Handschriftliche Chronik von 1816-1952 - 1855-1856

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1855

In den beyden ersten Tagen des neuen Jahres hatten wir einen starken Orkan und Schneewehe(Bar. 27,4); bis zum 13ten Januar war das Wetter milde, am 14ten aber trat der Winter bey vorherrschenden Nord –und Ostwind mit vielem Schnee und höheren Kältegraden ein und dauerte mit Ausnahme sehr weniger Tage bis zum 25ten Februar; in diesem Monat war die Kälte anhaltender und größer als im Januar; das Thermometer zeigte am 2ten, 3ten, 10ten und 20ten Februar früh 7 Uhr –16 und – 17Reaum.(Barom.28,2). Zu Ende dieses Monats trat allgemeines Thauwetter ein, blos einen Tag am 28ten durch Frost unterbrochen, so daß wir am 2ten und 3ten März großes Waßer hatten

Am 5ten Maerz früh von 8 – 10 Uhr ward die seltene, schöne Erscheinung von vier Nebensonnen, zwey weißen und zwey regenbogenfarbigen, parallel stehenden, beobachtet, dieselben waren von einem regenbogenfarbigen Kreise umgeben; es war an diesem Tage sehr schön und milde. Bald nach diesem electrischem Phänomen, vom 8ten an, trat wieder mäßiger Frost und rauhe Witterung, abwechselnd mit Schnee und Regen, ein, und hielt bis zum Ende des Maez an.

Zur Unterstützung der Armen während dieses Strengen Winters sind bey der Armen-Deputation folgende Geschenke eingegangen und vertheilt worden: 10 Tonnen Knorpelkohle vom Herrn Aßeßor Pabst, 10 Tonnen desgleichen vom Seifensiedermeister Friedrich Held, 10 Tonnen desgleichen vom Gastwirt Roessler und Oeconom Gutheil, 20 Tonnen desgleichen vom Drechslermeister Ufer jun. Apotheker Pfotenhauer, Fuhrmann Scharf und Bäckermeister Donath, 3 Fuder desgleichen vom Amtmann Voigt in Storckwitz, 1 Fuder desgleichen von S. 1 Fuder desgleichen vom Seilermeister Teubner sen., 1 Fuder Reiß- und Knüppelholz vom Kaufmann H.Schulze, 1 Fuder Knorpelkohle vom Kaufmann Naumann, 3 große Scheffel vom Amtmann Hertzsch in Schenkenberg, 1 großer Scheffel desgleichen vom Kaufmann W.Kuehne, 6 große Scheffel Kartoffeln vom Rittergut Brodau, 1 großer Scheffel desgleichen vom Kaufmann Tiemann, 50 Pfund Graupen vom Kaufmann Hennig und 32 Pfund Reis vom Kaufmann Krause sen.; ferner 20Rtl. vom Herrn Grafen von Hohenthal in Döbernitz, 20 Rtl. vom Amtmann Donner daselbst, 10 Rtl.von einem Ungenannten, 10 Rtl. von der Gesellschaft Eintracht, 9Rtl. 4Sgr. vom Ball des öconomischen Vereins, 4 Rtl. 6 Sgr. von einem Karpfenschmauße und einige andere kleinere Geldbeiträge.

Ein am 23ten Februar auf dem hiesigen Postamte angekommener Brief mit 100 Rtl. in Kaßen-Anweisungen ist daselbst an demselben Tage entwendet und der Thäter bis jetzt nicht entdeckt worden. Desgleichen ist in der Nacht des 22ten Maerz früh zwischen 1 und 2 Uhr ein höchst verwegener Einbruch in das Gewölbe und Wohnzimmer des Kaufmann Christ. Friedrich Schmidt am Markte verübt und aus erbrochenen Schränken und Schubladen etwas über 500 Rtl. theils in baarem Gelde, theils in Staatspapieren entwendet worden. Durch die rühmliche Thätigkeit unserer Polizey-Beamten ward dieser Diebstahl aber noch im Laufe deßelben Tages entdeckt, und die Diebe in den Personen der beyden Maurergesellen, Gebrüder Werner in Rödgen verhaftet; der eine derselben war bereits Vormittags nach vorher gegangener Anzeige der gestohlenen Staatsschuldscheine in Halle bey einem Banquier, wo er einen solchen in Geld umwechseln wollte, sogleich arretiert und der andere Bruder auf dem Rückwege von Halle nach Rödgen von unserm Polizey-Sergeant Ranscht ergriffen worden. Die Frau des älteren Werner, welche Tags darauf wegen Diebshehlerei ebenfalls gefänglich eingezogen ward, und einen kleinen, ein Jahr alten Knaben, welchen sie noch säugte, mitbrachte, erhängte am 25ten früh erst diesen und dann sich. Leider sind die beyden Werner aus Delitzsch gebürtig, Söhne des verrufenen frühern Feldhüter Werner, welcher im Jahr 1829 unter der berüchtigten Brandstifter- Bande(vid.pag.21) mit war, und später im Zuchthause zu Lichtenburg gestorben ist. Auch sind zugleich bei dieser Gelegenheit diese Gebrüder Werner als die Thäter der im Maerz 1852 verübten Diebstähle bei dem Kaufmann Lindenhahn und dem Buchbindermeister Krause (vid.pag.167) entdeckt und überwiesen worden, da von letzteren mehrere im Hause der pp.Werner in Rödgen vorgefundene Gegenstände noch nach drei Jahren als ihr Eigenthum recognosciert und erkannt worden sind. Diese Verbrecher sind nun an das Königl.Kreisgericht abgegeben worden.

Am 7ten Februar hat der erst am 1ten Mai vorigen Jahres eingeführte (vid.pag.216) zweyte Lehrer an der Vorstadtschule Thaermann sein Amt ganz plötzlich verlaßen, und ist als Musiklehrer an ein Privat Institut nach Eppendorf bei Hamburg abgegangen. An seine Stelle ward der bisherige Lehrer in Wellaune bey Düben Romanus gewählt, und am 16ten Mai in sein Amt vom Archidiacon Dr. Burkhardt eingesetzt.

Am Sonntage Misericord. Dom. Den 22ten April ½ 9 Uhr ward der Vormittags- Gottesdienst auf eine sehr traurige Weise durch Feuerlärm gestört. Es brannte nämlich in der Grünstraße die beyden mit Stroh bedeckten sehr baufälligen Häuser des Schuhmachermeister Jentsch und der Wittwe Bothfeld; die letztere befand sich gerade in der Kirche; im Hause des erstern, wo noch im obren Stock deßen Schwiegerältern, der frühere Besitzer

Obhändler Spieckermann und Frau wohnten, ist das Feuer vermuthlich durch Verwahrlosung oder Baufälligkeit der Feuereße auf dem Boden entstanden. Bey der schnell herbey geeilten Hülfe und der Zweckmäßigkeit der Lösch-Anstalten, wobey sich der neue Waßer- Zubringer sehr bewährte, brannte außer den beyden Häusern nebst Ställen nichts weiter nieder.

