämmtlichen Magistrats-Vorlagen sey gar nicht zu ersehen, warum derselbe die Umgestaltung wünsche, und überhaupt gar nicht begründet, daß eine so umfaßende Organisation nothwendig ist, zumal da jetzt so viele Krankenkaßen hier bestehen, und überdies die hiesige Bevölkerung, aus fast nur ansäßigen oder hierher gehörigen Personen bestände, welche im Falle einer Krankheit doch gern bey der Ihrigen bleiben würden. Es wurde daher der jetzige Zustand, welcher sich seit Michäelis 1849 (vid.pag.147) als gut und ausreichend bewährt hatte, in seinem bisherigen Umfange auch im neuen, seit Ostern 1862 bezogenen Krankenhause, beybehalten, wobey noch immer vier Zimmer für unvorhergesehene Fälle disponibel blieben. Endlich muß ich noch erwähnen, daß alle meine Amtsvorgänger seit 1676 auf Lebenszeit angestellt waren, welches Anerbieten mir der selige Bürgermeister Securius auch machte; ich lehnte es aber aus dem einfachen Grunde ab, um mich nicht abhängig zu machen, daher es auch in meiner Bestallung heißt: „Ihrem Wunsche gemäß bleibt beyden Theilen ein vierteljährige Kündigung vorbehalten, ohne daß dafür ein besonderer Grund angeführt zu werden braucht. Wir beyde, der selige Rathmann und ich schieden aus unsern Aemtern mit dem erhebenden Bewußtsein treu erfüllter Berufspflichten.

Dem Armenkassen-Rendanten Thaerigen jun., welcher dieses Amt erst seit sechs Jahren verwaltet; ist sein Gehalt von 50 Rtl auf 60 Rtl erhöhet, und demselben noch außerdem eine persönliche jährliche Zulage von 20 Rtl. vom 1ten Januar an gewährt worden. Der Magistrat erhielt im Monat Maerz von der Königl. regierung zu Merseburg die Benachrichtigung, daß sie ihre Hauptkaße angewiesen habe für die Polizey-Verwaltung der früheren Amts-Vorstadt Grünstraße jährlich 120 Rtl. an die Stadt Delitzsch zu zahlen.

Seine Majistät der König haben die Kreisrichter Patzschke und Richter zu Kreisgerichts Räthen ernannt und den Rechtsanwalt und Notar Haßert den Charakter des Justiz-Rath verliehen. Am 1ten post Trini. (7.Juni) wurden die beiden Geistlichen, Archidiaconus Gödicke und Diaconus Hoffmann, zu Ende des Frühgottes-Dienstes vom Superintendenten Weinrich in ihre Aemter eingeführt. Der Erstere hielt Vormittags, und der Zweite hielt Nachmittags seine Antritts-Predigt.

Nachdem das Kohlenwerk verkauft war, legte nunmehr der Magistrat den Stadtverordneten einen neuen Tilgungsplan der Communalschulden vor, wonach dießelben (40,000 Rtl) in ca 30 jahren durch 4% Zinszahlung und 2% Amortisationquantum mit Hinzurechnung der Zinseszinsen getilgt werden. Dieser Tilgungsplan wurde von der Stadtverordneten-Versammlung genehmigt und von der Königl. Regierung bestätigt. Das Kapital der 40,000 Rtl wurde aus der Sparkasse geliehen. Die Hospital-Inspection kaufte im Januar vom Maurermeister Friedrich Meiedie demselben gehörige Wiese im Schloßgraben, an dem Hospitalgarten angrenzend, für 1,000 Rtl. Der Kauf wurde am 26ten Februar vor dem Notar Stephan abgeschloßen und das Kaufgeld an demselben Tage gezahlt.
Mittwoch den 3ten Juni Abend gegen ½ 6 Uhr reiste Seine Königl. Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen auf einer Militair-Inspections-Reise von Halle per Extra-Post hier durch, ließ auf dem Markte, wo frische Pferde vorgelegt wurden, anhalten und reiste nach Torgau weiter.

Die Leipziger Thor-Brücke wurde mit einem Aufwand von 91 Rtl. 11 Sgr. 4 Pf. neu umgebaut. Die Pflaumen-Plantagen im Rosenthal wurden an den Oebster Schneider für 35 Rtl. verpachtet. Die Stadtverordneten erkärten sich dem Magistrat dafür einverstanden, daß von Neujahr 1864 ab die Zahl der Gemeinde-Vertreter auf 18 und die der unbesoldeten Magistrats-Assessoren auf 3 erhöht würde.

Der Pacht mit dem bisherigen Stättegeld- und Pflastergeleits-Pächter Kreisel wurde auf ferner 3 Jahre ( vom Jahr 1864 ab) prolongirt. Derselbe zahlt an Pächten: für das Pflastergeleits 255 Rtl., für die Wochenmärkte 180 Rtl., für die Jahrmärkte 56 Rtl. und für die Viehmärkte 19 Rtl., alle zusammen 510 Rtl.

Am 7ten October starb der practische Arzt Dr. med.Gerber, 67 Jahr alt. Derselbe war bereits seit Ostern 1826 bis Neujahr 1832 und dann wieder vom jahr 1851 ab bis zu seinem Todte unbesoldeter Magistrats-Assessor. Derselbe hat sich um die Verschönerung der Anlagen um die Stadt sehr verdient gemacht und vermachte der Stadt durch Testament 1,000 Rtl mit der Bestimmung, daß die Zinsen davon zur Erhaltung der Simon-Kühne-Gerberschen Gräber und dann zur Verschönerung der Anlagen um die Stadt und des Gottesackers verwendet werden sollen.

