Handschriftliche Chronik von 1816-1952 - 1870-1871

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 1870

Vom 1ten Januar des Jahres an haben nachbenannte Herren Lehrer folgende nach den Dienstjahren bemeßene Gehalts-Zulagen erhalten: 1) Schneider 40 Rtl. 2) Berger 15 Rtl. 3) Petermann 40 Rtl. 4) Hoffmann jun. 65 Rtl. 5) Beyer 30 Rtl. 6) Rocke 25 Rtl. 7) Thierbach 61 Rtl. 8) Jost 40 Rtl. 14)Klein 25 Rtl, 10) Schubert 25 Rtl. 11) Wenzel 25 Rtl. 12) Grellmann 68 Rtl. 13) Hofmann sen. 64 Rtl. 14) Kiemstedt 25 Rtl. 15) Diedecke 45 Rtl. 16) Ruhmann 20 Rtl. 17) Wernicke 25 Rtl.

Es betragen also die jetzigen Gehalte der genannten Herren mit Einschluß der betr. dem Werthe nach billig berechneten Amtswohnungen und der resp.Cantoren- und Organisten-Besoldungen nach dieser Reihenfolge: 1) 390 Rtl. 2) 340 Rtl. 3) 450 Rtl. 4) 365 Rtl. 5) 280 Rtl. 6) 225 Rtl. 7) 500 Rtl. 14)400 Rtl. 9) 275 Rtl. 10) 250 Rtl. 11) 225 Rd 12) 475 Rtl. 13) 400 Rtl. 14) 225 Rtl. 15) 325 Rtl. 16) 250 Rtl. 17) 225 Rd. Uebrigens darf auch bey uns seit einem Jahre kein Elementarlehrer unter 200 Rtl. angestellt werden. Für die am 6ten und 7ten Februar in Havelberg Abgebrannten, an welchem Brande an 700 Personen ihre Habe und Obdach verloren, wurde von der Expedition des Kreisblattes eine Collekte veranstaltet, deren Ertrag 86 Rtl. 6 Sgr, 9 Pf. betrug, und am 24ten Februar an den Magistrat in Havelberg eingesendet worden ist. Kleidungsstücke waren schon vorher abgeliefert. Mit den nach dem Schluß dieser Sammlung noch eingegangenen Beyträge hat der Gesammt-Ertrag derselben am Ende des Februar die Summe von 91 Rtl. und 29 Sgr. 9 Pf. ergeben, welche nach Havelberg gesandt wurden.

Am 29ten Maerz wurde unter dem Vorsitz des Herrn Regierungs- und Schulraths Haupt aus Merseburg die mündliche Prüfung der Abiturienten der hiesigen höheren Bürgerschule abgehalten. Einer von den drei Schülern, welche sich diese Ostern der Abgangsprüfung unterzogen, konnte in Folge des sehr guten Ausfalls seiner schriftlichen Examenarbeiten und auf Grund der günstigen Zeugniße der Lehrer über seine Klaßenleistungen durch Dispensation von der mündlichen Prüfung ausgezeichnet werden; auch die beyden anderen Abiturienten bestanden das Examen. Censuren 1 gut, 2 genügend. Die Witterung des November und December des vorigen Jahres mit ihrem schroffen Wechsel dauerte im Januar des Jahres fast ganz in derselben Weise, und zwar in der ersten Hälfte deßelben bey vorherrschendem West—und Südwest—Winde und niedrigerm Barometerstande unter 28, dagegen in der zweiten Hälfte bey vorherrschenden Nordwest — und Ostwinde, höherem Barometerstande über 28, und mäßigem Frost, wie bisher fort. Die im südlichen Deutschland statt gefundenen pag.452 erwähnten Erderschütterungen kehrten im Januar bis zu deßen Ende noch mehrere Male in größerer und geringerer Stärke zum Schrecken der Einwohner zurück, ja sogar noch einige Mal im Februar und März.

Noch verdient als eine große Seltenheit erwähnt zu werden, daß im Laufe des Januar vier Nordlichter erschienen, und zwar am lten, 6ten, 20ten und 30ten, von denen das erste am Neujahrsabend von 11 bis 12 Uhr nach den übereinstimmenden astronomischen Zeitungsberichten als ein prachtvolles Phänomen, wie eine rote Feuersäule, sich zeigte, die andern drei aber minder glänzend waren Eine offenbare Folge davon trat denn gleich vom Anfang des Februar bis Mitte deßelben bey hohem Barometerstande (28,2 — 5) strenge Winterkälte ein; das Thermometer zeigte mehrmals früh 7 Uhr-15 Reaum. Scharfer Ostwind war vorherrschend. In der zweiten Hälfte des Februar schlug bey vorwaltendem Westwind die Kälte bedeutend ab; statt der kalten und hellen Tage der ersten Hälfte des Monats hatten wir wieder, wie im Januar, mildere, trübe und nebelvolle mit Schneefall bey niedrigem Barometerstand. An die Armen wurde von der Armen-Deputation 120 Tonnen ausgesiebte Knorpelkohle vertheilt. Die beyden letzten Tage des Februar und die drei ersten des Maerz waren sehr schön und milde, und man hoffte, daß der Winter, welcher diesmal schon zu Michäelis vorigen Jahres anfing, nun endlich Abschied nehmen würde; dennoch kehrte er noch einmal am 4ten Maerz zu uns zurück, und hielt bis zum Ende des Monats aus; die meisten Tage deßelben waren, obgleich bey mäßigem Frost und nur geringen Kältegraden, sehr trübe, naßkalt und rauh, auch durch anhaltende dichte Nebel, vielen Schneefall, Thauwetter und empfindlichen Nord — und Ostwind bezeichnet. Am 12ten Abends um 8 Uhr war ein Schneesturm (Barometer 27,4); der Stand des Barometers war häufigen Schwankungen unterworfen. Dieser ungewöhnlich lange anhaltende zum Theil harte Winter von der Dauer eines vollen halben Jahres hatte natürlich auch auf die Gesundheit der Menschen einen sehr nachtheiligen Einfluß und ward besonders Kindern und Brustkranken, noch mehr aber alten Personen verderblich; unter den letzteren war die Sterblichkeit sehr groß. Von Scharlach und Spitzpocken kamen nur noch vereinzelte Fälle vor; Catarrhe waren aber an der Tagesordnung. Noch ist zu bemerken, daß wegen der großen Näße die sehr gewünschte Bestllung des Feldes für die Sommersaaten leider noch nicht hat statt finden können.

Als der jetzige Besitzer der hiesigen Buchdruckerei Herr Bernhard Meyner diese nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1854 übernahm (S.pag.219), befand sie sich schon in einem recht gutem Zustande. Derselbe, ein Mann des besonnenen Fortschritts, vervollkommnete sie aber immer noch mehr durch Einführung zeitgemäßer Verbeßerungen. Da bey dem bedeutend vermehrten Geschäftsbetrieb die bisherigen Räumlichkeiten nicht mehr ausreichten, so unternahm Herr Meyner zuerst im Jahre 1861 den Umbau des Wohnhauses, und führte dann 1862 mit vielem Kostenaufwand den totalen Neubau des langen in der kleinen Schloßgaße stehenden Seitengebäudes in höchst zweckmäßiger Weise aus, so daß die Officin die völlig ausreichenden Localitäten in den Parterre-Räumen des ganzen Grundstücks erhielt, und die obere Etage von dem Besitzer zur Wohnung benutzt wird. Zur schnelleren Förderung des Geschäftsbetriebes kaufte nun noch Herr Meyner im Mai 1870 auf der Leipziger Ostermeße für den Preis von vierzehnhundert Thalern aus der Fabrik von Klein, Forst und Bohn in Johannisberg am Rhein eine vortreffliche Schnelldruckpreße, welche vom Monteur Jacob Kempnich hier aufgestellt wurde, nur drei Mann zur Bedienung braucht, und deren erste Arbeit die No. 62 des Kreisblatts von 1870 war. Sie ist selbstverständlich ganz von Eisen, und wird durch ein etwa fünf Fuß im Durchmeßer haltendes Schwungrad, welches von einem Menschen gedreht wird, in Betrieb gesetzt. Am lten April legte der bisherige Lehrer an der höheren Bürgerschule Cand.Theol. Blindow nach nicht ganz zweyjähriger Wirksamkeit sein Amt nieder; derselbe war Ordinarius von Quinta, konnte aber leider, wie man oft hörte, bey aller Gelehrsamkeit doch keine Zucht und Ordnung in den Lehrstunden halten, weßhalb denn auch zu Michäelis vorigen Jahres dem um diese Zeit neu angestellten Lehrer, Cand.des höheren Schulamts, Carl Achten aus Breslau das Ordinariat dieser Klaße übertragen ward.

Die der Commun gehörigen Kirsch-Alleen sind in diesem Jahre für den Preis von zusammen 396 Rtl. verpachtet worden, und die Pflaumenplantage im Rosenthal für den Preis von 75 Rtl.

Die Witterung des April war in der ersten Hälfte deßelben bey höherem Juni Barometerstande und fast täglich wechselnder Windrichtung in der ganzen Windrose größten Theils angenehm und milde. Am Sten Abends von 8 — 9 Uhr war bei heiterm Himmel und hohem Barometerstande (28,6) ein prächtig glänzendes Nordlicht sichtbar, von welchem feuerrothe Strahlen bis in das Zenith stiegen; nach den astronomischen Berichten hatte daßelbe 30 Grade Breite, 55 Grade Höhe, und der Hauptstrahl allein, welcher bis zum Polarstern reichte, 3 Grade Breite. Die zweite Hälfte des April war bey vorherrschendem Nordost- und Nordwest-Wind weit mehr stürmisch, trübe und kalt als schön; besonders am 15ten und löten hatten wir Stürme mit Graupeln.(Thermfrüh — 8), (Barom. 28,4). In Folge des fast gänzlichen Mangels an Regen war während des ganzen April die Dürre sehr groß, welche noch im Mai fortdauerte, bis endlich noch zu rechter Zeit am lOten, 14ten, 16ten und 17ten Mai mehrere starke Gewitterregen die ausgedorrten Fluren erquickten, worauf wieder bey hohem Barometerstand und vorherrschenden Nordwestwind sehr schöne und warme Tage bis zum 22ten des Monats eintraten, denen aber wieder stürmische und sehr rauhe Tage bis zum 31ten , an diesem Abends mit einem Gewitterregen, folgten. Maikäfer und Raupen waren nicht vorhanden. Die Saaten standen gut, nur der Mangel an Futterkräutern war bedeutend, weßhalb die Marktpreise stiegen, die Kanne Butter bis zu dem enormen Preise von 1 Rtl., welcher aber bald wieder um 1/3 fiel. Die rauhe und unfreundliche Witterung hielt bey hohem Barometerstand (28 — 28,4) und vorherrschendem West und Nordwestwind noch bis zum 13 Junius an, worauf dann bey noch immer anhaltender Trockenheit herrlicher sehr warmes, die Heuerndte begünstigendes, Wetter bis zum 24ten folgte. Aber von diesem Tage an bis zum Ende des Junius regnete es bey empfindlicher Kühle viel bey Tag und Nacht, so daß leider ein großer Theil der wirklich schönen Heuerndte verloren gegangen ist. Der Waßerstand im Lober war während des ganzen Vierteljahrs sehr niedrig. In Hinsicht des Gesundheitszustandes ist noch zu erwähnen, daß im April vereinzelte Fälle von natürlichen Menschenpocken bey Erwachsenen vorkamen, welche tödlich endeten; überhaupt ist in diesem Frühjahr die Sterblichkeit, besonders unter den Schwindsüchtigen und Kindern, bedeutend gewesen; unter den letzteren herrschte auch der Keuchhusten. Am 4ten post Trinit.(d. 1 Oten Julius) hielt im Vormittags- Gottesdienst der Candidat Meinhardt aus Eisleben seine Antrittspredigt als Diaconus, nachdem er zuvor vom Oberpfarrer und Superintendent Vicar Leipoldt in sein Amt eingeführt war. Der Kämmerer und Hospital-Vorsteher Eduard Weidenhammer, welcher seit sieben Jahren, besonders im Winter und Frühjahr, in seiner Amtsverwaltung öfters durch Krankheit unterbrochen wurde und daher vertreten werden mußte, ist vom lten August des Jahres an mit einer Pension von 300 Rtl. emeritirt worden.