Nachdem am 18ten Mai 1854 der bisherige Diaconus und Hospitalprediger Dr. phil.Burkhardt zum Archidiaconus und Katechismusprediger befördert worden war (vid.pag.232), war vom Magistrat an deßen Stelle an demselben Tage aus den Gastpredigern der Candidat des Predigtamts Herrmann Constantin Knoth aus Hauterode in Thüringen,welcher schon seit fünf Jahren als Hauslehrer im hiesigen Orte lebte und öfters hier gepredigt hatte, erwählt. Der Magistrat theilte diese Wahl in einer Sitzung am 29ten Mai den Stadtverordneten und Deputirten der eingepfarrten Gemeinden mit, welche aber mit dem Erwählten, weil derselbe ihnen als prediger keineswegs genügte, nicht zufrieden waren, und von demselben noch eine zweyte Probe-predigt verlangten. Das Königl.Consistorium zu Magdeburg, an welches deshalb berichtet worden war, genehmigte dies und verordnete nachher eine Abstimmung der Gemeinde über den Candidat Knoth. Hierauf hielt derselbe am 5ten post Trinit. Den 16ten Julius die zweyte Probepredigt; den Tag darauf war vom Superint. Foerster die Gemeinde in die Stadtkirche Vormittags 11 Uhr zur Abstimmung berufen worden , die Versammlung war, weil viele durch die Erndtearbeit abgehalten waren, nicht zahlreich. Auf die Frage des Superint. Foerster „ ob jemand wider die Lehre und den Lebenswandel des Candidaten Knothe etwas einzuwenden hätte“ erklärten alle Anwesenden „Nein“. Die Mehrzahl derselben sprach sich jedoch dahin aus und gab diese Erklärung auch zu Protokoll „daß man einen tüchtigeren und befähigteren Kanzelredner wünsche“, als welchen man unter den vier Gastpredigern mit aufgetretenen Candidat Scharr aus Halle bezeichnete.Zuletzt überreichte auch noch der Vorstand der eingepfarrten Gemeinde Grünstraße Polizey-Anwalt Schulze, eine von sämmtlichen hausbesitzern dieser Gemeinde unterschriebene sehr ausführliche Protestation wider der Wahl des Candidaten Knoth dem Superint. Foerster mit der Bitte dieselbe an das Consistorium mit einzusenden. In einem hierauf am 17ten August eingegangenen Rescrigt dieser hohen Behörde ward die Wahl des Candidaten Knoth nicht bestätigt, und nunmehr am 12ten October vom Magistrat der von der Gemeinde fast allgemein gewünschte Candidat des Predigtamts Friedrich Gustav Julius Scharr aus Halle zum Diaconus und Hospitalprediger erwählt, welcher nach erfolgter Bestätigung von Seiten des Consistorii, und nach der am 9ten April 1855, am zweiten Osterfeiertag, gehaltenen gesetzlichen Probeprdigt, den 28ten Mai, am zweiten Pfingstfeiertage, vom Superint. Foerster feierlich in sein Amt eingeführt ward.

Die Witterung in diesem Frühjahr war vom Anfang des April bis zum 20ten Mai mit Ausnahme sehr weniger Tage bey Vorherrschendem Nord –und Ostwind sehr trübe, stürmisch und naßkalt, es regnete viel, so daß wir am 11 ten April abermals großes Waßer hatten; auch bildeten sich öfters nach wenigen Stunden warmer Witterung sogleich Gewitter, von welchen die Beyden am 31ten Mai Abends um 9 Uhr und am 3ten Junius Nachmittags um 4 Uhr, bey welchem letzterem der Blitz im Dorfe Klitzschmar in eine Strohscheune schlug und zündete, die stärksten waren. Die Vegetation ward durch die Kälte sehr zurück gehalten; erst in der zweiten Hälfte des Mai zeigte sich beym Roggen die Aehre; derselbe, welcher auf vielen Feldern durch die anhaltende Näße und im Herbst vorigen Jahres durch die Feldmäuse viel gelitten hatte, erholte sich später noch bedeutend, da vom 20ten Mai bis zum 14ten Junius das Wetter außerordentlich schön war. Von da an trat wieder kalte und regnigte Witterung ein, und man hegte schon Besorgniße wegen der schönen und reichlichen Heuerndte; da aber das Wetter vom 27ten Junius wieder anhaltend schön, warm und trocken ward, so wurde dieselbe glücklich eingebracht. Die sehr drückende Theuerung aller Lebensmittel besteht leider ! immer noch fort, besonders gilt dies von der Butter, von welcher die Kanne gewöhnlich 20 Sgr., und am 26ten Mai dem heiligen Abend des Pfingstfestes, sogar 25 Sgr. gekostet hat. Was die Krankheiten betrifft, so kamen seit Anfang dieses Jahres, vorzüglich aber in den drei letzten Monaten, Entzündungen der Mandeln, der Lungen, des Rippenfels, häutige Bräune, so wie ein- und dreitägige Wechselfieber zur Behandlung. Die Sterblichkeit war gering.

Der am 23ten Februar auf dem hiesigen Postamte entwendete Brief mit 100 Rtl. in Kaßen-Anweisungen an den Brauerei- Besitzer Offenhauer (vid.pag 236) ist am 11ten Junius in der Nähe des Pfeffermühlen-Weges in einer hohlen Weide am rechten Ufer der Gertitzer Bach von drei zehn bis zwölfjährigen armen Schulknaben, den Söhnen der Handarbeiter Schladitz und Bude, und der Wittwe Goldemann in der Grünstraße bey dem Ausnehmen von Vogelnestern zufällig unversehrt wieder aufgefunden worden; die Aelteren dieser Knaben, zwar arme, aber rechtschaffene Leute, haben die dafür ausgesetzte Belohnung von 20 Rtl., jeder ein Betrag von 6Rtl. 20Sgr., ausgezahlt erhalten; die übrigen 80 Rtl. sind an das Ober- Postamt zu Halle abgesendet worden, wodurch die verloren gegangene Caution des Post- Exped. Schmidt größten Theils wieder ersetzt worden ist. Die Besorgung dieser ganzen Angelegenheit hatte der Polizey- Anwalt Schulze in der Grünstraße übernommen, an welchen der Brief von den Findern sogleich abgegeben worden war.

