Handschriftliche Chronik von 1816-1952 - 1923-1926

Beitragsseiten

1923

3. Januar
Überfall
Ein verwegener Raubüberfall wurde gestern in der Zscherngasse verübt. In der neunten Stunde erschien in dem Altwarengeschäft von Jentzsch ein junger Mann und verlangte Nadeln. Als Frau Jentzsch sich umwandte um das Gewünschte zu holen, wurde sie von dem Rohling mit einem Totschläger über den Kopf geschlagen. Ehe sie blutüberströmt zusammenbrach hatte sie noch soviel Kraft, nach Hilfe zu rufen. Dadurch erreichte der Täter nicht seinen Zweck, sondern floh. In der Bitterfelder Straße am Monopol wurde er eingeholt. Es war ein 17-jähriger Dienstknecht aus Werben. Man fand bei ihm noch ein Dolchmesser. Er will durch das Lesen von Räuberromanen zu der Idee des Überfalles gekommen sein.

4. Januar
Beamtenverein
Durch eine Beamtenversammlung wurde das Ortskartell Delitzsch des Deutschen Beamtenbundes wieder ins Leben gerufen. Zum Vorsitzenden wurde der Kreisausschußobersekretär Richter, zum stellvertretenden Vorsitzenden Lehrer Hirschfeld gewählt.

15. Januar
Französische Gewalttat
Zufolge der französischen Gewalttat durch Besetzung des Ruhrgebiets mit französischen Truppen hat die Reichsregierung für das gesamte Reichsgebiet am 14. Januar einen Trauertag angesetzt. In allen Kirchen wurde gestern während des Gottesdienstes auf diese Gewalttat Frankreichs hingewiesen und zu würdiger Haltung aufgerufen. Von 12 bis 1 fand in allen Kirchen Deutschlands so auch in Delitzsch Trauergeläut statt. In den Schulen fanden in der dritten Unterrichtsstunde Trauerkundgebungen statt. Der weitere Unterricht fiel dann Sonnabend aus. Die Beamtenschaft von Delitzsch und Umgegend fand sich gestern vormittag 11 Uhr im Saal der Elbritzmühle zu einer Protestversammlung der Beamtenschaft gegen die Besetzung des Ruhrgebiets ein. Der Vorsitzende des deutschen Beamtenbundes Delitzsch Kreisausschuß-Obersekretär Richter eröffnete die Versammlung und brachte den Aufruf des Reichspräsidenten und der Reichsregierung "An das Deutsche Volk" zum Vortrag. Im Anschluß hieran hielt Landrat Raute eine Rede, die mit einer einstimmig angenommenen Entschließung endete.

16. Januar
Neue Stadträte
Für die aus dem Magistrat ausscheidenden Stadträte Kretschmer und Ehrhorn treten ein Richard Hampe und Alfred Kissig.

23. Januar
Pfarrer Noack
Am letzten Sonntag wurde im Gottesdienst in feierlicher Weise der aus Kemptendorf Kreis Kottbus kommende Pfarrer Noack durch Superintendent Hobbing als 3. Geistlicher der evangelischen Kirchengemeinde hierselbst eingeführt. Als Assistenten waren Pfarrer Kohlmann hier und Pfarrer Schraepler - Schenkenberg zugegen. Der Kirchenchor verschönte den feierlichen Akt durch Darbietungen zweier Lieder.

30. Januar
Harmonium
Die Gottesackerkirche hat nun das längst erwünschte Harmonium erhalten. Durch einige Sammlungen in den Gottesdiensten und verschiedenen privaten Spenden und vor allem durch Verkauf von der Kirche gehöriger entbehrlicher Silbersachen ist die Beschaffung ermöglicht worden.

31. Januar
Sammlung
Die Bevölkerung des Ruhrgebiets steht im schwersten Abwehrkampf gegen die Eindringlinge. Ihnen, soweit es von hier aus möglich ist zu helfen ist Pflicht eines jeden. In ganz Deutschland sind Sammlungen im Gange. In einem heutigen Aufruf heißt es: "Das ganze Deutschland hat daher die heilige Pflicht, unsere Helden im besetzten Gebiet jede nur mögliche Hilfe zu bringen. Tausenden Arbeitern, Angestellten und Beamten droht mit ihren Familien in dem einsetzenden Abwehrkampfe schwerste Not. Sie müssen wissen, daß Deutschland hinter ihnen steht und sie nicht zu grunde gehen läßt. Öffnet die Hand, um allen zu helfen, die brotlos, werden um ihres Deutschtums willen. Helft sofort, denn morgen schon kann es zu spät werden! Die Sammelliste liegt im Verlage der "Delitzscher Zeitung" aus und wurde von ihr mit einer Spende von 10.000 Mark eröffnet.

21. Februar
Katholische Kirche
Am Sonntag den 18. Februar nachmittag fand im hiesigen katholischen Gotteshause die Denkmalsweihe für die gefallenen Krieger der katholischen Kirchengemeinde statt. Eine zahlreiche Gemeinde wohnte der Feier bei. Die Weihepredigt hält der Ortspfarrer. Der Kirchenchor und ein vierstimmiger gemischter Chor verschönten die Feier. Das Kriegerdenkmal, das beim Betreten der Kirche sofort in die Augen fällt ist in der Form eines Altarschreins angelegt. Den Mittelpunkt bildet eine alte kunstvolle Pieta, die in einer Nische steht. Zu beiden Seiten sind auf zwei Marmortafeln in Spitztürchenform die Namen der gefallenen Helden eingehauen.

20. März
Stahlhelm-Versammlung
Der Stahlhelm, Ortsgruppe Delitzsch, hatte für gestern Abend nach dem Schützenhofe zu einem Lichtbildervortragsabend über "Deutsch Ostafrika in Krieg und Frieden" eingeladen, für den als Redner der Chef des Stabes unter General von Lettow - Vorbeck, Major a.D. von Brandis, gewonnen war. Der Vortrag hatte eine ungeheure Zuhörermenge angezogen, sodaß der geräumige Saal in geradezu beängstigender Weise überfüllt war. Der Vorsitzende der hiesigen Ortsgruppe, Kaufmann Kläning, begrüßte die Erschienenen und machte sie mit den Zielen der ehemaligen Frontkämpfer in kurzen Umrissen bekannt. Sie wollen, ohne irgend einer politischen Partei dienstbar zu sein, nationale und soziale Bestrebungen verfolgen und erstreben vor allem das Los von Versailles. Im ersten Teil seines Vortrages wies der Redner den Wert und die Bedeutung des Kolonialgebietes nach. Als im zweiten Teil des Vortrages die kriegerischen Ereignisse dortselbst geschildert wurden und namhafte Helden auf der Leinwand erschienen kam es zu Zwischen- und Protestrufen aus der Menge. Der Vorsitzende mahnte energisch zur Ruhe. Als aber die Unruhe sich zu Tumulten entwickelte und von den Andersdenkenden die "Internationale" gesungen wurde, ließ der Vorsitzende den Saal räumen. Bei dem gewaltsamen Hinausdrängen der Unruhestifter kam es im Handgemenge zu Prügelszenen, wobei Stühle und Fensterscheiben in die Brüche gingen, und es auf beiden Seiten blutige Köpfe gab. Der Abend hatte so ein frühzeitiges Ende gefunden.

21. März
Sägewerk Beyer
Auf eine 25jährige Tätigkeit im Dampfsägewerk der Firma F.W. Beyer konnte gestern der Heizer und Maschinist W. Raban zurückblicken. Dem Jubilar wurden ansehnliche Geschenke überreicht.

1. April
Winkler
Amtsrichter Winkler beim Amtsgericht Delitzsch beschäftigt ist zum Amtsgerichtsrat ernannt worden.

6. April
Bismarckfeier
Zu einer erhebenden Bismarckfeier hatten Bismarckfreunde anläßlich des wiederkehrenden Geburtstagstages Bismarck Stadt und Land nach dem Schützenhof eingeladen. Eine zahlreiche Bismarckgemeinde hatte sich eingefunden. Nach Begrüßung, einer Deklamation und eines Tenorsolos von Lehrer Linde hielt Freiherr von Grote einen packenden Vortrag über Bismarck. Unter starkem Beifall schloß Redner mit Wildenbruchs Nachruf an Bismarcks Todestage: "Laß nicht den Bismarck sterben in Dir! Bismarck war tot, ist nicht mehr tot!... Deutschland, Dein Bismarck, er lebt." Nach dem gemeinsamen Gesang: Der Gott, der Eisen wachsen ließ, mehreren Musikstücken der Instrumentalvereinigung, Deklamationen und zwei Gesangsvorträgen des Lindequartetts wurde in einer Ansprache der bedrängten Rhein- und Ruhrbevölkerung gedacht. Eine Sammlung für dieselbe ergab den Betrag von 101.331 Mark. Diese Summe wurde der bisherigen Sammlung zugeführt.

10. April
Französischer Terror
Der Terror der Franzosen im Ruhrgebiet hat nun auch noch zu blutigen Ausschreitungen der französischen Soldaten in Essen geführt. Als Opfer der erfolgten Schießereien sind 11 Tote, 10 Schwerverletzte, darunter mehrere in Lebensgefahr, sowie 11 Leichtverletzte zu beklagen. Aus Anlaß der Beisetzung der Essener Blutopfer läuteten heute von 12 bis 1 Uhr die Trauerglocken unserer Kirchen.

27. April
Neues Geld
Einem Beschluß des Reichsrates entsprechend werden jetzt auch 500–Markstücke aus Aluminium geprägt. Die erste Auflage beträgt 180 Millionen Stück. Die Größe dieses 500 Markstückes ist derjenigen des Verfassungstalers gleich. Ferner hat der Reichsrat die Ausprägung der 200 Markstücke aus Aluminium verdoppelt. Man erwägt auch bereits die Ausprägung eines Tausendmarkstückes aus Aluminium. Bei der jetzigen Geldentwertung kommen allerdings derartige Münzen noch nicht einmal an den Nominalwert der früheren Scheidemünzen heran.

1. Mai
Heßler
Die seit einer Reihe von Jahren an der hiesigen Knabenvolksschule beschäftigten Lehrer Heßler, Kunze und W. Lobenstein können heute am 1. Mai auf eine 25jährige Berufstätigkeit zurückblicken. Der Justizobersekretär Kiemstedt am hiesigen Amtsgericht ist zum Justizinspektor ernannt worden.

6. Mai
Unfug / Kinderhort
In den Anlagen sieht man jetzt wieder viele Zweige und Äste liegen, die von Vandalenhänden mutwillig abgerissen sind. Nun beginnt der Flieder zu blühen und auch hier dürfte bald das unsinnige Zerstörungswerk einsetzen. Bedauerlich ist es, daß ältere Personen nicht nur dem gedankenlosen Treiben der Jugend zusehen, sondern oft noch selbst die Zweige abbrechen. Die Anlagen sind für alle Spaziergänger da, wer sie beschädigt, begeht Diebstahl am allgemeinen Gut. Der Kinderhort kann auf seine 10jährige Tätigkeit zurückblicken. Er beging am Mittwoch diesen Tag durch eine Feier in der Mädchenvolkschule.

23. Mai
Schwedensignale
In Delitzsch ertönte am ersten Pfingstfeiertag vormittags 11 Uhr nach langer Zeit wieder einmal die jedem Eingesessenen lieben Schwedensignale vom Breiten Turm herab. Schon lange vor der festgesetzten Zeit hatte sich eine große Menschenmenge auf dem Roßplatz und den angrenzenden Straßen eingefunden, um sich diese alten sagenumwobenen Weisen anzuhören und der Wunsch wurde allgemein laut, diese alte Delitzscher Tradition in regelmäßiger Folge wieder aufleben zu lassen. Das Sonntagsspiel war durch die Stiftung eines ehemaligen Delitzschers ermöglicht worden.

26. Mai
Schützenfest
Mit dem Auszug der Schützen am Vormittag des zweiten Pfingstfeiertages hat auch das Schützenfest seinen Anfang genommen, das erst mit dem Wiedereinzug am kommenden Sonntag sein Ende findet. Die Beteiligung war, wie allgemein auffiel, außerordentlich rege. Die Schützengilde ist eine der wenigen älteren Vereinigungen die sich nach dem Kriege eines erfreulichen Wiedererstarkens rühmen können. Das Schützenfest ist schon seit langem unser Delitzscher Volksfest geworden. Jung und alt tummeln sich auf dem großen Platze, viele hiesige und auswärtige Unternehmungen lockt es zu kostspieligen Zeltbauten und Schaustellungen an. Gestern abend hatte der Schützenplatz Massenbesuch zu verzeichnen, der vor allem dem angekündigten Feuerwerk galt. Punkt 10 Uhr abends wurde mit dem Abbrennen desselben begonnen und es ist jeder für sein langes Warten reichlich entschädigt worden. Die Lieferung, das Aufstellen und Abbrennen des Feuerwerkes hatte die Firma W. Merz Delitzsch übernommen.

17. Juni
Ruhrkinder in Delitzsch
Um die Kinder im Ruhrgebiet den Gewalttätigkeiten der Franzosen zu entziehen, sind dieselben ins freie Deutschland gebracht und hier namentlich auf dem Lande verteilt worden. Der Landbund, der die Unterbringung der Ruhrkinder in die Hand genommen hat, hat sich ein großes Verdienst damit erworben und eine schwere Aufgabe auf sich genommen. Bereits im vorigen Monat sind 1100 Ruhrkinder im Sonderzug von Halle kommend auf dem hiesigen Sorauer Bahnhof eingetroffen und im Kreise und der weiteren Umgegend auf dem Land verteilt worden. Rund 600 Ruhrkinder, davon in Delitzsch einige 80 sind schon in unserer Gegend untergebracht und mehr sind zu erwarten. Gemeinsam müssen hier alle vaterländisch gesinnten Kreise zusammenstehen.

18. Juni
Kircheneinbruch
Im benachbarten Schenkenberg wurde in der Nacht zum Sonntag ein Einbruchdiebstahl in die dortige Kirche verübt. Vermutlich hatten es der oder die Diebe auf das wertvolle silberne Taufbecken und die Kronleuchter abgesehen; weil sie die Gegenstände aber nicht vorfanden, nahmen sie die Altarbekleidung und Teppiche mit. Nach Eindrücken einer Fensterscheibe ist das lichtscheue Gesindel in die Kirche gelangt.

21. Juni
Sängerjubilar
Sein 50jähriges Sängerjubiläum beim Gesangverein Liedertafel konnte der Gastwirt Edmund Kreutzer begehen. Bei einer Zusammenkunft des Sängerchores wurde dem Jubilar unter anerkennenden Worten ein Geschenk überreicht.

22. Juni
Grabstätte Lehmann
Wie auf dem alten Friedhofe an der Marienkirche seit jeher das Grab des Delitzscher Stadtchronisten Lehmann, gestorben 1852, pietätvoll erhalten wird, so planen jetzt auch ehemalige Schüler und Sänger des 1872 verstorbenen Kantors und Komponisten Albin Thierbach, die Erhaltung seines auf dem Gottesacker an der Marienkirche belegenen Grabes durch Bildung eines Fonds zu sichern. Beiträge zu diesem Fond nimmt Gastwirt Edmund Kreutzer an.

25. Juni
Konrektor Laue
Der Lehrer Rudolf Laue in Delitzsch ist vom 1. April 1923 an zum Konrektor ernannt worden. Der Registraturassistent Albert Laue am hiesigen Amtsgericht ist zum Kanzleisekretär ernannt worden.

6. Juli
50 Jahre Lehrerseminar
Delitzsch ist wieder einmal Feststadt. Das hiesige staatliche Lehrerseminar beging gestern und heute die Feier seines 50jährigen Bestehens. Hunderte von ehemaligen Lehrern und Schülern der Anstalt aus allen Gauen unseres Reiches haben sich aus diesem Anlaß unsere Feststadt zum Ziel ihrer Reise gemacht. Die Feierlichkeiten wurden gestern abend durch einen im Schützenhof stattfindenden Begrüßungsabend eingeleitet. Am heutigen Freitag fand um ½ 11 Uhr vormittags ein Festakt in der Stadtkirche statt, zu dem auch die Behörden, die Freunde der Stadt und die Bürgerschaft geladen waren. Hieran schloß sich eine Feier im Seminar mit der Festrede des gegenwärtigen Anstaltsleiters, Seminardirektor Schulrat König und die Enthüllung einer Gedächtnistafel für die im Weltkrieg gefallenen Schüler des Seminars. Am Nachmittage fand im Schwan ein einfaches, gemeinsames Mittagessen statt. Den Beschluß der Veranstaltung bildet heute abend ein Festkonzert im Schützenhof. Daneben fanden Klassenzusammenkünfte statt und die auswärtigen Gäste verlebten im kleineren und vertrauten Kreis einige harmonische Stunden. Aus Anlaß des Seminarjubiläums ist auch ein Gedenkblatt herausgegeben worden.

14. Juli
Unglücksfall
Tödlich verunglückt ist heute früh auf dem Berliner Bahnhof die am 25. August 1898 geborene Stenotypistin Margarete B. Maybachstr. 5 wohnhaft. Sie ist in Wolfen beschäftigt und wollte den 6.20 Uhr nach Bitterfeld fahrenden Zug benutzen. Beim eiligen Überschreiten des vorderen Gleises fiel sie über den dort liegenden Schotter so unglücklich, daß sie mit dem Kopf in das Lokomotivgetriebe des gerade anfahrenden Zuges stürzte. Die obere Kopfhälfte wurde ihr vollständig zusammengedrückt, sodaß der Tod auf der Stelle eintrat.