Als deßen Nachfolger in den genannten beyden Aemtern wurde der bisherige Stadt-Steuereinnehmer Robert Ufer, und als Nachfolger in deßen Amte der bisherige Sparkaßen-Aßistent Julius Braune vom lten October an angestellt. Am 4ten October hat sich die Frau des Handarbeiter Raetz in ihrer Wohnung in der Leipziger Vorstadt erhängt; deßgleichen auch an demselben Tage eine Frau im hiesigen Zuchthause. Die Witterung des Julius war bis zum 6ten trübe und kühl; am lten Abends um 5 und 7 Uhr hatten wir zwey Gewitter, und am 2ten noch ein starkes mit Graupeln um 6 Uhr Abends. Vom 6ten Julius an trat aber bey höherem Barometerstande ( 28,1 — 3 ) und vorherrschenden Nordwestwind und Südostwind sehr schönes warmes Wetter ein, (Thermometer + 33), am 13ten und 2 lten mit milden Landregen; der 28te und 29te, an welchem letzterem Tage früh ein sehr dichter Nebel war, brachte und Abneds um 4 und 10 Uhr starke Gewitterregen; die Roggenerndte wurde noch glücklich eingebracht; sie war im Ertrag in jeder Hinsicht gut. Das sehr schöne, warme Wetter des Julius (Thermometer +36) hielt bey niedrigem Barometerstande noch bis zum 9ten August an; von diesem Tage an trat aber eine bedeutende Abkühlung ein, und das Wetter war bis zum Ende des Monat sehr kühl, trübe, stürmisch und regnigt; auch hatten wir bey größten Theils niedrigen Barometerstande und vorherrschendem Nordwestwind und Nordostwind viele Regentage, und am 6ten, 8ten, lOten, 12ten und 19ten starke Gewitter, von denen das an dem schwülen Tage des 12te Abends von 5-7 Uhr sich durch seinen förmlich wolkenbruchartigen Regen auszeichnete, auch der Blitz im Dorfe Grabschütz in einem mit Stroh gedeckten Wirthschaftsgebäude zündete. In Folge der lange anhaltenden bedeutenden Näße wurde natürlich das Einbringen der Weitzen-, Gersten- und Hafererndte sehr erschwert und verzögert, indem die Feldbesitzer drei volle Wochen täglich mit dem Wenden und Aufstellen der Mandeln und Garben vollauf zu thun hatten, und trotz aller Arbeit und Mühe doch noch ein großer Theil dieser drei Fruchtarten durch Auswachsen verloren gieng. Es kann daher der Ertrag derselben nur als ein mittelmäßiger bezeichnet werden, zumal da der Weitzen schon im Frühjahr durch Auswintern sehr gelitten hatte und an vielen Stellen sehr dünn stand, und der große Scheffel deshalb bis 6 Rtl. 15 Sgr. stieg. Der Winter- Rübsen und Raps hat ebenfalls durch Auswintern so gewaltig gelitten, daß dieselben an vielen Orten haben umgepflügt werden müßen; die Erndte dieser Oelfrüchte ist mithin schlecht ausgefallen. An den kalten und stürmischen Tagen des 29ten und 30ten hat der Sturm von den Obstbäumen, welche dieses Jahr, besonders die Pflaumen, sehr voll hiengen, recht viel Früchte abgeworfen ; doch hängen noch viel.

Am 1ten September, dem Aegidius-Tage, war das Wetter sehr schön und angenehm, und wir hatten also nach der alten in den meisten Fällen bestätigten Wetter-Regel einen durchweg schönen September zu hoffen; allein trotzdem war die Witterung deßelben mit Ausnahme einiger warmen Tage zu Anfang und Ende des Monats bey oft wechselnder Windrichtung sehr kühl, trübe, nebligt und reg,nigt, am am Sten Morgens 2 Uhr auch ein Gewitterregen; der größere Theil der guten Grummterndte konnte, weil der Wind öfters wieder abtrocknete, noch mit genauer Noth eingebracht werden, der kleinere dagegen verdarb wegen der Naßkälte auf den Wiesen. In der Nacht am 24ten war von Abends 10 Uhr bis früh 4 Uhr ein prachtvolles Nordlicht sichtbar, von Farbe tief dunkelroth mit untermischten gelben Streifen, und sehr breitem Umfang; am folgenden Abend ward noch eins von derselben Stärke und Schönheit beobachtet . Das Barometer stand in der letzten Woche des Monats hoch, am 23ten und 30ten, 28,7. Noch ist zu bemerken, daß die Seite 452 erwähnten Erderschütterungen im Dorfe Groß- Gerau nach längerer Ruhe zu Anfang des Monats erst in geringerm Grade, dann aber vom 17ten an in bedeutenderer Stärke sich wiederholt haben.

Über den Gesundheitszustand ist zu berichten, daß normale Menschenpocken nicht mehr vorgekommen, auch für das verfloßene Vierteljahr.

Am 17ten October, Montags früh um 10 1/2 Uhr, entstand Feuerlärm; es brannte in der Hallischen Straße im Hofe des Gasthofsbesitzers Boehme zum goldenen Adler ein Stallgebäude, in welchem Braunkohlen, Reißholz, Stroh und Heu aufbewahrt wurden. Unsere trefflich organisirte und schon mehrfach bewährte Feuerwehr machte auch diesmal kurzen Proceß mit dem Feuer; nach Verlauf einer Viertelstunde war daßelbe gelöscht und die Gefahr vorüber. Die Entstehungsursache ist bis jetzt nicht entdeckt worden. Der Herr Kreisphysikus und Dr Kanzler hat im November unmittelbar vor seinem Wohnhause am Leipziger Thor ein Stück Stadtgraben von der Stadtkommun für den Preis von 78 Rtl. 15 Sgr. gekauft; die Linie wurde vom Brückenpfeiler bis an die aus der Holzstraße abgeleitete Schleuße gezogen, und der gewonnene Flächenraum beträgt 471 Quadrat Fuß; zum Schutz des Ufers hat der Besitzer nunmehr eine 5 Fuß hohe starke Mauer aus Bruchsteinen mit einem nicht unbedeutendem Kostenaufwand aufgeführt. Der Bau der Halle-Sorau-Gubener Eisenbahn ist in diesem Jahre in Folge des am löten Julius zwischen Frankreich und Deutschland plötzlich ausgebrochenen furchtbaren Krieges sehr ins Stocken gerathen, und die Actien dieser Bahn sind im December bis zum Jahresschluß nach und nach sogar bis auf 42 1/2 Rtl. gesunken. Von den Brücken sind die gleich oberhalb der Elberitz-Mühle befindliche maßive hoch gewölbte Loberbrücke und in geringer östlichen Entfernung davon wegen manchmal hohen Waßers eine ebenso schöne Flutbrücke erbaut, auch die beyden hohen Mauerpfeiler für den Durchgang der Berlin-Anhalter Eisenbahn vollendet worden, deßgleichen auch rechts von der Leipziger Chausee ein Güterschuppen und ein Waßerhaus. Dagegen sind aber die Erdarbeiten zu dem Damme zwischen den genannten Brücken und über diese hinaus noch sehr zurück; der Damm selbst ist hier an manchen Stellen 15 — 25 Fuß hoch, und giebt unserer Stadt von der südöstlichen Seite leider das Ansehen einer kleinen Festung; Gott gebe, daß dieser Damm bey einem Kriege in spätem Zeiten nicht einmal das Unglück für unsere Stadt wird. Aus der ursprünglich projectirten Eröffnung dieser Eisenbahn zum lten janura 1871 ist natürlich unter diesen Umständen bey dem Mangel an Eifer im Betrieb und wohl auch an Geld nichts geworden.

Die Witterung des October war in den ersten Tagen bey sehr hohem Stande des Barometer (28,4 — 8) hell und schön; bald fiel jedoch daßelbe bedeutend (bis 27,2.), der bisherige Ostwind ging in Nordwind und bald in Westwind über, worauf viele, trübe und kühle, auch regnigte Tage folgten. Am 24ten Abends von 6 bis 9 Uhr war bey hellem Himmel ein prachtvolles Nordlicht von sehr breitem Umfange nach Osten und Westen mit purpurrothen und gelben bis hoch an das Zenith aufsteigenden Strahlen sichtbar; am nächstfolgendem Abend wurde wieder ein solches, das neunte in diesem Jahre, bey trüberem Himmel, aber nicht so umfangreich und glänzend, wie das gestrige, von 6 1/2 - 8 Uhr beobachtet. Der Aberglaube des unwißenden großen Haufens erhielt durch diese Naturerscheinungen wegen des jetzigen blutigen Krieges mit Frankreich sehr reiche Nahrung Zu bemerken ist noch, daß die Kartoffelerndte recht gut ausgefallen ist, ebenso auch die Obsterndte, dagegen ist der Wein ganz mißrathen. Die Witterung des November war diesmal bey Anfangs höherem, dann größten Theils niedrigem Barometerstande und vorherrschendem Südwestwind und Westwind ungewöhnlich milde und schön; nur die letzten drei Tage deßelben waren bey hohem Barometerstand (B 28,4) und bey Nordwestwind trübe und kühl und voll dichten Nebels. Gleich vom Anfang des December trat starker Frost mit Schnee an mehreren Tagen ein bey vorherrschendem Nordwind und Ostwind (B. 28,1 — 5), das Thermometer fiel bis auf —10 Reaum früh 7 Uhr. Vom 13ten bis zum 20ten hatten wir bey niedrigerm Barometerstande und bey Westwind Thauwetter, worauf wieder vom letztgenannten Tage an bis zum 3 lten helles Wetter bey hohem Barometerstande und anhaltendem Ostwind und Nordostwind mit bedeutenden Kältegraden folgte; die beyden kältesten Tage waren der 24te und der 25te; an ersterem zeigte das Thermometer früh 7Uhr — 18, und Nachmittags 3 Uhr noch — 12; an letzterem früh 7 Uhr — 15. Zu erwähnen ist noch, daß die bereits verzeichneten Erderschütterungen in dem Heßischen Dorfe Groß-Gerau am 18ten des Monats in heftigem Grade wiedergekehrt sind. —

Der Gesundheitszustand war wie überhaupt dieses Jahr, im Ganzen genommen befriedigend; im letzten Vierteljahr waren Catarrhe nicht selten, so wie bey älteren Personen asthmatische Brustbeschwerden; auch kamen mehrere Fälle von maskirtem Scharlachfieber, wo der Ausschlag auf der Oberhaut gar nicht sich zeigte, sondern seine Rolle blos auf den Mandeln und den Schlingwerkzeugen abspielte, dann aber durch die nachfolgende Waßersucht sich manifestirte und mehrmals tödlich endete, zur Behandlung.

Geboren wurden in diesem Jahre in unserer evangelischen Kirchgemeinde 392, worunter 51 Uneheliche, und gestorben sind 266, worunter 169 Kinder, so wie 2 Personen über 80, und 1 über 90 Jahre sind.

Der Gasthofbesitzer Becker erbaute in diesem Frühjahr und Sommer, nachdem er vorher einen großen Theil seines alten in der Zscherngaße gelegenen, bisher nur Stallungen enthaltenden, Seitengebäudes weggerißen hafte, an deßen Stelle ein sehr schönes maßives, unmittelbar an das Wohngebäude stoßendes, zweimal übersetztes, Wohnhaus, welches in jeder der bey den obern Etagen eine Fronte von 13 Fenstern nach der Straßenseite hat; die Baukosten mögen nach ohngefährer Schätzung wohl mindestens 10000 Rtl. betragen. Desgleichen erbaute auch der Windmühlenbesitzer Dittmar, nachdem er sein vor fünf Jahren neu erbautes maßives an der Allee vor dem breiten Thor gelegenes Wohnhaus mit Zubehör an den praktischen

Arzt Dr. med. Rathmann für 5200 Rtl. verkauft, und das Grundstück seines verstorbenen Vaters in der breiten Straße übernommen hatte, nach Nieder- reißung des alten in der Mauergaße liegenden Seitengebäudes an deßen Stelle ein schönes maßives, einmal übersetztes, mit dem Wohngebäude in Verbindung gebrachtes Wohnhaus, das im obern Stock eine Fronte von 8 Fenstern nach der Straßenseite hat; die Baukosten dürften wohl 4000 Rtl. betragen. — Nachdem in diesem Frühjahr von den städtischen Behörden wegen abermaliger Zunahme der Schülerzahl und theilweiser Halbtagsschule in der zweyten Bürgerschule die Erbauung eines neuen Volksschulgebäudes für die Knaben an Stelle der der Commun gehörigen, in der Bitterfelder Straße gelegenen, früher Rohrschen Scheune beschloßen worden war, wurde mit dem Verkauf der letzteren selbst zum Abbruch, jedoch mit Ausschluß der Umfaßungsmauern von Lehm, da solche mit zur Ausfüllung der in einen Spielplatz für die neue Schule umzuwandelnden Pferdetränke verwendet werden sollen, vorgeschritten. Es wurde dafür im Wege des Meistgebots die Summe von 500 Rtl. gelöst; Ersteher war der Gutsbesitzer Dorn aus Paupitzsch. Das auf dem Gehöft genannter Scheune stehende Stallgebäude erstand der Agent Winter von hier für die Summe von 40 Rtl. Das Einreißen der von der Scheune und dem Stallgebäude stehen gebliebenen Lehmwände wurde an den Mindestfordernden verdungen; der Drainirmeister Naumann übernahm diese Arbeit für 60 Rtl. Am lten Julius wurde nun der Bau angefangen; die Maurerarbeiten wurden vom Magistrat dem hiesigen Maurermeister Taneck und die Zimmerarbeiten von diesem dem Zimmermeister Berthold in Bitterfeld übertragen; auch wurde noch zur stetn Aufsicht der Bauführer Schlodensky aus Breslau mit 75 Rtl. monatlichen Gehalts angestellt. Nachdem zu Anfang des December die Maurerarbeiten beendet waren, wurde vom 7ten bis 20ten des Monats bey leider sehr ungünstigem Winterwetter das Dach aufgerichtet. Das Gebäude selbst, deßen innerer Ausbau natürlich erst im nächsten Jahre vollendet werden kann, ist ansehnlich und schön maßiv, zweimal übersetzt, und hat in jedem der beyden obern Stockwerke eine Fronte von 10 großen, hohen Fenstern nach der Straßenseite, ebenso auch nach der Hofseite.

