Handschriftliche Chronik von 1816-1952 - 1851-1852

Beitragsseiten

1851

Von der Stadtverordneten Versammlung wurde dem Tector Barthel eine Gehalts Zulage von 50 Thalern auf so lange als sein Vorvorgänger der emeritirte Rector Ahner noch lebt, jährlich, bewilliget. Der zweite Mädchenlehrer Petermann erhielt eine Gratifikation von 20 Thalern.

Der Horndrechsler
Pabst in der Kohlgasse kauft das Haus des + Hofrath Voigt in der greiten gasse und richtet die untere Etage für sein Handels u Fabrikgeschäft ein.

Der Assessor
Tiemann kauft in der Subhastation das Haus der Wittwe Gelpke am breiten Thore. Er verkauft es wieder an den Färbermeister Dittmar vor den breiten Thore und dieser verkauft das seinige theils an den Gastwirth Merkwitz im eisernen Kreutze, welcher daselbst noch Stallungen für seinen Gasthof anlegt, theils an den Drechsler Boost, nämlich an diesen das Wohnhaus an jenen das Stallgebäude.

Der Ass. Tiemann
verkauft die Hälfte seines Zwingers an den Zimmergesellen Zeising für 600 Thaler dieser will Wohnhäuser darin anlegen.

Der Zeugschmidt
Ziegler in der Halleschen Gasse, Besitzer des sonst Sparwaldschen Hauses, bauet ein neues Stattgebäude.

In dem Gesellschen Hause an der Leipziger und Holzgassen Ecke etabliert sich ein neuer Kaufmann C W Lange.

Am 8ten Februar
starb der gewesene Magistrats Ass. Kaufmann Karl August Schmidt im 44ten Lebensjahre und am 9ten März der Rentants Verweser Christian Fr. Zienert 51 Jahre alt.

Gemüthskranke
wurden in die Irren Anstalt bei Halle gebracht im November 1850 der hiesige Posthalter Lieutenant und Compagnieführer von Bünau. Im Monat Februar 1851 der Superintendent Parreidt aus Seyda, welcher sich krankheitshalber einige Zeit bei seiner Mutter hier aufgehalten hatte. Im Monat April 1851 die unverehelichte Wilhelmine Beyer von hier. Letztere ist geheilt.

Der Justizrath
Schulze hat schon im vorigen Jahre seinen Zwinger an den nunmehr verstorbenen Assessor Kfm. Schmidt verkauft.

Die Kränklichkeit des Registrators Richter hatte zu Ende des vorigen Jahres so sehr zugenommen, daß er sich zu Anfange dieses Jahres genöthiget sah, um seine Entlassung und Pensionirung anzutragen. Dieses wurde genehmigt, und der pp. Richter vom 1 April 1851 ab mit 244 Thalern 26 Silbergroschen 3 Pfennige jährlich pensionirt. Die ihm abgelegenen Geschäfte namentlich das Kassenwesen wurde von der Stelle abgenommen, und als Richters Nachfolger in der Person des bisherigen Feldwebels Renicke ein Stadt Secretär mit 250 Thalern Gehalt jährlich angestellt.

Doctor Gerber
Der Magistrats Assessor Pabst welcher am 1 Januar 1850 in das Collegium eingetreten war, hatte noch im Laufe desselben Jahres um seine Wieder-Entlassung gebeten. Um seine Stelle wieder zu ersetzen wurden von der Stadtverordneten Versammlung verschiedene Wahlen vorgenommen. Es wurden nämlich nacheinander gewählt der Kaufmann Mulertt Sen. der Kaufmann Sander und der Dr. Gerber. Die beiden ersten Wahlen wurden von der Regierung nicht bestätiget. Die letzte aber erhielt Bestätigung und es wurde demnach am 13ten Mai 1851 der Doctor Gerber als unbesoldeter Magistrats Assessor verpflichtet und eingeführt. Die Handlung wurde von dem Mag. Assessor Catholy vorgenommen weil der Bürgermeister Hagedorn krank darnieder lag.

Hofmann
Dem Lehrer Hofmann von der gemischten Elementar Schule wurde vom 1 Mai 1851 ab eine Gehalts Erhöhung von 25 Thalern jährlich bewilliget, und ihm verstattet seine Dienstwohnung zu vermiethen.

Krause
Der Tischlermeister Krause in der Rittergasse bauet in seinem Garten am Hause einen neuen Schuppen um ihn mit bei seinem Gasthofe (goldener Adler) in der Halleschen Gasse zu benutzen. Der Kreisphysicus Dr. Gerold legte am 1ten April 1851 sein Amt nieder, und gehet am 2 Juni 1851 von hier fort, angeblich nach Berlin.

Schützen Gesellschaft
schaffte sich zum Pfingstschießen ein großes Zelt 100 Thaler Werth an zum Aufenthalt für das besuchende Publikum. Auch wurden die Würfelbuden auf der rechten Seite des Schießgrabens auf dem Schießplatze aufgestellt.

Einkommensteuer
Vom 1 Juli 1851 ab wurde eine neue Einkommensteuer und Klassensteuer eingeführt in Folge des Gesetzes vom 1 Mai 1851 und wurden dabei als Deputirte Behufs der diesfallsigen Abschätzung Seiten der Stadtverordneten Versammlung gewählt Kfm. Dittmar Seilermeister August Teubner Sen. Agent Sattler Kfm Mulertt Sen. Schlossermeister Eickel und Mützenmacher Podehl.

Kirchen Gemeinde Ordnung
Die erwähnte neue Kirchen Gemeinde Ordnung konnte in der Parochie Delitzsch nicht ins Leben treten, weil der Magistrat als Kirchen Patron dagegen war. In dem hiesigen Nachrichtsblatte erschienen dieserhalb verschiedene Aufsätze sowohl von dem Superintendenten, als von dem Magistrate, und die Sache blieb liegen.

Die Obst Verpachtungen
auf den Commun Pflanzungen hatten gewährt, im Jahre 1850 für die Kirschen 5 Thaler 15 Silbergroschen für die Pflaumen 168 Thaler und im Jahre 1851 für die Kirschen 191 Thaler 15 Silbergroschen für die Pflaumen 7 Thaler. Der Beutlermeister Karl Teubner in der Kohlgasse bauete einen neuen Schuppen in Elzners Garten in der Kohlgasse, und hat den Platz dazu circa für 106 Thaler von dem pp. Elzner gekauft.