30. Juli
25 Jahre Eisenbahnverein
Der Eisenbahnverein-Verein Delitzsch, wohl die stärkste Vereinigung am Platze, sie zählt heute 697 Mitglieder, feierte gestern und heute das Fest seines 25jährigen Bestehens. Von den 20 Gründern ist Herr Jakobi noch heute nicht nur Mitglied des Vereins, sondern auch 25 Jahre Kassierer des Vereins. Die Vorsitzenden in den verflossenen 25 Jahren waren folgende: Jakobi, Härtel, Jurk, Reime, Böttcher, Wulf, Regierungsrat Krause, Reg. Rat Böhme. Der derzeitige Vorsitzende ist Reg. Rat Wegener. Im Jahre 1905 wurde im Eisenbahn-Verein eine Gesangsgruppe gebildet. Dirigent derselben ist seit 1908 Musikdirektor Preuß. Vorsitzender der Gesangsgruppe ist seit 1918 Eisenbahn-Sekretär Naundorf. Zu der Jubelfeier hatten sich auf Einladung alle Eisenbahn-Vereine des Bezirksverbandes Halle eingefunden. Die Feier begann am Sonnabend abend durch einen Kommers im Schützenhof, wo auch ein Wettsingen der Eisenbahn-Gesangsvereine stattfand. Ein Festball in zwei Sälen am Sonntag abend bildete den Abschluß der Festfeier.

8. August
Granate auf dem Felde
Ein gefährlicher Fund wurde beim Getreidemähen auf dem August Kuhne'schen nahen Felde hinter den Eisenbahnerhäusern gemacht. Es handelt sich um eine scharfe 7,5 cm Granate, die vermutlich schon seit einiger Zeit dort gelegen hat. Das Geschoß wurde durch Hallesche Schutzpolizei gesprengt.

12. August
Verfassungstag
Am gestrigen Verfassungstag, den 11. August, wurde im Schützenhofe unter Mitwirkung der Gesangvereine Abendstern, Liedertafel, Harmonie, Arion, der Gesangabteilung des Eisenbahnvereins und des Turnvereins Vorwärts ein Festabend veranstaltet, wo Landrat Raute die Festrede hielt.

23. August
Tod von Oskar Reime
Oskar Reime ist tot. In der vergangenen Nacht ist Oskar Reime, Lehrer im Ruhestand und städtischer Archivar nach längerem Leiden im 67. Lebensjahre von uns gegangen und mit ihm ein Mensch, der sich in garnicht zu überschätzender Weise um unsere Stadt verdient gemacht hat. Als 25jähriger übernahm er von Werben aus in Delitzsch eine Lehrerstelle, die er, zuletzt an der Mädchenschule bis zum Jahre 1917 innehatte. Bald warf er sich mit nie erlahmendem Eifer auf die Erforschung der städtischen Geschichte. Seine reichen Erkenntnisse, die er hierbei gewann, vermittelte er der Allgemeinheit durch zahlreiche Veröffentlichungen, die hauptsächlich im Tageblatt und in der Delitzscher Zeitung erschienen sind. Von besonderer Bedeutung für die Stadt wurde sein Wirken als Archivar. Alles irgend wie noch erreichbare Material ging durch seine Hände, wurde von ihm geordnet und niedergelegt, z.T. ebenfalls veröffentlicht. Eine Arbeitsleistung ganz hervorragender Art, die von berufener Seite als einzig dastehend und mustergültig anerkannt wurde, ist die Kriegschronik der Stadt Delitzsch. Der Allgemeinheit wurde er durch sein Wirken an dem auf Anregung des Justizrat Dr. Schulze begründeten Museum nahe gebracht. Hier war er, auch außerhalb der eigentlichen Besichtigungsstunden, ein stets bereiter Führer und Erklärer. Bei allem kam ihn neben seiner Unermüdlichkeit sei tiefgründiges Wissen und sein fabelhaftes Gedächtnis zur Hilfe. Daneben ist im Museumsverein seiner Tätigkeit zu gedenken, wo er Schriftführer war und viele interessante Vorträge hielt. Er war auch verschiedenen anderen Vereinen vor allem der Schützengilde ein hilfsbereiter Helfer in der Herausgabe der Festschriften. Aber nicht nur den Fragen der Heimatkunde und den mit diesen verbundenen Forschungen galt seine freiwillige Tätigkeit. Er hatte auch eine besondere Liebe für Musik und war der Reihe nach Dirigent der Gesangvereine Harmonie (1879 – 1891), Abendstern (1887 – 1890) und zuletzt, 1897 – 1919, der Schulze Delitzsch Liedertafel. Es wird schwer sein, die Lücke, die sein Tod gerissen hat, wieder auszufüllen. Aber nie wird er vergessen werden. Mit der Geschichte der Stadt Delitzsch hat sich Oskar Reime ein Denkmal gesetzt, das ehrfurchtgebietender und dauerhafter ist, als ein solches in Stein und Erz.

26. August
Einbrüche
In den letzten Monaten wurden der Polizei allwöchentlich mehrere Einbruchdiebstähle gemeldet, ohne daß es bisher gelang, die Einbrecher zu fassen. Nun hat vor einigen Tagen der Obstpächter Grosch auf frischer Tat ein Einbrecherpaar ertappt, daß in seine Obstbude eingebrochen war und eine Urkette und die Räder von zwei Fahrrädern erbeutet hatten. Die Spitzbuben sind der Arbeiter Paul Schulze, Markt 12 wohnhaft und der Zimmermann Richard Braune, Dübener Str. 6. Eine polizeiliche Haussuchung ergab, daß die Täter recht viel auf dem Kerbholz haben und eine Menge Einbrüche verübt haben. Folgende Einbrüche konnten ihnen nachgewiesen werden: in die Beerendorfer Obstbude wo ihnen zwei Revolver, zwei Teschings, ein altes Gewehr, ein Rucksack, Geld, Bettwäsche, Arbeitskleidung, Wecker, Lebensmittel u.s.w. im Wert von 50 Millionen Mark in die Hände fielen. Weitere Einbrüche konnten ihnen nachgewiesen werden bei dem Gutsbesitzer Rinke in Beerendorf, in der Zementfabrik am 23. Juni, in der Dörfchenmühle, in die Obstbude Pabsch. Ferner wurden von der hiesigen Polizei bei den Einbrechern zahlreiche Sachen beschlagnahmt, deren Eigentümer noch nicht ermittelt sind. Es handelt sich um diverse Zubehörteile zu elektrischen Anlagen, einen Telefonhörer, ein Fahrrad, einen Rahmenbau, 3 Fahrradräder, Gummischlauch, Laufdecken, Gartenschlauch mit Ventil, Gummischlauch mit Glasröhren, einen alten Tesching, Revolver, Nägel, Mehl, Rasiermesser u.v.a. Die Besichtigung kann auf der Polizeiwache geschehen. Die Täter befinden sich in Halle in Untersuchungshaft.

18. September
Kämmerer gestorben
Am gestrigen Nachmittag verstarb der ehemalige Buchdruckereibesitzer und Zeitungsverleger Robert Kämmerer von hier. Durch sein ruhiges und allzeit freundliches Wesen hatte sich der Verstorbene einen angesehenen Platz unter unserer Bürgerschaft sichern können, darüber hinaus ist er aber auch weiten Kreisen aus der Umgegend besonders in seiner Eigenschaft als Kreisblattverleger bekannt geworden. Um die Pflege der Heimatkunde hatte er sich durch zahlreiche Veröffentlichungen hauptsächlich aus der Feder des ihm vorangegangenen Oskar Reime verdient gemacht.

23. September
Inflation
Der Geldwert unserer Mark sinkt weiter; er hat schon eine schwindelnde Höhe erreicht. Die ursprünglichen Tausendmarkscheine erhalten jetzt den Überdruck in roten Buchstaben: "Ein Milliarde Mark", Wertangabe: 1 Goldmark = 35.000.000 Papiermark, 1 Million Papiermark = 2,8 Goldpfennige. Der Preis für ein 1900 Gramm schweres Markenbrot beträgt ab 1. Oktober hierorts - 13.200.000 Mark.

30. September
Dr. Wahle
Am 1. Oktober sind 25 Jahre verflossen, seitdem Studiendirektor Dr. Wahle die Leitung der jetzigen Oberrealschule übernahm. In dieser Zeit hat die Schule große Wandlungen vom Realgymnasium zur Realschule und dann zur Vollanstalt durchgemacht, die auch äußerlich durch den Ausbau des Gebäudes, die Vermehrung der Sammlungen u.s.w. und nicht zuletzt durch die fast ständig wachsende Schülerzahl sichtbar wurde. Heute beträgt diese 255, einschl. 22 Mädchen. Aus Anlaß des Jubiläums fanden am 28. September eine Reihe von Veranstaltungen statt, die dem Wunsche des Jubilars und dem Ernst der Zeit entsprechend in schlichtester Form abgehalten wurden. Morgens 11 Uhr veranstaltete die Schule im engen Kreise der jetzigen und früheren Schüler sowie ihrer Angehörigen im Festsaale der Anstalt eine Feier, die durch musikalische Vorträge der Schüler umrahmt wurde. Nachmittags 3 – 6 Uhr fanden auf dem Schützenhofplatz auf Anregung der früheren Schüler Klassenwettkämpfe statt. Abends veranstalteten die früheren Schüler eine gutbesuchte Zusammenkunft, zu der auch das Lehrerkollegium, Freunde und Gönner der Anstalt, sowie die Eltern der jetzigen Schüler eingeladen waren.

8. Oktober
Adolf Münzer gestorben
Adolf Münzer, ein alter Freiheitskämpfer, ein Arbeiterführer der alten Schule ist gestern zur letzten Ruhe hinübergegangen. An der Bahre des Toten steht nicht nur die große Zahl seiner Mitkämpfer und Gesinnungsgenossen, sondern auch in stiller Haltung ein weiter Kreis seiner politischen Gegner. In ehrlicher Überzeugung hat Münzer sich, noch unter dem Sozialistengesetz, der Freiheitsbewegung der Arbeiterschaft zugewandt und treu trotz aller Nöte zu ihm gestanden. Münzer ist geborener Delitzscher. Er erlernte das Schuhmacherhandwerk, wandte sich aber dann der Zigarrenbranche zu. Seit 1900 bekleidete er ein Stadtverordnetenmandat, seit der Begründung des Konsumvereins 1903 stand er mit in dessen Leitung. Am 1. Oktober hat er auf eine zwanzigjährige Tätigkeit in diesem zurückblicken können. Er ist ein Opfer des Zahlenwahnsinns geworden. Die Milliardensummen sind ihm über den Kopf gewachsen. Er verlor die Nerven und so suchte und fand er gestern den Freitod.

10. Oktober
Gesangverein Harmonie
Das Fest des 50jährigen Bestehens vereinigte die Mitglieder des Gesangvereins "Harmonie" zu einer würdigen Feier im Saale des Schützenhofes. Ein Konzert, dessen Verlauf dem ernsten Streben, nur Gutes zu leisten Ehre machte, füllte den Abend aus. Den Hauptteil des Konzerts bestritt der Männerchor. Frl. Trillhose aus Leipzig sang drei Lieder in wunderbarer Feinheit. Die Instrumentalvereinigung gab ihr Bestes zum Gelingen des Festes. Der Sonntag war einem Festessen und dem Tanz gewidmet.

15. Oktober
Rückkehr der Ruhrkinder
Die Ruhrkinder aus Essen sind am Sonnabend den 13. d. Mts. aus Delitzsch und Umgegend wieder nach ihrer Heimat abgereist. Im Sonderzug, der schon von Falkenberg aus in Torgau und Eilenburg Hunderte von Kindern aufgenommen hatte, sind sie unter lautem Jubel abends 6.46 Uhr vom Sorauer Bahnhof abgefahren. Viele Pflegeeltern und viele andere Freunde und Bekannte hatten sich mit eingefunden, so daß die Sanitätsmanschaften, die aus Essen zum Abholen nach hier gekommen waren, kaum Ordnung schaffen konnten. Reich bepackt zogen sie davon, viel bepackter, als sie gekommen waren. Viel Liebe haben sie genossen und manch enges Freundschaftsband ist geknüpft worden. Im Leben der Kinder wird es eine unvergeßliche Episode bleiben, die sie stets an die trübe Franzosenzeit erinnern wird und auch hier haben sich die Kinder bei so manchem ins Herz eingeschlichen und sich ein Stück Liebe gewonnen.

31. Oktober
Landwirtschaftliche Schule
Am gestrigen Tage eröffnete die hiesige Landwirtschaftliche Schule ihren 8. Lehrgang mit der stattlichen Zahl von 82 Schülern, die zumeist in den Kreisen Delitzsch und Bitterfeld beheimatet sind. Direktor Schöne hieß die Schüler herzlich willkommen und dankte den Eltern und Gästen für ihr so zahlreiches Erscheinen. Der Redner wies dann in kurzen Ausführungen auf die verschiedenen Aufgaben der Schule hin und hob besonders die große Bedeutung des landwirtschaftlichen Unterrichtswesens für die so dringend notwendige Steigerung der Produktion hervor.

8. November
Teure Eisenbahnfahrt
Und wenn es noch so traurig ist, so wollen wir es doch als ein "Zeichen der Zeit" feststellen, daß es heute wieder genug Leute gibt, die auf Schusters Rappen nach Leipzig reisen, um ihre Geschäfte dort zu besorgen. Die Eisenbahnfahrt ist zu teuer, das Geschäft wirft einen "Luxus 4. Klasse" nicht mehr ab. Wer fragte noch vor einem Jahre lange nach dem Preise einer Eisenbahnfahrt? Und heute – da tritt jeder mit bang–klopfendem Herzen zum Fahrkartenschalter, um den "Kurs" der Fahrkarte zu erfahren. Es lebt das Zeitalter der Verkehrshemmungen!

9. November
Konsumverein
Der hiesige Konsumverein hatte in seiner gestrigen Generalversammlung die Wahl eines Geschäftsführers für den verstorbenen Adolf Münzer vorzunehmen. Der eingesetzte Ausschuß hatte der Versammlung den jetzigen Kassierer Hampe, den Lagerhalter Thomas und den Maler Geithe zur Wahl vorgeschlagen. Hervor ging aus der Wahl als Geschäftsführer Maler Geithe.

6. Dezember
Luisenbund
Die augenblickliche Not unter den Ärmsten der Armen hiesiger Stadt hat eine Anzahl Frauen veranlaßt helfend einzugreifen und den "Luisenbund" zu gründen. Gestern hielt dieser neu gegründete Bund im Roß seine erste Mitgliederversammlung ab, in der der Vorstand gebildet wurde. Das Amt des 1. Vorsitzenden hat Frau Hauptmann Krause übernommen. Die Mitgliederzahl erhöhte sich von 127 auf 159. Ziel des Luisenbundes ist unter Ausschluß jeder Parteipolitik, energische Bekämpfung der Not im Vaterland und in unserer Heimatstadt Delitzsch. Es sollen Speisungen durchgeführt werden und haben sich dazu 53 Damen zur Verfügung gestellt.

13. Dezember
Ein Delitzscher
Max Jungnickel, ein Delitzscher Kind, las am Mittwoch abends 8 Uhr in der Oberrealschule aus eigenen Werken.

21. Dezember
Das Krippenspiel
In diesem Jahre kommt in Delitzsch ein uralter schöner Brauch wieder zu Ehren, das Krippenspiel in der Kirche. Jahrhunderte sind vergangen, seit Delitzscher Kinder zum letzten Male etwas derartiges aufführten. Die Chronik erwähnt zum letzten Male ein ähnliches Spiel im Jahre 1564, während erstmalig 1513 davon die Rede ist. In diesem Zeitraum von etwa 50 Jahren sind die Aufführungen nicht selten gewesen, dann vergaß man sie wohl während der Religionswirren im 30–jährigen Krieg und den folgenden schweren Zeiten. Das achtzehnte Jahrhundert mit seiner pietistischen Frömmelei war auch nicht geschaffen, schöne alte Bräuche wieder in Ehren zu bringen und erst in den letzten Jahrzehnten hat man es wieder ausgegraben, was unsere Vorväter erfreute. So heißt es unter 1513: "Die Schüler führten das Spiel von den heiligen drei Königen auf, und bekamen zur Ergötzlichkeit ein Viertel Bier". Dann erwähnt die Chronik wieder eine Aufführung 1546 und 1549 und 1556. Im Jahre 1556: " Die Kantorei führte Sonntags vor Fastnachten, den 16. Februar, die Komödie Daniel auf. Der Rat gab am Tage der Aufführung den Spielern Wein zur Ergötzlichkeit". In der Chronik 1564 heißt es: der Rath verehrte der Cantorei, welche Dienstag nach Estomihi den 15. Februar die Komödie oder das Spiel : Joseph und seine Brüder in der Kirche agierte 8 Taler an Wein und Bier". Damit ist urkundlich nachweisbar, daß zwar nur einmal ein solches Spiel in der Kirche aufgeführt wurde, daß man aber sonst gern etwas spielte, wohl schon wegen der "Ergötzlichkeit" von Seiten des Magistrats. Das diesjährige Krippenspiel dürfte sonach in Delitzschs Geschichte das erste sein, soweit es nur von Delitzschern aufgeführt wurde, sonst aber folgt man hier einem schönen alten Brauch, der gerade in Luthers Tagen in Delitzsch gern geübt wurde.