Deutschland erhielt im Monat Julius ganz unerwartet zwey Kriegserklärungen; die erste gegen die geistige und religiöse Freiheit gerichtete, vom Papste Pius IX in Rom durch die am 18ten des Monats vom ökumenischen Concil im Vatikan proclamirte Unfehlbarkeitserklärung diese vergötterten Menschen; die zweyte vom Kaiser Napoleon und dem französischem Volke am 19ten des Monats wodurch die politische und nationale Freiheit Deutschlands sehr stark bedroht und gefährdet war. Beyden ist für diesen unerhörten Frevel die furchtbare Strafe auf dem Fuße nachgefolgt; denn, was die erstere betrifft, so wurde, nachdem der französische Kaiser zu Ende des August seine Truppen, welche als Söldner zur Schande Frankreichs den Papst wegen der Erhaltung seiner usurgirten weltlichen Herrschaft beschützen, aus dem Kirchenstaat abberufen mußte, bald nach deren Abzug am 20ten September Rom nach einer fünfstündigen Schlacht von den italienischen Truppen erobert, und dem Königreich Italien als deßen Hauptstadt und Residenz einverleibt, wofür der Papst den König von Italien und seiner Minister in den Bann that. Wie gleichgültig und lächerlich dieser von allen Vernüftigen mit Recht verspottete Act dem Könige Victor Emanuel war, bewies derselbe dadurch, daß er diese saubere Bulle, wie wir in den Zeitungen gelesen haben, bald nachher in den Regierungs-Amts-Blättern seinen Unterthanen bekannt machen ließ, worauf dann nach etwa zwey Monaten der Papst dieselbe wieder zurück nahm. Eine empfindlichere Blamage und Beschimpfung konnte diesem Antichrist (wie ihn unser Luther nennt) nicht widerfahren. Man muß sich nur darüber wundern, daß der Papst es wagen konnte im erleuchteten neunzehnten Jahrhundert ein solches Attentat auf das Christenthum und die gesunde Vernunft, wie das Unfehlbarkeits-Dogma ist, der erstaunten Welt zu bieten; offenbar war dieser schwache Mensch hierbey nur das blinde Werkzeug der Jesuiten, im Concil hatten 88 aufgeklärte, freisinnige Bischöfe dagegen gestimmt.- Was nun die zweite, nämlich die von Frankreich an Deutschland erfolgte, Kriegserklärung betrifft, so hat die Geschichte wohl keinen Fall der Art weiter aufzuweisen, daß eine solche in so widerrechtlicher, plumper Weise in die Welt geschleudert wurde, wie diese. Wie sehr übrigens Frankreich in dieser Hinsicht seit vier Jahrhunderten an Deutschland sich versündigt hat, beweist der hier beygefügte Aufsatz „Frankreichs Angriffskriege gegen Deutschland." Diesmal war die angebliche Veranlaßung dazu die spanische Thronkandidatur; nachdem nämlich die spanische Nation im September 1868 die Königin Isabella vertrieben hatte, wählten seitdem die Cortes als Volksvertreter verschiedene Candidaten für den Thron, wie den Herzog von Montgensier, den Prinzen von Asturien, den Herzog von Aosta, (welcher letztere nach den veränderten politischen Verhältnißen am Schluße dieses Jahres noch König von Spanien geworden ist); diese drei Candidaten waren aber theils dem Kaiser Napoleon, theils seiner Frau, welche ungebührlicher Weise auch Politik treibt, nicht angenehm und wurden abgelehnt. Man muß sich sehr darüber wundern, daß das spanische Volk bey seinem Nationalstolz sich diese rechtswidrige, unverschämte und demüthigende Bevormundung gefallen ließ und ruhig hingenommen hat. Hierauf wählte daßelbe im Junius des Jahres den Prinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen, einen Verwandten unsers Königshauses. Auch dieser vierte Thronkandidat wurde von Napoleon, der gar keinen Rechtsgrund zur Einmischung in diese Angelegenheit hatte, abgelehnt; zugleich wurden in der ersten Hälfte des Julius deßhalb Verhandlungen mit unserm König angekündigt; der französische Gesandte in Berlin erhielt den Befehl sich nach Ems zu begeben, wo unser König um diese Zeit wegen des Gebrauchs einer Badecur verweilte. In zwey Audienzen erklärte der König dem Gesandten Benedetti, daß er sich bey dieser Sache aller Einwirkung auf die freie Selbstbestimmung des Prinzen Leopold enthalten habe, und sich deßhalb mit Frankreich nicht veruneinigen wolle. Bald nachher erfolgte denn auch von dem genannten Prinzen und deßen Vater die officielle Erklärung, daß der Prinz auf die angetragene Wahl verzichtet habe, was Benedetti auch in der zweiten Audienz mitgetheilt wurde, wodurch der Gegenstand des Streits beseitigt und die Sache somit erledigt war. Deßen ungeachtet verlangte dieser Diplomat noch, gewiß im Auftrage Napoleons, daß unser König darüber, daß auch in Zukunft kein Hohenzoller auf den spanischen Thron käme, eine besondere Urkunde ausstellen sollte. Es war offenbar darauf abgesehen unsern ehrwürdigen König durch diese empörende Forderung zu beleidigen, weßhalb derselbe aber auch, als Benedetti noch um eine dritte Audienz nachsuchte, diesem durch seinen General-Adjutanten, den Grafen Lehrndorf, sagen ließ, daß er nichts weiter mit ihm zu verhandeln habe, worauf die unter diesem elenden, grundlosen Vorwande frevelhaft herauf beschworne Kriegserklärung vom löten Julius am 19ten des Monats an den Grafen Bismark übergeben wurde. Diese war ursprünglich nur gegen Preußen gerichtet, und die französischen Gesandten an den süddeutschen Höfen waren sehr geschäftig diese unter allerhand trügerischen Versprechungen und Verlockungen vom Bunde mit Norddeutschland abzuziehen. Allein diese, belehrt durch die Geschichte der letzten vier Jahrhunderte, wußten recht gut, was sie von Frankreichs lügenhaften Vorspiegelungen zu halten hatten, und erklärten entschieden, daß sie sich nicht von der gemeinsamen Sache Deutschland trennen würden. So wurde nun dieser Krieg die Ursache zu der längst erstrebten festen Vereinigung aller deutschen Volksstämme, wie sie in der Geschichte bisher noch nicht bestanden hat. Unser König, welcher am 14ten Julius von Ems nach Berlin zurück reiste, erließ sogleich den Befehl zur Mobilmachung der gesammten norddeutschen Armee, und verordnete auch zugleich die Abhaltung eines Bettags am 27ten des Monats, um den Segen Gottes für unsere gerechte Sache zu erbitten. Ebenso wie bey uns wurde auch die Mobilmachung der süddeutschen Armeen eifrig betrieben, und auf den besonderen Antrag und Wunsch des Königs von Bayern übernahm unser als Feldherr bewährter Kronprinz den Oberbefehl über dieselben, und reiste in den letzten Tagen des Julius nach München. In raschem Fluge eilten nun die deutschen Armeen dem Rheine zu, und standen schon am lten August auf Frankreichs Boden. Bis zu diesem Tage waren die Franzosen nicht weiter gekommen, als bis Saarbrücken, und hatten diese offene, nur mit einer schwachen Garnison besetzte preußische Grenzstadt, mit Uebermacht angegriffen und besetzt, auch noch dazu ohne Noth brutaler Weise bombardirt und zum Theil in Brand gesteckt und mehrere Straßen eingeäschert; sie wurden aber schon am 6ten früh von den preußischen Generalen Steinmetz und von Goeben wieder daraus vertrieben, und am Nachmittag von denselben aus ihrer auf den Bergen auf Spicheren eingenommenen festen Stellung, welche mit Sturm genommen wurde, verjagt. Nun folgten vernichtende Schläge für die französischen Armeen in kurzer Zeit schnell aufeinander, von denen nur die entscheidensten hier erwähnt werden sollen. Schon zwey Tage vor dem Gefecht in und bey Saarbrücken am 4ten August schlug unser Kronprinz mit preußischen und bayrischen Armeecorps bey Weisenburg die französischen Armeen der Marschälle Mac Mahon und Canrobert total und vollständig; ebenso auch dieselben noch einmal am 6ten des Monats in der Schlacht bey Wörth, wo auch eine Württembergische und Badensche Division mit kämpfte; bey Weißenburg ist der Kampf besonders mörderisch und die Verluste sehr groß gewesen, weil diese Stadt, so wie auch die dabey liegenden, in der Kriegsgeschichte vom Jahre 1793 schon bekannten, Weißenburger Linien, welche mit dem daran stoßenden Geisberge gleichsam ein verschanztes Lager bilden, erstürmt werden mußten. Nun folgten die Schlachten vor Metz, am löten August bey Mars la Tour und Vionville so wie am 18ten des Monats bey Gravelotte und Rezonville; beyde, besonders die letztere, waren furchtbar; bey dieser führte unser König selbst den Oberbefehl; das 150000 Mann starke Corps des französischen Marschall Bazaine wurde gänzlich geschlagen, verlor an Todten, Verwundeten und Gefangenen 30000 Mann, und die noch übrigen 120000 Mann wurden, nachdem ihnen den Rückzug nach Paris durch die Armee des Prinzen Friedrich Carl, bey welcher auch unmittelbar neben den preußischen Garden das Königl. Sächsische Armeecorps tapfer mitkämpfte, abgeschnitten und versperrt war, in die Festung Metz hinein geworfen. Aus dieser versuchte nun der Marschall Bazaine am 3 lten August und lten September mit mehreren Corps durchzubrechen; aber alle diese Versuche wurden unter dem Oberbefehl des Prinzen Friedrich Carl vom General von Manteuffel in ruhmvollen Kämpfen, bekannt unter dem Namen der Schlacht bey Noiseville, blutig zurückgeschlagen. Hierauf folgte am lten und 2ten September die in der Geschichte ewig denkwürdige Katastrophe von Sedan; die Schlacht war hauptsächlich ein furchtbarer Artillerie-Kampf; die preußische, bayrische und sächsische Artellerie verbreiteten durch ihr mörderisches Feuer in den französischen Linien überall Tod und Vernichtung, und gaben dadurch den Beweis, daß sie der französischen Artellerie und deren neu erfundenen Mitrailleusen (Kugelspritzen) weit überlegen sind, besonders in der großen Treffsicherheit. Unser König war selbst in der Schlacht mit gegenwärtig, und da fand ganz unerwartet am 2ten September Nachmittags 1/2 2 Uhr das große Ereigniß statt, daß der Kaiser Napoleon, von deßen Gegenwart auf unserer Seite Niemand etwas wußte, weil er seine Sache als verloren und jeden ferneren Widerstand für unnütz hielt, sich unserm König als Gefangener übergab mit den Worten,, da ich nicht habe an der Spitze meiner Truppen sterben können, so übergebe ich meinen Degen Ew.Majestät." Die Begegnung und Unterredung beyder fand in Frtois, einem kleinem Schlößchen bey Sedan statt, und dauerte eine Viertelstunde. Gleichzeitig wurde auch die Capitulation mit dem General Wimpfen, welcher das Obercommando an des verwundeten Marschall Mac Mahon Stelle übernommen hatte, abgeschloßen, wodurch die französische Armee kriegsgefangen wurde. Unser edler, ritterlicher König behandelte den besiegten Kaiser, obgleich er den Krieg verschuldet hafte, dennoch großmüthig und wies ihm das herrliche Schloß Wilhelmshoehe bey Caßel zu seinem künftigen Aufenthalte an. In Paris hat sich nun eine provisorische Regierung gebildet, in welcher Taore und besonders der Advocat Gambetta, welcher wiederholt die Fortsetzung des Krieges bis aufs Meßer verlangt, die Hauptrolle spielen. Am 28ten September capitulirte Strassburg, nachdem die Stadt sehr durch ein mehrwöchentliches Bombardement gelitten hatte, und die Citadelle zerstört war; die Einnahme durch Sturm stand bevor, da im Wall bereits eine Bresche geschoßen war. Die Besatzung ist kriegsgefangen.