Mit dem 1ten November wurde, um die hiesige höhere Knabenschule in eine Realschule umzugestalten, im Anschluß an die bereits bestehenden 4 Realklassen die Real-Secunda errichtet. Das Schulgeld für diese Klasse wurde auf 18 Rtl. jährlich festgesetzt.

Die bis zum Jahre 1836 bestandene Einrichtung, am Sonntags-Laetare nach der Vormittags-Predigt der Wohltäter, welche sich durch Stiftungen für Kirchen, Schulen, Arme pp. sehr verdient gemacht haben, zu gedenken, wurde auf Antrag der Stadtverordneten wieder dadurch eingeführt, daß alljährlich am Todten-Feste, sowohl in der Stadtkirche als auch in der Gottesackerkirche die Namen der Stifter und ihre Legate in dankbarer Erinnerung von der Kanzel herab der Gemeinde verkündigt werden.

Am 4ten November starb der königliche Kreisgerichts-Rath Johann Friedrich Wilhelm Vörkel im 64ten Jahe am Schlage. Er war ein sehr verdienstvoller, allgemein geachteter, populärer und gegen Jedermann ohne Unterschied des Standes gefälliger und uneigennütziger Beamter, weshalb sein Tod allgemein betrauert wurde.

An die Stelle des verstorbenen Dr. Gerber wurde der Kaufmann und Fabrikant Theodor Duimchen und als 3. Unbesoldeten Magistrats-Assessor der Apotheker Karl Freyberg gewählt und Beide von der Königl. Regierung bestätigt.

Das alte ganz baufällig gewordene Marstall-Gebäude auf dem Rathshofe wurde zum Abbruch an den Meistbietenden – Tischlermeister Becker für 150 Rtl. verkauft. Letzterer begann mit dem Abbruch am am 2ten März. Der Neubau des neuen Spritzen-Schuppens mit Nachtwächterstube und Wohnungsräumen darüber wurde im August angefangen. Den Bau hatte der Maurermeister Voigt für die Licitation-Summe von 3,000 Rtl übernommen.

Die Kellerräume unter dem Rathhause, welche bisher für wenige Thaler an den Braumeister Fritzsche verpachtet gewesen waren, wurden zu einer Rathskeller-Wirtschaft eingerichtet und der Bau von dem Maurermeister Voigt für 754 Rtl.übernommen (der Anschlag war 840 Rtl.). Der Pächter des neuen Rathskellers war W.Huth aus Klepzig im Kötheschen.

Neue Wohnhäuser wurden in diesem Jahre gebaut von Zschorn (in der Quergasse), Schuhmachermeister Stephan (Kartoffelmehl-Fabrikant), sowie Költzsch und Remus in der Höhe des Bahnhofs, Kreisphysicus Dr. Kanzler (am Leipziger Thore), Kaufmann Dittmar (Zieglerwohnung am Schenkenberger Wege), Kupferschmiedemeister Kießel (in der Linden-straße), Rechtsanwalt Stephan (Leipziger Vorstadt), und Tischlermeister Kurtze (in der mauergasse – ein neues Seitengebäude)

Die Getreidepreise waren:

Am 15.März
der Berliner Scheffel       Weizen   2 Rtl. 15 Sgr.           bis 2 Rtl. 17 Sgr. 6 Pf.
                                   Roggen   1 Rtl. 27 Sgr. 6 Pf.        1 Rtl. 28 Sgr. 9 Pf.
                                   Gerste    1 Rtl  12 Sgr. 6 Pf         1 Rtl. 15 Sgr.
                                   Hafer              27 Sgr. 6 Pf.        1Rtl.
Am 29.August
der Berliner Scheffel       Weizen    2 Rtl. 15 Sgr.         bis 2 Rtl. 18 Sgr. 9Pf.
                                   Roggen    1 Rtl. 25 Sgr.              1 Rtl. 27 Sgr. 6Pf.
                                   Gerste     1 Rtl. 8 Sgr. 9 Pf.        1 Rtl. 11 Sgr. 3Pf.
                                   Hafer                  25 Sgr.                   27 Sgr. 6Pf.
Die Erndte war sehr gut ausgefallen, sowohl das Winter-, als das Sommergetreide.

Im Jahr 1863 waren 328 Geboren (incl.7 Todtgeborene und 46 Uneheliche) und Verstorbene 207.

Der Gesundheitszustand war im ganzen Jahre befriedigend; es herrschte keine epidemische Krankheit. Aus dem Kreis-Armen-Fond erhielt die Stadt für dieses Jahr 650 Rtl. Zuschuß. Außerdem erhielt die Armenkaße von verschiedenen Gesellschaften und Privatpersonen an Geschenken 48 Rtl. 17 Sgr. 7 Pf.

An Stelle des an der höheren Bürgerschule als Hülfslehrer angestellten Predigtamts-Candidat Thiele trat der Schul-Amts-Candidat Band aus Lützen.


1864

Am 1.März ist auf hiesigem Postamte ein Königl.Telegraphen-Station mit beschränktem Tagesdienste eingerichtet worden. Aus dem diejährigen Holzschlage in der Spröde wurden 815 Rtl. 4 Sgr. gelöst. Am 14ten April Nachmittags 5 ½ Uhr brach in dem Hause des Hutmachers Hötzel auf dem Steinwege Feuer aus, welches aber durch schnell herbeigeeilte Hülfe auf den Entstehungsort beschränkt und gedämpft wurde.