Der erwähnte Kreis Gerichts Director von Stelzer wurde vom 1 Juli 1851 ab in gleicher Eigenschaft nach Wittenberg versetzt und in dessen Stelle trat der bisherige Kreis Gerichtsrath von Nohtitz aus Erfurt.

Oel Lieferung
Die Oel Lieferung für die Straßen Laternen für nächsten Winter wurde an die beiden Seilermeister Teubner Sen. und Braungart der Centner zu 12 Thaler 10 Silbergroschen verdungen. Laut Nachricht in dem Halleschen Courier war die Oellieferung in Halle zu demselben Zwecke für 11 Thaler 2 Silbergroschen pr Centner verdungen worden.

Feuerlärm
Am 21 August 1851 Abends ¾ 10 Uhr entstand Feuerlärm. Es brannten ab ein mit Stroh gedeckter Schuppen dem Schneidermeister Haase und dem Windmüller Thormann gehörig und die nahe dabeistehende Ziegeldach Scheune des Acronomen Wilhelm Kühne. Gänzliche Windstille kam bei diesem Unglücke zu statten. Die Entstehung blieb unermittelt.

Von den Delitzscher Einwohnern war die Frau Hofräthin Voigt die einzige welche, im Monat Juli nach London gereiset um die Kunst-Ausstellung im Glas Palaste zu sehen.

Kreissteuer Einnehmer
Zu Anfange des Monats September wurde die Stelle des durch den Tod des Hofraths Voigt erledigten Kreissteuer Einnehmers, in der Person des Hauptmann Klein aus Merseburg wieder besetzt. Die interimistische Verwaltung derselben war bis dahin durch den Lieutenant a. D. von Laher besorgt worden.

Fleischermeister
Der der freien Gemeinde angehörige hiesige Fleischermeister Pörschmann Senior verkaufte sein Haus auf dem Steinwege an den Fleischermeister Vöckel und ging zu Anfange September, mit mehreren Angehörigen nach Amerika. Die Frau aber blieb zurück.

Abschießen
Die hiesige Schützen Gesellschaft hielt am 11 u 12ten Septbr ihr Abschießen zwei Tage hintereinander, während daß früher nur ein Tag dazu verwendet wurde.

Gesundheitszustand
Ueber den Gesundheitszustand dieses Jahres ist zu bemerken, daß derselbe trotz des sehr ungünstigen Witterungslaufes und öftern schnellen Temperaturwechsels äußerst befriedigend und die Sterblichkeit, besonders unter den Erwachsenen sehr gering war. Bloß im Januar, Februar und December war die Zahl der Kranken etwas größer. Im October noch mehr aber im December hatten wir bey hohem Barometerstand (28,5) dichte Nebel.


1852

Tod des Bürgermeisters Securius
Am 5ten Januar früh kurz vor 9 Uhr ist der pensionirte Bürgermeister Herr Johann Carl Securius mit Tode abgegangen. Derselbe war geboren zu Querfurth den 23ten November 1788; sein Vater, Auditeur daselbst später Justiz-Amtmann in Annaburg, brachte ihn 1801 auf die berühmte Landesschule zu Pforte; er verließ dieselbe zu Ostern 1807 und studierte von da an bis 1810 Jura auf der Universität Wittenberg, arbeitete nachher als angehender Jurist beym Hofgericht, alsdann während der Kriegsjahre bey der Kreisdeputation daselbst, und 1815 und 1816 in Herzberg im Büreau des damaligen Landraths, später Königl. Sächs. Finanz-Minister v. Zetschau. Auf die Empfehlung dieses Mannes an unseren verstorbenen Herrn Landrath v. Pfannenberg ward er zu Ende des Jahres 1816 hierher in dessen Büreau versetzt, und bald nachher auf dessen Vorschlag, weil er in ihm einen tüchtigen und brauchbaren Arbeiter erkannte, als Kreissecretär definitiv angestellt. Nachdem er fünfzehn Jahre lang dieses Amt verwaltet hatte, wurde er bey Einführung der neuen Städteordnung zu Ende des Jahres 1831 von unserem damaligen Stadtverordneten einstimmig auf Lebenszeit mit 600 Thalern Gehalt als Bürgermeister erwählt. Auch war er Protokollführer beym Provinzial-Landtag und wohnte als solcher frei im Ständehause.

Bis zum Jahre 1840 erfreute er sich einer sehr rüstigen Gesundheit; von da an litt er aber an Unterleibsbeschwerden, besonders Leberleiden, wegen welcher sein damaliger Hausarzt ihn nach Töglitz schickte; der Erfolg entsprach leider den gehegte Erwartungen nicht, denn höchst elend kehrte er von dort zurück, er konnte sich nicht wieder völlig erholen, sein Organismus war in seinen Grundfesten erschüttert und zerrüttet, er hatte bis an sein Ende mit körperlichen Leiden und Siechthum zu kämpfen, und konnte nur durch strenge Diät und regelmäige Lebensweise sich so lange erhalten. Im Gefühle seiner zunehmenden Kränklichkeit und Schwäche suchte er 1849 im October um seine Entlastung von dem Amte des Mürgermeisters nach; sie ward ihm auf die ehrenvollste Weise und mit einer jährlichen Pension von 350 Thalern gewährt. Er legte dieses Amt am 2ten Januar 1850 öffentlich nieder; da er aber zu sehr an Thätigkeit gewöhnt war, so behielt er seine übrigen Aemter als Kreisständischer Rendant und Syndikus, Donatie Gelder-Einnehmer, Vorsitzender in der Prüfungs-Commission für Bauhandwerker, ferner Agenturen und Vormundschaften auf den ausdrücklichen Wunsch der Behörden bis an seinen Tod noch bey; auch führte er diese Stadt-Chronik ferner fort, und bat seinen vieljährigen Freund, den Schreiber dieser Zeilen (den Dr. Ideler) dereinst seinen Tod in dieselbe einzutragen, und sie dann sofort an den Magistrat abzugeben. Der Verewigte war in jeder Beziehung ein edler Mensch, ein trefflicher Gatte und Vater, ein treuer Freund, ein Christ in Wort und That, ein Mann von festem Charakter, ein pünktlicher und gewissenhafter Beamter und ein stiller Wohlthäter der Armen. Er hat achtzehn Jahre lang, besonders im städtischen Haushalte, zum größten Segen unserer Stadt gewirket. Um eine Gehaltszulage oder Gratifikation hat er niemals angesucht, weil er sehr einfach lebte.