Nicht lange vorher war auch die Festung Laon gefallen; nach der am 9ten September abgeschloßenen Capitulation besetzte die vierte Compagnie des Sangerhäuser Jägerbataillons die Citadelle. Als der letzte Mann der französischen Mobilgarde diese verlaßen, sprengte der Feind vertragsbrüchig das Pulvermagazin in die Luft, wodurch eine furchtbare Zerstörung in der Citadelle und in der Stadt angerichtet ward, und 95 Jäger und über 300 Mobilgarden theils getödtet, theils verwundet wurden. Mittlerweile war in Paris von der neuen Regierung die Republik proclamirt worden, Nachdem der Marschall Bazaine am 7ten October noch einen letzten verzweifelten Versuch die Belagerungs-Armee vor Metz mit größter Gewalt zu durchbrechen unternommen hatte, aber auch diesmal wieder mit großem Verlust in die Festung zurück geworfen wurde, so mußte derselbe, da die Hungersnoth mit jedem Tage schrecklicher ward, indem man auf einen Zuwachs von 120000 Mann mehr nicht mit Proviant versehen war, nunmehr ernstlich an die Uebergabe denken; und so fiel denn am 70ten Tage der Be- Lagerung, den 27ten October, Metz, die stärkste, bisher noch niemals eroberte Festung Frankreichs durch Capitulation; in derselben fanden sich, wie in Strassburg, ungeheure Vorräthe von Kriegsmaterial aller Art vor, welche dem Sieger in die Hände fielen; die ganze Besatzung ward kriegsgefangen, und das starke Corps des Prinzen Friedrich Carl, mit Ausnahme von 25000, welche unter dem General von Kummer als Besatzung in Metz einrückten, zu anderweiten Zwecken an der Loire zu rechter Zeit verwendet. Außer den genannten vier Festungen sind noch bis zum Jahresschluß durch Bombardement und Capitulation folgende gefallen: Cuetzelstein, Lichtenberg, Lauterburg, Weissenburg, Marsal, Vitry, Toul, Soissons, Schlettstadt, Verdun, Neubreisach, Thionville, La Fere, Amiens, Montmedy, St. Quentin, Pfalzburg und Hagenau. In Bezug auf Metz ist noch zu erwähnen, daß die Versuche Mac Malions diese Festung zu entsetzen und Bazaine aus derselben zu befreien durch die Kämpfe bey Varennes am 29ten 30ten und 3 lten August, bey welchen unser König selbst mit gegenwärtig war, ganz vereitelt wurden, Mac Mahon über die Maaf3 zurück gedrängt wurde und sich mit großem Verlust nach Sedan zurück zog, wo ihn gleich nachher sein Schicksal ereilte. Nachdem am lOten October der prinz Albrecht und der bayrische General von der Tann eine feindliche Division der Loire-Armee bey Artenay geschlagen hatten, wurde am 17ten des Monats Orleans gestürmt. Leider mußte es der General von der Tann am 9ten November, weil er vom Feinde mit Uebermacht angegriffen wurde, wieder räumen, was aber im einem meisterhaften, wohlgeordnetem Rückzuge geschah, wobey er die sämmtlichen Angriffe des Feindes mit großem Verluste für denselben zurückwies, und erst hierauf den Abmarsch antrat. Später nach dem Eintreffen von Verstärkungen wurden der Bahnhof und die Vorstädte von Orleans am 4ten December vom Prinzen Friedrich Carl erstürmt, und die Stadt in der Nacht zum Sten wieder besetzt, und derselben eine Contribution von 600000 Franken auferlegt. Seit dem 19ten September ist Paris nun ringsum von mindestens 200000 Mann deutscher Truppen cernirt das Hauptquartier unsers Königs ist jetzt im Schloße zu Versailles. Der Krieg hat nun eine weitere Verbreitung dadurch erhalten, daß Gambetta, welcher jetzt der Dictator Frankreichs ist, den Volkskrieg anbefohlen hat, und Banden von Franctireurs (Freischützen), welche in Wäldern und Verstecken den sogenannten kleinen Krieg meuchelmörderisch führen, organisirt. Seit der Mitte des November hat er hierzu noch einen Bundesgenoßen an dem Bandenhauptmann Garibaldi von der Insel Caprera bekommen, welcher unberufener Weise mit italienischen, polnischen und spanischen Sturm- vögeln nach Frankreich gekommen ist, und sich mit seinen zusammen- gelaufenen Horden in den Wäldern und Gebirgen, besonders den Vogesen, herum treibt. Durch die gleich zu Anfang des Krieges verfügte Austreibung der Deutschen hat sich Frankreich vor der gebildeten Welt geschändet; ebenso sehr hat es sich aber auch durch die oft gehörte und gelesene prahlerische Aeußerung blamirt, daß es an der Spitze der Civilisation marschire; den schlagendsten Beweis vom Gegentheil hat es dadurch gegeben, daß es sich nicht schämte die barbarischen Afrikanischen Horden, wie die Turkos, Zuaven pp. diese wilde Bestien, gegen die hochgebildeten deutschen Truppen ins Feld zu führen, welche aber mit diesen schreckhaften Popanzen kurzen Proceß machten, ebenso mit den Banden Garibaldis, die am 27ten November bey Dyon und bey Pasques vom General von Werder förmlich auseinander gesprengt wurden, die Waffen und das Gepäck wegwarfen, und in wilder Flucht davon eilten. An demselben Tage wurde auch die französische Nord-Armee, trotz ihrer Ueberlegenheit, bey Amiens vom General von Manteuffel geschlagen, und am 23ten December noch einmal, worauf sie sich nach Arras zurück zog und dorthin verfolgt ward.

Die Beschießung der Außenwerke von Paris hat am 26ten des Monats begonnen. So stehen denn jetzt am Jahresschluß die Sachen in Hinsicht des Krieges. Die Franzosen haben, trotzdem daß sie überall durch feste Stellungen in Gebirgen und Wäldern, durch Wälle, Schützengräben, Gebäude und Verhaue sich zu decken wußten, bisher nicht eine einzige Schlacht gewonnen, dagegen die deutschen Truppen die glänzendsten Siege erkämpft, was der beste Beweis für die treffliche Führung und Kriegs- tüchtigkeit derselben ist; die sämmtlichen deutschen Armeen und Con- tingente haben in unvergleichlicher Tapferkeit mit einander gewetteifert.

Die Kriegsbeute, welche die deutschen Heere bis jetzt in den Schlachten und Festungen erobert haben ist unermeßlich; nach ohngefahrer Berechnung 6000 Kanonen verschiedenen Kalibers (in Metz und Strassburg allein 2477) über 600000 Gewehre (in Metz allein gegen 300000), ungeheure Vorräthe von andern Armaturstücken, Munition, Schießpulver und Bauholz, sehr viele Militärfahrzeuge, Pferde, Adler und Fahnen (von beyden letzteren in Metz allein 53). Das gesammte deutsche Volk brachte aber auch große Opfer; es wußte recht gut, daß diese im Verhältniß zu dem, was wir verloren hätten, wenn die Franzosen nach Deutshland kamen und uns ausgeplündert hätten, immer nur klein sind. Ueberall war man entrüstet über die schändliche Beleidigung unsers greisen Heldenkönigs; daher war die Begeisterung allgemein und mindestens ebenso groß, wo nicht noch größer, wie in den Jahren 1813, 14 und 15 Von den Universitäten und den obern Klaßen der Gymnasien und sonst noch traten Tausende freiwillig in die Armee, welcher ein herrlicher Geist beseelte. Das Volk zeigte seine Opferfreudigkeit und echt christliche Wohlthätigkeit im schönsten Lichte, indem es zunächst für die Unterstützung der Verwundeten sorgte; hier in Delitzsch und deßen nächster Umgegend waren zu diesem Zweck vom Anfang des August bis zum 6ten December bereits 4372 Rtl. eingegangen und an den Herrn Ober- präsidenten von Witzleben in Magdeburg vom Königl. Landraths-Amte eingesendet worden. Der ganze Delitzscher Kreis hatte schon in den beyden Monaten August und September 11323 Rtl. und 16 Sgr. collectirt. Die Zahl der Verwundeten ist sehr groß gewesen, noch weit größer aber die Zahl der gefangenen Franzosen, welche bis jetzt in noch nie vorgekommener Weise die ungeheure Ziffer von 430000 Mann beträgt, die alle in Deutschlands Festungen und großen Städten untergebracht sind. Nächst unsern Verwundeten erstreckte sich aber auch bey uns, wie im ganzen Volke die Fürsorge auf die Frauen und Kinder der einberufenen Wehrmänner, welche durch Collecten freiwilliger Beyträge und Steuerzu- schläge ansehnlich unterstützt wurden. Den 142 Kindern der letzterenwurde durch Bemühungen einiger Damen am 28ten December Nachmittags im Saale des Herrn Gatswirths Graul eine reichliche Christbescheerung bereitet, wozu die Mittel durch eine Lotterie-Collecte und andere freiwillige Bey- träge, im Betrag von zusammen 203 Rt1 und noch anderweite Liebesgaben beschafft wurden. Die Geschenke bestanden haupsächlich aus wollenen Kleidungsstücken aller Art und Schulbüchern nebst Tafeln, Wie überall, so wurden auch bey uns, sobald eine telegraphische Depesche eine Siegesnachricht brachte, die Straßen mit Flaggen in den preußischen und deutschen (schwarz, weiß und roth) Farben schön geschmückt, und bey Eingang großer Siegesnachrichten, wie von Gravelotte, Sedan und den Falle von Metz fand Abends eine glänzende Illumination statt, wobey auch von den Bürgern und den obern Knabenldaßen ein Umzug mit Fackeln abgehalten, und dabey "Heil Dir im Siegerkranz" und „die Wacht am Rhein" gesungen wurde. Der Fall von Metz wurde auch der Stadt durch das Läuten mit allen Glocken Abends um 6 Uhr sogleich verkündigt. —

Zu Michäelis hat gegolten der große Scheffel Weitzen 6 Rtl. 20 Sgr. Roggen 4 Rtl. 5 Sgr. Gerste 4 Rtl. Hafer 2 Rtl. 5 Sgr. Kartoffeln 1 Rtl.


1871

Der pensionirte Kämmerer und Hospital-Vorsteher Eduard Weidenhammer ist am 29ten Januar nach längeren Leiden im 70ten Lebensjahr gestorben. Vid.pag. 460. Der Stadtgraben war das letzte Mal in den Jahren 1836 und 1837 geschlämmt worden. Da sich seit dieser Zeit in sehr großen Maßen der Schlamm wieder angehäuft hatte, so wurde zu Michäelis 1870 aus wohlbe- gründeten sanitäts-polizeylichen Rücksichten vom Herrn Kreisphysikus Dr. Kanzler beym Magistrat eine neue in diesem Winter vorzunehmende Reinigung des Stadtgrabens gutachtlich beantragt. Da dieser Antrag bey dem in der Nähe der Stadtmühle wohneneden Vermeßungs-Beamten Hundertmark aus unhaltbaren Gründen Widerspruch fand und derselbe sogar sich deßhalb an die Königl. Regierung zu Merseburg mit einer Beschwerde wendete, so wurder der Verfaßer dieser Zeilen, als der älteste hiesige praktische Arzt, welcher die letzte Schlämmung erlebt hat, vom Herrn Dr. Kanzler freundlichst ersucht in dieser Angelegenheit auch ein Gutachten abzugeben; ich that dies in der Mitte des October und wies in demselben ausführlich die Nichtigkeit der von dem pp. Hundertmark gegen die Schlämmung vorgebrachten Gründe nach, besonders auch, daß durch das Auswerfen des Schlammes keine Sumpfmiasmen, welche in seiner Familie die Erzeugung und Verbreitung des Wechselfiebers bewirken könnten, entwickelt würden, weiö selbstverständlich die Schlämmung nur im Winter stattfinden darf, und die Kälte die Effluvirn und Contagien zerstört; endlich bemerkte ich noch, daß es die höchste Zeit sey wieder einmal eine Reinigung unsers Stadtgrabens vorzunehmen, und nicht erst den sonst gewiß nicht mehr fernen Zeitpunkt abzuwarten, wo uns dann eine hartnäckige Wechselfieber- Epidemie, wie die in den Jahren 1832 — 38 hier herrschende dazu drängt. Hierauf genehmigte nun die Königl. Regierung die Schlämmung, welche vom Magistrat dem Drainirmeister Naumann für den südlichen Theil des Stadtgrabens übertragen ward, am 7ten November ihren Anfang nahm und den 28ten März 1871 beendet ward, Um von diesem südlichen Theil während des Schlämmens den Wasserzufluß aus dem Lober abzuhalten und doch der Stadtmühle noch zufließenzulassen, wurde dieselbe Vorrichtung getroffen wie im Jahre 1836 (S. pag. 56). Diese Reinigung kostete der Commun 731 Rtl, 14 Sgr. 6 Pf ; der Verkauf des Schlammes ertrug 488 Rd. 24 Sgr. Der Kreisgerichts-Director Hesse ist im December 1870 in gleicher Eigenschaft an das Kreisgericht Naumburg versetzt worden, und hat am Jahresschluß unsere Stadt verlaßen. An seine Stelle trat am 15ten März des Jahres der bisherige Staatsanwalt Thilo aus Glatz. Der Kreisgerichtsrath von Gansauge ist als Appelationsrath nach Posen versetzt und Anfangs April dorthin abgegangen.

Am 14ten März früh 6 1/2 Uhr entstand Feuerlärm; es brannte in der Kohlgaße in dem Gehöfte des Gärtner Dorn ein an deßen Wohnhaus unmittelbar angrenzendes übersetztes Stallgebäude zur Aufbewahrung von Holz, Kohlen und andern Dingen; das Feuer hatte schon die Balken im Giebel des Wohnhauses ergriffen; unsere vortreffliche Feuerwehr wurde aber auch diesmal sehr bald Herr des Feuers, denn nach einer halben Stunde war das Feuer gelöscht, worauf dieselbe mit ihrem Musikchor wieder in die Stadt einzog, Ueber die Entstehung des Feuers wurde nichts entdeckt. Als am 28ten Februar 11 1/2 Uhr Vormittags die Unterzeichnung der am 26ten des Monats zu Versailles zwischen dem Deutschen Reiche und Frankreich abgeschloßenen Friedens-Präliminarien bekannt wurde, äußerte sich auch bey uns die Freude über dieses glückliche Ereigniß laut und unverholen durch Glockengeläute, Aushängen sehr vieler deutscher und preußischer Flaggen in den Straßen, wie auch durch Schießen, welches aber sehr bald so arg ausartete, daß man wirklich hätte glauben können, es werde in den Straßen eine Schlacht geliefert, und man auch in der That seines Lebens nicht sicher war. Leider ließen die traurigen Folgen dieser Ungebühr nicht lange auf sich warten, denn um 1 Uhr erfuhr man, daß der Gehülfe des im Felde stehenden Buchhändlers Pabst, Adolph Sieg aus Eilenburg, 18 Jahre alt, von seinem guten Freunde dem Realschüler Pabst, einem Verwandten seines Pricipals, am großes Schutze der Kirschallee einen Schuß mit einem Papierpfropf in den Unterleib erhalten hatte, woran er in Folge eines Darmrißes den lten März starb.

