Handschriftliche Chronik von 1816-1952 - 1861-1862

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1861

Da der Winter sehr streng und hart auftrat, so wurde vom Magistrat zur Linderung der Noth unserer Armen die vor mehreren Jahren eingerichtete Suppen-Anstalt wieder ins Leben gerufen. Aus derselben wurde viermal wöchentlich eine in Fleisch gekochte Suppe an diejenigen Armen verabreicht, welche als besonders bedürftig von der Armen-Verwaltung anerkannt sind. Die Anstalt befand sich wie früher in der Waschküche der Mädchenschule. Da die Mittel zur Unterhaltung der Anstalt nur auf kurze Zeit ausreichend waren, so bat der Magistrat die Einwohner um Beiträge zu diesem edeln Zweck. In Folge davon gingen an milden Beiträgen, an barem Gelde 57 Rtl 20 Sgr. ein und außerdem an Lebensmitteln, Reis, Graupen, Erbsen, Hierse, Kartoffeln in bedeutende Quantitäten. Am 7ten Januar – 14 R. früh.

Die in diesem Winter von verschiedenen Gesellschaften und Privatpersonen der Armenkasse der gemachten Geschenke betrugen 42 Rtl. 13 Sgr. 6 Pf. Die für die am 31. October vorigen Jahres in der Stadt Worbis Abgebrannten veranstaltete Collecte betrug 240,25 Sgr.

In diesem Jahr kamen die Dampfmaschine und der Dampfkessel des verunglücktes Braunkohlewerkes, dessen Fortsetzung theils wegen in der Tiefe befindlichen Trübsandes und großen Wassers, theils wegen darauf verwendete und verloren gegangener bedeutender Kapitalien nach dem Beschluß der Stadtverordneten verweigert wurde, zum Verkauf. Der Sängerbund an der Saale, zu welchem auch die hiesige Liedertafel gehört, hielt am 7. und 8.Juli in unserer Stadt ein Gesangfest ab, welches nach allen Seiten hier die größte Befriedigung gewährte. Am Sonntag den 7.Juli, zogen die angekommenen Sänger kurz vor 12 Uhr vom Bahnhof aus in die wahrhaft festlich geschmückte Stadt ein, wo sie auf dem Marktplatz von dem hiesigen Comitè der Liedertafel und Cantorei empfangen und bewillkomnet wurden. Sodann wurden im Graulschen Saale die Quartierbillets vertheilt und die Sänger begaben sich zu ihren Wirthen, wo sie unentgeldlich verpflegt wurden. Nach dem Nachmittags-Gottesdienste fand in der Stadtkirche die Hauptprobe zum Kirchen-Concert und nach dieser die Hauptprobe zum Concert im Freien im Graulschen Saale statt. Montag den 8.Juli fanden sich die Sänger früh 6 Uhr zu einem Morgengruß auf dem Marktplatz zusammen. Um 11 Uhr begann das geistliche Concert in der Stadtkirche. Es kamen zu Aufführung: 1.) 2 Choräle 2.) zwei Orgel-Vorträge, worunter die bekannte G-moll-Fuge von Sebastian Bach, 3.) 2 Arien, eine für Tenor aus „Christus am Oelberge“ von Beethoven und eine für Baß aus „Paulus“ von Mendelssohn; 4.) 4 große Männerchöre 1.“Der Herr ist mein Hirt“, von Löwe??? 2. „Herr, wer kann erheben“, von Klein; 3. „Wo ist, soweit die Schöpfung reicht“, von Neithardt ???, und 4. Hymnes von Tschirch??? Um 3 Uhr Nachmittags begann der festliche Aufzug der sämmtlichen zum Bunde gehörigen Liedertafeln vom Markte aus nach dem Schießplatze, woselbst das weltliche Concert stattfand. In diesem kamen zur Aufführung: 6 Chorlieder, gesungen vom ganzen Bunde; dazwischen 6 Vorträge der einzelnen Liedertafeln. Nach Beendigung des Concerts begannen die Arrangements für das Festessen auf dem Concertplatze, welcher um 7 Uhr seinen Anfang nahm; man trennte sich erst am späten Morgen.