1924

Rentenmark
Ende 1923 stieg die Inflation und die Mark zu schwindelnder Höhe. Der Dollar galt zuletzt 4.210.500 Mark. Es erfolgte die Ausgabe der auf wertbeständiger Grundlage (Roggenwährung) ruhenden Rentenmark, die freilich gleich einer Billion Papiermark gesetzt wurde, wodurch viele Kleinrentner verarmen und auf öffentliche Unterstützung angewiesen werden.

7. Januar
Oberrealschule
Am Sonnabend den 5. Januar abend trafen sich die ehemaligen Real- und Oberrealschüler im Roß um eine Vereinigung zu gründen. Mit der vorläufigen Leitung dieser Vereinigung wurden die Herrn Schrey und Krause betraut. Die Anschriften-Sammelstelle übernahm Herr Georg Krause, Delitzsch, Markt 13.

19. Januar
Gründungsfeier des deutschen Reiches
Die Bezirksgruppe Delitzsch des Stahlhelm, die Kreisgruppe Delitzsch des Wehrwolf, der Kreiskriegerverband Delitzsch, die Bruderschaft Delitzsch des Jungdeutschen Ordens, die hiesige Ortsgruppe des Königin Luise- Bundes und die Offiziervereinigung Delitzsch und Umgegend hatten sich gestern den 18. Januar zusammengefunden um in gemeinsamer Veranstaltung der vor 53 Jahren erfolgten Gründung des deutschen Reiches zu gedenken. Annähernd 3000 Personen beteiligten sich an der Feier und bereits lange vor Beginn waren nicht nur der geräumige Saal, sondern auch die Nebenräume des Schützenhofes so überfüllt, daß Hunderte keinen Einlaß mehr finden konnten. Der Vorsitzende des Kreiskriegerverbandes Major a. D. Kuntze - Delitzsch begrüßte die Erschienenen namens der Vorstände der vaterländischen Verbände. Sodann sprach der Vorsitzende der Bezirksgruppe des Stahlhelm, Kaufmann Klening - Delitzsch. Die Festrede hielt General-Major Maercker - Halle. Es sprachen sodann noch Lehrer Lobenstein für den Jungdeutschen Orden, Frau Hauptmann Krause für den Luisenbund, Tierarzt Hesse für den Wehrwolf und Bankdirektor Lüer für die Offiziervereinigung. Die Feier war umrahmt von Musik der Reichswehrkapelle des Reichswehrregiments Nr. 11.

29. Januar
Gutenbergstraße
Es wird noch in diesem Jahre mit dem Bau von Wohnhäusern auf der Gutenbergstraße begonnen. Einige Siedler der Heimstättengenossenschaft wollen bauen und ersuchen den Magistrat um Überlassung von Bauland an der Gutenbergstraße. Es werden vier Bauparzellen je 1500 Quadratmeter zum Preise von 1,00 Mark pro Quadratmeter abgegeben, unter der Bedingung, daß mit dem Bau am 1. April begonnen wird und daß er im Oktober beendet sein muß. In Zukunft wird bei Abgabe von Baustellen auf der Gutenbergstraße nicht über 1000 Quadratmeter pro Baustelle hinausgegangen.

6. Februar
Regenjahr 1923
Das Jahr 1923 war ein richtiges Regenjahr, wie es sich manchmal zwischen trockene und heiße Sommer schiebt. Eine solche Nässeperiode hat merkwürdige Folgen in der Natur. Man fand z. B. viele tote Finken- und Ameisenjunge in den Nestern, da die kaltfeuchte Witterung den Insektenmangel begünstigte und die Ernährung der jungen Tiere erschwerte, ebenso häuften sich die verhungerten Turmschwalben in den Schlupfwinkeln der Dächer; die Wildenten brüteten wegen der Feuchtigkeit am Erdboden in Raben und Raubvogelnestern; die hungrigen Fledermäuse flogen sogar am Tage auf Raub aus; die Wiesel machten Beutezüge auf Bäumen, um wegen des durch die Nässe hervorgerufenen Mäusemangels die Vogelnester zu plündern; es gab auffallend wenig Eidechsen, Mäuse und Insekten. Im Pflanzenreich beobachtete man, daß Fingerhüte und Glockenblumen zum Schutz gegen Regen die Glocken abwärts beugten und sie dann völlig wegen aufsteigender Erdnebel schlossen; die stahlblaue Holzbiene bohrte Löcher in die Blütenkammer.

17. Februar
Rundfunk
Der erste öffentliche Radio-Rundfunkabend fand gestern im "Schwan" hierselbst statt. Die Vorführungen lagen in den Händen des Leipziger Generalvertreters der Auto-Funk G.m.b.H., Berlin. In seinen etwa einstündigen Ausführungen machte der Vortragende die zahlreich erschienenen Besucher mit dem Wesen der neuesten Errungenschaft, der drahtlosen Telefonie, bekannt. Nach Beendigung seines interessanten Vortrages machte der Vortragende seinen Apparat zur Aufnahme fertig. Das Ganze besteht aus einem kleinen Tischgehäuse etwa in der Größe einer Zigarrenkiste, daß nach außen durch einen einfachen Kupferdraht mit der über dem Dache gespannten einfachen (nicht doppelten) Antenne von 35 Meter Spannweite verbunden ist. Ein großer Trichter von ca. 1 Meter Durchmesser schwebt an einem Faden befestigt, frei in der Luft und ist wiederum mit dem Tischgehäuse durch einen Draht verbunden. Mit gespannter Aufmerksamkeit richten sich aller Augen unter atemloser Stille nach dem Trichter, um der Dinge zu harren, die da kommen sollen. Eine liebliche Walzermelodie zeigt uns an, daß das Konzert (in Königswusterhausen) seinen Anfang genommen hat. Die Wiedergabe durch den Trichter ist klar und deutlich. In bunter Reihe folgen nunmehr die Konzertstücke. Nach Abspielung von "Wiener Blut" verabschiedet sich "Königswusterhausen" mit einem "Gute Nacht". Nachdem Königswusterhausen zu senden aufgehört hatte versuchte der Vorführende England zu bekommen, das mehr oder weniger auch gelang. Natürlich ist eine so deutliche Wiedergabe wie von Königswusterhausen nicht zu erzielen gewesen, da sich hier Witterungseinflüsse u.s.w. störend geltendmachen.

17. Februar
Bezirkskonferenz der VSPD
Heute fand eine Konferenz des Unterbezirkes Delitzsch-Bitterfeld der VSPD im Lindenhof zu Delitzsch statt, auf der von 30 Ortsgruppen nur drei nicht vertreten waren. Der Vorsitzende Thomas - Delitzsch leitete die Tagung ein mit ehrenden Worten für den alten Parteiveteranen Hermann Graupe - Delitzsch (84 Jahre alt) und mit anerkennenden Worten für den verstorbenen Parteifreund Münzer. Es sprachen zur politischen Lage mehrere auswärtige Genossen und von Delitzsch: Hampe, Schwahn und Raute. Im Anschluß an die Aussprache wurde folgende Entschließung vorgelegt: "Die Unterbezirkskonferenz Delitzsch-Bitterfeld bedauert die bisherige Politik der Partei und der Reichstagsfraktion der VSPD und erwartet, daß Partei und Fraktionen künftig eine Politik vertreten, die geeignet ist, der Partei das Vertrauen aller sozialdemokratischer Kreise des schaffenden Volkes zu erwerben". Bei der Abstimmung erklärten sich nur 18 Teilnehmer für die Entschließung.

23. Februar
Pawlowski
Malermeister H. Pawlowski kann am heutigen Tage auf das 25jährige Bestehen seines Geschäftes zurückblicken.

25. Februar
Verhaftung Baumgärtel
In Schutzhaft genommen und nach Halle abtransportiert wurde heute vormittag auf Befehl des Wehrkreiskommandos der Buchhandlungsgehilfe und kommunistische Stadtverordnete Karl Baumgärtel von hier. Diese Verhaftung, die im Anschluß an seine standesamtliche Trauung stattfand hängt mit seinen Äußerungen in der letzten Stadtverordnetensitzung zusammen.

29. Februar
Oskar Apitzsch
Der Eisenhändler Oskar Apitzsch, Leipziger Straße, kann am morgigen Tage auf ein dreißigjähriges Geschäftsjubiläum zurückblicken. In dieser Zeit hat der rührige und im Berufs - wie auch öffentlichen Leben hochangesehene Jubilar sein Geschäft aus kleinen Anfängen zu einem Unternehmen emporgehoben, das weit über die Grenzen unseres engeren Bezirks bekannt ist.

14. März
Heimatkunde
Heimatkundlich interessierte Vertreter der Kreise Delitzsch und Bitterfeld fanden sich gestern zu einer internen Besprechung in der "Linde" zusammen, um zu der Frage der Herausgabe eines Heimatkalenders Stellung zu nehmen. Das Ergebnis war, daß für das Jahr 1925 bestimmt mit dem Erscheinen zu rechnen ist.

14. März
Gedächtnisfeier Osk. Reime
Der gestrige Delitzscher Heimatabend, der zu einer Oskar Reime-Gedächtnisfeier ausgestaltet war, konnte sich eines besonders guten Besuches erfreuen. Emil Obst - Bitterfeld, ein unserm Reime besonders nahestehender Freund hatte die Gedächtnisansprache übernommen und feierte den Dahingegangenen als Mensch und Freund, feierte seine unermüdliche Schaffensfreudigkeit als Lehrer, Archivar, Museumsverwalter, Kriegschronist, Schriftsteller, Vortragsredner, Gesangvereinsdirigent und Komponist. Seine bedeutende Persönlichkeit wird allezeit neben Johann Gottlieb Lehmann, Schulze-Delitzsch und A. Thierbach gleichgeachtet stehen. Einen zweiten Vortrag hielt Justizrat Dr. Schulze über "Das alte und das malerische Delitzsch". Umrahmt wurden die beiden Reden durch gesangliche Vorträge derjenigen der hiesigen Gesangvereine, die s. Z. von Oskar Reime dirigiert wurden: Schulze – Delitzsch Liedertafel, Harmonie, Abendstern und Arion.

16. März
Mittelschule
Die Regierung hat ihre Genehmigung zur Umwandlung der Höheren Mädchenschule in eine Mittelschule erteilt.

26. März
Nobbe
In nichtöffentlicher Sitzung der Stadtverordneten wurde gestern der Sparkassendirektor Karl Nobbe in Quedlinburg zum Verwalter der hiesigen Stadtsparkasse und Stadtbank gewählt. Er tritt seine neue Stelle bereits zum 1. April an. Der Gewählte war in Quedlinburg Leiter einer großen Zweigstelle der Stadtsparkasse Quedlinburg. Am 1. April wurde Stadtbaumeister Kessel in den Ruhestand versetzt.

2. April
Ruhestand Petzoldt
Konrektor Petzold trat gestern in den wohlverdienten Ruhestand. Fast vier Jahrzehnte hat er seine Kraft in den Dienst der Knabenschule gestellt und sein Bestes gegeben. Bei einer schlichten Feier im Schulsaale fanden Kreisschulrat Sehmisch und Rektor Hansjürgens treffliche, zu Herzen gehende Worte des Dankes und der Anerkennung für den verdienstvollen Mann. Am Abend fand eine Nachfeier in der Elbritzmühle statt.

2. April
Röhrborn
Lehrer Röhrborn feierte gestern sein 25jähriges Dienstjubiläum. Er ist Schüler des hiesigen Seminars und trat im Jahre 1905 seinen Dienst an unserer Knabenvolksschule an. Auch unsere Mädchenschule hat in den Reihen ihres Lehrerkollegiums einen Jubilar. Konrektor Laue beging gestern sein 25jähriges Ortsjubiläums.

7. April
Bismarckfeier
Die Vaterländischen Verbände Delitzsch u. Umg. veranstalteten gestern eine großangelegte Bismarckfeier. Am Vormittag versammelten sich die einzelnen Verbände teils im Schützenhof, teils im Schützenhaus und hielten interne Besprechungen ab. Um ½ 12 Uhr traten sie dann zum gemeinsamen Kirchgang an, um am Festgottesdienst in der Stadtkirche teilzunehmen. Die Festpredigt hielt Pastor Valentin - Eilenburg. Nach dem Gottesdienst marschierten die Verbände wieder in ihre Festlokale, wo nun die eigentliche Bismarckfeier abgehalten wurde. Beide Säle waren von Teilnehmern überfüllt. Im Schützenhaus hielt die Bismarckrede General von Weisberg - Potsdam. Die Feier wurde durch Vorträge der Instrumentalvereinigung Delitzsch und des Lindequartetts erweitert. Im Schützenhof hielt die Festansprache Dr. Stadler - Berlin. Die schneidigen Märsche der Stahlhelmkapelle Halle wurden mit Begeisterung aufgenommen. Diese Kapelle gab dann am Abend im Schützenhof noch ein gut besuchtes Konzert.

12. April
Dr. H. Wahle
Am 10. April schied aus dem Amte der langjährige hochverdiente Leiter der Oberrealschule Studiendirektor Dr. Hermann Wahle. Auf seinen Wunsch war eine größere öffentliche Abschiedsfeier unterblieben. In engerem Kreise brachten ihm nur Lehrerkollegium und Schülerschar ihren Dank und ihre Wünsche dar. Studienrat Schmiedeberg hob in seiner Rede die Verdienste des Scheidenden hervor, der 40 Jahre lang die Jugend gelehrt und 25 ½ Jahre die hiesige Anstalt geleitet hat. Als er sie übernahm, zählte sie 80 Schüler, in zehn Jahren brachte er die zur Ober-Realschule ausgebaute Anstalt auf 300 Schüler, eine Zahl, die nach einigen Schwankungen auch heute wieder erreicht ist. Für die Schüler sprach der Obersekundaner D. von Schulz. Studiendirektor Dr. Wahle dankte in bewegten Worten.

17. April
Sängerbund
Die hiesigen fünf Gesangvereine Abendstern, Arion, Eisenbahner-Gesangsgruppe, Harmonie und Schulze–Delitzsch Liedertafel haben sich zu einem Sängerbund zusammengeschlossen, um von Zeit zu Zeit den Bürgern der Stadt Delitzsch bald hier, bald dort Aufführungen in Massenchören zu bieten. Schon am 1. Osterfeiertag vormittag 11 Uhr wird auf dem Marktplatz das erste Platzkonzert stattfinden. Zum Vortrag werden folgende Lieder gelangen: 1. Das ist der Tag des Herrn von E. Kreutzer, 2. Land in Not von Janoske, 3. Der Lindenbaum von Schubert, 4. Morgenrot, Volksweise, 5. Wohin mit der Freud von Silcher, 6. Horch! Die alten Eichen rauschen.

23. April
Meisterjubiläum
Das 50jährige Meisterjubiläum begeht am heutigen Tage der Fleischermeister Barth, hier.

1. Mai
Berufsjubiläum
Am heutigen Tage feiert der technische Betriebsleiter der Walter'schen Buchdruckerei, Faktor Gustav Hahn, sein 50jähriges Berufsjubiläum. Der Jubilar gehört seit fast 25 Jahren der Firma.

2. Mai
Dr. Becker
Gestern bei Schulanfang trat der neue Studiendirektor Dr. Becker aus Aschersleben kommend sein neues Amt an. Im Auftrage des Prov. Schulkollegiums führt 1. Bürgermeister Böttcher den neuen Leiter der Anstalt ein.

6. Mai
Stadtverordnetenwahl
Die Stadtverordneten wurden neu gewählt. Die neuen Stadtverordneten sind:

1. Vereinigte Sozialdemokratische Partei: Buhle Paul, Hampe Richard, Schwahn Fritz. (3)
2. Kommunistische Partei: Geithe Otto, Schneider Franz, Voigt Franz, Kuntsche Anna, Kotze Paul, Forster Karl, Gebhardt Herm., Kranz Max, Wagner Willi (9)
3. Vaterländische Gemeinschaftliche: Mietzsch Hermann, Menzel Richard, Franke Ernst, Dr. Kurtzhals, Poßdorf Hermann, Kiehler Oskar (6)
4. Wirtschaftlicher Ordnungsblock: Schmidt Paul, Köthnig Richard, Hampe Louis, Freitag Otto, Dr. Ernesti Hans, Schickerling Franz. (6)
5. Angestellte und Beamte: Hansjürgens Johannes, Fritzsche Gustav. (2)

3. Juni
Ehrenmal
Nun haben auch wir in Delitzsch unser Ehrenmal für unsere teuren Gefallenen. Die Einweihung fand am Sonntag den 1. Juni statt. Es ist nicht in die Form der landläufigen Denkmäler gefasst, wie wir sie meist finden in Stadt und Land, aus Stein oder Erz gebildet, aber es ist sicher nicht weniger schön, als andere es sind. Es besteht in zwei großen, künstlerisch ausgeführten, monumentalen Wandgemälden, die in unserer Marienkirche an den Wänden angebracht sind. Schlicht und einfach und doch überwältigend und erhebend hat der Künstler, der Studienrat Professor Vetter aus Leipzig, seine Gedanken dargestellt. Die Einzelfeiern begannen schon in früher Morgenstunde. Die Jugendabteilung des Vaterländischen Frauenvereins hatte schon von 6 Uhr ab die Gräber der Gefallenen mit Kränzen geschmückt. Um 7 Uhr fand dann hier eine schlichte Morgenfeier statt. Die Hauptfeier war dann 8.20 Uhr in der Marienkirche; sie war nur für die Angehörigen der Gefallenen bestimmt. Der Altarraum war gefüllt von den Fahnen der Vereine, die an der Feier sich beteiligten. Die umfassendste Feier war dann um 10 Uhr in der Stadtkirche. Generalsuperintendent Schöttler aus Magdeburg hielt die Festpredigt. Bei diesem Gottesdienst wirkten mit, Frau Dr. Kurtzhalß, die Instrumentalvereinigung und der Kirchenchor, Superintendent Hobbing und Pfarrer Noack hatten beide den liturgischen Teil des Gottesdienstes übernommen. Nach dem Gottesdienst fingen die Glocken an zu läuten und unter dem Vorantritt der Fahnengruppen bewegte sich die Versammlung im langen Zug nach der Gedächtniskirche. Währenddessen schmetterten Fanfaren vom breiten Turm die Schwedenmärsche, die dann in Choralmelodien übergingen. Der Zug bewegte sich dann durch die Gedächtniskirche unter den beiden Bildern vorüber. Nach dem Durchzug durch die Kirche boten die vereinigten Gesangvereine unter der Leitung des Lehrers Linde auf dem Marienfriedhof einige Lieder. Am Nachmittag um 3 Uhr war in der Gedächtniskirche ein Jugendgottesdienst, den Pastor Winkler aus Sausedlitz hielt. Die Abendandacht auf dem Marienfriedhof hielt Superintendent Hobbing. Durch diese Feier ist die Gedächtniskirche nun wieder mehr in den Vordergrund gerückt. Sie verdient es ja auch, schon wegen ihrer wunderschönen Lage. Der Gemeindekirchenrat hat beschlossen, die Marienkirche fernerhin "Gedächtniskirche" zu nennen.