Am 17ten März wurde unter dem Vorsitze des Herrn Regierungs- und Schulraths Dr. Betzenberger aus Merseburg die mündliche Prüfung der drei Abiturienten der hiesigen höheren Bürgerschule abgehalten, nachdem der schriftliche Theil des Examens schon drei Wochen früher statt gefunden hatte; zwei erhielten die Censur „gut", einer „genügend". Der Winter war sehr hart und anhaltend, die schon zu Anfang des December eingetretene strenge Kälte stieg im Januar noch höher bey vorherrschendem Nordwind und Ostwind (Barometer 28 — 28,3)das Thermometer zeigte am 2ten früh 7 Uhr — 22 Wenn auch die Kälte nachher um mehrere Grade abnahm, so blieb sie doch immer noch empfindlich genug, zumal da besonders die Armen die Holz — und Kohlennoth wegen des Mangels an Transportmitteln auf den Eisenbahnen bey deren Benutzung zu Kriegszwecken sehr drückte. Dichte und rauhe Nebel waren am lten , 4ten und 22ten Januar, und vielen Schneefall hatten wir, wie schon in den letzten Tagen des December, am llten, 12ten und vom 26ten bis 29ten Januar. Im Februar dauerte die Witterung ganz in derselben Weise bey den erwähnten höhern Kältegraden bis zum 15ten des Monats fort; von diesem Tage trat ununterbrochen bey Westwind Thauwetter ein, so daß wir am 20ten großes Waßer hatten (Barometer 27,17), welchem alsdann Schnee und Regen, milder Wind und am 28ten ein heftiger Sturm folgten. (Baromter 27,9). Die Witterung im Maerz war diesmal ungewöhnlich schön, bey vorherrschendem Südost- und Südwestwind fast durchgängig Frühlingswetter, der Barometerstand größten Theils hoch, gleich in der Nacht zum lten März war derselbe auffallend schnell um Linien gestiegen (28,8); das Thermomter in der Sonne zeigte gewöhnlich in den Nachmittagsstunden + 15 bis 30 Reaum; nur in den letzten Tagen vom 28ten bis 3 Iten ward das Wetter nach einem am 27ten Abends 10 Uhr statt gefundenen Gewitterregen kühl und windig, und brachte bey Norwestwind abwechselnd Regen, Graupeln und Schnee; es war dies der Uebergang zum Aprilwetter. Der Gesundheitszustand war in diesem Quartal ebenso wie in dem ersten des vorigen Jahres keineswegs befriedigend; Lungen — und Luftröhren- Catarrhe kamen sehr häufig vor; schwindsüchtige und besonders alte Personen machte die strenge Kälte dieses Winters mürbe und brachte nicht wenigen derselben den Tod; auch hörte man öfters von Fällen erwachsener, besonders alter Leute auf dem Glatteis mit zum Theil sehr übeln Folgen.

Ueber den weitern Verlauf und das Ende des deutsch-französischen Krieges ist ferner zu berichten, daß die Beschießung der Forts von Paris in den letzten Tagen des vorigen Jahres ihren Anfang nahm; vom 27ten bis 29ten December wurde der befestigte Mont Aoron aus 76 Geschützen mit so gutem Erfolg bombardirt, daß derselbe schon am letztgenannten Tage durch Abtheilungen des Sächsischen Armee-Corps besetzt wurden. Seit Neujahr 1871 hat durch die bereits dreimonatliche strenge Absperrung von Paris die Hungersnoth in dieser Weltstadt einen furchtbar hohen Grad erreicht, daß deßhalb öftere Ausfälle, von denen der in der Nacht vom 13ten zum 14ten Januar aus der Stadt, so wie der am 19ten von dem Mont Valerien aus die heftigsten waren, unternommen, aber von den deutschen Truppen überall siegreich zurück geschlagen wurden. Auch von außen wurden sehr große Anstrengungen von den starken Armee-Corps der Generale Chancy und Bourbaki gemacht, um Paris, aber auch die wichtige Festung Belfort zu entsetzen; die Versuche zum Entsatz von Paris hat der Prinz Friedrich Carl durch seine siegreichen Kämpfe vom 6ten bis 12ten Januar, welche am letzten Tage mit der Eroberung der Stadt Le Mans endeten, gänzlich vereitelt, die Entsatz-Versuche auf Belfort aber sind durch den heldenmüthigen Widerstand des Generals von Werder vom 15ten — 17ten Januar durchaus vernichtet worden, trotzdem daß der Feind bedeutend stärker war. Auch die französische Nordarmaee unter dem General Taidherbe, welche Paris mit entsetzen sollte, wurde vom General von Goeben und Truppen des sächsischen Generals Graf Lippe am 19ten des Monats bey St. Quent in total geschlagen. Die Verluste an Todten und Verwundeten in diesen erbitterten Kämpfen waren allerdings bey unsern Truppen nicht unbedeutend, aber noch weit größer bey dem Feinde, welcher allein in der letzten Schlacht 6000 Todte und Verwundete so wie 9000 Gefangene, und bey Le Mans 20000 Gefangene und viele Gewehre, Kanonen, Munition, große Proviant-Vorräthe pp.verlor. Von Festungen haben nach vorgängigem kürzerem oder längerem Bombardement im Laufe des Januar noch folgende kapitulirt: Mezikes, Rocroy, Peronne und Longwy. Noch vor Abschluß eines Waffenstillstandes trat ein großes weltgeschichtliches Ereigniß ein; es hatte nämlich schon in der Mitte des December vorigen Jahres der jugendliche, talent — und geistvolle König Ludwig von Bayern, welcher gleich beim Anfang des Krieges durch seinen schnellen Beitritt zur gemeinsamen Sache Deutschlands sich das größte Verdienst erworben, bey sämmtlichen deutschen Fürsten und freien Städten den Antrag gestellt zur festen Begründung der Einheit Deutschlands an unsern ritterlichen König Wilhelm den Ruf um Erneuerung und Uebernahme der seit 64 Jahren ruhenden deutschen Kaiserwürde zu richten, und fand damit bey Allen Anklang und Zustimmung. In Folge dieses ergangenen Rufes erließ nun unser König aus dem Hauptquartier zu Versailles eine Proclamation an das Deutsche Volk am 17ten Januar, in welcher er es als eine Pflicht gegen das gemeinsame Vaterland betrachtet, diesem Rufe der verbündeten deutschen Fürsten und Städte Folge zu leisten, und daß demgemäß er und seine Nachfolger an der Krone Preußen fortan den Kaiserlichen Titel in allen Angelegenheiten des Deutschen Reiches führen werden, und die Kaiserwürde in dem Bewußtseyn der Pflicht übernehmen, in deutscher Treue die Rechte des Reichs und seiner Glieder zu schützen, den Frieden zu wahren, und die Unabhängigkeit Deutschlands, gestützt auf die geeinte Kraft seines Volkes, zu vertheidigen. Am Tage nach dieser Bekanntmachung, den 18ten Januar, fand nun im großen Saale des Schloßes ZU Versailles Vormittags die Vollziehung und Weihe dieses hochwichtigen Actes unter angemeßenen Fest- und Feierlichkeiten, Gottesdienst, Kirchenparade pp. statt, bey welchen viele deutsch Fürsten und Prinzen, Minister, der deutsche große General-Stab und von allen deutschen Truppen- Contingenten Deputationen mit ihren Fahnen gegenwärtig waren. Bald nachher reiste auch eine Deputation von 30 Reichstags-Abgeordneten, an der Spitze den berühmten Präsidenten Dr. Simson von Berlin nach Versailles und überbrachte dem Kaiser Wilhelm, welcher dieselbe sehr huldvoll empfing, den Dank, die Zustimmung und Glückwünsche der deutschen Volksvertreter zu dem frohen Ereigniß. Mittlerweile hatte sich in dem streng abgesperrten Paris, weil das Elend und die Hungersnoth täglich höher stieg, auch die Mehrzahl der Forts und die Stadt selbst durch die anhaltende Beschießung sehr gelitten hatten, und sogar bedeutende Feuersbrünste entstanden waren, das dringende Verlangen nach einem Waffenstillstande immer stärker ausgesprochen, zumal da zuletzt auch der Dictator Gambetta, das nahe und für ihn wahrscheinlich tragische Ende seiner Schreckens- herrschaft voraussehend, in einem Luftballon aus Paris geflüchtet war, um nimmer wiederzukehren; und so wurde nun am 28ten Januar von dem Reichskanzler Grafen Bismark und dem französischen Minister der aus- wärtigen Angelegenheiten Jules Favre die Kapitulation aller 16 Pariser Forts Zahlungen von 200 Millionen Franken ein dreiwöchentlicher Waffenstillstand zu Lande und zu Wasser unterzeichnet, welcher jedoch auf den südöstlichen Theil des Kriegsschauplatzes, die Gegend von Belfort, Dijon bis an die Schweizer Grenze sich nicht erstreckte. Die Pariser Armee, wenigstens 160000 Mann stark, blieb in der Stadt Kriegsgefangen; nach Ablieferung der Waffen durfte sich Paris mit Lebensmitteln verpflegen. Hierauf hat am 20ten des Monats die Besetzung von St. Denis und sämmtlichen Forts ohne alle Widersetzlichkeit und Störung stattgefunden. Hier in Delitzsch wurde dieses entscheidende, große Ereigniß am 29ten Abends um 5 Uhr auf einem Dankgottesdienste festlich gefeiert, worauf um 7Uhr Illummination und ein Auszug der Feuerwehr und aller Corporationen mit Fackeln stattfand. Nach Abschluß dieses zu Versailles unterzeichneten Waffenstillstandes wurde nun eine unterdeßen gesetzlich frei gewählte National-Versammlung (Constituante) 14 Tage später nach Bordeaux einberufen. Während dieser Zeit und der noch bewilligten Verlängerung des Waffenstillstandes bis zum 24ten Februar wurden nun ebenfalls zu Versailles zwischen dem Reichskanzler Herrn Grafen von Bismark, den Ministern der auswärtigen Angelegenheiten der Könige von Bayern und Württemberg sowie des Großherzogs von Baden, den Herren Grafen von Bray-Steinburg, Freiherrn von Waechter und Dolly, welche das deutsche Reich vertraten, einerseits, und dem Chef der Exekutivgewalt der französischen Republik Herrn Thiers und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten Herrn Favre, welche Frankreich vertraten, die Friedens-Präliminarien verhandelt und festgestellt. Unterdeßen hatten die Kriegsoperationen auf dem südöstlichen Kriegsschauplatzeihren steten Fortgang; es handelte sich nur noch darum die schon mehrmals in den letzten Wochen vom General von Werder geschlagene Armee des General Bourbaki, deren Elend bey einer für die Franzosen empfindlichen Winterkälte sehr groß war (- 10 Reaum), unabläßig zu verfolgen und zu vernichten. Diese Aufgabe löste der unermüdete General von Manteuffel mit der tapfern von ihm kommandirten Südarmee in der glänzendsten Weise, indem er die noch immer 80000 Mann starke Armee Bourbalcis unter fortwährenden Kämpfen und großen ihr zugefügten Verlusten in das Grenzgebirge zurückdrängte, so daß dieselbe am 3 lten Januar bey Pontarlier in die neutrale Schweiz übertreten mußte, wo dann diese unwillkommenen Gäste von den Schweizer Truppen entwaffnet wurden. (Daßelbe Schicksal hatte schon einmal bey Sedan am 2ten September vorigen Jahres fast 15000 Franzosen betroffen, welche über die Grenze nach Belgien geworfen wurden) Unmittelbar nach diesem Vorfall hatte auch der Bandenführer Garibaldi, welcher sich gleichzeitig in Dijon in der Gefahr befand, umzingelt zu werden, diesem Schicksale nur durch die eiligste Flucht sich entzogen, und war unverrichteter Sache sogleich nach Caprera zurück- gekehrt; Dijon wurde nach leichtem Gefechte von unsern Truppen am lten Februar besetzt. Die Abgabe der Geschütze und Waffen der Armee von Paris hat am 7ten des Monats begonnen. Endlich hat auch die Festung Belfort nach Erstürmung zweyer starker auf felsigen Anhöhen gelegenen Forts am 8ten des Monats, wobey unsere Truppen nicht unbedeutende Verluste erlitten, am löten des Monats kapitulirt, und ist am 'Sten mit dem zur Armirung des Platzes gehörenden Material übergeben und von unsern Truppen besetzt worden; dem Conunandanten Den Fert und der 12000 Mann starken Garnison ist in Anbetracht ihrer tapfern Vertheidigung freier Abzug mit militärischen Ehren bewilligt worden. Dieses Ereigniß beschleunigte zugleich den etwas verzögerten Abschluß der Friedens-Präliminarien, welcher nun am 26ten des Monats zu Versailles erfolgte, und die schuldenfreie Abtretung von Elsass außer Belfort, von Deutsch-Lothringen einschließlich Metz, eine Contribution von fünf Milliarden Franken, in drei Jahren zahlbar, und bis dahin Besetzung von Theilen Frankreichs außerhalb der neuen Grenzen enthielt. Außerdem wurde noch die Besetzung eines am rechten Ufer der Seine gelegenen Theiles von Paris durch die deutschen Truppen ausbedungen; die zur Occupation bestimmten Abtheilungen aller Waffen bestanden in der Stärke von 30000 Mann aus dem 6ten und 1 lten preußischen und dem ersten bayrischen Armeecorps, rückten am lten Maerz früh ein, wurden theils bey den Bürgern, theils in öffentlichen Gebäuden einquartiert, und verließen Paris wieder am 3ten Maerz Vormittags gemäß der Convention; das Wetter war sehr schön, und keine Störungen vorgefallen. Diese durchaus gerechte, °gleich nur zweytägige, Occupation von Paris war den Franzosen höchst empfindlich und unangenehm, zumal da die deutschen Truppen beym Abzug durch den großen Triumphbogen, in welchen die früheren Siege stolz eingemeiselt waren, marschirten, wodurch dieser seine Bedeutung verlor, gern wollten sie, um diese Demüthigung abzuwenden, lieber noch einige Millionen zahlen; allein unser Kaiser und Graf Bismark ließen sich durch kein derartiges Anerbieten dazu bewegen. Am lten Maerz war nun auch von der National- Versammlung in Bordeaux mit sehr großer Stimmenmehrheit der Friedensschluß angenommen worden, worauf ihn unser Kaiser und König am 2ten des Monats ratificirte. Hierauf hielt derselbe am 3ten und 7ten des Monats noch Heerschau und Paraden über preußische, bayrische, sächsische und württembergische Truppenkorps ab, und verlegte am letztgenannten Tage sein Hauptquartier nach Ferneres, von wo er nach 7 1/2 monatlicher Abwesenheit (seit dem 3 Iten 1870) am 15ten Maerz nach Deutschland zurückkehrte, überall mit Jubel empfangen und herzlichst begrüßt wurde, und mit seinen Begleitern Bismark und Moltke am 18ten des Monats in Berlin eintraf, Bald nachher erhob er den ersteren, den größten Staatsmann unserer Zeit, in den Fürstenstand, und den letzteren, den größten Feldherrn unserer Zeit, in den Grafenstand.