Am 20.August Mittags 12 Uhr starb im 82.ten Jahre, der frühere Bürgermeister, Justizrath August Wilhelm Schulze, welcher früher in Sächsischer Zeit General-Accis-Inspector, sodann seit 1810 Mitglied des Stadtraths und sei Ostern 1819 bis Neujahr 1832 Bürgermeister unserer Stadt war. Er war Verwalter mehrerer Patrimonialgerichte und legte dieses letztere Amt nach Aufhebung der Patrimonialgerichte im Jahre 1849 wegen Altersschwäche und Schwerhörigkeit nieder. Er hat 40 Jahre lang in Delitzsch eine große Rolle gespielt, war eine imponirende Persönlichkeit, dazu Redner und genoß als obrigkeitliche Person wegen seiner Energie und richtigem Tact ??? eines sehr hohen Ansehens wie wenige Beamte.

In diesem Jahre wurde die Separation der hiesigen Stadtflur, welche der Landes-Oeconomie-Rath Wernicke zu Eilenburg geführt hat, beendet. Die ausgewiesenen Planstücke wurden nach der Ernte in diesem Jahre den Feldbesitzern überwiesen. Die Plan-Abfindung für die Hütung wurden den Hausbesitzern am 22ten October durch den Conducteur Zanthier übergeben.
Die Getreidepreise waren in diesem Jahre:
Am 27.April.
Der Berliner Scheffel  
Weizen  2 Rtl 25 Sgr.      bis 2 Rtl. 27 ½Sgr.    
Roggen  1 Rtl.26 ¼ Sgr.       1 Rtl. 28 ¾Sgr.
Gerste   1 Rtl.15 Sgr.           1 Rtl. 16 ½Sgr.
Hafer          26 ¼ Sgr          1 Rtl. 1 ¾Sgr.

Am 12. October
Weizen      3 Rtl. 1 ¼Sgr.   bis  3 Rtl.   5 Sgr.
Roggen      2. Rtl 2 ½Sgr.         2 Rtl.   5 Sgr.
Gerste       1 Rtl 15Sgr.            1 Rtl 17 ½Sgr.
Hafer                25Sgr.                      27 ½Sgr.

Die hiesige jüdische Gemeinde kaufte am 10/8 von der Stadt-Commun im Rosenthale(im Hain) ein Stück Feld von 71 Quadrat-Ruten für 106 ½Rtl. zu einem Friedhofe, den sie im Juni mit Mauerwerk und Stacket einfriedigen ließ. In diesem Jahr ließ man durch den Berliner Groß-Uhren-Fabrikant Colditz eine neue Thurmuhr für die hiesige Stadtkirche anfertigen.Die Aufstellung geschah im Laufe dieses Sommers durch den Anfertiger ????selbst; es kostete die Uhr mit neuem Ziffernblatt, incl. Aufstellung 375Rtl.

Die Königl.Strafanstalt tauschte in diesem Jahre ein Stück Feld hinter Kühnes Garten im Hain gegen Überlassung eines Stücks vom Schloßgarten von Kaufmann Tiemann sen. ein, richtete dasselbe zu einem Begräbnißplatz ein und umfriedigte es mit einem Stacket.

Am 25.Mai dieses Jahres verkaufte die Stadt-Commun die ihr gehörigen Häuser: 1.) das Armenhause am Galgthore, an den Müllermeister Große für 1,200 Rtl; 2.) des frühern Pforten-Einnehmer-Hauses an August Jahn für 916Rtl.und 3.)des Hirtenhauses an den Sattlermeister Meyerhofer für 600Rtl.

In diesem Jahre wurde das neue Armen– und Krankenhaus an die Stelle des bereits im vorigen Jahre abgebrochenen Schaafstalles im früheren Oeconomie-Gute erbaut und eingerichtet. Die Kosten betrugen 1,350Rtl.

Der Gottesacker wurde nach dem früheren Oeconomie-Gut hin erweitert, wo durch den Abbruch von Stallgebäuden Raum gewonnen worden war; auch kaufte die Stadt-Commun von dem Gürtlermeister, Gottfried August Krause ein Stück Garten(ein früherer Scheunenfleck) für 400 Rtl. zur Vergrößerung des Gottesackers. Die ganze Erweiterung von Arndts Grenze bis an den Schäfergraben wurde mit einer massiven Mauer umgeben, welche 1,087 Rtl 9 Sgr. 9 Pf. Kostete.

Zum Krönungsgeschenk (zu einem Kanonenbot), was die Provinz Sachsen aus Anlaß der Krönung Wilhelm I. demselben überreicht, hat die Stadt-Commun Delitzsch 500 Rtl gegeben.