Mit vollem Rechte konnte ihm daher die Königl. Regierung zu Merseburg bey seinem Abgange vor zwey Jahren das ehrenvolle Zeugnis geben: „Wir bedauern Ihren Abgang aufrichtig, in dem wir in Ihnen stets nur einen rechtschaffenen und pflichtgetreuen Beamten kennen gelernt haben.“
Seine Beerdigung am 8ten Januar Nachmittags um 3 Uhr war sehr feierlich, das Wetter sehr schön und milde; die Schützenkompagnie, deren Hauptmann er gewesen war, eröffnete den Zug, sämmtliche Behörden, die gesammte Geistlichkeit, viele Bürger, hiesige und auswärtige Freunde, so wie eine große Menschenmasse folgten seinem Sarge, alle waren von tiefster Rührung ergriffen, nicht die mindeste Störung fand statt. Herr Superintendent Foerster schilderte mit großer Beredtsamkeit in ergreifenden Worten das Bild und den Charakter des edlen Vollendeten; er wies uns darauf hin anzuschauen seinem Glauben, sein Lieben, sein Wirken, sein Dulden, sein Hoffen, sein Sterben. Die ganze Versammlung bewies durch ihre Haltung die herzlichste Theilnahme an dem traurigen Ereignisse und ihre aufrichtige, ungeheuchelte Liebe zu dem Verstorbenen, dessen Grabstätte sie mit tiefer Bewegung verließ. Friede seiner Asche und Segen seinem Andenken! Eine reiche Erndte wartet seiner im Lande der Vergeltung. Zur Steuer der Wahrheit, und um allen Schein von Parteilichkeit zu vermeiden, muß ich noch nachträglich erwähnen, daß man es dem verstorbenen Securius im Publikum hier und da übel ausgelegt hat, daß er im Jahre 1851 den Behörden sein Kapitalvermögen in Staatspapieren verschwigen hat, um nicht mit der Einkommensteuer belegt zu werden. Andere haben dies auch gethan, Hiacos muros intra peccatur et extra, paßt ganz hierher.

Tod des Actuarius Lehmann
Am 4ten Januar in der Nacht um halb zwölf Uhr starb der Patrimonial-Gerichts Actuarius Herr Johann Gottfried Lehmann. Derselbe war geboren zu Delitzsch, wo sein Vater Tuchmacher war, den 30ten Januar 1778; seine Bildung erhielt er auf der Thomasschule zu Leipzig in den Jahren 1791-1797, von da an studierte er auf der Universität daselbst erst zwey Jahre Theologie, nachher aber, als er dieses Studium wegen einer gefährlichen Brustkrankheit aufgeben mußte, drei Jahre Jura. Im Jahre 1801 ward er Famulus bey dem berühmten Juristen Haubold, und wohnte bis 1813 gleichsam als Glied der Familie in dessen Hause. Im Jahre 1813 sollte er durch Haubolds Vermittlung und Empfehlung als Bibliothekar der Königl. Bibliothek in Dresden an Dassdorfs Stelle angestellt werden; er schlug aber diese schöne, für ihn ganz passende Stelle, aus Liebe zur Vaterstadt aus. Er kehrte bald nach der Leipziger Schlacht im November 1813 in dieselbe zurück, um hier in der Expedition seines Jugendfreundes und Universitätsgenossen, des Justitiar Schulze, das Amt eines Actuarius zu übernehmen, welches er bis zur Aufhebung der Patrimonialgerichte im Jahre 1849 verwaltete. Es ist sehr zu bedauern, daß er in dieser untergeordneten Stellung, in diesem an sich ganz unbedeutenden Amte sein schönes .................... vergrub; denn er war ein Mann von vielseitiger wissenschaftlicher Bildung und gründlicher Gelehrsamkeit nicht bloß in der Jurisprudenz , sondern auch vorzüglich in der altklassischen griechischen und römischen Literatur; er besaß eine, besonders in diesen Zweigen der Wissenschaft, sehr reichhaltige ausgesuchte Bibliothek, neben seinen Berufsgeschäften studierte er fleißig und beschäftigte sich auch viel mit Erforschung des vaterländischen Alterthums, weshalb im Jahre 1840 der thüringisch-sächsische Alterthums-Verein zu Halle ihn honiris causa zu seinem correspondierenden Mitgliede ernannte.

Er hat mit außerordentlicher Mühe und vielem Fleiß eine sehr vollständige Chronik seiner Vaterstadt vom vierzehnten Jahrhundert an zum großen Theil aus alten Urkunden, welche niemand weiter, als er, entziffern konnte, zusammengestellt, wobey nur zu wünschen ist, daß dieses vortreffliche Werk für unsere Stadt nicht verloren geht; es ist in mehreren Foliobänden von seiner Hand sehr schön niedergeschrieben. Im Jahr 1829 gab er eine kleine Schrift „Geschichte der Kirche unserer lieben Frauen (Gottesackerkirche) in Delitzsch“ 368. und im Jahre 1839 eine andere zur Feier des fünfzigjährigen Doctor-Jubiläums des Dr. Ideler Sen. „Geschichte des Baues der Stadtkirche zu Delitzsch“ heraus. Beyde Schriften bekunden den gründlichen und scharfsinnigen Alterthumsforscher. Als Mensch war der Vollendete durchaus moralisch gut, edel und uneigennützig, man konnte in Wahrheit von ihm sagen „er hatte keinen Feind.“ Seinen wahren Werth wußten allerdings, zumal da er sich in den letzten zehn Jahren ganz von der Welt zurück gezogen und in sich abgeschlossen hatte, nur wenige gebührend zu schätzen, daher sein Tod, welcher an Altersschwäche erfolgte, die weitern Kreise nicht berührte; allein dem engern Zirkel seiner Freunde wird das Bild und Gedächtnis des Heimgegangenen, welcher sich durch Vorzüge des Geistes und Herzens auszeichnete, unvergeßlich bleiben. Have, pia anima! – Die Lehmannsche Chronik, von welcher ein Auszug bis zum Jahre 1701 kürzlich im Druck erschien, ist nunmehr mit allen ihren Sammlungen bis zum Jahre 1851 dem hiesigen Stadt-Archiv einverleibt worden.