Die den hier wohnenden Katoliken vor drei Jahren (vid.pag.195) ertheilte Erlaubnis alle vier Wochen einen Gottesdienst in unsrer Hospitalkirche abhalten zu dürfen, ist denselben seit dem Anfang des Julius von der Kirchen- und Hospital-Inspecktion wieder entzogen worden, weil der katolische Pfarrer Krumme in Eilenburg sich Uebergriffe und Störungen in den gemischten Ehen erlaubt hat.

Die der Commun gehörigen Kirschalleen sind in diesem Jahre für die Summe von 351 Rtl. 5 Sgr. und die PflaumenPlantagen für die Summe von 32 Rtl. verpachtet worden.

Nachdem im vorigen Jahre hauptsächlich durch einen Bau am Armenhause, sodann aber auch durch die in folge der Armen vermehrte Ansprüche an die Armenkaße in derselben ein Deficit von ohngefähr 250 Rtl. entstanden war, mußte auf den Antrag des Magistrats und der Stadtverordneten mit Genehmigung der Regierung die Armensteuer nach dem Klaßenfuße von 20 auf 30 Procent und auf jedes Schock von 6 Dinar auf 1 Sgr. vom Juli an erhöhet werden. Seit dem vorigen Jahr sind auch in Gemäßheit eines Consitorial-Befehls alle drei Geistliche Mitglieder der Armen- Deputation.
Am 16ten post.Trinitat., den 23ten September ward die kirchliche Jubelfeier des am 25ten September 1555 abgeschloßenen Augsburger Religions- Friedens in einfacher, und würdiger Weise begangen.

Der Sommer war sehr unfreundlich; denn vom 17 ten Julius bis zum 18ten September war das Wetter mit Ausnahme weniger Tage trübe, stürmisch und naßkalt; es regnete viel, zumal da sich oft nach wenigen Stunden banger und schwüler Witterung sehr schnell schwere Gewitter bildeten und stark entluden; die Erndtearbeit ward dadurch sehr aufgehalten, jedoch der vorherrschende Ost- und Nordostwind trocknete immer wieder bald ab, so daß die Feldfrüchte mit genauer Noth noch glücklich eingebracht wurden. Die Erndte des Roggen und Weitzens ist leider ! nur sehr mittelmäßig, dagegen die des Hafers und der Gerste, besonders der letzteren, vorzüglich ausgefallen. Unter diesen Umständen, welche sich der schändliche Wucher recht zu Nutzen macht, sind die Getreidepreise immer mehr gestiegen, und die Theuerung, welche sich zugleich auf alle übrigen Lebensbedürfniße erstreckt, immer drückender geworden; der große Scheffel Weitzen kostet jetzt zu Michäelis 8 Rtl. Roggen 7Rtl. Gerste 4 Rtl. 10 Sgr. Hafer 3 Rtl.- Pflaumen sind nicht viel, dagegen viel Aepfel und Birnen gewachsen, auch ist die Grummterndte, welche in der zweiten Hälfte des September bey dem Eintritt schönen Herbstwetters glücklich eingebracht wurde, sehr reichlich gewesen, und die Kartoffelerndte Gott sey Dank! In Quantität und Qualität vorzüglich ausgefallen; über die Krankheit der Kartoffeln hört man wenig Klagen; der große Scheffel kostet 1 Rtl. 5 – 10 Sgr. Was die Krankheiten betrifft, so kamen einige gastrisch – nervöse Fieber, hauptsächlich aber Durchfälle, welche oft hartnäckig und sehr zu Rückfällen geneigt waren, und sich merkwürdiger Weise besonders in der nacht verschlimmerten, zur Behandlung. Die Sterblichkeit war mäßig. Die Temperaturschwankung betrug manchmal in einem Tage eine Differenz von +15 – 20 Reaum.

In der zweiten Hälfte des September ist der Lober von den angrenzenden Feld- und Wiesenbesitzern geschlämmt worden. Der Stadtmüller Schroeter bauete während dieser Zeit ein neues Gerinne und ein neues sehr zweckmäßiges drei Fuß breites Waßerrad. In diesem Sommerhalbjahr, dessen rauhe und naße Witterung dem Bauern ohnehin nicht günstig war, ist wegen der schlechten und theuren Zeit wenig gebaut worden. Blos der Viehhändler Franke hat sein altes in der Mauergaße gelegenes nieder Gerißen und an dessen Stelle ein neues maßives Parterre – Gebäude mit einem Erker aufgeführt. Der im vorigen Jahre begonnene Neu- und Umbau des Hospitals ist zu Ausgang des August vollendet worden, so daß die feierliche Einweihung am 3ten September erfolgen konnte. Dies geschah früh 9 Uhr zuerst mit einem Gottesdienste in der Hospitalkirche, woselbst der Diaconus Scharr nach Absingung des Liedes (Delitzscher Gesangbuch No.7) eine Rede vor dem Altare hielt. Nach dieser ward von dem Liede No.5, Vers 3 gesungen. Hierauf begab sich die Versammlung auf den Platz vor das Vordergebäude des Hospitals, wo dann nach Absingung von No.168, Vers 1,2,4, der Superint. Foerster die Rede hielt und am

Schluße derselben die Weihe vollzog. Nun verfügte sich die Versammlung noch vor das Seitengebäude, in welchem die Kinder-Bewahr- Anstalt befindlich ist, wo dann der Archidiacon Dr. Burkhardt eine Rede hielt, und am Ende derselben die Weihe der genannten Anstalt vollzog, worauf zum Schluß noch vom Liede No.278 Vers 3 gesungen ward. Die sämmtlichen Baukosten betragen übrigens 8000 Rtl. Noch ist zu bemerken, daß seit dem 1ten August die Auszahlung des bisher üblichen Wochengeldes an die Hospitaliten (an jeden 12 Sgr.6 Dinarium) aufgehört hat, und dieselben dafür Mittags und Abends gespeist werden.

Im October wurden an der Mitternachtsseite der Stadtkirche zwey neue eichene, im gothischen Styl gearbeitet, große Kirchthüren angebracht; dieselben sind vom Tischlermeister Troitzsche und vom Schloßermeister Friedrich Wilhelm Bier verfertigt und in jeder Hinsicht wahre Meisterstücke. Mit Einschluß der Maurerarbeit und neuer Steinplatten kosten diese Thüren 157 Rtl 21 Sgr. 8 Dinarium. Auch haben die genannten Meister die Hausthüren im Hospital sehr gut geliefert, und der Schloßermeister F.W.Bier das eiserne Gitterthor nebst den beyden Eingangsthüren daselbst schön und dauerhaft gefertigt. Das letztere kostet 113 Rtl. 15 Sgr.