Die Schuhmacher-Innung schaffte einen Leichenwagen an; derselbe kostete 350 Rtl. mit Allem. Sie stellt denselben zur Verfügung des Publikums bei Beerdigungen. Die vom Magistrat genehmigten Taxpreise für Benutzung des Wagens incl. Bespannung, Begleitung und übrigen Nebenkosten betragen:
I. Begräbniß-Klasse              5 Rtl. 10 Sgr.
II. Begräbniß-Klasse             4 Rtl. 15 Sgr.
III. Begräbniß-Klasse            3 Rtl.   7 Sgr. 6 Pf.
Kinderleichen                       2 Rtl. 27 Sgr. 6 Pf.

Am 4.Juni in den Nachmittagsstunden wurde der östliche Theil des Kreises von schweren Gewittern heimgesucht, in deren Verlauf der Blitz an einigen Orten eingeschlagen hat. An die Stelle des nach Jüterbog abgegangenen Lehrers Romanus trat der Schulamts-Candidat Ernst Moritz Schubert gebürtig aus Dobrilugk, und erhielt die Elementar-Klasse an der Vorstadtschule.

Die Stadtverordneten ertheilten den Geboten auf das Kirschobst Zuschlag: dem Obster Fischer auf die Alleen um die Stadt für 90 Rtl., dem Obster Vater auf die Alleen an der Leipziger Straße für 300 Rtl, dem Obster Hund auf die Alleen an der Dübener- und Eilenburger Straße für 71 Rtl., dem Obster Schneider auf die Anpflanzungen am Schießplatze für 3 ½ Rtl. und dem Obster Tauer auf die Alleen am Zschernitzer und Gertitzer Wege für 50 Rtl.

Am 2. und 3. Juni weilte in unserer Stadt auf seiner Durchreise nach Berlin ein alter muhamedanischer Derwisch, der durch sein auffälliges Äußere die allgemeine Aufmerksamkeit an sich zog. Er hieß Hadji Said Mahmoud, ist 70 Jahr alt und kommt aus Jerusalem. Er kam über Wien, Prag und Dresden aus Ungarn, wohin er eine Wallfahrt gemacht hatte, um das Grab eines berühmten türkischen Heiligen in Ofen zu besuchen. Von der ottomanischen Gesandtschaft in Wien ist er mit einem Passe zur Reise durch Europa versehen worden. Er ist trotz seiner hohen Jahre noch eine imponirende, interessante Erscheinung mit schöner gerader Haltung, feurigen Augen und schönem, noch wenig mit Grau gemischtem Barte. Um den Turban trägt er einen grünen Shawl ???? gewunden, wie er nur den Mekkapilgern zu tragen gestattet ist, um den Leib einen Teppich, den er beim Gebet auf die Erde breitet, und im Gürtel Waffen nebst verschiedenen eigenthümlichen Instrumenten, unter denen ein beim Beten zum Auflegen des Kopfes dienendes, ungefähr einen Fuß hohes Gestell besonders auffällig ist.S. das Bild. Der hiesige Photograph Tischlermeister Eduard Kurtze hat den Pilger in seinem Atelier photographirt.

Dem Second Lieutenant Meie von hier (Sohn des Maurermeisters Meie, vom 3ten Bataillon Potsdam) 3ten Brandenburgischen Landwehr-Regiments Nr.20, welcher bei der Erstürmung der Düppeler Schanzen am 18ten April des Jahres (Vormittags 10Uhr) und bei der Einnahme von Alsen am 29ten Juni (früh 4Uhr 20 Min.) mitgekämpft hat, - und kommandirt zur Dienstleistung beim 7ten Brandenburgschen Infantrie-Regiment ??? 60, - ist der Rothe Adlerorden 4ter Klasse mit Schwertern, verliehen worden. Dem Oebster Vater wurde der Zuschlag auf das Gebot für das Pflaumenobst im Rosenthale von 22 Rtl. 20 Sgr. ertheilt. Zur Bepflanzung der Communicationswege bewilligte die Stadtverordneten- Versammlung 375 Rtl.

An die Stelle des im März abgegangenen Pastor Schulze an der hiesigen Königl. Strafanstalt kam der Pastor Göldner hierher, bisher Hülfsprediger an der Königl. Strafanstalt in Halle. Im Jahre 1739 erlaubte die Kirchen-Inspection für 150 Rtl. dem Syndikus Dr. Lendrich den Anbau einer Betstube an der Mittagsseite der Stadtkirche zwischen der Leichhalle und dem südlichen Kreuzstück, und ein so hohes Ziegeldach, daß wieder ein Kirchenfenster zur Hälfte bedeckt, und die ohnehin düstere Seite der Kirche noch dunkler ward. Als in der Mitte der neunziger Jahre die Familie des Dr. Lendrich ausstarb, gieng die benutzung dieser Kapelle in Folge eines Vertrags mit der Kirchen-Inspection durch Kauf an mehrere Gleider der Familien Kuehne und Schmidt über. Nachdem nun das letzte zur Benutzung der Kapelle berechtigte Mitglied, die 87 Jahre alte Wittwe des 1846 verstorbenen Kaufmann und Senators F.S.Schmidt, Johanne Christiane am 15ten Junius gestorben war, wurde diese Kapelle nicht wieder verkauft, sondern sehr bald nachher gänzlich abgebrochen, und dadurch zugleich das zur Hälfte verbaute Kirchenfenster völlig frei hergestellt, wodurch wir auch durch Beibehaltung des in der Kirchmauer befindlichen, nunmehr mit eisernen Stäben gehörig verwahrten Bogenfensters, die Kirche an Licht sehr gewonnen hat.