Extrablatt
In der Sitzung des Thüringisch-Sächsischen Geschichts- und Alterthums-Vereins zu Halle am 5ten December 1871 gab der Referent Professor Herzberg eine Reihe von historischen und culturgeschichtlichen Mitteilungen über die Geschichte der Nachbarstadt Delitzsch. Zu Grunde gelegt war dabey die Chronik der Stadt Delitzsch von den ältesten Zeiten bis zum Anfange des 18ten Jahrhunderts, welche der Actuar Lehmann mit großem Fleiße vielem Takte aus den Urkunden zusammengestellt, nach dessen Tode aber der Kreisrichter Schulze im Jahre 1852 herausgegeben hat. Die nur wenig bekannte Schrift ist eine ganz vortreffliche Arbeit; ungemein reich an culturgeschichtlichen Nachrichten, giebt sie übrigens auch für die Hallesche Stadtgeschichte eine Reihe dankenswerther Ergänzungen, beziehentlich Erweiterungen und Bestätigungen der Angaben unserer eigenen Localchroniken. (Aus der Halleschen Zeitung.)

Das Grab des seligen Actuar Lehmann, welches sich nahe am östlichen Ende der Gottesacker-Kirche befindet, ist mit einem ganz einfachen viereckigen Denkstein bedeckt, auf welchem sein Name, Stand, Geburts- und Todestag verzeichnet sind. Darunter stehen noch folgende Worte: „Der Chronist unserer Stadt und dieser Stätten, seinen Freunden durch Wissen und Humanität unvergeßlich.“ Hierbey muß noch zur Berichtigung bemerkt werden, daß sein Geburtstag auf diesem Denkstein aus Versehen unrichtig angegeben worden ist, denn er war nicht den 4ten sondern den 30ten Januar 1778 geboren. Dieser Irrthum ist aber später berichtigt worden, indem der Herr Kreisrichter Schulze in Potsdam diesen Denkstein, der im Laufe von 22 Jahren durch die Witterung etwas gelitten hatte, im Mai 1873 auf seine Kosten durch den hiesigen Bildhauer Zwanzig wieder schön hat restaurieren lassen. Lehmanns schönstes unvergängliches Denkmal ist und bleibt seine der Vaterstadt Segen bringende Chronik.

Auf den Wunsch des Wohllöbl. Magistrats hat nunmehr der Unterzeichnete die Fortführung dieser Chronik sehr gern übernommen.
Dr. Ideler

Kreisphysikus Dr. Deutschbein
Am 6ten Januar 1852 ist der bisherige praktische Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer Dr. Deutschbein zu Herzberg als Physikus des Delitzscher Kreises im hiesigen Landraths-Amte verpflichtet worden.

Reparatur des Heiligbrunnens
Vom vorigen Jahre ist noch nachträglich zu bemerken, daß der Heiligbrunnen, welcher ganz verfallen war, mit einem Kostenaufwand von wenigstens 150 Thaler vollständig gefasst und neu aufgebaut worden ist. Die Quelle strömt jetzt aus einem fast zwey Zolle starken eisernen Rohre, und wirft, da nichts mehr verloren gehen kann, in der Minute neun bis zehn Eimer Wasser.

Bauinspektor Schoenwaldt
Am 18ten Januar hat der Bauinspektor Schoenwaldt den rothen Adler-Orden vierter Klasse bekommen.

Mädchenlehrer Petermann
Der zweite Mädchenlehrer Petermann hat vom Anfang dieses Jahres an eine jährliche Gehalts-Zulage von 60 Thalern erhalten.

Holzcollecte
Der Ertrag der Holzcollecte für die Armen in diesem Winter betrug 170 Thaler, wozu der Graf Hasenthal in Döbernitz 20 Thaler beygetragen hat.

Witterungsablauf
Der Winter war übrigens eben so wie der vorige sehr mild, am 1ten Februar Abends um 8 Uhr tobte ein furchtbarer Gewittersturm, wie Erdbeben, mit vielem Regen; (Barom. 27,4.); am 6ten ward in Folge des anhaltenden Regens das Wasser durch das Austreten des Lobers so groß, daß der acht Fuß hohe Damm an der Hospitalbrücke, welchen der Maurermeister Meie vor mehreren Jahren zum Schutz seiner Wiese aufgeführt hat, in der Nacht früh gegen 3 Uhr sprang und von der Fluth fast ganz zerstört und weggeschwemmt ward. In der Nacht vom 17ten zum 18ten wüthete abermals ein starker Orkan mit vielen Regen; das Wasser stieg am 18ten wieder zu einer bedeutenden Höhe. Barom. 27. Am 1.ten Maerz Nachmittags schneiete es sehr, und der 3.ten war, eben so wie im vorigen Jahr, der kälteste Tag des Winters, das Thermom. zeigte früh um 7 Uhr bey Süd-Wind – 10 Reaum., den 5 ten und 6.ten bey N.O.W.-8, das Baromom. stand am 6.ten auf 28,9.,den 9ten trat wieder mildes Wetter ein, den 11 ten und 21 ten und 24 ten hatten wir den ganzen Tag bey O.W.dichte Nebel, und am 31 ten Abends halb 6 Uhr entlud sich ein starkes Gewitter aus S.W. mit Graupeln, in der Gegend von Werbelin, Freirode, Radefeld und Hayna sogar mit Schloßen; das Therm. Stand Nachmittags 2 Uhr in der Sonne +25, das Barom. 27,8. Was die Krankheiten betrifft, so waren besonders die Grippe und Lungenentzündungen sehr häufig; In der zweiten Hälfte des Maerz und bis zum Juni trat das Scharlachfieber in vereinzelten, zum Theil nicht gutartigen Fällen auf; die Sterblichkeit war im Januar und März nicht unbedeutend.

Neubau einer Scheune
Neue Laternen Zu Anfang dieses Winters wurden auch die am Rathhause noch fehlenden zwey Laternen mit Armen von Gußeisen angeschafft; sie leuchten unter allen am schönsten. In der Mitte des März riß der Strumpffabrikant Arndt seine alte mit Stroh gedeckte Scheune in der Todtengasse weg, und baute dieselbe von Grund neu.