Schon seit längerer Zeit circulirten im Publikum verschiedene Gerüchte über die zerrütteten häuslichen und finanziellen Verhältniße des Landrats Eduard Arthur von Pfannenberg; diese bestätigten sich dadurch immer mehr, daß zu Anfang des vorigen Jahres der Fabrikant Degenkolb in Eilenburg denselben wegen einer Schuldforderung von 2000 Rtl. beym hiesigen Königlichen Kreisgericht verklagte; diese Angelegenheit ward indeß noch durch Sicherstellung des Gläubigers abgemacht. Da traf plötzlich als Commißarius der Königl. Regierung zu Merseburg der Regierungsrath Herr von Tiedemann am zweyten Maerz dieses Jahres hier ein, und erwiderte am folgenden Tage früh die vom Landrathe von Pfannenberg als Curator und vom Kreissecretär Carl Robert Beyer als Rendant verwaltete Kreisbedürfniß – Kaße, und entdeckte in derselben einen Defeckt von 5010 Rtl. Am 6ten Maerz reiste der Herr Regierungsrath von Tiedemann wieder ab, und am 13ten wurden beyde, sowohl der pp.von Pfannenberg, welcher bereits seit Mitte Februars in folge moralischer Unruhe sehr krank war, als auch der pp.Beyer von ihren Aemtern suspendiert. Wegen der Krankheit des pp. von Pfannenberg verzögerte sich die weitere Untersuchung, und die Königl.Regierung ließ daher durch den einstweilen hier fungirenden Kreissecretär Eckhardt aus Merseburg bey dem Verfaßer dieser Zeilen, als dem Hausarzt des von Pfannenberg über deßen Gesundheitszustand am 25ten Maerz Erkundigungen einziehen. Noch in der Mitte des April erfolgter völliger Wiedergenesung des Kranken erschien am 25ten des Monats als Commisarius der Geh. Ober Regierungs Rath Herr von Werther aus Merseburg zur Fortsetzung der Untersuchung. Nachdem dieser alles Nöthige ermittelt und seinen Auftrag vollzogen hatte, ward nunmehr die ganze Sache dem Staatsanwalt und dem hiesigen Königl.Kreisgericht übergeben, von welchem letzterem nun nach nochmals am 22ten Junius beym Hausarzt des pp. von Pfannenberg über seinen Gesundheitszustand erfolgter Anfrage derselbe und der pp. Beyer am 26ten des Monats vernommen wurden. Hierauf ward am 6ten Julius der pp. von Pfannenberg verhaftet und an das Kreisgericht nach Halle abgeliefert; daßelbe widerfuhr dem pp. Beyer am 15ten September. In der öffentlichen Sitzung des Königl. Kreis- und Schwur- Gerichts am 23 ten October, wo bey überfülltem Saale die ganze Verhandlung von früh 8 bis Abends 8 Uhr dauerte, wurden die Angeklagten von den Geschworenen für „schuldig“ erklärt, und hier auf dem Gerichtshofe verurtheilt, und zwar der Landrath von Pfannenberg, weil er aus der Kreisbedürfniß- Kaße Gelder unterschlagen und für sich verbraucht, auch seine amtliche Stellung und Ansehn gegen den pp. Beyer mißbraucht und denselben zur Unterschlagung verleitet hat, zur Amtsentsetzung, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und drei Jahren Gefängnißstrafe, der Kreissecretär Beyer Beyer wegen Unterschlagung von Geldern und falscher Buchführung zur Amtsentsetzung, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und zwey Jahren Gefängnißstrafe. (Nach dem neuen preußischen Strafgesetzbuch steht §325und 330 auf solche Verbrechen Zuchthausstrafe von drei bis zehn Jahren.)

Vom Anfang des Julius bis zu Ende des December wurden auf Betrieb des Bürgermeisters Hagedorn, nachdem von den Stadtverordneten 400Rtl. aus der Kämmerei- Kaße zu diesem Zweck bewilligt worden waren, zuerst in der Kosebruch nahe bey der Dörfchen-Mühle, und als dann, da die Bemühungen vergeblich waren, im Haine und Rosenthale Bohrversuche auf Braunkohle gemacht. An diesem Orte gewährten dieselben, wie bereits im Jahre 1848, das Resultat, daß an verschiedenen Stellen unter einer Thonschicht in einer Tiefe von 50 – 60 Fuß ein Lager von guter Braunkohle, welche auch bey den damit angestellten Versuchen als gutes Brennmaterial sich bewährt haben soll, in einer Mächtigkeit von 15 – 20 Fuß sich befindet.

Dem Tertius Lorenz, welcher wegen andauernder Krankheit bereits seit Ostern in seiner Klaße keinen Unterricht ertheilen kann, ist auf sein Ansuchen im September eine Unterstützung von 25 Rtl.aus der Kämmerei- Kaße bewilligt worden.

Im December wurde vom Magistrat zum Besten der Armen im Waschhause der Knaben- Schule eine Speise- Anstalt eingerichtet und am 19ten des Monats eröffnet. Daselbst wird täglich Mittags den nicht ganz Unbemittelten für 1 Sgr. 3 Dinarium und den ganz Armen unentgeldlich ¼ Pfund Rindfleisch und ein Quart Gemüse verabreicht. Zur Gründung dieser Anstalt hat ein edler Menschenfreund ein Kapital von 200 Rtl. auf zehn Jahre zinsfrei vorgeschoßen; ferner hat die Gesellschaft „Harmonie“ kürzlich für dieselbe bey einem Ball und Abendessen eine Collecte von 11 Rtl. 6 Sgr. ausgebracht, auch haben mehrere Wohlthäter kleinere Beiträge an Geld und Lebensmitteln eingesendet, so daß bey weiterer Unterstützung die Anstalt den Winter über hoffentlich wird bestehen können.