2. Juni
Die Schützengilde Delitzsch konnte gestern Nachmittag auf ihren neu hergerichteten Schießständen das erste diesjährige Übungsschießen abhalten.

14. Juni
Freie Volksbühne
Um den Delitzschern gute Theaterstücke zu bieten hat sich hier eine neue Vereinigung unter dem Namen "freie Volksbühne" gebildet. Gestern fand in der "Linde" die erste Mitgliederversammlung statt. Lehrer Schwahn hielt einen Vortrag und wies darauf hin, daß der Intendant des Stadttheaters in Halle die Leitung der hier in Frage kommenden Aufführungen übernommen hat. Um billige Aufführungen sichern zu können sind 300 bis 500 Personen notwendig. Die von den Mitgliedern zu besuchenden Pflichtvorstellungen finden etwa aller drei Wochen statt, etwa 8 bis 12 im Jahre. Die Auswahl der Stücke liegt einem künstlerischen Obmann ab. Es hat sich ein Festausschuß gebildet dessen Leiter Lehrer Schwahn ist.

27. Juni
Bundesschießen
Delitzsch war wieder einmal Feststadt. Vom 22. bis 26. Juni fand hier das 31. Bundesschießen der Provinz Sachsen, Anhalt und Braunschweig statt. Delitzsch hatte zu diesem Zwecke ein überaus buntfarbenes Festkleid angelegt. Guirlanden und Kränze, Bänder und Fähnchen, Schwarzweißrote Fahnen wehten in überwiegender Mehrzahl von den Häusern. Schon vom frühen Morgen des Sonntag kamen die auswärtigen Schützen mit dem Zuge, dem Lastautomobil, mit Wagen und Kutschen von nah und fern. Um 11 Uhr begann der Umzug, innerhalb desselben große Festwagen. Auf dem Marktplatz fand die Übergabe der Bundesfahne an die Delitzscher Schützengilde statt. Vom Marktplatz bewegte sich sodann der Zug nach dem Schützenhof, woselbst ein Festessen stattfand. Erster Bürgermeister Böttcher hielt hier die eigentliche Festrede. Bald darauf begann das Schießen auf die verschiedenen Scheiben. Über 150 Preise kamen für die besten Schützen zur Verteilung. Die Ehrenscheibe wird am 26. Juni Punkt 1 Uhr eingezogen; das Preisschießen ist damit beendet. Der Schützenhofplatz bot in diesen Tagen das gleiche Bild wie zu Pfingsten; nur daß das bunte Bild zum Teil noch lebhafter war. Am Mittwoch dem vorletzten Festtag fand im Schützenhofsaale ein "Bunter Vortragsabend" statt. Die hiesigen vereinigten Gesangvereine unter Leitung des Lehrer Richter, das Lindequartett und die Solotänze einer Leipziger Künstlerin bestritten das sehr umfangreiche Programm. Bei eingetretener Dunkelheit fand ein großes Brillantfeuerwerk statt. Am Donnerstag abend verabschiedeten sich die Schützen von ihren auswärtigen Gästen mit einem Kommers.

11. Juli
"Die Jahreszeiten"
Der Musikverein führte am Mittwoch unter Hinzuziehung einiger auswärtiger Solisten unter Leitung von Seminaroberlehrer Heine das Ovatorium "Die Jahreszeiten" im Schützenhof auf. Die schwere Aufführung gelang vorzüglich. Den Aufführenden wurde stürmischer Beifall zu teil. Ein Lorbeerkranz war der Lohn für den Dirigenten.

15. Juli
Ehemalige Schüler des Delitzscher Seminars verschiedener Jahrgänge hatten sich am Sonnabend zur Gründung der "Vereinigung ehemaliger Schüler des Seminars zu Delitzsch" zusammengefunden. Unsere Lehrerbildungsanstalt wird Ostern 1926 seine letzte Klasse entlassen. Die Vereinigung will nun über die Klassenzusammenkünfte hinaus ein gemeinsames Band um alle schlingen, die einst hier ihre Ausbildung fanden. Gleichzeitig will die Vereinigung für eine würdige Erhaltung der Kriegerehrungsstätte im Seminar in der Zukunft Sorge tragen.

27. Juli
Der Schuhmachermeister Zeising hier, Münze, feiert heute sein 50jähriges Meisterjubiläum. Der Jubilar ist Ehrenobermeister der Delitzscher Innung. Vom Magistrat und der Innung wurden ihm Glückwünsche überbracht.

16. August
Verfassungsfeier
Anläßlich des Verfassungstages, 11. August, fand im Schützenhof eine groß angelegte Verfassungsfeier statt. Landrat Raute hielt die Eröffnungsrede nachdem die Instrumentalvereinigung mit dem Marsch "Deutschlands Ruhm" die Feier eingeleitet hatte. Sämtliche Gesangvereine der Stadt und das Lindequartett verschönten den Abend durch gesangliche Vorträge. Die Festrede hielt Seminarprorektor Dr. Schröder. Nach der Festrede wurde stehend der 3. Vers des Deutschlandliedes gesungen. Der Saal war überfüllt und mit schwarz–rot-goldenen Fahnen und der Fahne des Reichsbanners geschmückt.

19. August
Meisterjubliäum
Sei 50jähriges Meisterjubiläum konnte am Sonnabend der Schuhmachermeister Krannich aus der Kohlstraße begehen.

28. August
Neupflaster
Die Hallesche Straße bis zur Ritterstraße erhält ein neues Pflaster.

29. August
Der Breite Turm
Der Breite Turm erhielt gestern am Blitzableiter einen modernen Blitzschutz. Viele Neugierige schauten verwundert zu, wie Installateur W. Merz mit Hammer und Meißel am starken Seil herauf und herabsegelte.

1. September
Seminar
Am Sonnabend den 30. August veranstalteten das Lehrerkollegium und die Schüler des Seminars im geräumigen Park des Seminars ein Parkfest, an dem auch die "Vereinigung ehemaliger Schüler" des Seminars und viele Gäste der Stadt und Umgegend teilnahmen. Vor Beginn des Festes wurde an der Ehrentafel des Seminars ein Dauerkranz in feierlicher Handlung niedergelegt. Im Park selbst entwickelte sich ein buntbewegtes Treiben. Lehrer und Schüler erscheinen in Trachten des 30jährigen Krieges und führen uns an verschiedene Ausführungen zurück an den 30. August 1631, wo über den friedlichen, in grünen Wiesen gebetteten und von stolzen Mauern und Türmen geschmückten kurfürstlichen Städtchen Delitzsch die Sonne aufgeht. Und nun rollt ein Bild dieses Tages an unseren Augen vorüber. Das Stadttor wird geöffnet, Marktweiber kommen, Flüchtlinge begehren Einlaß, schwedische Soldaten sind in der Stadt, Gustav Adolf wird vom Bürgermeister begrüßt. Schwänke und Lieder, ein lustiger Landsknechtstanz, Zauberer und Zigeuner beleben das Soldatenleben. Alle, die anwesend waren sind mit Befriedigung geschieden und bedauerten den plötzlichen Abschluß durch den eingetretenen Regen.

7. September
Rich. Meißner
Die Kohlen-, Getreide- und Düngemittelhandlung R. Krone hier, ist durch Kauf an Richard Meißner - Niemberg übergegangen.

8. September
Wettkämpfe
Am gestrigen Sonntag fanden die vom Reichsausschuß für Leibesübungen vorgeschriebenen Wettkämpfe an der Turnhalle, Bitterfelder Straße und auf dem alten Schützenplatz statt. Für die zahlreichen Zuschauer war es eine Freude, 200 Teilnehmer, Turner und Turnerinnen, frische Jungens und Mädels bis zum 18. Jahre wetteifern zu sehen.

9. September
Am heutigen Tage fand hierselbst eine Tagung der Vereinigung mitteldeutscher Ortsmuseen statt. Nach Empfang der auswärtigen Gäste fanden sich sämtliche Teilnehmer am Schulze Delitzsch Denkmal ein und besichtigten darauf die Kirchen der Stadt, besonders die Hospitalkirche. Um 11 Uhr fanden sich alle im "Schwan" zusammen, um einige Vorträge zu hören. Dr. Schulze begrüßte die Teilnehmer und hielt einen eingehenden Vortrag über die Geschichte der Stadt. Einen zweiten Vortrag hielt Prof. E. Schroeter - Weißenfels über Heimatkalender. Während der ganzen Zeit war im Saal eine Ausstellung der Firma Krause über "Die alte Stadt" allen Teilnehmern zugänglich.

22. September
Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold
Am Sonnabend und Sonntag den 20. und 21. September fand die Bannerweihe des "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" unserer Stadt statt. Die Vorfeier am Sonnabend fand im Schützenhofsaale durch einen Kommers statt. Landrat Raute hielt die Festrede. Umrahmt wurde der Abend durch einen Prolog, Marschweisen der Halleschen Reichsbannerkapelle und Lieder des Lindequartetts. Am Sonntag vormittag trafen zahlreiche Reichsbanner-Ortsgruppen aus der nahen und weiteren Umgebung ein. Vom Schützenplatz bewegte sich der Festzug mit 14 Fahnen durch einige Straßen der Stadt nach dem Marktplatz. Hier fand der Weiheakt statt. Staatsminister Dr. Weber - Dessau hielt die Weiherede und vollzog die Weihe des neuen Banners. Der Festakt schloß mit dem Bannerlied. Dann folgte der weitere Durchzug der Straßen nach dem Schützenhofplatze. Im Schützenhof wie im Schützenhaus fanden dann die Nachfeiern statt.

1. Oktober
Bauamt
Das Bauamt unserer Stadt kann heute auf eine 25jährige Amtszeit zurückblicken. 25 Jahre wirkte in ihm Baumeister Kessel, der mit dem heutigen Tag in den Ruhestand tritt.

12. Oktober
Vom 10. d. Mts. ab ist das bisherige Eisenbahnwerkstättenamt auf Grund ministerieller Anordnung nach neuzeitlichen Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung umgestellt worden. Die hiesige Hauptwerkstätte führt nunmehr die amtliche Bezeichnung Eisenbahnausbesserungswerk Delitzsch. An der Spitze steht unter Ernennung zum Werkdirektor der bisherige Vorstand des Werkstättenamtes Regierungs- und Baurat Wegener.

18. Oktober
Adreßbuch
Nach langer mühevoller Arbeit hat Oberstadtsekretär Fricke in diesen Tagen das neue Adreßbuch der Stadt Delitzsch herausgegeben.

26. Oktober
Theater
Die Direktion Hepner gibt am morgigen Sonntag "Das Hollandweibchen". Auch ein Kind unserer Stadt, Eva Schulze, wird erstmalig in Delitzsch auf der Schützenhausbühne auftreten.

21. November
Gundermann
Oskar Gundermann, des Kreises 1. Kreisausschußsekretär seit Bestehen der Kreisordnung, 1872, ist im 70. Lebensjahre verstorben. Einem letzten Wunsche dieses selbstlosen und treuen Beamten entsprechend, sollen Nachrufe ihm nicht gewidmet werden.

22. November
Damaschkestraße
In der letzten Sitzung der Stadtverordneten am 18.11. beschäftigte man sich auch mit der Besiedlung der Damaschkestraße. Es liegen drei Pläne vor. Plan A gibt jeden Grundstück einen Platz von 1080 – 1100 Quadratmeter, Plan B von 800, Plan C von 600 Quadratmeter. Die Siedlungsgenossenschaft wünscht 1200 Quadratmeter. Die Straßenbreite soll 8 bis 12 Meter betragen. Die nächste Stadtverordnetensitzung wird den entgültigen Plan festsetzen.

1. Dezember
Seminarkonzert
Unser Seminar hat fast jedes Jahr ein Konzert gegeben . Die Veranstaltungen waren Ereignisse im Delitzscher Musikleben. Auch gestern hatten sich zahlreiche Besucher eingefunden, das letzte Konzert zu hören; denn das nächste Jahr sieht nur noch eine Seminarklasse, und ihre Kräfte werden nicht ausreichen, die traditionelle Veranstaltung auszuführen. Drei Teile waren in dem gestrigen Programm zu unterscheiden: die alten Komponisten vertreten durch Adam Krieger und Heinrich Albert, neue Meister in Franz Schubert, Ludwig van Beethoven und Ferd. Hummel und die neuesten, von denen Max von Schillings und Pietro Mascagni gewählt waren. Die Leitung hatte Seminaroberlehrer Heine. Chöre, Orchester und Solisten leisteten Außergewöhnliches. Mit dem "Intermezzo sinfonico" für Streichorchester, Klavier und Orgel aus "Cavalleria rusticana" von Mascagni fand der Abend sein Ende und damit die schöne Zeit, in der unser altehrwürdiges Seminar zu den Delitzscher Einwohnern in innigster Verbindung gestanden hat.

2. Dezember
Rentenmark
Seit dem 30. August ist ein Übergang zur neuen Reichswährung geschaffen. 1 Rentenmark = 1 RMark.

9. Dezember
Wahl
Nach Auflösung des Reichstages am 7. Dezember fand wieder Reichstags- und Landtagswahl statt.

19. Dezember
Bürgermeister Grüneberg
Unser zweiter Bürgermeister Grüneberg hat wegen Krankheit seine Pensionierung eingereicht. Dem Antrag wird stattgegeben. Das Ruhegeld beträgt 52 Hundertstel des Gehalts der Gruppe 11 der Staatsbeamten. Es wird für die Wiederbesetzung ein Jurist gefordert.


1925

Heldenbuch
Die Kriegerehrungenskommision, deren Vorsitzender Pfarrer Kohlmann ist, hat die Anfertigung eines Heldenbuches für die Gedächtniskirche beschlossen und beginnt damit.

14. Januar
Bahnbau Del.-Rackwitz
Die Kreisbahn Delitzsch – Rackwitz wird gebaut. Nach langen und schwierigen Verhandlungen, die fast ein Jahr lang dauerten, ist nun vom Kreistag das Kreisbahnprojekts Delitzsch – Rackwitz unter Dach und Fach gebracht worden. Nach dem Entwurf soll die Kleinbahn vom Sorauer Bahnhof in Delitzsch über Gertitz, Gr. Lissa, Kl. Lissa, Kattersnaundorf, Grabschütz, Zwochau, Kölsa, Glesien, Freiroda, Radefeld, Hayna, Wolteritz und Lössen nach Rackwitz geführt werden und dort in die Rackwitz, Krostitz–Krensitzer Kleinbahn einmünden. Die geplante Bahn Delitzsch–Rackwitz wird 27 km lang und erfordert einen Kostenaufwand von 1.800.000 Mark Die Bauzeit wird vom 1. April 1925 bis 30. September 1926 berechnet. Ein Drittel der Kosten trägt der Landkreis Delitzsch also 600.000 M, dazu kommen dann noch 100.000 M für Grunderwerb, das zweite Drittel trägt die Provinz Sachsen und das letzte Drittel der Preußische Freistaat.

15. Januar
Liebener
Am 12. Januar ist mit Veterinärrat Heinrich Liebener eine der angesehensten Persönlichkeiten unserer Stadt ins Jenseits abberufen worden. In Stendal geboren ist er bald nach Beendigung seiner Studien nach Delitzsch gekommen. Der Verstorbene nahm im Vereins- und öffentlichen Leben eine hochgeachtete Stelle ein und war auch mehrere Jahre vom Vertrauen seiner Mitbürger ins Stadtparlament geschickt worden. Zehn Jahre war er auch in der hier bestehenden Loge deren Meister vom Stuhl.