Mauereinsturz
Am 21.ten Maerz Nachmittags um 4 Uhr stürzte auf des Bäckermstr.Vogels Zwinger unmittelbar neben der Pforte ein Stück der Stadtmauer in der Länge von etwa 25 Fuß gänzlich ein; es ward wieder aufgebaut.

Diebstähle
In der Nacht vom 24.ten zum 25.ten Maerz wurden am Markte in den Häusern des Kaufmann Lindenhahn und des Buchbindermstr. Krause zwey höchst verwegene Diebstähle mittelst gewaltsamen Einbruchs verübt. Es waren Uhren, Gold und Silberzeug, Wäsche und Material-Waaren gestohlen worden; bey dem ersteren soll der Verlust ohngefähr 100 rtl., bey dem letzteren dagegen 200 rtl. betragen. Die Täter sind bis jetzt noch nicht entdeckt.(Vid.pag.237) In den späten Abendstunden des 12ten Maerz ward dem Kaufmann Duim ???? jun., welcher von einer mehrwöchentlichen Geschäftsreise über Halle im Personenwagen des Fuhrmann Scharf nach Delitzsch zurückkehrte, zwischen Brehna und Storkwitz sein Reisekoffer vom Wagen abgeschnitten. Einen Tag später fand man denselben früh Morgens unter dem Fenster des Polizeydieners in Brehna erbrochen, Wäsche und Kleidungsstücke ganz zerschnitten, die Geschäfts-und Kassenbücher aber, welche von den Dieben wahrscheinlich ganz vernichtet worden, und ein bedeutender Verlust für den Besitzer sind, konnte man nicht wieder auffinden. Die Thäter sind bis jetzt ebenfalls noch nicht entdeckt.

Auflösung der freien Gemeinde
Die freie Gemeinde, welche seither ihr elendes Daseyn ohnehin nur kümmerlich fristete, ist nunmehr so gut als aufgelöst zu betrachten, indem zu Anfang des April die Königl. Regierung zu Merseburg ein Befehl an das hiesige Königl.Landraths-Amt erging, in welchem verfügt ward, daß Uhlich und Sachse, sobald sie sich wieder hier in Delitzsch blicken laßen und Versammlungen halten, sogleich durch die Polizey zur Stadt hinaus gebracht werden sollen, und daß jedem Gastwirth, welcher dergleichen Versammlungen in seinem Local in Zukunft noch duldet, die Conceßion ohne Weiteres entzogen werden wird. Daß bey den freien Gemeinden, wie in jenem Befehle ganz richtig bemerkt ist, die Religion, das Heiligste, oft blos zum Deckmantel gemißbraucht wird, und unter diesem Aushängeschild häufig politische Tentenzen verfolgt werden, ist wohl außer allem Zweifel gestellt

Witterungslauf
Die Witterung des Monats April war fast durchgängig kühl und trübe, Nord-und Ostwind vorherrschend; dies dauerte bis zum 10ten Mai, von welchem Tage an eine für diese Jahreszeit ungewöhnliche Hitze eintrat; am 23ten 25ten und 26ten stand das Thermometer Nachmittag 2 Uhr in der Sonne +34, Barometer 28.; den 17ten Nachmittags, den 23ten Abends 8 ½ Uhr, den 24ten früh 1 Uhr, und den 26ten Abends von 8-11 Uhr entluden sich starke Gewitter; die Vegetation, welche bis zur Mitte Mai noch sehr zurück war, entwickelte sich außerordentlich schnell, so daß der Roggen, deßen Aehren erst am 15ten erschienen, schon am 25ten blühete; derselbe steht ebenso wie der Weitzen, trotz einiger verwäßerter Stellen, sehr gut, noch vorzüglicher Raps, Gerste und Hafer. Die Heuernte verspricht einen ausgezeichneten Ertrag. Ebenso die übrigen Futterkräuter.

Präsident Kisker
Am 25ten Mai war der Appelations-Gerichts-Präsident Kisker von Naumburg, früher im Jahre 1849 Justiz-Minister in Berlin, hier anwesend, um Revision beim hiesigen Kreis-Gericht zu halten. Wie man hört, hat derselbe seine volle Zufriedenheit ausgesprochen

Neue Barrieren am Stadtgraben
Die schon im vorigen Jahr begonnene Aufstellung neuer Barrieren am Stadtgraben von der Pforte bis an das breite Thor ist nun zu Ende des Junis vollendet worden; dieselben bestehen aus starkeen Stempeln von Sandstein mit eingekitteten langen 11/2 Zoll starken eisernen Stangen; der Kostenaufwand beträgt 540 rtl. Die früheren hölzernen Barrieren wurden gewöhnlich im Winter gestohlen.

Kreisphysikus Dr. Deutschbein
Am 5ten Julius hat uns der Kreisphysikus Dr. Deutschbein wieder verlassen, und ist nach Herzberg zurück gezogen. Er ist einer in jeder Hinsicht sehr achtungswerther Mann.

Verpachtung der Kirschalleen
Der Ertrag von der Verpachtung der der Commun gehörigen Kirschalleen hat in diesem Jahr 239 Rtl. 10 Sgr.betragen

Witterungslauf, Erndte und Getreidepreise
Der Sommer war sehr heiß,das Therm.stand oft in der Sonne Nachmittag 35 R. die Witterung begünstigte die Erndtearbeit außerordentlich; dabey ward aber auch die Fruchtbarkeit durch starke Gewitter mit vielem Regen, besonders am 18ten Junius Nachts von 17-1 Uhr, desgleichen am 4ten, 10ten, 21ten, 28ten und 31rten August sehr befördert. Die Erndte ist im Körnerertrage recht gut ausgefallen, die Getreidepreise sind durchgängig um einen Thaler niedriger, und würden noch mehr fallen, wenn nicht die Kornjuden mir schändlichem Wucher ihr heilloses Spiel trieben. Der große Scheffel Weitzen gilt jetzt 5 Rtl.10 Sgr., Roggen 4 Rtl.5 Sgr., Gerste 3Rtl und Hafer 2Rtl. Die Heuerndte war vorzüglich. Der Gesundheitszustand befriedigend.