Der Herbst war mit Ausnahme einiger Regentage angenehm und milde; der Stand der Wintersaaten außerordentlich schön. Zu Anfang des December trat aber der Winter bey vorherrschendem Ostwind mit vielem Schnee und strenger Kälte ein; (Thermom. – 10 – 15 Reaum. Früh 7Uhr Barom.28,4 – 8) dies dauerte mit Ausnahme des 16ten und 17ten, wo wir Thauwetter hatten, vom 3ten bis zum 24ten; am letzteren Tage trat wieder Thauwetter ein, und von da an war die Witterung bey anhaltenden Südwind bis zum Ende des Monats ungewöhnlich milde und schön. Dieser schroffe Witterungswechsel ward alten Personen verderblich, sonst war der Gesundheitszustand befriedigend und die Sterblichkeit gering. Die Theuerung, diese große Calamität, bestehet leider! noch immer fort, doch ist unserm Vaterlande durch Gottes Gnade und Weisheit unsres Königs der durch den orientalischen Krieg so stark bedrohte Frieden auch in diesem Jahre erhalten worden.

Im October kauften das Bürger- Hospital von der verwittweten Gastwirth Barth 2 ½ Hufen in Werbener Mark für 12000 Rtl.


1856

Der Winter war im ganzen Verlauf der drei ersten Monate dieses Jahres mit Ausnahme des 3ten, 4ten und 5ten Februars außerordentlich milde und gelind; als eine ungewöhnliche, ohne Zweifel damit zusammen hängende, Erscheinung verdient noch angeführt zu werden, daß am 28ten Januar Nachmittags um 3 Uhr ein starker Zug wilder Gänse in der Höhe von Westen nach Osten zog. Vom 13ten bis zum 21ten März wehete ein empfindlicher, schneidender Ostwind, welcher Katarrhe und einige Fälle von Brustentzündungen zur folge hatte; außerdem war der Gesundheitszustand befriedigend. Zur Unterstützung der Armen sind in diesem Winter bey der Armen- Deputation folgende Geschenke eingegangen und vertheilt worden:   20 Rtl. vom Herrn Grafen von Hohenthal in Döbernitz, 1 Rtl.25Sgr. von der Gesellschaft „Glocke“, 5 Rtl.von C. in Cletzen für Arme; welche ihre Kinder nicht betteln gehen laßen, 6 Fuder Braunkohle vom Amtmann Hertzsch in Schenkenberg, ferner für die Speise, und die seit Anfang dieses Jahres mit derselben verbundendene Suppen Anstalt 55Rtl. von der gesellschaft „Eintracht“, 5Rtl. vom Bürger- Verein, 3 Rtl. 20 Sgr. von der Liedertafel, 5 Rtl. 9 Sgr. von mehreren Gästen im eisernen Kreuz, 12 große Scheffel Kartoffeln vom Amtmann Donner in Döbernitz, 6 dergleichen von N.N., 2 dergleichen vom Aßeßor Tiemann, 6 Berliner Scheffel Erbsen von N.N., 1 dergleichen vom Oeconom W.Kuehne, und 2 Rtl. von N.N. Auch erhielt die Armenkaße 12 Rtl. vom ökonomischen Verein des Delitzscher und Bitterfelder Kreises. Die Speise- Anstalt gieng zu Ende des Februar, und die Suppen- Anstalt im März wieder ein.

Die Gebrüder Werner sind wegen des im vorigen Jahre verübten Einbruchs und Diebstahls in der öffentlichen Sitzung des Schwurgerichts zu Halle am 12ten Februar vom Gerichtshofe verurtheilt worden, und zwar der Wilhelm Werner zu zehn Jahren Zuchthausstrafe, und der August Werner zu zwey und ein halb Jahren Zuchthausstrafe. In der Nacht des 27ten Maerz halb 12 Uhr brannte die früher Röthelsche, jetzt dem Müller Kirchhof gehörige Windmühle in einer Stunde ganz nieder; es war Windstille; die Entstehung blieb unbekannt; der Besitzer war verreist.

Wegen des durch den zu Paris am 30ten März abgeschloßenen Frieden beendigten orientalischen Krieges wurde auf Befehl des Königs am Sonntage Escandi ???den 4ten Mai ein Dankfest mit Absingung des „Herr Gott, Dich loben wir“ dafür abgehalten, daß Gott unser Vaterland vor den Leiden und Drangsalen des Krieges gnädig bewahrt hat.

In unsrer Sparkaße, deren Localität im vorigen Jahre wegen des oft großen Verkehrs durch Hinzufügung eines zweiten Zimmers sehr zweckmäßig erweitert wurde, betrug seit der Zeit ihres Bestehens vom 1ten October 1848 bis zum 31ten December 1855 die Summe sämmtlicher Einlagen 870463 Rtl. und der reserve- Fond 11325 Rtl.128 Sgr. 5 Dinarium , und der ganze Geldverkehr im vorigen Jahre allein gewiß bedeutende Summe von 531608 Rtl 12 Sgr. 6 Dinarium.

Der Kreisgerichts- Direktor von Nostitz ist den 1ten April von hier in gleicher Eigenschaft nach Merseburg versetzt worden. An seine Stelle trat der bisherige Kreisgerichts- Rath von Muehler, ein Sohn des früheren Justiz-Ministers, welcher am 2ten Junius feierlich in sein neues Amt eingesetzt ward. Bisher war derselbe beym Kreisgericht in Spandau angestellt.

Am 18ten Maerz fand in der kleinen Spröde ein Waldbrand statt, welcher zwey Morgen junge Kiefernwaldung zerstörte; die Entstehung blieb unbekannt.

Die Witterung dieses Frühjahrs war sehr veränderlich, wir hatten mehr trübe und kühle, als schöne und helle Tage; bey eintretender Hitze, besonders im Junius, bildeten sich schnell Gewitter mit starker Entladung; dies war vorzüglich am 17ten und 28ten des Monats (bei Thermom. + 32 Reaum. Nachmittag 2 Uhr in der Sonne) der Fall, am letztgenannten Tage tobte Abends um 6Uhr ein heftiger Gewittersturm. In folge dieser öfteren Gewitter und auch mehrmaliger Landregen war die Fruchtbarkeit außerordentlich groß und der Stand der Feldfrüchte vorzüglich schön. Die Heuerndte ist sehr gut ausgefallen und trotz einiger Verspätung durch naße Witterung noch glücklich eingebracht worden. Westwind war vorherrschend, der Gesundheitszustand im Ganzen befriedigend und die Sterblichkeit gering; nur alte, am asthma humidum erkrankte Personen, und Lungenschwindsüchtige litten in folge des schroffen Witterungswechsels sehr, von letzteren starb auch eine verhältnißmäßig nicht unbedeutende Zahl. Ein- und dreitägige Wechselfieber kamen ebenfalls zur Behandlung.