Bei der am 3ten December vorgenommenen Volkszählung hatte die Stadt Delitzsch 5337 Einwohner (1858: 4885 Einwohner), und zwar: 5197 Evangelische, 65 Katholische, 20 Dissidenten und 55 Juden. Die Grünstraße hatte 1623 Einwohner, beide Gemeinden zusammen also 6960 Einwohner.

In diesem Jahre wurde durch die Bemühungen und unter der Leitung des Kaufmann und Oeconom Friedrich August Rathmann die Turm-Feuerwehr eingerichtet. Dem Genannten wurde später die Direction des ganzen städtischen Feuerlöschwehres übertragen.

Gleich zu Anfang dieses Jahres veranlaßte die Stadtverordneten-Versammlung den Magistrat, die seit Johannis 1858 eingezogene erste Knabenklaße der zweiten Bürgerschule, welche bis dahin der Rector Barthel als Ordinarius hatte, wegen Ueberfüllung der anderen vier Knabenklaßen wiederherzustellen. Da man für dieselben keinen Literaten, nur einen tüchtigen Volksschullehrer für nöthig hielt, so wurde auf besondere Empfehlung des Rector Giesel der frühere erste Lehrer der hiesigen Vorstadtschule, jetzige Ordinarius der zweiten Klaße zweiter Bürgerschule, Johann Christ.Jost zu dieser Stelle vom Magistrat berufen, und übernahm dieses Amt als Ordinarius der nunmehr wiederhergestellten ersten Klaße zu Ostern dieses Jahres. Er wurde mit 300 Rtl fixem und fester freier Wohnung angestellt.

Nachdem im November 1860 der Orgelbaumeister Geissler in Eilenburg eine alte, aber noch ziemlich brauchbare Orgel aus der abgebrochenen Dorfkirche zu Hohenrode einstweilen zur Leitung des Gesanges in der hiesigen Zuchthauskirche aufgestellt hatte, baute derselbe Meister eine neue für die letztgenannte Kirche, deren Aufstellung aber im März 1862 erfolgte. Dieselbe hat 11 klingende Stimmen, 9 im Manual und 2 im Pedal, wurde zu Anfang des April vom Musikdirector und Dom-Organist Engel in Merseburg übernommen und für gut und tüchtig befunden.

Am 2ten Julius erschien Abends zuerst über der Deichsel des großen Bären und dann Westen gehend ein in seiner Erscheinung, Lichtglanz und Größe nicht sehr auffallender Comet, und war nur etwa vierzehn Abende sichtbar.

In diesem Jahr wurden folgende neue Wohnhäuser gebaut: von dem Zimmer-gesellen David Laue und dem Handarbeiter Wilhelm Dietze in der Leipziger Vorstadt, von dem früherem Gutsbesitzer Remmicke aus Kattersnaundorf am Kohlthor, von dem Rechts-Anwalt Weiße in der Leipziger Vorstadt. Außerdem bauten zu einem Wohnhause um: der Kalkfuhrmann Frey das von dem Braumeister Fritzsche erkaufte Malzdarren-Gebäude an der Stadtmauer, der Strumpffabrikant F.W.Pabst einen Schuppen in der Mauergasse, und der Mühlenbesitzer Große das frühere Armenhaus am Galgthore zu einem Wohnhause. Der Schmiedemeister Haase vor dem Breiten Thore erbaute neben seinem Wohnhause ein neues als Wohnhaus dienendes Seitengebääude. An die Stelle des abgetragenen Brauhauses am Markte, welches ein Knecht aus Brodau namens Robitzsch von dem Braumeister Fritzsche erkauft hatte, erbaute der pp. Robitzsch ein schönes 3 stöckiges Wohnhaus.

An die Stelle der abgegangenen Kirchen-Vorsteher Kretzschmer und A.Weidenhammer wählte der Magistrat als Kirchen-Patron den Kaufmann J.S.Schumann und den Gastwirt A.Schaaf, und wurden am 31ten December des Jahres in ihr Amt eingewiesen, sowie dem Ersteren die Rendantur der Kirchenkasse speciell übertragen.

Aus dem Kreis – und Armenfonds erhielt die Stadt 250 Rtl. und die Grünstraße 400 Rtl. Auch in diesem Jahre war derselbe günstig; im Frühjahr kamen besonders Durchfälle, und Halsentzündungen, und im Herbst Lungenentzündungen zur Behandlung. Die Zahl der Gestorbenen betrug 194, die der Geborenen 305, incl. 10 Todtgeborne. Uneheliche 42.