Schützenfest
Am 25ten Julius hielt die hiesige Schützen-Gilde ein Schützenfest, zu welchem Abtheilungen der Schützen-Gilden von Eilenburg, Düben und Brehna schon früh um 7 Uhr hier eintrafen, um 8 Uhr Kirchenparade hielten, und Nachmittags ein Scheibenschießen hatten.

Erbauung und Einweisung der neuen Orgel in der Gottesacker Kirche
Nachdem bereits in den Jahren 1836 und 1840, das erste Mal von den damaligen Stadtverordneten, das zweite Mal von einem Verein hiesiger Bürger der vergebliche Versuch gemacht worden war, in unserer Gottesackerkirche eine Orgel aus milden Beiträgen zu erbauen, trat am 8ten April 1850 ein Comitè ehrenwerther Männer zu diesem Zweck zusammen mit dem festen Vorsatz diesmal das unternommene Werk mit Gottes Hülfe auszuführen. Mitglieder des Comitès waren außerdem Schreiber dieser Zeilen, welcher sich im Laufe eines ganzen Jahres hauptsächlich bemühete die Mittel zum Orgelbau herbei zu schaffen und die Leitung des Baues übernahm, noch folgende Herren: Archidiac. Heineken, Diac. Burkhardt, Kirchenvorsteher Kretschmer, Lehrer Jost, Zimmermstr. Krause, Kaufmann Hofmann sen., Kaufmann Schönbrod, Strumpffabrikant Pabst, Posamentier Querl, Glasermstr. Scheibe, Schiedsmann Schulze, Sparkaßen-Rendant Thaerigen, Bäckermstr. Donath und Goldarbeiter Boettner. Zuvörderst ward nun vom Comitè beym Magistrat geziemend angesucht, uns bey dem Ministerium in Berlin und bey dem Oberpräsidium in Magdeburg die Erlaubnis zur Abhaltung einer Kirchen- und Hauscollekte zu erwirken. Von ersterer Behörde wurden uns drei Kirchencollekten bewilligt, welche am zweiten Weihnachtsfeiertage 1850, am zweiten Oster- und Pfingstfeiertage 1851 eingesammelt wurden, aber noch nicht ganz 30 Rtl. betrugen. Von letzterer Behörde erhielten wir die Erlaubnis zur Hauscollekte im November 1850; daß in dieser unglücklichen Zeit, wo die Stadt bey dem zu befürchteten Ausbruch eines Krieges mit Oesterreich zwey Monat lang mit Einquartierung belegt und bedrückt war, an Einsammlung milder Beiträge nicht zu denken war, versteht sich von selbst. Wir mußten also einen günstigeren Zeitpunkt abwarten, und giengen daher, nachdem wir vorher unterm 18ten August im Nachrichtenblatte in einer ergreifenden Bekanntmachung der Kirchengemeinde unser Vorhaben mitgetheilt hatten, mit frohem Muthe und dem festen Vorsatze beharrlicher Ausführung den 1ten September 1851 ans Werk. Und, siehe da! Im Laufe dieses ganzen Monats floßen die milden Beiträge schon so reichlich, daß wir bereits nach drei Wochen dem Herrn Orgelbaumeister die bestimmte Zusicherung wegen der Uebernahme des Baues der Orgel mündlich ertheilen konnten; der förmliche Contrackt ward erst am 6ten Februar 1852 Abends von 5-7 Uhr im Hause des Verfassers dieser Zeilen von dem Comitè mit Herrn Loewe abgeschlossen, welcher den ganzen Winter hindurch mit seinem Gehülfen, dem Tischlergesellen Seidel aus Zwenkau, am Bau der neuen Orgel arbeitete; zwey andere Gehülfen, der Tischlergeselle Bergmann aus Biesen und der Orgelbaugehülfe Theiner aus Heinrichsau in Schlesien, haben jeder nur kürzere Zeit und nicht bis zur Vollendung des Werkes mit daran gearbeitet. Bevor nun die neue Orgel aber aufgestellt werden konnte, mußte in der Kirche zu Ende des Februar wegen Mangels an Höhe das obere Chor abgebrochen werden; ehe dies aber geschehen konnte, mußte, weil die Morgenseite des Thurmes von den Chorsäulen getragen wurde, und dieser Stützpunkt nun wegfiel, ein doppeltes Streng- und Sprengwerk auf dem Kirchboden angebracht werden; den Kostenaufwand dafür, 104 Rtl.24 Sgr. hat die Kircheninspektion wohlwollend aus den Baufond der Kirche bewilligt; das Bauswerk selbst hat Hl. Zimmermeister Krause ausgeführt.

Bey der Wegnahme der unmittelbar unter der Decke befindlichen beyden Tragbalken, welche am vordern Ende von den Chorsäulen getragen wurden und hinten in der Giebelmauer der Kirche ruhten, zeigte es sich nun, daß dieselben an der letzteren Stelle in einer Länge von zwey Fuß fast ganz morsch und mürbe waren, daß also durch unseren Orgelbau, welchem dem Abruch des oberen Chors und die Anbringung eines Streng-und Hängewerks auf dem Kirchboden voraus gehen mußte, noch zu rechter Zeit ein gewiß nach nur wenigen Jahren unvermeidliches großes Unglück, der Einsturz des Thurmes auf die Kirche verhütet worden ist. Nachdem nun das obere Chor mit Ausnahme der Treppe, welche an der mitternächtlichen Seite stehen blieb, bis auf einen kurzen schmalen nach der mit Brettern verschlagenen Kirchbodentreppe führenden Gang abgetragen war, würden die davon übrig gebliebenen noch recht brauchbaren Materialien theils zu einem einen Fuß hohen Podest auf dem unterm Chor, wohin die neue Orgel zu stehen kam, theils auf dem Kirchboden zum Gerüst und Verschlag der beyden großen 5 Fuß breiten und 10 Fuß langen Spann-Bälge verwendet. Vor Aufstellung der Orgel wurden noch die Kirchwände in der unmittelbaren Nähe derselben und darüber befindliche Stück Decke abgeweißt. Zu Ende des Maerz fing Herr Loewe an der Orgel aufzurichten, der Bau verzögerte sich aber so sehr, daß die Einweisung derselben nicht, wie es selbst im Contrackt bestimmt war, am ersten Pfingstfeiertag, den 30ten Mai, sondern erst am 8ten Sonntag nach Trinitatis, den 1ten August erfolgen konnte. Das Werk enthält folgende zwölf klingende Stimmen: a) im Manual: 1)Principal 8 Fuß, durchaus von englischem Zinn, 2) Bordun 16 Fuß, von Holz, mit doppelten Cabien, 3) Viola di Gambe, 8 Fuß, von Probezinn, die tiefe Quintave von Eichenholz, 4) Flaute traverse 8Fuß, vom zweiten C an, von Ahornholz, 5) Gedackt 8 Fuß, von Holz, 6) Octave 4 Fuß, von Probezinn, 7) Gemshorn 4Fuß,von desgl., 8) Quinte 3 Fuß, von desgl.,9) Superoctave 2 Fuß, von desgl., 10) Mixtur 4 fach aus 2 Fuß, von desgl. B) im Pedal: Subbass 16 Fuß, von Holz, mit doppelten Cabien, und Violonbass 8Fuß, von Holz; außerdem c) als Nebenzüge die Pedalcoppel und den Calcantenrust. Was die Orgel selbst und die feierliche Einweihung derselben betrifft, so beziehe ich mich auf die hier angefügten Beilagen, das Delitzscher Nachrichtenblatt Nr. 30 und 33, und die Festordnung, welche darüber die vollständigste Auskunft geben. Die Weihepredigt des Archidiac.Heineken befindet sich in den Orgelbau Acten.