21. Januar
Ernst Freyberg
Wieder hat der Tod einen verdienstvollen Bürger unserer Stadt ins Jenseits abberufen. Stadtältester Ernst Freyberg ist einer heimtückischen Kopfgrippe zum Opfer gefallen. Der Verstorbene wurde am 30. Oktober 1861 hierselbst geboren und übernahm nach Absolvierung seines Studiums 1885 die hiesige Adlerapotheke, die schon drei Menschenalter im Besitz der Familie war. 1894-1916 war er Stadtrat und schied als Stadtältester aus. Er hat sich auch sonst in hervorragender Weise betätigt. So war er stellv. Vorsitzender des Kreiskriegerverbandes, Kirchenältester, Vorsitzender des Verkehrsvereins, Mitglied des Kreisausschusses, Vorsitzender des Krankenkassenverbandes für Mitteldeutschland, während des Krieges Vorsitzender des Mobilmachungsausschusses. Nachdem er die Adlerapotheke abgab, erbaute er in der Ritterstraße eine chemische Fabrik und nun wurde er aus seinem Wirken herausgerissen durch seinen Tod.

5. Februar
Sozialdemokr. Partei
In einer Kreisvorstandsitzung der Sozialdemokratischen Partei in Delitzsch wurde auf Antrag der Parteimitglieder aus Eilenburg einstimmig beschlossen, den Sitz des Parteisekretärs der sozialdemokratischen Partei Delitzsch – Torgau nach Eilenburg zu verlegen. Auch die Delitzscher sehen die Notwendigkeit ein.

10. Februar
Sturmschaden
Ein mächtiger Sturm erhob sich in dieser Nacht und richtete an Dächern, Telefon und Telegraphenleitungen bedeutenden Schaden an. Von dem Dach des Eckhauses Bismarckstraße 9 holte er Teile der Schieferbedeckung und Ziegel herunter, deren Trümmer heute morgen in der Poststraße verstreut lagen. Auf dem Nordplatz, am Hause des Fleischermeisters Brendel, stürzte der Schornstein auf die Starkstromleitung, durchschlug diese, und der Sturm legte nun die Drähte auf die Telefonleitung, so daß auch hier Störungen eintraten.

11. Februar
Scharruhn
Auf Grund einer Ministerialverordnung erhält der hauptamtlich angestellte Lehrer der gewerblichen Fortbildungsschule, Lehrer Scharruhn, den Titel Oberlehrer.

15. Februar
Landrat Raute, der am 1. April d. J. aus dem Amt scheidet, wurde in Anerkennung seiner Verdienste um das Kleingartenwesen von der Generalversammlung des Kleingartenvereins Delitzsch zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt.

16. Februar
Die Vaterländischen Verbände sammelten sich gestern in unserer Stadt zu einer Protestkundgebung gegen die Nichträumung Kölns von den Franzosen. Unter Voran – der Stahlhelmkapelle Halle bewegte sich der Zug der Vaterländischen Verbände des ganzen Kreises von der Gasanstalt aus zunächst nach dem Markt und dann auf den Schützenhof. Hier sprachen Major Peitzke und General Litzmann, der Held von Brzeziny. Beide Redner forderten in scharfen Worten die Räumung Kölns. Abends hielt General Litzmann im Saal des Schützenhofes einen Vortrag mit Lichtbildern über die Winterschlacht in Masuren und den Durchbruch bei Brzeziny.

27. Februar
Landestrauertag
Ein Landestrauertag im ganzen deutschen Reich soll der nächste Sonntag der 1. März sein. Wir wollen unsere teuren Gefallenen nicht vergessen. Der Vor- und Nachmittaggottesdienst wird zum Festgottesdienst ausgestaltet, in denen namhafte Kräfte der Stadt mitwirken. Am Abend wird dann in der Stadtkirche den Gefallenen zu Ehren ein Konzert stattfinden, eine stimmungsvolle Abendmusik, die zu ernster Andacht und dankbaren Gedenken stimmen möchte. Die mitwirkenden Kräfte sind Fr. Dr. Kurzhalß, Frl. Herold, Frl. Köthnig, die Instrumentalvereinigung, das Lindequartett und Organist Sauerteig.

1. März
Reichspräsident Ebert / Tauer
Der Reichspräsident Ebert ist heute vormittag 10.15 Uhr sanft entschlafen. Am Sterbelager weilten Frau Ebert, ihre Kinder und ihr Schwiegersohn Dr. Janicke sowie Staatsekretär Dr. Meißner. Der Bezirksschornsteinfegermeister Tauer begeht heute sein 50jähriges Jubiläum als Bezirksschornsteinfeger.

14. März
Seminar
Am Donnerstag und Freitag fand am hiesigen Seminar die mündliche Seminarentlassungsprüfung statt. Alle 18 Prüflinge bestanden sie. Nach dieser Prüfung besteht am hiesigen Seminar nur noch eine Klasse, nach deren Abgang 1926 das Gebäude anderen, bisher ungeklärten Bestimmungen zugeführt wird.

20. März
Feuerbestattung
Der Feuerbestattungsverein Delitzsch hielt Mittwoch den 18. d. Mts. im Roß seine diesjährige Hauptversammlung ab. In dieser Versammlung wurde über den Bau eines Krematoriums in Delitzsch beraten. Zu einem Beschluß ist es aber nicht gekommen.

26. März
Bürgergarten
Das ehemalige Bürgergartengrundstück ist durch Kauf in den Besitz des Dachdeckermeisters Robert Kittler übergegangen.

28. März
Brisch
Für den am 1. April aus dem Amte scheidenden Landrat Raute ist als Nachfolger Regierungsrat Brisch aus Oppeln zum Landrat des Kreises Delitzsch ernannt worden. Der kommissarische Landrat Brisch wird sein Amt erst am 16. April antreten, da er bis einschließlich 14. April beurlaubt worden ist.

30. März
Raute
Zu Ehren des aus dem Amte scheidenden Landrats Raute veranstaltete das Reichsbanner "Schwarz-Rot-Gold" am Sonnabend den 28. d. Mts. einen Fackelzug, der sich vom Sorauer Bahnhof durch die Straßen nach den Markt bewegte. Das Reichsbanner Bitterfeld und Eilenburg war zu Gaste gekommen, so daß etwa 250 Personen mit 6 Fahnen sich am Zuge beteiligten. Vor dem Kreisständehaus hielt Landrat Raute eine Ansprache, in welcher er für die ihn zuteil gewordene Ehrung dankte. Abends fand dann im Saal des Schützenhauses eine besondere Abschiedsfeier statt, wo der Parteisekretär des Reichsbanners aus Magdeburg die Festrede hielt.

1. April
Amtsjubiläum / Oskar Ziegler
Die an der hiesige Mädchenvolksschule amtierenden Lehrer Meergarten, Karl Reinboth und Wolf blicken heute auf eine 25jährige Amtstätigkeit zurück. An der Knabenvolksschule trat Lehrer Merkwitz heute vor 25 Jahren in den Verband des Kollegiums ein. An der Mittelschule feiert Rektor Eichler sein 25jähriges Amtsjubiläum als Rektor. 22 Jahre ist er an der hiesigen Schule tätig. Der in Delitzsch und im ganzen Kreise bestens bekannte Besitzer des Gasthofes "Zum eisernen Kreuz", Oskar Ziegler, begeht heute sein 25jähriges Geschäftsjubiläum.

2. April
Schloß
Seit langem schon vermuten alteingesessene Delitzscher, daß zwischen dem hiesigen Schloß und dem sogenannten Ritterhaus in der Ritterstraße ein unterirdischer Gang laufen muß. Heute morgen ist man bei Ausschachtungs- und Pflasterarbeiten im inneren Schloßhofe unvermutet auf einen Eingang gestoßen. Arbeiter fanden 1½ Meter Tiefe eine mit zwei kräftigen Ringen versehene Steinplatte, die sich abheben ließ, und vor ihnen gähnte eine schwarze Öffnung. Nachdem sich der aufsteigende Modergeruch etwas verloren hatte, wagte man hineinzusteigen und fand einen Gang, von dem man vermutet, daß er nach dem Ritterhaus führt. Man hat allerdings noch nicht weit vordringen können; denn hier müssen erst Aufräumungsarbeiten Platz schaffen. Doch nach wenigen Schritten ist man schon auf einen nur wenige Meter langen Nebengang gestoßen, indem man wohlverwahrt einige Becher, Schalen und ein verrostetes Schwert fand, dessen Inschrift leider unleserlich geworden ist.

14. April
Todesfall
Zwei verdienstvolle Bürger unserer Stadt sind in diesen Tagen in das Jenseits abberufen wurden. Es sind dies der Stadtälteste Louis Spangenberg und der Gastwirt Edmund Kreutzer. Stadtältester Spangenberg hat vom Jahre 1884 das Amt eines Stadtverordneten und zwei Jahre das eines unbesoldeten Stadtrats bekleidet. Über 50 Jahre gehörte er der Feuerwehr an. Edmund Kreutzer ist weniger an die Öffentlichkeit getreten und doch galt seine ganze Kraft der Heimat.

15. April
Konditorei Lampe
Die in weiten Kreisen bekannte Konditorei Lampe kann heute auf ein 70jähriges Bestehen zurückblicken. Der Vater des jetzigen Inhabers gründete die Konditorei 1855 unter damals schwierigen Verhältnissen, und der jetzige Besitzer, Hermann Lampe, bewirtschaftet das Geschäft seit 1891 und hat es auf erfreuliche Höhe gebracht.

28. April
Hindenburg
Bei der heute stattgefundenen zweiten und entgültigen Wahl des Reichspräsidenten wurde Generalfeldmarschall von Hindenburg mit 940.000 Stimmen Mehrheit zum Reichspräsidenten gewählt.

29. April
Bauland / Dr. Laschke
Die Stadt erwirbt einen 20 Morgen großen Feldplan, der später als Bauland ausgegeben werden soll, hinter der Bahn nach Werben zu. Für den Morgen sind 400 bis 450 M gezahlt worden. Das Land wird zunächst verpachtet und bringt 402,- M Pacht. An den Eisenbahn-Bauverein wird in der verlängerten Lindenstraße Bauland zum Bau von Wohnungen in einer Länge von 44 Meter und einer Tiefe von 26 Meter zum Preise von 3,- Mark pro Quadratmeter verkauft. Die Zustimmung des Magistrats erfolgt nur unter Vorbehalt des Vorkaufsrechts. Der hiesige Kreisarzt Medizinalrat Dr. Laschke wird mit der vorläufigen Ausübung eines Schularztes an den hiesigen Schulen betraut.

5. Mai
Am 1. Mai d. J. bestand die hiesige Zweigstelle des Bankhauses Paul Schauseil u. Co., Halle, 25 Jahre.

6. Mai
"Stadt Leipzig"
Das Engelhardt'sche Grundstück in der Leipziger Straße, früher "Gasthaus Stadt Leipzig" ist in der gestrigen Versteigerung in den Besitz der Stadt übergegangen.

8. Mai
Ruhrkinder
Alljährlich wurden Kinder der Stadt Düsseldorf in unserm Kreise aufgenommen, um sie während des Sommers körperlich zu kräftigen für die Entbehrungen, die im besetzten Gebiet ihrer harren. Das Kreiswohlfahrtsamt wendet sich an die Bewohner des Kreises, auch in diesem Jahre wieder Ruhrkinder aufzunehmen.

14. Mai
Hindenburgfeier
Anläßlich der Amtsübernahme des neuen Reichpräsidenten von Hindenburg am 12. Mai hatten alle Schulen auch hiesigen Ortes schulfrei. Es fanden Schulfeiern statt. Nicht nur die amtlichen Gebäude, sondern auch viele Privatgebäude hatten für diesen Tag Flaggenschmuck angelegt.

15. Mai
Rudloff
Der frühere Stadthauptkassenrendant Rudloff, der im Jahre 1913 mit seinem Kumpan Meley die Stadt um 170.000 Mark betrogen hat und dann flüchtig wurde, stand in diesen Tagen in Halle vor seinen Richtern. Er floh damals nach seiner Veruntreuung nach Italien, von dort nach Brasilien und kehrte später nach Triest zurück. 1815 bekam er eine Anstellung in Wien. Nach Veruntreuung in seinem jetzigen Amte wurde er dort bestraft und dann ausgeliefert. Da er geständig war wurden ihm mildernde Umstände zugebilligt. Er erhielt 1 Jahr u. 6 Monate Gefängnis.

18. Mai
Musikdirektor Böttcher
Den Bemühungen des städtischen Musikdirektors Böttcher ist es gelungen, wieder ein Stadtorchester zusammenzustellen. Eine Reihe ehem. Militärmusiker der Instrumentalvereinigung sind ihm beigetreten, sodaß wir wieder Hoffnung auf ein leistungsfähiges Orchester, besetzt von Berufsmusikern, hegen können. Für die Zukunft ist ein großzügiger Ausbau des Orchesters geplant, sodaß es allen Anforderungen, die Vereine u. dgl. stellen werden, genügen kann. Hoffentlich werden nun die alten Gepflogenheiten, wie Platzkonzerte u.s.w. wieder auftauchen. Auch für die musikalische Ausbildung der Jugend soll hier Sorge getragen werden.

26. Mai
Kreistierschau
Zwei ereignisreiche Tage, die monatelange fleißige Vorarbeiten bedingten, liegen hinter uns. Die Kreistierschau Delitzsch der Kreise Bitterfeld und Delitzsch in Delitzsch auf dem Platze des "Schützenhofes" am 23. und 24. Mai 1925 verbunden mit einer Ausstellung landw. Maschinen und Geräte, von Molkereiprodukten, Honig, Wachs, landwirtschaftlichen Sämereien, Saatkartoffeln, Dünge- und Futtermitteln, landw. Bücher und Zeitungen. An beiden Tagen fanden Reit- und Fahrturniere statt. Selten wohl hat unsere Stadt so riesige Menschenmassen zu beherbergen gehabt wie an den beiden vergangenen Tagen. Den Glanzpunkt der Festtage bildete der Festzug am Sonntag. Um 11 Uhr begann er von der Gasanstalt aus. Ungeheure Zuschauermassen umsäumten seinen Weg. In über 50 Gruppen gliederte sich der Zug, dem die Stahlhelmkapelle Halle voranging und in dem die neugegründete Delitzscher Stadtkapelle zum ersten Male an die breite Öffentlichkeit trat. Im Zuge sah man Symbole des Landlebens, Heuernte, Bauernhochzeit, Spinnstube, Erntekranz u.s.w. Die Handwerker von Delitzsch führten auf ihren Festwagen Darstellungen ihrer Berufstätigkeit. Eine besondere Note gab dem Zuge die Beteiligung der Reitervereine, von denen der Reiterverein Krippehna in seinen historischen Uniformen aller Augen auf sich zog.

22. Juni
Tausendjahrfeier
Anläßlich der Rheinischen Tausendjahrfeier fiel am Sonnabend den 20. Juni der Unterricht in den Schulen aus. Es wurden besondere Feiern abgehalten. Auch der Sonntag-Gottesdienst war entsprechend eingestellt.

30. Juni
500 Jahrfeier
Das Schneidergewerbe in Delitzsch beging am gestrigen Tage die 500 Jahrfeier verbunden mit der 25jährigen Jubelfeier des Vereins selbständiger Schneider und Schneiderinnen in Delitzsch und Umgegend.

1. Juli
Volkszählung
Unsere Stadt Delitzsch hat nach der letzten Volkszählung 14.781 Bewohner, darunter befinden sich 40.098 männliche und 42.323 weibliche Einwohner.

3. Juli
Stadtgraben
Eine Regierungskommission unter Führung eines Baurates weilt heute in unserer Stadt, um die Wasserverhältnisse des Lobers und die Kläranlagen zu besichtigen. In diesem Zusammenhang können wir auch die erfreuliche Tatsache feststellen, daß der Stadtgraben in diesen Tagen von all dem Unrat und den Wasserpflanzen, die ihn zu einem Schmutzgraben werden ließen, gereinigt wird. Hoffentlich werden nun auch die Maßnahmen ergriffen, die eine Sauberhaltung des Wassers gewährleisten. Früher waren die Schwäne fleißige Gehilfen.

4. Juli
Jubiläum Reyher
Der Klempnermeister Franz Reyher beging gestern sein 25jähriges Geschäftsjubiläum. Seit der Gründung durch den Vater des jetzigen Inhabers sind in den nächsten Monaten 60 Jahre vergangen.

19. Juli
Dr. Baumgardt
In der gestrigen Stadtverordneten-Sitzung fand die Einführung des neugewählten 2. Bürgermeisters Dr. Baumgardt in Vertretung des abwesenden 1. Bürgermeisters durch Stadtrat Tauche statt.

24. Juli
Gutenbergstraße
Die Bautätigkeit in der Gutenbergstraße schreitet weiter. Der Baugenossenschaft ist es gelungen, die Mittel für zwei Familienhäuser aufzubringen. Auch Mittel für weiteren Bau von acht anderen Gebäuden sind in Aussicht, sodaß hier in nächster Zeit eine lebhafte Bautätigkeit bevorsteht.

5. August
Stadthauptkasse
Die Stadthauptkasse wird in den nächsten Tagen aus ihrem Heim in der Leipziger Straße wieder nach dem Hintergebäude des Rathauses umziehen.

8. August
Körnerstraße
Der Magistrat beginnt mit der Schaffung eines 12 Familienhauses in der Körnerstraße. Seitens des Magistrats vertritt man den Standpunkt, daß für die großzügige Schaffung der städtischen Bauvorhaben eine planmäßige Erstellung neuen Wohnraumes in die Wege geleitet werden soll. Man wird dabei zunächst darauf Bedacht zu nehmen haben, in der Stadt befindliche Baulücken auszufüllen. Die Heimstättengenossenschaft hat übrigens zur Zeit 4 Doppelhäuser mit 8 Wohnungen im Bau und wird voraussichtlich bis zum 1. April 1926 weitere 8 Wohnungen erstellen.