Im Frühjahr trat der Königl. Fiscus das Stück fiscalische Straße vom Gasthof „zur grünen Linde“ bis an den Bahnhof auf den Wunsch der städtischen Behörden an die Stadtcommun Delitzsch unter der Bedingung ab, nachdem es noch der Fiscus hatte chaussiren lassen, in dem übergebenen guten Zustande fortzuerhalten. Die Stadtcommun ließ die zu beiden Seiten der Straße stehenden Sauerkirsch-Bäume umhauen um an diese Stelle Platanen und an dem Fußwege an Gleitsmann`s Kunstgärtnerei rothblühende Kastanien anpflanzen. Dieses Stück Straße erhielt später den Namen „Lindenstraße“.


1862

In diesem Jahr wurde wiederholt der mehrmals fehlgeschlagene Versuch gemacht mit dem Sonnabends-Wochenmarkte einen Getreide-Markt zu verbinden und damit Sonnabend den 1ten Februar den Anfang gemacht.

Am 29.ten März verließ der Kreisrichter a.D. Hermann Schulze, welcher seit dem Jahr 1841 bis 1849 hier als Patrimonialrichter fungirte und später den hiesigern Kreis als Landtags-Abgeordneter vertreten hatte, seine Vaterstadt Delitzsch , um nach Potsdam überzusiedeln. Ihm zu Ehren wurde am 23ten März im Saale des Gasthofes „zum goldenen Ring“ des Abends ein großes sehr besuchtes Abschiedsfest veranstaltet, wobei ihm von seinen zahlreichen Freunden und Verehrern eine große silberne Punsch-Bowle im Werthe von circa 400 Rtl., sowie ein schöner Schreibsecretär von Mahagoni zum Andenken verehrt wurden. – Derselbe ist am 29ten August 1808 hierselbst geboren, besuchte die Nicolaischule in Leipzig und später die Universität daselbst.

Am Grünen Donnerstage, den 17.ten April Nachmittags 5 Uhr fand die Aufführung des vom Musikdirector und Dom-Organist Engel in Merseburg componirten Oratoriums: „Winfried und die heilige Eiche bei Geißmar“ in der Gottesackerkirche von der Cantorei statt.

Am 2ten Osterfeyertage, den 21ten April hielt der zum Superintendent und Oberpfarrer nach Sangerhausen berufene Archidiaconus Dr. Burkhardt seine Abschieds-Predigt.

In diesem Jahre, 26ten April, wurde, da sich im vorigen Jahre kein Käufer gefunden hatte, die der Stadtcommun gehörige Braunkohlen-Grube mit allem übrigen Zubehör wiederholt zum Verkauf aus freier Hand behufs des Fortbetriebs ausgeboten und als sich lange kein Käufer fand, wurde der Verkauf der Dampfmaschine mit Kessel beschlossen.

Der bisherige Diaconus Scharr wurde am 3ten post Trin.den 6ten Juli als Archidiaconus eingeführt.

Am 4ten Juli starb der hiesige practische Arzt , Dr.med.Ernst Ludwig Pfotenhauer, welcher vom 1.October 1850 bis Ende 1855 zugleich unbesoldeter Magistrats-Assessor war, 43 Jahre alt an Lähmung.

Dem Oebster Fischer wurde das Obst von der Pflaumen-Plantage im Hain für das Gebot von 20 ½ Rtl. für diese Jahr überlassen.

Der Baumeister Gebauer in Berlin wurde zum Königl.Kreisbaumeister ernannt und demselbigen die hiesige Kreisbaumeister-Stelle verliehen.

Der in diesem Jahre in der Nähe der Elberitzmühle eingerichtete Bade-Teich hat am Sonntage, dem 3ten August, ein Opfer gefordert. Mehrere Knaben, darunter der 9jährige Sohn des Handarbeiters Paatz in der Grünstraße badeten in dem nur für Erwachsene hergerichten Teiche. Der Genannte gerieth dabei wahrscheinlich in eine etwas tiefere Stelle und war, ehe Hülfe herbeigeholt werden konnte, bereits ertrunken. – Desgleichen fiel am 1ten August gegen Mittag der 2 ½ jährige Sohn des Bahnarbeiters Nitzsche in der Grünstraße aus dem zweiten Stock, mit dem Kopfe zuerst auf die gepflasterte Straße herab und ist glücklicherweise gar nicht beschädigt worden.