Im December vorigen Jahres ward von der regierung beschloßen das hiesige Königliche Schloß, welches dem Staate bisher allerdings wenig Nutzen brachte, zu einem Zuchthause für 500 weibliche Sträflinge einzurichten. Zu diesem Zwecke trafen am 26ten Maerz 32 Sträflinge aus Lichtenburg hier ein; es waren größten Theils Maurer und Zimmerleute. Der Bau wurde sogleich mit der Einrichtung der Arbeitssäle im obern Stock des Schloßes und dem Abbruch des großen östlichen Flügels des alten Kornhauses begonnen. Als man damit fertig war, wurden von Lichtenburg noch 46 Züchtlinge in der Mitte des Junius hierher geschickt, und am 10ten Julius Vormittags um 10 Uhr der Grundstein( eine längliche Sandsteinquader mit der Jahreszahl 1856) zu dem großen Gebäude, welches die Kirche, die Wohnungen der Beamten und Isolirzellen enthalten soll, unter angemeßener Feierlichkeit gelegt. Dieselbe begann und endete mit dem Gesang eines Liedes, und der Superintendent Foerster hielt die Weihrede, nach welcher derselbe mit dem den bau leitenden Beamten Gericke in den 12 Fuß tiefen Grund hinab stieg, und mit diesem die drei üblichen Hammerschläge that.

An die Stelle des seines Amtes entsetzten (vid.pag.249) Landraths von Pfannenberg ward von den Kreisständen am 4ten Februar der Regierungs- Aßeßor von Rauchhaupt von Queis bey Landsberg gebürtig, bisher bey der Regierung in Liegnitz angestellt, und seit dem September vorigen Jahres Verweser des hiesigen Landraths- Amtes zum Landrath des Delitzscher Kreises erwählt, und durch den König durch Cabinetsorder d.d.Berlin den 4ten Junius bestätigt. Der Kaufmann Carl Friedrich Mulertt seit zwanzig Jahren hier am Markte wohnhaft, war seit einem Jahre wegen Betrugs, Wuchers, Unterschlagung und gewerbsmäßigen Hazardspiels bey dem Königl. Kreisgericht in Untersuchung. In den am 2ten und 3ten Julius gehaltenen öffentlichen Sitzungen dieser Behörde ward diese Sache untersucht und verhandelt; die Vorlesung der umfangreichen, einige neunzig Punkte enthaltenden, Anklageacte dauerte über zwey Stunden; die in den Händen der Behörde befindlichen Geschäftsbücher und das Spielbuch des pp.Mulertt bewiesen deßen Schuld, letzterem zufolge hatte derselbe in den Jahren 1847 bis 1853 im Spiel 10239 Rtl. gewonnen. Hierauf ward am 10ten Julius das Urteil des Königl. Kreisgerichts publicirt und der pp. Mulertt wegen Betrugs, Wuchers und gewerbsmäßigen Hazardspiels zu twey Jahren Gefängniß, 4000 Rtl. Geldstrafe, Tragung der Gerichtskosten und einem Jahr Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurtheilt. Zu bemerken ist noch, daß der pp. Mulertt in diesem Frühjahr von hier nach Halle gezogen ist, und daß derselbe nach seinem eignen Geständniß sein Geschäft hier mit nur 150 Rtl. angefangen, und bis jetzt ein Vermögen von 18 – 20000 Rtl. erworben hat.

Am 23ten Julius früh um 5 Uhr starb plötzlich vom Schlage getroffen im 72ten Lebensjahre auf seinem Rittergute Döbernitz der Herr Graf Peter Carl von Hohenthal, Königl.Sächsischer Kreishauptmann a.D., Ritter mehrerer Orden, Vorsitzender der Delitzscher Bibelgesellschaft, ein zwar unsrer Gemeinde nicht angehörender, aber unsrer Stadt vielfach befreundeter und nahestehender Mann, ausgezeichnet durch große Herzensgüte und wahrhaft christlich- religiösen Sinn, seit einer langen Reihe von Jahren der größte Wohlthäter unsrer Armen. In dankbarer Anerkennung solcher Verdienste hatten sich denn auch der Magistrat und die Stadtverordneten zu seinem feierlichen, am 26ten Julius Nachmittags um 4 Uhr statt findenden, Leichenbegängniß zur Theilnahme und Erweisung der letzten Ehre nach Döbernitz begeben. Das schönste Wetter begünstigte diese Trauer- Feierlichkeit, zu welcher sich außerdem eine große Menge Menschen aller Stände aus Delitzsch und der Umgebung eingefunden hatte.

Am 3ten August hielt die hiesige Schützen- Gilde ein Schützenfest, zu welchem Abtheilungen der Schützen – Gilden von Eilenburg, Düben und Brehna früh um 7 Uhr hier eintrafen, und Nachmittags ein Scheiben – Schießen hatten.

Am 1ten Julius wurde das hiesige Königl.Rentamt, nachdem bereits seit acht Jahren alle Natural- Lieferungen abgelöst und in baares Geld verwandelt worden sind, aufgehoben und mit der Königl. Forst- Kaße in Bitterfeld verbunden.

Die der Commun gehörigen Kirschalleen sind in diesem Jahre für die Summe von 364 Rtl. 20 Sgr. und die Pflaumen – Plantagen für die Summe 129 Rtl. 5 Sgr. verpachtet worden.

In der Nacht vom 11ten zum 12ten Mai, vom ersten zum zweiten Pfingstfeiertage, ward in dem neuen Wirthschaftsgebäude des hiesigen Commungutes ein Diebstahl verübt; der Maurermeister Meie hatte daselbst einen zwei Treppen hoch befindlichen Kornboden gemiethet und auf demselben Getreide aufgeschüttet; die Diebe waren mittelst einer aus der Grünstraße herbey geholten Feuerleiter vom Gottesacker aus durch eine erbrochene Dachluke in diesen Boden eingestiegen, und hatten dem pp.Meie ohngefähr 9 Berliner Scheffel Korn gestohlen. Durch die Thätigkeit unserer Polizey- Beamten wurden die Diebe schon den anderer Tag in den Personen der Handarbeiter Gottlieb Wilhelm Sander, Carl Conrad und Friedrich Wilhelm Conrad entdeckt, sogleich verhaftet, und bald nachher nach Halle abgeliefert. In der öffentlichen Sitzung des dortigen Schwurgerichts am 14ten Junius wurden dieselben und zwar der erste zu 2 Jahr, 3 Monate Zuchthaus und 3 Jahr Polizey- Aufsicht, der zweite zu 2 Jahr, 6 Monat Zuchthaus und 3 Jahr Polizey- Aufsicht, und der dritte zu 2 Jahr Zuchthaus und 2 Jahr Polizey Aufsicht verurtheilt.