9. August
Schwäne auf dem Stadtgraben
Die Stadtverwaltung hat sich entschlossen, zur Belebung des so schönen Stadtbildes am Stadtgraben wieder Schwäne anzuschaffen, und der Magistrat hat den Ankauf von zunächst einem Paar weißer Schwäne getätigt. Auch wird die Anwesenheit der Tiere hoffentlich dazu beitragen, nach einer ohnehin geplanten Reinigung des Stadtgrabens einem erneuten Überwuchern der Meerlinsen vorzubeugen.

11. August
Verfassungsfeier
Auf Einladung des kommissarischen Landrats, Regierungsrat Brisch, hatten sich heute die Beamten unserer Stadt, und, da die Öffentlichkeit freigegeben war, auch einige Privatpersonen, in der Aula des Seminars eingefunden, um den Verfassungstag zu feiern. Die Feier wurde eingeleitet durch ein Orgelvorspiel von J. S. Bach und ein Doppelquartett. Landrat Brisch hielt die Festrede und schloß mit einem Hoch auf das deutsche Vaterland und die deutsche Republik. Ein Doppelquartett und ein Orgelvorspiel schlossen die Verfassungsfeier.

15. August
Elbritzbad / Stadtforst
Das Freibad an der Elberitzmühle, idyllisch gelegen, gern und viel besucht, reicht an heißen Sommertagen bisweilen dem Sturm der Badelustigen nicht völlig aus. Es wurden Anregungen gegeben, das Bad zu verlegen. Nach langen Erörterungen und Erwägungen in dieser Angelegenheit kam man jedoch zu dem Beschluß das Bad am jetzigen Platz zu belassen, die Badefläche zu erweitern und befestigen, einen geräumigen Vorplatz zu schaffen, die Umkleideräume zu vergrößern und die Anlage eines Sonnenbades schaffen. Der Stadtforst ist namentlich am Sonntag das Ziel vieler Delitzscher. Wer nicht den Kremser benutzen will, macht eine Fußwanderung. Der schöne Stadtforst gibt uns Erholung und Entspannung und die freundlichen Räume des Forsthauses in der Spröde gewähren einen angenehmen Aufenthalt zumal sie im vorigen Jahre gründlich instandgesetzt worden sind. Der neue Forsthausgarten hat sich gut bewährt und die neue Veranda bietet Schutz gegen plötzlichen Gewitterregen.

8. September
Oberrealschule
Die hiesige Oberrealschule beging ihr diesjähriges Schulfest am Sonnabend. Mit einem Umzug durch die Stadt nahm es seinen Anfang, um dann traditionsgemäß den Nachmittag zu sportlichen Wettkämpfen zu verwenden, die bei günstigen Wetter einen guten Verlauf nahmen und manche beachtenswerte Leistung zeitigten. Siegerliste: Knaben: Beste Durchschnittsleistung Schleicher Prima mit 35,5 Punkten und Quinta Baum mit 35,4 Punkten, Mädchen 1. Abt. L. Thalmann 2. Abt. L. Ziebe. Am Abend versammelten sich dann die Schüler der Anstalt mit ihren Lehrern, Eltern und den ehemaligen Schülern im Saal des Schützenhofes zu dem eigentlichen Fest. Der Saal war schon um 8 Uhr zum Brechen voll, und mancher Besucher hat die Stunden der Darbietungen stehend verbringen müssen. Die Festveranstaltung begann mit Darbietungen des Schülerorchesters unter der Leitung des Musiklehrers Curth. Dann hielt Direktor Dr. Becker eine Ansprache. Es folgten Instrumentaldarbietungen, Deklamationen, Chorgesänge, darauf Übungen am Reck, ein Menuett der Mädchen, ein reizendes Mädchenspiel. Nun kam der sehnlicht erwartete Tanz zu seinem Recht. Es war eine recht wohlgelungene Veranstaltung.

9. September
Eisenbahn-Gesangverein
Bei einem Gesangs- Wettstreit der Eisenbahnvereine vom Verband Halle in Finsterwalde errang die Gesangsgruppe des hiesigen Eisenbahnvereins den 2. Platz und damit 3. Freistellen im Kindererholungsheim des Verbandes im Riesengebirge und einen silbernen Pokal.

11. September
Branddirektor Mietzsch
Branddirektor Mietzsch ist von der Regierung in Merseburg in seiner Eigenschaft als Branddirektor bestätigt worden.

17. September
Kraftpost
Mit dem heutigen Tage tritt die langersehnte Kraftpostverbindung Düben-Delitzsch-Zwochau in Kraft. Die Kraftpost fährt zweimal am Tage hin und her. Der erste Wagen fährt von Delitzsch nach Düben um 10 Uhr ab. Des Sonntags soll der Wagen von Düben erst 5 Uhr nachmittag nach hier abgehen, sodaß den Heidebesuchern genügend Zeit zur Wanderung gegeben wird.

18. September
Neubau Körnerstraße
Die Stadtverwaltung plant neben dem bereits beschlossenen Neubau eines Zwölffamilienhauses auf dem Gelände Körnerstraße Ecke Roonstraße ein weiteres Achtfamilienhaus zu errichten. Die Bebauung des Geländes Roonstraße sieht dann noch die Errichtung eines Vierfamilienhauses vor, welches im nächsten Jahre zur Ausführung kommen soll. Damit würde seitens der Stadt in einer relativ kurzen Zeit die Fertigstellung von 24 Wohnungen in die Wege geleitet werden. Auch der Eisenbahnbauverein plant die sofortige Errichtung eines Sechsfamilienhauses in der Angerstraße.

30. September
Beschluß
Die Stadtverordnetenversammlung beschloß am Wasserturm 5 neue Brunnen zu bauen, von denen 2 sofort gebaut werden; ferner 15 neue Lampen zur besseren Straßenbeleuchtung und den Verkauf des Hauses Leipzigerstr. 1 an Eisenhändler Oskar Apitzsch.

6. Oktober
Flugtag
Der gestrige Flugtag hatte trotz der großen Entfernung des "Flugens" von der Stadt, nämlich in der Nähe der Spröde eine Menschenmenge auf die Beine gebracht, wie sie wohl kaum eine Veranstaltung in Delitzsch zu verzeichnen hatte. Mit dem Auto, Motorrad, Fahrrad und Pferdegeschirr war man gekommen, bei dem großen "Ereignis" dabei zu sein. Programmäßig folgten dann die Künstflüge, die Ballonjagden, die Luftkampfvorführung und zum Schluß der Fallschirmabsprung. Ganz besonders interessant war der Fallschirmabsprung. Nach diesem offiziellen Abschluß war das Interesse des Publikums für die Veranstaltung erloschen. In dichten Scharen strömte es der Stadt zu, und auf der Dübener Chaussee herrschte bei dem außerordentlichen starken Kraftfahrzeugverkehr an manchen Stellen beängstigendes Gedränge.

13. Oktober
Ostbund
Die Verdrängten aus den Provinzen Posen und Westpreußen haben sich in der neuen Heimat zu einen Bund zusammengeschlossen, welcher den Namen "Ostbund" führt. Auch in Delitzsch hat sich eine Ortsgruppe unter Führung vom Gastwirt Hermann Köhler gebildet. Diese Ortsgruppe beging am Sonnabend den 10. Oktober im Saale des Vereinslokals "Fürst Bismarck" ihr fünftes Stiftungsfest durch theatralische und humoristische Vorträge und Tanz. Gegründet war die Ortsgruppe von 8 Posenern, jetzt hat die Ortsgruppe 64 Mitglieder.

20. Oktober
Lettow-Vorbeck
Der tapfere Verteidiger von Deutsch-Afrika, General v. Lettow-Vorbeck, sprach am Sonnabend abend im "Schützenhof" über den Krieg in Deutsch-Ostafrika. Die Instrumentalvereinigung wartete zu Beginn des Abends mit einigen Märschen auf. Die Anwesenden folgten mit großer Spannung den interessanten Erzählungen des Vortragenden. Langanhaltender Beifall folgte den Ausführungen und stehend sangen die Anwesenden das Deutschlandlied.

3. November
Brisch
Der kommissarische Landrat Brisch ist vom Preußischen Staatsministerium zum Landrat des Kreises Delitzsch ernannt worden.

24. November
Gedächtniskirche
Unsere Kriegerehrung hat eine wesentliche Erweiterung erfahren. An der Gedächtniskirche ist ein großer Granitstein in einer Fensternische mit der Aufschrift "Krieger-Gedächtniskirche" angebracht worden. Jedem, der von der Straße her auf den Friedhof eintritt, fällt sie mit ihren kräftigen Schriftzügen in die Augen.

6. Dezember
Kreisfürsorgerin
Fräulein Emmy Hängerich aus Delitzsch ist als Kreisfürsorgerin für den hiesigen Kreis berufen. Sie ist beauftragt, als Familienfürsorgerin im Interesse der Säuglinge, Ziehkinder, Tuberkulosekranken, Klein- und Sozialrentner, Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen u.s.w. mit den örtlichen Behörden und Wohlfahrtsausschüssen zu verhandeln, die Eltern, Pflegeeltern, Kranken u.s.w. zu beraten, Hilfsbedürftige, Pflegekinder, Tuberkulose u.s.w. zu betreuen und besondere Beratungsstunden, Mütterabende u.s.w. abzuhalten.

9. Dezember
Typhus
In der Südstraße 9 hat sich ein Typhusfall ereignet, der leider den Tod des Patienten hervorrief. Die Gerüchte von einer Ausbreitung der Epidemie sind falsch. Seit vor Jahresfrist in der Elberitzstraße ein Typhusfall auftrat, sind keine neuen Erkrankungen an Typhus erfolgt. Die nötigen Desinfektionsmaßnahmen im Hause Südstraße sind bereits durchgeführt.

13. Dezember
Seminar zum Behördenhaus
Zwecks Verwendung des hiesigen Seminars fand am 8. d. Mts. eine Besichtigung des Seminars durch Ministerialvertreter aus Berlin und hiesige Behördenvertreter statt. Die Stadt wollte das Seminargrundstück samt dem Grundbesitz selbst erwerben, doch der Staat verhält sich ablehnend dagegen. Er ist nur bereit, der Stadt die Turnhalle und einen Teil des sogenannten Parkes der Stadt pachtweise zu überlassen. Das Gebäude selbst soll ein Behördenhaus werden. Im Seminargebäude sollen das Amtsgericht, die staatliche Kreiskasse, Katasteramt, Hochbauamt und evtl. das Finanzamt untergebracht werden.

22. Dezember
Zimmermeister Laue
Der Zimmermeister Hermann Laue sen., Wiesenstraße, begeht heute sein 35jähriges Geschäftsjubiläum. Am selben Tage arbeiten Zimmerpolier Ed. Richter aus Brodau 25 Jahre und der Zimmerer R. Petzoldt von hier 25 Jahre im gleichen Geschäft.

23. Dezember
Heldenbuch
Das Heldenbuch unserer Gefallenen ist nun fertiggestellt und wird in unserer Kriegergedächtniskirche an dem vorgesehenen Platze niedergelegt werden.

30. Dezember
Kommerzbank
Die Kassenstelle der hiesigen Kommerz- und Privatbank wird aus wirtschaftlichen Gründen aufgelöst und in Halle übernommen.


1926

6. Januar
Einwohnerzahl
Nach dem Stande vom 1. Januar 1926 gibt es in der Stadt Delitzsch 291 männliche und 82 weibliche Erwerbslose, also 378 Erwerbslose zusammen. Dazu treten 417 Zuschlagsempfänger (Familienangehörige der Erwerbslosen), sodaß insgesamt 790 Personen von der Erwerbslosigkeit betroffen sind.

8. Januar
Winkelmann
Das 50jährige Meisterjubiläum feiert heute der Bäckermeister Winkelmann. Er hat bereits am 1. Januar sein 50jähriges Bürgerjubiläum begangen und am 3. Weihnachtsfeiertag v. J. durfte er auch an der Seite seiner Gattin, im Kreise seiner Kinder und Enkel in guter Gesundheit seine goldene Hochzeit erleben. In einer Ansprache würdigte Obermeister Rehn die Verdienste des Jubilars, der 7 Jahre Schriftführer und 10 Jahre Obermeister der Innung war. Die Gründung der Bäckerkasse, die heute noch besteht, ist ihm zu verdanken.

15. Januar
Linde-Quartett
Das Linde-Quartett sang am Sonnabend den 9. Januar im großen Saal des Zoologischen Gartens in Leipzig zu einem Sängerkommers vor etwa 2000 Sängern. Den Sängern wurde ein stürmischer Beifall zu teil. Unsere Stadt kann mit Recht stolz sein auf das Quartett, das den Ruf der Stadt auf musikalischem Gebiet in der nahen und fernen Umgebung ganz beträchtlich erhöht.

17. Januar
Schüler
Der Schuhmachermeister Schüler hier, feierte gestern das 50jährige Bestehen seines Geschäfts.

6. Februar
Brisch
In letzter Nacht wurde Landrat Brisch vor dem Hause Münze 8 von mehreren Männern festgenommen und wegen angeblich groben Unfugs und nächtlicher Ruhestörung gewaltsam zur Polizeiwache gebracht. Der Landrat behauptet, daß er sich zu jener Zeit auf einem Spaziergange in der Münze befunden hat. Die polizeilichen Feststellungen sind noch nicht beendet.

11. Februar
Versetzung
Aus unterrichteten Kreisen hören wir, daß anscheinend an maßgebender Stelle eine Versetzung des Landrates Brisch, der dieserhalb vorgestern in Magdeburg weilte, in einen anderen Kreis erwogen wird, um allen Gerede, sei es nun wahr oder erlogen, den Boden zu entziehen.

1. März
Volkstrauertag
Die Reichsregierung hatte für Sonntag den 28. Februar fürs ganze Reich einen Volkstrauertag festgesetzt. Als um ½ 10 Uhr die Glocken zum Gottesdienst riefen, marschierten die vaterländischen Verbände in die Stadtkirche ein und stellten ihre Fahnen vor den Altar. Das Gotteshaus war dicht gefüllt. Pfarrer Noack hielt die Predigt. Nach dem Gottesdienst bewegte sich der Zug der Vereine nach der Gedächtniskirche, um dort einen Kranz niederzulegen. Am Abend wurde von Frau Dr. Kurtzhalß, dem Lindequartett und der Instrumentalvereinigung unter Leitung von Organist Sauerteig ein Kirchenkonzert veranstaltet.

2. März
Hindenburg
Heute morgen gegen 9 Uhr durchfuhr Reichspräsident von Hindenburg auf dem Weg zur Leipziger Messe mit Sonderzug unsern Berliner Bahnhof. Trotzdem der Zug nicht hielt, hatte sich um diese Zeit auf dem Bahnsteig eine größere Menschenmenge eingefunden. Der Reichspräsident stand am offenen Fenster, als der Zug in langsamen Tempo am Bahnhof vorbeifuhr. Die Menge brachte ihm lebhafte Ovationen dar.

18. März
Brisch
Landrat Brisch wird am Sonnabend den 20. März seinen hiesigen Posten verlassen, da er als Regierungsrat nach Düsseldorf versetzt worden ist. Sein Nachfolger, Regierungsrat Meister, der derzeitig im Preußischen Staatsministerium in Berlin beschäftigt ist, tritt seinen Dienst am Montag den 22. März an.

19. März
Pfarrer Noack
Pfarrer Noack hierselbst ist in Halle zum 4. Pfarrer von St. Johannes gewählt worden. Er wird bald unsere Stadt verlassen.

23. März
Elbritzbad
Der Umbau des Elberitzbades ist jetzt soweit aufgenommen, daß in Kürze etwa 30 Erwerbslose dort beschäftigt werden können.

24. März
Stadtverordneten-Sitzung
Gewerbeschullehrer Scharruhn ist als neuer Stadtverordneter heute eingeführt worden. Die Stadtmühle wird auf weitere sechs Jahre zu einem Pachtzins von 800 Mark an Landwirt Hönicke verpachtet werden. Die Zeichenstelle an der Mittelschule soll mit Frau Curth auftragsweise besetzt werden.

25. März
Muttertag
Ebenso wie im vorigen Jahre soll auch diesmal am 2. Sonntag im Mai ein Muttertag stattfinden. In erster Linie werden sich Schule und Kirche in den Dienst der Sache stellen.

27. März
Unglücksfall
Ein schwerer Unglücksfall mit tödlichem Ausgang ereignete sich gestern abend in der 10. Stunde auf Grube Ludwig. Der 20 Jahr alte Arbeiter Fritz Schmidt aus Delitzsch, Töpfergasse 2, welcher als Bremser beim Baggerzug tätig war, stürzte ab und geriet unter den Zug, wobei ihm das rechte Bein so schwer gequetscht wurde, daß seine sofortige Überführung nach dem Knappschaftskrankenhause Carlsfeld sich als notwendig erwies. Dort ist der junge Mann bereits heute morgen 4 Uhr seinen schweren Verletzungen erlegen.