Als hier in Delitzsch am 28ten Februar Mittags die frohe Nachricht von der Unterzeichnung der Friedens-Präliminarien eintraf, äußerte sich die Freude darüber durch die bekannten Kundgebungen, von denen aber das Schießen zur zügelloßen Ungebühr dermaßen ausartete, daß nach Verlauf von kaum einer Stunde ein tödlicher Unglücksfall erfolgte, über welchen das Nähere pag.486 mitgetheilt ist. Hierauf wurde vom Magistrat das Schießen streng verboten. Wenige Tage nach der Annahme und Ratification der Friedens- Präliminarien begaben sich die Deligirten Deutschlands und Frankreichs nach Brüßel, um das Friedens-Instrument zum definitiven und formellen Abschluß zu bringen, was jedoch die französischen Unterhändler durch allerhand elende Ausflüchte und Winkelzüge Wochen lang zu erschweren suchten; dieselben hatten nämlich gehofft durch die am 18ten Maerz in Paris mit dem schrecklichsten Bürgerkrieg ausgebrochene furchtbare Revolution, welches das Gespenst der rothen Republik durch allerlei Greuel, Niederbrennen des vierten Theils von Paris pp. sich kennzeichnete, und erst am 29ten Mai Abends durch den Sieg der Versailler Truppen bekämpft wurde, günstigere Bedingungen zu erlangen besonders in Hinsicht der Contribution. Da gieng aber endlich auch dem Fürsten Bismark die Geduld aus; er verlegte nun den Sitz der Verhandlungen nach Frankfurt am Main, reiste am 4ten Mai selbst dorthin, wo auch auf sein Verlangen wenige Stunden später der französische Minister des Auswärtigen Favre eintraf Der Energie, dem richtigen Tact und der diplomatischen Gewandheit des Fürsten Bismark gelang es vom Sten Mai an die Verhandlungen bald in Fluß zu bringen, so daß bereits am Ißten Mai Nachmittags 2 Uhr der definitive formelle Abschluß des Frankfurter Friedens erfolgte und von Bismark und Favre unterzeichnet wurde. Von der Contribution war kein Groschen erlaßen, und für Deutschland noch ein vorteilhafterer Zahlungsmodus derselben erwirkt worden; Frankreich wurde dagegen um Belfort herum ein vergrößerter Festungs-Rajon bewilligt, wofür dieses in der Gegend von Metz und Thionville 12 deutsch redende Dörfer an Deutschland abtrat. Hierauf wurde der Friedens-Abschluß am 18ten Mai von der Versailler National-Versammlung einstimmig angenommen und am 20ten des Monats von unserm Kaiser und König ratificirt, worauf endlich am 24ten des Monats zu Frankfurt am Main die gegenseitige Auswechslung der Friedens-Urkunden zwischen Bismark und Favre erfolgte. Die Verluste der deutschen Armeen an Todten und Verwundeten in diesem blutigen Kriege betragen nach officieller Zusammenstellung 4990 Officiere und 112038 Unterofneiere und Soldaten, Der Delitzscher Kreis hat für die Verwundeten außer anderen bedeutenden Liebesgaben an Lebensmitteln pp. so wie für die Frauen und Kinder der einberufenen Landwehrmännern beinahe 30000 Rtl. zum Opfer gebracht. Einquartierung haben wir in Delitzsch wenig gehabt, nämlich am Sten und 6ten August vorigen Jahres 6 Compagnien vom Erfurter Landwehr-Regiment, und am 2ten April das Hallische Landwehrbataillon auf dem Marsch nach Torgau, von welchem 200 Mann am 21 ten April von dort zurück kehrten und einen Tag hier blieben, Verwundet sind aus unserer Stadt: 1) Grenadier Franz Bretschneider im Gefecht bey St. Privat la montagne am 18ten August 1870; Schuß durch das linke Schienbein; 2) Gefreiter Wilhelm Doemel im Gefecht bey Beaumont am 30ten August; Schuß durch die rechte Schulter und Arm; 3)Gefreiter Bruno Weidenhammer in der Schlacht bey Sedan am lten September, leichter Streifschuß am Unterleib; 4) Füs. Heinrich Wilhelm Haering im Gefecht bey Berneville den 18ten August, Schuß durch den rechten Unterschenkel; 5) Füs. Carl Friedrich Bauer im Gefecht bey Chautraine am 18ten August, Schuß am Kopf; 6) Hornist Friedrich Wilhelm Wagener im Gefecht bey Beaumont am 30ten August, Schuß durch die rechte Schulter; 7) Wehrmann Herrmann Hassen im Gefecht auf der Dorfstraße in Bougival am 2 Iten October, Schuß durchs Knie; 8) Musketier Carl Scholz auf Vorposten bey Ville d Aoray am 23ten November, Granatsplitter im Rücken; 9) Füs, Johann August Eschke im Gefecht bey Cotelles am 28ten November, Schuß durch den Oberschenkel; 10) Musketier August Franz Hoppe, im Gefecht bey Bavilliers am 13ten December; Schuß in den rechten Arm; 11) Kanonier Johann Friedrich Kuimmelberg, beym Bombardement auf Meziöres den 31ten December; Schuß durch das linke Schienbein. Auf den Schlachtfeldern sind geblieben: 1) Unterofficier Wilhelm Schmidt in der Schlacht bey Gravelotte den 18ten August, Schuß in den Kopf und in die Brust; 2) Füs. Christian Otto Cattermann in der Schlacht bey Sedan den lten September, Schüße in Brust und Hals. Uebrigens sind aus hiesigem Orte noch in Folge von Kriegs- Strapazen gestorben: 1) Wehrmann Louis Knopf, am 6ten April 1871 im Garnison-Lazareth zu Dessau an Nervenfieber; 2) Wehrmann Eugen Hassen, im Maerz in dem Lazareth zu Berlin am Typhus; 3) der Mützenmacher Ferdinand Sparmann, 51 Jahre alt am 7ten Mai an einem Blutsturtz während seiner Berufsthätigkeit im Hallischen Baracken-Lazareth In dem ihm von dem Oberbürgermeister von Voss und dem Stadtverord- Neten-Vorsteher Justizrath Gloeckner in der Hallischen Zeitung am 8ten Mai gewidmeten ehrenden Nachruf heißt es: "Derselbe hat länger denn 8 Monate hindurch mit ungewöhnlicher Sachkenntniß unermüdlicher Pflichttreue und liebender Sorgfalt die ihm anvertrauten Kranken und Verwundeten gepflegt, welche ihm mit uns ein dankbar ehrendes Andenken bewahren werden." In gleicher Weise hatte sich derselbe schon im Jahr 1866 als Krankenwärter im Lazareth auf hiesigem Schloße ausgezeichnet. —1\ ‚fit dem eisernen Kreutz 21er Klaße sind folgende Personen decorirt worden: 1) Wilhelm Meie, Premier-Lieutnant vom großen General-Stabe, betheiligt in diesem Kriege als Compagnieführer beym 52ten Infantrier-Regiment,(Vid.pag 370); 2) Carl Dietze, Second.Lieutnant im Magdeburger Füsel. Bataillon No.36, Sohn des hiesigen Kreisgerichts-Rath Dietze; 3) Georg Voerkel, Secondlieutnant im Rangerhöhung und Brandenburger Infanterie-Regiment Na 20, Sohn des verstorbenen Kreisgerichts-Rath Voerkel; 4) Bruno Weidenhammer, Unterofficier bey dem Garde-Artillerie-Regiment, Sohn des verstorbenen Kämmerers Weidenhammer; 5) Heinrich Weber, Sergeant bey dem Stabe der 33ten Infantrie-Brigade, Sohn des verstorbenen Wachtmeisters Weber. Im April ist dem bisherigen Kreisrichter Rohland der Character als Kreisgerichtsrath und dem Rechtsanwalt Weihe der Charakter als Justizrath verleihen worden. An die Stelle des Appellationsrath nach Posen versetzten Kreisgerichtsrath von Gansauge ist der Kreisrichter Huehne von Zörbig getreten. Am 19ten Mai früh um 3 Uhr ist der 52 Jahre alte Kaufmann Gustav Barth im Stadtgraben nicht weit vom großen Schutze ertrunken. Derselbe hatte am Abend vorher, dem Himmelfahrtsfeste, von 7 Uhr an in der blauen Taube an der 25jährigen Stiftungsfeier der Liedertafel Theil genommen, und war von dort erst kurz vor 3 Uhr allein nach Hause gegangen. Er betrieb ein kleines Geschäft mit Cigarren, war übrigens ein gutmüthiger Mann, aber periodisch dem Trunke ergeben, so daß man hier fast allgemein glaubt, daß der Verunglückte, da es in den jetzigen langen Tagen früh um diese Zeit schon ziemlich hell ist, im berauschten Zustande in den Stadtgraben hinein gestürzt, und unvermögend sich selbst zu helfen, ganz in der Nähe des Ufers ertrunken ist. Am lten Junius hat der Lehrer Wenzel, welcher zu Michäelis 1869 hier angestellt wurde, uns wieder verlaßen, um nach Witten in der Provinz Westphalen zu übersiedeln, und eine Stelle an der dortigen höhern Töchterschule mit 450 Rtl gehalt zu übernehmen; er hat diese Beförderung theils seinem sehr gutem Zeugniß vom Eisleber Seminar, theiils aber auch seinem Freunde dem Lehrer Breder auf deßen Empfehlung und Verwendung zu verdanken; der Gehalt des Letzteren ist bereits seit Ostern vorigen Jahres auf 550 Rtl. erhöht worden, und zwar 25 Rtl. ftir eine zweyte wöchentliche Singstunde, und 100 Rtl. für vier wöchentliche Unterrichtsstunden in der Handwerker- Fortbildungsschule.V.p.441. In Folge des durch Wenzels Abgang statt gefundenen Aufrückens jüngerer Lehrer wurde noch im Junius ein neuer Elementarlehrer in der Person des Lehrer Werner aus Riestedt bey Sangerhausen gebürtig angestellt, für jetzt an der Vorstadtschule, ferner die Friedens-Dankfest Lehrer Muehlner, vorher in Brehna, und Fischer, vorher in Zeitz an der Bürgerschule.

Am 2ten p. Trinit.den 18ten Junius, dem Jahrestage der Schlacht von Waterloo (1815), wurde bey uns das Friedens-Dankfest, nachdem daßelbe den Abend vorher mit allen Glocken von 6 Uhr an eine Stunde eingeläutet worden war, mit Vor—und Nachmittags-Gottesdienst feierlich begangen, und dabey in der Frühkirche nach der Predigt statt des angeordneten langweiligen, wenig erbauenden „Herr Gott dich loben wir" das herrliche Dankeslied unserer evangelischen Kirche „Nun danket alle Gott" mit Begleitung der Posaunen in erhebender Weise gesungen. Eine Illumination fand bey den jetzt längsten Tagen nicht statt, ebenso auch keine Aufzüge; die Straßen der Stadt waren aber mit sehr vielen deutschen und preußischen Flaggen auf das schönste geschmückt. Am 22 ten Junius in der Nacht früh 1 Uhr ereignete sich auf der Berliner-Anhaltischen Eisenbahn zwischen Zschortau und Rackwitz ein schrecklicher Unglücksfall mit einem Militärzuge, deßen ausführliche Beschreibung in dem hierbey angefügten Delitzscher Kreisblatt vom 24ten Junius mitgetheilt ist. Eine Zeitungsnachricht aus Leipzig vom 6ten Julius berichtet hierüber noch folgendes: „In Bezug auf die bey dem Unglück auf der Berlin-Anhaltischen Eisenbahn verunglückten Soldaten können wir heute erfreulicher Weise mittheilen, daß von den ursprünglich in das Lazareth Aufgenommenen 43 an der Zahl, 16 bereits wieder zum Regiment haben entlaßen werden können. Gestorben ist nur ein Soldat, und die noch in Pflege befindlichen 26 Mann werden nach dem Ausspruche der Aerzte ebenfalls zum großen Theil in einigen Wochen und nur zum kleinen Theil in einigen Monaten das Lazareth geheilt verlaßen." Ein glänzendes Resultat!