Wer hätte wohl je geglaubt und erwartet, daß unsere schöne, freundliche, bisher so wenig benutzte Hospital-Kirche, deren Mauerwerk mit ihrem einzigen, massiv steinernen Chore ein wahres Meisterstück der gothischen Baukunst ist, endlich noch eine Orgel erhalten würde? Diese schönste Zierde fehlte ihr gleich von Anfang seit ihrer Erbauung im Jahre 1516 bis jetzt, und würde ihr auch wohl noch ferner fehlen, wenn nicht eine besondere Ursache dazu die Veranlaßung dazu gewesen wäre. Von jeher wurde nämlich blos im Laufe des Sommers vom Diaconus, welcher zugleich Hospital-Prediger ist, etwa 15 – 16 Mal Dienstags früh von 8 – 9 Uhr ein Gottesdienst mit Predigt für die Hospitalites abgehalten, welcher von anderen Gemeindegliedern fast gar nicht besucht wurde. In neuerer Zeit aber wünschte man die an vielen Orten so beliebt gewordenen Abend-Gottesdienste auch bey uns einzuführen, wozu aber vor allen Dingen der Bau einer neuen Orgel nothwendig war. Da nun auch vom Magistrat und den Stadtverordneten die Bebauung einer Gasbeleuchtungs-Anstalt auf Kosten der Commun beschloßen worden war, und deren Ausführung im nächsten Jahre bestimmt erfolgten sollte, da ferner die Hospital-Kaße bey dem sehr günstigen Stande ihrer Finanzen die Kosten sowohl des Orgelbaues als auch der Einrichtung der Gasbeleuchtung in der Kirche und den übrigen Räumen sehr gut bestreiten konnte; so wurde gleich zu Anfang dieses Jahres der hiesige Orgelbaumeister Herr Eduard Offenhauer von der Hospital-Inspection veranlaßt einen Anschlag und eine Disposition zu einer für die Hospital-Kirche zu erbauenden Orgel zu machen. Nachdem Herr Offenhauer beydes so wie auch eine Zeichnung des Propects der Orgel gefertigt hatte, übersendete er das ganze Schriftstück der Hospital-Inspection, welche daßelbe der Königlichen Regierung zur Genehmigung zuschickte. Der Königl.Orgel-Revisor, Herr Musik-Director und Dom-Organist Engel in Merseburg erklärte sich nach vorgenommener Prüfung völlig damit einverstanden, und Zwar in Hinsicht des Contracts als auch der Auswahl der Register und des Preises. Herr Offenhauer arbeitete nun sehr fleißig mit einem brauchbaren Gehülfen an der Vollendung des Werkes. Bevor es aufgestellt werden konnte, mußte erst der Fußboden des steinernenOrgelchors, weil derselbe mit Gips-Estrich belegt war, gedielt werden. In den ersten Tagen des Junius fieng Herr Offenhauer an die Orgel aufzustellen und am Ende des Julius war das Werk vollendet. Das hat folgende neun Stimmen: a) ein Manual: 1.)Pricipal 8 Fuß, die tiefe Octave gedeckt von Holz, die übrigen von englischem Zinn, 2.)Rohrfloete 8 Fuß, die beyden tiefen Octaven von Holz, die übrigen von Probezinn, 3.)Doppelfloete 8 Fuß von Holz 4.) Flauto ????amabile 4 Fuß von Holz, 5.) Octave 4 Fuß von Probezinn, 6.) Superoctave 2 Fuß von desgleichen, 7.) Cornett dreifach von desgleichen, b) im Pedal: 8.)Violonbass 8 Fuß von Holz, 9.) Subbass 16 Fuß von Holz; außerdem c) als Nebenzüge die Pedalcoppel und den Calcanteurus. Zwey Cylinder-Bälge liefern ausreichend Wind. Die Zahl der Pfeifen beträgt 468, worunter 270 von Zinn und 198 von Holz sind. Der Magistrat wollte anfangs auf den Wunsch des Herrn pp.Offenhauer diesen Orgelbau in einem etwas größerem Umfange mit einer Verstärkung von drei Manual-Registern ausführen laßen, und ließ zu diesem Zweck eine Collecte in der Stadt circuliren, deren Ertrag aber nur 46 rtl. einbrachte, so daß man von einer Vergrößerung des Werkes absehen mußte. Der Preis der nun nach der oben angegebenen Disposition gebauten Orgel beträgt 480 Rtl., welche die Hospital-Kaße mit Zunahme der eben erwähnten 46 Rtl. bezahlt hat. Am 27ten Julius wurde nun die neue Orgel von unserm dazu berufenen Organist Herrn Grellmann geprüft und übernommen; derselbe hat sich über den Befund in jeder Weise befriedigend und anerkennend in seinem an die Hospital-Inspection erstatteten Gutachten ausgesprochen, insbesondere aber hervorgehoben, daß der Meister in dieser Orgel ein Werk aufgestellt habe, wie es für seinen so mäßigen Preis von solcher Schönheit, Güte und Tüchtigkeit kaum zu erwarten war. Freitags, den 20ten Julius, fand Abends von 5 – 6 Uhr die Einweihung der Orgel statt; es wurde zuerst von der Cantorei eine Motette aufgeführt, worauf die Weihrede des Herrn Superintendenten Weinrich folgte, und alsdann Herr Grellmann mit vollem Werke zum nachfolgendem Choral „Sey Lob und Ehr dem höchstem Gut“ präludirte, von welchem Liede die drei ersten und die zwey letzten Verse gesungen wurden. Hierauf wurde der Segen gesprochen und zum Schluß „Nun danket alle Gott“ gesungen. Es ist übrigens sehr zu bedauern, daß man diesen wichtigen Act der Orgelweihe, eines so seltenen Festes, so kurz abfertigte, und ihn an einem Wochentage, wo die meisten Menschen zumal in der Erndte keine Zeit haben, vollzog. Man hatte mit Recht erwartet, daß man diese Feierlichkeit an einem Sonntage, wo dann der Nachmittags-Gottesdienst in der Stadtkirche dafür wegfallen konnte, Nachmittags um 1 oder 2 Uhr, und nicht blos mit einer Rede sondern auch mit einer Predigt, abhalten würde. Man muß sich in That sehr wundern, daß von der Geistlichkeit nicht einmal im Kreisblatte unter den kirchlichen Nachrichten eine dieser Orgel-Einweihung betreffende Bekanntmachung, wie es ja oft bey andern, selbst minder wichtigen, kirchlichen Angelegenheiten geschieht, erlaßen worden war, weßhalb denn auch die meisten Einwohner nichts davon wußten, und daher an diesem Abend noch nicht 200 Menschen in der Hospital-Kirche waren. Um wie viel feierlicher war dagegen die Einweihung der neu erbauten Orgel in der Gottesackerkirche am 8ten p.Trinit. den 1ten August 1852 (vid.pag.171). Nachträglich ist noch zu bemerken, daß die Nebenkosten bey dem Orgelbau für Zimmerarbeiten pp. 65Rtl. 24 Sgr. betragen, also für den ganzen Bau 545 Rtl 24 Sgr.