Im Monat August wurde die breite Straße vom Markte an bis an die Stadt-Kirche von da an noch ein kleines Stück bis ziemlich an die Post, und zwar die Fahrbahn mit länglich viereckigen Bruchsteinen, welche noch von der Pflasterung der Leipziger Straße vor zwey Jahren übrig geblieben waren, neu gepflastert, auch an der Ecke von des Bäckermeister Ruehls Hause nach der Kirche herüber eine neue Schleuße von eichenen Bohlen angelegt. Die Kosten betragen 170 Rtl. Am 31ten August hat unser Herr Superintendent Foerster, welcher vom Consistorio als Pastor nach Langenweddingen, eine sehr einträgliche Pfarrstelle bey Magdeburg, berufen worden ist, bey überfüllter Kirche seine Abschiedspredigt gehalten(am 15ten post Trinitat.). Am folgenden Tage, den 1ten September, war ihm zu Ehren von den Gesellschaften „Harmonie, Eintracht und Bürgerverein“ Mittags im Saale des Gasthofes zum Schwan ein Abschieds- Festmahl veranstaltet worden, welches sehr zahlreich besucht war, und wobey demselben von den sämmtlichen Geistlichen und Candidaten der Delitzscher Ephorie eine sehr schöne, werthvolle Fruchtschaale von geschliffenem Glas mit maßiv silbernem Gestell überreicht ward. Die Lehrer der Diöces hatten ihm schon acht Tage vorher eine geschmackvolle Stutzuhr zum Andenken verehrt. Am 5ten September früh um 9Uhr hat er unsre Stadt verlasßen; er war ein vorzüglicher Kanzelredner und ein Mann von gründlicher wißenschaftlicher Bildung, im Amte treu.

Nachdem die Witterung bis zum 14ten Julius trübe, kühl und unfreundlich gewesen war, trat von diesem Tage an das schönste Wetter ein, und hielt mit Ausnahme weniger Tage, an welchen wir Gewitter und Landregen hatten, bis zum 1ten September an, welcher Monat aber, trotzdem, daß der Aegidius- Tag sehr schön war, dieser alten Regel zuwider doch fast durchgängig trüber, rauher mitunter sogar stürmisches Wetter brachte, die Getreideerndte, ist Gott sey Dank! In allen Arten und jeder Hinsicht in Quantität und Qualität ausgezeichnet gewesen; daßelbe gilt auch von der Kartoffelerndte; in folge davon sind nun auch die Preise der Feldfrüchte gefallen, blos Weitzen und Gerste sind wegen starker Abfuhr nach England, besonders im Verhältniß zum Roggen, noch theuer. Der große Scheffel Weitzen kostet jetzt zu Michäelis 7 Rtl.10 Sgr. Roggen 4Rtl. 15 Sgr.Gerste 3Rtl. 20 Sgr. Hafer 2 Rtl. und Kartoffeln 1 Rtl. Die Grummterndte ist dürftig ausgefallen, doch hat dies, da schöne Futterkräuter gewachsen sind, nichts zu bedeuten; desgleichen ist auch die Obsterndte gering ausgefallen, weshalb denn auch natürlich sämmtliche Obstsorten mit alleiniger Ausnahme der Nüße, welche sehr gut gerathen sind, hoch im Preise stehn; der große Scheffel Pflaumen kostet 3 Rtl. 10 Sgr. bis 4 Rtl. das Schock Aepfel 20 Sgr. Butter, Eyer und Oel sind ebenfalls noch theuer, von ersterer gilt die Kanne 20 Sgr., das Schock Eyer 24 Sgr. das Quart Oel 13Sgr In Bezug auf die Witterung ist noch zu bemerken, daß die Hitze in der zweiten Hälfte des Julius und im ganzen August sehr groß war, und das Thermom. öfters in den Nachmittagsstunden in der Sonne +36 – 40 Reaum.zeigte. Seit der Mitte ses September wurden auch sehr viele Feldmäuse sichtbar.

In diesem Jahr sind, mit Ausnahme des bereits erwähnten Zuchthausbaues im Königl. Schloße (vid.pag.258) und der nothwendigsten Gebäude zu dem im Rosenthal auf Kosten der Commun angelegten Braunkohlewerke, wegen der noch fortbestandenen Theureung aller Lebensbedürfniße keine neuen Baue ausgeführt, blos einige Häuser untermauert und reparirt worden. Auch hat der Müller Kirchhof seine neue bereits seit dem Sommer vorigen Jahres in allen ihren Theilen fertige und vollendetet Windmühle mit zwey Gängen, welche seit dieser Zeit in der Nähe seiner alten, im März dieses Jahres abgebrannten (vid.pag.255), im Freien lag, auf einem von der verwittweten Frau Gastwith Barth erkauften, am Wege nach Döbernitz gelegenen Feldstück zu Anfang des November aufgerichtet; der Grund dieser langen Verzögerung lag in den Klagen und Protestationen der hiesigen Müller- Innung gegen diesen Bau, welche zuletzt aber von der Königl. Regierung in Merseburg abgewiesen wurden.

Wenige Tage nach dem Tode seines Vaters (vid.pag.260) übersendete der Herr Graf Alfred von Hohenthal in Döbernitz aus Dankbarkeit für die dem selig Vollendeten von den städtischen Behörden erwiesene letzte Ehre dem Magistrat 50 Rtl. als Geschenk für die Armenkaße zur beliebigen Verwendung.

Den 21ten December, den vierten Advents – Sonntage, hielt der vom Königl. Consistorio zu Magdeburg hierher berufene Herr Superintendent Weinrich aus Lützen in unserer Stadtkirche mit getheiltem Beifall seine Probepredigt, und hat bey der nachher vom Superint. M.Taenzer erfolgten Anfrage Niemand etwas gegen Weinrichs Lehre und Wandel eingewendet. Am 24ten December starb in Hohenleine bey seinem Sohne, dem dortigen Pastor, der Rector emerit. Friedrich Wilhelm Ahner, 87 Jahre alt.

Am 25ten December Vormittags halb elf Uhr starb nach zweymonatlichem Krankenlager an einer auszehrenden Unterleibs- Krankheit der praktische Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer Herr Dr. med. Heinrich Oswald Gerber im 29ten Lebensjahre; er war ein sehr bescheidener, liebenswürdiger, moralisch guter und kenntnißreicher junger Arzt, deßen frühzeitiger Tod um so mehr als ein wahrer Verlust für die Stadt und Umgegend zu beklagen ist, als derselbe bey seinem regen Eifer und lebhaften Intereße für die Wißenschaft zu schönen Hoffnungen für die Zukunft berechtigte. Bey deinem feierlichen und sehr zahlreichen Leichenbegängniß am 28ten December Nachmittags um 3 Uhr zeigte sich durch die allgemeinste Theilnahme unverkennbar die Liebe und Achtung, welche der selig Vollendete in einer kurzen Amtswirksamkeit von noch nicht ganz vier Jahren sich erworben hatte.