30. März
Kreistag
Der gestrige Kreistag hatte eine Tagesordnung zu erledigen, die so ausgedehnt war, daß viele schauderten, wie lange Zeit ihre Erledigung wohl beanspruchen würde. Eine schwere Aufgabe hatte der neue Vorsitzende, kommissarischer Landrat Regierungsrat Meister übernehmen müssen, mußte er doch die sämtlichen Vorlagen nicht als sein eigenes Werk, sondern als Nachlaß seines Vorgängers, Landrat Brisch, vertreten. Doch mit bewundernswerter Schnelligkeit hatte sich Regierungsrat Meister in die neuen Materien eingearbeitet, und mit viel Geschick und parlamentarischer Routine verstand er es, als unparteiischer Beamter ruhig und sachlich den Kreistag zu leiten. Unter einem günstigen Stern stand die gesamte Sitzung. So kam man trotz der Unmenge der Tagesordnungspunkte schneller, als zu erwarten war, von der Stelle. Und diese Harmonie herrschte bis zum Schluß im gestrigen Kreistage.

3. April
Bismarckfeier
Die vaterländischen Verbände begingen auch in diesem Jahre wieder eine Bismarck-Geburtstagsfeier im Schützenhofe.

12. April
Treue Arbeit
Der Maurerpolier Robert Hirsch und der Maurer Wilhelm Merker erhielten gestern im Auftrage der Handelskammer durch Korbmachermeister Tauche eine Ehrenurkunde für 35jährige Arbeit im Baugeschäft von August Begers Nachfolger Albert Metzner überreicht.

29. April
Vereinsbank
Die Delitzscher Vereinsbank, deren Geschäftslokalitäten dem immer mehr steigenden Verkehr nicht mehr gewachsen waren, hat das danebenliegende Grundstück, Roßplatz 1, käuflich erworben, dessen vordere Räume ausreichend Platz für ein größeres Banklokal bieten. Auch die Stadt hat an der Förderung dieser Bank und ihrer Förderung ein ganz besonderes Interesse, denn diese Genossenschaft hat eine geschichtliche Bedeutung. Ihre Gründung bildet ein Ruhmesblatt für Delitzsch, denn die Delitzscher Vereinsbank ist bekanntlich die erste deutsche Kreditgenossenschaft gegründet von unserm berühmten Mitbürger Schulze Delitzsch.

21. April
Reichsgesundheitswoche
Der zweite Tag der Reichsgesundheitswoche stand im Zeichen der Aufklärung über die verheerendste aller Volkskrankheiten, die Tuberkulose, und der Schaffung von Mitteln zu ihrer Bekämpfung durch ein Wohltätigkeitskonzert. Der Gesangverein "Vorwärts" und eine Kapelle aus Halle gaben solche hervorragenden Leistungen, daß das zahlreiche Publikum mit dem Beifall nicht kargte. Der 2. Bürgermeister Dr. Baumgardt begrüßte die Erschienenen und wies hin auf die Aufgabe der Reichsgesundheitswoche. Medizinalrat Dr. Laschke gab dann in seinen Vortrag einen Überblick über die Geschichte der Tuberkulose-Forschung und zeigte dann das Krankheitsbild selbst und seine verheerenden Wirkungen auf den menschlichen Körper. Nur gute Ernährung, Luft und Sonne, Schutz vor Erkältung und Maß- und Zielhalten in jeder Betätigung sind Vorbeugungs- und Bekämpfungsmittel.

23. April
Autogarage
Trotz des starken Autoverkehrs in Delitzsch mangelte es hier immer noch an Autogaragen. Jetzt hat die Firma Willibald Müller eine Garage in der Bismarckstraße Ecke Kohlstraße eingerichtet und dem Verkehr übergeben.

5. Mai
Boßdorf / Köhler
Am 1. Mai feierte Gastwirt Hermann Boßdorf, der am 1. Mai 1901 den Gasthof zum "Goldener Adler" übernahm und ihn bis auf den heutigen Tag in der bekannten bewährten Weise leitete, das 25jährige Geschäftsjubiläum. – Am gestrigen Tage beging der Hotelbesitzer Hermann Köhler, Hotel Fürst Bismarck, ein Doppeljubiläum, indem er an diesem Tage auf eine 30jährige Berufstätigkeit und zugleich auf eine 15jährige Selbständigkeit im Gastwirtsgewerbe zurückblicken konnte. – Am heutigen Donnerstag endlich begeht der Gastwirt Otto Schmidt sein 25jähriges Geschäftsjubiläum. Seine Selbstständigkeit begründete dieser Jubilar im Jahre 1901 in Werben und ist bereits seit vielen Jahren Besitzer der bekannten Gastwirtschaft zum "Goldenen Anker" in der Eilenburger Straße.

6. Mai
Maikäferplage
Die Maikäferplage ist in diesem Jahre ein Kapitel für sich und war schon lange vorher prophezeit. Alle Erwartungen sind aber übertroffen, und in vielen Gegenden sind die Maikäfer in großer Zahl dabei, sich an dem lachenden und saftigen Grün der Eichen, Kastanien und besonders der Obstbäume zu laben. Ihre vernichtende Arbeit ist auch in unserer Gegend festzustellen, und mancher Baum hat sein schmuckes Kleid mit einem recht armseligen vertauschen müssen. Man glaubte, daß sich die nagenden Käfer bei der in den letzten Tagen herrschenden Kälte einen tüchtigen Schnupfen holen würden. Darin hat man sich aber getäuscht, denn heute, wo es wieder etwas wärmer geworden ist, umschwirren sie schon wieder die Bäume. Es war deshalb zu begrüßen, daß sich die Behörden für die Vernichtung dieser Baumschädlinge einsetzten. Das war für viele Teile der Bevölkerung Anlaß, diese Vernichtung zu unterstützen. Auch in unserer Stadt wird eifrig gesammelt und bis jetzt sind bei der amtlichen Ablieferungsstelle 158 Zentner = 3.950.000 Stück eingebracht worden, wo ihnen der Garaus gemacht wird.

10. Mai
Elberitzbad
Die Arbeiten im Elberitzbad schreiten rüstig weiter. Augenblicklich sind 70 Arbeiter dort beschäftigt, sodaß zu erwarten ist, daß das Bad zum Beginn der Badesaison eröffnet werden kann. Ein Familienbad soll nicht eingerichtet werden; Der Badebetrieb wird getrennt für Damen und Herren zu bestimmter Zeit vor sich gehen. Um sportliche Veranstaltungen zu ermöglichen, wird auch ein Sprungbrett von etwa 2½ m Höhe gebaut werden . Bei der Anlage ist ein Bad geschaffen worden, welches zweifellos allen Anforderungen entspricht und sich ruhig den Bädern der benachbarten Großstädte zur Seite stellen kann. Sowohl was die Größe der Wasserfläche, die Schaffung von 2 Luftbädern, die Anzahl der Zellen und die einzelnen Einrichtungen anlangt, kann man hoffen, daß das Bad nicht nur allen Ansprüchen genügt, sondern darüber hinaus hygienischer Beziehung wertvolle Dienste leistet. Alle in der Neuzeit gesammelten Erfahrungen sind nutzbar gemacht worden. Aller Voraussicht nach wird der Badebetrieb am 1. Juni eröffnet werden.

22. Mai
Rohrbruch
Gestern morgen ereignete sich am Wasserwerk ein Rohrbruch. Es ist bis heute noch nicht gelungen, den Rohrbruch zu beseitigen, da erst Ausschachtungen bis zu 5 m Tiefe sich notwendig machen. Es steht zu erwarten, daß die Reparatur im Laufe des heutigen Nachmittags vorgenommen wird, sodaß es gegen Abend wieder Wasser gibt.

30. Mai
Mütterberatung
Der Magistrat hat im Lehrerkonferenzzimmer der Mädchenvolksschule eine Mütterberatungsstelle eingerichtet und lädt die Mütter der Stadt ein, von dieser Einrichtung regen Gebrauch zu machen. Beratungsstunden sind im Sommer von 4 – 6, im Winter von 2 – 4 nachmittags.

1. Juni
Skagerak
Der Marineverein Delitzsch u. Umg. feierte gestern im Schützenhof den Tag der 10jährigen Wiederkehr der Skagerakschlacht. Der reich geschmückte Saal sah eine ansehliche Menge von Freunden des Vereins. Auch viele Einwohner aus Stadt und Land hatten sich eingefunden, um die Bedeutung dieses ernsten und größten Treffens der jungen deutschen Flotte mit den Söhnen Albions würdig zu begehen. Ebenso hatten naturgemäß die Krieger- und Militärvereine und die Vaterländischen Verbände Abordnungen entsandt, so daß der Saal schließlich bis auf den letzten Platz gefüllt war. Die Instrumentalvereinigung intonierte den Krönungsmarsch, und es erfolgte der Einmarsch der Fahnen und Flaggen. Ein Prolog knüpfte an die Schlacht von Skagerak ein und leitete über zu Gesangseinlagen des Lindequartetts. Darauf hielt Kontre-Admiral Stoelzel – Berlin die Festrede. Ein lebendes Bild, das von Mitgliedern des Marinevereins gestellt wurde, schloß sich an. Darauf ehrte Kontre-Admiral Stoelzel verschiedene Mitglieder des Vereins und Teilnehmer der Skagerakschlacht durch Überreichung einer Ehrenmünze und eines Diploms. Musik und Gesangvorträge schlossen sich an. Mit dem Abbringen der Fahnen endete die Feier.

1. Juni
Major Dr. Kuntze
Am 30. Mai ist einer unserer bekanntesten Mitbürger, der Königl. Oekonomierat, Major d. L. a. D. Dr. phil. Ludwig Kuntze durch den Tod entrissen worden, eine Arbeits- und Schöpfernatur, die nicht nur in unserem engeren Heimatgebiet, sondern weit darüber hinaus in der ganzen Provinz, ja auf dem Gebiete der Zuckerindustrie und des Rübenbaues in unserem ganzen deutschen Vaterland vorbildlich gewirkt hat. Ludwig Kuntze ist 1853 geboren und kam 1889 nach Delitzsch, um die beschlossene Errichtung einer Zuckerfabrik in Delitzsch durchzuführen. Die Leitung dieser Fabrik hatte Dr. Kuntze bis zum Jahre 1915 in Händen, worauf sie sein Schwiegersohn, Direktor Aumüller, übernahm. Die Entstehung der Delitzscher Rübensamenzucht ist auch seiner Anregung zu verdanken. Neben seiner wirtschaftlichen Tätigkeit nahm Oekonomierat Dr. Kuntze reges Interesse an den Geschicken unserer Stadt. Der Stadtverordnetenversammlung gehörte er in den Jahren 1900 bis 1914 an. Seine besondere Fürsorge galt dem Kriegervereinswesen. Mit dem ihm im Tode vorangegangenen Stadtältesten Ernst Freyberg war Dr. Kuntze im Jahre 1893 Begründer und seit dessen Bestehen 1. Vorsitzender des Kreiskriegerverbandes Delitzsch.

7. Juni
Paul Gerhardts Todestag
Heute am 7. Juni sind 250 Jahre seit dem Todestage Paul Gerhardts vergangen. Das gab Anlaß zu einer Paul Gerhardt Feier, die gestern im Hauptgottesdienst stattfand. Sie möchte uns zum Bewußtsein bringen, welchen reichen Schatz von den schönsten und beliebtesten Kirchenliedern wir ihm verdanken. Frau Schimpf-Straube hatte freundlichst mitgewirkt. Abends 6 Uhr fand dann eine besondere Andacht im Kosebruch statt.

21. Juni
Schulze-Delitzsch Liedertafel
Unsere Schulze-Delitzsch Liedertafel, der älteste Männergesangverein unserer Stadt, beging Sonnabend den 19. und Sonntag den 20. Juni ihr 80. Stiftungsfest. Achtzig lange Jahre hat dieser Verein im Dienste des deutschen Männergesangs und der heimatlichen Geselligkeit gewirkt. Noch heute werden die Namen der alten Dirigenten Thierbach, Diedicke, Haupt, Prinz, Reime u.s.w. von den Vereinsmitgliedern mit Ehrfurcht genannt. Besonders unter seinem letzten Dirigenten, dem nunmehr von ihm scheidenden Musiklehrer Heine, war es ihm vergönnt, sein hervorragendes Können zu beweisen. In manchem Wettstreit hat er bewiesen, daß er ein nicht zu verachtender Gegner ist, der es wohl mit viel größeren Vereinen aufnehmen kann und auch am Sonnabend u. Sonntag sich alle Besucher von seiner Leistungsfähigkeit überzeugen können. Das achtzigste Stiftungsfest gab der Schulze Delitzsch Liedertafel Gelegenheit, die befreundeten Vereine aus der näheren und ferneren Umgebung zu einem Wettstreit nach Delitzsch einzuladen. Neunundzwanzig Vereine mit hunderten von Sängern sind diesem Rufe gefolgt und waren in diesen Tagen Gäste unserer Stadt. Am Sonnabend abend fand im Schützenhaus ein Festkonzert statt ausgeführt von der Schulze-Delitzsch Liedertafel und einigen hervorragenden Solisten. Einen besonderen Teil des Abends nahm die Ehrung des scheidenden Chordirigenten Otto Heine ein. Es waren bewegende Augenblicke, die sich jetzt abspielten. Mit bebender Stimme schilderte der Vorsitzende, Messerschmiedemeister Hugo Henkel die großen Verdienste des Liedermeisters und überreichte zum Zeichen der Anerkennung dem Scheidenden einen großen vergoldeten Lorbeerkranz und eine wertvolle Kristallbowle. Der Geehrte selbst fand nur wenige tränenerstickte Worte des Dankes. Am Sonntag fand dann der Wettstreit der Gesangvereine statt. Er begann in den Morgenstunden und zog sich in die Nachmittagsstunden hin. Es wurde hier Beachtenswertes geleistet, und man konnte gute Männerchöre auch von ländlichen Vereinen hören. Als Abschluß der beiden Festtage fand dann im Schützenhause von abends 7 Uhr ab ein Sängerkommers statt. Die Musik stellte die Musik- bzw. Instrumental-Vereinigung. Die Liedertafel gab noch manch gutes Lied zum Besten. Die Festrede hielt Pfarrer Noack, jetzt in Halle. Darauf ergriffen verschiedene Brudervereine das Wort und beglückwünschten den Jubelverein zu seinem Ehrentage. Erst gegen Mitternacht verließen die Teilnehmer die gastliche Stätte jeder mit dem Bewußtsein, schöne Stunden unter den Sängern der Liedertafel verlebt zu haben.

29. Juni
Das Wasserwerk
Die neue Brunnenanlage im Wasserwerk geht nun nach und nach ihrer Vollendung entgegen. Es handelt sich um einen Bau, wie er bei den Städten unserer Umgebung noch nicht vorgekommen ist. Das erste Bohrloch, daß bis zu einer Tiefe von 15 Metern in die Erde getrieben ist, hat einen Durchmesser von 1,50 Meter, die zweite Bohrung mit 1,20 Meter Durchmesser wird bis zu 25 Metern getrieben und gibt damit die Tiefe des Brunnens an. Die bisher hier angelegten Brunnen hatten höchstens eine Bohrweite von 50 Zentimeter. Das soll allerdings nicht bedeuten, daß man bei der früheren Anlage kurzsichtig gewesen sei. Die technischen Hilfsmittel waren eben noch nicht so weit, man hätte dann den Brunnen gebaggert und ausgemauert. Der neue Brunnen und ein noch zu errichtender sollen nun garantieren, daß Delitzsch vorläufig nicht in Wasserschwierigkeiten gerät. Ein Mangel besteht allerdings noch in unserer Wasserversorgung. Wir besitzen in Delitzsch stark eisenhaltiges Wasser. Unsere Enteisungsanlage reicht aber bei dem starken Wasserverbrauch nicht mehr aus, und die Folge ist ein ständiger Verschleiß der Leitungsröhren. Darum haben wir auch jetzt die ständigen Reparaturen an unserem Wasserleitungsnetz. Die Aufgabe wird sein, im Wasserwerk einen Schnellfilter zu schaffen, denn eine Erweiterung der Enteisungsanlage ist bei der Art des Baues des Gebäudes nicht möglich. Das Wasserwerk wird also bei steigendem Wasserverbrauch wie in jeder Stadt immer das Sorgenkind der städtischen Verwaltung bleiben. Der diesjährige Peter- Pauls Markt ist reichlich mit Verkaufsständen besetzt, der Marktplatz, die Breite Straße, die Eilenburger Straße, der Roßplatz und der Schützenplatz zeigen ein buntes, ungewohntes Bild.

1. Juli
50jähriges Lehrerjubiläum
Am Sonntag den 27. Juni versammelten sich von 21 Zöglingen des Seminars zu Delitzsch, 1. Jahrgang 1873 – 1876 von 11 noch lebenden folgende 9: Brendecke, Gottschalk, Hille, Jahn, Mennicke, Rudolph, Schönlein, Thinius und Wörmke zu einer würdigen Jubiläumsfeier. 50 Jahre waren vergangen, seit sie das Seminar verlassen hatten. Treffpunkt war das Hotel zur Linde. Dann wurden die Gräber der Seminarlehrer Musikdirektor Kuntze, Hummel und Oberlehrer Schröter besucht und mit Blumen geschmückt. Nun wanderte die kleine Schar durch die Stadt an altbekannten Stätten vorbei zurück zur Linde zur eigentlichen Feier. Hier wurden nun Erlebnisse ausgetauscht. Auch zwei Tafellieder stiegen, nach deren Absingen die Dichter Rudolph - Weißenfels ein geborener Delitzscher und Gottschalk - Eisleben, mit einem durch den Saal brausenden Applaus geehrt wurde. Nur zu schnell kam die Scheidestunde. Aber in 2 Jahren wollen sie sich hier wieder treffen.