Am 22. und 23 September fand in unserer Stadt die Jahres-Versammlung des Provinzial-Vereins zur Gustav-Adolph-Stiftung statt. Dieselbe war von einigen 50 Abgeordneten und Vertretern der Zweigvereine unserer Provinz besucht, die in bereitwilligster Weise von hiesigen Mitgliedern und Freunden des Gustav-Adolph-Vereins als Gäste aufgenommen wurden. – Nachdem am 22ten um 4 Uhr Nachmittags eine Sitzung des Vorstandes des Hauptvereins im Gasthofe zum Schwan stattgehabt hatte, riefen um 6 Uhr die Glocken zum Abendgottesdienste in die mit Kränzen und Guirlanden festlich geschmückte Stadt-Kirche. Dieselbe war bald mit Andächtigen gefüllt und nach dem Gesange des Liedes: „O Jesu, Jesu, Gottes Sohn“, welches besonders gedruckt und an den Kirchthüren vertheilt worden war, hielt Herr Pastor Barthold aus Kösen eine herrliche, den Zweck und das Wesen und Gedeihen des Gustav-Adoph-Vereins behandelnde Predigt Nach Beendigung des Gottesdienstes fand noch eine Versammlung der Deputirten im Saale des Schwans statt. Am nächsten Tage um 8 ½ Uhr früh versammelten sich die Mitglieder des Vereins im Rathhause und begaben sich von hier aus in feyerlichen Aufzuge, unter dem Läuten der Glocken, Uneheliche), und 204 Personen gestorben.

Die Getreidepreis waren :
am 19ten März:
Weizen   der Berliner Scheffel       2 Rtl.                     bis 2 Rtl. 6 Sgr. 6 Pf.
Roggen   der Berliner Scheffel       1 Rtl. 11 Sgr. 3 Pf.        1 Rtl 15 Sgr.
Gerste    der Berliner Scheffel       1 Rtl. 6 Sgr. 3 Pf.          1 Rtl  7 Sgr. 6 Pf.
Hafer      der Berliner Scheffel              27 Sgr. 6 Pf.         1 Rtl.

am 8 ten October:
Weizen  der Berliner Scheffel       2 Rtl. 3 Sgr. 9 Pf.     bis 2 Rtl. 5 Sgr.
Roggen  der Berliner Scheffel       1 Rtl. 15 Sgr.                1 Rtl. 17 Sgr. 6 Pf.
Gerste   der Berliner Scheffel       1 Rtl. 3 Sgr. 9 Pf.           1 Rtl.   5 Sgr.
Hafer     der Berliner Scheffel               27 Sgr. 6 Pf.         1 RTl.

Die Kartoffeln kosteten der Sack 1 Rtl. 5 Sgr. bis 1 Rtl. 15 Sgr.

Aus dem Kreis-Armenfond erhielt die Stadt für diese Jahr 550 Rtl. Zuschuß, und die Armenkaße von Gesellschaften und Privatpersonen an Geschenken 37 Rtl 23 Sgr. – einzuschalten.

Am 16ten April 1865, den 1.Osterfeiertage, früh halb 10 Uhr, entleibte sich im Hause des Gastwirt Oehlert der Heilgehülfe und Barbier Matthes durch einen Schnitt in die Arterien und Venen der linken Seite des Halses, und starb schnell in Folge der Verblutung.