Die Witterung dieses Frühjahrs war mit Ausnahme von höchstens vierzehn einzelnen schönen Tagen bey vorherrschendem Nordwestwind sehr rauh, stürmisch, naßkalt und regnigt, wirklich abscheulich; bis zum längsten Tage mußte eingeheizt werden; seit langen Jahren haben wir keinen so strengen Winter erlebt, welcher den Krieg gegen das Frühjahr bis zum Ende deßen so fortsetzte und es besiegte, wie diesen. Die ersten vier Tage des April waren sehr stürmisch mit vielem Schneefall;(Barometer 27,7), die Tage vom 13ten bis 17ten stürmische Regentage, am letzterem mit einem Gewitter; am 23ten Abends 6 1/2 Uhr entladete sich ein Gewitter mit Graupeln und starkem Regen, der die ganze Nacht über in einen Landregen übergieng; der 29te und 30te waren bey niederem Barometerstande ebenfalls Regentage. In gleicher Weise hielt das Wetter bey derselben vorherrschenden Windrichtung den ganzen Mai über an; wir hatten viele kalte und Regentage, der Himmel war, wie im April, größten Theils trübe und bewölkt. Ebenso höchst ungünstig und noch schlechter war die Witterung im Junius bis zum 29ten; an vielen Tagen regnete es stark; bedeutende , beynahe wolkenbruchartige Gewitterregen waren am 21ten Junius Vormittags und am 26ten Nachts 12Uhr, von welchen der letztere in einen Landregen übergieng, worauf wir dann am letzteren Tage in Folge der lange anhaltenden Näße sehr große Waßer hatten, welches das wenige bis jetzt geschnittene Heu theils verschlämmte, theils wegschwemmte; überhaupt ist durch die Ungunst des Wetters diesmal die Heuemdte um wenigstend 14Tage verzögert worden Zu bemerken ist noch, daß der 30te Junius einer von den äußerst wenigen schönen und hellen Tagen im ganzen Frühjahr war, trotzdem daß 100 Tage vorher am 23ten März den Morgen und Vormittag über ein sehr dichter Nebel, der einzige in diesem Monat, statt fand; denn nach den Wetterprophezeiungen der Oeconomen, welche aber nicht immer eintreffen, soll der hundertste Tag nach einem Märznebel allemal ein Regen- tag seyn. Die Hauptursache dieses so rauhen und überaus unfreundlichen Frühjahrs ist gewiß darin zu finden, daß, wie wir in den Zeitungen vor Kurzem gelesen haben, durch die gewaltig vorherrschenden Nord-West- Winde im April und Mai von der nördlichsten Spitze des Bothnischen Meerbusens große Eismaßen, sogenannte Eisberge, bis an die deutsche Ostseeküste getrieben worden sind, daselbst schmolzen und dadurch den Wärmestoff verzehrten, und viel Kälte verbreiteten. Dieser Umstand war auch schon im Jahre 1816 die Ursache des damaligen sehr rauhen und kalten Sommers. Welche schreckliche Verheerungen der letzte harte Winter im Pflanzenreiche angerichtet hat, das sehen wir jetzt erst recht deutlich; unzählige Kirsch,—Nuß- und Pflaumenbäume, wie auch die meisten Weinstöcke hat der Frost getödet, und die kleinere Zahl der noch übrig gebliebenen sind, was auch die vielen abgestorbenen verdorrten Aeste bezeugen, bereits halb todt, und bringen keine oder selten nur sehr wenige, durch das rauhe Frühjahr noch dazu verkümmerte Früchte, so daß von einer Verpachtung der Alleen gar nicht die Rede seyn kann. Blos die Apfelbäume scheinen etwas Ertrag zu versprechen, weil sie in der Blüthe nicht so viel litten.

Dagegen steht das Winter—und Sommer—Getraide ausgezeichnet schön, wozu die starke Schneedecke und die davon abhängige reiche Winterfrucht natürlich sehr viel beygetragen hat; auch hat daßelbe durch die viele Näße des Frühjahrs nicht gelitte, weil der Wind immer wieder bald abtrocknete, die kalte Witterung die diesmal sehr langen Halme abhärtete, und dadurch mit Hülfe des Windes das Lagern derselben größten Theils verhütete. Wenn Gott unsere Fluren noch vor Hagel und Schloßen, wie auch Wolkenbrüchen gnädig bewahrt, so haben wir eine reich gesegnete Getraide-Emdte zu erwarten. Auch der Klee ist sehr gut gerathen, und steht schön, jetzt im üppigsten Wuchse da, so daß an Futterkräutern durchaus kein Mangel ist. Was den Gesundheitszustand betrifft, so ist derselbe nicht befriedigend und die Sterblichkeit nicht unbedeutend; die natürlichen Menschenpocken, wie auch die modificirten sind epidemisch stark verbreitet, an den ersteren sind etwa einige zwanzig Erwachsene gestorben; auch die Lungenschwindsucht hat wieder so manches Opfer gefordert ebenso starben auch viele Kinder in den ersten Lebensjahren.Am lten Julius Nachmittags 4 Uhr ist der 12 '/2 Jahre alte Sohn des Schießhausbesitzers Rausch, Wilhelm Oskar auf der Bitterfelder Straße nahe der Offenhauerschen Brauerei von einem Leiterwagen des Oeconom Wachsmuth, geführt von deßen erwachsenen im Dienste des Vaters stehenden Sohne, überfahren worden; der Knabe war von der Deichsel herab gesprungen, in einem Strange mit einem Fuße hängen geblieben, so daß nun ein Vorder-und Hinterrad über seinen Unterleib hinweg giengen und er eine Stunde nachher starb Unbesonnenheit und Mangel an Vorsicht sind Ursache des Unglücks.

Auf den Beschluß des Magistrats und der Stadtverordneten wurde die im Jahre 1863 eingerichtete Kellerwirthschaft diese elende, gleich von vornherein als Spielhölle verrufene Kneipe, aus dem Rathhause mit Recht wieder entfernt, und soll in Zukunft der schöne Keller mit seinen bedeutenden Räumen, wie früher, blos zum Zwecke der Aufbewahrung von Victualien, Obst, Kartoffeln u. s.w. anderweit vermiethet werden; diese Veränderung erfolgte am lten Julius. In demselben Monat verkaufte die Stadt-Commun das Dietrichsche Wohnhaus, welches dieselbe am 18ten April 1867 (vid.pag.411) für 1525 Rtl. gekauft hatte, für 510 Rtl. an den Schmiedemeister Haschert mit der Bedingung des sofortigen Abbruchs, welcher den lten August statt fand Auch wurde in diesem Sommer die Grünstraße und die Quergaße planirt, der Bürgersteig daselbst gepflastert, und die Fahrbahn mit geklopften Bruchsteinen gut chaußirt; dies kostet 896 Rtl. 21 Sgr. 3 Pf In Bezug auf den bereits mitgetheilten Unglücksfall auf der Eisenbahn zwischen Zschortau und Rackwitz (vid.pag.502) ist noch zu bemerken, daß für die Angehörigen der verunglückten deutschen Soldaten in Leipzig 1300 Rtl. gesammelt worden sind, und daß die Direction der Berlin-Anhalter Eisenbahn dem Lazareth daselbst für die Verwundeten 800 Rtl. gesendet, und jeder Wittwe vorläufig 20 Rtl. geschenkt hat. Gestorben sind nur 3 Mann im Lazareth. In der hiesigen Strafanstalt befinden sich jetzt 245 weibliche Strafgefangene. Am lten November vorigen Jahres wurde, wie hiermit noch nachträglich bemerkt wird, der bisherige Direktor derselben Nolte (vid.pag.422) in derselben Eigenschaft nach Striegau in Schlesien, und der dortige Straf-Anstalts Direktor Heinrich Friedrich Haensler gleichzeitig hierher versetzt. Am 26ten August starb nach längeren Leiden der frühere Rector an hiesiger Bürgerschule, seit 1858 Lehrer an der höhern Bürgerschule Johann Gottlob Barthel, 68 Jahre, 12 Tage alt; er war 22 Jahre hier und in seinem Amt sehr treu und gewissenhaft. Am 30ten September Vormittags 10 Uhr fand in der Aula der hiesigen höheren Bürgerschule ein seltenes Fest statt. Der Senior unseres Lehrer- Collegiums, Herrn Organist Grellmann, welcher mit diesem Tage in den Ruhestand trat, war von Seiner Majestät dem König der Kronen-Orden vierter Klaße in Anerkennung seiner langen, musterhaften, fast 57 jährigen Amtsverwaltung verliehen worden. Zur Verherrlichung dieses Tages hatten sich die Herren Lehrer und die Schülerinnen der 1, 2 und 3 Mädchenldaße der höheren Töchterschule und der 1 und 2 Klaße der Bürgerschule versammelt. Nach Absinger eines der Feier entsprechenden Liedes begrüßte Herr Superintendent Leipoldt den Gefeierten in längerer Ansprache, welcher demselben auch im Auftrage der Königlichen Regierung den oben erwähnten Orden überreichte. Herr Rector Dr. phil. Barthels hielt dann im Namen des Lehrer-Collegiums eine ergreifende Rede, worauf noch Magistrats-Aßeßor Heinze, in Vertretung des Magistrats als Schulpatron, den Scheidendenden in kurzen bündigen Worten die ärmste Anerkennung und gleichzeitig sein Bedauern über den Verlust, welchen die Schule mit seinem Ausscheiden erleidet, aussprach. Mit der Absingung noch eines Liederverses schloß diese schöne Feier. Zu Thränen gerührt schied Herr Organist Grellmann aus seinem Wirkungskreise in Kirche und Schule Möge derselbe in dieser Feier, an welcher sich unsere Kinder betheiligten, die wärmste Anerkennung unser Aller finden, und noch lange möge er sich einer rüstigen Gesundheit wie bisher erfreuen, damit ihm vergönnt sei, auch die letzten Früchte seiner Thätigkeit zur vollen Reife gelangen zu sehen. Zu bemerken ist noch, daß derselbe vom lten October an mit einer anständigen wohlverdienten Pension von 315 Rtl und Beibehaltung seiner seiner ganzen Amtswohnung auf Erlaubenszeit vom Magistrat in den Ruhestand versetzt worden ist.

Zu Michäelis hat gegolten der große Scheffel Weizen 6 — 7 Ril. Roggen 4 RtL 22 'A Sgr. — 5 RtL Gerste 3 Rtl. 15 Sgr. — 4 Rtl. Hafer 2 Rtl. 5 Sgr. — 2 Rtl. 10 Sgf. Kartoffeln 1 Ra 15 Sgr. — 2 Rtl. Raps 8 Rtl. 15 Sgr.

Der Apother und Magistrats-Aßeßor Freyberg hat am lten October ein vor seinem frühem am Gerberplan gelegenen, jetzt dem Magistrats-Aßeßor Heinz gehörigen, Hause liegendes Stück Garten von 22 Quadrat Ruthen Umfang von der Stadt-Commun für 300 Rtl. gekauft. Am 6ten August wurde auch in unserer Stadt ein Kriegerfest zu Ehren der glücklich aus dem Felde zurück gekehrten Krieger in glänzender und würdiger Weise festlich begangen; über den Verlauf der Festfeier verweise ich auf die hier beygefügte in der No.93 des Delitzscher Kreisblattes befindliche ausführliche Beschreibung derselben. Die Witterung im Julius war mit Ausnahme einiger schönen Tage nicht viel beßer als im Junius, sondern trübe, kühl und naßkalt, so daß man wegen des glücklichen Einbringens der Feldfrüchte große Besorgniße hatte, zumal wir am 3ten Abends um 6 Uhr ein Gewitter in Süd, ferner am 10ten des Monats nach schwüler Hitze (Thermometer + 32) Mittags zwey starke Gewitter in Ost und Nord-West mit vielem Regen, so wie am 1 lten bey Süd-Ost-Wind (Thermometer +33) von Abends 7 Uhr bis 8 'A Uhr viere schwere Gewitter rings umher mit den gewaltigsten Blitzen und Donnerschlägen und wolkenbruchartigen Regen hatten, worauf am 12ten nach erfolgter Abkühlung (Thermometer +15) sehr großes Waßer Abends eintrat, und zwey Tage anhielt. Am 20ten um 4 Uhr Nachmittags tobte ein Gewittersturm (Barometer 27,8) aus Nord-Westen, welche Windrichtung überhaupt noch vorherrschend war; hierauf folgten noch mehrere regtügte Tage, und am 27ten in der Nacht ein Landregen.