Die der früheren (der alten) Gottesackerkirche gehörig gewesene Glocke des Breiten Thurmes hatte schon seit langen Zeiten einen Großen von oben nach unten gehenden Riß, neben welchem neuerdings ein zweiter ringsum gehender Riß entdeckt wurde, wodurch schon seit langer Zeit der Klang derselben sehr dumpf war. In Rücksicht besonders auf die nach dem letzten Riß daraus leicht entstehende Gefahr für die umstehenden Gebäude wurde der Anschlag an die Glocke seit Anfang August ganz eingestellt, und der Guß einer neuen von den städtischen Behörden beschlossen. Am 5ten December Nachmittags 3 Uhr ward die alte Glocke auf dem Thurme von dem Glockengießer Jauck aus Leipzig geschlagen und die Stücke einzeln vom Thurm nach dem Zwinger heruntergeworfen; sie wog 18 Zentner. Die neue Glocke, welche 12 Zentner, 26 Pfund wiegt, wurde am 30ten December Mittags punkt 12 Uhr bei mildem Wetter auf den Thurm gezogen, und vom 6ten Januar 1863 an in Gebrauch genommen. Die sehr gute, auf dem Bruche silbrig weiß glänzende Masse der alten ist nur zum Theil mit zur neuen verwendet worden, weil Jauck gleichzeitig mit derselben noch 5 andere Glocken gegossen hat; übrigens nahm Jauck den Zentner von der alten für 34 Rtl an und zahlte noch 7 Rtl auf die Totalsumme heraus, mithin hat die neue Glocke 605 Rtl gekostet. Die übrigen Kosten betrugen 91 Rtl 12 Sgr. 6 Pf.

Die Fischerei im Stadtgraben wurde an den bisherigen Pächter Sattlermeister Christian Ronniger, für jährlich 40 Rtl. auf weitere 12 Jahre verpachtet.

Des Königs Majistät haben mittels Erlasses vom 2ten August dieses Jahres die Vereinigung des ländlichen Gemeinde-Bezirks Grünstraße mit der Stadtgemeinde Delitzsch zu genehmigen geruht. – Die Vereinigung selbst hat am 15ten October factisch stattgefunden. Die Stadtcommun verkaufte am 10ten März das ihr gehörige Galgthorhaus, welches bisher als Todtengräber – Wohnung gedient hatte, zum Abbruch an den Gasdtwirt Zeidler für 80 Rtl.

Vom Glockengießer Jauck in Leipzig wurde eine neue Saug-und Schlauch –Spritze mit 150 Ellen Schlauch von der Commun für den Preis von 335 Rtl zum Gebrauch für die Turm-Feuerwehr angekauft, wozu die Aachener-und Münchner Feuerversicherungs-Gesellschaft als Geschenk 150 Rtl beitrug. Bei dem am 28ten August Abends zwischen 8 und 9 Uhr im benachbarten Dorfe Schenkenberg entstandenen nicht unbedeutenden Feuer hat unsere Turme-Feuerwehr durch ihre muthige und geübte Thätigkeit mit dem Gebrauch der eben erwähnten vortrefflichen Spritze ausgezeichnete Dienste geleistet, und dafür durch unsern Herrn Landrath von Rauchhaupt eine Belohnung von 10 Rtl. erhalten – Die Turme-Feuerwehr besteht zur Zeit aus 3 Abtheilungen (110 Mann); die Spritzen-Compagnie 70 Mann; die Pionier-Abtheilung 20 Mann und die Rettungs-Compagnie 20 Mann; außerdem 8 Signalisten.

Die Getreidepreise waren in diesen Jahren:

am 5ten April
der Berliner Scheffel      Weizen    2 Rtl. 26 Sgr. 3 Pf. bis 3 Rtl.
                                  Roggen   1 Rtl. 27 Sgr. 6 Pf.       2 Rtl
                                  Gerste    1 Rtl. 12 Sgr. 6 Pf.       1 Rtl. 15 Sgr.
                                  Hafer              26 Sgr. 3 Pf.                28Sgr. 9 Pf.

am 27ten September
der Berliner Scheffel       Weizen   2 Rtl. 26 Sgr. 3 Pf. bis 3 Rtl.
                                   Roggen   2 Rtl.   3 Sgr. 9 Pf.     2 Rtl. 10 Sgr.
                                   Gerste     1 Rtl. 12 Sgr. 6 Pf.     1 Rtl. 15 Sgr.
                                   Hafer                26 Sgr. 3 Pf.             28 Sgr. 9 Pf.