1865

Am 3ten Januar feierte unser allgemein verehrter Organist und Lehrer der 3ten Mädchenklaße erster Bürgerschule Herr Carl Gottfried Grellmann sein fünfzigjähriges Amtsjubiläum. Derselbe ist geboren den 22 ten Mai 1795 zu Neumannsdorf bey Döbeln; seine Bildung erhielt er auf dem Friedrichsstädter Schullehrer-Seminar zu Dresden unter Dinters trefflicher Leitung, wo er von Ostern 1811 bis Johannis 1814 verweilte. Noch in demselben Jahre wurde er zum Lehrer nach Dürrenberg designirt, welches Amt er am 3ten Januar 1815, dem Tage seiner feierlichen Einsetzung, antrat. Nach dem im Mai 1828 erfolgtem Abgang seines Amtsvorgängers und Landsmanns Johann Gottlieb Zieger, gebürtig aus Mochau bey Döbeln, als Organist an die Nikolaikirche nach Hamburg, wurde unser Jubilar zu deßen Nachfolger als Organist und vierter Knabenlehrer vom damaligen Magistrat hierher berufen und am 1 ten September 1828 vom Superintendent M.Starcke feierlich eingewiesen. In diesen beyden Aemtern hat nun unser würdiger Jubilar fast 37 Jahre hier in Delitzsch höchst segensreich gewirkt, und auch durch Privat-Unterricht, besonders musikalischen, sich sehr verdient gemacht. Wohl äußerst selten hat ein Lehrer die allgemeine Hochachtung der Aelteren und die Liebe der Kinder mit Recht in so hohem Grade beseßen, wie Herr Grellmann. Es konnte daher nicht fehlen, daß dieses Jubelfest die allgemeinste Theilnahme fand, und wirklich glänzend begangen wurde. Ueber die Feier deßelben verweise ich auf die angefügte Beylage. In No. 2 des Delitzscher Kreisblattes sprach hierauf der Jubilar in folgenden einfachen und herzlichen Worten seinen Dank aus: „Den hochverehrten geistlichen und weltlichen Behörden dieser Stadt, meinen theuren Herren Collegen, der Bürgerschaft und namentlich meinen vormaligen lieben Schülern und Schülerinnen, welche durch so vielfache Zeichen der Liebe und Verehrung den Tag meiner fünfzigjährigen Amtsjubelfeier mir auf eine so erquickende Weise verherrlicht haben, spreche ich hierdurch öffentlich nochmals meinen aufrichtigsten und herzlichsten Dank aus, mit dem innigsten Wunsche, daß der Höchste diese theure Stadt, welche die Bildner ihrer Jugend durch so große Beweise der Anerkennung in ihrem schweren Werk stärkte, in allen Beziehungen segnen möge.
Delitzsch den 4ten Januar 1865.        
Grellmann.“

Möge Gott ihn, den gewissenhaften und treuen Arbeiter in seinem Weinberge noch lange, wie bisher, bey rüstiger geistiger und körperlicher Kraft erhalten, und in seinem segensreichen Berufe unter uns wirken laßen; das erhebende Bewußtseyn strengster Pflichterfüllung erheitere und beglücke sein Alter!

Am 31ten Januar früh um 2 Uhr starb nach langen Leiden der hiesige praktische Wundarzt und Geburtshelfer Friedrich August Rathmann. Dieser Mann verdient hier eine anerkennende Erwähnung, weil er in den beyden genannten Zweigen der Heilkunst in einem langen Zeitraum von fast 40 Jahren mit treuer Pflichterfüllung recht viel Gutes zum Wohle der Leidenden Menschheit gewirkt hat. Derselbe war hier geboren den 20ten Januar 1803; nach dem er zu Ostern 1817 die Stadtschule verlaßen hatte, und kein Gymnasium besuchen konnte, so kam er drei Jahre nach Leipzig zum Wundarzt Hayer, und genoß dann noch ein Jahr, besonders um sich die nöthigsten Kenntniße in der lateinischen Sprache zu erwerben, den Privatunterricht des damaligen Archidiaconus M.Morgenstern, eines wegen seiner Kenntniße und trefflichen Lehrgabe sehr geschätzten Pädagogen. Nach Ostern 1821 gieng er auf die Universität nach Halle um die Chirurgie zu studieren, besuchte deßhalb besonders Weinholds Vorlesungen und deßen chirurgische Klinik; hier wurde ihm das Glück zu Theil, da Weinhold seine geistige Befähigung und schnelle Auffassungsgabe richtig erkannte, im folgenden Jahre Aßistent in deßen Klinik zu werden. In dieser Stellung, welche er bis zu seinem Abgange versah, hatte er vielfach Gelegenheit unter Weinholds gründlicher Leitung sich praktisch zu einem tüchtigen Chirurgen auszubilden, was ihm für sein ganzen späteres Leben und Wirken großen Vortheil gebracht hat; denn er war kein Wundarzt vom gewöhnlichen Schlage, sondern zeichnete sich durch wißenschaftliche Bildung im Fache, besonnenen Fortschritt und vorzügliche Technik, besonders bey der Behandlung von Cupationen , Fracturen, eingeklemmten Brüchen u.s.w. aus. Nachdem im September 1824 erfolgtem Tode seines Vaters gieng er zu Michäelis von Halle ab, um die Verwaltung des väterlichen Grundstücks mit starkem Ackerbau und der Abdeckerei-Gerechtsame zu übernehmen. Im Junius 1825 machte derselbe sein Examen als Wundarzt bey dem Provincial-Medicinal-Collegio in Magdeburg, und erhielt die Censur „sehr gut“, und im Mai 1828 bey derselben Behörde das Examen als Geburtshelfer, in welchem er die Censur „sehr gut“ bekam. Um sich zu diesem letztern Examen gründlich vorzubereiten, gieng er vorher zwey Monate lang nach Halle, hörte täglich bey Niemeyer ein collegium privattismum über Geburtshülfe und besuchte auch deßen geburtshülfliche Klinik. Auch in diesem Fach hat er mit vielem Glück und großer Kunstfertigkeit prakticirt, so daß er mit Recht das größte Vertrauen genoß, und ebenso, wie früher der selige Dr. Stoehrer und der verstorbene Wundarzt Timmermann, lange Zeit der gesuchteste Geburtshelfer bey uns war. Auch als Schriftsteller hat er sich einmal versucht durch Mittheilungen eines rein praktischen Aufsatzes über einen seltenen von ihm mit Glück behandelten