Der Preis, welchen Herr Loewe für den Bau der Orgel contracktmäßig bekommt, beträgt 570 Rtl. und die Nebenkosten für den Podest, den Balgverschluß, die Uebernahme der Orgel durch Herrn Musikdirektor Engel den Druck der Festordnung und anderer Dinge belaufen sich auf 54 Rtl., in Summa also 624 Rtl. Hierauf sind bis zum 30ten October d.J. 520 Rtl. bereits abgezahlt worden; diese Summe war mit Inbegriff eines im Jahre 1836 von in Leipzig wohnenden geborenen Delitzschern zu diesem Zweck geschenkten und jetzt mit den angewachsenen Zinsen 70 Rtl. betragenden Kapitals aus lauter milden Beyträgen der Kirchengemeinde gesammelt worden; wozu auch noch mehrere auswärtige Stadtkinder anständig beytrugen; die noch fehlenden 104 Rtl. sind durch Baarbestand, nochmals von Leipzig eingesendete 24 Rtl. und durch 77 Rtl. von den Stadtverordneten bewilligten Zuschuß aus der Kämmereikaße, wovon zugleich die Druckkosten der angefügten Beylage, der genauen Rechnungsablegung, mit berichtigt sind, gedeckt worden. Für die Abweißung der Kirchenwände und Decke in der Nähe der Orgel hat der Herr Maurermeister Meie 10 Rtl. aus dem Baufond der Kirche erhalten. Die Kirche ist im Innern 103 Fuß lang,
30 ½ Fuß tief und 35 Fuß hoch.

Mißionar Schultheiss
Am 20ten August Vormittags um 10 Uhr hielt der Superint. Der Süd-Afrikanischen Mißions-Anstalten Schultheiss einen Gottesdienst in unserer Stadtkirche, welche sehr voll Zuhörer war. Seine Predigt war eigentlich eine Berichterstattung über den zum Theil nicht erfreulichen Zustand der dortigen Missionen; man hörte dieselbe mit Interesse an, der Redner stand aber volle 11/2 Stunde auf der Kanzel, so daß am Ende die Aufmerksamkeit der Zuhörer doch ermüdete. Die Kirchencollekte zum Besten der Mißion betrug 26 Rtl. Mittags war im Gasthofe zum Schwan ein frugales, zahlreich besuchtes, Mittagsessen, nach dessen Beendigung Herr Superint. Schultheiss noch fast zwey Stunden lang interessante Mittheilungen über die dortige Mißion, die Lebensweise, die .......sprache und andere Dinge machte; zuletzt ward noch von unserem Diac. Dr. Burchardt im Kreise der Anwesenden zum Besten einer dortigen Kirche eine Collekte gesammelt, welche 11 Rtl.
15 Sgr. einbrachte.

Verpachtung der Pflaumen
Die Pflaumen-Plantage vor dem Viehthore ist diesmal, weil fast gar keine auf den Bäumen hiengen, für nur einen Thaler verpachtet worden, was ein beyspiellos seltner Fall ist.

Neue Baue
Im Laufe dieses schönen Sommers ist viel gebaut worden; unter den neuen Gebäuden ist besonders zu erwähnen das Huas des Schmiedemeisters Naumann an der Ecke der Leipziger und Rittergasse; ferner hat der Kaufmann Schulze ein schönes neues Hintergebäude in der Schulgaße aufgeführt, der Kirchenvorsteher Kretzschmer sein vor einigen Jahren untermauertes Seitengebäude am Kirchhofe neu übersetzt, der Bäckermeister Zweck ein neues Hintergebäude in der Rittergaße, und endlich der Oeconom Wilhelm Kuehne seine im vorigen Jahre abgebrannte Scheune in größerem Umfange und mit einem Keller aufgebaut.

Brandunglück
Am 15ten October, dem Geburtstage des Königs, Abends ¾ auf 7 Uhr entstand Feuerlärm; es brannten die sechs mit Ziegeln gedeckten, aber nicht mit Brandgiebeln verwahrten Scheunen des Seilermstr. Wissig, des Strumpffabrikanten Pabst, des Färbermstr. Gelpke, des Gürtlermstr. Krause sen., des Beutlermstr. Teubner sen. und des Seifensiedermstr. Held (wohnhaft an der Ecke der Hallischen und Badergaße) ganz nieder; vom Seitengebäude des Holz-und Viehhändlers Holleufer gieng blos das Dach verloren; zum Glück war Windstille; die Entstehung blieb unentdeckt. Tausend Schock Getreide verbrannten. Diese 6 Scheuern brannten früher schon einmal ab, als am 21ten Januar 1811 Abends halb 7 Uhr bey strenger Kälte die sämmtlichen an der Kohlgaße in 4 Reihen stehenden vollen mit Strohgedeckten 38 Scheunen nebst 11 Schuppen in furchtbaren Flammen aufgingen.