Nach Beendigung der Bohrversuche nach Ende des vorigen Jahres (vid.pag.251) wurde auf den Antrieb des Herrn Bürgermeister Hagedorn, welcher die Seele und der Leiter des ganzen Unternehmens ist, vom Magistrat und den Stadtverordneten beschloßen ein Braunkohlenwerk anzulegen; die Letzteren bewilligten hierzu ein Kapital von 10000Rtl., welches die Commun bisher in Pfandbriefen besaß und später noch 8000 Rtl. Da die sehr milde Witterung dieses Winters es erlaubte, so wurden gleich zu Anfang dieses Jahres im Rosenthal am Ende des Kertitzer Kirchwegs links ganz in der Nähe des anzulegenden Schachtlochs die nöthigen Gebäude, ein Kesselhaus, eine Maschinenstube, eine Wohnung für den Steiger nebst einigen andern kleinern Baulichkeiten und eine große 90 Fuß hohe Dampfeße ausgeführt. Sodann wurde aus der Gräflich Stollbergschen Maschinenfabrik in Magdeburg für den Preis von 7000 Rtl.eine Dampfmaschine von 20 Pferde Kraft angekauft, welche im April hier ankam, aufgestellt und den 25ten Mai in Betrieb gesetzt ward, und das Waßer sehr bald bewältigte; das letztere ließ der jetzige Besitzer der Froschmühle Werner durch eine auf seine Kosten für 500 Rtl. angelegte Waßerleitung auf seine, jetzt rückschlägige Mühle leiten.

Im Kohlewerke selbst hatte die Arbeit, welche Tag und Nacht von den Bergleuten fortgesetzt ward, glücklichen Fortgang, und sehr groß war die Freude, als am 14ten August Nachmittags um 3 Uhr unter einer Thonschicht von 46 Fuß und einer Tiefe von 70 Fuß das Kohlenlager, deßen Maße sehr gut ist, erreicht ward. Leider sollte diese Freude aber nur von kurzer Dauer seyn, denn nachdem die Arbeiter das 20 Fuß starke Lager durchbohrt hatten, da brach plötzlich in der Nacht zum 29ten August eine furchtbare Waßerfluth von Osten in den Schacht herein, welche die Dampfmaschine mit zwey Pumpen nicht mehr bewältigen konnte, und welcher bald nachher am 11ten September der Einsturz des oberen Theils des Schachtes folgte. Die Mittel zur Fortsetzung des Baues waren aber nun erschöpft, und es handelte sich jetzt darum, ob man das Werk im Ganzen verkaufen, was man zu dieser Zeit noch nicht mit sicherm Gewinn für die Commun thun konnte, oder fortsetzen wollte. Der Magistrat und die Stadtverordneten entschieden sich für das Letztere, und es wurden in der Sitzung derselben am 16ten September zu diesem Zweck von neuem 7000 Rtl. bewilligt.

Zuvörderst mußte nun ein neuer Schacht, 70 Fuß von dem alten enrfernt angelegt werden; die seit dem 11ten September eingestellte Arbeit mit der Dampfmaschine konnte erst am 2ten October wieder beginnen. Am 2ten November war leider abermals Waßernoth im neuen Schacht bey 46 Fuß Tiefe, was eine nochmalige Einstellung der Arbeit bis zum 18ten November, an welchem Tage dieselbe wieder mit zwey Pumpen begann, zur folge hatte.Um das noch immer hoch stehende Waßer im alten Schacht, welcher, so viel es sich thun ließ, reparirt ward, nach dem neuen abzuleiten, ward zu Anfang des December von diesem nach jenem ein Canal mit gutem Erfolg durchgetrieben.

So steht nun am Schluße dieses Jahres die Sache mit dem Bau und der Anlage des Kohlenwerkes; möge Gott seinen Segen, deßen wir alle bedürfen, zu dem einmal unternommenen Werke geben, damit es nach so manchen Unfällen doch endlich noch glücklich ausgeführt, und für unsre Commun bald eine recht gewinnreiche Erwerbsquelle werden möge; dies kann und muß jeder aufrichtige Freund seiner Vaterstadt nach so bedeutenden von der Commun gebrachten Opfern in wahren Intereße derselben nur von Herzen wünschen. Die Witterung des Herbstes war im October sehr schön; im November dagegen wie gewöhnlich, trübe, kühl und neblig, es regnete und schneiete öfters, und in den letzten Tagen dieses Monats trat Frost ein, welcher aber nur wenige Tage anhielt; am 25ten tobte ein heftiger Schneesturm, und am 30ten war Abends von 5 – 7 Uhr ein sehr dichter, stinkender Nebel. Der December brachte ebenfalls trübes, naßkaltes Wetter, wenig Frost und viel Schnee, welcher aber nicht liegen blieb; der Barometerstand war am 16ten (Barom.28,6.) der niedrigste am 26ten (26,9.). Was die Richtung des Windes betrifft, so war größten Theils Westwind und nächst diesem Süd – Westwind vorherrschend. Durch den vielen Regen und schmelzenden Schnee waren die Feldmäuse noch vor dem Ende des Jahres vertilgt. Auf den Gesundheitszustand wirkte die anhaltend naßkalte und schlaffe Witterung nachtheilig ein; in folge davon kamen katarrhalische und rheumatische Fieber, selbst gastrisch nervöse mit bisweilen tödlichem Ausgange, und bey älteren Personen schnell tödende Schlagflüße zur Behandlung; in der städtischen Kranken- Anstalt ward ein Fall von modificirten Menschenpocken(Variolouden) mit sehr starkem Ausbruch und glücklichem Verlauf behandelt. Die Sterblichkeit war im ganzen Jahre sehr gering, denn es sind in demselben in der Parochie Delitzsch nur 128 verstorben. Die städtische, im Jahre 1849 im Seitengebäude des Rathhauses in zwey Zimmern mit vier Betten gegründete Kranken-Anstalt, ward in den beyden letzten Jahren auf sieben Betten in drei Zimmern erweitert, wovon eins blos für krätzige und venerische Kranke benutzt wird; auch wurden die noch fehlenden Möbeln und Utensilien und eine sehr schöne Badewanne von Zink angeschafft.