Fall „Entbindung von Zwillingen bey einem Prolaphus vaginae et uteri completus,“ abgedruckt in der Berliner medicinischen Vereinszeitung, Jahrgang 1841, pag.159. Im Jahre 1859 fieng die Gesundheit dieses sonst so rüstigen, mit einer wahrhaft athletische Körperkonstitution beglückten Mannes an sehr zu leiden; er verfiel sichtlich, verlor auffallend an Fleisch und Kräften und litt an Brustbeklemmung, welche sich öfters während des Gehens bis zu einem höchst schmerzhaften Asthma steigerte, so daß er Minuten lang nicht von der Stelle konnte; die Ursache dieser Leiden war eine Uebernährung des Herzens mit Klappenfehlern; in Folge der angewendeten Arzneimittel trat manchmal eine periodische <erleichterung ein, welche aber niemals lange bestand, und so trat denn endlich nach langem Siechthum, während deßen er aber immer noch seinen Beruf möglichst betrieb, im Frühjahr 1864 das begleitende Symptom der meisten Herzkrankheiten, die Waßersucht ein, erst durch Anschwellung der Füße und dann durch Bauch-und Brustwaßersucht so wie allgemeine Verbreitung über den ganzen Körper, und führte seinen Tod am 31ten Januar herbey. Erwähnen muß ich noch, daß der Verstorbene unserer Gottesackerkirche am 1 ten October 1849 ein freilich nur kleines Kapital von 25Rtl. als Legat geschenkt hat, über deßen Verwendung die vom Schenkgeber getroffenen Bestimmungen in dieser Chronik pag.150 zu lesen sind. Damals wollte der Geber unbekannt bleiben.

Der im vorigen Jahre in Anregung gebrachte Verschönerungs-Verein trat in diesem Jahre in Wirksamkeit. Die Mitgliederzahl bestand aus 116 ordentlichen und 24 außerordentlichen Mitgliedern, welche einen jährlichen Beitrag von circa 180 Rtl. ausbrachten. Zum Vorsitzenden wurde erwählt der Kreisgerichts-Director Lampugnani, zum Schriftführer der Bürgermeister Hagedorn und zum Cassirer der Stadtverordneten-Vorsteher Sattler. Es waren Statuten entworfen worden und jeden ersten Mittwoch im Monat wurde vom Vorstand eine Sitzung im Sessionszimmer des Magistrats abgehalten.

Der hiesige Bahnhof hätte Mittwoch Abend den 8ten Februar leicht der Schauplatz eines größeren Unglücks werden können. Ein von Berlin nach Frankfurt gehender Extrazug mit ungeprägtem Silber entgleiste in der Nähe der Dübener Straße. Die Veranlassung dazu war ein Bruch eines Rades vom dritten Wagen des Zuges gewesen. Einzelne Strecken des Schienenstranges sind wie dünner Draht gebogen worden. Unglück ist dabei dem Personale der Eisenbahn und dem den Zug begleitenden Banquire???? Nicht begegnet, und sind diese Personen mit dem blosen Schreck davon gekommen. Die Schienenstränge waren bis Donnerstag Abend schon wieder in Ordnung.

Der Erlös des diesjährigen Holzschlages in der Spröde betrug 515 Rtl. 21 Sgr.

Durch Stadtverordneten-Beschluß vom 14ten Februar wurde die Errichtung der Gas-Anstalt definitiv beschlossen, da die erforderliche Flammenzahl gezeichnet war. Die Bauungsgelder sind auf 30,000 Rtl veranschlagt und ist die Ausführung der Anstalt unter Commission aus 2 Magistrats-Mitgliedern, 2 Stadtverordneten und dem Ingenieur bestehend, übertragen. Als Ingenieur wurde der Director der Leipziger Gas-Anstalt, Westernholz, gewählt, welcher jede Woche während des Baues zweimal hierher kam.

Am Sonntage, den 14ten Mai, fand in dem Communforste in der Spröde ein Waldbrand statt, über deßen Entstehung Nichts bekannt geworden ist. Nach ungefährer Schätzung sind 3 Morgen 20jähriges Holz niedergebrannt.

An des nach Teterow in Mecklenburg abgegangen Lehrers Dr. Höhnemanns Stelle trat zu Johannis der Lehrer der Naturwissenschaften Herrmann Wilhelm Günther aus Gladitz; an des nach Löbejün Ende Mai abgegangenen Lehrers Weber Stelle trat der Schulamts-Candidat Friedrich Bernhard Breder aus Niese im Fürstenthum Lippe-Detmold.

Am 2ten August starb der Lehrer an hiesiger Bürgerschule Albert Gelbke, an dessen Stelle der Schulamts-Candidat Gotthold Paul Rocke, aus Delitzsch gebürtig, trat.

Durch die Vereinigung der Grünstraße mit der Stadt, wodurch die Einwohnerzahl bedeutend erhöhte, wurde die Stadt in die II.-Steuerstufe versetzt. Die von den hiesigen Gewerbtreibenden zu zahlende Gewerbsteuer beträgt dadurch jährlich circa 1,000 Rtl. mehr.