Da die Erndte bereits um fast zwey Wochen verspätigt war, so war es die höchste Zeit, daß schönes und trocknes Wetter eintrat, was denn auch vom 2ten August an bis zum Ende deßelben fast durchgängig der Fall war, so daß die Grtraide-Erndte glücklich eingebracht werden konnte; das Barometer stand bey abwechselnden Nord-West-Wind, Nord-Ost-Wind und Süd-Ost- Wind hoch (Barometer 28-28,4), das Thermometer stieg Nachmittags in der Sonne auf einige 30 Grad, am am 14ten sogar bis 38 Reaum. Die Emdte des Winter- und Sommergetraides ging nun begünstigt durch die schöne Witterung rasch hinter einander sehr gut von statten; der Ertrag der Feldfrüchte ist durchgängig als eine gute Mittel-Erndte zu bezeichnen, besonders im Stroh sehr lang Am 23ten August früh um 2 Uhr und Abends von 8 —9 Uhr entladeten sich zwey Gewitter mit starkem Regen, welcher für den auf den Schwaden hegenden Hafer zu rechter Zeit kam. In Folge der übrigens in diesem Monat anhaltenden Dürre erschien in der zweyten Hälfte deßelben plötzlich die Landplage der Feldmäuse, welche in zahlloser Menge sich schrecklich vermehrten, und noch zu Anfang des October derart zugenommen hatten, daß die Feldbesitzer sich genöthigt sahen zur Vertilgung derselben Giftpillen (Phosphor) anzuwenden. Das schöne, sehr warme und trockene Wetter des August ging auch in den September bey derselben wechselnden Windrichtung und demselben hohen Stande des Barometers und Thermometers über, und dauerte bis zum 18ten des Monats fort so daß die wirklich sehr reichliche Grummterndte glücklich eingebracht werden konnte; vom 18ten an aber trat aber plötzlich bey niedrigem Stande des Barometer und Thermometers sehr trübe, naßkalte stürmische Witterung ein und hielt an bis zum Ende. Die Kartoffelemdte ist im Ganzen nur als eine leidliche Mittelemdte zu bezeichnen, weil durch die anhaltende Dürre im August und September die Ausbildung der Knollen sehr gelitten hat, so daß man allgemein die Klage hört, daß dieselben, obgleich gesund, doch nicht gut sammeln. Die Obstemdte ist in Folge der bereits oben Seite 504 erwähnten Ursachen durch Wittertmgs-Einflüße ganz verloren gegangen, höchstens etwa Aepfel in geringer Zahl sind noch zu theuren Preisen zu erhalten; ebenso wurde als Seltenheit ein Schock Pflaumen mit 3 Sgr. 9 Pf bis 7 Sgr. 6 Pf. bezahlt Weintrauben sind gar nicht zu haben. Der Gesundheitszustand war in diesem Quartal ziemlich befriedigend, und die Sterblichkeit, besonders im September, nicht bedeutend. Die Pocken- Epidemie erlosch in der Mitte des August; dagegen traten von diesem Zeitpunkt an bis zu Michäelis öfters Durchfälle auf; welche aber in der Regel leicht geheilt werden konnten. Im Leipziger Tageblatt vom 12ten October, abgedruckt auch im Delitzscher Kreisblatt vom 14ten October des Jahres heißt es: "Am 11 ten des Monats Mittags ereignete sich auf der Gerberstraße eine tragische Scene Ein Schüler der Delitzscher Realschule, Ferdinand Gustav Mafins aus Hohenleina, Sohn des dortigen ersten Lehrers, der sich vor einigen Tagen aus dem elterlichen Hause, in dem er sich während der Schulferien aufgehalten, unter Mitnahme eines Sparkaßenbuchs heimlich entfernt, und von dem Gelde 40 Rtl. in Delitzsch erhoben, sich aber dann nach Leipzig herein verfügt und in einem hiesigen Gasthofe Quartier genommen hatte, wurde von seinen Eltern, welche von dem Aufenthaltsorte ihres Sohnes Kenntniß erhalten hatten, hier aufgesucht. Der noch nicht ganz 20jährige Mensch fuhr eben in einer Droschke vor dem Gasthause vor, als er seinen Vater in Begleitung eines andern Mannes aus der Heimath erblickte. Noch in der Droschke sitzend, zog derselbe plötzlich einen geladenen Revolver aus der Tasche und feuerte zwey Schüße gegen seine Brust ab, ohne sich jedoch gefährlich zu verwunden. Keiner der beyden Kugeln drang ein, und sah sich der leichtsinnige junge Mensch bald darauf in den Händen der Polizey." Hierauf hat der Vater seinen verlornen Sohn sofort von unserer Realschule weggenommen, und ist dadurch der unvermeidlichen Exklusion deßelben zuvorgekommen. — Es ist sehr zu beklagen, daß seit dem zu Ostern 1868 erfolgten Abgange des trefflichen Rectors Giesel in unserer Realschule sich mehrere recht unangenehme Vorfälle und Exceße ereignet haben, welche einer solchen Anstalt keinen Segen und Vortheil bringen, sondern nur schaden können.

Am 18ten October früh um halb neun Uhr brach in dem Hause der Nagel- Schmieds-Wittwe Schmidt in der Holzgaße, unmittelbar neben der Wohnung des Verfaßers dieser Zeilen, im obern Stock Feuer aus Schnell herzugeeilter Hülfe gelang es sofort demselben Einhalt zu thun, und verbrannte nur ein Bett und einige andere Gegenstände, armen Leuten gehörig, welche zur Zeit nicht in ihrer Wohnung anwesend waren. Wie man hört, haben ohne Aufsicht allein zurückgelaßene Kinder mit Streichzündhölzchen gespielt, und das Bettstroh angebrannt.

Am 4ten November Mittags halb 12 Uhr ist der Hausbesitzer und Fuhrmann Gottlieb Ziecke 61Jahre 9 Monate alt, durch Ueberfahren verunglückt. Derselbe kam, wie gewöhnlich, um diese Zeit mit seinem schwer mit Braunkohle beladenen Kastenwagen von Bitterfeld gefahren, begieng aber dabey die große Unvorsichtigkeit sich unmittelbar hinter der Wage auf die Deichsel zu setzen und dazu noch auf diesem gefährlichem Sitze zu schlafen, in diesem Zustande fiel er nahe bey dem zwischen Delitzsch und Benndorf liegenden Bahnwärter-Häuschen vorwärts auf die Erde, so daß das Vorder- und Hinterrad in gerader Richtung über die rechte Seite seines Rückens gieng, das Schulterblatt und mehrere Rippen zerbrachen, und ein starker Blutstrom in Folge der geborstenen rechten Lunge aus dem Munde trat; der Tod erfolgte sogleich. Noch ist zu bemerken, daß der Verunglückte, wie man hört kein Trinker, sondern ein ganz ordentlicher Mann war. Im Monat August wurde ein dringend nothwendige Reparatur an der alten Orgel unserer Stadtkirche vorgenommen; dieselbe bestand in der Herausnahme särmntlicher Pfeifen, Reinigung derselben und Belederung der sehr defecten Bälge und Windladen. Herr Orgelbaumeister Offenhauer erhielt dafür 90 Rtl., welche aus dem Kirchenvermögen bezahlt wurden. Auch in diesem Jahre hat der Bau der Halle-Sorau-Gubener Eisenbahn keine sonderlichen Fortschritte gemacht; der hohe Bahndamm vor der Elberitz-Mühle ist noch in einer ziemlich langen Strecke nicht vollendet, und es müßen noch bedeutende Erdmaßen aufgeschüttet werden; die Zahl der bey den Erdarbeiter angestellten Arbeiter war in diesem Jahre überhaupt viel zu gering. Dagegen sind die Schwellen und Schienen von Eilenburg bis nahe an unsere Stadt, da wo die Bahn die Eilenburger Straße überschreitet, gelegt, und das sehr schöne, ansehnliche, zvveymal übersetzte maßive Bahnhofs- Gebäude, welches unmittelbar am Uebergange der Bahn über die Berlin- Anhalter westlich gelegen ist, noch im Spätherbst unter Dach und Fach
Beamten Wechsel gebracht worden Außerdem wurden noch im Laufe des Sommers und bis in den Herbst die Erdarbeiter am Bahnkörper durch die Feldmark Rubach und die Fluren und Gärten des Dorfes Gertitz in der Richtung nach Kyhna zu, aber leider nur mit geringen Kräften unternommen und langsam fortgeführt.

An die Stelle des bisherigen nach Teglitz abgegangenen Gasinspektor Friedrich Bendert ist vom 15ten Junius des Jahres an der Gastechniker Hugo Franke aus Fraustadt im Regierungs Bezirk Posin als Gasinspecktor hier angestellt worden. Deßgleichen ist auch an die Stelle des im Frühjahr verstorbenen Polizei-Sergeanten Tronicke der bisherige Marktmeister Ludwig August Steinborn aus Diersen als erster Polizei- Sergeant und Marktmeister für hiesige Stadt angestellt worden, und hat am 1ten September sein Amt angetreten. Die am lten December stattgefundene Volkszählung hat folgendes Resultat ergeben: es waren vorhanden 1) bewohnte Häuser 667, 2) Haushaltungen 1891, 3) wirkliche ortsangehörige Bevölkerung 8160, mithin 171 mehr als im Jahre 1867, wo unsere Stadt 7989 Einwohner hatte. Am 5ten December wurde die in der Bitterfelder Straße neu erbaute Bürger-Knabenschule feierlich eingeweiht. Das Haus selbst ist ein wahres Prachtgebäude, eine große Zierde unserer Stadt; die Klaßen- Lokale in demselben sind sehr geräumig, hell und in jeder Hinsicht zweckmäßig. Was den Act der Weihe selbst betrifft, so beziehe ich mich und verweise auf die hier beygefügte Beschreibung deßelben in den Nummern 146 und 147 des Delitzscher Kresblatts, welche sehr ausführlich ist. Die Baukosten laßen sich noch nicht bestimmen, sollen aber, wie man hört, mindestens 25000 Rtl. betragen Vid.pag.468. Am 15ten December kam vor der ersten Abtheilung des hiesigen Kreisgerichts die Untersuchung wider den Locomotivenführer Pius David Louis Sarpe aus Berlin, 34 Jahre alt, zur Verhandlung. Derselbe war angeklagt: am 22ten Junius zwischen Rackwitz und Zschortau fahrläßiger Weise den Transport auf der Eisenbahn (einen Militärzug, vid.pag.502) in Gefahr ge bracht und dadurch den Tod von Menschen verursacht zu haben. Die Hauptschuld des Locomotivführer Sarpe ist nach der Aussage und Erklärung von Sachverständigen darin begründet, daß derselbe, nachdem er die Trennung des Zuges von der Locomotive bemerkt hat, diese sofort anhielt, und nicht, wie es § 24 der Instruction der Berlin-Anhaltischen Eisenbahngesellschaft verlangt und bestimmt, so lange vorwärts gefahren ist, bis er die bestimmte Ueberzeugung gewonnen hatte, daß der Zug stand, oder doch so weit entfernt war,daß kein Zusammenstoß mit der Maschine mehr erfolgen konnte Die Verhandlung, welche eine große Zuhörerschaft herbeigezogen hatte, dauerte ohne Unterbrechung von 9 1/2Uhr des Morgens bis nach 6Uhr des Abends. Nachdem von der Staatsanwaltschaft 1Jahr Gefangniß und Aberkennung der Fähigkeit zum Eisenbahndienst, vom Vertheidiger Herrn Justizrath Hassen aber die Freisprechung beantragt wurde, erkannte der Gerichtshof unter theilweiser Annahme mildernder Umstände, wegen gemeingefährlichen Vergehens auf 6Monate Gefängniß. Eine viel zu milde und geringe Strafe für einen Verbrecher, der, wenn auch nur durch Fahrläßigkeit und Unbesonnenheit, den Tod von 22 braven Soldaten, deren leben die Kugeln auf Frankreichs Schlachtfeldern verschonten, verschuldet und auf seinem Gewißen hat; dieses letztere untrügliche Tribunal wird unaufhörlich ihn verurtheilen in Zeit und Ewigkeit. Außer den bereits erwähnten herrlichen Gebäuden, des Halle- Sorauer Bahnhofs-Gebäudes und des neuen nun vollendeten Schulgebäudes ist wegen des Krieges wenig gebaut worden. Das früher dem Schumacher Gneist gehörige sehr banfällige Haus in der Schloßgaße hat ein Subaltern- Beamter in der Strafanstalt, Namens Dehahn gekauft, niedergerißen und ein maßives übersetztes Wohnhaus dafür erbaut. Deßgleichen hat der Schumachermeister Gallwitz das Haus seines Schwiegervaters Weidenhahn in der Holzgaße sehr gut maßiv umgebauet.

Vom Kreis-Armen-Fond erhielt unser Armenkaße auch im vorigen und in diesem Jahre einen Zuschuß von je 550 Rtl., wie dies bereits seit mehreren Jahren der Fall ist. Die trübe, kühle und regnigte Witterung der zweiten Hälfte des September hielt auch im October bey niedrigem Barometer und Thermometer-Stande und Südwestwind bis zum 12ten an; von da an hatten wir bey fast täglich wechselnden Windrichtungen in der ganzen Windrose und hohem Barometer (28,3-6) bis zum 22ten schöne und milde, helle Tage, von da an aber bis zum Ende des October bey demselben hohen Barometer und vorherrschendem Ost- und Nordost-Wind trübe und kühle Tage mit dichtem Nebel. Fast in derselben Weise gieng diese Witterung auch in den November über; die meisten Tage waren mäßig kalt, und sehr trübe wegen der häufigen dichten Nebel, Barometer und Windrichtung die zuletzt angegebene. Noch ist zu bemerken, daß am 9ten des Monats ein schönes Nordlicht sich zeigte, und am lOten, dem Geburtstage Luthers und Schillers, ein noch weit glänzenderes von Abends 9% bis 10 WW sichtbar war; das letztere zog sich vom direkten Norden bis zum direkten Westen, färbte des ganzen eingenommenen Himmelsstrich prächtig roth, und reichte bis nahe an das Zenith. Schnee fiel nur in den letzten Tagen des Monats. Der December brachte gleich vom Anfang an Licht, Frost, Schnee und mäßige Kälte, welche letztere bey Nordost- und Nordwest-Wind bald stieg (Barometer 28,1), so daß das Thermometer am 11 ten und 12ten früh 7Uhr — 14 Reaum zeigte bey Südwest-Wind Barometer 28,5, gleich nachher wieder abnahm und bey vorherrschendem Südwest-Wind und hohem Barometer nur in sehr mäßigen Graden, abwechselnd mit Thauwetter, bis zum Jahresschluß anhielt. Der Gesundheitszustand ist nicht befriedigend, die Sterblichkeit bedeutend gewesen; viele alte Personen sind gestorben in diesem Quartal, viele junge an der Schwindsucht, und eine große Zahl Kinder an der häutigen und Rachenbräune. Geboren wurden in diesem Jahre in unserer evangelischen Kirchgemeinde 307, worunter 50 Uneheliche, und gestorben sind 283, worunter 165 Kinder, und 50 Personen vom 60ten bis zum 90ten Lebensjahre. Die Sterblichkeit beträgt bey uns seit 1858 nach statistischen Nachrichten 25 Procent.