Streit des Dr. Ideler mit dem Superint. Förster
Zu Anfang des October erlaubte sich der Superint. Förster eine neue Einrichtung beym Choralgesang, den Wegfall des Zwischenspiels, anzubefehlen, was bey der Gemeinde allgemeines Mißfallen erregte. Auf den Wunsch vieler begab sich daher der Schreiber dieser Zeilen, welcher bisher mit dem Superint. Förster auf einem freundschaftlichem Fuße gestanden hatte, zu demselben in seine Wohnung und bat ihn recht herzlich um baldige Abstellung dieser Neuerung, ward aber von demselben mit der Erklärung abgewiesen, er sey nur der einzelne, und auf den Wunsch des einzelnen könne er sich nicht bewogen finden, es wieder abzustellen. Hierauf erließ ich nun im Delitzscher Nachrichtenblatt No.42 die beyliegende Bekanntmachung, welche allgemeinen Anklang und Beyfall erhielt. Da deßen ungeachtet der Superint. Förster in ganz rücksichtsloser Nichtbeachtung der wohlbegründeten Rechte der Kirchengemeinde mit seiner neuen Einrichtung beharrlich fortfahren ließ, so ward nunmehr am 15ten November eine Beschwerdeschrift von ohngefähr vierzig achtungswerthen Bürgern und fleißigen Kirchgängern unterzeichnet an die Stadtverordneten erlaßen mit der ergebensten Bitte bey dem Magistrat als Patron dahin zu wirken, daß dieser den Sup. Förster veranlassen möge das Zwischenspiel wieder einzuführen.Bey der vollkommnen Uebereinstimmung der städtischen Behörden mit den Beschwerdeführern theilte der Magistrat dem Sup.Förster diesen Willen baldigst mit, worauf derselbe endlich vom ersten Advent an die alte Ordnung wieder herstellte, mithin in dieser kirchlichen Angelegenheit eben so verlor, wie im vorigen Jahre in seinem Conflict mit dem Magistrat wegen Einführung der Kirchenordnung, welche von der Gemeinde ebenfalls entschieden verweigert ward. Damit aber die Kirchgemeinde wiße, wie sie sich in ähnlichen etwa wiederkehrenden Fällen zu verhalten habe, verweise ich dieselbe noch auf das algemeine Landrecht, Theil II, Tit.11 §.4 b, b 8, 135, u.14 b, wo es ausdrücklich heißt, „daß wegen der äußern Form und Feyer des Gottesdienstes jede Kirchengesellschaft dienliche ordnungen einführen kann, und daß kein geistlicher Oberer (denn derselbe ist auch nur einzelnes Mitglied der Kirchengemeinde) sich in Kirchensachen eine gesetzgebende Macht anmaßen darf.“ Möge die Gemeinde stets ihre kirchen Rechte bewahren! Der frühere große Organist an der Thomaskirche zu Leipzig, seit 1822 Hofkapell-Meister in Deßau Dr. phil. Friedrich Schneider nannte einen Choral ohne Zwischenspiele „gleich einem Hunde ohne Schwanz“, mithin verstümmelt. Alle berühmten Organisten wie Seb.Bach, Rinck, Fischer, Ritter, F. und Johann Schneider, Hentschel, Engel, Becker, Rein u.A.haben längst die Kunstberechtigung der Zwischenspiele schlagend dargethan; die Gegner derselben sind Stümper.

Gottesacker-Kirche
Am Todtenfeste ward unsre Gottesackerkirche, welche an diesem Festtage außerordentlich voll gerührter Zuhörer war, von zwölf achtbaren Bürgerfrauenmit einer schönen neuen Altar-Stufendecke von schwarzem Tuch im Werthe von etwa acht Thalern beschenkt.

Hospital-Kirche
Im December ward der Turm der Hospitalkirche mit einem Kostenaufwandv von ohngefähr 67 Rtl. von dem hießigen Schieferdeckermeister Hammermann mit Schiefer neu gedeckt; auch erhielten die Schallöcher neue Jalousien. In dieser Kirche hält seit Johannis mit Erlaubnis unsrer Kirchen- und Hospital- Inspecktion der katholische Pfarrer Krumme in Eilenburg alle vier Wochen Sonntags Vormittags einen Gottesdienst mit Predigt für die hier im Orte wohnenden Katholiken, deren Zahl höchstens dreißig beträgt, woran auch die wenigen aus Bitterfeld befindlichen Theil nehmen.

Legat
Die im diesem Jahre verstorbene Witwe des frühern Mädchenlehrers Schütz hat in ihrem Testament dem Frauen- und Jungfrauen- Verein(vid.pag.16) ein Legat von 25 Rtl. bestimmt.

Kartoffel- und Obst- Ernte
Die Kartoffelernte ist mittelmäßig ausgefallen, die Krankheit der Kartoffeln hat sehr abgenommen; der große Scheffel kostet jetzt 1Rtl. 10 Sgr. Obst ist nicht viel gewachsen, das Schock gute Aepfel kostet 20 Sgr.

Witterungslauf
Mit dem Anfang des September hörte die große Hitze des Sommers auf; der Herbst war im Ganzen genommen schön und milde, die Grummet- Erndte sehr gut. Die Witterung war außerordentlich fruchtbar; denn außer mehreren Landregen entluden sich am 11ten, 16ten und 21. September starke Gewitter; den 30ten Abends von 5 –8Uhr und den 2ten October Nachmittags von 2 – 4Uhr tobte ein furchtbarer Orkan, wie Erdbeben(Barom.27,7.) Am 12ten November fiel der erste Schnee, übrigens regnete es in diesem Monat und im December bey milder, abwechselnd stürmischer Witterung viel; den 18 ten December Nachmittags von 1-2 Uhr wüthete ein Gewittersturm; das Therm.stand zu Ende des September Nachmittags um 1 Uhr in der Sonne +16 Reaum.

Krankheitskonstitution
Die fieberhaften Krankheiten nahmen seit dem Anfang des September sehr leicht einen nerwösen Charakter an mit öfters tödlichem Ausgang;das Scharlachfieber erschien immer noch bis zum Ende des Jahres in vereinzelten Fällen. Die Zahl verstorbenen in diesem Jahre beträgt.