Der am 3 Iten December 1864 verstorbene hiesige Bürger und Kaufmann Christian Friedrich Schmidt hat durch letztwillige Verordnungen: 1.) der städtischen Armenkasse ein Legat von 1,000 Rtl ausgesetzt, dessen Zinsen alljährlich am 28ten Mai 2 bis 3 verarmten Familien, sogenannten verschämten Armen ausbezahlt werden sollen; 2.) dem Frauen — und Jungfrauen — Verein als Legat seiner verstorbenen Frau, geb. Spirling, 25 Rtl. überwiesen; 3.) dem Verein zur Bekleidung männlicher Confirmanten ebenfalls ein Legat von 25 Rtl. vermacht. Die Einzahlung dieser Legate durch die Erben des Verstorbenen ist am 19ten August erfolgt.

Seine Majistät haben bei Ihrer Anwesenheit in der Provinz Sachsen im Monat September dem Kreisgerichts-Director Lampugnani den Rothen Adler-Orden IV. zu verleihen und den Kreisphysikus Dr. Kanzler zum Sanitätsrath zu ernennen geruht.

Der Kreisgerichts-Rath Pazschke ist zum Director des Königl. Kreisgerichts in Sprottau in Schlesien ernannt worden.

Gestern, Sonntag, den &en October leuchtete Abends zum ersten Male das Gaslicht. Unsere sonst im albdunkel schlummernden Straßen strahlten im schönsten Glanze; auch mehrere Restaurations-Locale und Läden, die den Erlaubnißschein zum Brennen erhalten, waren durch Gas erleuchtet. Sämmtliche Straßen waren mit einer schaulustigen Menge angefüllt, die sich nach dem Marktplatze hinzog, wo ihrer ein recht hübsches Schauspiel wartete Am Balcone des Rathhauses brannten 3 große Sterne, aus unzähligen kleinen Gasflämmchen bestehend, während vom Stadt- Musikchor, welches sich auf dem Balcone aufgestellt hatte, einige Musikstücke vorgetragen wurden. An vielen Punkten sah man bengalische Flammen und Feuerwerke abbrennen und überall gab sich die freudige Erregung des Publikums kund. Nach einem dreimaligen Hoch auf den Director der Leipziger Gasbeleuchtungs-Anstalt, Herrn Westerholz, welchem die Inbetriebsetzung der Anstalt übertragen war, und der sich seit gestern hier befand, begab sich das Musikchor zum Herrn Magistrats-Assessor Duimchen und den Herrn Bürgermeister Hagedorn, deren Häuser ebenfalls durch Sterne geschmückt waren und brachte denselben unter dem Hochruf der Menge ein Ständchen. Unfälle sind bis jetzt in keiner Weise vorgekommen, und gebührt den Leitern und Arbeitern der Anstalt deshalb alle Anerkennung.

Am 26ten October dieses Jahres starb im 33ten Lebensjahre die Gattin des hiesigen Apothekers Carl Freyberg, Friderike geborene Meißner. Um ihr Andenken zu ehren hat der hinterlassene Gatte der hiesigen Armenanstalt laut Schenkungs-Urkunde, Delitzsch den 14ten März 1866 und Recognitions-Verhandlung des Königl. Kreisgerichts hierselbst vom 8ten April 1866 einen Obstgarten von circa 2 Morgen in der Nähe der Gertitzer Spitze geschenkt, mit der Bestimmung, daß alljährlich an dem Todestage der Frau Apotheker Freyberg der Pachtertrag dieses Gartens — zur Zeit 21 Rtl. unter fünfzig Armen vertheilt werde. Sollte es einmal räthlich oder nöthig sein, dieses Grundstück zu verkaufen, so soll doch der Erlös möglichst bald in Grund und Boden wieder angelegt werden, was der Schenkgeber hiermit ausdrücklich bedingt, und zugleich wünscht, daß sein Name wenigstens bei seinen Lebzeiten, nicht öffentlich genannt werde. Die Uebergabe ist den 30ten März 1866 erfolgt.

Neue Wohnhäuser wurden in diesem Jahre gebaut von: Pannicke Zimmermeister, Richter, Karl Heinrich, Bahnhofswärter, Böhme Julius, Gärtner, sämmtlich in der Leipziger Vorstadt, Bruder August, Maurer, Voigt Wilhelm, Maurermeister, Schulze Heinrich, Dachdecker, Felix Louis, Zimmermeister, Eulenberger, Fridrich August, Tischlermeister, Bruder Eduard, Cigarrenmacher, an der Dübener Straße, Fritzsche Wilhelm, Oeconom, in der Halleschen Straße, Rathmann August, Oeconom, in der Scheungasse, Richter Franz, Tischlermeister, am Pfortenplatz, Werner Ferdinand, Seilermeister, in der Leipziger Straße, und Wittig Albert, Boten- Fuhrmann, in der Ritterstraße. Sodann wurden von der Stadt-Commun die Gebäude von der Gas-Anstalt hinterm Bahnhofe an der Eilenburger Straße bestehend aus Wohnhaus, Fabrikgebäude mit eingebautem Kesselhause, Schuppen und Gasometer, neu erbaut. Endlich stellte der Mühlenbesitzer Herrmann Wittig in der Naundorfer Sandmark am Schenkenberger Wege seine Windmühle, welche bisher in der Nähe von Leipzig gestanden hatte, auf.

In diesem Jahre wurden 339 Kinder geboren (inc1.13 Todtgeborenen und 36 Uneheliche), dagegen sind 244 Personen gestorben.

Der Einrichtung der Gasbeleuchtung nahmen von Ende October an Mittwochs die Abend-Gottesdienste in der Hospitalkirche ihren Anfang Die Armenkasse erhielt in diesem Jahre von verschiedenen Gesellschaften und Privatpersonen an Geschenken 48 Rtl. und 3 Sgr., und vom Kreis- Armenfond 550 Rtl.Zuschuß.