9. Juli
Unwetter
Wie schon mehrmals in diesem Jahr ging in der gestrigen Abendstunde abermals ein äußerst heftiges Gewitter, verbunden mit stärksten Niederschlägen über Delitzsch und Umgebung nieder. Die Kanäle faßten die Wassermassen nicht, und diese sprengten in verschiedenen Grundstücken die Röhren. Die Folge waren umfangreiche Überschwemmungen von Kellern und einzelnen Straßenteilen. Am schlimmsten hauste das Wasser in der Feldstraße, wo es teilweise über einen Meter in den Stuben stand. Hier stürzte eine Wand des mittelsten Hauses ein. Daraufhin wurden die drei Häuser polizeilich geräumt.

12. Juli
Vereinsbank
Die Delitzscher Vereinsbank hatte am Sonnabend ihre Genossen und Geschäftsfreunde zu einer schlichten Einweihungsfeier ihres neuen Grundstückes und zugleich zur Feier des 75jährigen Bestehens des Unternehmens versammelt. Es sprachen bei dieser Feier der derzeitige Vorsitzende des Aufsichtsrats der Bank, Justizrat Schulze, Schlossermeister Wandt, 2. Bürgermeister Dr. Baumgardt, Dr. Eichhorn, der Vertreter des Thür. Genossenschaftsverbandes, Dr. Lang und Bäckermeister i. R. Platen.

22. Juli
Der Kreistag hat in Sprotta zur Einrichtung eines Kindererholungsheimes das Grundstück der Frau Paas - Leipzig durch notariellen Kaufvertrag erworben. Nach technischen und medizinischen Gutachten sind Umbauten erforderlich. Der Kreistag bewilligt die Mittel dazu in Höhe von 21.000 M. zu den bereits bewilligten 14.000 M.

28. Juli
Hauskauf / Marienfriedhof
Die Stadtverordnetenversammlung beschließt, das Haus der Witwe Ulrich in der Feldstraße, das bei dem letzten Unwetter erheblichen Schaden erlitten hat, für 1.000 Mark zu kaufen. Die Mauer des Marienfriedhofes soll niedergelegt werden. Der Provinzialkonservator hat dagegen Einspruch erhoben, weil mit ihr ein historisches Denkmal schwindet. Die Versammlung ist aber der Ansicht, daß man ein schöneres Stadtbild schaffen kann, wenn man die Mauer niederlegt. Dem Marienfriedhof soll der Charakter als Friedhof genommen werden, um ihn in einen Park umzuwandeln. Die Niederlegung der Mauer wurde beschlossen.

29. Juli
Typhus
In der Wiesenstraße sind mehrere Fälle von Typhuserkrankungen vorgekommen. Die Erkrankten sind nach Halle gebracht worden. Es handelt sich um eine Herdinfektion. Für weitere Kreise besteht keine Gefahr. Bisher ist ein Todesfall vorgekommen.

6. August
In der Elberitzmühle werden die Badezeiten von jetzt an so gelegt, daß jeden Nachmittag Familienbad-Gelegenheit gegeben ist. Dadurch soll insbesondere auch den berufstätigen Personen die Möglichkeit gegeben sein, das Bad täglich zu benutzen.

13. August
Postautolinie Delitzsch-Schkeuditz
Am gestrigen Donnerstag fand die Eröffnungsfahrt der neuen Postautolinie Delitzsch = Schkeuditz statt. Drei vollbesetzte Postkraftwagen holten den für die Delitzscher Teilnehmer bestimmten Eilenburger Wagen hier gegen ½5 Uhr nachmittags ab und ohne Rast ging die Fahrt dann flugs nach Schkeuditz. In Schkeuditz versammelten sich die Insassen der vier Kraftpostwagen im Ratskeller zu einer kleinen Einweihungsfeier. Es sprachen Oberpostrat Meyer von der Oberpostdirektion Halle, Stadtrat Petzold - Schkeuditz, Landrat a. D. Raute - Eilenburg, 2. Bürgermeister Dr. Baumgardt - Delitzsch und Dr. Kloß im Namen des Kreises Merseburg. Alle wünschten, daß die neue Linie, die heute ihren Verkehr aufgenommen hat, recht regen Besuch findet, damit sie als ständige Einrichtung beibehalten werden kann.

14. August
Seminar
Infolge der anderweitigen Verwendung des Seminars und des damit verbundenen Umbaus besteht die Gefahr, daß die "Seminarkriegerehrung" von der jetzigen Stelle entfernt werden muß. Die ehemaligen Schüler unseres Seminars haben daher in ihrer letzten Versammlung beschlossen, in dieser Angelegenheit alle Schritte zu unternehmen, um die Seminarkriegergedächtnisstätte an Ort und Stelle zu belassen.

23. August
Fricke
Am gestrigen Sonntag verstarb in einer Leipziger Klinik nach längerem schweren Leiden der langjährige erste Bürobeamte unserer Stadtgemeinde, der Stadtoberinspektor Gustav Fricke im 58. Lebensjahre. Mit ihm scheidet wieder eine Persönlichkeit aus unserem öffentlichen Leben, deren Wirken weit über den engeren Beruf spürbar war. 1895 kam er zur Stadtverwaltung nach Delitzsch, zunächst als Polizeisekretär, bereits 1897 wurde er Stadtsekretär und in demselben Jahre bestellte ihn die Stadtverordnetenversammlung zu ihrem Protokollführer. Dieses Amt bekleidete er bis zu seinem Tode. Ein besonderes Verdienst hatte sich der Verstorbene als Begründer des Delitzscher Adreßbuchs erworben, dessen Herausgeber er in mehreren Auflagen seit 13 Jahren war. Auch sonst bekleidet Fricke verschiedene Ehrenämter der Stadt.

27. August
Die Schwäne
DieZierde unserer Stadt, die Schwäne sind nicht mehr. Der Schwan hatte schon seit Wochen Ausflüge in die Umgegend unternommen. Seit längerer Zeit ist er nun nicht nach Delitzsch zurückgekommen. Er schwimmt irgendwo auf einem Teich der Umgebung. Die Schwänin suchte nun ihren Gefährten. Bei einem solchen Ausfluge fand sie nahe am Stadtgraben den Tod in der elektrischen Leitung. Es war unterlassen worden, den Schwänen die Flügel zu beschneiden.

6. September
60jähriges Bäcker-Jubiläum
Am gestrigen Sonntag beging der Bäckergesellen Verein "Früh Auf" sein 60jähriges Fahnenjubiläum. Der Festtag wurde am Vormittag eingeleitet durch den Empfang einer großen Anzahl auswärtiger Vereine. Die zahlreichen Bäckergesellen mit ihren weißen Mützen gaben dem Leben und Treiben der Stadt einen besonderen Anstrich. Um 2 Uhr bewegte sich dann ein großer Festzug mit 15 Vereinen und 14 Fahnen durch mehrere Straßen unserer Stadt, die im Festschmuck prangten. Auf dem Schützenhof, wohin sich der Festzug bewegte, herrschte bald eine richtige Feststimmung, die durch ein Preisschießen und eine große Tombola noch vergrößert wurde. Im Schützenhofsaal fand dann nach einem reichhaltigen Festprogramm die eigentliche Jubiläumsfeier statt. Mit Konzert und Festball fand die Feier ihr Ende.

15. September
Fricke und Engeleiter
In der gestrigen Stadtverordnetensitzung wurde an Stelle des verstorbenen Stadtoberinspektors Fricke der Beamtenanwärter Engeleiter als Protokollführer gewählt und verpflichtet. Außerdem beschloß die Stadtverordnetenversammlung weiteres Baugelände in der Gutenberg- und Damaschkestraße auszugeben und die Damaschkestraße durchweg in einer Breite von 9 Meter durchzuführen.

23. September
Oelschlägel
Direktor Oelschlägel begeht heute sein 25jähriges Dienstjubiläum bei der Thüringer Gasgesellschaft. Als eine bescheidene kleine Gasanstalt wurde das heutige große Ferngaswerk im Jahre 1876 von der Stadtgemeinde Delitzsch erbaut. Da die Gasanstalt weniger prosperierte, verkaufte die Stadt ihr Sorgenkind an die Stettiner Schamottfabrik vorm. E. Diedger, Stettin, in deren Verwaltung sie bis zum Jahre 1904 verblieb. Am 1. September 1904 ging das immer noch kleine Gaswerk käuflich in den Besitz der Thüringer Gasgesellschaft über. Unter bewährter Leitung des jetzigen Direktors A. Oelschlägel wurde nunmehr das kleine, der Zeit nicht mehr entsprechende Gaswerk erstmalig im Jahre 1906 von Grund auf umgebaut und späterhin nochmals ganz gründlich modernisiert, so daß es heute als vorbildliches Ferngaswerk bezeichnet werden kann.

9. Oktober
Strafanstalt
Die Strafanstalt, zu der das Schloß verwandt wurde, wird nunmehr aufgelöst, und der Abtransport der Gefangenen sowie die Versetzung der Beamten werden bis November erledigt sein. Was in Zukunft mit dem Schloß geschehen soll, steht heute noch nicht fest.

10. Oktober
Pfarrer Suckert
An Stelle des nach Halle verzogenen Pfarrer Noack wurde vom Magistrat, dem die Besetzung der 3. Pfarrstelle in Delitzsch obliegt Lic. theol. Walter Suckert aus Taftungen Kreis Worbis gewählt. Sonntag den 3. Oktober fand nun die Einführung des neuen Pastors im feierlichen Gottesdienst in Gegenwart der sehr zahlreich versammelten Gemeinde durch Superintendenten Hobbing statt.

8. November
Kirchenkonzert
Zum Besten der Gemeindepflege in Delitzsch fand gestern in der Stadtkirche ein Kirchenkonzert statt, das erfreulicher Weise recht gut besucht war. Als Mitwirkende hatten sich Käte Schimpf-Straube (Alt), das Mitglied des Leipziger Gewandhausquartetts Karl Wolschke (Violine) und Musikdirektor Willy Straube - Wittenberg (Orgel) in den Dienst der Sache gestellt. Willy Straube ist ein Meister der Orgel und zeigte besonders sein großes Können in dem Vortrag der Toccate und Fuge von J. F. Bach. Käte Schimpf-Straube verfügt über eine gutgepflegte Altstimme, deren voller Ton sich besonders für Kirchenmusik eignet. In Karl Wolschke lernten wir einen äußerst sympathischen Violinvirtuosen kennen, der in jeder Beziehung sein bezaubernd schön tönendes Instrument meistert. Das Konzert war ein Ereignis für Delitzsch.

10. November
Jubiläum Robert Adam
Am heutigen Tage feiert das über die heimatlichen Grenzen hinaus bekannte Polstermöbel- und Dekorationsgeschäft Robert Adam sein 25jähriges Bestehen. Gleichzeitig kann der Begründer und Inhaber der Firma sein 35jähriges Berufsjubiläum begehen. Sattlermeister Robert Adam hat es verstanden, sein Geschäft aus kleinsten Anfängen heraus aus eigener Kraft durch berufliche Tüchtigkeit auf die jetzige Höhe zu bringen. Im Jahre 1907 kaufte er das jetzige Geschäftshaus neben Hotel zur grünen Linde. Hier konnte er sich in großzügiger Weise dem Linoleum- und Ledergeschäft widmen. Besonders erweitert wurde auch die Teppich-, Gardinen- und Dekorationsabteilung. So kann sich heute Adams Geschäftshaus mit gleichartigen der Großstadt voll messen.

15. November
Das Schloß
Das Delitzscher Schloß, das durch den Fortzug seiner Insassen das öffentliche Interesse erweckt hat, erlebte im 17. Jahrhundert durch die Residenz der Herzoginwitwe Christiane eine ganz besondere Blütezeit. Die heute noch im Schloß erhaltenen prächtigen Kamine, Parkettfußböden sowie die vereinzelten Möbel im Delitzscher Museum legen Zeugnis ab von der damaligen Pracht und Herrlichkeit. Doch bald nach dem Tode der letzten Herzogin bezog das Justizamt die Schloßgebäude. Die prächtigen Möbel wurden verkauft, und es hat damals wohl kaum ein Delitzscher Haus gegeben, in welchem nicht Möbel aus dem Schlosse sich befanden. Einen aus diesen Tagen stammenden Stuhl hat die Firma Robert Adam anläßlich ihres Geschäftsjubiläums erneuert. In seiner fast 200jährigen Vergangenheit hat der Stuhl viel erleben müssen, bis er endlich bei einem Nachlaß in der Lindenstraße im argem Zustande aufgefunden wurde. Nun hat er seine ursprüngliche Form wieder und ist Mittelpunkt der Jubiläumsausstellung geworden.

27. November
60jähriges Jubiläum des Vaterländischen Frauenvereins
Der Vaterländische Frauenverein vom Roten Kreuz, Zweigverein Delitzsch beging gestern das 60jährige Jubiläum seines Bestehens. Der Schwan-Saal war überfüllt. Die Vorsitzende Frau Direktor Aumüller ging in ihrer Begrüßungsansprache auf die Entstehungsgeschichte des Vereins ein. Im Namen des Verbandes der evangelischen Frauenhilfe im Kreise Delitzsch überbrachte Frau Geheimrat von Busse die herzlichsten Grüße und aufrichtigsten Glückwünsche dem Jubilar. Superintendent Hobbing sprach im Namen der Ephorie Delitzsch dem Verein seine Glückwünsche aus. Auch der Vertreter der katholischen Gemeinde, Pfarre Köhne, beglückwünschte den Verein zu seinem Geburtstag. Schließlich hob auch Frau Hauptmann Krause im Namen des Luisenbundes die segensreiche Wirkung des Vereins hervor. Die Festrede hielt dann Pfarrer Kohlmann. Darauf begann der unterhaltende Teil, dem neben der Jugendgruppe des Vaterländischen Frauenvereins das Lindequartett sowie Annegret Winzer - Columbara (Sopran) bestritten. Seinen Abschluß fand der Abend mit einem von der Jugendgruppe dargestellten Märchenspiel "Dr. Allwissend".

3. Dezember
Karl Gräfe
Der in Stadt und Land weit bekannte Kürschnermeister Karl Gräfe begeht heute sein 40jähriges Geschäftsjubiläum. Am 3. Dezember 1886 gründete er sein Geschäft und hat es durch eisernen Fleiß und strenge Reelität zu einem achtungsgebietenden Geschäft seiner Branche gebracht. Mit dem Korbe auf dem Rücken verkaufte der Jubilar zuerst in dem Bitterfelder Grubenbezirk seine Mützen. Im Jahre 1902 fügte er dem schon gewachsenen Betrieb eine Damenabteilung zu, und heute steht das Geschäft führend am Platze.

6. Dezember
Die gefährliche Ecke
Gestern hat sich abermals an der gefährlichen Ecke Kohl- und Bismarckstraße ein Zusammenstoß zugetragen. Da diese Unglücksfälle an der besagten Ecke zu dem "wöchentlichen Ereignis" gehören, sind unbedingt Maßnahmen zur Abstellung dieser Übelstände nötig. Die Verkehrsdeputation hat sich nun auch bereits mit dieser Angelegenheit befaßt. Die Durchfahrt von der Holzstraße nach der Bismarckstraße wird für jeden Fahrverkehr gesperrt und sämtliche Fuhrwerke sollen von der sogenannten schiefen Brücke über die Rathenaupromenade nach dem Roßplatz umgeleitet werden. Von der Bismarckstraße kommende Fahrzeuge müßten die Kohlstraße, den Roßplatz und die Rathenaupromenade passieren, wenn sie nach der Kohlstraße wollen. Zumeist wird aber ein solcher Umweg nicht nötig sein, da durch Tafeln gekennzeichnet und an dem Eisenbahnübergang an der Beerendorfer Straße aufgestellt, der Durchgangsverkehr von Eilenburg nach Halle künftig sich kaum noch in der Bismarckstraße verirren, sondern sogleich seinen Weg durch die Eilenburger - Breitestraße, Markt nehmen dürften.

7. Dezember
Meisterjubiläum Exner - Becker
Schuhmachermeister Wilhelm Exner feierte am Sonntag sein 50jähriges Meisterjubiläum. Von allen Seiten wurden dem Jubilar zahlreiche Glückwünsche und Ehrungen zuteil. Die Handwerkskammer ließ ihm durch Stadtrat Tauche den Ehrenmeisterbrief überreichen und außerdem ein Ehrengeschenk. Am heutigen Tage feiert Schuhmachermeister Becker, Pfortenplatz, sein 50jähriges Meisterjubiläum. Auch hier vertrat Stadtrat Tauche die Handwerkskammer und überreichte Ehrenmeisterbrief und Ehrengeschenk.

27. Dezember
Neubau des Seminars
Der preußische Finanzminister hat nunmehr durch Verfügung vom 21. Dezember verordnet, daß unverzüglich mit dem Umbau des Seminargebäudes zu Delitzsch begonnen werden soll. Um diesen Umbau geht seit geraumer Zeit ein heftiger Streit zwischen dem Staat und unserer Stadtverwaltung, der nun zu ungunsten der Stadt entschieden worden ist. Wie verlautet, wird neben den staatlichen preußischen Behörden auch das Finanzamt, eine Reichsbehörde in dem Seminar Unterkunft finden, das zu diesem Zwecke natürlich vollständig umgebaut werden muß. Wann die Bauarbeiten beginnen, steht im Augenblick noch nicht fest, doch rechnet man damit, daß man schon im Februar des nächsten Jahres nach Erledigung der nötigen Vorarbeiten mit dem Umbau anfangen kann.