In diesem Jahre wurden von folgenden Einwohnern neue Wohnhäuser gebaut: vom Productenhändler G.Lehn ???(Bahnhofsstraße); vom Cigarrenfabrikant Schellenberg(Lindenstraße); vom Kreissecretär Julitz, Zimmermann Gottlieb Dietze, Zimmermeister Felix (vis a vis Schleicher) Cigarrenmacher Schmidt, - in der Leipziger Vorstadt; vom Schnittwarenhändler Beyer ein Hintergebäude in der Ritterstraße; vom Kunst-und Handelgärtner Porsch vor den Halleschen Scheunen; vom Fleischermeister Hohenstein in der Zscherne und vom Kaufmann L.Dittmar eine Ziegelei am Schenkenberger Wege.

General-Bericht über den Stand und die Verwaltung der Gemeinde-Angelegenheiten der Stadt Delitzsch auf das Jahr 1862:

In Bezug auf die in diesem Verwaltungs-Bericht hub „III B. Paßiv-Vermögen“ gemachten Mittheilungen ist noch zu bemerken, daß dadurch ein heftiger Conflikt zwischen dem Bürgermeister Hagedorn und den Stadtverordneten entbrannte, weil der Erstere eine Summe von 3000 Rtl ohne die Bewilligung der Letzteren eigenmächtig aus der Kämmereikaße entnommen hatte. Diese Sache, welche auch in unserm Kreisblatte zur Kenntniß des Publikums kam, wurde die Veranlaßung, daß die Stadtverordneten wegen ihres schwer verletzten guten Rechtes den pp.Hagedorn bey der Königl. Regierung in Merseburg verklagten. Hierauf beauftragte diese den Hl. Landrath von Rauchhaupt mit der Untersuchung dieser Streitsache, wo dann der pp. Hagedorn seine Uebergriffe beschämt zugestand, und mithin eine gewaltige Niederlage erlitt.

Der schon im vorigen Jahre erwähnte Verkauf der Dampfmaschine mit Kessel von der Braunkohlen-Grube kam erst in diesem Jahre zur Ausführung, nachdem die K.Regierung den Verkauf genehmigt hatte. Die Herren Rühle und Beschnidt kauften beide zusammen für 2,250 Rtl.

Der Diaconus Scharr hielt Sonntag den 23ten November seine Abschieds-Predigt und ging als Pfarrer nach Werbelin.

In diesem Jahre wurden 323 Kinder geboren, worunter 5 Todtgeboren und 39 Uneheliche, und es starben 179 Personen.

Die Zahl der Wohnhäuser beträgt nunmehr, nachdem die Gemeinde Grünstraße zur Stadt gekommen ist, 619, und erfolgte eine neue Nummerierung sämmtlicher Häuser.

Die in diesem Jahre von verschiedenen Gesellschaften an die Armenkaße gemachten Geschenke betrugen 34 Rtl. 7 Sgr. 6 Pf. Außerdem wurden in diesem Winter vom Herrn Gastwirt Schaaf 20 und vom Herrn Gastwirt Roessler 15 arme Familien mit warmen Mittagsessen erfreut.

Zur Vervollständigung der Feuerlösch-Anstalten wurde für die neu errichtete und uniformirte Turner-Feuerwehr auch ein sehr dauerhaft gebauter Requisiten-Wagen mit den nöthigen Rettungsgeräten, eisernen Leitern, Haken u.s.w.angeschafft; der erstere kostete 50 Rtl. die letzteren 65 Rtl.

Aus dem Kreis-Armenfond erhielt die Stadt und Grünstraße für dieses Jahr 400 Rtl. Die reinen Gewinn-Ueberschüsse betrugen im abgelaufenen Jahre 8,809 Rtl 26 Sgr. 7 Pf.

An die Stelle des zu Ostern abgegangenen Candidaten Dr. phil Rosendahl trat als Lehrer der neueren Sprachen der bisherige Lehrer an der höhern Bürgerschule zu Lüdenscheid Christian Heinrich Ludwig Kayser zu Johannis dieses Amt an. Er erhielt 600 Rtl Gehalt.

Der zu Anfang dieses Jahres versuchsweise wieder hier eingerichtete Getreidemarkt ist auch diesmal noch vor Ende des Jahres wieder eingegangen.

Durch die Vereinigung der Grünstraße mit der Stadt ist auch das durch Testament vom 13ten August 1857 vom Strumpffabrikant Theile ausgesetzte Legat von 500 Rtl, wovon die Zinsen unter die Armen der Grünstraße vertheilt werden sollen, und die Stadt mit übergegangen, ebenso auch die Wendlersche.